HEFT 262 – JUNI 2006 46. JAHRGANG

Stadtschloss in Fulda: Pfeilermauer mit schmiedeeisernen Gittern zum Abschluss des Ehrenhofes von Johann Dietzenhofer um 1710; Sandsteinstatuen und Vasen von Johann Neudecker dem Älteren • Ringen um den richtigen Weg zum Frieden • Soziallehre der Kirche • Widerstandsethik und Gewissenskonflikt • Ehe kein Auslaufmodell

www.katholische-soldaten.de HEFT 262 – JUNI 2006 AUFTRAG 46. JAHRGANG

MANN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFT INHALT Haupttagung der katholischen Männerarbeit von Heinrich Dorndorf ...... 52 editorial ...... 3 Männerarbeit auf dem 96. Katholikentag 2006 in Saarbrücken (ArbStelle Männerseelsorge) ...... 53 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK Mann und Spiritualität: Wie Männer heute glauben Neuorientierungen deutscher Sicherheitspolitik können (ArbStelle Männerseelsorge) ...... 53 von Frank Geldmache/Andreas M. Rauch ...... 4 GKS-Flyer: Soldaten – Diener des Friedens! ...... 6 GESELLSCHAFT NAH UND FERN Friedensethisches Seminar von Justitia et Pax, pax Über das Vatersein: „Es ist wichtig, dass das Kind christi und GKS: Frieden braucht Fachleute die Liebe des Vaters erfährt“ von Klaus Küng .... 54 von Klaus Liebetanz ...... 8 Bericht einer Tochter von Ingrid Hölzmüller ...... 57 Krisenregion Naher und Mittlerer Osten: Drei Jahre Glaubensweitergabe: Viele Katholiken sehen nach dem Irak-Krieg von Volker W. Böhler...... 18 Defizite (KNA) ...... 58 Anschnallen und Abheben! Ehe – ein BILD DES SOLDATEN Zukunftsmodell von Vera Wassermann...... 59 Wehrbeauftragtenbericht 2005: „Permanente ZENIT-Interview: Ratschläge für eine glückliche Unterfinanzierung der Bundeswehr“ ...... 25 Ehe ...... 61 GKS-Politikergespräch mit dem Wehrbeauftragten: Polen und Deutschland: Zwei Nachbarn, die Sittlich-ethische Bindung zwingend erforderlich einander zu wenig kennen von Christof Dahm ... 63 von Winfried Heinemann ...... 26 Frauen in Polens Armee von Joachim G. Görlich 64 Neuer Sprecher der „aktion kaserne“ beim Katyn – weiterhin ungesühnter Völkermord Wehrbeauftragten (ak) ...... 27 von Joachim G. Görlich ...... 64 „Rührt Euch! Weg, Leistung und Krise der Russland: Das Ringen um eine nationale Idee Bundeswehr“ (bt)...... 27 von Paul Roth ...... 65 KIRCHE UND GESELLSCHAFT Ökumene der dritten Art: Die Kirchen und die so Soziallehre der Kirche zusammengefasst (bt) ..... 30 genannten neuen Heiden von Barbara Just ...... 68 II. Internationaler Kongress Kirche in Not/Ost- UN-Menschenrechtsrat (ZENIT/KNA) ...... 69 priesterhilfe: „Steht auf – habt keine Angst“ BLICK IN DIE GESCHICHTE von Heinrich Dorndorf ...... 36 50 Jahre Bundeswehr: Der vierte Bundespräsident Ökumene: Zwischen Enttäuschung und Hoffnung und die Bundeswehr von Dieter Kilian ...... 70 (KNA) ...... 37 Ökumenischer Kirchentag 2010: „Christsein in der KIRCHE UNTER SOLDATEN Gesellschaft – Christsein für die Gesellschaft“ Katholische Soldaten beim 96. Deutschen Katholi- (ZdK)...... 38 kentag: „Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht“ Frankreich: Kirchen unter dem Gallischen Hahn von Winfried Heinemann und KMBA ...... 76 (KNA) ...... 39 Aus dem Leben der GKS von Klaus Achmann .... 78 Blick über den Tellerrand! Ostern auf dem Balkan! Einladung zur Mitlgliederversammlung von Stefan Nüßle ...... 40 des FGKS e.V...... 79 Athos – Mönchsrepublik und Heiliger Berg der GKS Köln-Wahn ...... 80, 81 Orthodoxie von Stefan Nüßle ...... 42 GKS-Kreis Bad Neuenahr-Ahrweiler: ...... 82 CHRISTLICHES ZEUGNIS GKS Lager Hammelburg: ...... 82 Widerstandsethik und Gewissenskonflikt mit Standort Veitshöchheim: ...... 83 einem Lebensbild des Priester-Märtyrers GKS-Kreis München: ...... 84 DDr. Heinrich Maier von Michael Schnarrer ...... 44 Neuer BAS-Vorsitzender: Staatssekretär a.D. Forscher: Katholiken verhielten sich in NS-Zeit Klaus-Günther Biederbick (KAS)...... 84 und DDR ähnlich (KNA)...... 49 Martyrium und Wahrheit von Andreas M. Rauch 50 KURZ BERICHTET: ...... 29, 38, 75 PERSONALIA: ...... 64, 84 Zum Titelbild: Stand der GKS auf der „Kirchenmeile“ in der Saarbrücker Innenstadt; BUCHBESPRECHUNGEN ...... 27, 30, 50, 53, 85, 87 v.l.: Militärgeneralvikar Prälat Walter Wakenhut, stellv. Bundesvorsitzender Hptm Hans-Georg Pauthner, GKS- TERMINE ...... 86 Bundesvorsitzender OTL Paul Brochhagen und der Geistliche Beirat der GKS Militärdekan Johann Meyer. AUTOREN UND FOTONACHWEIS ...... 87 2 46. JAHRGANG AUFTRAG HEFT 262 – JUNI 2006

editorial Liebe Leserschaft, nachdem der Deutsche Bundestag am 1. Juni der Entsendung von 780 Soldaten in den Kongo mit großer Mehrheit zugestimmt hat, dieser Einsatz aber gerade von Soldaten auch sehr kritisch gesehen wird, soll an dieser Stelle, statt der üblichen Einführung in das vorliegende Heft, die engagierte Meinung eines heute in der humanitären Auslandshilfe tätigen, ehemaligen Soldaten vorgestellt werden: Zehn gute Gründe für den Bundeswehreinsatz im Kongo 1. Viele Menschen in Deutschland haben sich mit Recht über das Versagen der Weltgemeinschaft anlässlich des Völkermords in Ruanda entrüstet. Den Vereinten Nationen jetzt im Fall des Kongos die Unterstützung zu versa- gen, käme einer moralischen Bankrotterklärung gleich. 2. Der „afrikanische Weltkrieg“ mit Beteiligung von mindestens acht Ländern hat in den letzten fünf Jahren mehr als 3,8 Millionen Menschen das Leben gekostet. Noch heute sterben täglich 1.200 Menschen an den Folgen. Dieser Zustand muss beendet werden. 3. Die Stabilisierung des Kongo ist von zentraler strategischer Bedeutung, weil sie auf alle Staaten südlich der Sah- ara ausstrahlt. Die Demokratische Republik Kongo darf nicht in den Zustand eines „failing state“ (zerfallender, unregierbarer Staat) zurückfallen. Erfolgreiche Wahlen sind eine weiterer Schritt zur Stabilisierung des Landes. 4. Die Stabilisierung des Kongos und seiner Anrainerstaaten ist auch von großem Interesse für Europa, weil so der Migrationsdruck auf Europa gemindert werden kann. 5. Der Kongo ist ungewöhnlich reich an Bodenschätze, wie Wolfram, Mangan, Chromerze, Kobalt, Uran, Erdöl, Be- ryllium, Industriediamanten. Er verfügt über 30% der Weltkupfer- sowie 80% der Weltcoltanvorkommen, ohne das kein Mobiltelefon funktioniert. Dieser Reichtum muss auch der Bevölkerung zu Gute kommen, wie darüber hinaus der Zugang zu sauberem Trinkwasser, ausreichende Gesundheitsfürsorge und Bildung. Es ist nicht einzu- sehen, warum der Reichtum des Landes nur den Betreibern einer Gewaltökonomie (organisierte Kriminalität und mit dieser kooperierende westliche Firmen) überlassen sein sollte, die für die Bevölkerung nur Totschlag und Zwangsprostitution übrig hat. Der Abbau der Bodenschätze muss demokratisch kontrolliert werden. 6. Es wäre auch unredlich die Stabilisierung des überwiegend christlichen Kongos ausschließlich moslemischen und nichtchristlichen Soldaten zu überlassen. An der bisherigen VN-Operation MONUC hat sich kein europäi- scher Staat mit Soldaten beteiligt. Man zahlt dort nur. 7. Die Begrenzung des Einsatzes von „EUFOR RD Congo“ auf den Raum von Kinshasa ist folgerichtig. Wer auch immer das Wahlergebnis in Frage stellen will, kann dies nur in Kinshasa tun. Die europäischen Soldaten haben einen hohen Abschreckungswert, weil die derzeitigen Machthaber im Kongo genau wissen, dass jederzeit euro- päische Verstärkung aus Gabun und vor allem aus Europa kommen kann, gegen die sie keine Chance haben. 8. Von den ca. 25.000 Kindersoldaten im Kongo sind bereits 18.000 auch mit Unterstützung der Bundesrepublik demobilisiert worden. Die verbleibenden 7.000 Kindersoldaten halten sich überwiegend im Ostkongo auf, so dass deutsche Soldaten im Raum Kinshasa kaum auf Kindersoldaten treffen werden. 9. Verteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung war durch sein behutsames Vorgehen – was die Opposition als „Eier- tanz“ bezeichnete – im Vorfeld des Einsatzbeschlusses für deutsche Soldaten im Kongo gut beraten, weil er schließlich Folgendes für EUFOR erreicht hat: – Die Billigung des Einsatzes durch den derzeitigen Präsidenten und seine vier Stellvertreter. – Ein klares Mandat des VN-Sicherheitsrates. – Die Beteiligung neben Deutschland und Frankreich von weiteren 16 europäischen Staaten. – Eine klare Zuordnung von Raum und Zeit des Einsatzes. Die Auffassung, man solle den Kongoeinsatz den ehemaligen Kolonialherren, wie Belgien und Frankreich über- lassen, ist wenig hilfreich. Man würde den Bock zum Gärtner machen. Auch wäre es inkonsequent, weil die europäischen Staaten in Evian beschlossen haben, gemeinsam mehr Verantwortung für Afrika zu übernehmen. 10. Für mich als Fachberater für Katastrophenmanagement ist es nicht nachvollziehbar, warum ich 2005 im Auftrag des Auswärtigen Amtes unbewaffnet und ohne Schutzweste (wie im übrigen alle zivilen Helfer) im gesamten Ost- kongo Ergebnisprüfungen für Projekte der deutschen humanitären Hilfe durchführen konnte, während deutsche gepanzerte Soldaten mit integrierten Nachtsichtgerät und modernsten Schnellfeuergewehren nicht in der Lage sein sollten, ihrem Auftrag in Kinshasa nachzukommen. Abschließend noch ein dickes Aber: Wenn aber der militärische Einsatz im Kongo nicht durch massive und nachhaltige Entwicklungshilfe und eine effektive Ausbildung der kongolesischen Polizei unterstützt wird, gerät die militärische Mission zu einem bloßen Aktivismus oder zum „reinen Showbusiness“ ( B. Gerz, DBwV – vgl. auch meinen Beitrag: „Die Schieflage der Friedenskonsolidierung in Afghanistan“ im AUFTRAG 261 S. 61 ff.). Hier sind die große Koalition und der Deutsche Bundestag gefordert. (Klaus Liebetanz)

3 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK Neuorientierungen deutscher Sicherheitspolitik

VON FRANK GELDMACHER / ANDREAS M. RAUCH

ie sicherheitspolitische Dis- Ziel ist es, ihren Betrag zur internati- ben, mit einer größeren Zahl von kussion darf nicht länger onalen Konfliktlösung, für Frieden Kräften über Kinshasa hinaus zu „Dnur im internen kleinen und Stabilität zu leisten und den Pro- agieren. Struck wiederholte die Vor- Kreis der Experten stattfinden. Die zess der Globalisierung so mitzu- aussetzungen, die auch schon Bun- Parteien und alle gesellschaftlichen gestalten, dass seine positiven Effek- deskanzlerin Angela Merkel genannt Gruppen sind vielmehr aufgefordert, te vielen Menschen zu Gute kommen. hatte: ein zeitlich und räumlich be- sich in die Diskussion einzuschalten.“ Die Beachtung des Völkerrechts, schränktes Mandat, eine klare völ- Mit diesem Eingangsstatement eröff- die Einhaltung der Menschenrechte kerrechtliche Legitimation durch ei- nete die SPD-Bundestagsabgeord- und die enge Einbindung in die Ver- nen Beschluss des UN-Sicherheits- nete Ulrike Mertens, Vorsitzende des einten Nationen, die EU und die rates, eine faire Verteilung der Las- Verteidigungsausschusses im Deut- NATO gehören für die Große Koaliti- ten auf mehreren europäischen schen Bundestag, am 11. März 2006 on genauso wie für die Vorgänger- Schultern und letztlich noch eine die „2. PETERSBERGER GESPRÄCHE ZUR regierungen zu unverrückbaren Prin- Einladung der kongolesischen Re- SICHERHEIT“. Auf Einladung der Ab- zipien der Außen- und Sicherheits- gierung, die einen Einsatz ausdrück- geordneten kamen dieses Jahr etwa politik. Folglich um dieses durchzu- lich unterstützt und befürwortet. 250 Teilnehmer aus Bundeswehr, setzen, bleibt für Struck „das Ein- Im Atomkonflikt mit dem Iran Politik, Gesellschaft und Medien im satzgebiet der Bundeswehr auch künf- gibt es für den SPD-Fraktionsvor- ehemaligen Gästehaus der Bundes- tig die ganze Welt“. Wobei solche sitzenden „keine ernsthafte Alternati- regierung auf dem Petersberg in Einsätze selbstverständlich niemals ve zur Fortsetzung der diplomatischen Königswinter zusammen, um über im Alleingang erfolgen werden, son- Bemühungen“. Auch die Befassung die Perspektiven der Bundeswehr dern immer im Rahmen mit den Ver- des Weltsicherheitsrates ist für und die Sicherheitspolitik in einten Nationen und in Kooperation Struck „nicht das Ende der Diploma- Deutschland zu diskutieren. mit unseren Partnern in der EU und tie, sondern nur ein weiterer Schritt Die von der Karl-Theodor-Moli- in der NATO. auf dem Weg zu einer diplomatischen nari-Stiftung und Ulrike Merten aus- Mit großer Sorge beurteilte Lösung“. Die diplomatischen Karten gerichtete Veranstaltung stand im Struck die gegenwärtigen Herausfor- sind für ihn noch lange nicht ausge- Zeichen der beiden großen Themen: derungen. „In kann mich nicht erin- reizt, „wenn es gelingt den Iran inter- „Ziele, Leitlinien und Handlungsbe- nern, dass wir in den vergangenen national weiterhin zu isolieren“, wer- darf der Außen-, Sicherheits- und fünfzehn Jahren jemals in so geballter den nach Struck die gemeinsamen Verteidigungspolitik der Großen Koa- Form mit so unterschiedlichen neuen Bemühungen der internationalen Ge- lition“ und dem heutigen Stand des Bedrohungen konfrontiert waren, wie meinschaft auch erfolgreich sein. Transformationsprozesses der Bun- in diesen Tagen.“ Weiter Struck, „wer in dieser Situati- deswehr. Peter Struck meinte damit die on leichtfertig mit militärischen Opti- Der Fraktionsvorsitzende der kritische Lage auf dem Balkan, die onen spielt, handelt verantwortungs- SPD-Bundestagsfraktion und ehema- internationale Bedrohung durch den los und gefährdet die diplomatischen lige Verteidigungsminister Dr. Peter Terrorismus, den schwierigen Konf- Bemühungen“. Struck sagte in seiner Rede: „Ziele, likt um das iranische Atomprogramm In der Frage des Einsatzes der Leitlinien und Handlungsbedarf der und die Situation in gleich mehreren Bundeswehr im Innern in Bezug auf Außen-, Sicherheits- und Verteidi- afrikanischen Staaten, wobei er die Fußball-Weltmeisterschaft weiß gungspolitik der Großen Koalition“, besonders den Kongo und den Sudan Struck sich mit dem Bundeswehr- dass die Transformation der Bundes- nannte, „deren Schicksal auf der Kip- Verband und der Gewerkschaft der wehr nach seinem Eindruck „auf ei- pe steht und um deren innere Festi- Polizei einig. „Was soll besser werden, nem guten Weg“ ist, aber es ist „zwei- gung gerungen wird“. Nach Struck wenn die Bundeswehr die Fußball- fellos ein langer und schwieriger „spielen in allen diesen aktuellen Weltmeisterschaft schützt?“ Soldaten Weg“. Konflikten Deutschland und Europa agierten auf einer ganz anderen Struck erwähnte ebenfalls, dass eine entscheidende Rolle und jeder Rechtsgrundlage. „Die dürfen noch er seinem Nachfolger im Amt des einzelne Konflikt fordert andere Ant- nicht einmal Taschen durchsuchen, Verteidigungsministers, Franz Josef worten. Das ganze Spektrum unser weil ihnen dort kein unmittelbarer Jung, dazu geraten habe, „die Grund- außenpolitischen Instrumente ist ge- Zwang erlaubt ist.“ entscheidungen zur Transformation fordert.“ Struck kam auch auf den der Bundeswehr nicht in Frage zu Deutliche Skepsis war im Ge- Bundeswehreinsatz im Innern in Be- stellen“. „Es gibt keinen Kurswechsel. sicht des ehemaligen Verteidigungs- zug auf die Luftsicherheit zu spre- Die bewährte Politik wird fortge- ministers zu lesen, als er über einen chen und ließ keinen Zweifel daran, setzt.“ Die Große Koalition fühlt sich möglichen Kongo-Einsatz sprach. dass das jüngste Urteil aus Karlsruhe also dem alten Weg des umfassenden „Beim Kongo sage ich: Vorsicht! Vor- zur Luftsicherheit eine gute Seite hat, Sicherheitsbegriffes verpflichtet. Ihr sicht!“ Er könne nicht den Rat ge- da es Rechtssicherheit schafft, „Klar

4 AUFTRAG 261 FRIEDENSAKTEUREDEUTSCHE SICHERHEITSPOLITIK IM AUSLAND ist jetzt, kein Pilot darf ein Flugzeug stellt eine immense, auch ethisch-mo- Wolfgang Schneiderhan ging in abschießen, in dem auch nur ein Un- ralische Herausforderung an unseren seiner Rede auf die Befürchtung ein, schuldiger sitzen könnte“, jedoch Kulturkreis dar“. Somit „haben wir die Bundeswehr würde durch ihre meinte er auch, dass es die Aufgabe zwar einen Namen für die neue Be- Auslandseinsätze im Katastrophen- der Politik, die Bürger vor Terroran- drohung, uns fehlt aber anders als im fall nicht mehr im ausreichenden griffen zu schützen, nicht gerade er- ‘Kalten Krieg’ eine klassische Adres- Umfang im Inland zur Verfügung ste- leichtern würde. se“. Sicherheitspolitisches Handeln hen. „Wer rasch auf eine Krise in ei- wird deutlich erschwert, da man mit ner abgelegenen Weltregion zu rea- Zum Stand der Transformation einem solchen Gegner auch „nicht gieren vermag, kann dieses in einem in der Bundeswehr mehr politisch kommunizieren – noch höheren Maße auch im eigenen Generalinspekteur Wolfgang Stichwort rotes Telefon – und auch Land“. Schneiderhan hielt einen Vortrag auf dem Gefechtsfeld nicht mehr mit Die Transformation ist abschlie- über „Die Bundeswehr im Transfor- ihm zu Vereinbarungen gelangen ßend für Schneiderhan „anders als mationsprozess – eine Zwischen- kann“. frühere Reformen ein offener Prozess, bilanz“. Wobei er direkt einräumte, Die Antwort auf diese Risiken der dem hochdynamischen und an- dass eine Zwischenbilanz eigentlich verlangt nun ein gewandeltes Ver- haltenden Wandel im Anforderungs- ein verkehrter Ausdruck wäre, da es ständnis von Sicherheit in der Poli- profil der Streitkräfte entspricht“. sich bei der Transformation um einen tik, den Streitkräften, aber auch in „Verständnis und Unterstützung da- dynamischen Prozess handle, dessen der Gesellschaft. Das Ziel einer zeit- für kann nur durch eine zielgerichtete beständige Antriebskräfte der unab- gemäßen Sicherheitspolitik muss da- Kommunikation nach außen und lässige technische Fortschritt einer- her sein, den Gefährdungen der Si- innen erfolgen und wird maßgeblich seits und die sich stetig weiterentwi- cherheit bereits am Entstehungsort den Erfolg und die Akzeptanz des ein- ckelnden sicherheits-politischen zu begegnen. Nach dem Generalins- geschlagenen Weges bestimmen.“ Rahmenbedingungen andererseits pekteur sollen „Bedrohungen mit zi- Entscheidend dabei ist für Schnei- sind. Demnach gibt es also keinen zu vilen und militärischen Mitteln bereits derhan jedoch, dass wir die Transfor- erreichenden Endzustand der Trans- auf Distanz bewältigt werden, bevor mation der Bundeswehr mit ihren formation, sondern nur nach Schnei- sie uns in Deutschland ereilen“. Da- Konsequenzen „nicht als notwendi- derhan eine „Standortbestimmung“. her „muss die Bundeswehr heute die ges Übel durchleiden, sondern sie als Schneiderhan erklärte ausdrück- Fähigkeit zum schnellen Eingreifen, Chance begreifen und aktiv beglei- lich, dass es sich bei der Transforma- insbesondere auch für langfristige ten“. tion nicht nur um eine Verringerung Einsätze zur Stabilisierung in weit Ulrike Merten zeigte sich ab- der Streitkräftezahl handelt, auch entfernten Einsatzgebieten, besitzen schließend mit den „2. PETERSBERGER nicht um eine Verringerung der und ebenfalls über die dazu notwendi- GESPRÄCHEN ZUR SICHERHEIT“ zufrie- Bundeswehrstützpunkte, sondern es gen Strukturen, eine moderne Ausrüs- den und kündigte eine Fortsetzung geht um Antworten auf die neuen tung und die zielgerichete, umfassen- dieser Gespräche im kommenden geopolitischen Herausforderungen. de Ausbildung verfügen.“ Jahr an. ❏ So ist die Bundeswehr seit dem Zu- sammenbruch der bipolaren Welt- struktur im Jahre 1989 nicht mehr ach diesem Beitrag über die „Neuorientierungen deut- vorrangig eine Verteidigungsarmee, scher Sicherheitspolitik“ folgt auf den Seiten 6-7 eine sondern vor allem eine Armee im Einsatz. Die erfolgreiche Sicher- NPublikation der GKS, die von den Sachausschüssen „Si- heitsarchitektur des „Kalten Krie- cherheit und Frieden“ sowie „Innere Führung“ als Nachtrag zur ges“, die vier Jahrzehnte lang den GKS-Erklärung „50 JAHRE MILITÄRSEELSORGE. DIE GKS IM SPANNUNGS- Frieden in Mitteleuropa erhalten hat, FELD GEWANDELTER AUFTRÄGE DER BUNDESWEHR“ vom 28.01.2006 er- entspricht nicht länger mehr den ge- stellt wurde. Dieser Text „SOLDATEN – DIENER DES FRIEDENS“ formu- genwärtigen Bedrohungen. Im 21. Jh. liert in knapper Form die Auffassung der GKS vom zeitgemä- werden wir mit asymmetrischen Her- ßen Selbstverständnis christlich geprägter Soldaten und ver- ausforderungen konfrontiert, deren deutlicht zu dem die wichtigsten Grundpositionen des Verban- Ursachen und Auftreten zudem in der Regel multikausal sind, also des. Er soll als Faltblatt eine Verbreitung innerhalb und außer- mehr als militärische Antworten ver- halb von Bundeswehr und katholischer Kirche erfahren. langen. Asymmetrisch ist die neue Dass die Position der GKS nicht graue Theorie bleibt, davon Bedrohung unter anderem, da dem zeugen weiteren Beiträge in der Rubrik „Sicherheit und Staat eine mehr oder weniger straffe private Organisation gegenübersteht Friedensethik“ (Bericht über ein Friedensethisches Seminar von und der religiös motivierte Terrorist Klaus Liebetanz – S. 8 ff., Beitrag von Volker Böhler über die zunehmend keine Rücksicht mehr Krisenregion Naher Osten – S. 18 ff.) und in der Rubrik „Bild auf das eigene Überleben nimmt. des Soldaten“ (s.S. 25 bis 35, insbesondere Bericht von Winfried Nach Schneiderhan „entzieht sich der Heinemann über ein GKS-Politikergespräch mit dem Wehrbe- Terrorist damit jeder logischen Bere- auftragten – S. 26). chenbarkeit und seine Bekämpfung

AUFTRAG 261 5 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

GKS-FLYER FÜR EIN ZEITGMÄSSES SELBSTVERSTÄNDNIS CHRISTLICHER SOLDATEN: Soldaten – Diener des Friedens! Ein neues Selbstverständnis Katholische Soldaten beachten die Militärische Gewalt darf nur einge- iele Menschen denken auch heute ethischen Normen ihrer Kirche und enga- setzt werden (ius ad bellum), wenn Vnoch, wenn sie das Wort Soldat hören, gieren sich für ihren Staat und ihre Mitbür- – andere Möglichkeiten erschöpft sind an Krieg und Zerstörung. Über viele Jahr- ger. Sie stellen sich den Herausforderun- oder aussichtslos erscheinen und hunderte mag das zutreffend gewesen sein gen, welche sich aus ihrer weltlichen Ver- wenn sie als äußerstes Mittel geeig- und viele Staaten verharren auch heute pflichtung einerseits und den christlichen net erscheint, den Frieden zu er- noch in dieser Sichtweise. Die Bundes- Imperativen andererseits ergeben. Ausge- zwingen; republik hat jedoch Lehren aus der Ver- hend vom Menschenbild des Grundgeset- – ein gerechter Grund vorliegt, wenn gangenheit, vor allem der nationalsozialis- zes formulieren sie ihr berufliches Selbst- also der Weltfrieden gestört, tischen Perversion, gezogen und sich auf verständnis. Sie waren und sind von der die Sicherheit der Völker oder die christlich-abendländischen Werte zu- Notwendigkeit überzeugt, dass katholi- Menschenrechte flagrant verletzt rückbesonnen. Mit dem Grundgesetz, des- sche Christen aus ihrem Glaubens- und werden; sen Präambel mit ihrem Gottesbezug dazu Politikverständnis heraus in den deutschen – eine legitime Macht (derzeit nur die verpflichtet, „dem Frieden in der Welt zu Streitkräften dienen sollen. Die GKS bringt Vereinten Nationen) einen entspre- dienen“ und dem Eintreten in die Werte- ihre Anliegen, die sich aus den Besonder- chenden Kampfeinsatz anordnet. gemeinschaft der westlichen Demokratien heiten des Militärdienstes ergeben, in den Militärische Gewalt darf nur in der hat sich Deutschland in der zweiten Hälfte Prozess der Meinungsbildung von Kirche Absicht und mit dem Ziel eingesetzt wer- des 20. Jahrhunderts neu aufgestellt. und Staat, von Ethik und Politik ein und den (intentio recta), Unrecht (schwerwie- Die Soldaten der Bundeswehr leisten leistet einen Beitrag zur Verwirklichung gende Verstöße gegen das Völkerrecht) zu seit einem halben Jahrhundert ihrem des christlichen Zeugnisses in den Streit- beenden oder zu vermeiden, um eine Selbstverständnis entsprechend Friedens- kräften. friedliche Entwicklung abzusichern. Nach dienst. Katholische Soldaten können in der menschlichem Ermessen muss Aussicht Bundeswehr den Forderungen ihrer Kirche … zwischen Ethik und Politik auf Erfolg des Einsatzes bestehen. Wer mi- folgen. Sie nehmen die Forderung des II. litärische Gewalt anwendet, muss nach Vatikanischen Konzils (GS 79, 1962-1965) hristliche Soldaten bewähren sich im den Regeln des Humanitären Völker- als Maßstab und Auftrag ernst und be- CSpannungsfeld zwischen Ethik und rechts die Grundsätze der Verhältnis- trachten sich heute „als Diener der Sicher- Politik, zwischen Kirche und Staat, dort, mäßigkeit der Mittel und Methoden (Pro- heit und der Freiheit der Völker“. Indem wo sich (weltliche) Sicherheitspolitik mit portionalität) sowie des Schutzes von sie nämlich diese Aufgabe recht erfüllen, (kirchlicher) Friedensethik kreuzt. Katholi- Nicht-Kombattanten (Diskrimination) tragen sie „wahrhaft zur Festigung des Frie- sche Soldaten übernehmen gewissenhaft zwingend beachten (ius in bello). dens bei.“ Die päpstliche Enzyklika Verantwortung: im täglichen Dienst in der „Pacem in Terris“ (1963), die Hirtenworte Kaserne, in der Ausbildung und im Einsatz, Übermäßige Rüstung bindet Ressour- „Gerechtigkeit schafft Frieden“ (1983) und wenn sie als Vorgesetzte Befehle geben cen, hält die Entwicklung der Völker auf und fördert die Gefahr der Ausbreitung „Gerechter Friede“ (2000) sowie die jüngs- oder wenn sie selbst Befehle ausführen. von Kriegen. Deshalb ist es ethisch gebo- te Erklärung „Soldaten als Diener des Frie- Gerade in Extremsituationen fällt es dens“ (2005) geben ihnen Orientierung. ten, nur hinlänglich zu rüsten, also nur so schwer, den Überblick zu behalten und viel Militär zu unterhalten, wie zu einer unter Stress das Richtige zu tun. Die GKS sittlich erlaubten Verteidigung (Notwehr) Christ und Soldat … setzt sich dafür ein, dass Soldaten auf oder für Kampfeinsätze im Rahmen von eit Gründung der Bundeswehr haben schwierige Lagen vorbereitet werden. Sie Friedensmissionen notwendig sind. (Suffi- Skatholische Soldaten – zunächst im ist dankbar für den Dienst der Militärseel- zienz-Prinzip) „Königsteiner Offizierkreis“ (KOK 1961) – sorge, die im Lebenskundlichen Unterricht einen konstruktiven Dreiklang vermittelt: Gleichgesinnte gesucht und sich später in Verantwortung des Staates der Gemeinschaft Katholischer Soldaten Wertebindung, Gewissensbildung, Lebens- (GKS 1970) zusammengeschlossen. Die- führung. ie GKS erwartet von Bundesregierung ser berufsständische Verband bietet Solda- Dund Parlament überzeugende Ant- ten, die gemeinsam ihren Glauben leben worten auf die Fragen, ob ein (Kampf-)Ein- Katholische Soziallehre als und füreinander einstehen, eine geistige satz politisch notwendig, ethisch gerecht- Entscheidungshilfe und geistliche Heimat. fertigt und militärisch sinnvoll ist. Denn ie GKS sieht sich auf der Basis der Bundeswehrsoldaten dürfen nur auf der Die GKS ist ein freier Zusammen- katholischen Soziallehre und der Grundlage des Völkerrechts und gemäß schluss von Gläubigen zu einem Verband D kirchlichen Friedensethik besonders der der deutschen Wehrverfassung eingesetzt von Katholiken in der Bundeswehr und werden. So hat die GKS wegen fehlenden von Soldaten in der katholischen Kirche. Sicherung und Förderung des Friedens ver- Mandats der Vereinten Nationen den Als Laienorganisation in der Katholischen pflichtet. Sie bezieht immer wieder in öf- Krieg im Irak verurteilt. Militärseelsorge gründet sie auf dem Glau- fentlichen Erklärungen Stellung zu Fragen ben der katholischen Kirche und orientiert der Sicherheitspolitik und Friedensethik. Die politische Leitung der Bundes- sich an der Katholischen Soziallehre, Wiederholt hat sie die ethischen Kriterien wehr hat über die militärische Führung insbesondere an deren friedensethischen für den Einsatz militärischer Gewalt her- dafür zu sorgen, dass die geistigen und Aspekten. ausgestellt: sittlichen Grundlagen des Wehrdienstes

6 AUFTRAG 261 SOLDATENFRIEDENSAKTEURE DIENER DES IM AUSLANDFRIEDENS vermittelt und die Soldaten entsprechend Innere Führung als Ethik für die Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit motiviert werden. Gerade sie, denen auch Bundeswehr as Treueverhältnis zwischen Dienst- gefährliche Einsätze zugemutet werden, ie GKS sieht in der Inneren Führung Dherr und Soldat beruht auf gegensei- brauchen die Gewissheit, dass nicht nur Deine soldatische Ethik für die Bundes- tigem Vertrauen. Die Bundeswehr folgt das Parlament, sondern auch die Mehr- wehr, die ihr bereits in der Phase der dem Primat der Politik und ist deren ver- heit des deutschen Volkes hinter ihnen Gründung vorgegeben wurde und die sie lässliches Instrument. Sowohl der „politi- steht. verinnerlicht und weiterentwickelt hat. sche Auftraggeber“ als auch der „militäri- Die politisch Verantwortlichen ste- Als dynamisch konzipierte Führungs- sche Auftragnehmer“ sollten jederzeit hen in der Pflicht, dauerhafte Lösungen in philosphie prägt sie, ausgehend vom nach besten Kräften ihren Verpflichtungen den Einsatzländern zu finden; sonst wer- Menschenbild des Grundgesetzes, die nachkommen. Die Soldaten haben ein den Soldaten zu Lückenbüßern für ver- Unternehmenskultur der Bundeswehr, in- Recht auf solide Ausbildung ebenso wie schleppte politische Entscheidungen. dem sie das Miteinander der Soldaten auf eine optimale Ausrüstung. Streitkräfte können Frieden erzwingen konstruktiv regelt und zum gewissenhaf- Bei der Transformation der Bundes- und Sicherheit stabilisieren. Manchmal ist ten Dienen motiviert. wehr (Anpassen ihrer Einsatzfähigkeit an es notwendig, in Krisenregionen durch Streitkräfte in der Demokratie und für künftige Aufgaben) muss jeder einzelne Sol- zeitlich begrenzten Einsatz militärischer die Demokratie beziehen ihr Rollen- dat mitgenommen und dabei sein soziales Gewalt Voraussetzungen dafür zu schaf- verständnis aus der Wechselbeziehung Beziehungsgeflecht mit bedacht werden. fen, dass wieder „Staat gemacht“ werden Der Dienstherr weiß, dass der erwei- kann (nation building). In konzertierter zwischen Armee und Staat. Aus dem Ver- terte Auftrag zu größeren Belastungen Aktion muss militärische Stabilisierung in hältnis Gesellschaft und Soldat heraus nicht nur für den Soldaten, sondern auch zivile Konfliktbearbeitung übergeleitet entwickelt sich das Selbstverständnis vom für seine Angehörigen führt, die durch werden. Dabei ist die Mitwirkung der Staatsbürger in Uniform. eine bessere Vor-, Für- und Nachsorge so- Zivilgesellschaft vor Ort am Aufbau und Die Prinzipien der Inneren Führung zial abgefedert werden müssen. Dazu ge- an der Konsolidierung der Inneren Ord- bewirken – richtig verstanden und umge- hört die Familien- bzw. Angehörigen- nung (Demokratie und Rechts- setzt – auf vielfältige Weise die Integration betreuung ebenso wie eine angemessene staatlichkeit) sowie des wirtschaftlichen der Armee in den Staat, konkret: des Bür- Versorgung. In diesem Zusammenhang Lebens unabdingbar. gers in die Bundeswehr und des Soldaten leistet die Militärseelsorge unverzichtbare in die Gesellschaft. Die GKS fordert von der deutschen Dienste. Regierung, von NATO und EU-Staaten, dass sie sich für eine Reform der Vereinten Soldatisches Selbstbewußtsein Nationen im Allgemeinen und des Sicher- Leitsätze als kategorischer Imperativ heitsrates im Besonderen einsetzen. Die ie veränderte globale Sicherheitslage rundlage der Arbeit der GKS sind ihre Glaubwürdigkeit dieser Welt-Friedens- Dführt zu einer Neuausrichtung der Gim christlichen Menschenbild veran- Organisation steht auf dem Spiel, wenn Bundeswehr auf ihre erweiterten Aufga- kerten Leitsätze, die den Wandel im Selbst- andere als das Völkerrecht und die Men- ben hin. Mit den sicherheitspolitischen verständnis vom überkommenen „Solda- schenwürde fördernde Interessen die Ent- sind immer auch friedens- und berufs- ten für den Krieg“ zum heutigen „Soldaten scheidungen des Auftraggebers für ethische Fragen zu erörtern. In diesem Zu- für den Frieden“ dokumentieren: Friedensmissionen bestimmen. sammenhang wünscht die GKS eine leb- – im Glauben verwurzelt hafte Diskussion unter breiter Beteiligung – für Recht und Freiheit der Öffentlichkeit. Die Frage der Reich- Verantwortung des Soldaten – sittlich gebunden weite der Grundpflicht des Soldaten, ie Ethik des Völkerrechts und die Wer- insbesondere von Eid und Gelöbnis, darf – politisch gebildet Dte und Normen des Grundgesetzes in diesem Zusammenhang nicht zu kurz – fachlich kompetent dienen dem Soldaten als moralische kommen. – gewissenhaft im Gehorsam Orientierung, so dass er seiner Mit-Verant- Die Stärke der Inneren Führung zeigt – dem Frieden verpflichtet wortung, die ihm niemand abnehmen – offen für Gleichgesinnte kann, gewissenhaft gerecht werden kann. sich in der hohen Qualität der Menschen- führung, vor allem im kooperativen Füh- – um Zusammenarbeit bemüht Soldaten sind dann motiviert, wenn sie – ökumenisch aufgeschlossen wissen, wofür sie sich engagieren. Ihr Ein- rungsstil, wie er durch die Freiheit im satz zielt auf einen „gerechten Frieden“. Handeln (Auftragstaktik) praktiziert und Die GKS orientiert sich an diesen Konkret helfen sie, das Völkerrecht durch- weiterentwickelt wird. Vorgesetzte wissen Leitsätzen und setzt sie nach Kräften um. zusetzen, die Menschenwürde zu schüt- um ihre Verantwortung und achten die Was der Einzelne aus eigener Kraft nicht zen, stabile Verhältnisse herzustellen und Würde jedes Menschen. Sie kommunizie- verwirklichen kann, vermag die „Solidar“- die demokratische Entwicklung abzusi- ren und kooperieren mit ihren Soldaten Gemeinschaft Katholischer Soldaten als chern. auf Augenhöhe. Auf diese Weise bilden größeres Ganzes zu ergänzen. Diesem moralischen Anspruch kann nur gerecht Um aber eigenständig urteilen zu sie gegenseitiges Vertrauen und fördern so werden, wer sich bemüht, die hinter die- können, muss der Soldat umfassend infor- die für den soldatischen Dienst unver- sen Leitsätzen stehenden Werte zu kulti- miert sein und die politische und militäri- zichtbare Kameradschaft. Die GKS setzt vieren. sche Entscheidungsfindung nachvollzie- sich dafür ein, dass Soldaten in der Vorbe- hen können. Nur wenn ihm die für einen reitung von Entscheidungen auch abwei- Die Gemeinschaft Katholischer Sol- Einsatz geltenden Regeln (rules of chende Positionen vertreten können, daten gibt ihm dazu, eingebettet in den engagement) einsichtig sind, wird er sei- ohne Nachteile in Kauf nehmen zu müs- großen Zusammenhang der Kirche als nen Auftrag gewissenhaft und nach besten sen. Zivilcourage schließt „Militär“- Gemeinschaft der Glaubenden, den erfor- Kräften ausführen können. courage mit ein. derlichen Rückhalt. ❏

AUFTRAG 261 7 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

FRIEDENSETHISCHES SEMINAR VON JUSTITIA ET PAX, PAX CHRISTI UND GKS: Frieden braucht Fachleute Zur Frage der Qualifizierung von Fachkräften im Auslandseinsatz 1.2 Verpflichtung zum Gemeinwohl In seinem einführenden Referat VON KLAUS LIEBETANZ behandelte Prof. Thomas Hoppe eine Reihe von friedensethischen Grund- u diesem Thema fand im April 2006 das zweite gemeinsame Semi- fragen, u.a. die Verpflichtung zum nar von Pax Christi (deutsche Sektion) und der Gemeinschaft Katho- Gemeinwohl, Gewaltprävention und Zlischer Soldaten (GKS) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kom- die Grenzen militärischer Handlun- mission Justitia et Pax im Kardinal-Schulte-Haus in Bensberg statt. Als Re- gen. Friedensethische Fragen spiel- ferenten waren Vertreter der folgenden Friedensakteure im Ausland ein- ten während der gesamten Tagung in geladen: Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF), Forum Ziviler Diskussionen und Beiträgen immer Friedensdienst (ZFD), Pax Christi, Katholischer Entwicklungsdienst (AGEH), wieder eine Rolle. Hoppe forderte die Institut für Aus- und Fortbildung der Polizei in NRW und Bundeswehr. Teilnehmer auf, mit der spannungs- 1. Gemeinsames Seminar – Die GKS hatte zu dem im No- reichen Friedensproblematik kon- keine Selbstverständlichkeit vember 2004 in ihrer Erklärung zu struktiv umzugehen und das gemein- Friedenseinsätzen deutscher Kräfte same Ziel nicht aus den Augen zu unächst muss betont werden, „Der Friede ist möglich!“ deutlich verlieren. Zdass ein gemeinsames Seminar gemacht, dass in der Nachkriegsphase mit diesen beiden sehr unterschiedli- der Friedenskonsolidierung ein dau- 1.3Vorbereitung und Begleitung chen Organisationen, wie die pazifis- erhafter und nachhaltiger Friede von Fachkräften im tische Friedens- und Versöhnungs- möglich sei. Dies setze allerdings vo- Auslandseinsatz bewegung pax christi und die Gemein- raus, dass die zivilen Friedensakteu- Aus allen nachfolgenden Beiträ- schaft Katholischer Soldaten keine re und die militärischen Siche- gen der unterschiedlichen Friedens- Selbstverständlichkeit darstellte. Die rungskräfte mit VN-Mandat in ange- akteure ging hervor, dass man durch Moderation wurde redlich aufgeteilt messener Weise aufgestellt seien die ständige Überarbeitung und Ver- zwischen Justitia et Pax (Prof. Dr. und entsprechend ihrer jeweiligen besserung der Ausbildungskonzepte Thomas Hoppe und Dr. Jörg Lüer), Aufgabe zusammenwirkten. Unter von einer permanenten Professionali- pax christi (Dr. Reinhard J. Voß) und Nr. 6 g dieser Erklärung stellte die sierung durch Qualifizierung der Aus- GKS (Oberst i.G. Reinhard Kloss). GKS einen erheblichen Mangel an bildung bzw. Vorbereitung für die Die Veranstaltung fand in einer sach- gegenseitigem Verständnis der ver- Auslandseinsätze sprechen kann. In lichen, konstruktiven und freund- schiedenen Teilnehmer an der Frie- allen Konzepten waren Module für in- schaftlichen Atmosphäre statt. Man denskonsolidierung fest: terkulturelle Kommunikation, Stress- kannte sich bereits vom ersten ge- „Die Ausbildung aller an einem Frie- bewältigung, Medizinische Gesund- meinsamen Seminar. Kontroverse und densprozess beteiligten Kräfte muss heitsvorsorge, Sicherheitstraining, In- ideologisch entgegen gesetzte Positi- den jeweils besonderen Anforderun- ternationale Zusammenarbeit, Me- onen spielten eine untergeordnete gen gerecht werden. Wichtig sind dienkompetenz, Friedens- und Kon- Bedeutung. Dazu trug auch bei, dass Kenntnisse über die anderen am fliktarbeit und Sprachfähigkeiten vor- es nicht um Grundsatzfragen ging, son- Friedensprozess beteiligten Akteure, gesehen. dern um Sachthemen, nämlich die um die Kräfte auf das Erreichen des Qualifizierung von Auslandspersonal. gemeinsamen Zieles hin bündeln zu 2. Ausbildung von Soldaten können. Hier besteht noch ein erheb- für Friedenseinsätze 1.1Zweck und Ziel des Seminars licher Nachholbedarf.“ Diese Veranstaltung diente dazu, Es gäbe leider auf allen Seiten – berstleutnant i.G. Thomas Kautz, das gegenseitige Verständnis zu er- einschließlich des Militärs – noch zu Ozz. Auswärtigen Amt - Referat höhen und von einander zu lernen, so viele Friedensstreiter, die von der „Krisenprävention/Friedenserhal- wie es im Bischofswort „Gerechter Ausschließlichkeit der eigenen Sache tende Maßnahmen“, präsentierte Friede“ zum Ausdruck kommt: überzeugt seien und daher erhebliche die Bundeswehrausbildung wie folgt: „Die genannten Dienste (AGEH, pax Vorbehalte gegenüber den anderen christi und Schalom-Diakonat Anm. am Friedensprozess Beteiligten hätten. 2.1Grund- und Vollausbildung d. V.) sind wie die Streitkräfte und der So sollte das Seminar zur besseren aller Soldaten Dienst der Soldaten in unterschiedli- Kenntnis über die Fähigkeiten und Diese Ausbildung umfasst 1.101 cher Weise auf die Sicherung und För- Möglichkeiten der je anderen Organi- Ausbildungsstunden. 21% davon be- derung des Friedens hingeordnet und sationen, zur Identifizierung von Stär- zieht sich auf die „Einsatzvorberei- ergänzen sich gegenseitig. Die Ver- ken und Mängeln der unterschiedli- tende Ausbildung Konfliktverhütung flochtenheit der Friedensprobleme er- chen Ausbildungskonzepte sowie zur und Krisenbewältigung (EAKK). fordert das Zusammenwirken der un- Vertiefung der Zusammenarbeit zwi- – Praktische Ausbildung: Siche- terschiedlichen Berufungen und Be- schen pax christi und der GKS als ka- rung, Patroullien, Betreiben und rufe.“ (GF Nr. 181) tholischen Verbänden beitragen. Beziehen von Checkpoints,

8 AUFTRAG 261 FRIEDENSAKTEURE IM AUSLAND

Schutz, Bau und Betrieb von rung in der Kon- Feldlagern und Kampfmitteler- fliktfolgezeit, kundung. „Nationbuil- – Theoretische Ausbildung: Huma- ding“ und die nitäres Völkerrecht, Nationales Zusammenar- Recht, Verhalten bei Geiselhaft, beit von NATO Verwundung und Tod, erste An- und EU. teile interkulturelle Kompetenz. In einem anderen großen 2.2Allgemeine Offiziersausbildung Ausbildungs- Oberstleutnant i.G. Kautz erläu- block wird ein terte anschließend den Ablauf der Führungskräf- Offiziersausbildung, weil diese die tetraining längste und facettenreichste Ausbil- durchgeführt, dung in der Bundeswehr darstellt. In in dem Füh- diesem Zusammenhang wies er auf rung unter Be- das lebenslange Lernen der Offiziere lastung geübt Vertreter der Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) verfolgen hin. Die Unteroffiziersausbildung ist wird. Dabei die Ausführungen zu den Qualifizierungsmaßnahmen der zivilen nach dem gleichen Prinzip aufge- wird gelehrt Friedensakteure; v.l.: OTL Gerhard Stolz, Leiter des Sachaus- schusses Innere Führung, Oberst a.D. Karl-Jürgen Klein, baut. Die Offizierslehrgänge I und II welche Arbeits- Ehrenbundesvorsitzender, Oberst Richard Schmitt, Vorsitzender ZV, umfassen insgesamt 984 Ausbil- methoden und BrigGen a.D. Friedhelm Koch und OTL Paul Brochhagen, dungsstunden. Zwischen diesen Lehr- Entspannungs- GKS-Bundesvorsitzender. (Foto: K. Liebetanz) gängen liegt das obligatorische Stu- techniken hilf- dium an den Bundeswehruniversi- reich sein können. In einem weiteren für Krisenmanagement, Notfallpla- täten (Betriebswirtschaft, Pädagogik, 5-tägigen Ausbildungsseminar wird nung und Zivilschutz (AKNZ, BMI) Maschinenbau, Informatik u.a.) 41% die Erlangung von interkultureller in Ahrweiler findet der einwöchige der Ausbildungsstunden sind für die Kompetenz angestrebt. In einem Lehrgang für zivil militärische Zu- Taktikausbildung vorgesehen. Von „Krisennachsorgeseminar“ lernt der sammenarbeit im Ausland statt. Auf den 201 Stunden für die taktische angehende Generalstabsoffizier, wie diesem Lehrgang erhalten die Grundlagenausbildung sind 21 Stun- humanitäre Hilfe funktioniert, was CIMIC-Offiziere der Bundeswehr den für Peeace Support Operations Zivil-Militärische-Zusammenarbeit ihre Grundausbildung. An diesem (friedensunterstützende Operatio- beinhaltet und wie der Wiederaufbau Lehrgang nehmen auch Polizisten nen) vorgesehen. Hintergrund für von Gesellschafts- und Staats- und Mitarbeiter von Hilfsorganisa- diese Ausbildung ist das komplexe strukturen unterstützt werden kann. tionen teil. Gefechtsfeld. An dieser Ausbildung nehmen auch Die Offizierslehrgänge finden an Vertreter der Zivilgesellschaft teil. 2.5Kontingentausbildung der Heeresoffiziersschule in Dresden Der Schwerpunkt der General- Alle zu einem Einsatzkontingent statt. Die praktische Gelän- stabsausbildung liegt jedoch weiter- gehörenden Soldaten (z.B. ISAF-Kon- deausbildung findet im Norden von hin auf der Erlangung von militäri- tingent 10) erhalten vier Monate vor Dresden statt, wo die verschiedenen schen Führungsfähigkeiten, also auf ihrer Entsendung eine einsatzvor- Elemente des soldatischen und mili- dem militärischen Kerngeschäft, da bereitende Ausbildung. So lernen sie tärischen Handwerks gelehrt werden. die Bundeswehr keine „bewaffnete sich vor dem Einsatz kennen und wer- Ergänzt wird diese Ausbildung durch Hilfs- und Ent- computergestützte Übungen (SIRA). wicklungsorga- Die Teilnehmer erarbeiten Lösungs- nisation“ ist. möglichkeiten auf gestellte Lagen und geben diese in den Computer 2.4Spezial- ein. Dieser signalisiert ihnen, ob sie lehrgänge erfolgreich waren und das gesteckte Am VN- Ziel erreichten, ob nachgesteuert Ausbildungs- werden oder ein völlig neuer zentrum in Lösungsansatz gesucht werden muss. Hammelburg werden zahlrei- 2.3General-stabsaus-bildung che Spezial- Die Generalstabsausbildung an lehrgänge der Führungsakademie in durchgeführt, dauert zwei Jahre. Hier wird u.a. das u.a. der drei- Zusammenspiel von Politik und Mili- wöchige Mili- Soldaten der Bundeswehr üben die Abwehr einer gewalttätigen tär ausgebildet. In einem Joint Exer- tärbeobachter- Menschenmenge an einem Checkpoint auf dem Truppenübungs- cise Block werden computerunter- lehrgang platz Bergen-Hohne; durch Einsatz von Reizstoffen ohne den stützt folgende Themen bearbeitet: (UNMOG). An Einsatz von Schusswaffen wird die Verhältnismäßigkeit der Konfliktanalyse, Friedenskonsolidie der Akademie Mittel demonstriert. (Foto: K. Liebetanz)

AUFTRAG 261 9 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Vertreter der Zivilgesellschaft hören zu, wie die Soldaten der Bundeswehr für ihren Friedensauftrag ausgebildet werden; v.l. Heinz Wagner, Geschäftsführer Forum Ziviler Friedensdienst (ZFD), Bettina Renner, Personalreferentin Zentrum für Internati- onale Friedenseinsätze (ZIF), Johannes Schnettler, Vizepräsi- dent der Dt. Sektion von pax christi und Dr. Reinhard J. Voss, Generalsekretär pax christi. (Foto: Klaus Liebetanz)

Sektion von pax 3.1Einführung in die Prinzipien christi, Christa- des zivilen Friedensdienstes maria Weber, Frieden braucht Fachleute – vorgestellt. Er- insbesondere lokale Fachleute. Die gänzt wurden ihre wichtigsten Akteure im Friedens- Ausführungen prozess sind die Menschen vor Ort. den miteinander vertraut. Die militä- durch zusätzliche Informationen des Externe Fachkräfte unterstützen sub- rischen Führer erhalten dabei eine Mitbegründers des Forum Ziviler sidiär lokale Initiativen und Akteure. Einweisung vor Ort im Einsatzgebiet. Friedensdienst (ZFD), Heinz Wag- Die Qualifikation von externen Fach- Spezialisten werden auf ihre Aufgabe ner. kräften hat den Programmerfolg vor falls noch erforderlich durch Spezial- Die „Arbeitsgemeinschaft für Ort zum Ziel. Dabei geht es im We- lehrgänge vorbereitet. Ferner ist für Entwicklungshilfe“ (AGEH) ist der sentlichen um die nachhaltige Stär- alle Soldaten eine auffrischende Aus- Fachdienst der deutschen Katholi- kung lokaler Akteure. bildung „Konfliktverhütung und Kri- ken für internationale Zusammenar- senbewältigung (EAKK, s.o.) vorgese- beit. Als staatlich anerkannter Perso- 3.2Projektentwicklung mit hen. Danach erfolgt eine 3-wöchige naldienst vermittelt die AGEH in Zu- lokalen Partnern Ausbildung in Hammelburg mit sammenarbeit mit ihren Partnerorga- Projekte entstehen im Dialog mit scharfem Schuss und Modulen wie nisationen in aller Welt qualifizierte lokalen Partnern. Sie knüpfen meist Verhalten bei Geiselnahme. Das Gan- und aufgeschlossenen Frauen und an bestehende Aktivitäten und Ideen ze wird mit einer Großverbandsübung Männer als Fachkräfte in Projekte der Partner an. Die „Ownership“ (Brigade) im Gefechtsübungszentrum der Entwicklungs- und Friedens- liegt bei der lokalen Organisation. (Kollwitz-Letzlinger Heide) abge- zusammenarbeit kirchlicher Organi- Lokales Personal spielt eine wichtige schlossen. sationen in Afrika, Asien, Latein- Rolle. Je nach Konfliktkonstellation amerika und in den Ländern Mittel- kann es sinnvoll sein, ein Friedens- 2.6Erfahrungsberichte, Aus- und Osteuropas. projekt in einem Partner-Netzwerk werteseminare Die Deutsche Sektion von pax anzusiedeln. Die ausländische Fach- Die verschiedenen Abteilungen christi ist Teil der internationalen kraft bringt einen „Mehrwert“ durch der Einsatzkontingente schreiben katholischen Friedensbewegung. „Querdenken“ und „positiv-provo- detaillierte Berichte über ihre Ein- Sie benennt Missstände und bezieht kative“ Intervention. satzerfahrungen. Diese Einsatz- klare Position, wo Menschenrechte erfahrungen werden in das Info-Sys- verletzt und Konflikte mit Gewalt 3.3Projektkriterien Einsatzerfahrung-Bw eingestellt und ausgetragen werden. Als christlich Friedensdienst beinhaltet Arbeit können von den folgenden Kontin- motivierte und politisch engagierte am Konflikt genten abgerufen werden. Ferner er- Bewegung bemüht sich pax christi – mit friedensförderlichen und folgt eine Einsatznachbereitung mit um gerechte Strukturen des Zusam- friedenswilligen Kräften in der allen Offizieren und Unteroffizieren menlebens und zivile Wege der Zivilgesellschaft des jeweiligen Kontingent für drei Konfliktbearbeitung. pax christi ist – mit Opfern von Krieg und Tage in einem nichtmilitärischen keine klassische Entsendeorgani- Gewalt (Traumaarbeit, Unter- Tagungshaus. Ein Beraterteam der sation von Friedensfachkräften. stützung von Flüchtlingen und Schule für Innere Führung unter- Einzelne entsandte Friedensfach- Menschenrechtsarbeit) stützt diese Veranstaltungen. Sie die- kräfte sollen exemplarisch Zeugnis – jedoch auch mit gewaltbereiten nen vorrangig der psychologischen für die zivile Konfliktbearbeitung und gewalttätigen Gruppen. Nachbereitung des Einsatzes. geben. Das Forum Ziviler Friedens- 3.4Personalauswahl und 3. Vorbereitung und Begleitung dienst (Forum ZFD) ist als Nicht- Qualifizierung von Fachkräften des zivilen Regierungsorganisation ein Zusam- Angehende Friedensfachkräfte Friedensdienstes menschluss von rund 40 Organisati- müssen mindestens 28 Jahre alt sein, onen und 280 Einzelpersonen. Das Berufserfahrung haben und über iese Präsentation wurde vom Forum ZFD ist zudem Träger von ei- Fachqualifikationen verfügen. Oft ist DLeiter der Abteilung Personal genen ZFD-Projekten und hat eine vorhergehende Auslandserfahrung und Entwicklung der „Arbeitsge- eigene Vorbereitungs-Akademie. Bedingung. Zu Beginn der Qualifi- meinschaft für Entwicklung“ e.V. Die Präsentation von Hans zierungsphase stellen sich in intensi- (AGEH), Hans Nirschl, und der Nirschl und Christamaria Weber hat- ven Personalentwicklungsgesprä- Geschäftsführerin der Deutschen te folgenden Inhalt: chen folgende Fragen:

10 AUFTRAG 261 FRIEDENSAKTEURE IM AUSLAND

– Was bringt die Person mit? OTL i.G. Thomas Kautz – Welche Aufgaben muss sie vor (l.), AA-Referat Ort erledigen? „Krisenprävention“, – Welches Umfeld hat sie vor Ort, und Dr. Jörg Lüer, in dem sie lebt? Deutsche Kommission Justitia et Pax Daraus ergibt sich, wie die ver- (Foto: K. Liebetanz) schiedenen Maßnahmen der Qualifi- zierung aussehen. Bei der AGEH steht die individuelle Personal- entwicklung und Ausbildung der an- mit einem ausgefeil- gehenden Friedensfachkraft im Vor- ten Curriculum durch- dergrund. Ziel ist die Verwirklichung geführt. Davon wird einer optimalen Mitarbeit im Projekt. ein Kurs in engli- Ein großer Teil der Qualifizierungs- scher Sprache mit maßnahmen wird bei internationalen internationalen Teil- Anbietern von Trainings- und Bil- nehmern abgehalten. dungsmaßnahmen „eingekauft“. So Die verschiedenen z.B. erhält eine Person, die als Methoden der Frie- Friedensfachkraft in Nigeria vorgese- densarbeit wird so- hen ist, u.a. eine auffrischende engli- wohl theoretisch wie auch praktisch zwischen den verfeindeten Volks- sche Sprachausbildung, dazu eine in der Krisenregion gelehrt. Lokale gruppen wieder zu. Das pax-christi- Ausbildung in der jeweiligen Regio- Mitarbeiter unterstützen die Ausbil- Projekt hat als Versöhnungsprojekt nalsprache durch eine Honorarkraft dung vor Ort. Teilen der Ausbil- begonnen – inzwischen liegt der und ein Auslandspraktikum beim dung, wie z.B. das Modul Mediation, Schwerpunkt auf der Dokumentati- „Network for Peacebuildung“ in können auch von externen Teilneh- on von Menschenrechtsverletzungen. Ghana. Dazu kommen andere Aus- mern besucht werden. Das Forum Sollte der Bürgerkrieg wieder auf- bildungsmodule, wie Konfliktanaly- Ziviler Friedensdienst bildet jähr- flammen, muss das Projekt abgebro- se, Methoden der zivilen Konflikt- lich ca. 50 Friedensfachkräfte aus. chen werden. bearbeitung, Projektplanung und Die AGEH bereitet Pro jahr ca. 70 Projekt-Cycle-Management, Finanz- Personen auf internationale Zusam- 3.8Reintegration von verwaltung Networking und Lobby- menarbeit vor. Der Anteil an ZFD Friedensfachkräften arbeit. Fachkräften variiert je nach „Auf- Mit der rückkehrenden Frie- tragslage“. densfachkraft werden ausführliche 3.5Bedeutung der interkultu- Gespräche geführt und wo notwen- rellen Kommunikation 3.7Begleitung der Friedensfach- dig eine Karriereplanung bespro- Dabei wird von der angehenden kraft während des Projekts chen. Im einwöchigen Rückkehrer- Friedensfachkraft erwartet, dass sie seminar werden die Erfahrungen Eine ständige, sehr enge Kom- eine klare Haltung zum eigenen kul- von mehreren Friedensfachkräften munikation (Telefon, eMails) von turellen Hintergrund hat. Wichtig ausgewertet. Diese nutzen sowohl der Zentrale in Europa zur sind dabei folgende Fragen: der entsendenden Organisation wie – Mit welcher Haltung gehe ich in Friedensfachkraft in der Krisen- auch dem Personalgesteller für zu- das Projekt hinein? region ist unerlässlich. Mindestens künftige Projekte. In der Regel wer- – Wie definiere ich meine Rolle? einmal im Jahr erfolgt ein Projekt- den Rückkehrer auch bei der Quali- – Welche Beratungskompetenz besuch durch die Verantwortlichen fizierung von angehenden Friedens- habe ich? in der Zentrale. Bei stärkeren Span- fachkräften eingesetzt. Ferner sind Auch dem Christlichen Men- nungen erhöht sich die Zahl der Rückkehrer auch authentische schenbild und sich daraus ergeben- jährlichen Besuche. Christamaria Eine-Welt-Lobbyisten. Sie werden den Konsequenzen für die Zusam- Weber (pax christi) schilderte wäh- in der Bildungsarbeit von Schulen menarbeit mit Menschen aus ande- rend der gemeinsamen Präsentation oder bei der Fastenaktion von Mise- ren Kulturen wird Bedeutung beige- die Arbeit einer Friedensfachkraft reor eingesetzt. Fachkräfte, die in messen. Weitere Themen sind z.B. in Banja Luka, die in Zusammenar- besonders belastenden Situationen Arbeit in belastenden Situationen, beit mit dem UNHCR sehr erfolg- gearbeitet haben, wird Supervision Umgang mit Stress, Umgang mit Ge- reich an der Integration von Minder- und Coaching ermöglicht. Weitere walt und Vermeidung von Burn outs. heiten beteiligt war. Wesentlich Infos zur AGEH unter: www.ageh.de schwieriger gestaltet sich die Arbeit 3.6Qualifizierung durch das der zivilen Friedensfachkraft in 4. Qualifizierung Humanitärer Forum Ziviler Friedensdienst Jaffna (Sri Lanka). Die Erwartungen Helferinnen und Helfer Im Gegensatz zur AGEH führt an das Waffenstillstandsabkommen das Forum ZFD die Qualifizierung von 2003 zwischen der tamilischen ie Präsentation erfolgte durch angehender Friedensfachkräfte in LTTE und der singhalesischen Re- Dden Stellvertretenden Leiter Seminarform durch. Zweimal im gierung wurden enttäuscht. Seit von Malteser International, Köln, Jahr wird ein viermonatiges Seminar Ende 2005 nehmen die Spannungen Sid Johann Peruvemba:

AUFTRAG 261 11 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

4.1Aufgaben und Ziele von battanten und Nichtkombattan- – Mitarbeiter lernen alle Bereiche Malteser International ten hebt sich auf der Organisationen kennen Malteser International mit Sitz in – Zunahme des militärischen En- aber: die Realität setzt Grenzen Köln ist als katholisches Hilfswerk gagements in der humanitären Plötzlich auftretende Katastro- Teil des souveränen Malteserorden Hilfe phen erfordern schnelles und visuell mit Sitz in Rom, der diplomatische – Humanitäre Hilfe wird zum wahrnehmbares Handeln, auch am Beziehungen zu 93 Staaten unterhält Ersatz für fehlendes politisches Wochenende und zu großen Feierta- und humanitäre Hilfe in mehr als 100 Handeln (Sudan, Afghanistan, gen. Eine humanitäre Hilfsorganisa- Ländern durchführt. Aufgaben und Ruanda) und zum außenpoli- tion ist kein „Volkseigener Betrieb“ Ziele von Malteser International sind: tischen Instrument („The rich sondern eine „atmende Organisati- – Weltweite Nothilfe im Katastro- get diplomats, the poor get aid on“ mit großer Fluktuation im phenfall workers.“) Personalsektor, die sich auf dem – Wiederaufbaumaßnahmen – In Deutschland: Ausdehnung „Markt der Barmherzigkeit“ bewäh- – Aufbau von Basisgesundheits- des Mandates der Bundeswehr ren muss. Bei der Tsunami-Kat- diensten (Krisenbewältigung statt strophe 2005 haben sich über 1.000 – Verringerung von Verwundbar- Landesverteidigung“, CIMIC/ Nichtregierungsorganisationen um keit, Armut und Anfälligkeit für ZMZ-Konzept) den Spendenkuchen bemüht. (Anm. Krisen und Katastrophen – Neue Bedrohungen durch Terro- d.V.) – Programme für Flüchtlinge und rismus, 9/11-Syndrom“ Rückkehrer – Immer undifferenzierter 4.8Ausbildungsansatz von – Zusammenarbeit mit lokalen werdende Verwendung des Malteser International Partnern. Begriffs „Humanitär“ – Feste Ausbildungspläne für neue – Unzulässige Vermischung von Mitarbeiter: Kennenlernen des 4.2Zahlen und Fakten von militärischen Zielsetzungen und „Innenlebens“ der Organisation Malteser International humanitärer Hilfe (Zuständigkeiten, Bedingungen, Die Kölner Zentrale beschäftigt Vorschriften) und der administ- etwa 40 Mitarbeiter und entsendet 4.5Tätgkeitsfelder für Mitarbeit rativen Abläufe jährlich ca. 80 Mitarbeiter (Expatriots). bei Malteser International – nach Möglichkeit externe ergän- Bei den ca. 80 Projekten und Pro- – Administrative Tätigkeiten (Fi- zende Kurse (z.B. DSE) grammen weltweit werden ca. 800 lo- nanzen) – Debriefing (Rückkehr) – auch kale Mitarbeiter (Locals) in 35 Stand- – Logistik (Hilfsgütertransport) die Organisation kann lernen! orten beschäftigt. Das jährliche – Beschaffung und Qualifizierung – Begleitung der Mitarbeiter auch Projektvolumen beträgt Zwischen 20 von lokalem Personal während des Einsatzes und 25 Mio. Euro. Der Anteil an pri- – Fachtätigkeiten (z.B. Medizin) - Aus- und Weiterbildung hat ei- vaten Spenden am Gesamtbudjet be- – Koordinierende und leitende Tä- nen festen Budgetposten trägt je nach Spendenaufkommen 20- tigkeiten - Nachwuchskräfte werden oft durch 50% . Der Beitrag durch Öffentliche Praktikantenprogramme gewonnen Mittel kommt z.B. von der Europäi- 4.6Bewerberauswahl (Absolventen des Europäischen schen Union, KfW, Auswärtiges Amt, Harte Kriterien: Fachliche Qua- Studienganges „Humanitäre Hil- BMZ und UN. lifikation, Berufserfahrung, Sprach- fe“ an der Ruhr-Universität kenntnisse, Auslandserfahrung, Bochum, die in einem postgradu- 4.3Definition von Kenntnisse des Umfeldes der huma- ierten, einjährigen Studium den humanitärer Hilfe nitären hilfe (Prinzipien, Akteure, „Master in Humanitärian Assis- Ziel der humanitären Hilfe ist es, Koordination, ...) stance“ erlangt haben, finden Leben zu retten und Leid zu min- Weiche Kriterien: Psychische über eine Praktikantenstelle bei dern. Sie ist an Opfern von Konflik- und körperliche Belastbarkeit, einer Hilfsorganisation den ten, Naturkatastrophen und Gewalt Stress- und Frusttoleranz, Entschei- Berufseinstieg. Anm. d. V.) gerichtet und wird ohne Diskriminie- dungs-, Einsatz- und Risikobereit- rung und unter Beachtung der Men- schaft; Teamfähigkeit, Anpassungs- 4.9Gesamtkonzept und schenwürde der Opfer geleistet. und Distanzierungsfähigkeit, Tole- Grundkurs Sie arbeitet ausschließlich mit ranz und interkulturelle Kompetenz Das Gesamtkonzept umfasst friedlichen Mitteln und versucht, die folgende Stufen: Personalauswahl, Menschen wieder in die Lage zu ver- 4.7Vorbereitung der Grundkurs, Praktikum/Training, Spe- setzen, selbständig Entscheidungen Auslandsmitarbeiter zialkurse intern/extern und Einsatz. zu treffen. Lediglich die Interessen Der Idealfall: Konzept dreitägiger Grundkurs: und das Wohlergehen der Opfer be- – Einführung in das Projekt, aus- 1. Tag: Einführung in Strategie und stimmen die Motive humanitären führliches Briefing Mission von Malteser Internatio- Handelns. – Schriftliche Richtlinien regeln nal; Internationales Humani- Ausbildungsmöglichkeiten täres Recht: Was humanitäre 4.4Herausforderungen durch – Zeit für Weiterbildung ist vor- Helfer wissen müssen. veränderte Rahmenbedingungen handen 2. Tag: Akteure in der humanitären – Asymmetrische Konflikte: – Es existiert ein fester Ausbil- Hilfe; Personalsicherheit in der Unterscheidung zwischen Kom- dungs- und Karriereplan humanitären Hilfe

12 AUFTRAG 261 FRIEDENSAKTEURE IM AUSLAND

3. Tag: Sphere Project: Mindest- Lokales Team von standards und Qualität der hu- Mitarbeitern der manitären Hilfe Friedenskraft in Jaffna, Sri Lanka; 4.10Schlussfolgerungen für die Mitte: Christa- maria Weber, Mitarbeiterqualifizierung Geschäftsführerin – Kernstück „guter“ humanitärer von pax christi Hilfe sind Mitarbeiter beim jährlichen – Qualifizierung ist nur ein Teilbe- Projektbesuch reich eines guten Personalein- (Foto pax christi) satzes. Genauso wichtig sind Mindeststandards bei Auswahl, Begleitung und Rückkehr. Zu den viel- – Langfristig gebundenes und aus- fältigen Polizei- gebildetes Personal ist ein Er- aufgaben gehör- folgsparameter humanitärer Hil- ten u.a.: Kontrol- fe le (Monitoring), – Humanitäre Hilfe hat ein diffu- Beratung, Training von lokalen licher Weise in 5-6 Jahren die Tür- ses Berufsbild, in dem „Selbst- Polizeikräften, „Law enforcement“ kei Mitglied der Europäischen Union ausbildung“ und Erfahrung ent- (bewaffnete Durchführung von wird, hat die EU eine Außengrenze scheidende Rollen spielen Polizeidiensten mit allen Eingriffs- mit dem Irak! Das gleiche gilt für den – Qualifizierung ist viel, aber rechten). Seit 2001 ist die deutsche Nahen Osten. In Palästina sind heu- nicht alles. Polizei zunehmend für die Europäi- te schon deutsche Polizisten im Rah- sche Union (EU) eingesetzt. men einer EU-Mission in Raffa an 5. Qualifizierung von Polizisten der Grenze zu Ägypten eingesetzt. für den Auslandseinsatz 5.2Ziviles Krisenmanagement Darüber hinaus befinden sich schon der EU weitere Polizeibeamte in Palästina, riminaloberrat Uwe Mainz Im Rahmen der Gemeinsamen die eine zweite Mission vorbereiten Kstellte die Ausbildung der deut- Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sollen. Hier geht es wohl absehbar schen Polizisten für den Auslands- erfolgte der EU-Ratsbeschluss von um die Ausbildung und Beratung der einsatz vor. Er selbst gehört zum Ur- Santa Maria de Feira im Juni 2000, palästinensischen Polizei. gestein der Polizeiauslandsausbil- bis 2003 ein Europäisches Polizei- Ein 2. Schwerpunkt ist Ost-Eu- dung und hat 2000-2001 für die Ver- kontingent von bis zu 5.000 Mann ropa mit den ehemaligen GUS-Staa- einten Nationen im Kosovo gearbei- (Europool) mit 10% Führungs- ten. Deutsche Polizisten bilden in tet. Er ist zuständig für die Aus- und personal aufzustellen (zz. 3.600 in Moldawien (Bekämpfung des Frauen- Fortbildung der Polizeibeamten in Missionen. Die Europäer hatten fest- handels) und Georgien aus. Nordrhein-Westfalen mit Sitz in gestellt, dass man relativ unvorberei- Ein 3. Schwerpunkt bildet Afri- Brühl, die für den Auslandseinsatz tet in den Kosovo „hineingestolpert“ ka, wo die EU gegenüber den Ameri- vorgesehen sind. Sein Vortrag glie- war. Es wurde ferner ein Rapid kanern Flagge zeigen will. Auch die derte sich wie folgt: Deployment (mit 1.000 Polizisten ra- schon mehrfach in den Medien dis- sche Einsatzkräfte x plus 30) und ein kutierten Flüchtlingslager in Nord- 5.1Bisheriger Polizeieinsatz gemeinsamer europäischen Polizei- afrika spielen vor diesem Hinter- im Ausland standard für Auslandsmissionen be- grund wohl eine Rolle, da die EU mit Seit September 1989 werden schlossen. Des Weiteren hatte man zunehmenden Flüchtlingsströmen deutsche Polizeibeamte bei internati- erkannt, wenn man nicht sofort nach rechnet. onalen Friedensmissionen in Kriegs- einer militärischen Auseinanderset- Bisherige Polizeimissionen sind und Krisengebieten eingesetzt. Von zung mit effektiven Polizeikräften prä- im Sudan, wo neben der Krisenregion 1994 an sind auch die Länderpoli- sent sei, würden sich kriminelle Ele- Darfur (Ausbildung von 1.500-2.000 zeien dabei. Davor war es nur der mente meist mit ehemaligen Kämp- Polizisten der Afrikanischen Union) Bundesgrenzschutz (heute Bundes- fern eng organisieren, mit denen man auch der Ostsudan polizeilich unter- polizei). Bis 2006 wurden insgesamt es dann 20 Jahre lang zu tun hätte. stützt werden soll. Ferner gibt es jetzt 21 verschiedene Polizeieinsätze im schon eine Mission in Liberia und Ausland absolviert, darunter Polizei- 5.3Ausblick auf zukünftige der Kongo ist ebenfalls im Gespräch. missionen in Namibia, Westsahara, Polizeieinsätze Die gesundheitliche und hygienische Kambodscha, Bosnien-Herzegowina, Eines der Ziele der GASP ist es, Lage der eingesetzten Polizisten, Albanien, Kosovo, Afghanistan, Su- in den unmittelbar angrenzenden Re- darunter auch 5 deutsche Polizisten dan Palästina und andere Länder. gionen ein sicheres und relativ stabi- in Liberia gestaltet sich besonders Bislang wurden insgesamt 2275 Poli- les Umfeld zu schaffen. Das gilt vor schwierig. Von zz. ca. 1.200-1.500 zisten im Ausland eingesetzt. (Bei allem für den Mittleren Osten, wo zivilen Mitarbeiter der VN sind in Li- der Bundeswehr waren es in ver- bereits jetzt in den Vereinigten Ara- beria 385 schwer erkrankt (überwie- gleichbaren Zeitraum ca. 150.000 bischen Emiraten Polizisten für den gend Malaria, Aids usw.). Es hat Soldaten. Anm. d. V.) Irak ausgebildet werden. Wenn mög- schon zahlreiche Todesfälle gegeben.

AUFTRAG 261 13 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

5.4Koordinierung der Polizei- Beamten genügend praktische Erfah- – 2 Tage Kurzseminar (Aufgaben ausbildung in Deutschland rungen gesammelt, um die verschie- des Kontingentleiters, Diszipli- Gemäß dem Beschluss der densten Probleme zu lösen. Diese Er- narrecht in Auslandsmissionen, Innenministerkonferenz vom fahrung wird in modifizierter Form in Vorbereitung auf Assessment 5.08.2002 wurden drei Ausbildungs- die Ausbildung und den Einsatz ein- Center/Board, da die EU und die verbünde vereinbart: gebracht. Die Seminarsprache ist seit VN Führungskräfte in eigenen – Nord und Ost (Schleswig-Hol- einiger Zeit grundsätzlich Englisch. Assessment Center auswählt. stein, Hamburg, Mecklenburg- Deutsche Polizisten hatten anfäng- Hier spielt die englische Spra- Vorpommern, Bremen, Nieder- lich – trotz ihrer sehr guten professio- che wieder eine dominierende sachsen Brandenburg, Sachsen- nellen Ausbildung größere Schwie- Rolle.) Anhalt, und die Präsidien rigkeiten im Einsatz wegen ihrer Nord und Ost der Bundespoli- mangelnden Sprachfähigkeit und wa- 5.9Missionsnachbereitung zei). Die gemeinsame Ausbil- ren den anglophonen, mitteleuropäi- In einem obligatorischen 5- dung findet an der Bundespoli- schen und skandinavischen Polizis- tägigen Debriefing wird versucht, zeiakademie Lübeck statt. ten sprachlich unterlegen. Dies liegt Probleme aufzuarbeiten, die durch – Mitte und West (Nordrhein- zum Teil an der Tatsache, dass in den Einsatz entstanden sind. Es Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saar- Deutschland, einem 80-Millionen- dient ausschließlich der psychologi- land, Thüringen, Sachsen und Volk, alle ausländischen Filme syn- schen Nachbereitung und nicht einer die Präsidien West und Mitte der chronisiert werden. Man erwartet in Einsatzauswertung. Diese Zusam- Bundespolizei). Am Institut für Deutschland, dass Deutsch gespro- menkunft findet ca. 6-8 Wochen Aus- und Fortbildung der Po- chen wird. nach dem Missionsende statt. Haupt- lizei NRW in Brühl findet die themen sind die Verarbeitung der gemeinsame Ausbildung statt. 5.6Basistraining häufig völlig anderen Kulturstan- – Süd (Hessen, Baden-Württem- In einem zweiwöchigen Grund- dards. Auch das Eingewöhnen in den berg, Bayern und das Präsidium kurs werden die Beamten möglichst „stinknormalen“ deutsche Polizei- Süd der Bundespolizei). Ausbil- einsatznah auf ihre Mission (Simulat- dienst und das Wiedereintreten ins dungsstätte: Akademie der Po- ionstage) vorbereitet und immer normale Glied ist nicht ganz unprob- lizei Baden-Württemberg in wieder mit Eigenleistungen gefor- lematisch. Hinzu kommen häusliche Wertheim. dert. Das führt zu einem gewissen Probleme. Anfangs lag die Tren- Die zahlenmäßige Entsendung Selektionsprozess. Wesentliche Aus- nungsrate bei 30-40%. Zwischen der Polizisten erfolgt nach dem pro- bildungsinhalte sind: Rechtlicher Sta- den Einsätzen soll normalerweise ein zentualen Königssteiner Schlüssel, tus, rechtliche Rahmenbedingungen. Zeitraum von drei Jahren liegen, um in dem die Anzahl der Polizisten aus Einsatzmanagement, Stressmanage- ein „Verbuschen“ zu verhindern. einem Bundesland gemäß der Bevöl- ment, Gefährdungssituationen (beim kerungszahl festgelegt wird. Zu Spit- Mine Awareness unterstützt die Bun- 5.10Schlussbemerkungen zenzeiten waren jährlich bis zu 600 deswehr), Gesundheitsfürsorge. Die Erfahrungen der im Ausland deutsche Polizisten im Auslandsein- eingesetzten deutschen Polizisten, so satz. Zz. sind es ca. 300 Beamte. Die 5.7Missionsspezifisches Training Uwe Mainz, zeigten, dass die deut- EU sucht immer häufiger Spezialis- In einem weiteren Kurs werden sche Polizei zu den wohl am meisten ten (gegen die Organisierte Krimina- die für eine Mission bestimmten Poli- demokratischen Polizeien der Welt lität, gegen den Rauschgifthandel) zeibeamten auf ihren speziellen Ein- gehöre. Teilweise gingen die Polizis- und Führungskräfte. satz vorbereitet. Hier sind die Schwer- ten noch mit einem aus der Vergan- punkte: Ethnische und kulturelle genheit rührenden schlechten Ge- 5.5Bundeseinheitliches Besonderheiten, Lebensumstände, wissen hinaus. Im Ausland seien sie Missionstraining die sich gewaltig von Mitteleuropa jedoch hoch anerkannt wegen ihrer Die drei o.a. Ausbildungsstätten unterscheiden, Arbeiten in einem absoluten Neutralität, Sachlichkeit führen die Ausbildung nach dem multinationalen Polizeikontingent, und Fairnis. Der Kriminaloberrat gleichen mit einander abgestimmten anzuwendendes Recht, rechtliche warnte jedoch vor „Weltverbesserer- Curricula durch. Ausbilder werden Rahmenbedingungen. tum“. Dies führe zwangläufig zur ausgetauscht, so dass die Polizisten Enttäuschung. Die Polizisten würden aus den verschiedenen Bundeslän- 5.8Zusätzliches Führungstraining jedoch dazu aufgefordert, sich als dern mit dem gleichen Ausbildungs- Für Beamte des Höheren Diens- Mosaiksteine einer besseren Frie- standard in den Einsatz entsandt tes werden drei bis viermal im Jahr densordnung zu sehen. Während werden. Das war am Anfang nicht der zusätzliche folgende Kurse für höhe- man am Anfang des Kosovo-Einsat- Fall und führte zu Schwierigkeiten re Polizeiführer in Auslandsmissio- zes ausschließlich als Befreier gese- im Einsatzland. Die Teilnahme am nen angeboten: hen wurde, würde der Polizeieinsatz Auslandsdienst beruht (im Gegen- – 3 Wochen CEPOL Commander im Kosovo zunehmend als Störung satz zur Bundeswehr) auf dem reinen Course (englischsprachiges gewisser Kreise gesehen, die im or- Freiwilligkeitsprinzip. Die Beamten Führungskräftetraining mit ganisierten Verbrechen ihren Vorteil und Beamtinnen müssen mindestens Stabsrahmenübungen) sehen. In Afghanistan versuchten die acht Dienstjahre absolviert haben. – 1 Woche Mission-Hospitation deutschen Polizisten (30-40 Perso- Während ihrer Dienstzeit haben die (nur in NRW) nen) mit einer fachlich besseren

14 AUFTRAG 261 FRIEDENSAKTEURE IM AUSLAND

Aus- und Fortbildung der afghani- Eine Theatergruppe schen Polizei gegenüber dem abseh- in Kolumbien be- bar zahlenmäßig größere Kontingent treibt Traumaarbeit der Amerikaner (250 Mann), das fi- unter Anleitung nanziell erheblich besser ausgestattet einer Friedensfach- kraft aus ist, gleichzuziehen. Mit mehr Geld Deutschland könnten die deutschen Polizisten er- (Foto: pax christi) heblich mehr leisten (u.a. in der Ausstattungshilfe für die afghanische Polizei). 6.2Für welche Aufgaben 6. Ausbildung für internationa- rekrutiert le Friedenseinsätze im ZIF das ZIF Personal? Diese Präsentation wurde durch Das ZIF rek- die Personalreferentin des Zen- rutiert ziviles Personal für über 15 UN, OSZE und EU und somit die trums für Internationale Friedens- Arbeitsbereiche, darunter u.a. für Vermittelbarkeit eines Kandidaten einsätze (ZIF), Bettina Renner, „Entwaffnung, Demobilisierung und geprüft, und ob die Personalreserve dargeboten: Reintegration“ (DDR), Wahlbeobach- für diese Qualifikation bereits aus- tung, Demokratisierung, Menschen- reichend besetzt ist. Gegenwärtig be- 6.1Zur Entstehung des ZIF rechtsfragen, Medienarbeit, Versöh- finden sich ca. 950 Kandidaten mit Seit dem Ende des Kalten Krie- nungsarbeit, Aufbau des Rechtswesens unterschiedlicher Berufs- und Regi- ges ist es weltweit zu einer starken usw. Ferner werden Mitarbeiter in onalerfahrung in der Personalreser- Zunahme von VN-Friedenseinsätzen der Verwaltung, Durchführung und ve. ZIF ist somit in der Lage, kurz- gekommen. Diese wurden immer in der Versorgung von VN-Missionen fristig auch größere Anforderungen komplexer. Die Folge war ein wach- gesucht (Näheres unter www.zif- der internationalen Organisationen sender Bedarf an qualifiziertem zivi- berlin.org). Die Einsatzdauer richtet zu bedienen. lem Personal. In 2005 hatten die ssich nach dem Einsatzauftrag sowie Vereinten Nationen ca. 6200 und die dem Mandat der Mission und kann 6.4Der Weg zum Friedenseinsatz OSZE ca. 800 zivile Experten in von 6 Monaten bis mehrere Jahre ge- – Interessenten tragen ihr Profil Friedenseinsätzen. hen. Die Wahlbeobachtungen neh- online in eine Datenmaske ein. Anders als bei Militär und Poli- men eine Sonderstellung ein, da sie ZIF prüft diese Bewerbungen zei gab es keine stand-by Kapazitä- i,d, Regel zwei Wochen nicht über- und schlägt bei Vorliegen der Vo- ten bei Zivilisten. Die UNO oder die schreiten. raussetzungen die Teilnahme an OSZE standen vor der Aufgabe in- einem Trainingskurs vor. nerhalb kürzester Zeit viele zivile 6.3Auswahlkriterien für Bewerber – Die Kurse dienen neben der Ein- Experten mit unterschiedlicher be- Bewerber für einen Grundkurs satzvorbereitung auch dem As- ruflicher und kultureller Erfahrung müssen verschiedene Voraussetzun- sessment. Nach erfolgreicher Teil- zu entsenden. Außerdem erkannte gen erfüllen: nahme werden die Bewerber in man, dass eine an Bedingungen in – Notwendig: Hochschulabschluss, die ZIF-Personalreserve über- Friedenseinsätzen orientierte Vorbe- mehrjährige Berufserfahrung ein- nommen. Ihre Profile stehen da- reitung zivilen Personals der Sicher- schließl. internationaler Erfahrung, mit für Suchabfragen nach Ein- heit und dem Erfolg dieser Mission fließend Englisch, sehr gute satzpersonal zur Verfügung. dient. Ein spezielles Training wurde kommunikative Fähigkeiten, Al- – Die internationalen Organisatio- notwendig. Bei der OSZE Kosovo ter zwischen Ende 20 und Ende nen haben ihre eigenen Auswahl- Verification Mission (KVM) 1998 50, physische Belastbarkeit, Füh- verfahren einschließlich Inter- konnte Deutschland die zugesagten rerschein, gute Computerkennt- views. Nach erfolgreicher Bewer- 200 zivilen Beobachter nur unter nisse. bung ist das deutsche Personal großen Schwierigkeiten rekrutieren. – Wichtig: Verfügbarkeit für min. 6 dann vertraglich und fachlich in Dies führte 1999 im Auswärtigen Monate, entsprechende Nachfrage die jeweilige Mission integriert. Amt zum Aufbau eines Training für aus Missionen nach Qualifikation. zivile Experten und zum Aufbau ei- – Wünschenswert: Arbeitserfahrung 6.5ZIF-Vorbereitungskurse ner Personalreserve. Im April 2002 in einer internationalen Organisa- Die Kurse sind eine einsatz- werden dieses Training sowie der tion, Erfahrungen in (Post-)Kon- orientierte Vorbereitung. In Arbeits- Aufbau und die Pflege der Personal- fliktsituationen, zusätzliche Sprach- gruppe, mit Hilfe von Übungen und reserve, die Rekrutierung und Be- kenntnisse. praktischen Beispielen vermitteln treuung zivilen Personals durch das Monatlich bewerben sich ca. 50 missionserfahrenen Trainer ein rea- neugegründete Zentrum für internati- Personen für ein Training und somit listisches Bild von der Arbeit in onale Friedenseinsätze (GmbH) über- für die Aufnahme in die Personal- Friedenseinsätzen. nommen und durch die wissenschaft- reserve des ZIF. Neben den genann- – Grundkurse (2 Wochen): Vorbe- liche Analyse und Erarbeitung von ten Kriterien der Bewerberprüfung reitung auf einen Einsatz, Praxis- Lessons Learned ergänzt. wird der Bedarf in den Missionen der nähe/ Mission Reality, Sensibili-

AUFTRAG 261 15 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

sierung für Themen als Basis für gangsteilnehmern sehr geschätzten – Computergestützte Übungen weiterführendes Selbststudium. Training am VN-Ausbildungszen- (SIRA) – Wahlbeobachterkurse (3 Tage): trum der Bundeswehr in Hammel- – Systematische Auswertung der Verschiedene Wahlrechtssysteme, burg vermittelt. Zudem trainieren Einsatzerfahrung, Einstellen die- Mandate von OSZE, EU, und Polizisten des Instituts für Aus- und ser Erfahrungen ins Intra-Net der UNO, Struktur von Wahlbeob- Fortbildung der Polizei NRW zusätz- Bundeswehr für nachfolgende achtermissionen, Aufgabe der lich Gefahrenerkennung und Risiko- Einsatzverbände (Info-Sys-Ein- Beobachter, Rekrutierung von zi- vermeidung. Die Grundkurse werden satzerfahrung). vilem deutschen Personal. prinzipiell in Englisch abgehalten. – Einsatznachbereitung mit geschul- – Spezialisierungskurse (2 Wochen) Zwei bis drei Teilnehmer pro Kurs ten Teams der Schule für Innere ergänzen die allgemeine Vorbe- kommen aus dem Ausland. Führung reitung und richten sich an Fach- – Exzellente Medienkompetenz, leute in der Personalreserve. Zu 6.7. Betreuungsleistung des ZIF Profis „vermarkten“ zeitnah die folgenden Fachbereichen wurden Jedes Mitglied der Personal- „guten Taten“ der Bundeswehr. bereits Kurse angeboten: Rule of reserve hat einen Ansprechpartner Externe Journalisten werden mit Law, Mission Management, Ad- im ZIF, der Unterstützung anbieten allem versorgt, einschließlich ministration & Support, Disarma- und bei individuellen Problemen re- der Hubschrauber am Ort des ment, Demobilisation and Rein- agieren kann. Geschehens. tegration (DDR). – Bewerberberatung: Kontinuierli- Schwächen: Das ZIF arbeitet außerdem mit cher individueller Kontakt, indi- – Die Ausbildung der Soldaten und anderen Trainingseinrichtungen zu- viduelle Vorbereitung und Hilfe Offiziere ist relativ binnenorien- sammen, z.B. in der European Group bei Bewerbung, Interviews, Ver- tiert. Sie halten sich in der Regel on Training sowie im Westafrika- tragsmodalitäten. für die eigentlichen „Friedens- Projekt mit dem KAIPTC (Kofi – Einsatzbetreuung: Ausreise- und macher“. Annan International Peacekeeping Zwischengespräche, Information – Soldaten erkennen selten, dass Training Centre). für Ausreisende, ZIF-Netzwerke der Erfolg der Friedenskonsoli- im Kosovo, Bosnien-Herzegowi- dierung (bislang 99% der 6.6Inhalt der Grundkurse na, Mazedonien, DR Kongo Bundeswehraufträge) wesentlich Diese Kurse dienen der Vorbe- Missionsbesuche, jährlich Rück- von einem effektiven Polizeiein- reitung auf eine Tätigkeit in einer in- kehrertreffen. ternationalen Friedensmission sowie – Nachbetreuung: Debriefing, Rück- satz (Bekämpfung der organisier- der Eignungsbewertung der Teilneh- kehrergespräche. ten Kriminalität) und von einer menden. Sie vermitteln Informatio- wirksamen Entwicklungshilfe nen über die Geschichte und Struk- 6.8Alles über das ZIF in (wirtschaftlicher Aufbau und turen internationaler Friedensein- www.zif-berlin.org Schaffung von Arbeitsplätzen) ab- sätze. Für eine erfolgreiche Tätigkeit Das ZIF bietet auf seiner Web- hängt. (Das Gleiche gilt übrigens in Friedensmissionen sind Soft Skills seite Informationen zum Bewer- für viele Abgeordnete des Bun- in den Bereichen Interkulturelle bungsverfahren, über die Trainings- destages. Es fehlt ein nachhalti- Kommunikation, Konfliktmanagement, kurse und Einsatzfelder. Außerdem ges Gesamtkonzept. Anm. d. V.) Verhandlungsführung und Mediati- bietet die Internetseite Analysen, In- – Soldaten und Offiziere haben in on, Arbeit mit Dolmetschern, Stress formationen zu internationalen Orga- der Regel wenig Kontakt mit der Management und Gender besonders nisationen und den wöchentlichen Bevölkerung und können daher wichtig. Weitere Themen sind die Zi- aktualisierten Pressespiegel „Aktu- leicht als „Besatzungsarmee“ vil-militärische Zusammenarbeit elle Informationen zu Friedensein- empfunden werden. (CIMIC) sowie die Durchführung sätzen“. und Beobachtung von Wahlen in 7.2Ausbildung der Friedens- Postkonfliktsituationen. Besonderes 7. Stärken und Mängel der fachkräfte Augenmerk legt das ZIF auf das Ausbildungskonzepte Stärken: Sicherheitstraining mit den Berei- – Die individuelle auf die Person chen persönliche Sicherheit im Ein- n einer abschließende Runde wur- zugeschnittene Personalentwick- satzgebiet, Mine Awareness, ange- Ide freimütig über die Stärken und lung der AGEH berücksichtigt messenes Verhalten bei Minen- Schwächen der einzelnen Aus- bereits im Entwicklungsdienst gefährdung, Erste Hilfe und persön- bildungskonzepte diskutiert. Dabei oder sonst wo erworbene Fähig- liche Gesundheitsvorsorge. kam man zu folgenden Ergebnissen: keiten und verschafft die fehlen- Hinzu kommen die Technischen de Kompetenz durch verschiede- Aspekte wie Kommunikation und 7.1Bundeswehrausbildung ne international anerkannte Handhabung von Funkgeräten, die Stärken: Trainingsmaßnahmen. Diese fin- Orientierung im Feld unter Einsatz – Gemeinsame Einsatzausbildung den zunehmend im internationa- von Karte, Kompass und GPS sowie vier Monate vor Missionsbeginn, len Kontext statt. Die Personal- Fahrtraining mit Geländewagen so dass alle Beteiligten mitein- entwicklung wird konsequent Die Themen Sicherheitsaspekte ander vertraut werden können während der Dienstzeit und in und Technische Fähigkeiten werden und den gleichen Ausbildungs- der Rückkehrphase fortgesetzt. in einer dreitätigen, von den Lehr- stand haben Das ist nicht zu toppen.

16 AUFTRAG 261 FRIEDENSAKTEURE IM AUSLAND

– Die Curricula des viermonatigen auftretenden großen Katastrophen Sicherheitstraining und in der Kurses des Forums Ziviler Frie- gibt den humanitären Hilfsorga- Technikhandhabung (Funkbe- densdienst vermitteln der zu- nisationen häufig kaum große trieb, GPS, Fahrtraining) als äu- künftigen Friedensfachkraft alle Auswahlmöglichkeiten beim ein- ßerst nützlich empfunden. wesentlichen Fähigkeiten, die in zusetzenden Personal. Schwächen: der Krisenregion benötigt wer- – Im Gegensatz zu Organisationen den. Bestechend ist der Wechsel 7.4Ausbildung der Polizisten der Entwicklungszusammenarbeit im Lehrgang zwischen Theorie- für den Auslandsdienst rekrutiert ZIF nicht für konkrete vermittlung und Praxis in der Stärken: Projektstellen. Die Bewerber Krisenregion – Der Ausbildungsverbund für dt. müssen sich der internationalen Schwächen: Polizisten im Auslandseinsatz Konkurrenz stellen. Ihnen wird – Friedensfachkräfte werden noch mit den Stufen: Basistraining, ein hohes Maß an Flexibilität zu vereinzelt eingesetzt. Eine Einsatzvorbereitung und Mission- und Motivation abverlangt. Schwerpunktbildung kann bes- Nachbereitung ist optimal orga- Durch die Ungewissheit des ser einen nachhaltigen Erfolg er- nisiert. Die EU hat das deutsche „wann und wo“ eines Einsatzes zielen. (Vgl. BMZ-Studie zum System der Ausbildung und sei- muss das Trainingsprogramm all- Aufbau des Zivilen Friedens- ne entsprechenden Curricula für gemein gehalten werden. dienstes vom Juni 2002). Es ist alle übrigen Staaten übernom- – Nur für einen Teil der in der Per- daher zwingend erforderlich, men. Das spricht für sich. sonalreserve (ca. 1.000 Perso- dass die angestrebte Zahl von – Die interaktive Ausbildung (kein nen) aufgeführten und ausgebil- 500 Friedensfachkräften (bislang Frontalunterricht) in englischer deten Bewerber steht eine Stelle ca. 200) erreicht wird. Dazu ist Sprache mit zunehmender inter- für eine Auslandsverwendung eine Steigerung der bescheide- nationaler Beteiligung ist vor- zur Verfügung, so dass der Ab- nen Finanzmittel erforderlich, bildlich und erfolgversprechend. stand zwischen Ausbildung und andernfalls gerät das BMZ in den Schwächen: möglichen Einsatz relativ weit Verdacht, das Programm der – Die finanzielle Ausstattung der auseinanderklaffen kann. Damit Friedensfachkräfte nur aus pro- deutschen Polizeieinsätze im Aus- stellt sich auch die Frage der Ver- pagandistischen Gründen zu un- land ist i.d.R. zu schwach, so fügbarkeit, weil die betreffenden terhalten (Anm. d. V.) dass die deutschen Polizisten Personen nicht immer in Warte- – Die Medienkompetenz der weit hinter ihren Möglichkeiten Friedensfachkräfte ist in der Re- zurückbleiben. (In Afghanistan haltung bleiben können. gel zu gering. Die hilfreiche und z.B. wendet die Bundesregierung kompetente Arbeit der Friedens- 25 mal soviel für militärische 8. „Was können wir von fachkräfte ist in der Bevölkerung Absicherung auf als für den ef- einander lernen?“ noch zu unbekannt. fektiven Polizeieinsatz, obwohl Kenner der Situation in Afgha- ie Teilnehmer am gemeinsamen 7.3Ausbildung der nistan beide Aufgaben als DSeminar „Frieden braucht Fach- humanitären Helfer gleichrangig ansehen. Deutsche leute“ waren beeindruckt von der Stärken: Politiker haben noch nicht aus- Vielfalt und Verschiedenheit des – Ein großer Vorteil der humanitä- reichend erkannt, welche Bedeu- ausgebildeten Personals in der ren Hilfsorganisationen in Deutsch- tung der Polizei in Nachkriegs- Friedenskonsolidierung. Einige Koo- land besteht darin, dass sie bei situationen zukommt. Anm. d. V.) perationen gibt es bereits (so z.B. ZIF Praktikanten und späteren Projekt- und Bunderwehr). Neue sind hinzu- leitern auf die gut ausgebildeten 7.5Ausbildung am ZIF gekommen. So prüft Heinz Wagner Absolventen des Europäischen Stärken: vom Forum Ziviler Friedensdienst, Studienganges „Humanitäre Hil- – Das ZIF konnte in seinem Auf- ob Offiziere der Bundeswehr am fe“ an der Ruhr-Uni Bochum zu- bau und seiner Struktur sowie Trainingsmodul „Mediation“ als ex- rückgreifen können. bei der Entwicklung seiner Aus- terne Hospitanten teilnehmen kön- – Vorteilhaft ist die in der Ausbil- bildungscurricula von den Erfah- nen. Hans Nirschl von der AGEH dung vorgesehene enge Zusam- rungen anderer Organisationen würde sich gern einmal die compu- menarbeit mit lokalen Kräften in Kanada, Norwegen und tergestützte Ausbildung der Bundes- (Verhältnis 1:10), was die Effizi- Schweden profitieren. wehr „SIRA“ ansehen und an einem enz und Effektivität der humani- – Eine weitere Stärke ist der Inter- Rückkehrerseminar des Militärs teil- tären Maßnahmen erhöht. netauftritt, der neben vielfältigen nehmen. Oberstleutnant i.G. Thomas Schwächen: Informationen den Bewerbern Kautz wird ihm dabei behilflich sein. – Der dreitägige Grundkurs ist an- und Mitgliedern der Personalre- Abschließend bleibt zu hoffen, gesichts der Menge der Fähigkei- serve eine Kommunikationsplatt- dass alle beteiligten Friedensakteure ten, die man als humanitärer form bietet und weltweit Online- ein zusätzliches Ausbildungsmodul Helfer (in) benötigt, zu kurz. Hu- Zugang zu ihrem Profil bietet. in ihre jeweiligen Qualifikationen manitäre Hilfe ist eine Kunst und – Ferner wurde die Zusammenar- einbauen, dass sich mit dem Zusam- darf nicht zur „Verschlimmbesse- beit mit der Bundeswehr im VN- menwirken aller am Friedensprozess rung“ führen (Anm. d. V.) Ausbildungszentrum Hammel- beteiligten Akteure und deren Ein- – Enormer Zeitdruck bei plötzlich burg sowie mit der Polizei im satzphilosophie befasst. ❏

AUFTRAG 261 17 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

KRISENREGION NAHER UND MITTLERER OSTEN: Drei Jahre nach dem Irak-Krieg: Gliederung: • „Mission Accomplished!“ Eine Bestandsaufnahme im Krisenbogen • Der neue Irak • Irak im Bürgerkrieg? VON VOLKER W. B ÖHLER • Domino-Effekt 1 „Mission Accomplished!“ Der neue Irak • Wahlen in Palästina Am 20. März 2003 griffen die Nach Zählungen des US-Vertei- Anglo-Amerikaner den Irak an und digungsministeriums verloren zwi- • Der Nuklear-Konflikt stürzten ein verbrecherisches Re- schen Januar 2004 und September mit dem Iran gime. Heute, drei Jahre danach, ist 2005 26.000 Menschen durch An- • Pakistan – 2 es Zeit für eine neue Zwischenbilanz. griffe der Aufständischen ihr Leben. ein treuer Verbündeter? Viele Fragen, die ich in einem Bei- Im Jahr 2004 betrug die Zahl der Op- trag im AUFTRAG vor zwei Jahren fer pro Tag zwischen 26 und 40, im • „Verteidigung der Freiheit stellte, können nunmehr beantwortet Jahr 2005 zwischen 53 und 63 To- am Hindukusch“ werden: Die Kriegsgründe waren in ten.3 Opfer, die von den Koalitions- • Zedernrevolution einer in der jüngeren Geschichte bei- truppen getötet wurden, sind in die- im Libanon? spiellosen Manipulation hingebogen sen Zahlen nicht enthalten. und erfunden worden. Der Krieg ge- Die USA selbst beklagten bis • Syrien: Aus für Assad? gen den internationalen Terrorismus Ende 2005 2176 Gefallene und • Bilanz hat die Welt nicht sicherer gemacht, 16.329 Verwundete während der 4 • Anmerkungen und und die schweren islamistischen An- Operation IRAQI FREEDOM. Quellen schläge in Riad (2003), Casablanca Das Verfassungsreferendum (2003), Istanbul (2003), Madrid (Oktober 2005) und die Parlaments- (2004), London (2005) und Amman wahl (Dezember 2005) haben nicht Sicherstellung der öffentlichen Ord- (2005) sprechen mit Hunderten von zu einer Beruhigung der Lage beige- nung gewesen wäre, war nicht in der Toten und zahlreichen Verletzten tragen. Einen neuen traurigen Höhe- Lage oder nicht willens, die Unruhen ihre eigene entsetzliche Sprache. punkt erreichten die Spannungen zu verhindern. Die hastig aufgestell- Der Krieg selbst wurde als völ- nach der Sprengung der schiitischen ten Sicherheitskräfte, die ohnehin kerrechtswidriger Angriffskrieg ohne Al Askari-Moschee in Samarra Ende mehrheitlich der schiitischen Glau- UN-Mandat geführt. Für die unmit- Februar 2006. bensrichtung angehören, sahen telbare Zeit nach dem „Sieg“ gab es Neben den Heiligtümern in gleichwohl keine Veranlassung, ihre keinen funktionierenden Plan, der Nadschaf, Kerbela und der Kadhi- sunnitischen Mitbürger zu schützen. einen Wiederaufbau des zerstörten mija-Moschee in Bagdad ist die Dem vom US-Zivilverwalter Paul Landes ermöglicht hätte, geschweige Askari-Moschee die viertwichtigste Bremer installierte Provisorische Re- denn ein Minimum an Sicherheit und Wallfahrtsstätte der Schiiten. Dort gierungsrat folgte im Juni 2004 die Stabilität gewährleistet hätte. Der befinden sich die Grabstätten des 10. nicht durch Wahlen legitimierte Re- aus diesem Krieg erwartete Domino- und 11. Imams, Ali Al Hadi (829- gierung des Ministerpräsidenten Effekt für eine Demokratisierung im 868) und Hassan Al Askari (846- Allawi. Aus der danach folgenden Mittleren Osten blieb aus. Dort wo 874). Der Sohn des letzteren, Mo- Wahl für ein Übergangsparlament halbwegs demokratische Wahlen hammed, der 12. Imam, wurde nach gingen die Vereinigte Schiitische Al- stattfanden, waren radikale Islamis- schiitischem Glauben 878 im Alter lianz mit 48% und die Kurdenliste ten die Wahlgewinner. In der Lösung von fünf Jahren aus dem Bereich die- mit 26% erwartungsgemäß als Wahl- der Grundprobleme des Palästina- ser Moschee „entrückt“. Seither er- sieger hervor. Die Sunniten hatten Konfliktes ist man kaum einen warten die Schiiten die Wiederkehr sich dieser Wahl weitgehend verwei- Schritt weitergekommen. Die neue des Imams, der als „Mahdi“ (Erlö- gert. Freiheit hat den Irak an den Rand ei- ser) eine neue, gerechte Welt schaf- Im Oktober 2005 stimmten 78% nes Bürgerkrieges gebracht. Men- fen wird. der Bevölkerung für eine neue Ver- schenrechte und humanitäres Völ- Als Folge dieser Freveltat, für fassung, 21% lehnten sie ab. Die kerrecht werden in Guantanamo Bay die möglicherweise der sunnitische Wahlbeteiligung betrug 63%. Um bis zum heutigen Tage mit Füßen ge- Terrorist Aiman Abu Mussab Al ein Haar wäre das Referendum ge- treten; der Krieg im Namen der Frei- Zarqawi die Verantwortung trägt, scheitert. Die Gegner der Verfassung heit wurde in den Folterzellen von kam es zu mehr als 100 Übergriffen konnten die erforderliche Sperr- Abu Graib ad absurdum geführt. In aufgebrachter Schiiten auf sunniti- minorität in den hierzu notwendigen summa sind die Folgen von Bushs sche Moscheen und Mitbürger. Die drei Provinzen nicht erreichen. 16 und Blairs Krieg im „grünen Krisen- Besatzungsmacht selbst, deren vor- Provinzen stimmten zu. In Anhar und bogen“ bis nach Pakistan verheerend nehmste Aufgabe neben dem Wie- Salaheddin stimmten mehr als zwei und desaströs. deraufbau des zerstörten Landes die Drittel der Wähler dagegen. Umstrit-

18 AUFTRAG 262 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Die Länder des Nahen und Mittleren Ostens Quelle:http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Map-World-Middle-East.png ten war das Ergebnis in der Provinz 2005 bei 63%. Von 1.500 Wahl- bis Ende Februar vorsichtiger Opti- Ninive; in Mossul erreichten die beschwerden, die größtenteils von mismus ab. Es schien, als sei die bis- Gegner 55%. So war es nicht verwun- den sunnitischen Parteien und dem herige schiitisch-kurdische Koalition derlich, dass die Sunniten den Vor- von US-Zivilverwalter Bremer instal- willens, die Sunniten in die neue Re- wurf des Wahlbetruges erhoben. lierten Säkular-Schiiten, Ex-Minis- gierung einzubinden. Dies wäre auch Eine Wahlkommission konnte aller- terpräsident Allawi, stammten, wur- im Sinne der USA, die sich von der dings keine Fälschungen feststellen, den 35 „schwerwiegende“ Klagen Einbeziehung der Sunniten eine sodass die Verfassung als angenom- zugelassen. Schwächung der Aufständischen er- men gilt. Da die arabischen Sunniten Nach 36 Tagen schließlich wur- hoffen, was einen merklichen Rück- diese Verfassung mit großer Mehr- de ein vorläufiges offizielles Wahl- gang der Anschläge zur Folge hätte. heit ablehnen, ist der Keim für künf- ergebnis bekannt gegeben. Sieger Dies würde einen gesichtswahrenden tige Zwietracht gesät. dieser Wahl wurde erwartungsgemäß Rückzug der Besatzungstruppen er- Nach dieser Verfassung ist der die schiitische Koalition von Minis- möglichen. Islam die Staatsreligion. Auch wenn terpräsident Dschaafari. Sie verfehlte Kandidat für das Amt des Regie- sich die hohe schiitische Geistlich- zwar die absolute Mehrheit, wird rungschefs ist der bisherige Minister- keit mit der Aufnahme der Scharia in aber mit 128 von 275 Abgeordneten präsident Ibrahim Al Dschaafari. Ob die Verfassung nicht durchsetzen im neuen Parlament vertreten sein. er tatsächlich nominiert wird, ist konnte, so bleibt abzuwarten, wie die Die Kurdische Koalition gewann 53 derzeit noch offen, da die Kurden, Formulierung „der Koran sei eine Sitze, während die Sunniten der Irak- die arabischen Sunniten und die sä- Quelle der Gesetzgebung“ in der Zu- ischen Einheitsfront und des Natio- kularen Schiiten der bislang wenig kunft umgesetzt wird. Es sind be- nalen Dialogrates mit 55 Abgeordne- erfolgreichen ersten Regierung rechtigte Zweifel angebracht, ob die ten ins Parlament einziehen werden. Dschaafaris ablehnend gegenüber- arabische Sprache die Feinheiten Wahlverlierer aber ist der US- Favo- stehen. Dschaafari gilt nicht als zwischen „eine Quelle und die Quel- rit und frühere Ministerpräsident Befürworter einer föderativen Staats- le“ in der Deutlichkeit interpretiert, Allawi, dessen säkulare Irakisch idee, die im Norden eine weitgehen- die wir im westlichen Kulturkreis Nationale Liste 15 Mandate verlor de kurdische Autonomie zulässt und kennen. und nur noch 25 Abgeordnete stellt. den Weg für eine autonome schiiti- Mit der Annahme der Verfassung Dem einstigen Rumsfeld-Favoriten sche Region im Süd-Irak ebnen wür- war der Weg für die Parlamentswahl und stellvertretenden Ministerpräsi- de. Mit seinem Türkeibesuch hat er im Dezember 2005 frei. Bei einer denten Ahmed Dschalabi blieb mit sich die Sympathien der Kurden ver- Wahlbeteiligung von 65-70% hatten seinem Irakischen Nationalkongress scherzt. Die Sunniten werfen ihm sich rund 11 Millionen Iraker an die- der Einzug ins Parlament verwehrt. vor, er habe den Einsatz von „Todes- ser Wahl beteiligt. Die Sunniten hat- Die restlichen Mandate gingen an die schwadronen“ gegen ihre Eliten ge- ten ihre Verweigerungshaltung auf- kleineren sunnitischen und schiiti- billigt. Zu diesem internen Macht- gegeben. Bei der Wahl zum Über- schen Splitterparteien, die Christen, kampf gesellt sich die unverblümte gangsparlament im Januar 2005 lag die Turkmenen und die Yeziden. Einmischung des US-Botschafters die Beteiligung bei 59%, beim Für die Bildung einer Regierung Zalmay Khalilzad, der über das Verfassungsreferendum im Oktober der nationalen Einheit zeichnete sich Innen- und Verteidigungsministeri-

AUFTRAG 262 19 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK um die Sunniten einbinden will, in so erreicht man genau das Gegenteil. PLO/Fatah, die sich nach dem Wahl- der Hoffnung, dass die Insurgenten Gleiches gilt für die dann einsetzen- debakel noch nicht mit ihrem Macht- aufgeben. Der bisherige kurdische de Abwehrreaktion des Westens: verlust abgefunden hat. Hamas muss, Staatspräsident Dschalal Talabani besser alles beim Alten zu lassen und um künftig in Israel und in der west- wird wohl im Amt bleiben. sich mit den Regimen zu arrangieren. lichen Welt Gesprächspartner zu fin- Für dieses Dilemma ist Ägypten nach den, das Existenzrecht Israels aner- Irak im Bürgerkrieg? den Parlamentswahlen im November kennen, auf Gewalt verzichten und Mit dem provokativen Anschlag 2005 ein Musterbeispiel. die bisherigen Verpflichtungen der auf die schiitische Al Askari-Mo- „Road Map“ akzeptieren. Letztere schee im Februar 2006 und der dar- Wahlen in Palästina Forderung gilt gleichermaßen für Is- auf folgenden Gewaltorgie gegen Der Wahlausgang in Palästina rael. Es wurde aber auch deutlich, sunnitische Bürger und deren Ein- kam nicht überraschend. Arafats kor- dass palästinensische Kampfrhetorik richtungen, die über 400 Todesopfer rupte, abgewirtschaftete säkulare und sei sie noch so schlimm, bei ge- forderte, ist die Bildung einer Regie- Fatah stellt künftig im Autonomierat wissen Staaten Spielraum für Ge- rung der nationalen Einheit aller- nur noch 43 Abgeordnete, während spräche lässt. Der EU-Aspirant Tür- dings in weite Ferne und der Irak ei- die islamistische Hamas mit 76 von kei hatte jedenfalls keine Probleme, nem offenen Bürgerkrieg näher ge- 132 Sitzen die absolute Mehrheit er- eine Delegation des hochrangigen rückt. Ein verdeckter Bürgerkrieg rang. Nach Einschätzung der Wahl- Hamas-Führers Chaled Maschal zu hat das Land ohnehin schon längst beobachter war dieser Wahlsieg das empfangen, was zu kurzzeitiger Ver- überzogen. Es bleibt zu hoffen, dass Resultat der „demokratischsten stimmung in der Achse Tel Aviv- es dem „stets abwesend Anwesen- Wahlen“, die bislang im muslimi- Ankara führte. Moskau machte sich den“ Groß-Ajatollah Al Sistani gelin- schen Nahen Osten stattfanden.5 die Sprachlosigkeit des Westens gen wird, seinen mäßigenden Ein- Die Hoffnungen nach dem Tod zunutze, um sich im Nahen Osten fluss auf alle Ethnien und Glaubens- Arafats auf Mahmud Abbas haben neu zu positionieren. Außenminister richtungen geltend zu machen. sich nicht erfüllt. Er war zwar Ge- Sergei Lawrow empfing Anfang März sprächspartner der Israelis, konnte 2006 die gleiche Delegation in Mos- Domino-Effekt aber in allen wesentlichen Streit- kau. Der von der Bush-Administration punkten wie Siedlungspolitik in der Will man die Hamas auf einen erhoffte Domino-Effekt für eine Westbank und um Jerusalem, der für alle Beteiligten akzeptierbaren Demokratisierung der autoritären Einschränkung der Bewegungsfrei- Kurs bringen, so ist Gesprächs- muslimischen Staaten ist bislang heit, der Trennmauer, der „gezielten verweigerung, Isolation, die Einbe- ausgeblieben oder nicht im Sinne der Tötung“ palästinensischer Funktio- haltung zustehender Zölle und Sper- Administration verlaufen, und es er- näre, der Arbeitslosigkeit sowie der rung der finanziellen Ressourcen der staunt kaum, dass undemokratische Eindämmung palästinensischer Ter- falsche Weg. Er führt zu einer weite- Regime in Saudi-Arabien, Kuwait, roranschläge weder im israelischen ren Radikalisierung. Dies scheint Pakistan und Ägypten noch immer noch in seinem eigenen Lager gravie- zwischenzeitlich auch die EU er- als gemäßigt gelten, da sie als rende Fortschritte erreichen. Die kannt zu haben. Es gibt Anzeichen unverzichtbare wirtschaftliche oder Räumung des Gaza-Streifens durch dafür, dass sie den US-israelischen militärische Verbündete benötigt die Besatzungsmacht reichte nicht Kurs nicht um jeden Preis mitfahren werden. In diese Kategorie reiht sich aus, ein günstiges Terrain für die Zu- wird. Vielleicht könnte mit dem neuerdings auch Libyen ein. Die kunft eines palästinensischen Staates nunmehr mit der Regierungsbildung Rolle Saudi-Arabiens als mutmaßli- vorzubereiten. Versuche der Bush- beauftragten Pragmatiker Ismail cher Finanzier des weltweiten Administration, die Road Map wie- Hanija der Mann auf den Plan treten, islamistischen Terrorismus und die derzubeleben, blieben kraftlos und der in der Lage wäre, die unselige undurchsichtige Rolle Pakistans hat zeigten keine Wirkung. Hierzu Hamas-Charta zu ändern. Auch dem man wohl erkannt, Konsequenzen kommt eine spürbare politische Le- „Vater der Siedlungen“, Ariel aber wurden nicht gezogen. Es bleibt thargie, die Israel seit der schweren Scharon, hätte niemand zugetraut, bei gelegentlichen Abmahnungen. Erkrankung und Amtsunfähigkeit die Siedlungen im Gaza-Streifen auf- Mit ihrer Forderung nach Demo- Ariel Scharons im Januar 2006 befal- zugeben. kratie gerät die westliche Welt mehr len hat. und mehr in ein Paradoxon. Demo- Auch nach dieser Wahl standen Der Nuklearkonflikt kratische Wahlen haben bislang stets der Westen und insbesondere die mit dem Iran antidemokratische, rückwärts ge- USA vor dem Dilemma, dass sie die Im Nuklearkonflikt mit dem Iran wandte Fanatiker zu Gewinnern ge- Geister, die sie riefen, nicht mehr los zeigten Bushs Drohgebärden in zwei- macht, die man unter keinen Um- wurden. Palästina hatte gewählt, aber erlei Hinsicht Wirkung: Zum einen ständen haben wollte. Griffige Slo- leider eine für den Westen nicht ak- wurden die Iraner in ihren Verhand- gans wie „der Islam ist die Lösung“ zeptable islamistische Hamas. lungen mit der EU-3 Gruppe (Eng- werden dort leichter verstanden als Der extremistische Islamische land, Frankreich, Deutschland) das hohle, pathetische Geschwätz Dschihad hatte klargestellt, dass er immer uneinsichtiger und kompro- von der Bush’schen Freiheit. Werden sich an einer Regierungsbildung missloser. Zum anderen brachten die diese Ergebnisse durch die Staats- nicht beteiligen wird. So bleibt als nach westlicher Einschätzung so Aja- macht manipuliert oder unterdrückt, möglicher Koalitionspartner nur die tollah-müden Iraner in der Wahl zum

20 AUFTRAG 262 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Amt des Staatspräsidenten im Juli 2005 einen Mann an die Macht, den TÜRKEI bei uns niemand auf der Karte hatte: den Fundamentalisten, Revolutions- wächter und Bürgermeister von Teheran, Mahmud Ahmaddineschad. Der Wunschkandidat des Westens, der gemäßigt konservative Geistliche SYRIEN Ali Akbar Haschemi Rafsandschani IRAN hatte in dieser Wahl keine Chancen, da er als korrupt gilt. Ahmadine- schad wurde von einer überwiegend IRAK jungen Wählerschaft mit 62% der Stimmen gewählt. Es besteht kein JORDANIEN Zweifel, dass zwischen dieser Wahl und dem Damoklesschwert einer amerikanischen Intervention („... all options are on the table“) ein enger Zusammenhang besteht. Ahmadineschads Kabinettsliste SAUDI-ARABIEN ließ nichts Gutes erahnen.6 Die KUWEIT Schlüsselpositionen, Sicherheit, In- neres und Kultur wurden mit islamistischen Extremisten besetzt: Satellitenaufnahme des Irak mit eingezeichneten Staatsgrenzen, – Der Sicherheitsminister Gholam veröffentlicht von der NASA (Beschriftung PS). Hussein Mohseni-Eschei kommt Quelle: http://visibleearth.nasa.gov/cgi-bin/viewrecord?25817. Dieses Bild ist in den USA gemeinfrei („public domain“) aus dem Bereich der Justiz und Geheimdienste. hungen. Die Chance, mit Russland schung. In herablassend arroganter – Der Innenminister Mostafa Pur- eine Kompromisslösung zu finden, Art und Weise erklärte Bush dem pa- mohammadi war stellvertreten- die eine gemeinsame, kontrollierte kistanischen Präsidenten Pervez der Geheimdienstchef und Staats- Urananreicherung in einer russi- Musharaf, Teil seiner Mission sei es, anwalt an den Revolutionsge- schen Nuklearanlage vorsah, wurde festzustellen, ob dieser „noch so en- richten. durch das starre Verhalten Teherans gagiert wie früher dabei sei, Terroris- – Der Minister für Kultur und Isla- vertan. Am 9. März 2006 wurde der ten vor Gericht zu stellen“ (... bring mische Führung Mohammad Fall dem UN-Sicherheitsrat vorge- to justice).8 Hier drückte sich die Hussein Saffar-Harandi war legt, und man darf auf das Verhalten Unzufriedenheit des US-Präsidenten Politkommissar in der Pasdaran Russlands und Chinas gespannt sein. mit seinem strategischen Partner im und jahrelanger Zensor aller geis- Bush selbst will einen Regime- Hinblick auf die Jagd auf Osama Bin tig-intellektuellen Aktivitäten. wechsel. Die Pläne hierzu liegen Ladin, Mullah Omar und der im – Drei weitere Minister kommen längst in der Schublade. Die prekäre Grenzgebiet zwischen Afghanistan aus der Pasdaran und Lage im Irak aber wird eine US-In- und Pakistan untergetauchten isla- – je vier aus den Geheimdiensten tervention noch für längere Zeit aus- mistischen Terroristen aus. und der Armee. schließen. Mit dem Nuklearabkommen mit Dies lässt sich bis in die unteren Die Tatsache, dass Bush in ei- Indien aber machte Bush deutlich, Beamtenränge beliebig fortsetzen. nem Überraschungscoup den 30 Jah- dass er auf die „Weltmacht“ Indien Die Botschafter der alten Regierung re andauernden Boykott des Atom- setzt, und Pakistan in der Macht- wurden zwischenzeitlich ausge- Parias Indien mit einem umfassen- konstellation im südasiatischen tauscht. den Nuklearabkommen im März Raum, insbesondere was die künftige Ahmadineschad ließ seit seiner 2006 beendete und einen Dissiden- Rolle der Militär- und Wirtschafts- Wahl zum Staatspräsidenten keine ten, der bis zum heutigen Tage den macht China betrifft, nur von zweit- Gelegenheit aus, um gegen den Wes- Atomwaffensperrvertrag nicht unter- rangiger Bedeutung ist. Die quasi of- ten und insbesondere Israel zu het- schrieben hat, salonfähig machte, fizielle Aufnahme in den Atomklub zen. Aussagen wie „Israel muss von wird die Verhandlungen mit den blieb Pakistan versagt. Zweifelsfrei der Landkarte getilgt werden“ oder Hardlinern in Teheran nicht leichter ist dies auch eine Reaktion auf die „jeder, der Israel anerkennt, wird im machen. leichtfertige Weitergabe von nuklea- Zornesfeuer der islamischen Nation rem Know How durch den pakistani- verbrennen“ sind an der Tagesord- Pakistan – schen Atomwissenschaftler Abdul nung.7 Ein treuer Verbündeter? Qadr Khan an den Iran, an Libyen Die Hoffnung, mit dieser Regie- Bushs erste Südasienreise war und Nord-Korea. Den Bemühungen rung im Atomstreit eine Lösung zu für den asiatischen Hauptverbünde- zur Eindämmung einer Proliferation finden, steht nicht allzu gut. Die EU- ten im Kampf gegen den weltweiten von Massenvernichtungswaffen hat 3 Gruppe scheiterte mit ihren Bemü- Terrorismus eine herbe Enttäu- Bush aber einen Bärendienst erwie-

AUFTRAG 262 21 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK sen. en von ehemals 25.000 noch rund Amal schart, sondern auch ins christ- Es steht zu befürchten, dass eine 14.000 Soldaten im Libanon als liche, sunnitische und palästinensi- beleidigte Nation, die ihren Erbfeind „Ordnungsfaktor“ stationiert, deren sche Lager weist. Die Warlords der Indien geadelt sieht, die Ermahnun- Präsenz mit einem Mandat der Arabi- Bürgerkriegszeit mischen wieder gen des US-Präsidenten, im kom- schen Liga im Abkommen von Taif kräftig mit: Ex-General Michel Aoun menden Jahr freie und faire Wahlen (1989) und einem bilateralen Grund- ist aus seinem französischen Exil zu- zuzulassen, gründlich missverstehen lagen- und Kooperationsvertrag rückgekehrt und hofft, die Schmach wird. (1991) sanktioniert war. Taif sah ei- seiner Vertreibung (1990) zu tilgen. nen syrischen Truppenabzug nach Der Maronit Aoun möchte seinen „Verteidigung der Freiheit zwei Jahren beziehungsweise nach ungeliebten maronitischen Mitbru- am Hindukusch“ der Aussöhnung der vom Bürgerkrieg der General Emile Lahoud aus dem „Sie inspirieren andere und die zerrütteten konfessionellen Parteien Amt des Staatspräsidenten vertrei- Inspiration wird andere dazu brin- vor. Die mit Taif den Syrern zugebil- ben. Um dieses Ziel zu erreichen, gen, nach Freiheit zu verlangen“, ligte Schutzmachtfunktion war von scheut er sich nicht einmal, mit der lobte Bush den afghanischen Präsi- allen Partnern, insbesondere aber Hisbollah ein Bündnis einzugehen, denten Hamid Karsai während seines von Frankreich und den USA, zuge- was letztlich auf eine Art Achse Überraschungsbesuches anlässlich standen oder stillschweigend gedul- Maroniten-Hisbollah-Damaskus- der Eröffnung der amerikanischen det worden. Beide Staaten hatten Teheran hinausläuft. Ganz offen- Botschaft in Kabul Anfang März.9 während des Bürgerkrieges nach ver- sichtlich erhofft sich ein Teil der Wie sieht nun, vier Jahre nach dem heerenden Anschlägen auf ihre Trup- maronitischen Christen im Falle ei- Sturz der Taliban, dieses Freiheits- pen (1983) das Land in einer un- ner Radikalisierung der Sunniten modell aus? Ausländische Truppen rühmlichen Flucht verlassen und in Schutz durch die immer noch bewaff- in einer Stärke von ca. 30.000 Mann den Folgejahren den syrischen Trup- neten Hisbollahi von Scheik Hassan stehen am Hindukusch. Weite Teile pen die Beendigung des Bürgerkrie- Nasrallah. des Landes sind nach wie vor unter ges überlassen. Dessen ungeachtet Der Drusenführer Walid Dschum- der Kontrolle der lokalen Milizen- hatte Syrien die Fristen aus Taif bis blatt, vormals gern gesehener Play- chefs. Karsai hat bestenfalls die zum Frühjahr 2005 mehr als strapa- boy in den damaszener Luxushotels, Macht eines Bürgermeisters von ziert. Die im September 2004 von liebäugelt mit Israel, provoziert Syri- Kabul. Die Parlamentswahl im ver- USA und Frankreich im UN-Sicher- en und die Schiiten und genießt das gangenen Jahr hätte ohne massive heitsrat eingebrachte Resolution for- Vertrauen der Vereinigten Staaten ausländische Hilfe kaum stattgefun- derte Syrien unmissverständlich auf, und Frankreichs. Der kürzlich am- den, nur die Hälfte der Wahlberech- seine Truppen zurückzuziehen. nestierte Kriegsverbrecher Samir tigten gab ihre Stimme ab. Der Im Februar 2005 fiel der einst- Geagea, einst mächtiger Gegner des Mohnanbau hat sich in den letzten mals eng mit Syrien liierte ehemalige christlichen Armeechefs Michel Jahren verdreifacht. Osama Bin libanesische Ministerpräsident Rafik Aoun, formiert seine christlich-maro- Ladin und Mullah Omar sind immer Al Hariri in Beirut einem Attentat nitische Miliz der Forces Libanaises noch auf freiem Fuß, und die zum Opfer. In den Wochen nach dem neu, um den Syrien-freundlichen Taliban, verstärkt durch islamisti- Anschlag überschlugen sich die Er- Staatspräsidenten zu verjagen. sche Wanderterroristen, halten die eignisse. Syrien, das auf der US-Liste Im Dunstkreis dieser explosiven im Rahmen ENDURING FREEDOM der „Schurkenstaaten“ ohnehin ei- Mischung kamen die törichten Mo- entsandten Eliteeinheiten auf Trapp. nen vorderen Platz einnimmt, geriet hammed-Karikaturen einer däni- Deutschland stellt im Rahmen nun massiv unter Druck, nachdem schen Zeitung gerade zur rechten ISAF rund 3.000 Soldaten und leistet einige Spuren des Attentats nach Sy- Zeit. Ein aufgebrachter sunnitischer mit regionalen Teams in Kunduz, rien führten. So wurde der Hariri- Mob setzte die dänische Botschaft in Faizabad und Mazar-i-Scharif Wie- Mord zum Katalysator eines eiligen, Brand, es kam zu Übergriffen auf deraufbauhilfe. „Die Verteidigung wenn auch späten Truppenabzugs, christliche Gotteshäuser, was dazu der Bundesrepublik Deutschland am der bis Ende April 2005 abgeschlos- führte, dass selbst der Scheik der ra- Hindukusch“ – welch törichtes sen war. dikalen Hisbollah dazu aufforderte, Schlagwort – hat bislang 18 Todesop- Dem Mord an Hariri folgte eine „die Ehre des Propheten auf zivili- fer und zahlreiche Verwundete gefor- Gewalt- und Attentatswelle, die bis sierte Art und Weise zu verteidi- dert. zum heutigen Tage anhält und fatal gen“.11 Der libanesische Groß-Aja- Von einer stabilen Lage oder gar an die Zustände während des Bürger- tollah Mohammed Fadlallah sah sich von einer demokratisch freiheitli- krieges erinnert. Auch wird offen- gar genötigt, eine Fatwah (geistliches chen Normalität zu reden, die andere sichtlich, dass die libanesischen Rechtsgutachten) zu erlassen, die (islamische) Nationen inspirieren Sicherheitskräfte nach Abzug der Sy- Gewalt gegen Botschaften und Orte könnte, ist blanker Hohn. Amerika- rer kaum in der Lage sind, die An- des Gottesdienstes verbietet.12 nische Militärkreise beziffern die Zu- schläge zu verhindern. Im Dezember 2005 legte der nahme politisch motivierter Gewalt- Die Fronten sind noch nicht klar deutsche UN-Ermittler Detlev Mehlis taten im vergangenen Jahr um 20%.10 erkennbar. Neben Syrien-feindlichen seinen Bericht zur Aufklärung der Gruppen gibt es eine starke Syrien- Ermordung Hariris vor. Eine Spur Zedernrevolution im Libanon? freundliche Fraktion, die sich nicht deutete in die Richtung der libanesi- Noch im Januar 2005 hatte Syri- nur um die schiitische Hisbollah und schen und syrischen Geheimdienste,

22 AUFTRAG 262 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK die untereinander in einem engen sehr war man damit beschäftigt, in dem jungen Assad in die Schuhe Beziehungsgeflecht stehen. Im Laufe das „Schurkenhorn“ der Bush-Admi- schieben will und ihn für das Liba- dieser Untersuchungen kam es im nistration zu stoßen und Syrien für non-Debakel und die Fehlentschei- Libanon zur Festnahme mehrerer die Misserfolge der „Koalition der dungen, die dieser „gegen unseren hoher Sicherheitsbeamter; syrische Willigen“ im Irak mitverantwortlich Ratschlag“ getroffen hat, verantwort- Geheimdienstfunktionäre werden auf zu machen und es aufgrund seiner lich macht.14 Zwischenzeitlich gibt „neutralem Boden“ in Wien verhört. freundschaftlichen Beziehungen zum es Anzeichen dafür, dass der ge- Syrien selbst war in der Kooperation Iran und seiner Gegnerschaft zu Isra- fürchtete ehemalige Geheimdienst- zur Aufklärung eher zögerlich, war es el in die Reihe der Terrorismus-un- chef Isa Ali Duba, der Ex-General- doch ohnehin – neben dem Iran – der terstützenden Staaten einzuordnen. stabschef Hikmat Schehabi und der „Lieblingsschurke“ der Bush-Admi- Die völkerrechtswidrige israelische Finanzier des Assad-Clans, Rami nistration. Daraus allerdings den vor- Teilbesetzung des Golan war im US- Maklouf, sich aus Syrien abgesetzt eiligen Schluss zu ziehen, der syri- amerikanischen und europäischen haben.15 sche Präsident Bashar Al Assad habe politischen Kalkül kaum von Bedeu- Bashar Al Assad setzt seine noch die Ermordung Hariris angeordnet, tung. verbliebene Macht auf den ehemali- ist durch nichts belegt. Mit der Entmachtung der alten gen Außenminister und jetzigen Syrien hätte unter dem derzeiti- Baath-Genossen aus der Zeit des Va- Vizepräsidenten Faruk Al Scharaa gen Druck der US-Administration ters schuf sich Bashar Al Assad ei- und den Innenminister, General Bas- seine Truppenpräsenz in einer liba- nen Kern mächtiger Gegner, die sam Abdul Madschid, Nachfolger nesischen Glacis niemals leichtfertig einerseits um den Verlust von Macht seines durch Freitod aus dem Leben aufs Spiel gesetzt. Viel eher scheint und Pfründen fürchteten, anderer- geschiedenen Vorgängers General es, dass die Motive für den Hariri- seits erkannten, dass Assad junior Ghazi Kanaan. Mit dem neuen Mord in einem kaum durchschauba- nicht über die Härte, Skrupellosig- Außenminister Walid Muallim, der ren Gestrüpp von religiösem Extre- keit, aber auch politische Flexibilität vormals als Botschafter in Riad, mismus, Korruption, persönlichen verfügt, die dem alten Assad selbst Washington und London diente, sei- Loyalitäten, konkurrierenden Diens- bei seinen Gegnern Respekt abfor- nem Schwager Asef Schaukat als ten und levantinischer Rache liegen. derten. Persönlicher Machtverlust Geheimdienstchef und dem altge- Es ist zweifelhaft, ob eine Untersu- betrifft im Nahen Osten auch in aller dienten ehemaligen Generalstabs- chung jemals Licht in diese Sache Regel die nähere und weitere Ver- chef Hassan Turkmani als Verteidi- bringen wird. wandtschaft und den Stammes-Clan, gungsminister schließt sich der Kreis Die voreilig nach dem 14. März die in einem kaum durchschaubaren der Assad-Getreuen. 2005, dem Tag, an dem eine Million Geflecht persönlicher Loyalitäten Sollte die Machtbasis des jungen Menschen in Beirut gegen die Syrer miteinander verbunden sind. Die Ge- Assad weiter erodieren, so wächst die auf die Straße gingen, propagierte fahr aber, dass Macht- und Pfründe- Gefahr eines „Regime Change“ von „Zedernrevolution“ ist auf dem bes- verlust durch Angehörige der glei- innen. Auch im Exil stehen die Re- ten Wege, in ein politisch-konfessio- chen Ethnie, des gleichen Clans oder gime-Gegner Gewehr bei Fuß. Zar- nelles Chaos abzugleiten. der gleichen Religionszugehörigkeit kawis sunnitische Wanderterroristen verursacht werden, führt selbst in- mögen bei zunehmender Desintegra- Syrien: Aus für Assad? nerhalb dieser Gruppe zu erbitterter tion des Regimes einen neuen Tum- In Syrien scheint das Ende der Feindschaft. melplatz für ihr mörderisches Trei- alawitischen Herrschaft Assad her- Nur so ist es erklärlich, dass eine ben entdecken. Assads Regime ist aufzudämmern. Dem jungen Präsi- der Hauptstützen des alten Regimes, ein alawitisch geführter Familien- denten Bashar Al Assad sind die der ehemalige Vize-Präsident Adbul betrieb, der religiöse Minderheiten Schuhe, die ihm sein Vater Hafiz Al Halim Al Chaddam, der im Sommer schützt, so lange sie Regime-konform Assad hinterließ, einige Nummern zu 2005 zurücktrat und sich ins Pariser sind. Christen, Drusen und Ismaeli- groß. Von den Vereinigten Staaten Exil absetzte, dort die Verbindung ten haben ihre sicheren Sanktuarien. zum „Schurkenstaat“ erklärt, den mit dem berüchtigten Bruder von Dies könnte sich bei einer Machtü- Europäern weitgehend ignoriert und Assad senior, Rifaat Al Assad, such- bernahme durch die sunnitische dem einstigen wohlwollenden Ver- te, den der alte Assad nach Putsch- Mehrheit im Land in kurzer Zeit än- bündeten Frankreich verlassen, ge- gerüchten mehrfach ins Exil schick- dern. Dann wird dort der umgekehrte riet das Regime mehr und mehr ins te.13 Inzwischen hat Chaddam zum Effekt eintreten wie im heutigen Abseits. Nicht, dass es Bashar an gu- Sturz von Assad junior aufgerufen. Irak: Die lange von der Macht ausge- tem Willen gefehlt hätte. Es gab Chaddam ist der Mann, der über schlossenen und drangsalierten Sun- deutliche Zeichen einer politischen zwei Jahrzehnte die Libanon-Politik niten werden sich an den häreti- Liberalisierung: Wirtschaftsrefor- des Assad-Clans koordinierte, der als schen, der Schia zugerechneten men, Anschluss an die globalisierte Erzieher und Mentor des tödlich ver- Alawiten und Ismaeliten zu rächen Informationsgesellschaft, Freilas- unglückten Assad-Sohnes Basil galt suchen. Die im Nordosten ansässigen sung von politischen Gefangenen und eng mit dem ermordeten frühe- Kurden werden den Schulterschluss und Austausch eines Großteils der ren libanesischen Ministerpräsiden- zu ihren Brüdern in der Ost-Türkei alten baathistischen Nomenklatura. ten Rafik Al Hariri verbunden war. und im Irak suchen. Die kleine Im Westen hat man diese Verände- So wundert es nicht, dass Chaddam christliche Minderheit von ca. 8% rungen kaum wahrgenommen. Zu die Anordnung für den Hariri-Mord gerät zwischen alle Fronten. Syrien

AUFTRAG 262 23 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK wird in ein bürgerkriegsähnliches Bush selbst wird nicht müde, sei- US-Streitkräfte in größeren Aktio- Chaos abgleiten. ne Durchhalteparolen weiter zu ver- nen, wie kürzlich in der Operation Die in der Folge des sogenannten breiten: „... der Feind im Irak ist SCHWÄRMER, in Erscheinung tre- Karikaturenstreites erfolgten „spon- brutal, doch diese Brutalität konnte ten, dann sind die Iraker neuerdings tanen“ Übergriffe auf die dänische den dramatischen Fortschritt der mit schwacher Bataillonsstärke ver- und schwedische Botschaft in Da- jungen Demokratie nicht aufhal- treten. Ihre Auxiliardienste be- maskus geben eine Vorahnung ten.“18 „Wir werden gewinnen!“19 Es schränken sich aber auf die Siche- davon, was passiert, wenn islamis- scheint, als litte dieser Präsident rung der von den US-Truppen gesäu- tische Hassprediger die Oberhand mehr und mehr unter Realitäts- berten Nester der Insurgenten. Diese gewinnen. Ein Vorgang wie dieser verlust. „Dramatischer Fortschritt“ Operation ist Teil einer PR-Kampag- war in Syrien, das oppositionelle und Realität aber gehen diametral ne zum dritten Jahrestag des Kriegs- Kräfte unter eiserner Kontrolle hat, auseinander: Selbstmordanschläge, beginns. Sie als „Großoffensive“ dar- bislang kaum denkbar. Zweifelsohne Entführungen und ethnisch-konfes- zustellen, wird die katastrophalen diente der Sturm auf die Botschaften sionell bedingte Morde sind an der Umfragewerte des Präsidenten nicht auch als willkommener Anlass, von Tagesordnung. Zarkawi und sein Al korrigieren können und „die Fah- den eigenen Problemen im Inneren Qaida-Ableger predigen den Dschi- nenflucht im eigenen Lande“ nicht abzulenken. Ein massiver Polizeiein- had gegen die Besatzer und ihre stoppen.20 satz zum Schutz der Vertretungen der schiitischen Glaubensbrüder. Diese Während Bush in der gerade ver- „blasphemischen Kreuzzügler“ war wiederum formieren sich in „Todes- öffentlichten Fortschreibung der Na- daher nicht angezeigt. schwadronen“ innerhalb der neuen tionalen Sicherheitsstrategie (NSS) Ein Regime Change von Innen Sicherheitskräfte, begleichen alte das Recht auf Präventivkriege weiter würde die Vereinigten Staaten à la Rechnungen und übernehmen vom für sich in Anspruch nimmt und in longue der Sorge einer gewaltsamen Besatzer die Drecksarbeit in den pseudo-messianischer Weise der Intervention entheben. Ein alawiti- Foltergefängnissen. Tyrannei auf der Welt ein Ende be- scher Militärputsch wäre vermutlich Die neuen Sicherheits- und Poli- reiten und die Freiheit verbreiten die unblutigste Variante. Einen neu- zeikräfte weisen zwischenzeitlich die will, kommt sein Botschafter im Irak, en Vasallen aber würden die USA beachtliche Zahl von ca. 230.000 Khalilzad, zum Schluss, dass der nicht gewinnen, und eine Muster- Mann auf. Dieser Aufbau geschah Krieg gegen den Irak „die Büchse demokratie nach US-Vorstellungen unter dem Dauerfeuer der Terrorakte der Pandora“ geöffnet habe, jene wird in Syrien nicht entstehen. und stellt eine bemerkenswerte Leis- Büchse, nach der nach Hesiods Fa- tung dar. Bei der Beurteilung der bel das Übel in die Welt kam.21 Bilanz Qualität dieser Kräfte ist freilich Zu- Bleibt zu hoffen, dass sich Khalil- Drei Jahre nach Beginn des Irak- rückhaltung angebracht. Wenn die zads Worte nicht bewahrheiten. Krieges scheint die amerikanische Bevölkerung allmählich wach zu werden. Nur noch 36% der US-Bür- Anmerkungen und Quellen 11 Freia Peters, Tage des Zorns im Libanon, ger sind mit der Amtsführung ihres Welt am Sonntag, 12. Februar 2006, S. 3 Präsidenten zufrieden, 57% halten 1 Auftritt des Präsidenten George W. Bush 12 ebenda auf dem Flugzeugträger Abraham 13 Rifaat Al Assad ist für die blutige Nie- den Irak-Krieg für einen Fehler; je- Lincoln am 1. Mai 2003, als dort „Mis- derschlagung des Aufstandes der der zweite Amerikaner glaubt, dass sion Accomplished“ in riesigen Lettern sunnitischen Muslim-Brüder im Jahre die Regierung Bush die Öffentlich- verkündet wurde. 1982 in Hama verantwortlich. keit absichtlich im Hinblick auf die 2 dpa, Pentagon: Seit 2004 wurden 26.000 Kriegsgründe getäuscht hat, und nur Iraker getötet, FAZ, 31. Oktober 2005, 14 Her., Chaddam ruft zum Sturz Assads S. 1 auf, FAZ, 7. Januar 2006, S. 6 zwei von zehn Bürgern glauben, dass 15 ebenda dieser Krieg jemals zu gewinnen 3 ebenda 16 4 Army Times, The Human Toll, January 16 dpa, Bush: Umfragewerte auf neuem ist. Tiefpunkt, Schleswig-Holsteinische Ex-Außenminister Colin Powell 16, 2006, P. 9 5 job./Bc./Her., Islamisten siegen bei der Landeszeitung, 15. März 2006, S. 8 bezeichnete seine historische Rede Wahl der Palästinenser, FAZ, 27. Januar 17 rüb., Powell: Ein schwerer Makel in vor dem UN-Sicherheitsrat im Febru- 2006, S. 1 meiner Biogrphie, FAZ, 10. September ar 2003, in der er die vermeintlichen 6 Ahmad Taheri, Der neue Druck der 2005, S. 6 Beweise für die im Irak vorhandenen Macht, FAZ, 17. August 2005, S. 6 18 rüb., Bush will Freiheit und Demokratie Massenvernichtungswaffen der Welt- 7 AP, Ahmadineschad: Israel von der verbreiten, FAZ, 2.Februar 2006, S. 1 öffentlichkeit präsentierte, als Landkarte tilgen, FAZ, 27. Oktober 19 Friedemann Diederichs, Bush betont „schweren Makel“ und schiebt die 2005, S. 6 Führungsanspruch der USA, Schleswig- Schuld auf die CIA.17 Frei von 8 Jochen Buchsteiner, Das Wagnis des Holsteinische Landeszeitung, 2. Februar George W. Bush, Frankfurter Allgemeine 2006, P. 2 Schuld wird Powell allerdings durch Sonntagszeitung, 5. März 2006, S. 3 20 dpa, US-Offensive nur eine Show für die diese späte Reue nicht. Er hatte kei- 9 job, Bush in Afghanistan, „Eine Inspi- Heimat? Schleswig-Holsteinische nerlei Skrupel, „Beweise“ vorzule- ration für andere“, FAZ, 2. März 2006, Landeszeitung, 18. März 2006, S. 7 gen, die selbst einem Laien suspekt S. 1 21 Günther Nonnenmacher, Düstere Bilanz, vorkommen mussten. 10 ebenda FAZ, 20. März 2006, S. 1

24 AUFTRAG 262 BILD DES SOLDATEN

WEHRBEAUFTRAGTENBERICHT 2005: gen. Aus Robbe Sicht ist es langfris- tig für die Rekruten, aber auch für alle anderen Bundeswehrangehöri- Wehrbeauftragter beklagt „permanente gen nicht hinnehmbar, wenn ein er- heblicher Teil der Wehrpflichtigen Unterfinanzierung der Bundeswehr“ aus finanziellen Gründen keinen Wehr- und auch Zivildienst leistet. er Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), beklagt eine permanente Unterfinanzierung der Bundes- Besondere Vorkommnisse Dwehr. Dies schreibt Robbe in seinem Jahresbericht 2005 (Drucksa- Robbe weist zudem darauf hin, che 16/850), den er am 14. März Bundestagspräsident Norbert Lammert dass im Berichtsjahr 147 „Besondere (CDU/CSU) übergab. Der Wehrbeauftragte sagte dabei, er habe die Ge- Vorkommnisse“ mit Verdacht auf wissheit, „dass Ihnen meine Arbeit und die Streitkräfte am Herzen liegen“. rechtsextremistischen oder fremden- Lammert erwiderte, die Übergabe des Jahresberichts des Wehrbeauftrag- feindlichen Hintergrund geschahen. ten sei ein Stück „Parlamentsroutine in bestem Sinne des Wortes“. Der Im Vorjahr habe es 134 derartige Bundestag erhalte einen „authentischen Eindruck“ über die Lage in den Fälle gegegeben. Davon seien auf Streitkräften. Das Ansehen der Bundeswehr in Deutschland sei völlig un- Mannschaften rund 80 Prozent der angefochten. Fälle entfallen. An 15 Prozent seien die Unteroffiziere und bei fünf Pro- Belastungsgrenzen für die sen geführt, die die Erfüllung der zent die Offiziere beteiligt gewesen. Streitkräfte Aufgaben sichtlich erschwerten und Meist habe es sich um Propaganda- Robbe schreibt weiter in seinem die Motivation der Soldaten nicht nur delikte wie das Abspielen rechtsext- Jahresbericht, das Aufzeigen der Be- vorübergehend beeinträchtigten. remistischer oder fremdenfeindlicher lastungsgrenzen für die Streitkräfte - Musik, das Zeigen des Hitler-Grußes gerade vor dem Hintergrund mögli- Integration der Frauen oder „Sieg-Heil“-Rufe gehandelt. cher neuer Auslandseinsätze - gehöre schreitet voran Robbe zufolge sind Vorfälle wie die- auf die aktuelle Tagesordnung. Die Frauen hätten inzwischen einen se in einer fest im demokratischen Belastung der Truppe durch die lau- festen Platz im Gefüge der Streitkräf- Rechtsstaat verankerten Armee fenden und neuen Einsätze sei nach te erobert. Durchschnittlich hätten „nicht hinnehmbar“. Auch Propagan- wie vor hoch. Die Bundeswehr stoße im Jahr 2005 circa 11.5000 Frauen dadelikte dürften keine stillschwei- immer deutlich an die Grenzen ihrer Dienst in der Bundeswehr geleistet. gende Duldung erfahren – weder von Leistungsfähigkeit. Insbesondere der Ihr Anteil an den Zeit- und Berufs- den Vorgesetzen noch von den Ka- Mangel an personellen Ressourcen soldaten sei von mehr als fünf Pro- meraden. Der rechtswidrige Besitz erweise sich in zunehmendem Maße zent im Vorjahr auf mehr als sechs und Konsum von Betäubungsmitteln als Problem. Prozent gestiegen. Aus Robbes Sicht sei nach wie vor auch in der Bundes- schreitet die Integration der Frauen wehr ein Problem. Im Berichtsjahr Zahl der Eingaben weiter voran und verlaufe weitgehend 2005 seien dem Wehrbeauftragten zurückgegangen störungsfrei. Das schließe nicht aus, 842 Fälle bekannt geworden. Im Jahr Die Zahl der im vergangenen dass das Verhalten einiger Vorge- zuvor seien es noch 1.202 Vorkomm- Jahr vorliegenden Eingaben an den setzter immer noch von innerer Ab- nisse gewesen. Die meisten Fälle Wehrbeauftragten sind mit 5.601 lehnung und nicht selten auch von habe es innerhalb der Mannschafts- leicht zurückgegangen; 2004 waren verbalen oder tätlichen Verfehlungen dienstgrade gegeben. Es seien vor al- es noch 6.154, heißt es in dem Be- gegenüber ihren unterstellten Soldat- lem Cannabisprodukte konsumiert richt. Verlauf und Geschwindigkeit innen geprägt sei. worden. Ein Großteil der aufgefalle- der Umwandlung der Streitkräfte hät- nen Soldaten habe auch schon vor ten Soldaten und zivile Mitarbeiter Erhalt der allgemeinen Beginn des Wehrdienstes Kontakt verunsichert. Immer öfter und lauter Wehrpflicht mit Betäubungsmitteln gehabt. werde nach Verlässlichkeit und Zwischen den Regierungspartei- Planungssicherheit verlangt. en CDU/CSU und SPD bestehe Einig- Klinische Versorgungslage keit über den Erhalt der allgemeinen angespannt „Phase der Konsolidierung“ Wehrpflicht. Dieses Bekenntnis wer- Bei den Bundeswehrkranken- Nach Ansicht Robbes muss eine de von den Soldaten sehr positiv auf- häusern bestanden laut Robbe zum „Phase der Konsolidierung“ erfol- genommen, so Robbe. Allerdings sei Teil „besorgniserregenden Personal- gen, in der der Truppe ausreichend mit dieser positiven Reaktion auch engpasse“ bei Ärzten und Assistenz- Zeit und Mittel zur Verfügung ge- die Erwartungshaltung verbunden, personal. Es sei erforderlich, die wei- stellt würden, getroffene Entschei- dass im Hinblick auf die Sicher- ter angespannte klinische Versor- dungen und Konzepte auch umzuset- stellung der Einberufungsgerechtig- gungslage schnellstmöglich durch zen. Nur so könne verloren gegange- keit und der damit ursächlich im Zu- Umorganisation der Krankenhäuser nes Vertrauen in den Dienstherrn sammenhang stehenden Bereitstel- den aktuellen Aufgaben anzupassen. wieder zurückgewonnen werden. lung von ausreichenden Dienst- „Permanente Kürzungen“ hätten zu posten für Grundwehrdienstleistende Quelle: http://www.bundestag.de/ak- personellen und materiellen Engpäs- den Ankündigungen auch Taten fol- tuell/bericht_wb/bericht2005_kurz

AUFTRAG 261 25 BILD DES SOLDATEN

GKS-POLITIKERGESPRÄCH MIT DEM WEHRBEAUFTRAGTEN: Sittlich-ethische Bindung zwingend erforderlich Wehrbeauftragter fordert offene Diskussion um sicherheitspolitische Interessen Deutschlands

VON WINFRIED HEINEMANN ie haben manches gemeinsam, resbericht spiegele eben nicht nur die Militärseelsorge und der die rund 6.000 Eingaben jährlich wi- SWehrbeauftragte: Es geht ihnen der, sondern auch die vielen Eindrü- um die Menschen in den Streitkräf- cke aus seinen Besuchen bei Trup- ten. So bietet sich ein Gespräch über penteilen und Dienststellen. geteilte Wahrnehmungen, Eindrücke Als das gravierendste Problem und Befürchtungen an. Die Politiker- sieht der Wehrbeauftragte nicht die senskonflikten, zur Sinnhaftigkeit gespräche der GKS bieten dafür ein seit 1989/90 chronische Unterfinan- militärischer Auslandseinsätze oder passendes Forum, zumal der be- zierung der Bundeswehr, sondern die zur Tradition der Bundeswehr aus. grenzte Kreis von Teilnehmern ein auch von den Soldaten beklagte feh- Die Veranstalter begrenzen die offenes Wort ermöglicht. Zwei bis lende Glaubwürdigkeit der Politik. Dauer des Politikergesprächs auf dreimal im Jahr lädt die GKS unter- Er forderte eine Rückkehr zu dem zwei Stunden – es hätte dieses Mal stützt durch das Katholische Militär- Grundsatz „Sagen, was man tut, und durchaus mehr sein können. ❏ bischofsamt einen führenden Sicher- tun, was man sagt!“ Zu einem ehrli- heitspolitiker aus den im Bundestag chen Umgang mit Soldaten gehöre vertretenen Parteien ins Gästehaus dann aber auch, dass man Einschnit- des Militärbischofs zu einem solchen te bei ihren Einkommen offen thema- Gespräch ein, an dem Mitglieder der tisiere. GKS, des Vorstandes der Zentralen Er sprach die große Unzufrieden- Versammlung (ZV) und der Katholi- heit bei vielen Unteroffizieren und schen Militärseelsorge teilnehmen. Mannschaften über die Auswirkun- Der frühere Vorsitzende des gen der neu geschaffenen Feldwebel- Verteidigungsausschusses, Reinhold Laufbahn an, ebenso wie er forderte, Robbe (SPD), ist seit Mai 2005 nach der Phase der Transformation Wehrbeauftragter des Deutschen mit ihren Auswirkungen auf die per- Bundestages. Wenige Tage, nachdem sönlichen Lebensumstände der meis- er seinen ersten Jahresbericht vorge- ten Soldaten müsse nun eine Zeit der legt hatte, konnte ihn Militärgene- Konsolidierung und Planungssicher- ralvikar Walter Wakenhut am 31. heit folgen. März zum Politikergespräch im Haus Robbe gab seiner Hoffnung Aus- der Militärseelsorge Am Weiden- druck, die bevorstehende Veröffent- damm in Berlin begrüßen – ein lichung eines Weißbuchs werde zu glückliches Zusammentreffen, denn einer offenen Diskussion der sicher- der Bericht bot mehr als genügend heitspolitischen Interessen Deutsch- Diskussionsstoff. lands führen – innerhalb und außer- In seinem Eingangsstatement halb der Bundeswehr. Nachdrück- machte Robbe keinen Hehl aus sei- lich unterstützte er die Forderung ner Bindung an die evangelische Kir- von Bundespräsident Köhler, Fragen che, aus seiner Wertschätzung für der Sicherheit und Verteidigung die Militärseelsorge beider großer nicht zum Thema kleiner Experten- Zu den Fotos: Konfessionen und aus seiner Über- zirkel werden zu lassen. Notwendig oben: Wehrbeauftragter Reinhold Rob- zeugung, dass eine gefestigte sittlich- sei vielmehr eine breit angelegte De- be beim Eingangsstatement über aktu- ethische Orientierung gerade unter batte in der Gesellschaft. elle Fragen und Feststellungen seines den Bedingungen einer Einsatzarmee Generalleutnant Karl-Heinz Amrtes; Mitte: Der Wehrbeauftragte flankiert für Soldaten aller Dienstgrade zwin- Lather, Stellvertretender Befehlsha- vom Moderator des Politikergesprä- gend erforderlich sei. ber LANDCENT, moderierte die an- ches, Generalleutnant Karl-Heinz Lather Robbe bedauerte, dass sein Jah- schließende Diskussion. Robbe wich (l), und dem Gastgeber, Militärgeneral- resbericht oftmals nur als „Mängel- keiner der Fragen der rund 60 Ange- vikar Prälat Walter Wakenhut (r); bericht“ wahrgenommen werde. Er hörigen der GKS und der Militärseel- unten: interessiert folgen die Teilnehmer sei beeindruckt gewesen von dem sorge zum Einsatz der Bundeswehr des Gespräches den Ausführungen des „unglaublich großen Vertrauen“, das im Innern, zum Urteil über die Gren- Wehrbeauftragten. Soldaten zu ihm hätten, und der Jah- zen der Gehorsamspflicht in Gewis- (Fotos: www.kmba.de)

26 AUFTRAG 261 BILD DES SOLDATEN

Neuer Sprecher der „aktion kaserne“ beim Wehrbeauftragten atthias Wirth stattete nach nationalen Einsätzen gelten. Er erin- seiner Wahl zum Sprecher nerte in diesem Zusammenhang an Mder Initiative katholischer die Erklärung der deutschen Bischö- Jugendverbände im Bund der Deut- fe vom November 2005 „Soldat als schen Katholischen Jugend (BDKJ) Diener des Friedens. Zur Stellung „aktion kaserne“ bei Reinhold Rob- und Aufgabe der Bundeswehr“. be, dem Wehrbeauftragten des Deut- Die „aktion kaserne“ besteht seit schen Bundestages, am 10. März ei- 1969 als „Initiative katholischer nen Antrittsbesuch ab. Jugendverbände im BDKJ“. Ein von Im Kontext der Veröffentlichung der Bundeskonferenz der Mitglieds- des Jahresberichtes 2005 des Wehr- verbände des BDKJ gewählter Spre- beauftragten an das Parlament hob cher vertritt die „aktion kaserne“. der Sprecher der katholischen Solda- Schwerpunkte bilden die Vertretung Der BDKJ ist Dachverband von teninitiative hervor, dass die Kon- der Interessen junger Wehrpflichti- 15 katholischen Kinder- und Jugend- zeption vom Soldaten als Staatsbür- ger sowie die politische Bildungs- verbänden mit rund 650.000 Mitglie- ger in Uniform und die Grundsätze arbeit in ausgewählten Fragen des dern. Er vertritt ihre politischen, so- der Inneren Führung auch in multi- Dienstes der Soldaten. zialen und kirchlichen Interessen. (ak)

„Rührt Euch! Weg, Leistung und Krise der Bundeswehr“ Anmerkungen zu einem Buch von Generalleutnant a.D. Dr. Franz Uhle-Wettler zufügt – aus seinen jeweiligen dienst- lichen Verwendungen bis zu seinem nlässlich seiner Verabschie- und vielleicht können wir es besser’. Abschied aus der Bundeswehr Revue dung aus der Bundeswehr als Nur wer verdrängt, wie man uns 1956 passieren. Dabei kann sich keine AGeneralleutnant mit einem verhöhnt hat, wird übersehen, welche Gesamtschau über die erlebte Bun- Großen Zapfenstreich im September Leistung hier vollbracht wurde.“ Die- deswehr ergeben, sondern es werden 1987 bewegten Franz Uhle-Wettler se Widersprüchlichkeit tritt in dem Einzelaspekte aus der Gesamtdienst- einige Gedanken: „Diejenigen, die ganzen Buch „Rührt Euch! Weg, zeit des Verfassers sachlich kritisch 1955 und 1956 wieder Soldat gewor- Leistung und Krise der Bundeswehr“, – oft auch konstruktiv – begleitet, die den sind, folgten dem Ruf eines frei erschienen 2006 im Ares Verlag Graz, aus seiner Sicht aber die Bundes- gewählten Parlaments und seiner Re- immer wieder zutage. wehr prägten. Dabei verweist der gierung, die ihren Dienst für notwen- ehemalige General gleich zu Beginn dig hielten. Sie wollten eine Truppe Die Anfangsjahre auf seine Vordienstzeit von 1943 bis aufzubauen helfen, die den freiheitli- der Bundeswehr 1947 als Flakhelfer, beim Reich- chen Staat schützt, dabei frühere Feh- In der Einleitung verweist der in arbeitsdienst, als Seekadett Offizier- ler vermeidet und an Kampfkraft so- Marburg promovierte Autor darauf, anwärter bei der und wie Stolz ihren Vorgängern würdig dass dieses Buch die Innenansicht als Kriegsgefangener. Er hoffte, wie ist. Ob das gelungen ist? Da sind eines Mannes über die Bundeswehr alle ehemaligen Soldaten, als neuer dunkle Zweifel berechtigt.“ vertritt, der als 29-Jähriger 1956 -Unteroffizier beim Aber beim gleichen Anlass er- wieder die Uniform anzog und bei Panzergrenadier-Lehrbataillon in klärt er in seiner Abschiedsrede: Verwendungen und Beförderungen Munster/Lüneburger Heide, dass die „Diese Armee hat Schwächen. Sie hat viel Glück hatte. Somit hat er man- früheren schlechten und unsinnigen gravierende Schwächen. Doch in den cherlei gesehen und erfahren. Er Schikanen in der aufzubauenden vergangenen Jahren habe ich zwi- könne aber nicht die umfassende Bundeswehr nun vermieden werden schen Nordnorwegen, der Türkei und Sicht späterer historischer Studien würden. Obwohl er auch die Schwie- dem Herzland des amerikanischen mit seinen Ansichten und Meinungen rigkeiten der neuen Armee bei der Kontinents zahlreiche Truppenteile ersetzen. Dr.Uhle-Wettler lässt sei- Personalgewinnung von Soldaten mit aus 14 Nationen gesehen. Kein einzi- nen Werdegang in der Bundeswehr militärischen Vordienstzeiten für gesmal habe ich mich dabei des deut- anhand von kurzen Bemerkungen, eine wirklichkeitsnahe Ausbildung schen Heeres geschämt – und oft habe Briefen und Dokumenten – denen er erkannt und angesprochen hat, steht ich gedacht ‚ Das können wir auch – später formulierte Kommentare hin- er sehr kritisch diesen Anfangsjahren

AUFTRAG 261 27 BILD DES SOLDATEN gegenüber. Dazu kamen noch ein- Ziel war und ist es, eine zeitgemäße schränkende Bestimmungen für eine Menschenführung zu erreichen, in wirklichkeitsnahe Ausbildung wegen der die demokratische und verfas- der unheilvollen Vergangenheit im sungsmäßige Ordnung des Staates Dritten Reich. sich wiederfindet. Die Väter der In- neren Führung wollten damit die Ausbildungsziel: Autoritätshörigkeit der Truppenfüh- Kriegstüchtigkeit rung früherer Armeen beseitigen und In all seinen Verwendungen als den Soldaten der Bundeswehr durch Soldat ließ er sich immer von der Verständnis und Mitwirken mehr an Vorstellung leiten, dass die ihm un- der Menschenführung beteiligen. terstellten Soldaten die beste ge- Und wie sich heute nach 50 Jahren fechtsnahe Ausbildung und eine gute praktizierter Innerer Führung zeigt, Ausrüstung erhalten müssen, um in sind die Bundeswehrsoldaten im einem möglichen Krieg zwischen Ost Einsatz ihren alliierten Kameraden und West Überlebenschancen zu ha- durchaus ebenbürtig, was auch Ge- ben. Deswegen wendet er sich gegen neral Dr. Uhle-Wettler bereits 1987 Lehrgänge und Ausbildung der Un- feststellte (s.o.). Aber bessere und teroffiziere und Offiziere einschließ- schlechtere Truppenführer gab es lich des Hochschulstudiums, die früher und wird es auch zukünftig ge- nicht unmittelbar der Ausbildung zur ben. Deswegen sind die kritischen Kriegstüchtigkeit dienen. Diese Vor- Äußerungen, aus seiner Sicht stim- stellungen und die Wirklichkeit im Obwohl zum entscheidenden Zeit- mig analysiert mit konkreten Forde- Truppenalltag führte zu vielen Diffe- punkt des amerikanischen Ultima- rungen zu Veränderungen, so nicht renzen, die der Verfasser dann mutig tums an die Sowjetunion die Lehr- nachzuvollziehen. In diesem Zusam- gegenüber Vorgesetzten oder Kom- brigade ohne allgemeine Alarmie- menhang zieht Uhle-Wettler durch- mandobehörden auch unter Inkauf- rung gefechtsbereit zum Abrücken aus selbstkritisch Bilanz über seine nahme von Nachteilen anprangerte. um den Standort Munster aufmar- Kompaniechef-Zeit: „…Hauptände- Wobei vielfach der höheren und schiert war, wie der Rezensent es rung: ich würde mehr loben … Aber höchsten militärischen Führung die selbst erlebt hat. Eigentlich hätte ich fürchte, mancher Unteroffizier, Ursachen für die Mängel angelastet dies nach den vorherigen Schilde- der vielleicht nicht überaus gut war, werden. rungen der Missstände gar nicht der sich aber Mühe gab, hat lange auf Aber auch die Politiker der jun- möglich sein dürfen. ein anerkennendes Wort warten müs- gen deutschen Demokratie und die sen. Das war nicht gut.“ öffentliche Meinung betrachteten Meinung zur Inneren Führung sehr misstrauisch den Aufbau der Er geht in dieser Zeit auch einge- Erfahrungen als Bundeswehr, um nicht gewünschten hend auf das Konzept der Inneren Generalstabsoffizier Entwicklungen des Militärs frühzei- Führung ein. Sein Ergebnis: „Die Ge- Der folgende Abschnitt über sei- tig Einhalt zu gebieten. Dem dienten danken, auf die die Innere Führung ne Zeit als Generalstabsoffizier be- auch das Konzept der Inneren Füh- das Vorgesetztenverhältnis gründet handelt noch einmal sehr kritisch rung sowie das Amt des Wehrbeauf- sind falsch. Unzureichend sind des- das Ideengut der Inneren Führung, tragten als Überwachungsorgan des halb auch die daraus abgeleiteten die Traditionserlasse aber auch posi- Deutschen Bundestags. Richtlinien für die Erziehung unlusti- tiv gesehen neue Vorgesetzten-Vor- ger oder widerwilliger Soldaten. Sie bilder. Er geht auf die General In der Panzerlehrbrigade sind auf gutwillige Soldaten zuge- Grashey-Affäre ein, spricht die Ar- Langwierig waren die Genehmi- schnitten, für die erzieherische Maß- beitsweise und das Miteinander-Um- gungsverfahren im Rahmen der nahmen sowieso nicht notwendig gehen einschließlich der Sprach- Ministerialbürokratie zur Beschaf- sind.“ Es ist unstrittig, dass das Kon- schwierigkeiten in aufgeblähten fung von Rüstungsmaterial, was sich zept der Inneren Führung ausgelöst NATO-Stäben an, setzt einen Seiten- dann in der Mangelverwaltung bei durch Erfahrungen sowie gesell- hieb gegen die Computer-Gläubig- der Truppe auswirkte. Deswegen schaftliche und militärische Ent- keit und setzt sich dann mit dem schildert Dr. Uhle-Wettler aus seiner wicklungen immer wieder angepasst nicht überzeugenden militärischen Zugführer- und Kompaniechefzeit in wurde ohne dass die Grundprinzipi- Wissen und Können der Führer und der Panzerlehrbrigade 9 (04/1960- en der Inneren Führung für eine Unterführer in der Truppe ausein- 03/1963) ausführlich die hemmenden Wehrpflicht-Armee, die der demo- ander (s.o.). Er bemängelt das auf- Auswirkungen der Materialengpässe kratischen und zivilen Kontrolle wändige Erstellen wertloser Studien für eine wirklichkeits- und gefechts- durch das Parlament, die Regierung im Verteidigungsministerium, be- nahe Ausbildung seiner durchaus und die Justiz unterliegt, aufgegeben trachtet Generalstabsbesprechungen leistungsbereiten Soldaten und Un- wurden. Dabei gab es natürlich an- zwischen Franzosen, Amerikanern teroffiziere. Seltsam ist es aber, dass fangs, aber auch später immer wieder und Deutschen sowie die WINTEX- der Autor mit keinem Wort auf die Schwierigkeiten bei der Umsetzung Auswertungen. Und er vergleicht das Kubakrise im Herbst 1962 eingeht. der Inneren Führung im Dienstalltag. Handeln in der Fritsch-Affäre (Drit-

28 AUFTRAG 261 BILD DES SOLDATEN tes Reich) und in der Krupinski-Af- tragstaktik sieht er im Absicherungs- heutigen Zeit – haben die eingesetz- färe (Bundeswehr). denken sowie in der Bürokratie be- ten Soldaten bewiesen, dass sie für In den folgenden Abschnitten gründet. Ein weiterer Kritikpunkt ihre Einsätze gut ausgebildet sind, schildert der Autor Erlebnisse und aus dieser Zeit bezieht sich auf die zu dass sie ihr „Handwerk“ können und Erkenntnisse aus seinen Verwendun- hohe Anzahl von Generalstabsoffizie- es verstehen, sich auf die gesell- gen als Kommandeur der Panzerlehr- ren gegenüber Truppenoffizieren. schaftlichen und kulturellen Gege- brigade 9 in Munster, als Chief Plans Aber auch der Umgang mit der natio- benheiten in den jeweiligen Einsatz- Branch in SHAPE (NATO-Haupt- nalen Vergangenheit im Vergleich ländern einzustellen. Und nicht quartier in Mons bei Brüssel), als mit anderen Ländern wird kritisch zuletzt auch die Grundsätze der kriti- Kommandeur der 5. Panzerdivision betrachtet. sierten Inneren Führung haben sich in Diez a.d. Lahn sowie als Komman- bewährt. deur des NATO Defense College in Kommandeurs- und Es ist schade, dass der Autor bei Rom. NATO-Verwendungen seinem intellektuellen Sachverstand, So beschreibt er das Chaos wäh- Die Leser, die das Werden der alles dem Aspekt der Überlebens- rend einer Übung auf dem Truppenü- Bundeswehr bis heute nicht erlebt fähigkeit des Soldaten untergeordnet bungsplatz Bergen-Hohne bei einer haben, könnten infolge der Aneinan- hat, der im Krieg das Wichtigste ist. Ablöseoperation zwischen der Pan- derreihung der vielen berichteten Die Bundeswehr bereitete sich aber zerlehrbrigade und der Panzerbri- Negativbeispiele in diesem Buch zur im Frieden vor und auch der War- gade 8. Dabei war es der feindlichen Meinung gelangen, das Geld für die- schauer Pakt hätte nur nach längerer Truppe, dem Panzeraufklärungsbata- se Armee sei zum Fenster hinausge- Vorbereitung angreifen können, wie illon 8, gelungen, sich im Ablösungs- worfen und sie sei zu nichts fähig. es sich z.B. bei der Niederschlagung wirrwarr der beiden Brigaden bis Dieser Eindruck ist jedoch falsch. des „Prager Frühlings“ im August zum Gefechtsstand der Panzerlehr- Dies beweist schon das anfangs er- 1968 zeigte. Im Mai bereits began- brigade 9 durchzuschleichen. Uhle- wähnte Zitat aus der Abschiedsrede nen dazu die Vorbereitungen. Auch Wettler konnte sich ohne Stahlhelm, von Generalleutnant Dr. Uhle- Moskau kochte nur mit Wasser. Und persönliche Waffe und ABC-Schutz- Wettler von September 1987: „Kein wenn die Bundeswehr so schlecht ge- maske (da hat er sich aber nicht sehr einzigesmal habe ich mich dabei des wesen sein soll, warum spricht Gene- gefechtsmäßig verhalten) nur noch deutschen Heeres geschämt …“ ral Uhle-Wettler dann nicht die durch die unmittelbare Flucht vor Natürlich hat es immer wieder Katastrophenhilfseinsätze aus dama- den Augen des Divisionskommandeurs selbstverursachte Mängel, Schwä- liger Zeit an (z.B. Erdbebeneinsatz in mit einem Geländewagen vor der Ge- chen und Schwierigkeiten in allen Friaul, Italien, 1976). Dort hätten fangennahme retten. Seine Analyse militärischen Belangen gegeben, die sich doch die Mängel zeigen müssen, dieser missglückten Gefechtshand- auch die meisten anderen Verant- denn das waren Sofort-Einsätze. lung ergab, dass viele Unterführer wortungsträger auf allen Ebenen so Trotz aller Kritik an dem Buch – und Offiziere mit Karte und Kompass empfunden haben. Und viele haben es zeigt beispielhaft den Werdegang nicht richtig umgehen und sich bei dann einfallsreich im Rahmen der eines nachdenklichen und unbeque- Nacht schlecht im Gelände sowie an Möglichkeiten – einschließlich der men Soldaten fast bis in den höchsten den Sternen orientieren können. In gesetzlichen entsprechend dem de- Dienstgrad und seine Erfahrungen in seinen Kommandeursverwendungen mokratischen Rechtsstaat – die best- der Bundeswehr. Es ist gut lesbar und stellte er weiterhin fest, dass die jun- mögliche Vorbereitung auf das Über- für jeden bestimmt interessant, auf gen Offiziere (Vollakademiker) als leben im Krieg der ihnen unterstell- diese Weise einen Einblick in das In- Zugführer oder Kompaniechefs oft ten Truppenteile unternommen. Und nenleben einer solchen Groß- nicht das Gerät und die Waffen ihrer in allen Einsätzen seit Bestehen der organisation zu erhalten. (bt) Züge und Einheiten beherrschten, Bundeswehr – sei es bei der Katas- Franz Uhle-Wettler: „Rührt Euch! damit nicht richtig ausbilden und trophenhilfe, bei Sanitätseinsätzen, Weg, Leistung und Krise der Bundes- Fehler beseitigen konnten. Genauso bei UN- oder NATO-Einsätzen der wehr“. Ares Verlag, Graz, 2006, 216 S. kritisiert der Verfasser und Militär- historiker die mangelnden militär- geschichtlichen Kenntnisse der stu- dierten Offiziere. Er prangert aber KURZ BERICHTET: Dialog mit Islam auch die vielen Sonderbelastungen ie Bundesregierung plant einen breit angelegten Dialog mit den Mus- der Einheiten an, die den täglichen Dlimen in Deutschland. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) kün- Personal- Ist-Bestand erheblich ver- digte an, Mitte September eine „Deutsche Islam- Konferenz“ im Haus der ringern, so dass eine geregelte und Geschichte in Bonn einzuberufen. Sie sei auf zwei bis drei Jahre angelegt vollständige Ausbildung sowie das und solle einen „Gesellschaftsvertrag“ mit muslimischen Organisationen Wachsen der Kampfgemeinschaft erarbeiten. Dabei geht es um islamischen Religionsunterricht an öffentli- nicht mehr gegeben sei. Die Ursa- chen Schulen in deutscher Sprache sowie die Ausbildung muslimischer chen dafür liegen seiner Meinung Religionslehrer und Imame in Deutschland. Ziel ist eine bessere religions- nach häufig in den Weisungen, Be- und gesellschaftspolitische Integration der muslimischen Bevölkerung. In fehlen und Forderungen höherer Deutschland leben rund 3,3 Millionen Muslime. Ein großer Teil von ihnen Kommandobehörden. ist nicht in einem der Dachverbände organisiert. (KNA) Fehler beim Führen nach Auf-

AUFTRAG 261 29 KIRCHE UND GESELLSCHAFT Soziallehre der Kirche zusammengefasst Vom Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden herausgegebenes „Kompendium der Soziallehre der Kirche“ in deutscher Sprache verfügbar m Lauf ihrer Geschichte und insbesondere in den vergangenen ein- „Mit diesem Dokument will die hundert Jahren hat die Kirche es niemals versäumt, im Hinblick auf Kirche einen Beitrag der Wahrheit zu „Idie Fragen des gesellschaftlichen Lebens das Wort zu ergreifen, das der Frage nach dem Platz des Men- ihr gebührt, wie Papst Leo XIII. es formuliert hat. Papst Johannes Paul II. schen in der Natur und in der Gesell- seinerseits hat die katholische Soziallehre weiter entwickelt, aktualisiert schaft leisten, einer Frage, mit der und drei große Enzykliken veröffentlicht – LABOREM EXERCENS, SOLLICITUDO REI sich diejenigen Zivilisationen und SOCIALIS! UND CENTESIMUS ANNUS –, die grundlegende Etappen des katholi- Kulturen auseinandersetzen, die Aus- schen Denkens zu diesem Thema darstellen. Zahlreiche Bischöfe in allen druck der Weisheit der Menschheit Teilen der Welt wiederum haben in jüngerer Zeit dazu beigetragen, die sind.“ Die grundlegenden Fragen des Soziallehre der Kirche zu vertiefen“ ebenso wie viele Wissenschaftler auf Menschen erhielten in unserer Zeit allen Kontinenten. durch die vielen Herausforderungen Deshalb hat der Päpstliche Rat für Frieden und Gerechtigkeit mit die- in neuartigen Szenarien und die fol- sem Werk eine Zusammenfassung der katholischen Soziallehre geschaf- genschweren Entscheidungen auch fen. Er bezeichnet es als ein Instrument der Evangelisierung, das die für die nachfolgenden Generationen menschliche Person und die Gesellschaft mit dem Licht des Evangeliums noch größere Bedeutung, schreiben in Beziehung setzt. Und die Kirche dürfe nicht aufhören, so der Päpstliche die Autoren. Rat, sich zu den res novae der modernen Zeit wirksam zu äußern, weil sie Die weiteren Ausführungen zu auf eine umfassende und solidarische Entwicklung des Menschen ausge- dem Kompendium werden vorrangig richtet sei. – Für katholische Soldaten ist insbesondere der 2. Teil – und den zweiten Teil betrachten, wäh- hierin bevorzugt die Aussagen der Kapitel acht bis elf – von Bedeutung. rend der erste und dritte Teil sowie der Schluss nur kurz angesprochen Einleitung solidarischen Humanismus heraus werden. gemeinsam Verantwortung überneh- ie beginnt damit, dass sich die men. Erster Teil SKirche auch an der Schwelle des Es wird darauf hingewiesen, dass 3. Jahrtausends weiterhin an alle Völ- die Zitate der lehramtlichen Texte r gliedert sich in vier Kapitel und ker und alle Nationen wende, „weil aus Dokumenten stammen, denen Ebeginnt mit dem PLAN DER LIEBE dem Menschen nur im Namen Christi eine unterschiedliche Autorität zu- GOTTES FÜR DIE MENSCHHEIT. Zunächst das Heil geschenkt ist.“ Das Heil er- komme, das heißt sie kommen aus wird das befreiende Wirken Gottes in fasse auch diese Welt in den Realitä- verschiedenen Ebenen. Es dürfe je- der Geschichte Israels dargelegt. Die ten der Wirtschaft und der Arbeit, der doch nicht übersehen werden, dass folgenden Seiten befassen sich mit Technik und der Kommunikation, der die Veränderungen der sozialen Ver- Jesus Christus als Erfüllung des Gesellschaft und der Politik, der in- hältnisse im Lauf der Zeit immer Plans der väterlichen Liebe mündend ternationalen Gemeinschaft und der wieder zu neuen Überlegungen füh- in die Offenbarung der trinitarischen Beziehung zwischen den Kulturen ren, um die neuen Zeichen der Zeit Liebe. Dem schließen sich Gedanken und den Völkern. Die Kirche werde zu deuten. Das Dokument wolle für zur menschlichen Person im Plan der nicht müde, das Evangelium zu ver- den gesamten Lebensbereich zu Ver- Liebe Gottes sowie zum Plan Gottes künden und sie stelle auch den Män- haltensweisen und Entscheidungen und der Sendung der Kirche an. nern und Frauen unserer Zeit ihre anleiten, die mit Zuversicht und Dabei wird auch auf Maria und ihr Soziallehre zur Verfügung. Hoffnung in die Zukunft blicken las- „fiat“ zum Plan der Liebe Gottes ein- Der von Gott geliebte Mensch sen. Das Kompendium richte sich gegangen. begreife seine eigene transzendente zunächst an die Bischöfe, die für sei- Das 2. Kapitel behandelt DIE SEN- Würde und lerne, sich nicht mit sich ne Verbreitung und richtige Deutung DUNG DER KIRCHE UND DIE SOZIALLEHRE. selbst zu begnügen sowie dem ande- geeignete Formen finden würden. Es fängt bei der Evangelisierung und ren in einem Netz zunehmender Aber auch die Priester, Ordensleute der Soziallehre an und geht auch auf menschlicher Beziehungen zu begeg- und allgemein die Ausbilder sollen das Recht und die Pflicht der Kirche nen. Dabei habe die Liebe eine ge- darin einen Leitfaden für ihre Lehr- ein. Weiter wird das Wesen der waltige Aufgabe zu bewältigen, zu tätigkeit und ein Instrument für den Soziallehre erläutert und endet in der der die Kirche auch mit ihrer Sozial- seelsorgerischen Dienst finden. Es Soziallehre in unserer Zeit mit histo- lehre beitrage. Die christliche Liebe werden damit ebenso die Brüder in rischen Hinweisen. dränge uns alle dazu, wirkungsvoll den anderen Kirchen und kirchli- Im 3. Kapitel werden DIE MENSCH- Missstände anzuprangern, Vorschlä- chen Gemeinschaften, die Angehöri- LICHE PERSON UND IHRE RECHTE be- ge zu unterbreiten und uns einzuset- gen anderer Religionen und alle trachtet. Dabei wird zunächst auf den zen für eine kulturelle und soziale Männer und Frauen guten Willens, Mensch als Abbild Gottes, das Dra- Entwicklung aller Menschen. Wir die sich für das Gemeinwohl einset- ma der Sünde sowie auf die Univer- müssten aus einem umfassenden und zen, angesprochen. salität der Sünde und des Heils ein-

30 AUFTRAG 262 KIRCHE UND GESELLSCHAFT gegangen. Dem schließt sich die tel sowie das Klonen abgelehnt. In menschliche Person mit ihren zahl- Bezug auf die Erziehung spiele die reichen Profilen an, als da sind die Familie eine ursprüngliche und un- Einheit der Person und ihre Einzig- ersetzliche Aufgabe – auch im Hin- artigkeit, die Offenheit für Transzen- blick auf die Religiosität und morali- denz, die Freiheit der Person mit sche Bildung. Wobei die Eltern zwar dem Wert und den Grenzen der Frei- die ersten aber nicht die einzigen Er- heit, die Gleichheit der Würde aller zieher ihrer Kinder seien, sondern Personen und die menschliche Sozia- verantwortungsbewusst mit den zivi- lität. Sodann ist den Menschenrech- len und kirchlichen Organisationen ten ein Abschnitt gewidmet mit ih- zusammenarbeiten müssten. Die rem Wert, ihrer näheren Bestim- kirchliche Soziallehre verweist au- mung, den Rechten und Pflichten, ßerdem darauf, dass die Rechte der den Rechten der Völker und Natio- Kinder von der Rechtsordnung ge- nen sowie der Überwindung der Kluft schützt werden müssten. Diese Aus- zwischen Buchstabe und Geist. sagen zur ehelichen Familie bekräf- Das letzte (4.) Kapitel des ersten tigte Papst Benedikt XVI. in der drit- Teils spricht DIE PRINZIPIEN DER ten Maiwoche 2006 in Rom gegenü- SOZIALLEHRE DER KIRCHE an. Es fängt ber dem neu akkreditierten Botschaf- an mit der Bedeutung und Einheit Unter dem Titel die Ehe als Fun- ter Spaniens am Heiligen Stuhl in ei- der Soziallehre und geht weiter mit dament der Familie wird zunächst ner Stellungnahme zu den Haupt- dem Prinzip des Gemeinwohls. Über der Wert der Familie betrachtet und inhalten der „neuen sozialen Frage“ die allgemeine Bestimmung der Gü- festgestellt: „Die Grundlage der Fa- als nicht zur Verfügung stehende ter im Zusammenhang mit dem Pri- milie ist der freie Wille der Brautleute, Prinzipien. vateigentum und ihrer vorrangigen die Ehe miteinander einzugehen und Weiterhin wird die Familie als Option für die Armen, das Prinzip dabei die spezifischen Bedeutungen gestaltende Kraft des gesellschaftli- der Subsidiarität, die Beteiligung, und Werte dieser Einrichtung, die chen Lebens durch ihre Solidarität, das Solidaritätsprinzip und die nicht vom Menschen, sondern von ihre Beziehung zum Wirtschaftsle- Grundwerte des menschlichen Le- Gott selbst abhängt, zu achten.“ Trotz ben und das Verhältnis zur Arbeit für bens führt es zum Weg der Liebe der zahlreichen Änderungen, die die den Lebensunterhalt angesprochen. auch im Hinblick auf den Nächsten. Ehe im Lauf der Jahrhunderte in den Die Gesellschaft im Dienst der Fami- verschiedenen Kulturen, Gesell- lie müsse durch ein richtiges und Zweiter Teil schaftsstrukturen und Geisteshaltun- konstruktives Verhältnis zur Familie gen erfahren habe, gebe es in allen deren soziale Vorrangstellung aner- 5. Kapitel – Die Familie: Kulturkreisen ein sicheres Gespür kennen. Lebenszelle der Gesellschaft für die Würde des Ehebundes, wenn ier wird eine Grundvorausset- auch nicht überall mit derselben 6. Kapitel – Die menschliche Hzung der katholischen Sozial- Deutlichkeit. Zu den charakteristi- Arbeit lehre angesprochen. Im Abschnitt schen Zügen der Ehe gehörten die s beginnt mit biblischen Aspek- die Familie als erste natürliche Ge- leibliche und geistige Ganzheitlich- Eten. Dem folgen Aussagen über sellschaft wird die Bedeutung der keit, die Unauflöslichkeit und die die vorausschauende Bedeutung der Familie sowohl für die Person als Treue. Die im Sakrament der Ehe ge- Enzyklika „Rerum Novarum“ von auch für die Gesellschaft hervorge- schenkte eheliche Liebe, mache die Leo XIII., denen sich ein Abschnitt hoben. Dabei wird darauf hingewie- christlichen Eheleute zu Zeugen ei- über die Würde der Arbeit an- sen, wenn der Familie eine unterge- ner neuen, vom Evangelium und vom schließt. Behandelt werden darin die ordnete oder nebensächliche Rolle Ostergeheimnis inspirierten Soziali- subjektive und objektive Bedeutung zugewiesen werde, werde dem echten tät. der Arbeit, die Beziehungen zwi- Wachstum des gesamten Sozial- Hinsichtlich des sozialen Sub- schen Arbeit und Kapital, der An- gefüges ein schwerer Schaden zuge- jektcharakters der Familie wird der spruch auf Beteiligung durch die Ar- fügt. Die Bedeutung der Familie für Wert der ehelichen Familie für ihre beit, das Verhältnis zwischen Arbeit die Person liege im Klima der natür- Kinder und die Gesellschaft gegenü- und Privateigentum und die Feier- lichen Zuneigung der Mitglieder ei- ber anderen Formen der Gemein- tagsruhe. Unter der Überschrift das ner Familiengemeinschaft unterein- schaft von Personen herausgestellt. RECHT AUF ARBEIT wird festgestellt, ander, in der die Personen als Gan- Die Familie als Heiligtum des Le- die Arbeit ist notwendig, denn sie sei zes anerkannt und zur Verantwortung bens leiste durch verantwortliche ein Grundrecht und ein nützliches erzogen würden. Bezüglich der Be- Mutter- und Vaterschaft im Sinne Gut für den Menschen. Zur Rolle des deutung der Familie für die Gesell- Gottes einen herausragenden Beitrag Staates und der Zivilgesellschaft bei schaft wird klar festgestellt, dass die zum Wohl der Gesellschaft. Im Zu- der Stärkung des Rechts auf Arbeit Familie nicht für die Gesellschaft sammenhang mit einer verantwor- heißt es, der Staat müsse mit einer und den Staat da ist, sondern dass tungsbewussten Fortpflanzung wer- aktiven Arbeitspolitik Bedingungen diese beiden Strukturen für die Fa- den Sterilisierung, Schwangerschafts- schaffen, die Unternehmen bei der milie da sind. abbruch, empfängnisverhütende Mit- Schaffung von Arbeitsgelegenheiten

AUFTRAG 262 31 KIRCHE UND GESELLSCHAFT unterstützen. Die Arbeit sei eine 7. Kapitel – Das Wirtschafts- nach dem Subsidiaritätsprinzip rich- Grundlage für den Aufbau des Fami- leben ten und Situationen durch einen ju- lienlebens und auch die Anwesen- ach biblisch untermauerten Be- ristischen Rahmen schaffen, die eine heit der Frauen im Arbeitsleben Nmerkungen zum Menschen, der freie Ausübung der wirtschaftlichen müsse gewährleistet sein. Verurteilt Armut und dem Reichtum, der exis- Aktivität begünstigen. Dabei müssen wird von der Soziallehre „die Ausbeu- tiert, um geteilt zu werden, folgt ein Markt und Staat ihr Handeln aufein- tung der Arbeitskraft von Minderjäh- Abschnitt über MORAL UND WIRT- ander abstimmen und einander er- rigen unter den Bedingungen der SCHAFT mit der Kernaussage: „Gegen- gänzen. Das öffentliche Finanzwesen Sklaverei“. Zu MIGRATION UND ARBEIT stand der Wirtschaft ist die Bildung soll dem Gemeinwohl dienen, was wird geschrieben, die Institutionen und fortschreitende Vergrößerung von folgende Prinzipien erfordert: das der Aufnahmeländer müssten dar- Reichtum in quantitativer, aber auch Zahlen der Steuern aus Solidaritäts- über wachen, dass ausländische Ar- qualitativer Hinsicht: All das ist mo- pflicht, Vernünftigkeit und Billigkeit beitskräfte nicht ausgebeutet und ih- ralisch richtig, wenn es auf die globa- bei der Festlegung der Abgaben so- nen die garantierten Rechte der in- le und solidarische Entwicklung des wie Strenge und Integrität bei der ländischen Arbeitnehmer nicht ver- Menschen und der Gesellschaft, in der Verwaltung und Verwendung der öf- sagt werden. In der Landwirtschaft er lebt und arbeitet, ausgerichtet ist.“ fentlichen Ressourcen. seien radikale Änderungen notwen- Zu PRIVATINITIATIVE UND UNTER- Unter die „Res novae“ in der dig, um den in ihr Tätigen wieder den NEHMEN sagt die Soziallehre, jeder Wirtschaft wird auf die Globalisie- wahren Wert zu geben, der ihnen als habe das Recht auf wirtschaftliche rung mit ihren Chancen und Risiken Grundlage einer gesunden Volks- Initiative gemäß seinen Talenten, um durch die neuen Dimensionen der wirtschaft in der gesamten Entwick- zu einem Wohlstand beizutragen, der kommerziellen und finanziellen Be- lung der Gesellschaft zukommt. allen zugute kommt, und um die ge- ziehungen eingegangen. Es wird auf Die RECHTE DER ARBEITNEHMER rechten Früchte seiner Mühen zu die Verschiedenheit der Kulturen werden unterstrichen mit dem Satz: ernten. Das Unternehmen müsse fä- hingewiesen und gefordert, dass die „… basieren wie alle übrigen Rechte hig sein, dem Gemeinwohl der Ge- Globalisierung keine neue Form des auf der menschlichen Person und auf sellschaft durch die Produktion nütz- Kolonialismus sein dürfe. Auch müs- ihrer transzendenten Würde.“ Dabei licher Dinge und Dienstleistungen zu se die Solidarität der Generationen sei der gerechte Lohn die rechtmäßi- dienen. Dabei müsse das berechtigte nachdrücklich unterstrichen werden. ge Frucht der Arbeit und es komme Gewinnstreben des Unternehmens Die Geschichte habe gezeigt, dass es auch auf eine gerechte Verteilung mit dem unverzichtbaren Schutz der ohne geeignete Finanzsysteme kein des Einkommens an, dem könne Würde der Personen in Einklang ge- wirtschaftliches Wachstum gegeben auch eine geeignete Sozialpolitik der bracht werden, die in den verschie- hätte. Umso wichtiger sei es jetzt, in- Umverteilung des Einkommens die- denen Positionen dieses Unterneh- stitutionelle Lösungen zu finden, die nen. Das Streikrecht als letztes Mittel mens tätig sind. Wucher sei jedoch die Stabilität des Systems wirksam zur Konfliktbewältigung bei der Ver- moralisch zu verurteilen. Zur Rolle ohne Einbußen an Leistungsfähigkeit besserung von Arbeitsbedingungen des Unternehmers und Managers und Effizienz fördern können. Je und der sozialen Situation werden meint die Soziallehre, bei dem Ver- vielschichtiger das weltweite Wirt- von der Soziallehre als rechtmäßig antwortungsbewusstsein, das aus der schafts- und Finanzsystem werde, anerkannt. Dazu wird die Bedeutung freien wirtschaftlichen Initiative ent- desto vorrangiger werde die Aufgabe, der Gewerkschaften als Ausdruck stehe, handele es sich nicht nur um diese Prozesse zum Gemeinwohl der der Solidarität unter den Arbeitneh- eine für das menschliche Wachstum Menschheitsfamilie sowohl nach mern im Kampf für die soziale Ge- des Einzelnen unerlässliche indivi- ökonomischen als auch moralischen rechtigkeit und für die Rechte der duelle Tugend, sondern auch um eine Parametern zu regulieren. Dabei Arbeitnehmer in ihren je eigenen Be- soziale Tugend, die für die Entwick- komme es auf eine umfassende und rufen unterstrichen. Im Rahmen der lung einer solidarischen Gemein- solidarische Entwicklung der Mensch- Globalisierung seien die Gewerk- schaft notwendig sei. heit an und dies müsse mit einer gro- schaften heute jedoch zu neuen For- Im Abschnitt WIRTSCHAFTLICHE ßen erzieherischen und kulturellen men des Handelns aufgerufen. EINRICHTUNGEN IM DIENST DES MEN- Anstrengung verbunden sein. Die „Res novae“ der Arbeitswelt SCHEN wird zunächst vorrangig die liegt in der Wandlung der Arbeits- Verwendung der Ressourcen bewer- 8. Kapitel – Die politische organisation im Phänomen der Glo- tet. Dann heißt es zum freien Markt, Gemeinschaft balisierung mit der Möglichkeit neue er sei in sozialer Hinsicht eine wich- IBLISCHE ASPEKTE zur Macht und Produktionsformen zu erproben. tige Institution, weil er effiziente Er- Bihrer Ausübung stehen zum Be- Deswegen müsse der Mensch die ge- gebnisse in der Produktion der Güter ginn. Danach wird die GRUNDLAGE genwärtigen Innovationen und Um- und Dienstleistungen sichern könne. UND DAS ZIEL DER POLITISCHEN GEMEIN- strukturierungen kreativ und verant- Es wird jedoch darauf hingewiesen, SCHAFT hinsichtlich der menschli- wortungsbewusst so gestalten, dass ihn in moralischen Zielsetzungen zu chen Person dargestellt. Dabei geht sie zum Wachstum der Person, der verankern, die seine Autonomie si- es auch um den Schutz und die Stär- Familie, der Gesellschaft und der ge- cherstellen und gleichzeitig in ange- kung der Menschenrechte sowie um samten Menschheitsfamilie beitra- messener Weise begrenzen. Das die Bürgerfreundschaft und Brüder- gen. Handeln des Staates und der anderen lichkeit. DIE POLITISCHE AUTORITÄT öffentlichen Autoritäten müsse sich müsse das geordnete und richtige Le-

32 AUFTRAG 262 KIRCHE UND GESELLSCHAFT ben der Gemeinschaft gewährleisten Subsidiarität zu regeln. Wichtig ist Rechte verzichtet werden. Für eine und sich vom Sittengesetz leiten las- es, dass das Wachstum des demokra- internationale Ordnung, die das sen. Dem Bürger wird das Recht auf tischen Lebens seinen Ausgang vom friedliche Zusammenleben der Völ- Einspruch aus Gewissensgründen sozialen Gefüge nimmt. Die Aktivitä- ker wirkungsvoll garantiert, muss gegen Vorschriften der zivilen Auto- ten der Zivilgesellschaft – vor allem dasselbe Sittengesetz für das Leben rität zuerkannt ebenso wie das Recht das Ehrenamt und die Zusammenar- der Menschen und die Beziehungen auf bewaffneten Widerstand unter beit im Bereich des Privaten und So- der Staaten gelten. Die allgemeine bestimmten Kriterien. Andererseits zialen – stellen die angemessensten Anerkennung der Grundsätze für habe die legitime öffentliche Autori- Möglichkeiten dar, um die soziale eine Rechtsordnung „die mit den Ge- tät zum Schutz des Gemeinwohls das Dimension der Person zu entfalten boten der moralischen Ordnung (…) Recht und die Pflicht, dem Verbre- und zu verwirklichen. im Einklang steht“, ist notwendig für chen angepasste Strafen aufzuerle- Zu STAAT UND DEN RELIGIONSGE- die Stabilität des internationalen Le- gen. MEINSCHAFTEN heißt es in der Sozial- bens. Es dürfe nicht lieber auf das DAS SYSTEM DER DEMOKRATIE wird lehre: „Das Zweite Vatikanische Recht des Stärkeren als auf die Kraft von der Kirche bevorzugt. Eine echte Konzil hat die Katholische Kirche auf des Rechtes gesetzt werden. Um Demokratie beruhe nicht nur auf der die Förderung der Religionsfreiheit Konflikte, die die internationale Si- Einhaltung von Regeln, sondern sei eingeschworen.“ Die Gewissens- und cherheit gefährden, durch Verhand- die Überzeugung von Werten für eine Religionsfreiheit betreffe sowohl den lungen auf der Basis gemeinsamer demokratische Vorgehensweise: die einzelnen Menschen als auch die Ge- Regeln zu lösen, müsse endgültig auf Würde jeder menschlichen Person, sellschaft und müsse in der Rechts- die Vorstellung verzichtet werden, die Achtung der Menschenrechte ordnung anerkannt und als bürgerli- mit einem Krieg könne die Gerech- und die Anerkennung des Gemein- ches Recht bestätigt werden. Eine tigkeit durchgesetzt werden. Dem wohls als Ziel und maßgebendes Kri- solche Anerkennung dürfe aber auf dient auch die Charta der Vereinten terium des politischen Lebens. Die keinen Fall zu ziviler oder sozialer Nationen. Außerdem müssen die nor- Soziallehre sieht den ethischen Rela- Diskriminierung anderer religiöser mativen Mittel zur friedlichen Lö- tivismus als eine der größten Gefah- Gruppen führen. Die Katholische sung von Konflikten überdacht und ren für die gegenwärtigen Demokrati- Kirche – mit dem Recht auf eine ju- mit einer größeren Reichweite und en. Das Lehramt erkennt die Gewal- ristische Anerkennung ihrer Identität Verbindlichkeit ausgestattet werden, tenteilung in einem Staat an, verweist – und die politische Gemeinschaft was auch das gegenseitige Vertrauen aber auch auf die Rechenschafts- sind trotz sichtbarer Organisations- festigen würde. pflicht der politischen Autorität ge- strukturen in ihrem Aufbau und in Die ORGANISATION DER INTERNATIO- genüber dem Volk. Gleichzeitig wird ihren Zielen unterschiedlich. Diese NALEN GEMEINSCHAFT im Jahr 1945 mit die moralische Dimension der Ver- beiderseitige Autonomie führe je- der Gründung der Vereinten Natio- tretung für die politisch Verantwortli- doch nicht zu einer Trennung, die nen wird als richtig angesehen und chen betont und die politische Kor- ihre Zusammenarbeit ausschließen von der Kirche begleitet. Diese von ruption verurteilt. Ziel der öffentli- würde. allen anerkannte öffentliche Welt- chen Verwaltung auf allen Ebenen autorität müsse nach Ansicht des eines Staates müsse es sein, dem 9. Kapitel – Die internationale Lehramtes über die wirksame Macht Bürger zu dienen. Die politischen Gemeinschaft verfügen, um für alle Sicherheit, Parteien sollen eine breite Beteili- ie internationale Gemeinschaft Wahrung der Gerechtigkeit und Ach- gung an der öffentlichen Verantwor- Dnimmt ihren Anfang in den bib- tung der Rechte zu gewährleisten. tung und deren allgemeinen Zugang lischen Erzählungen über die Einheit Aufgrund der Globalisierung der fördern, eine demokratische Organi- des Menschengeschlechts, und dass Probleme sei heute eine internatio- sationsform haben, zum politischen der Gott Israels der Herr der Ge- nale Politik nötiger denn je, die mit Dialog und zur planerischen Weit- schichte und des Kosmos ist. Daraus koordinierten Maßnahmen das Ziel sicht fähig sein. Als direkte Form der folgt, dass Jesus, der Herr, das Vor- des Friedens und der Entwicklung politischen Beteiligung wird das Re- bild und die Grundlage der neuen verfolgt. In diesem Zusammenhang ferendum genannt, das auch vom Menschheit ist. Die christliche Bot- bewertet der Vatikan solche Grup- wichtigsten Mittel der demokrati- schaft biete eine allgemeine Sicht auf pierungen in der Zivilgesellschaft schen Beteiligung der Information das Leben der Menschen und Völker positiv, die die öffentliche Meinung abhängig ist. Die sozialen Kommuni- auf der Erde. Zu den Grundregeln für bestimmte Aspekte des internati- kationsmittel sollen die menschliche der internationalen Gemeinschaft ge- onalen Lebens sensibilisieren. Der Gemeinschaft in den verschiedenen hört das Recht, um die internationale Heilige Stuhl als souveräne Autorität Bereichen der Wirtschaft, Politik, Ordnung oder das Zusammenleben mit einer uneingeschränkten interna- Kultur, Erziehung und Religion festi- politischer Gemeinschaften zu garan- tionalen Subjektivität setzt sich nicht gen und stützen. tieren. Wichtig sei auch die nationale nur für die Freiheit der Kirche ein, Die politische Gemeinschaft Souveränität als Ausdruck jener sondern auch für die Verteidigung wird von der Zivilgesellschaft gebil- Freiheit, die die Beziehungen zwi- und Förderung der Menschenwürde det um letzterer zu dienen. Die politi- schen den Staaten regulieren muss, sowie für eine Gesellschaftsordnung, sche Gemeinschaft ist verpflichtet, dabei kann aber auch zugunsten ei- die auf den Werten der Gerechtig- ihre eigenen Beziehungen zur Zivil- nes gemeinsamen Ziels freiwillig auf keit, Wahrheit, Freiheit und Liebe gesellschaft nach dem Prinzip der die nationale Ausübung einiger ihrer beruht.

AUFTRAG 262 33 KIRCHE UND GESELLSCHAFT

DIE INTERNATIONALE ZUSAMMENAR- halte ein positives Urteil hinsichtlich lichkeit des Krieges. In unserem BEIT „FÜR DIE ENTWICKLUNG des ganzen der Zulässigkeit menschlicher Ein- Zeitalter der Vernunft widerstrebe Menschen und jedes Menschen ist ja griffe in die Natur einschließlich der es, den Krieg als das geeignete Mittel eine Pflicht aller gegenüber allen und anderen Lebewesen und gleichzeitig zur Wiederherstellung der Gerech- muss zugleich den vier Teilen der einen Appell an das Verantwortungs- tigkeit zu sehen. Der Krieg sei defini- Welt, Ost und West, Nord und Süd gefühl. tiv der Niedergang jedes wahren Hu- (…) gemeinsam sein“, stellt die Auch auf dem Gebiet der Ökolo- manismus. Alternativen zur Konflikt- Soziallehre fest. Der Geist der inter- gie weist die Soziallehre darauf hin, lösung durch den Krieg böten sich in nationalen Zusammenarbeit im Be- dass die Güter der Erde von Gott ge- der Entwicklung und der gemeinsa- wusstsein der Pflicht zur Solidarität schaffen worden sind, um von allen men Verantwortung, diese zu för- müsse der strengen Logik des Mark- mit Weisheit genutzt zu werden. Die dern. „Ein Angriffskrieg ist in sich tes übergeordnet werden. Der Kampf Menschen müssten diese Güter ein- unmoralisch. In dem tragischen Fall gegen die Armut von Milliarden von schließlich des Wassers nach den seines Ausbruchs haben die Verant- Männern und Frauen appelliere heu- Kriterien der Gerechtigkeit und Lie- wortlichen des angegriffenen Staates te mehr als jede andere Frage an un- be in angemessener Weise miteinan- das Recht und die Pflicht, die Vertei- ser menschliches und christliches der teilen. Die schwerwiegenden digung auch mit Waffengewalt zu or- Gewissen. Das Recht auf Entwick- ökologischen Probleme erforderten ganisieren.“ Dazu müssten jedoch ei- lung sei auch in den Fragen zu be- eine wirkungsvolle Mentalitätsände- nige strenge Bedingungen erfüllt rücksichtigen, die sich aus der rung zur Entwicklung von Lebenssti- sein. Die Charta der Vereinten Natio- Schuldenkrise vieler armer Länder len, die auf personaler wie auf sozia- nen verbietet, Auseinandersetzungen ergebe. Hier müssten Wege gefun- ler Ebene von Nüchternheit, Mäßi- zwischen Staaten mit Gewalt zu lö- den werden, die das Grundrecht der gung und Selbstdisziplin geprägt sei- sen. Davon ausgenommen sind die Völker auf Erhaltung und Fortschritt en. rechtmäßige Verteidigung sowie die nicht verletzten. vom Sicherheitsrat im Rahmen sei- 11.Kapitel – Die Förderung ner Verantwortlichkeit für die Wah- 10.Kapitel – Die Umwelt des Friedens rung des Friedens ergriffenen Maß- bewahren er Frieden ist nicht nur ein nahmen. Eine präventive Kriegs- n der Soziallehre heißt es, die bib- „DGeschenk Gottes und ein handlung ohne zwingende Beweise Ilische Sichtweise inspiriere die menschliches Projekt, das dem Plan für einen bevorstehenden Angriff, Einstellung der Christen im Hinblick Gottes entspricht, sondern er ist vor al- werfe zwangsläufig schwerwiegende auf die Nutzung der Erde sowie die lem ein wesentliches Attribut Gottes: moralische und rechtliche Fragen Entwicklung von Wissenschaft und ‚Der Herr ist Friede’(Ri 6,24). In der auf. Technik. Die Errungenschaften von biblischen Offenbarung ist der Frie- Die Erfordernisse einer RECHT- Wissenschaft und Technologie seien den weit mehr als die bloße Abwesen- MÄSSIGEN VERTEIDIGUNG legitimieren an sich positiv und gelten auch für heit von Krieg: Er stellt die Fülle des in den Staaten die Existenz von ihre Anwendung in Umwelt und Lebens dar.“ Die Verheißung des Streitkräften, deren Handeln in den Landwirtschaft. Zentraler Punkt sei Friedens findet ihre Erfüllung in der Dienst des Friedens gestellt werden dabei die Achtung vor dem Men- Person Jesu. Der Friede Christi ist muss: Wenn sie in dieser Haltung schen einhergehend mit einem ge- vor allem die Versöhnung mit dem über die Sicherheit und Freiheit ei- bührenden Respekt vor den anderen Vater, die sich durch die apostoli- nes Landes wachen, stellen sie einen lebendigen Geschöpfen. In der Be- sche Sendung vollzieht, die Jesus wirklichen Beitrag zum Frieden dar. ziehung zwischen Mensch und Um- seinen Jüngern anvertraut hat. Der Die wachsende Zahl von Soldaten welt scheint das Gleichgewicht Einsatz für den Frieden ist nie von eingesetzt in multinationalen Streit- Mensch – Umwelt durch die Mög- der Verkündigung des Evangeliums kräften im Rahmen der humanitären lichkeiten der technologischen Zivi- getrennt, das ja gerade das Evangeli- und Friedensmissionen der Vereinten lisation einen kritischen Punkt er- um vom Frieden ist. Nationen spricht für sich. Jeder Sol- reicht zu haben. „Das Lehramt be- Der Frieden ist ein Wert und dat muss sich aus moralischen Grün- tont, dass der Mensch dafür verant- eine Pflicht von allgemeiner Gültig- den Befehlen widersetzen, die zu wortlich ist, die Umwelt unversehrt keit und basiert auf der vernunft- Verbrechen gegen das Völkerrecht und für alle gesund zu bewahren.“ mäßigen und moralischen Ordnung und seine allgemeingültigen Grund- Deswegen stelle der Umweltschutz der Gesellschaft, die ihre Wurzeln in sätzen aufrufen, unterstreicht die eine Herausforderung für die gesam- Gott selber hat. Der Friede ist die Soziallehre. Wehrdienstverweigerer te Menschheit dar. Dies gelte nicht Frucht der Gerechtigkeit und der aus Gewissensgründen müssen dazu nur für die Gegenwart, sondern auch Liebe. Am Frieden werde Tag für Tag bereit sein, andere Arten von Dienst für die Zukunft. Wenn die wissen- gebaut und alle müssten erkennen, zu leisten. schaftlichen Informationen wider- dass sie für seine Förderung verant- Die rechtmäßige Verteidigung sprüchlich oder nicht ausreichend wortlich sind. Die Kirche verkündet steht mit der Pflicht in Zusammen- seien, müssten sich die Autoritäten aus ihrem Glauben an Christus hang, unschuldige Opfer, die sich bei Entscheidungen vom Prinzip der heraus, dass die Gewalt böse, für die nicht gegen den Angriff verteidigen Vorsicht leiten lassen. Im Hinblick Lösung von Problemen unannehmbar können, zu beschützen und ihnen auf die Biotechnologie heißt es, die und menschenunwürdig ist. Das beizustehen. Das Wohl der mensch- christliche Sicht der Schöpfung bein- Lehramt verurteilt die Unmensch- lichen Person muss über den Interes-

34 AUFTRAG 262 KIRCHE UND GESELLSCHAFT sen der Konfliktparteien stehen. schweige denn predigen. mente der Taufe, der Firmung und Nach dem Prinzip der Humanität ist „Die Förderung des Friedens in der Eucharistie begründet. Die spe- die Zivilbevölkerung vor den Auswir- der Welt ist ein wesentlicher Bestand- zifische Aufgabe des gläubigen Laien kungen des Krieges zu schützen. Die teil der Sendung, mit der die Kirche sei es, das Evangelium durch ein bei- Versuche, ganze nationale, ethni- das Erlösungswerk Christi auf Erden spielhaftes Leben in Christus in all sche, religiöse oder sprachliche fortsetzt. Denn die Kirche ist ein Sa- seinen Lebens- und Wirkungsberei- Bevölkerungsgruppen auszulöschen, krament in Christus, das heißt Zei- chen zu bezeugen. Dazu gehöre auch sind Verbrechen gegen Gott und die chen und Werkzeug des Friedens in Klugheit, um mit Realismus und Menschheit. Die dafür Verantwortli- der Welt und für die Welt“. Die Kir- Verantwortung für die Folgen des ei- chen müssen vor Gericht gestellt che lehre, dass ein wahrer Frieden genen Handelns in sich stimmige werden. Die internationale Gemein- nur durch Vergebung und Versöh- Entscheidungen zu treffen. Bildungs- schaft hat die moralische Verpflich- nung möglich sei. Dabei stellten Ge- arbeit für die gläubigen Laien ist tung zugunsten jener Gruppen einzu- rechtigkeit und Wahrheit die konkre- normalerweise über die kirchlichen greifen, deren Überleben gefährdet ten Voraussetzungen der Versöhnung Laienverbände, kirchlichen Vereini- ist oder deren Grundrechte in massi- dar. Als zweckmäßig erwiesen sich gungen aber auch über die christli- ver Weise verletzt werden. hier die Initiativen zur Einrichtung chen Berufsverbände möglich. Die In der von den Vereinten Natio- internationaler Rechtsorgane. Die Gegenwart des gläubigen Laien sei nen vorgesehenen Fassung dienen Kirche kämpfe mit dem Gebet für im gesellschaftlichen Bereich von Sanktionen dazu, das Verhalten der den Frieden. Die von Papst Paul VI. der Haltung des Dienens als Zeichen Regierung eines Landes zu korrigie- eingerichteten Weltfriedenstage sei- und Ausdruck der Liebe. Sie mani- ren, die die Regeln des friedlichen en Feiern von besonderer Intensität festiere sich in je eigener Weise im und geordneten internationalen Zu- im Hinblick auf das Gebet um Frie- familiären, kulturellen, wirtschaftli- sammenlebens verletzt oder ihrer Be- den und den Einsatz für die Schaf- chen und politischen Bereich sowie völkerung gegenüber schwere For- fung einer friedlichen Welt, stellt die im Arbeitsleben. men der Unterdrückung ausübt. Die Soziallehre fest. Sanktionen dürfen niemals eine gan- Schluss ze Bevölkerung direkt zu bestrafen. Dritter Teil Hinsichtlich der ABRÜSTUNG n diesem Teil spricht sich die schlägt die Soziallehre das Ziel einer ieser Teil besteht aus dem 12. ISoziallehre FÜR EINE ZIVILISATION „allgemeinen, ausgewogenen und DKapitel, SOZIALLEHRE UND KIRCH- DER LIEBE AUS. „Auf die grundlegen- kontrollierten Abrüstung“ vor. Der LICHES HANDELN. Zunächst wird auf den Fragen nach dem Sinn und dem Rüstungswettlauf sichert den Frie- das seelsorgliche Wirken im sozialen Ziel des menschlichen Abenteuers den nicht. Statt die Kriegsursachen Bereich eingegangen. Im Bewusst- antwortet die Kirche mit der Verkün- zu beseitigen, droht er diese zu ver- sein der erneuernden Kraft des digung des Evangeliums Christi, das schlimmern. Massenvernichtungs- Christentums biete die Kirche vor al- die Würde der menschlichen Person waffen stellen eine besonders schwe- lem mit ihrer Soziallehre vor allem der Veränderlichkeit der Meinungen re Bedrohung dar, deswegen haben eine umfassende Sicht und ein voll- entzieht und die Freiheit des Men- Staaten, die über sie verfügen, eine ständiges Verständnis des Menschen schen in einer Weise garantiert, wie große Verantwortung vor Gott und in seiner personalen und sozialen Di- kein menschliches Gesetz es vermag.“ der ganzen Menschheit. Die Abrüs- mension. Der wesentliche Bezug auf Der Glaube an Gott und an Jesus tung müsse auch Waffen verbieten, die Soziallehre entscheide auch über Christus erleuchte die sittlichen die traumatische Auswirkungen ha- die Struktur und die Entwicklungen Grundsätze als Fundament der äuße- ben oder unterschiedslos jeden tref- in der Sozialen Seelsorge. Für eine ren, privaten und öffentlichen Ord- fen. Verboten gehören auch Anti- vollständige christliche Bildung sei nung, die allein den Wohlstand der personenminen sowie kleine heimtü- die Soziallehre ein unverzichtbarer Staaten hervorzubringen und zu be- ckische Sprengkörper. Verurteilt Bezugspunkt. Letztere unterstütze wahren vermag. Gott biete nach der wird auch der Missbrauch von Kin- wirkungsvoll den Dialog zwischen Kirchenlehre dem Menschen die rea- dern und Jugendlichen in bewaffne- den christlichen Gemeinschaften le Möglichkeit, das Böse zu überwin- ten Konflikten, deren Alter eine und der zivilen sowie politischen Ge- den und das Gute zu erreichen. Eines Rekrutierung noch gar nicht zulässt. meinschaft. Als Subjekt der sozialen der grundlegenden Prinzipien der Der TERRORISMUS verachtet total Seelsorge bezieht die Kirche das Soziallehre ist die Solidarität als das menschliche Leben und ist durch ganze Volk Gottes in die Erfüllung christliche Auffassung der gesell- nichts zu rechtfertigen, weil der ihres Auftrages mit ein. In der Orts- schaftlichen und politischen Ord- Mensch immer der Zweck und nicht kirche ist an erster Stelle der Bischof nung. Es werde erhellt durch die das Mittel ist. Terroristische Akte für den seelsorgerischen Einsatz in Vorrangstellung der Liebe, „dem Er- verletzten zutiefst die menschliche der Evangelisierung des Sozialen zu- kennungszeichen der Jünger Christi Würde und stellten einen Angriff ge- ständig. Ihn unterstützen die Pries- (vgl. Joh 13,35)“. Die Liebe muss ge- gen die gesamte Menschheit dar. Es ter, die Ordensleute und die gläubi- genwärtig sein und alle sozialen Ver- ist eine Entweihung und Gottesläste- gen Laien. hältnisse durchdringen, sie müsse rung, sich im Namen Gottes zu Terro- Im Abschnitt SOZIALLEHRE UND auf politischer, wirtschaftlicher und risten zu erklären. Keine Religion ENGAGEMENT DER GLÄUBIGEN LAIEN kultureller Ebene neu bewertet und kann den Terrorismus dulden, ge- wird ihre Identität durch die Sakra- Fortsetzung auf Seite 37 u., Sp 2

AUFTRAG 262 35 KIRCHE UND GESELLSCHAFT

II. INTERNATIONALER KONGRESS KIRCHE IN NOT/OSTPRIESTERHILFE: „Steht auf – habt keine Angst“

VON HEINRICH DORNDORF nter dem Leitwort „Steht auf, Für unsere kinderarme Zeit klagt zum Christentum. Der Salzburger habt keine Angst“ (Mt 17,7) sie die Gottlosigkeit an, die zur Mut- Weihbischof Laun sagte dazu: „Die Uveranstaltete das päpstliche losigkeit und schließlich zur Kinder- Stärke des Islam in Europa ist die Hilfswerk „Kirche in Not/Ost- losigkeit führe, denn Moslems beten Schwäche der Christen“. Christen priesterhilfe“ den II. Internationalen 5x am Tag und wir? werden erst glaubwürdig, wenn eine Kongress vom 10. bis 12. März 2006 Meves hält eine friedlich christ- entsprechende Rechtgläubigkeit vor- in der Bischofsstadt Augsburg. Viele liche Revolution für erforderlich. handen ist. Erst dann ist eine Dis- Bischöfe, Priester und Laien aus al- Das verlangt den Einsatz aller Chris- kussion mit anderen Religionen mög- ler Welt waren zu diesem „Treffpunkt ten, d.h. wir müssen unser Christsein lich. Auch deshalb sind Parallel- der Weltkirche“ angereist, u.a. auch bekennen. Die Angst im Nacken gesellschaften problematisch und der kurz zuvor zum Kardinal ernann- könnte uns mutiger machen, nach nach Möglichkeit zu vermeiden. te Bischof Joseph Zen-Ze-kiun aus dem Motto: „Fürchte dich nicht – Wichtig ist der Dialog der Kulturen – Hongkong. glaube“. nicht der Kampf, denn solange Dialo- Kirche in Not wurde 1947 vom In der Veranstaltung „Katholi- ge geführt werden gibt es keinen Prämonstratenser-Pater Werenfried sche Weltkirche und der Islam“ be- Streit. „Für uns Christen gilt es je- van Straaten für die notleidende Be- richteten drei junge ehemalige Mus- doch mehr Zeugnis im Leben abzu- völkerung in Deutschland und den lime über ihren Weg zum Christen- geben, dies ist dann auch besser für vielen Heimatvertriebenen ge- die kath. Kirche“, so der gründet, bekannt wurde Straaten Generalvikar des Bis- unter dem Namen „Speckpater“. tums Enugu/Nigeria, Insbesondere kümmerte er sich Prof. Dr. Obiora Ike. um heimatvertriebene Priester, „Der Kampf um um die Seelsorge ihrer Landsleute Russlands Seele“ war in der Diaspora. Daher der Begriff das Thema einer Podi- Ostpriesterhilfe seit 1948. umsdiskussion, an der Schwerpunkt des diesjährigen Bischof Joseph Werth Kongresses war die Auseinander- SJ, Bischof von Nowo- setzung mit dem Islam und die Si- sibirsk und Vorsitzender tuation der Christen in islamisch der Russischen Bi- geprägten Ländern. schofskonferenz, Pfarrer Nach dem Eröffnungs-Pontifi- kalamt, Zelebrant Domkapitular Bischof Joseph Werth SJ, Prälat Dr. Betram Meier (Augs- Bischof von Nowosibirsk burg), und einer eindrucksvollen und Vorsitzender der Russischen Bischofskon- Predigt von Pater Joaquin Allien- ferenz, im Gespräch mit de (Chile), der auch auf den Tod dem Autor Hptm a.D. von Pater Andreas Santoro in der Heinrich Dorndorf. Türkei einging, folgte das Haupt- referat der Psychotherapeutin tum. Um den Koran besser zu verste- Erich Maria Fink aus dem Allgäu, Christa Meves mit dem Titel: „Habt hen, begann einer die Bibel zu lesen. jetzt Pfarrer in Beresniki/Russland keine Angst“ Eine junge Frau aus dem Iran hatte und die Vorsitzende von Kirche in Angst gibt es auf vielfältige Wei- ein sogenanntes „Damaskus“-Erleb- Not/Ostpriesterhilfe Antonia Willem- se in dieser Welt: Angst vor Hun- nis, nachdem sie die Steinigung einer sen teilnahmen. Willemsen erinnerte gersnot, Arbeitslosigkeit, Seuchen, Frau erlebte. Allerdings wurden die an Pater Werenfried van Straaten, aber auch um getötete Kinder. Angst Namen der jungen Christen nicht ge- der immer gesagt hatte, wenn der Ei- kann aber auch gezüchtet werden nannt, und es wurden auch keine Fo- serne Vorhang fällt müssen wir nach durch frühkindlichen Stress, wenn tos von ihnen gemacht, denn die Osten. 70 Jahre Kommunismus ha- Kinder früh und lange in Krippen un- Furcht vor den Islamisten ist sehr ben die russische Seele nahezu zer- tergebracht werden, denn Säuglinge groß. Wer den Islam verlässt, ist ein stört, und es braucht Generationen und Babys benötigen die Geborgen- Verräter und hat sein Leben ver- bis die Seele wieder repariert ist. heit der Mutter oder einer ihnen wirkt. So kam ganz deutlich zum Wenn auch das Verhältnis der Ka- nahestehenden Person. Für Schul- Ausdruck, dass der Islam ein religiö- tholiken zu den Orthodoxen schwie- kinder, die Angst vor einer Klassen- ses, militärisches System ist, denn rig ist, so ist es doch der Wunsch des arbeit haben hat Meves ein Rezept: Politik, Religion und Kultur hängen Papstes, sich um die Orthodoxen zu Vorher lernen. unmittelbar zusammen im Gegensatz Fortsetzung auf Seite 37 u., Sp 1

36 AUFTRAG 262 KIRCHE UND GESELLSCHAFT

ÖKUMENE: Zwischen Enttäuschung und Hoffnung ter Beyerhaus, der nicht für die Öf- fentlichkeit bestimmt war, aber an n der Ökumene wird derzeit stark eine Hermeneutik des Verdachts ge- den „Rheinischen Merkur“ gelangte. auf Zwischentöne geachtet. In ei- treten“. „Das führt – wie man dies deutlich Iner Phase, in der die Suche der Enttäuscht reagierte Kasper bei der anglikanischen Gemeinschaft, Kirchen nach ihrer jeweiligen Identi- auch auf den Ausstieg der Protestan- aber inzwischen auch bei einigen lu- tät und ihrem Profil ein stärkeres Ge- ten aus der Revision der Einheits- therischen Kirchen sehen kann – zur wicht haben als in früheren Auf- übersetzung der Bibel. Er verstehe Selbstzerstörung dieser Kirchen“, so bruchszeiten, werden auch leichte nicht, wie man diesen Schritt gehen, Kasper in dem Schreiben an das von Akzentverschiebungen registriert. So aber gleichzeitig Abendmahlsge- Beyerhaus geleitete Institut „Diakri- finden maßgebliche protestantische meinschaft fordern könne, formulier- sis“ der bekennenden Gemeinschaf- Kreise, dass der Präsident des Päpst- te er in mehreren Interviews. Aus ten. In Bochum warnte er daher, lichen Einheitsrates, Kardinal Walter „universaler Perspektive“ sei dies „dass noch bevor die ökumenische Be- Kasper, in jüngster Zeit ihnen gegen- aber „zum Glück nicht repräsentativ wegung recht in Schwung gekommen über den Ton verschärft habe. für den Gesamtzustand der Ökume- ist, wir durch Anpassung an die mo- Zutreffend ist sicher, dass sich ne“, ergänzte er in Bochum. So habe derne Zivilisation wie durch ein Kasper nicht mehr so optimistisch die „Bible Society“ ihm berichtet, Nachgeben gegenüber dem postmo- zeigt wie noch vor vier Jahren im dass weltweit mehr als 70 Projekte dernen Pluralismus wieder auseinan- Ausblick auf den Ökumenischen Kir- gemeinsamer Bibelübersetzungen der und gegeneinander geraten“. Das chentag (ÖKT): „Ähnlich wie beim liefen. – Besorgt ist der vatikanische könne die ökumenische Bewegung Fall der Berliner Mauer werden auch Chef-Ökumeniker nicht zuletzt dar- sehr schnell in eine Krise stürzen. wir uns eines Tages die Augen reiben, über, dass „zwischen uns und einigen Beobachtern fällt auf, dass Kas- wenn wir feststellen, dass Gottes Geist protestantischen Kirchen Unterschie- per sich hingegen optimistischer zu die trennenden Mauern zwischen den de in ethischen Fragen zu Tage treten, dem „von vielen schon totgesagten Kirchen niedergerissen und uns neue die wir in der bisherigen Geschichte Dialog“ mit den orthodoxen Kirchen Wege zueinander und miteinander er- nicht hatten und die das gemeinsame – vor allem mit den historischen Pa- öffnet hat.“ Ernüchtert klingt dem- Zeugnis zunehmend erschweren“. Als triarchaten von Konstantinopel, gegenüber sein Fazit Mitte November Beispiele nannte er die Bewertung Alexandria und Antiochia, aber auch bei einer Veranstaltung in Bochum: der Abtreibung, der homosexuellen mit den Nationalkirchen in Serbien, Die in der Öffentlichkeit wahrzuneh- Partnerschaften, der Euthanasie und Rumänien und Griechenland – geäu- mende ökumenische Atmosphäre sei der Bioethik. Diesen Fragen hafte ßert hat. So nannte er in einem nach dem ÖKT „leider angespannter „ein erhebliches emotionales Potenzi- „Focus“-Interview im August die Or- und manchmal auch gereizter gewor- al zur Spaltung an“. Noch deutlicher thodoxie den wohl „wichtigsten Part- den“. An die Stelle einer Hermeneu- wurde er in einem Brief an den evan- ner für uns, weil wir uns dogmatisch tik des Vertrauens sei „gelegentlich gelischen Tübinger Ökumeniker Pe- sehr nah sind“. (KNA - ID Nr. 50)

Fortsetzung von Seite 36 Fortsetzung von Seite 35 kümmern. Pfarrer Fink hat ein gutes Verhältnis zum orthodoxen zur beständigen sowie zur obersten Norm des Ortsbischof. So sagt er, dass die geistige Auferstehung für Russ- Handelns erhoben werden, denn „nur die Liebe land nur durch die Orthodoxen erfolgen könnte, wobei wir, die kann den Menschen vollständig verwandeln.“ katholische Kirche, gemeinsam für Russland Zeugnis ablegen Dieses umfassende, alle Lebensbereiche an- müssen. In seinem Ort hat die katholische Kirche eine Kirche sprechende Kompendium der katholischen Sozial- im Gegensatz zu den Orthodoxen, die Finanzprobleme haben. lehre ist in seinem Aufbau, seinen Aussagen und Bischof Werth betonte obwohl nur 1% der russischen Bevölke- Erläuterungen sowie seiner Sprache ein gut lesba- rung katholisch ist, sind sie trotzdem ein Teil der russischen res und verständliches Werk. Auch der Umfang hält Seele. In St. Petersburg studieren zz. ca. 50 Seminaristen, aber sich in Grenzen, was das „Durcharbeiten“ erleich- das Priesterseminar zu erhalten ist sehr teuer. Hier hilft Kirche tert. Dem wissenschaftlichen Arbeiten kommt das in Not. Erstaunlich sei für ihn, wenn Priester im 18 Mio qkm umfangreiche Register der zitierten Stellen zugute. großen Sibirien immer wieder auf nahezu unbekannte Dörfer Das ebenso umfassende Sachregister erleichtert stießen, in denen gerade Frauen den Glauben aufrecht erhalten dem Nutzer das Auffinden einzelner Textpassagen haben, obwohl sie Jahrzehnte keine Priester gesehen haben. erheblich. Übrigens: Bischof Werth erzählte mir in einem Gespräch, Insgesamt gesehen ist das Kompendium ein gut dass er vor seiner Priesterausbildung zwei Jahre als Luftwaffen- gelungenes Werk, das in keinem christlichen, nicht soldat in der Luftverteidigung bei Moskau dienen musste. nur katholischen, Haushalt fehlen sollte. (bt) Eingerahmt wurde der Kongress von einer Reihe Gottes- Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden: dienste, so eine hl. Messe im syro-malankarischen Ritus, einer Kompendium der Soziallehre der Kirche, (Libreria Komplet mit Bischof Dr. Walter Mixa, einer feierlichen Marien- Editrice Vaticana 2004 – italienische Originalaus- andacht in der Päpstlichen Basilika St. Ulrich und Afra zu Ehren gabe). – Deutsche Ausgabe: Verlag Herder 2006, der hl. Maria von Guadalupe, der Patronin Lateinamerikas. ❏ Freiburg i. Breisgau, 543 S.

AUFTRAG 262 37 KIRCHE UND GESELLSCHAFT

ÖKUMENISCHER KIRCHENTAG 2010:

„Christsein in der Gesellschaft – ebenso wie die Deutschen Evangeli- schen Kirchentage 2007 in Köln und Christsein für die Gesellschaft“ 2009 in Bremen als Schritte auf dem Weg zum 2. Ökumenischen Kirchen- Startschuss zum 2. Ökumenischen Kirchentag – Einladung der Ortskirchen tag. Darüber hinaus haben die Präsi- dien der beiden Veranstalter ZdK ieben Jahre nach dem ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin und DEKT bestätigt, dass die für den werden der Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT) und das Ökumenischen Kirchentag 2003 ge- SZentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) im Jahr 2010 in fundenen Grundlagen der Zusam- München einen zweiten gemeinsamen Kirchentag durchführen. Auf einer menarbeit sich bewährt haben und Pressekonferenz am 10. März 2006 in München haben der Erzbischof auch die Basis für die gemeinsame von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter, und der Landesbi- Planung des 2. Ökumenischen Kir- schof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Johannes Friedrich chentages 2010 in München bilden ihre Einladung an die Veranstalter ausgesprochen. Der zweite Ökumeni- sollen.“ sche Kirchentag soll vom 12. bis 16. Mai 2010 in der bayerischen Haupt- Die beiden Bischöfe, Wetter und stadt zu Gast sein. Friedrich, unterstrichen bei der Pressekonferenz ausdrücklich die Aus Anlass der gemeinsamen rausragender Ort des Christlichen Gemeinsamkeiten der beiden Kir- Pressekonferenz in München erklär- Zeugnisses in unserem Land sein chen, die eine gute Grundlage für die ten die Präsidiumsdelegationen von und unserem Wunsch nach Einheit Vorbereitungen des Großereignisses ZdK und DEKT: der Christen Ausdruck geben. Er soll böten. So betonte der Münchener „Der Deutsche Evangelische vor Augen führen, dass Christen ei- Erzbischof: „ Die recht verstandene Kirchentag (DEKT) und das Zentral- nen wirksamen Beitrag zur Gestal- Ökumene muss ein Herzensanliegen komitee der deutschen Katholiken tung von Politik und Gesellschaft der Kirche sein.“ Ausdrücklich be- (ZdK) danken der Evangelisch-Lu- leisten und dass ihre Botschaft für rief sich Wetter auf Aussagen des therischen Kirche in Bayern und alle, die nach Sinn und Orientierung Zweiten Vatikanischen Konzils und dem Erzbistum München und in ihrem Leben suchen, eine glaub- der Päpste Johannes Paul II. und Freising, dass sie den 2. Ökumeni- würdige und verlässliche Hilfe ist. Benedikt XVI. Diesem Anliegen die- schen Kirchentag im Jahr 2010 nach Die beiden Laienorganisationen nen nach seiner Überzeugung auch München einladen und dieses Ereig- haben gemeinsam eine Arbeits- die ökumenischen Kirchentage. nis als Gastgeber auf vielfälltige gruppe „Auf dem Weg zum Zweiten Darüber hinaus hätten diese die be- Weise unterstützen. Ökumenischen Kirchentag“ einge- sondere Aufgabe, sich über das ge- Nach dem ersten Ökumenischen setzt, die unter dem Leitthema meinsame Zeugnis der Christen in Kirchentag, den DEKT und ZdK „CHRISTSEIN IN DER GESELLSCHAFT – den Herausforderungen der Welt zu 2003 in Berlin veranstaltet haben, CHRISTSEIN FÜR DIE GESELLSCHAFT“ ihre verständigen und die gemeinsamen wollen Christinnen und Christen ver- Arbeit vor kurzem bereits aufgenom- christlichen Werte in die öffentliche schiedener Konfessionen 2010 in men hat. Nach dem Katholikentag Auseinandersetzung einzubringen. München erneut gemeinsam ihren 2004 in Ulm und dem Evangelischen Der bayerische Landesbischof Glauben bekennen und ihre Verant- Kirchentag 2005 in Hannover verste- Friedrich zeigte sich überzeugt, dass wortung für die Zukunft von Kirche hen DEKT und ZdK miteinander die auf dem Ökumenischen Kirchentag und Welt bezeugen. Auch der 2. Deutschen Katholikentage 2006 in in München auch über alle theologi- Ökumenische Kirchentag soll ein he- Saarbrücken und 2008 in Osnabrück schen und ökumenischen Themen diskutiert werde. Er warnte aller- dings davor, das Ereignis mit Erwar- KURZ BERICHTET: „Papstrede ein großer Augenblick“ tungen an das gemeinsame Abend- er polnische Oberrabbiner Michal Schudrich und Israels Botschafter mahl zu überfordern. In diesem Din Polen, David Peleg, haben sich beeindruckt vom Besuch des Paps- Punkt sei er sich mit Kardinal Wetter tes in Auschwitz-Birkenau gezeigt. Von einem „großen Augenblick im Pro- einig. Das theologische Gespräch zess der Versöhnung zwischen Judentum und Christentum“ sprach zwischen den Kirchen sei noch nicht Schudrich. Er hoffe, dass der Papst aus Deutschland denselben Weg im so weit, dass eine solche Erwartung Kampf gegen den Antisemitismus gehen werde wie sein Vorgänger Johan- realistisch wäre. nes Paul II. Botschafter Peleg hob die Aussage des Papstes: „Die Machtha- Ausdrücklich betonten alle Be- ber des Dritten Reichs wollten das jüdische Volk als Ganzes zertreten, es teiligten die herzliche Einladung an von der Landkarte der Menschheit tilgen“, hervor. Es sei wichtig, in die kleineren Kirchen und christli- Auschwitz-Birkenau daran zu erinnern, sagte er, dass „95 Prozent derjeni- chen Gemeinschaften, sich an der gen, die ermordet wurden – mehr als eine Million – Juden waren“. Er hof- Vorbereitung und Durchführung des fe, dass die Papst-Rede als „wichtige Botschaft an die internationale Ge- 2. Ökumenischen Kirchentages zu meinschaft“ verstanden werde, dass Antisemitismus nur in einer weltwei- beteiligen. ten Anstrengung besiegt werden könne. (KNA) (ZdK – SALZkörner, 27.04. 2006)

38 AUFTRAG 262 KIRCHE UND GESELLSCHAFT Frankreich: Kirchen unter dem Gallischen Hahn ie Zukunft des Gesetzes zur schöfe nach eigenem Bekunden ganz Beitrag zur nationalen Einheit leisten Trennung von Kirche und gut leben können. Regelmäßig wer- kann. Religionsgemeinschaften spie- DStaat in Frankreich ist – 100 den Vertreter der Kirchen und religi- len eine wachsende Rolle beim Zu- Jahre nach dem Inkrafttreten der ösen Denominationen von hohen und sammenleben der verschiedenen Be- „Separation des Eglises et de l’Etat“ höchsten staatlichen Repräsentanten völkerungsgruppen. Ricard zielte mit im „Code Civile“ am 9. Dezember empfangen. Die katholischen Privat- seinen Äußerungen nicht zuletzt 1905 – ungewiss. In der Pariser schulen werden nicht länger ideolo- auch auf die jüngsten gewaltsamen Zentralregierung gehen die Meinun- gisch angegriffen. Auch Fragen wie Unruhen in den französischen Vor- gen über die Notwendigkeit einer die Seelsorge in den Gefängnissen städten. Politik und Medien, aber Gesetzesreform auseinander. Auch oder in den Streitkräften sind im bei- auch Vertreter des Islam versuchten, die Kirchen und Religionsgemein- derseitigen Einvernehmen geregelt. so der Erzbischof von Bordeaux, die schaften im Land, von dessen knapp Frankreichs katholische Kirche, Rolle der Religion dabei herunterzu- 62 Millionen Einwohnern laut Statis- auch wenn sie nicht zu den wohlha- spielen. tik 51 Millionen oder 82 Prozent Ka- benden in Europa gehört, verfügt of- Dass indes das Zusammenleben tholiken sind, vertreten in dieser Fra- fenbar über ausreichende Mittel, um in Frankreich zunehmend auch von ge keine einheitliche Meinung. zum Beispiel Gotteshäuser auch religiösen Fragen geprägt wird, ist of- Vor allem Innenminister Nicolas ohne staatliche Zuschüsse zu errich- fenkundig. Daraus resultierende Sarkozy (UMP), der sich als ein ten. Sie befürchtet von einer Neu- Schwierigkeiten hat vor allem der Nachfolgekandidat von Staatspräsi- regelung eher Nachteile. Streit um die Einführung eines Ver- dent Jacques Chirac für die Präsi- Frankreichs protestantische Kir- bots auffälliger religiöser Symbole dentschaftswahl 2007 präsentiert, chen hingegen, die 1,1 Mio. Menschen gezeigt. In dem im Herbst 2004 ein- strebt eine Änderung des Gesetzes (1,8 % der Bevölkerung) vertreten, geführten Gesetz, das neben dem an. Sein Ziel ist es, künftig staatliche bejahen eine Gesetzesnovelle. Ihr Kopftuch für muslimische Mädchen Zuschüsse für Religionsgemein- größter Zusammenschluss ist die und Frauen auch Turbane der Sikhs, schaften zu ermöglichen. Sarkozy „Federation protestante de France“ große Kreuze der Christen oder die stört, dass viele französische Mo- (FPF), die zusammen 900.000 Mit- Kippa der Juden untersagt, sieht der scheen von häufig undurchschauba- glieder zählen. Rund 4,8 Mio. Franzo- türkische Ministerpräsident Recep ren ausländischen Finanziers abhän- sen (7 %) bekennen sich zum Islam, Tayyip Erdogan einen der Haupt- gig sind. Ihm schwebt vor, den Bau die Juden stellen in der Bevölkerung gründe für die Unruhen in den Ban- von Moscheen zu subventionieren, einen Anteil von etwa 0,8 %. Die pro- lieues. Damit rief er einhelligen Pro- um damit politischen Einflüssen von testantischen Kirchen versprechen test in Frankreich hervor. Paris be- außen entgegenzuwirken. Eine von sich von einer Gesetzesreform eine tont, dass landesweit nur vier Dut- Sarkozy eingesetzte Kommission, die Lösung ihrer vor allem auf Grund der zend Schulverweise ausgesprochen mit einer Modernisierung des Geset- dezentralen Gemeindestrukturen ent- wurden, weil muslimische Schüler- zes beauftragt ist, soll bis Juni 2006 stehenden Probleme. Die Protestan- innen nicht auf das Kopftuch ver- Ergebnisse vorlegen. ten stoßen in den Regionen immer zichten wollten. Doch selbst wenn das Gremium, wieder bei Behörden auf Schwierig- Für Kenner der Verhältnisse ist dem vor allem Juristen, Wissen- keiten, etwa bei Bauanträgen. Ebenso offenkundig, dass Frankreichs Gesell- schaftler und Politiker angehören, haben sie – wie auch die Muslime – schaft mehr tun muss, um ein friedli- eine Neuregelung befürworten sollte, Probleme bei der Betreuung inhaftier- ches Zusammenleben der Religions- ist damit noch nicht sicher gestellt ter Religionsanhänger; vor allem isla- gemeinschaften zu erreichen. Schon dass es auch zur Verabschiedung ei- mische Repräsentanten monieren auf vor den Kontroversen um das „Kopf- ner Gesetzesreform kommen wird. diesem Gebiet ein völlig unzureichen- tuchgesetz“ gab es – etwa während Chirac wie auch Premierminister des Handeln des Staates. der Hochphase der 2. Intifada in den Dominique de Villepin (UMP) haben Noch bei der Herbstvollversamm- Palästinensergebieten – eine Flut an- sich bereits gegen Änderungen aus- lung der Französischen Bischofskon- tisemitischer Übergriffe. Immer wie- gesprochen. Damit wird eine endgül- ferenz Mitte November in Lourdes der werden auch Moscheen Ziel von tige Antwort erst möglich sein, wenn hatte der Episkopats-Vorsitzende, Brandanschlägen oder Schmierereien. die Machtkämpfe in der regierenden Erzbischof Jean-Pierre Ricard, dafür Und selbst christliche Friedhöfe und „Union pour la majorite presiden- plädiert, den Kompromiss des seit Gotteshäuser werden nicht verschont. tielle“ (UMP), dem 2002 zur Unter- 100 Jahren geltenden Gesetzes nicht Zögernd gestehen französische Politi- stützung der Wiederwahl Chiracs ge- anzutasten. Die katholische Kirche ker und Fachleute ein, dass ein bloßes gründeten Bündnis von Rechts- und muss allerdings einsehen, dass die Abdrängen des Religiösen in die Mitte-Rechts-Parteien, für die eine republikanischen Werte der Grand Privatsphäre keine angemessene Ant- oder andere Seite beendet sind. In Nation immer „zerbrechlicher“ wer- wort ist. Daher soll künftig in den den vergangenen 100 Jahren hat sich den. Bislang stellen die Bischöfe staatlichen Schulen, an denen es kei- vor allem zwischen der katholischen aber den Laizismus des Staates nicht nen Religionsunterricht gibt, zumin- Kirche und dem Staat ein Gleichge- in Frage. Sie drängen jedoch darauf, dest das Faktum Religion verstärkt wicht eingependelt, mit dem die Bi- dass ihre Kirche einen katholischen zum Thema gemacht werden. (KNA)

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OSTERN AUF DEM BALKAN: Blick über den Tellerrand! Ostern auf dem Balkan!

VON STEFAN NÜß LE

n Ostern, dem ältesten und bezüglich der genauen Festlegung von Ulm in Richtung Balkan an. theologisch bedeutsamsten des Ostertermins waren aber mit dem Über Österreich erreichte ich am Os- AFest der Christenheit, feiern Beschluss von Nicäa noch nicht be- termontag Slowenien, ein Land, in alle Christen die Auferstehung Jesu, seitigt, da auch die genaue Festle- dem das Christentum bereits seit frü- jedoch zu verschiedenen Zeiten. Der gung des ersten Frühjahrsvollmondes hester Zeit durch die Marienver- Frage, wann denn das richtige Oster- einige Probleme mit sich brachte. ehrung charakterisiert wird, was sich datum ist, stellte sich die Kirche Erst Anfang des 6. Jhs. setzte der rö- auch in der Tatsache widerspiegelt, schon seit frühester Zeit. Seit damals mische Abt Dionysius Exiguus auf dass die erste (im 8. Jh.) auf sloweni- gibt es unterschiedliche Berechnun- Veranlassung von Papst Johannes I. schem Boden gebaute Kirche der gen im Osten und im Westen. Bereits die Berechnung aus Alexandria Gottesmutter geweiht wurde. um das Jahr 150 versuchten der Bi- durch. Hier, nahe den Karawanken, be- schof von Smyrna (Polykarpos) und Primär aus den bereits genann- suchte ich den Wallfahrtsort Brezje, der Papst von Rom (Aniketos) dies- ten Fakten und der Tatsache, dass den bedeutendsten aller sloweni- bezüglich eine gemeinsame Lösung die Orthodoxe Kirche für die Berech- schen Wallfahrtsorte, in welchem zu finden, jedoch ohne Erfolg. nung des Osterdatums den juliani- seit der Ankunft der Franziskaner im Gesamtkirchlich wurde die Angele- schen Kalender benutzt, im Gegen- Jahre 1898 die Pilgerzahl stetig an- genheit dann in dem durch den römi- satz zu den westlichen Kirchen, die steigt. schen Kaiser Konstantin I. einberu- den gregorianischen Kalender an- Der Erzbischof von Ljubljana, fenen, ersten ökumenischen Konzil wenden (der von Papst Gregor XIII. Franc Rode (Papst Benedikt XVI. hat von Nicäa (dem heutigen 0znik in der im Jahre 1582 im Westen eingeführ- Erzbischof Franc Rode im I. Quartal Türkei) im Jahre 325 behandelt, bei te Kalender unterscheidet sich um 2006 zum Kardinal ernannt), erklär- welchem beschlossen wurde, dass 13 Tage), resultiert der meist unter- te das dort befindliche Gotteshaus das Osterfest am ersten Sonntag nach schiedliche Ostertermin für die Maria-Hilf, welchem Papst Johannes dem Frühjahrsvollmond gefeiert wer- Christen der Lateinischen und der Paul II. im Jahr 1996 den Ehrentitel den muss. Ferner wurde festgelegt, Orthodoxen Kirche. Basilika verlieh, im Jahre 2000 zum dass die Kirche von Alexandrien In der jüngsten Vergangenheit slowenischen Nationalheiligtum. (damals das wichtigste astronomi- konnten die Christen der verschiede- Über Kumrovec, wo ich das Dorf, sche Zentrum der Welt) diesen Sonn- nen Konfessionen im Jahre 2001 und in welchem sich das Geburthaus von tag berechnen und allen anderen 2004 am selben Tag die Auferste- Josip Broz (Tito) befindet, besichtig- Kirchen mitteilen solle. hung Jesu von Na- te, ging meine Reise über die kroati- Dies geschah durch die zareth von den To- sche Hauptstadt, in der ein Besuch Osterbriefe, die neben ten feiern. Bis des Domes im Erzbistum ein absolu- wichtigen Themen das zum Jahre 2020 tes Muss ist, weiter nach Vukovar. Osterdatum beinhalteten. ist dies noch in In der an der Donau gelegenen Die Schwierigkeiten den Jahren 2007, und im Krieg Anfang der 90er Jahre 2010, 2011, 2014 sehr stark zerstörten Stadt gibt es ein und 2017 mög- Franziskanerkloster, zu dessen Be- lich. wohnern (und natürlich auch zu den Die Gegeben- Bürgern der Stadt) die Stadt Ulm und heit, dass im Jahr hier besonders die Kirchengemeinde 2006 das orthodo- Sankt Michael zu den Wengen schon xe Osterfest eine seit vielen Jahren einen freund- Woche später ge- schaftlichen Kontakt pflegt. feiert wurde, Über Tuzla, Pale und Sarajevo konnte ich nun dazu nutzen, (an einem Besuch der bosnischen einmal, ohne auf das Osterfest Hauptstadt führt natürlich kein Weg in der vertrauten Gemeinde zu vorbei) ging die Reise nun in Rich- verzichten, einen Blick über tung Serbien weiter. den Tellerrand zu wagen. Nach Nach einem kurzen Aufenthalt in dem Gottesdienst am Oster- Višegrad, bei welchem ich neben sonntag trat ich meine Reise dem Haus des Schriftstellers Ivo Andriæ (zu seinen wohl bekanntes- Kathedrale in Brezje, dem bedeu- ten Werken zählt das Buch „Die Brü- tensten Wallfahrtsort Sloweniens, cke über die Drina“) die aus dem 16. mit Maria-Hilf-Altar Jh. stammende, bereits genannte

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Brücke (Foto r.o., im Vordergrund wodurch Vladislav seine der Autor), welche einst die wichtigs- Position als serbischer te Verbindung zwischen Rom und Herrscher immens ver- Byzanz, zwischen Religionen, Staa- stärkte und das Kloster ten und Völkern war, passierte, er- zum wichtigsten kirchli- reichte ich ein paar Stunden später chen Zentrum des mittelal- das Gebiet im westlichen Serbien, terlichen Serbiens wurde. zwischen den Städten U•ice und Selbst noch nach dem Èaèak, das von den dort lebenden Zerfall des serbischen Menschen schon gerne mal mit etwas Staates der Nemanjiden im Stolz als „Klein-Athos“ bezeichnet Jahre 1371 versuchten die wird, da sich hier auf sehr engem darauf folgenden Herrscher Fotos Raum eine größere Anzahl von Klös- (serbische wie nichtserbi- tern und Kirchen befindet. Hier war sche) sich über die Grab- es mir vergönnt, am (orthodoxen) stätte mit der Tradition der Karfreitag den Gottesdienst in einem ruhmvollen Dynastie zu Nonnenkloster zu besuchen, wel- schmücken. So ließ sich cher, neben der dortigen Herzlich- der Nachkomme in der keit und Gastfreundlichkeit der weiblichen Linie der Ne- Gläubigen, durch den feierlichen manjiden, der bosnische Gesang der Anwesenden ein beson- Banus Tvrtko I., in der be- deres Erlebnis darstellte. Am Tage sagten Außenvorhalle im darauf hatte ich dann die Gelegen- Jahre 1377 zum „König heit das Kloster •ièa, das der Serbiens und Bosniens“ Krönungsort der ersten serbischen krönen. Ferner nannte sich Könige und der Sitz der ersten serbi- Stefan Vukèiæ Kosaèa, der schen Erzbischöfe war, zu besichti- Mitte des 15. Jhs. dieses gen. Nun war ich meinem eigentli- Territorium zu seinem Herr- chen Ziel, dem Kloster Mileševa schaftsgebiet zählte, Her- (Foto r. Mitte), welches sich unweit zog von Sankt Sava und der Stadt Prijepolje befindet, nicht auch der serbische Herrscher Stefan das Kloster, das zu Recht als eine Art mehr allzu fern. Dieses Kloster, eine Lazareviæ (Sohn des 1389 in der Ausgangspunkt des serbischen geis- Stiftung des Prinzen Vladislav, der Schlacht auf dem Amselfeld gefalle- tigen Erwachens im 16. Jh. bezeich- spätere König Vladislav (Prinz nen serbischen Fürsten Lazar net werden kann, am Ende des 16. Vladislav war der zweite Sohn von Hrebeljanoviæ) schenkte diesem Jhs. die Ungnade des osmanischen Stefan Nemanjiæ), ist neben dem Kloster große Aufmerksamkeit, da er Machthabers, des Groswesirs Sinan Kloster Studenica, eines der bedeu- Mileševa im Jahre 1405 eine Schen- Pascha, der im Jahre 1594 die Ge- tendsten Klöster in Serbien bzw. in kungsurkunde ausstellte, in der er beine des Heiligen Sava aus dem Südosteuropa, da es als Grabstätte ausdrücklich seine Herrscherkonti- Kloster entnehmen und auf dem Feld des Heiligen Sava, des ersten Erzbi- nuität mit den Nemanjiden betonte. Vracar in Belgrad (auf diesem Platz schofs von Serbien, bestimmt wurde. Auch nach der Eroberung durch steht heute die Kathedrale des Heili- Während seiner Heimkehr aus dem die Osmanen hat das Kloster, wel- gen Sava: Abb. s. S. 42 o.) öffentlich Heiligen Land starb der serbische ches im 15. und 16. Jh. als mächtigs- verbrennen ließ. Ferner wurde das Erzbischof am 14.01.1236 in tes serbisches Kloster galt, noch eini- Kloster geplündert, was im Jahre Tarnovo, der damaligen Hauptstadt ge Jahre seinen Ruhm und seinen 1688 noch einmal geschah. An- von Bulgarien. Reichtum bewahrt, was neben seiner schließend wurde es in Brand ge- Im Bewusstsein der großen Be- geographischen Lage wohl auch auf setzt. Erst im Jahre 1868, nachdem deutung seiner Gebeine wurde er auf die guten Handelsbeziehungen zu das ganze Stift restauriert worden Anordnung des bulgarischen Kaisers Italien und dem Stadtstaat Dubrov- war, wurde die Kirche Christi Him- (Ivan Asen II.) dort in der höchstan- nik sowie den geistigen Beziehungen melfahrt wieder feierlich eingeweiht. gesehenen Kirche (Kirche der Heili- zu den Ländern Russland und Mol- Die Entscheidung, bezüglich des gen vierzig Märtyrer von Sebaste) be- dawien zurückzuführen ist. orthodoxen Osterfestes „einen Blick stattet. Der serbische Herrscher, Kö- In dieser Zeit, in der das Kloster über den Tellerrand“ in diesem Klos- nig Vladislav, musste damals selbst bis zu 200 Mönche zählte, wurde es ter zu wagen, fiel angesichts der im nach Tarnovo reisen, um nach langen Bischofssitz der Herzegowina. Dieses Vorfeld aufgeführten Besonderheiten Verhandlungen die Gebeine in einer Bistum, das ganz besondere Missi- des Stiftes nicht schwer. Umso mehr feierlichen Zeremonie nach Serbien, onsaufgaben hatte, nachdem auf sei- freute ich mich natürlich, als mir die ins Kloster Mileševa überführen zu nem Gebiet die Einflüsse verschie- zuständige Nonne (Mileševa wurde können, in welchem die Gebeine in dener Religionen zusammentrafen, noch bis vor ein paar Jahren von der unmittelbar zuvor angebauten trug auch im Jahre 1557 an der Er- Mönchen bewohnt) schon kurz nach Außenvorhalle der Kirche der Him- neuerung der Serbischen Kirche als meiner Ankunft mitteilte, das mei- melfahrt Christi bestattet wurden, Patriarchat, viel bei. Leider erfuhr nem Wunsch, das Osterfest in die-

AUFTRAG 262 41 KIRCHE UND GESELLSCHAFT

sem Kloster mitzufeiern, statt- dann am Morgen des Ostersonntages geben wurde. in und um das Kloster miterleben Nach dem „Begrüßungs- durfte, machte diesen Exkurs in die kaffee“ und dem Beziehen der Orthodoxie zu einer ganz besonderen Unterkunft hatte ich nun ne- Erfahrung und Bereicherung, welche ben der Besichtigung der ich nicht missen möchte. Klosteranlage und der Kirche Nach einem festlichen Mittages- der Himmelfahrt Christi mit sen und unter Mitgabe allerlei Köst- ihren zahlreichen Fresken lichkeiten für unterwegs (der Reise- (darunter auch der „Weiße proviant war weit mehr als üppig) Engel“, eine der bedeutends- verabschiedete ich mich von meinen ten Fresken in Serbien) und Gastgebern und setzte meine Reise Ikonen auch die Möglichkeit, in Richtung Bosnien fort. die Außenhalle mit der darin Hier besuchte ich das Mahnmal befindliche Grabstätte des in Potocari und die wenige Kilometer Heiligen Sava zu besuchen. davon entfernte Stadt Srebrenica, Ein abschließender abendli- welche, wie wohl kaum ein anderer cher Spaziergang in der idylli- Ort in Bosnien und Herzegowina, in schen Umgebung des am Ufer den 90er Jahren traurige Bekannt- des Flüsschens Mileševska ge- heit erlangte (s. Foto l.u.). legenen Stiftes brachte dann Über Kroatien, Slowenien und diesen erlebnisreichen Tag Österreich trat ich nun meine Rück- zum Ausklang. reise so zeitgerecht an, dass ich, zu- Der feierliche Gottesdienst sammen mit den Mitgliedern und in der gut besuchten Kirche, Mitarbeitern des GKS-Kreises Dorn- das anschließende Gespräch stadt, am Abend des 25. April im Ho- mit den Gläubigen, welche hen Dom zu Augsburg den Dankgot- zum Teil sehr weite Wege auf tesdienst anlässlich des 65. Geburts- sich genommen hatten, sowie tages unseres Diözesanbischof Dr. die Atmosphäre, welche ich Walter Mixa mitfeiern konnte. ❏

Athos – Mönchsrepublik und Heiliger Berg der Orthodoxie

VON STEFAN NÜß LE n Griechenland, auf dem östlich- zwungen, an der Stelle, an der sich Aufenthaltsgenehmigung für die sten Finger der Halbinsel Chalki- heute das Kloster Iviron befindet, Mönchsrepublik unbedingt erforder- Idiki (Abb. u.), befindet sich die kurzfristig Schutz zu suchen. Beein- lich sind (Frauen ist der Zutritt seit Mönchsrepublik Athos, auf welcher druckt von der Schönheit des Ortes dem 11. Jh. strikt untersagt), reiste der gleichnamige 2.033 Meter hohe bat sie Gott, ihr den Berg Athos als ich auf dem Landwege über den Bal- Heilige Berg Athos (Agion Oros) em- Geschenk zu geben. Daraufhin habe kan an und konnte somit noch, neben porragt. Gott gesprochen: „Dieser Platz soll meinem Besuch im Kloster Deani Einer Legende nach wurde die dir gehören, als dein Paradiesgarten (nahe der Stadt Pe im Kosovo, be- Jungfrau Maria in Begleitung des und Hafen für jene, die Errettung su- deutender Kirchenbauten des 14. Evangelisten Johannes, auf ihrer chen.“ Seit damals wird Athos daher Jhs., 2004 von der UNESCO zum Reise nach Zypern zum Besuch von als „der Garten der Jungfrau Maria“ Weltkulturerbe erklärt), die Gele- Lazarus, wegen eines Sturmes ge- betrachtet. Seit über tausend Jahren genheit nutzen, bei Militärpfarrer ist er die Heimat von Mönchen, Siegfried Weber auf dem Airfield in welche ihr Leben der Verehrung Prizren den Gottesdienst zum Hoch- Gottes und der Heiligen Jung- fest der Apostel Petrus und Paulus frau Maria gewidmet haben. mitzufeiern. Durch die in der 2. Hälfte des 9. Ein paar Tage später erreichte Jhs. von Basileios I. (Kaiser von ich dann (die Anreise der Pilger er- Byzanz) ausgestellte Urkunde folgt mittels einer Fähre) über die (die „Goldene Bulle“) wurde Hafenstadt Dafni, die Stadt Karies, die Halbinsel Athos offiziell als das heutige Verwaltungszentrum der „Stätte des Mönchtums“ be- Mönchsrepublik, von wo aus ich mei- stimmt. ne Reise zu den Klöstern antrat. Nach einigen Vorbereitun- In dem autonomen, aber nicht gen, welche zum Erhalt der souveränen orthodoxen Klosterstaat

42 AUFTRAG 262 KIRCHE UND GESELLSCHAFT

Die zum Kloster Pantokratoros gehörende Skite Prohitis Ilias

(die Flagge der Mönchsrepublik er- innert mit dem darauf abgebildeten Doppeladler sehr stark an die alte byzantinische Flagge), welcher sich über eine Fläche von 336 km² er- streckt und in dem derzeit ca. 2.000 Mönche koinobitisch (Leben in der Gemeinschaft) und nach dem juliani- schen Kalender (der unserem grego- rianischen Kalender um 13 Tage „hinterherhinkt“) leben, gibt es heu- te 17 griechisch-orthodoxe, ein bul- garisch-orthodoxes, ein russisch-or- thodoxes und ein serbisch-orthodoxes Kloster (die Gesamtzahl wurde 1924 gesetzlich auf 20 festgelegt), von de- samen Gebet, die zur Verfügung ste- fenheit, mit der die Mönche den Pil- nen das im Jahre 963 gegründete hende Zeit, um im Gespräch mit den gern gegenübertreten, war sehr be- Kloster Megistis Lavra das älteste Mönchen die Unterschiede aber auch eindruckend. Diese äußerst positiven (den Grundstein soll der bedeutends- die Gemeinsamkeiten der beiden Impressionen wurden zeitgleich te Begründer des koinobitischen Glaubenslehren (Orthodox und Ka- durch die faszinierende Schönheit Mönchstums, der Heilige Athanasios tholisch) in Erfahrung zu bringen. der weitestgehend unberührten Na- Athonites gelegt haben) und größte Ferner waren die Mönche auch tur, in der die Pilger auf den zum Teil Kloster ist. Zusätzlich existieren gerne zu einer Führung durch das sehr unwegsamen Pfaden und Wegen noch mehrere Skiten (Mönchsdörfer) Stift bereit, bei der ich ausführlich zwischen den einzelnen Klöstern, und Kellien (Zellen), welche den über die Geschichte der Halbinsel, Skiten und Kellien wandern, unter- Klöstern, zumindest optisch, zum der Klöster bzw. Skiten und Kellien mauert, obwohl ich zugeben muss, Teil sehr ähnlich sehen, deren (von der Gründung/Entstehung bis dass ich über ein paar Schlangen we- Rechtsstellung sich aber erheblich zur Gegenwart), die hierarchische niger, welche meine Wege kreuzten, von der Rechtsstellung der Klöster Rangfolge, das Typikon (Kloster- auch nicht unglücklich gewesen unterscheidet. In den kommenden verfassung), die Bedeutung der wäre. Der Aufenthalt und die daraus vier Tagen (der Aufenthalt in der Wandmalereien und Ikonen und resultierenden Begegnungen und Mönchsrepublik ist auf vier Tage/ nicht zuletzt über die Arbeiten und Eindrücke, welche die Pilger in die- drei Übernachtungen begrenzt) wur- Dienste, welche von den Mönchen ser besonderen Stätte des Glaubens, de mir nun ein Einblick in den ortho- wahrgenommen werden, unterrichtet die von der Lebendigkeit des mön- doxen Glauben und das Leben der wurde. chischen Ideals in der orthodoxen Mönche, deren Tagesablauf (3 x 8 Das hohe Maß an Gastfreund- Kirche zeugt, erfahren dürfen, ist ein Stunden) in Gebet, Arbeit und Ruhe schaft, das ich in diesen vier Tagen Erlebnis der besonderen Art, wel- eingeteilt ist und in den meisten in der Mönchsrepublik in den von ches hoffentlich auch zukünftigen Klöstern nach der byzantinischen mir besuchten Stiften erfahren durfte Generationen als Pilgerstätte und Uhrzeit berechnet wird, gewährt. Ne- (selbst Unterkunft und Verpflegung nicht als touristisches Reiseziel er- ben den allgemeinen Sitten und sind generell kostenlos) und die Of- halten bleibt. ❏ Bräuchen sowie den grundsätzlichen Bestimmungen, welche auch das Tragen von dezenter Bekleidung be- inhalten, hat jedes Kloster seine ei- genen Regeln, die dem Besucher nach dem Vorzeigen seiner Aufent- haltsgenehmigung (Diamonitirion), auf welcher Name, Vorname, Konfes- sion und Beruf etc. ersichtlich sind, durch den Archontaris (Gastmeister) bei einem Likör, Kaffee oder Tee und einigen Süßigkeiten mitgeteilt und erklärt werden. Jeweils im Anschluss an diese Einweisung nutzte ich dann, neben der Gelegenheit zum gemein-

Das griechisch-orthodoxe Kloster Pantokratoros (Fotos S. Nüßle)

AUFTRAG 262 43 CHRISTLICHES ZEUGNIS Widerstandsethik und Gewissenskonflikt Widerstand gegen den Machtmissbrauch des Nationalsozialismus am Beispiel des österreichischen Kaplans Heinrich Maier (* 16. Februar 1908 † 22. März 1945)

VON JOHANNES MICHAEL SCHNARRER Fragende Menschen stärksten, abgesehen von kleinen Wie alle zentralen historisch-po- Was muss in einem Menschen Gruppen wie den Zeugen Jehovas, litischen Begriffe ist der Terminus vorgehen, der als Seelsorger sozu- gegen die Katholiken, bei denen der der Diktatur im Laufe seiner über sagen in der ersten Reihe steht, und Widerstand am weitesten verbreitet zweitausendjährigen Anwendung ei- tagtäglich mit einer Diktatur zu war und auch im Laufe der Jahre (ne- nem Bedeutungswandel unterworfen, kämpfen hat, die ihm wie vielen sei- ben den Juden) die meisten Opfer der eine Unterscheidung zwischen ner Mitmenschen auch, die Würde forderte: „Nationalsozialistische und den geschichtlichen Formen und und die Menschenrechte abspricht? christliche Auffassungen sind unver- dem politischen Inhalt erforderlich Wie lange kann man bei Unrecht zu- einbar“ (Bormann). Hitler selbst, der macht. Im Verständnis der letzten schauen? Wann übt der Widerstand aus der katholischen Kirche weder Generationen bezeichnet Diktatur gegen die Ideologie einen so menta- austrat noch ausgestoßen wurde, ganz allgemein die unbeschränkte len Druck aus, dass man sogar bereit hielt sich dabei zurück und schloss Machtverfügung eines Einzelnen, ei- wird, sein eigenes Leben dafür einzu- sogar um des guten äußerlichen Ein- ner Gruppe oder Partei über den setzen? Können wir uns heute in der drucks willen im Sommer 1933 ein Staat. Diktatur wird vor allem als relativ demokratischen, freien und Konkordat mit dem Papst ab, der in Gegenbegriff zum Grundansatz der offenen Gesellschaft überhaupt noch der Hoffnung auf eine vertraglich ge- Demokratie benutzt. Im Diktatur- hineinversetzen in ein Leben des sicherte Glaubensfreiheit bis heute begriff steckt eine gewisse Ambiva- Zweiten Weltkriegs, wo viele Funkti- für viele Menschen überraschend lenz, nämlich die Doppeldeutigkeit onäre nach zwölf Jahren der Diktatur und verwirrend verständigungsbereit als konstitutioneller oder revolutio- bereits aufgegeben hatten? Wie weit war, obwohl die Kirche gleichzeitig närer Macht- und Herrschaftstermi- darf und soll der Widerstand gehen? in jeder Weise verfolgt wurde. Offen- nus. Welche Gewissensbildung ist nötig, bar meinte der Papst in Rom, dass Die Übersteigung einer verfas- um nicht in Apathie zu verfallen, die Dinge dann besser würden, wenn sungsmäßigen Diktatur zur totalitä- sondern die Aktion zu wagen...? er einen Vertrag in Händen hielt. ren Willkürherrschaft eines keiner Aber er hatte es in Hitler mit einem Kontrolle mehr unterworfenen Füh- Die Zeit des Nationalsozialismus Schurken zu tun, der erst später sein rers und seiner Monopolpartei er- Der Totalitätsanspruch der Par- wahres Gesicht zeigte und den Zwei- scheint als Extremfall der Gefahren, tei (NSDAP) von der Staatsspitze bis ten Weltkrieg begann. Viel härter die in den Notstands-, Ausnahme- zum kleinsten Funktionär und Ho- und direkter ging es an der Basis zu, oder Diktaturbestimmungen demo- heitsträger stieß dort, wo er nicht ter- in den einzelnen Pfarren wurden die kratischer Verfassungen zwangsläu- roristisch auftrat, nur auf geringen Priester von den Gläubigen gedrängt, fig enthalten sind. Wo immer der ver- Widerstand, der bei Kommunisten Zeichen zu setzen, klare Worte gegen fassungsmäßige Zustand zum Zweck und Katholiken noch am stärksten das Regime zu finden, was in Wien- einer Wiederherstellung oder der war. Die Masse des Volkes in fast al- Gersthof Dr. Maier auch tat! Dabei Rettung des Staates unterbrochen len Schichten fügte sich leichter, was folgte er seiner ehrlichen und wahr- wird, ist jene Gefahr eines schein- den Triumpfzug Hitlers auch durch haftigen Einstellung, die ihn zum Be- legalen oder auch illegalen Um- Österreich deutlich vor Augen führen kenner für die Menschenwürde wer- schlags von der eingeschränkten zur sollte. Dessen Propaganda ließ durch den ließ. Vor allem aber konnte er uneingeschränkten, permanenten geschickte Formulierungen und Ab- die Jugend begeistern, wie Wolfgang Diktatur gegeben. Freilich sagt die stimmungen eine weithin positive Schmitz erzählt. formale Bestimmung der Diktatur Reaktion aus dem Volke zutage tre- noch nichts über ihre tatsächliche ten. Hitler erzielte schließlich, be- Merkmale der Diktatur Gestalt aus. Sie kann sich auf eine günstigt von der internationalen Menschen, die nie in einer Dik- einzige Partei (Einparteiendiktatur), Wirtschaftsentwicklung bedeutende tatur leben mussten, fällt es schwer, auf das Offizierskorps (Militärdikta- Erfolge im Kampf gegen Arbeitslo- heute über diese extremistische tur), aber auch auf geistig-gesell- sigkeit und Wirtschaftskrise, doch zu Staatsform nicht nur nachzudenken, schaftliche Mächte (Wirtschaft, In- welchem Preis? Zum Preis des Zwei- sondern vor allem auch ihre wesen- telligenz, Bürokratie) stützen. Im ten Weltkrieges! hafte Züge zu begreifen. Von daher Dritten Reich trat die Diktatur immer Da die Christen jeder Konfession erscheint es an diesem Punkt not- offener zutage, je länger der Krieg und Denomination Hitlers Politik ab- wendig, das Umfeld einer Diktatur, dauerte.1 lehnen mussten, wandte sich die Par- die Kaplan Maier damals erlebte, ein tei auch gegen das Christentum am wenig zu beleuchten. Fortsetzung auf Seite 46

44 AUFTRAG 261 WIDERSTAND UND GEWISSEN

Lebensbild des Priester-Märtyrers DDr. Heinrich Maier einrich Maier, geboren am 16. Februar 1908 in Großweikersdorf (Niederösterreich) als Sohn Hdes Beamten der Österreichischen Staatseisen- bahn Heinrich Maier und seiner Ehefrau Katharina, besuchte wegen der Dienstversetzung seines Vaters, die humanistischen Gymnasien in St. Pölten und Leoben (Steiermark), trat nach der Matura (Abitur) 1926 ins Wiener Priesterseminar ein und studierte während der Jahre 1926 bis 1928 an der Katholisch- Kaplan Heinrich Maier im März 1944 nach Fotos aus Theologischen Fakultät. Von 1928 bis 1930 widmete der erkennungsdienstlichen Kartei der Gestapo Wien. er sich als Germaniker an der Gregoriana in Rom dem (Quelle: www.stephanscom.at) Studium der scholastischen Philosophie und erwarb ten Geheimdiensten. Letzteres geschah mit der Ab- dort den Titel eines „Dr. phil.“ 1930 nahm er sein sicht, die einsetzenden alliierten Bombenangriffe auf Theologiestudium an der Universität Wien wieder auf Rüstungsbetriebe zu lenken, um ein Bombardement und wurde am 24. Juli 1932 im Wiener Stephansdom der Wohnviertel möglichst zu verhindern. Die „Maier- zum Priester geweiht. Messner-Gruppe“ – ihr gehörten neben Kaplan Maier Seit dem 1. Oktober 1932 war Dr. Heinrich Maier auch der Semperit-Generaldirektor Dr. Franz Josef in der Pfarrei Schwarzau im Steinfeld als Seelsorger tä- Messner, der Arzt Dr. Josef Wyhnal und der Student tig, seit dem 1. September 1934 in Mödling, wo er nach Hermann Klepell, Sohn des sozialdemokratischen Be- dem Tode des dortigen Pfarrers (18. März 1935) die zirksvorstehers von Wien-Währing, an – wollte den verwaiste Pfarrei bis in den Sommer provisorisch leite- Sturz des nationalsozialistischen Terrorregimes und ar- te. Mit dem 1. September 1935 folgte er seiner Beru- beitete auf die Wiederherstellung Österreichs unter fung an die Pfarrei Gersthof-St. Leopold in Wien- gleichberechtigten Völkern Europas hin. Währing. Während der ersten Kriegsmonate, am 1. De- Mit Beginn des Jahres 1944 jedoch wurde ihrer zember 1939, wurde Kaplan Maier auch zum Kirchen- selbstlosen, patriotischen Tätigkeit ein jähes Ende be- rektor der Kapelle „Zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit“ reitet. Am 15. Januar wurde Caldonazzi verhaftet, am (heute Johann-Nepomuk-Kapelle) bestellt. 28. März Kaplan Maier – nach dem Gottesdienst direkt Seiner Begabung und Neigung nach zog es Hein- in der Sakristei der Gersthofer Pfarrkirche –, in den fol- rich Maier besonders zur studierenden Jugend hin. genden Tagen nahezu alle Mitglieder der Maier-Mess- Deshalb wollte er sich vor allem dem Religionsunter- ner-Gruppe. Nach brutalen Verhören im Gestapo- richt widmen. Er begann als Religionslehrer und Seel- Hauptquartier am Morzinplatz in Wien wurde Kaplan sorger an der Technisch-Gewerblichen Bundeslehr- Maier zusammen mit anderen Regimegegnern (darun- anstalt in Mödling, unterrichtete dann in Wien als Religionslehrer am Realgymnasium des „Albertus- ter auch Lois Weinberger, Felix Hurdes und Leopold Magnus-Schulwerkes der Marienbrüder“ im 18. Bezirk Figl, die später im Nachkriegsösterreich allesamt höchs- Wiens, wurde aber nach der gewaltsamen Unterdrü- te politische Funktionen übernahmen) in das Konzent- ckung bzw. Auflösung der konfessionellen Schulen rationslager Mauthausen gebracht, wo man durch durch den Nationalsozialismus seines Dienstes entho- schwerste Folterungen weitere Informationen erpressen ben. Maier nutzte die Zeit des Lehrverbots zur Vertie- wollte. Kaplan Maier nahm jedoch alle Schuld auf sich fung seiner theologischen Studien und erwarb 1942 und konnte so das Leben einiger weniger seiner Freun- sein zweites Doktorat an der Theologischen Fakultät de retten. der Wiener Universität. Am 28. Oktober 1944 endete der Prozess vor dem Als katholischer Priester war Heinrich Maier nicht Volksgerichtshof in Wien für alle anderen Angeklagten zum Wehrdienst einberufen worden. Die bedrohliche der „Maier-Messner-Gruppe“ mit dem Todesurteil we- Entwicklung der politischen Situation in Österreich, gen „Vorbereitung des separatistischen Hochverrats“. der wachsende geistige Totalitätsanspruch des Natio- Am 22. März 1945 – dem letzten Hinrichtungstag im nalsozialismus und das persönliche Erleben von Wiener Landesgericht vor der Befreiung – starb Kaplan Judenmisshandlungen ließen ihn zu einem entschiede- DDr. Heinrich Maier auf dem Schafott. Seine letzten nen Gegner des NS-Regimes werden und stärkten ihn Worte waren: „Es lebe Christus, der König! Es lebe die in der Überzeugung, auch als Priester die Aufgabe zu Freiheit! Es lebe Österreich!“ haben, sich aktiv für die Befreiung Österreichs vom Zusammen mit Maier wurden auch Klepell und Hitler-Regime einzusetzen. Wyhnal geköpft (Caldonazzi war bereits am 9. Januar Ab Sommer 1940 arbeitete DDr. Maier ohne Rück- 1945 hingerichtet worden; Messner starb am 23. April sicht auf die eigene Person am Aufbau einer Wider- in der Gaskammer des KZ Mauthausen). Am 10. Mai standsgruppe. Er knüpfte Kontakte zur Gruppe um den 1945 wurden Maier, Klepell und Wyhnal in einem ge- Tiroler Forstingenieur Walter Caldonazzi und zu meinsamen Grab auf dem Neustifter Friedhof in Wien- Widerstandskreisen in Deutschland – vor allem zu ka- Döbling (19. Bezirk) bestattet. Die Grabinschrift gilt tholischen Gewerkschaftern – ab 1943 sogar zu alliier- ihnen gemeinsam: „Sie starben für Österreich“! ❏

AUFTRAG 261 45 CHRISTLICHES ZEUGNIS

Fortsetzung von Seite 44 gehört zu einer Haltung der Ehrlich- sicht, aber mit der Auflösung der keit nicht nur die Bereitschaft zu ei- konfessionellen Schulen offenbarte Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit ner wachen Selbstkontrolle, sondern sich, wie religionsfeindlich er war. als Haltung ebenso wesentlich die offene Bereit- Heinrich Maier erhielt Berufsverbot Die Haltung der Ehrlichkeit ist schaft, solche Kritik anzunehmen als Religionsprofessor Da er sich eine der wichtigsten für sich selbst und sie auf ihren Gehalt hin ernsthaft dem Kampf gegen das Regime ver- und das eigene Gewissen. Und so zu prüfen. Trotz der Bedenken, die pflichtet fühlte, und auch nicht davor führt die Besinnung auf die Existenz einige aus seinem Umfeld äußerten, zurückschreckte, den westlichen Ge- als Menschen zur Einsicht, wie sehr ging Heinrich Maier seinen Weg bis heimdiensten wichtige Informationen die Wahrhaftigkeit eine wesentliche zu Ende, ja bis zur Hinrichtung im über sein Insiderwisssen vorzuent- Grundlage darstellt für jede Form der Wiener Gefängnis. halten, predigte er auch ohne sich Kommunikation und damit von Ge- Der Kaplan zeigte ein hohes Maß ein Wort vor den Mund zu nehmen. meinschaft überhaupt. Das ist einem an Zivilcourage. Dies ist deshalb Priester wie Dr.Dr. Heinrich Maier umso höher zu bewerten, weil er sei- Christliche Aktion offenbar bewusst gewesen, als er sich ne Kritik an Mächtigere gerichtet Christliche Hoffnung und christ- in aller Öffentlichkeit gegen das Re- hatte. Der Dienst an der Wahrhaftig- licher Realismus verlangen eine stets gime des Nationalsozialismus wand- keit will aber nicht herunterreißen, neue Bereitschaft, sorgfältig zu un- te, z.B. in mutigen Predigten. Ein sondern eigentlich aufbauen und för- terscheiden zwischen dem, was geän- Blick in die Hl. Schrift zeigt außer- dern, also eine schlechte Situation zu dert werden muss und kann, dem, dem, dass schon von den alttesta- einer besseren führen, damit es was wenigstens zeitweise geduldet mentlichen Weisungen her die glei- wieder Zukunft gibt, für die folgen- oder erduldet werden muss, und che Erkenntnis für die Verbote von den Generationen.3 Entsprechend dem, was aufgrund seines inneren falschem Zeugnis und schließlich darf sich eine Ethik des Widerstands Wertes inmitten aller Diktatur als von Lüge überhaupt als Konstituti- und der Wahrhaftigkeit keinesfalls bleibendes Erbe zu bewahren ist. vum von Judentum und Christentum auf ein bloßes Verbot der Lüge und Sollten Christen also Revolutionäre anzusehen ist. allenfalls dessen konkrete Anwen- sein? Die Antwort hängt davon ab, Vor allem die Sprache, jenes dungsfelder beschränken, vielmehr was wir unter Revolution verstehen. dem Menschen ureigene Mittel der muss diese Haltung eindringlich ge- Gerade in einer Zeit der Unterdrü- Verständigung und Kontaktnahme, fordert und tatsächlich in die Tat um- ckung vieler Menschenrechte ist es wird grundlegend verdorben2, wenn gesetzt werden, um Lebenslüge, Aufgabe der Kirche und ihrer Füh- sie nicht mehr Träger von Wahrheit Heuchelei und Täuschung zugunsten rungspersönlichkeiten, durch Wort ist, sondern zur selbstsüchtigen Täu- echter Mitmenschlichkeit abbauen und Beispiel auf die große „Revoluti- schung des Mitmenschen und in den zu helfen. Das Wort postuliert also on des Evangeliums“ zu verweisen, Kriegsjahren zur Verdummung der auch die Tat. Wie weit diese Taten wenn sie – wie Maier dies tat – radi- Masse durch die Tyrannen eingesetzt aber gehen dürfen, sollte jeder vor kal in Angriff genommen wird, gegen wurde und bis heute auch wird. So seinem Gewissen entscheiden. Kap- den Teufelskreis einer Tyrannei, ge- gilt der Grundsatz, dass die Wahrheit lan Maier tat es und bezahlte mit sei- gen Machtgier und Unterdrückung, in der Übereinstimmung von Wort nem Leben dafür. wenn die Sinnlosigkeit eines Re- und Tat realisiert wird. Genau an gimes entlarvt wird, dann geschieht diesem Punkt, nämlich wenn diese Eliten in totalitären Systemen der Anbruch des Reiches Gottes auf beiden auseinanderfallen, ist dann Traditionell hat sich die katholi- Erden. der Auslöser von Gewissenskonflik- sche Moraltheologie und Soziallehre ten gegeben. Im Nachhinein können sorgsam an das Problem heran getas- Widerstand gegen das wir nur erahnen, wie Heinrich Maier tet, ob es Umstände geben kann, die ungerechte Regime mit seinem Gewissen gerungen hat, eine gewaltsame Revolution gegen Wenn Ungerechtigkeiten ge- inwieweit seine Aktion gegen die Na- die Diktatur rechtfertigen könnten. schehen und die Menschenrechte zis gehen solle. Letztlich hat er ein Nur wenn ein Tyrann oder ein autori- missachtet werden, dann entwickelt strahlendes Zeugnis für die Wahrheit täres politisches System die Unterta- sich Widerstand, so auch im Dritten abgelegt. nen ihrer Grundrechte beraubt und/ Reich und speziell bei Heinrich Es geht dabei darum, dass sich oder sie in einer unerträglichen Wei- Maier. Von daher sind einige grund- die Einsicht mit einer grundsätzli- se ausbeutet, müssen die verantwort- legende Gedanken zum Widerstand chen ehrlichen Haltung bzw. mit ei- lichen gesellschaftlichen Gruppen an zu äußern. ner entsprechenden Tugend paaren, geeignete Gegenmaßnahmen wie den Der Widerstand ist Ausdruck ei- wenn sie konkret wirksam sein soll. Umsturz denken. Diese Eliten müs- ner kritischen Haltung des Einzel- Darin gilt es dann, den gegenteiligen, sen dabei jedoch Rechenschaft vor menschen gegenüber und/oder im stets auf eine bestimmte Weise sün- sich selbst ablegen, ob begründete Staat. Der Widerstand kann durch digen, weil egoistischen Hang einer Aussicht auf Erfolg besteht und die die positive Rechtsordnung eines zu bekämpfenden Elite, die es mit etwaige Revolution nicht noch größe- Staates ermöglicht sein oder nicht. der Wahrheit nicht so genau nimmt, re Leiden oder Übel bringen wird als Auf alle Fälle besteht das Recht zum in persönlicher Selbstkontrolle wie die bestehenden Umstände. Widerstand, unabhängig von jegli- vor allem im mitmenschlichen Kon- Anfangs zeigte der Nationalsozi- cher Positivierung aufgrund der na- takt zu überwinden. Entsprechend alismus noch nicht sein wahres Ge- türlichen Bedürfnisbefriedigung. Der

46 AUFTRAG 261 WIDERSTAND UND GEWISSEN

Widerstand ist in allen jenen Fällen Die Holzskulptur „Der Kopflose“ gerechtfertigt, in denen sich der Staat (Kaplan-Heinrich-Maier-Statue) über seine Ordnungsfunktion hin- von Hans Schwabenicky in der wegsetzt. Der Ungehorsam der Bür- Gersthofer Pfarrkirche St. Leopold ger kann sich nach dem Maß des erinnert an den mutigen Kaplan staatlichen Übergriffes bis zur religi- DDr. Heinrich Maier. ösen Pflicht zum Widerstand stei- gern. Dieser Widerstand ist dann le- gante Weise der Überheblichkeit zu gitim, wenn alle dem Bürger nach der installieren suchte, die eine Überle- Staatsverfassung erlaubten Mittel er- genheit der Einen über die Anderen schöpft sind, und ein in grober Weise konzipierte, die a priori in den Ab- die Menschenrechte verletzender grund führen musste. Um seine Missbrauch staatlicher Autorität vor- wahnwitzigen Ideen unters Volk zu liegt und die auf das erforderliche bringen, nutzte er geschickt seine Maß beschränkte Gewaltanwendung Propagandamaschinerie. Die hinter- begründete Aussichten auf Erfolg gründigen Absichten wurden aber hat. nur von bestimmten Schichten und Nun kann der Widerstand in sehr Personen erkannt, vor allem der In- verschiedener Weise geleistet wer- telligenz wie z.B. Dietrich Bonhoeff- den; er kann u.a. im Unterlassen von füllung des Verhaltensbefehles des er, Bernhard Lichtenberg, Pater Handlungen, in mündlicher und Staates, er ist also durch ein Unter- Maximilian Kolbe, Graf Stauffen- schriftlicher Kritik, in öffentlichen lassen gekennzeichnet. Hingegen ist berg, den Geschwistern Scholl, den und geheimen Druckwerken, in der aktive Widerstand eine Angriffs- Mitgliedern des Kreisauer Kreises, Grenzvergehen, im Streik, Boykott, handlung, die gegen den Staat ge- Schwester Restituta Kafka, oder in der Emigration, Sabotage, Wehr- richtet ist und meist den Charakter Heinrich Maier. Allen diesen hier dienstverweigerung und im Aufstand einer Revolution annimmt. Diese ak- genanten ist gemeinsam, dass sie ihr bestehen. So unterscheidet man den tive Form kann in einer bloßen ag- Leben opferten für die Menschheit, passiven und den aktiven Wider- gressiven Maßnahme bestehen, er damit das Dritte Reich besiegt wer- stand. Während der passive gegen kann aber auch bis zur Tötung bzw. den konnte. Sie alle wurden zu Mär- einzelne obrigkeitliche Maßnahmen dem Tötungsversuch des Tyrannen tyrern der guten Sache gegen den gerichtet ist und den Gehorsamsan- führen.4 Hass. spruch des Staates gegenüber allen übrigen Anordnungen, welche nicht Kampf ums Dasein Gewissenskonflikte gegen das Gemeinwohl gerichtet Was dem Prinzip des Kampfes Der Mensch als Träger seiner sind, unberührt lässt, ist der aktive ums Dasein, des Lebens- und Exis- Handlungen und damit seiner Ver- Widerstand gegen die gesamte gel- tenzkampfes, des Konkurrenzkamp- antwortung wurde von der klassi- tende staatliche Ordnung gerichtet. fes (verschiedener Ideologien) auch schen Gewissenslehre ohne weiteres In diesem Fall wird nicht der Staat im Dritten Reich die Eigenart gibt vorausgesetzt. Träger seiner Hand- als Ordnungseinrichtung, sondern und seine Gefährlichkeit für die Kul- lungen ist aber der Mensch nur unter werden die Inhaber der Staatsgewalt turentwicklung ausmacht, ist, dass es bestimmten anthropologischen Vor- verneint und zu beseitigen versucht. die Macht an die Stelle des Rechts, aussetzungen seines Daseins und un- Dieser aktive Widerstand findet sei- das Interesse an die Stelle der Liebe ter bestimmten individual- und ne Begründung in dem auch von der setzt. Es formte ein neues Kultur- sozialgenetischen Bedingungen sei- katholischen Sittenlehre anerkann- gewissen. Für dieses Kulturgewissen nes Soseins. Diese Vorgegebenheiten ten Recht auf Notwehr, das geltend galt es die längste Zeit als unrealis- und Bedingungen gehören sicherlich gemacht wird, um den Staat auf seine tisch, wenn nicht lächerlich, von Sitt- auf der einen Seite zu seiner Deter- Gemeinwohlfunktion zu beschrän- lichkeit oder gar von Liebe im wirt- mination, auf der anderen Seite be- ken. Dieser aus der übertragenen schaftlichen, politischen und inter- steht aber gerade die Gewissensfrei- Anwendung des Notwehrgedankens nationalen Verhalten zu reden. Vom heit des Menschen darin, seine De- gerechtfertigte Widerstand hat kei- Recht (der „Arier“ auf mehr Land) terminanten erkennen und sich zu nen Angriffs-, sondern Verteidigungs- wurde viel gesprochen, gemeint war ihnen verhalten zu können. Indem charakter. Es ist eine Abwehrmaß- aber vor allem das Recht des Stärke- der Mensch Verantwortung vor sei- nahme gegen einen auf das Gemein- ren über den Schwächeren, oder ei- nem Gewissen übernimmt, trägt er wohl gerichteten Angriff. In diesem ner bestimmten Rasse über eine an- zugleich auch Verantwortung für sein Sinne wird der Widerstand im Diens- dere. Gewissen. Was immer im Gewissen te des Gemeinwohls ausgeübt. Das Es war die Hybris eines Mannes als verbindlich für die Verantwortung Gemeinwohl gibt die Aufgaben des namens Hitler, der ein Regime auf- erscheint, muss sich den Perspekti- Staates und die Pflichten der Bürger bauen konnte, das den Pöbel die Au- ven der Gewissenskritik und der In- an, es erfüllt zugleich eine Konstitu- gen füllte und schleichende Hoff- halte des Gewissens stellen. Dieser tiv- wie eine Regulativfunktion. nung in der Masse vermittelte (Sen- ethisch-emanzipative Charakter des So besteht der passive Wider- kung der Arbeitslosigkeit), aber in Gewissens, der theologisch tiefer in stand in der tatsächlichen Nichter- der Herrenrasse bereits seine arro- der „Freiheit vom Gesetz“ begründet

AUFTRAG 261 47 CHRISTLICHES ZEUGNIS werden kann, gewinnt aber wie alle das Wohl der Gemeinde mit dem seine einmal gefällte Gewissens- Verantwortung im Letzten seine Kon- Wohl des eigenen Lebens wohl mehr entscheidung sein eigenes Leben tinuität, seine Bewahrheitung und oder weniger in Konflikt. Und diese aufs Spiel? seine Sicherheit nur in der Überein- Entscheidung kann eigentlich immer Der Gersthofer Kaplan Dr.Dr. stimmung mit der letzten Sinn- nur der Einzelmensch selbst treffen. Heinrich Maier hat es getan und be- orientierung des Menschen. Ethische zahlte mit seinem Leben den exis- Verantwortung ist in dem Sinne Vorbildproblematik tentiellsten Preis, den jemand für letztlich immer standortgebunden, Im Zeitalter des Infotainment seine Freunde bezahlen kann. Von als sie nicht nur auf der Abwägung und der globalen Netzwerkbildung daher ist er leuchtendes Vorbild, des jeweiligen Richtigen, sondern sind die Vorbilder meistens aus dem auch und gerade für unsere Zeit, wo auf der Entscheidung zur eigenen Medienbereich, die kleinen und gro- wieder die Suche nach ethischer Ori- Grundentschiedenheit beruht. In der ßen Stars werden angehimmelt, die entierung und richtiger Entschei- rationalen Abwägung des sittlich erfolgreichen Wirtschaftskapitäne dung im Gewissenskonflikt an Be- Richtigen scheint das Gewissen we- lassen sich gern nach ihren Erfolgs- deutung gewinnt. Seine Ideen von sentlich weniger gefragt als in der rezepten befragen. Oft werden da Freiheit und Menschenwürde über- existentiellen Verankerung unseres Vorbilder kreiert, die bei genauerem lebten und sollten angesichts eines Sinnes für neue Möglichkeiten, wirk- Hinsehen dann doch auch nur mit solchen strahlenden Vorbildes lich Mensch zu werden.5 Wasser kochen, oder erfolgreiche immer wieder dann in Erinnerung Im Gewissen werden die beiden Geschäftszahlen verkünden, ohne gerufen werden, wenn diese elemen- notwendigen und einander ergänzen- dabei ehrlich zu sein, dass dafür vie- taren Grundrechte in Frage gestellt den Kompetenzen der Verantwortung le Menschen z.B. arbeitslos wurden werden, denn viele gaben ihr Leben zusammengeführt: die Entschei- (nur damit der Shareholdervalue dafür, dass es uns heute gut geht, ei- dungs- und die Orientierungskom- steigt), ... da wird der nachmoderne ner von ihnen als katholischer Seel- petenz. Gerade das entscheidungs- Mensch nachdenklich. Denn wo setzt sorger, war Dr.Dr. Heinrich Maier. fähige Gewissen muss deshalb heute schon jemand noch für seine Möge sein Vorbild weiterhin leuch- orientierungsoffen bleiben. Orientie- Ideale, seine Authentizität, für sei- ten und sein Beispiel zur Ehre der rung, die das Gewissen berücksich- nen Beruf und seine Berufung, ja für Altäre erhoben werden! tigt, fordert dieses heraus und ersetzt es nicht. Dies gilt auch für eine Ver- antwortung, die aus der Zugehörig- Anmerkungen keit mit einer Glaubensgemeinschaft erwächst. Der christliche Glaube 1 Im Staatssozialismus tritt die Diktatur oft Macht; und die Willkür nennt sich Ein- bringt eine besondere Affinität zu be- in verhüllter Form auf. Zum Schein wer- haltung der Rechtsordnung; die Unter- den noch andere politische Organe ge- drückung der Kultur wird als ihre Ent- stimmten sittlichen Grundein- duldet, die aber vom Diktator und seiner wicklung gepriesen; die Ausbreitung des stellungen mit sich. Die Orientierung Partei freilich einseitig beherrscht oder imperialen Einflusses wird für Unterdrü- des Gewissens, die von daher erfolgt, manipuliert werden: so etwa ein zum rei- ckung und Unterstützung ausgegeben; baut sich aus der Vermittlung von nen Akklamationsorgan degradiertes Par- Unfreiheit des Wortes für die höchste lament oder eine gleichsam stillgelegte Freiheit, die Wahlposse für die höchste Sach- und Sinngerechtigkeit auf und Verfassung, die von der Verfassungs- Form der Demokratie; Verbot des unab- berücksichtigt dabei die Praxis der wirklichkeit übergangen wird. Inmitten hängigen Denkens für die wissenschaftli- gelebten Überzeugungen der Glau- der gegenwärtigen Verwirrung der politi- che Weltanschauung; Okkupation für bensgemeinschaft. Die Kriterien der schen Begriffe bleibt die Gegenüberstel- brüderliche Hilfe. Die Macht muss fäl- Freiheit und der Auferbauung der lung zwischen rechtsstaatlicher Demo- schen, weil sie in eigenen Lügen gefan- kratie und willkürlicher Diktatur von gen ist. Sie fälscht die Vergangenheit, Gemeinde, die Paulus im Korinther- grundlegender Bedeutung. Sie bezeich- Gegenwart und die Zukunft. Sie fälscht brief aufgestellt hat, gelten auch für net die fundamentale Unterscheidung statistische Daten. Sie täuscht vor, dass den Dialog zwischen innerer und äu- zwischen dem Bürger als Subjekt oder sie keinen allmächtigen und zu allem fä- ßerer Verbindlichkeit sittlichen Objekt der Politik, zwischen Person und higen Polizeiapparat hat, sie täuscht vor, Redens (in der Kirche ebenso wie in Untertan, Freiheit und Unterdrückung. dass sie die Menschenrechte respektiert, anderen Institutionen). 2 Im heutigen Gebrauch in der Demokratie sie täuscht vor, dass sie niemanden ver- heißt das „Abrüstung der Sprache“, folgt, sie täuscht vor, dass sie keine Angst Wenn aber Wort und Tat, Frei- wenn z.B. wieder Hassparolen gegen hat, sie täuscht vor, dass sie nichts vor- heit und Menschenrechte einander Ausländer auftauchen. täuscht ... widersprechen und auseinander fal- 3 Vgl. V. HAVEL; Versuch, in der Wahrheit Diese Elemente, die HAVEL für die Dik- len, wie dies im Nationalsozialismus zu leben. Reinbek bei Hamburg 1980; tatur des Proletariats so treffend charak- 17f. Dort gibt der spätere tschechische terisiert, gelten auch für die Zeit des der Fall war, dann kommt es zum Ge- Dritten Reiches. wissenskonflikt. Diesen Gewissens- Präsident eine Typologie für Regime ab: Das Leben im Staatssozialismus ist von 4 Vgl. dazu das Attentat auf HITLER von konflikt hat Kaplan Maier mit sich einem Gewebe der Lüge und Heuchelei Graf STAUFFENBERG am 20. Juli selbst austragen müssen, aber in ei- durchsetzt. Die Macht der Bürokratie 1944. Das von ihm als unabdingbare Vor- ner radikalen Form, die ihm das Le- wird Macht des Volkes genannt; im Na- aussetzung für den Umsturz betrachtete ben gekostet hat. Gerade den Füh- men der Arbeiterklasse wird die Arbei- Attentat auf HITLER führte er selbst rungsleitfiguren einer Gesellschaft in terklasse versklavt; die allumfassende durch, weil er in Berlin für die techni- Demütigung des Menschen wird für seine sche Leitung des Staatsstreiches unent- der Diktatur kommt dabei eine definitive Befreiung ausgegeben; die behrlich war. Nach dem Scheitern der Schlüsselrolle zu, Vorbild für die Manipulierbarkeit durch die Macht Aktion wurde er standrechtlich erschos- verbildete Masse zu sein. Dabei steht nennt sich öffentliche Kontrolle der sen.

48 AUFTRAG 261 WIDERSTAND UND GEWISSEN

5 Vgl. A. SCHAVAN; Art. „Gewissen. prak- tisch-theologisch.“ In: W. KASPER (Hg. et al.); Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. Forscher: Katholiken verhielten sich 4, 3.Aufl. Freiburg/Br. 1995; 626 ff. Immer verlangt das Gewissen seine eigene Bil- in NS-Zeit und DDR ähnlich dung. Sie ist die Königsaufgabe aller Erzie- er Erfurter Kirchenhistoriker hauptung und Widerstand bewegt, hung, zumal in Zeiten von großer Unge- Josef Pilvousek sieht Paralle- so der Forscher. Nach herkömmli- rechtigkeit in der Gesellschaft, wenn Krieg D ist und eine Diktatur herrscht. Insofern die len beim Verhalten der Katholi- chem Kirchenverständnis sei es Erziehung wesentlich als Hilfe zur Entfal- ken gegenüber den beiden deut- nicht Aufgabe der Christen gewe- tung der personalen Kompetenz gilt, gehö- schen Diktaturen im 20. Jh. So- sen, aktiv gegen die Diktatur zu ren dazu Begleitung und Hilfe zum perso- wohl in der NS-Zeit als auch in kämpfen. „Dies war der einzelnen nal verantworteten Entscheiden und Han- der DDR habe die Kirche einen Gewissensentscheidung überlas- deln. Für die Verkündigung der Kirche be- deutet dies, in einem pastoral begleitenden Kurs der Konfliktvermeidung bei sen“, betonte Pilvousek mit Blick Handeln zur Reifung eines gebildeten Ge- zugleich nonkonformem Verhalten auf katholische NS-Gegner wie wissens beizutragen, das dem Trend zur eingeschlagen, sagte Pilvousek Bernhard Lichtenberg und Pater Uniformität ebenso widersteht wie einem am 8. April in Schwerin. In beiden Alfred Delp. rücksichtslosen Autonomiedenken. Gewis- sensbildung verlangt die Entwicklung von Diktaturen sei die organisierte Grundvertrauen und Möglichkeiten der Gläubigkeit zu einer Bedrohung „Tendenz zur Identifikation mit Vorbildern. Und Hein- des jeweiligen Regimes geworden. inneren Zensur“ rich Maier war ein solches Vorbild! Er war In Sachen Lebenssinn hätten Das DDR-Regime habe der sich als Jugendkaplan natürlich seiner gro- Glaube und totalitärer Machtan- katholischen Kirche vorgeworfen, ßen Aufgabe bewusst, zuständig zu sein für die Gewissensbildung seiner Gemeinde- spruch direkt miteinander kon- bürgerliche Vorstellungen zu ver- glieder, eben vor allem der Kinder und Ju- kurriert, so der katholische Wis- breiten, sagte der Wissenschaftler gendlichen. Mit dem Normenpotential von senschaftler. bei einer Tagung des Erzbistums Vorbildern wie Maier muss sich der Heran- Die Nationalsozialisten hätten Hamburg. Nach dem Mauerbau wachsende auseinandersetzen und dabei einen massiven Propagandafeld- habe es von beiden Seiten Bemü- den für die Identitätsfindung wesentlichen Schritt vom Status des Überkommenen in zug gegen die katholische Kirche hungen gegeben, den Status quo den Status des Selbstverantworteten errei- ge-führt, unterstrich Pilvousek. nicht zu verändern. Diesen Kurs chen. Ebenso ist Gewissensbildung auch Dabei habe Hitler eine Eskalation hätten die Katholiken bis 1981 Anleitung zur Selbstvergewisserung, inso- des Kirchenkampfs verhindert, beibehalten. Der Forscher sprach fern in der Gewissensentscheidung nicht allein diese oder jene Handlung auf dem obwohl er mit den Maßnahmen zur von einer durch Bischöfe und Kle- Prüfstand steht, sondern vor allem der Be- Unterdrückung der Katholiken riker geprägten Kirche mit Ten- zug zwischen Handeln und Selbstverständ- einverstanden gewesen sei. Das denzen zur inneren Zensur und nis hergestellt wird und damit durch das kirchliche Verhalten habe sich „übergroßer Ängstlichkeit“. Wert-Handeln gleichzeitig ein Prozess der zwischen Anpassung, Selbstbe- (KNA) Reflexion einsetzt.

PERSONALIA: Was macht eigentlich der ehemalige Geistliche Beirat der GKS Georg Kestel ? esser konnte der Start für kommenden Jahr das 1000-Jahr- Bambergs neuen Generalvi- Jubiläum der am 1. November 1007 Bkar Msgr. Georg Kestel (50) errichteten Erzdiözese ansteht. kaum sein: Für 2006 hat das fränki- Dabei setzt der neue Generalvikar sche Erzbistum – mit Hilfe einer auf Kooperation und Kommunikati- Unternehmensberatung und ein Jahr on. Jeder Kasernenhofton sei ihm früher als geplant – wieder einen fremd, so der bisherige Militärdekan ausgeglichenen Haushalt vorgelegt. im Katholischen Militärbischofsamt Auf den von Prälat Alois Albrecht in Berlin. In der fränkischen Dias- (70), „alter ego“ dreier Erzbischöfe, pora aufgewachsen und durch Jahre initiierten Sparkurs und die mit in der Militärseelsorge in seiner Bo- Tempo vorangetriebene Struktur- denständigkeit bestärkt, sieht er die reform in der Territorialseelsorge Menschen zwischen Fortschritts- kann der neue Stellvertreter von traum und Zukunftsproblemen oft Erzbischof Ludwig Schick (56) auf- geistig heimatlos. Aus diesen Erfah- bauen. rungen leitet er seine pastorale De- wieder spüren und wahrnehmen, Kestel will sein Heimatbistum vise her: „Wir müssen die Suche ohne sofort Antworten zu geben.“ weiter in Fahrt bringen, zumal im der Menschen nach Religiösem (KNA/Foto: PS 2003)

AUFTRAG 261 49 CHRISTLICHES ZEUGNIS Martyrium und Wahrheit Neues Buch von Helmut Moll zu Zeugen Christi im 20. Jahrhundert

VON ANDREAS M. RAUCH und Themen sich wiederholen. Das an dem Vorbild Christi zu messen. ist insoweit kein Nachteil, als da- Fragt man nach den Kriterien, so mit zu rechnen ist, dass manche sind diese an Jesus Christus, dem Leser sich möglicherweise nur für Vor- und Urbild des Märtyrers, zu ge- einzelne Kapitel interessieren, für winnen. die diese Themen aber jeweils kon- In diesem Zusammenhang mit stitutiv sind. der Frage nach den Kriterien sei hier Schwerpunktmäßig werden in auf einen wichtigen Aspekt noch der neuen Veröffentlichung von besonders eingegangen, den Prälat Helmut Moll Märtyrer aus dem Moll im Titel seines Buches betont Rheinland behandelt, daneben je- herausgestellt hat: die Verbindung doch auch solche aus anderen Ge- von Martyrium und Wahrheit. Für bieten Deutschlands. Von den vier die Alte Kirche wurde die Frage Kategorien des Martyrologiums dadurch virulent, dass es in den Ver- werden drei berücksichtigt: Märty- folgungen nicht nur Opfer aus den ei- rer aus der Zeit des Nationalsozia- genen Reihen, sondern auch bei den lismus, Reinheitsmartyrien und Häretikern und Schismatikern gab. Märtyrer aus den Missions- Letztere verehrten ihre Verfolgungs- gebieten. Aufgrund der lokalen opfer ganz selbstverständlich ebenso Konzentration im Wesentlichen als Märtyrer wie die Großkirche. auf das Rheinland findet die Kate- Aber konnten die Häretiker, die sich gorie der Märtyrer aus der Zeit des ja von der Wahrheit losgesagt hatten Kommunismus keine Berücksich- und eigene, der von der Kirche ver- tigung. mittelten Wahrheit widersprechende Lehren vertraten, eben diese Wahr- as neue Buch von Prälat Hein- Die Frage nach den Kriterien heit bezeugen? rich Moll entstand in einem eines Märtyrers Schwieriger war es noch bei den Dgrößeren publizistischen Zu- Eine immer wieder gestellte und Schismatikern, die sich ja nicht hin- sammenhang und ist aus diesem he- in der Publikation mehrfach venti- sichtlich ihres Glaubens von der raus zu verstehen, zumal dieser wich- lierte Frage ist diejenige nach den Großkirche unterschieden, sondern tige Bezugskoordinaten liefert und Aufnahmekriterien. Wer kann und „nur“ das Band der kirchlichen Ein- gleichsam als Hintergrund und Vor- darf als christlicher Märtyrer gelten? heit und der Liebe zerschnitten hat- geschichte des Werks begriffen wer- Welche Voraussetzungen muss ein ten? Konnten sie Zeugen für die den muss. Bezugspunkt ist vor allem Blutzeuge in Bezug auf die drei gött- Wahrheit sein? Hier galt es zwischen sein im Jahr 2000 erschienenes, lichen Tugenden Glaube, Hoffnung wahren und falschen Märtyrern zu zweibändiges Werk „ZEUGEN FÜR und Liebe erfüllt haben? unterscheiden, auch wenn man sich CHRISTUS. DAS DEUTSCHE MARTYROLOGI- Den christlichen Märtyrer ver- dabei schwer tat. UM DES 20. JAHRHUNDERTS“, welches stand man von den frühesten Anfän- Für den hohen Stellenwert der nunmehr in die dritte Auflage geht. gen als den Christen, der in der Wahrheit und des Wahrheits- Die umfangreiche Vortragstätig- Nachfolge Christi stehend, wie zeugnisses im Kontext des Martyri- keit von Helmut Moll ist im Kontext Christus selbst Zeugnis ablegt für die ums sei als Beispiel aus dem 20. seiner Buchveröffentlichung „Zeu- Wahrheit, in seinem Leiden Christus Jahrhundert die heilige Edith Stein gen für Christus“ zu sehen und führte ähnlich wird und wie Christus selbst angeführt. Ihr Leben war eine einzige zu der Überlegung, die Vielzahl der sein Zeugnis mit seinem Blut besie- Suche nach der Wahrheit, die sie Vorträge zu einem Buch „Martyrium gelt. Das wird bereits in dem in schließlich im katholischen Glauben und Wahrheit“ zusammenzuführen. Apostelgeschichte 7 geschilderten fand und für die sie dann in den Tod Dabei war klar, dass diese Vorträge Martyrium des Erzmärtyrers, daher ging. nochmals überarbeitet, aufeinander des ersten Märtyrer der Kirche, Wie schon angedeutet liegen die abgestimmt und durch weitere neu Stephanus, deutlich, dessen Martyri- Kriterien, die zur Auswahl von Mär- verfasste Kapitel zu einem gesamt- um der Verfasser der Apostelge- tyrern angelegt werden, im Vorbild haft harmonischen Ganzen zusam- schichte bis in einzelne Züge hinein Jesu Christi selbst begründet. Für die mengestellt werden mussten. Dieser parallel zur Passion Jesu darstellt. In Selig- und Heiligsprechungsverfah- Aufgabe hat sich der Verfasser unter- dem Maße, wie der Märtyrer nun in ren hat sie der bedeutende Jurist und zogen. Billigend in Kauf genommen seinem Martyrium als „christus- Kanonist Prospero Lambertini wurde, dass verschiedene Motive ähnlich“ begriffen wird, ist er auch (1675-1758) formuliert, der 1740 als

50 AUFTRAG 261 WIDERSTAND UND GEWISSEN

Benedikt XIV. den Stuhl Petri be- auf die in der letzten Zeit massiv zu- Martyrium“. Darin behandelt Moll stieg. Das Bildnis von Benedikt XIV. nehmenden Selbstmordattentate in zunächst die historischen Hinter- hing lange Jahre im Arbeitszimmer der arabischen Welt schaut, deren gründe der Todesmärsche, um dann des Präfekten der Glaubenskongre- Urheber sich nahezu alle selbst als auf die verschiedenen Arten des da- gation, Josef Kardinal Ratzinger. Als „politische Märtyrer“ für ihre ver- mit verbundenen Martyriums und de- Ratzinger sich seinen Papstnamen meintlich gute Sache begreifen. ren Problematik einzugehen. Für den aussuchte, dürfte bei seiner Namens- rheinischen Raum von einiger Be- wahl dieser Papst eine Rolle gespielt Christliche Wahrheitssuche im deutung ist dann das zweite Kapitel haben. In Lambertinis grundlegen- Lebensbild einzelner Märtyrer mit dem Titel „Diözesanpriester und den Werk „Über die Seligsprechung Das 238 Seiten umfassende Ordensleute – Speerspitze der Ver- der Diener Gottes und die Heilig- Buch Molls gliedert sich in vier Tei- folgung“. Es folgen vier Kapitel sprechung der Seligen, Bologna le, denen eine kurze theologische „Zeugen der Wahrheit“ in einzelnen 1734-1738) nennt er drei Haupt- Einführung vorangestellt ist, die vor geographischen Räumen und Städ- kriterien: allem dem Thema Martyrium und ten. Von den fünf „Zeugen der Wahr- – die Tatsache des gewaltsamen, Wahrheit gewidmet ist und das Kon- heit“ im Euskirchener Raum dürfte unschuldigen Todes, zept des Buches erläutert. Im ersten der Medizinstudent Willi Graf am – das Motiv des Glaubens- und Teil, der die Überschrift „Verfolgung bekanntesten sein. Kirchenhasses bei den Verfol- und Martyrium im 20. Jh.“ trägt, Der dritte Teil befasst sich in gern stellt der Autor den universalkirch- zwei Kapiteln mit „Dimensionen des – die bewusste innere Annahme lichen Auftrag Papst Johannes Pauls Martyriums der Reinheit“. Im vierten des Willens Gottes trotz Todes- II. zur Erstellung der Martyrologien Teil mit der Überschrift „Martyrium bedrohung. des 20. Jhs. vor und verfolgt dessen und Mission“, welches ebenfalls zwei bisherige Rezeption. Als Ausgangs- Kapitel umfasst, geht der Autor Angesichts der Heimtücke der punkt seiner Darlegungen dient ihm zunächst auf den Zusammenhang von Verfolgung der Christen in den totali- die ökumenische Gedächtnisfeier am Martyrium und Mission ein, und zwar tären Systemen und Ideologien des 7. Mai 2000 vor dem Kolosseum in in der Frühzeit des Christentums als 20. Jhs. sah sich Papst Paul VI. ver- Rom, an der er selbst mit Pilgern auch im 20. Jh. Dabei widerspricht anlasst, diese bis heute gültigen Kri- teilgenommen hatte. Dort wurde un- er der oft anzutreffenden Ansicht, terien auszudehnen und in ihrer In- ter weltumspannender internationa- Missionare und Missionarinnen seien terpretation zu erweitern. Das betrifft ler Beteiligung der weltweit rund weniger aus religiösen, sondern viel- beispielsweise Fälle, in denen der 16.000 Märtyrer des 20. Jhs. ge- mehr aus kulturellen oder rassischen Tod nicht sogleich bei der Anwen- dacht, die bislang der päpstlichen Gründen ermordet worden. dung von Torturen, sondern erst spä- Kommission „Nuovi martiri“ gemel- Das neue deutsche Martyrologi- ter als deren Folge eintrat wie bei det wurden. Im Anschluss daran bie- um, das von einem Rezensenten mit dem heimlich im KZ Dachau geweih- tet der Verfasser einen Überblick gutem Recht als „epochales Werk ten und 1996 selig gesprochenen über die in Umsetzung des päpstli- des 20. Jhs.“ bezeichnet wurde, war Münsteraner Priester Karl Leisner, chen Auftrages erstellten Martyro- ein publizistischer Erfolg. Es reprä- der nach der Befreiung durch die logien, greift aber auch auf ältere Zu- sentiert freilich den Forschungsstand US-Truppen 1945 an den Folgen sei- sammenstellungen zurück, wo neue- von 1999, während die wissenschaft- ner Behandlung im Konzentrations- re Arbeiten noch nicht vorliegen. Ei- liche Arbeit weitergeht. Prälat Moll lager starb. Ähnliches ließe sich über nige Zahlen seien genannt: Für viele hat in seinem Buch „Martyrium und den Dr. Randolph von überraschend weist Spanien die mit Wahrheit. Zeugen Christi im 20. Jh.“ Breitbach-Bürresheim sagen, der Abstand größte Zahl von Blutzeugen gewissermaßen eine erste Bilanz ge- 1945 an den Folgen seiner Gefan- mit etwa 10.000 Priestern und Laien zogen und dabei den Schwerpunkt genschaft im KZ Sachsenhausen ver- auf, verursacht hauptsächlich durch auf das Rheinland gelegt. Indem er starb. die Christenverfolgung der 1930er immerhin drei „neue“ Märtyrer vor- In seinem neuen Buch geht Moll Jahre. Es folgt Polen mit mehr als stellen konnte, die erst nach Ab- diesen genannten Kriterien auf den 2.000 Märtyrern, von denen allein schluss des Martyrologiums recher- Grund. Der Kölner Diözesanpriester etwa 1.000 Priester im Konzentrati- chiert wurden, hat er das Voran- erwähnt den Jesuiten Karl Rahner, onslager Dachau interniert waren. schreiten der Forschung dokumen- der für eine Erweiterung des traditio- Für Italien liegt eine Zusammenstel- tiert. Mit einigen Beiträgen des Bu- nellen Märtyrerbegriffs eintrat und lung von 393 Namen vor. Der gesam- ches hat er auch exemplarisch deut- referiert den Münchener Politologen te afrikanische Kontinent kommt auf lich gemacht, dass das Martyrologi- Hans Maier, der im Hinblick auf den 232 Märtyrer, während die Zahlen um als Grundlagenwerk für weitere interreligiösen Dialog vor allem mit für Asien und Amerika undurchsich- noch zu leistende Arbeit dient. dem Islam für eine Ausweitung des tig sind. Märtyrerbegriffs im Sinne von „poli- Der zweite Teil „Aus der Zeit des Helmut Moll: Martyrium und Wahr- tischen Märtyrern“ plädierte, ohne Nationalsozialismus“ überschrieben, heit. Zeugen Christi im 20. Jahrhun- freilich deren Risiken zu verkennen. ist der umfangreichste und macht mit dert. Gustav-Siewerth-Akademie: Welche Risiken eine solche Auswei- seinen 115 Seiten fast genau die Weilheim-Bierbronnen. 2005, 238 S., tung des Märtyrerbegriffs in sich Hälfte des Buches aus. Das erste Ka- geb., ISBN 3-928273-74-4 birgt, mag man ermessen, wenn man pitel lautet: „Todesmärsche und

AUFTRAG 261 51 MANN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFT

Bericht von der Haupttagung der katholischen Männerarbeit

VON HEINRICH DORNDORF

om 10. bis 12. Mai 2006 fand im Bonifatiushaus in VFulda die jährliche Mitglie- Zwangsprostitution und den damit Arbeitsstelle der DBK in Hamm, derversammlung und Haupttagung verbundenen Menschenhandel an- Thomas Becker, mit anschließender der Gemeinschaft der Katholischen prangern. Die verantwortlichen Poli- Diskussion über religiöse und kirch- Männer Deutschlands (GKMD) und tiker werden u.a. auffordert zur liche Orientierungen gemäß der vom der Kirchlichen Arbeitsstelle für – Durchführung von regelmäßigen Heidelberger Sinus-Institut im Auf- Männerseelsorge und Männerarbeit polizeilichen Kontrollen zur Auf- trag der DBK untersuchten Probleme in den deutschen Diözesen statt. Der deckung des Menschenhandels, der zehn sozialen Milieus (Sinus-Mi- Präsident der GKMD, Franz-Josef – konsequenten Ausschöpfung al- lieu-Studie) im Hinblick auf das reli- Schwack, und der Leiter der kirchli- ler vorhandenen Rechtsmittel, giöse Verhalten der Männer fand gro- chen Arbeitsstelle, Dr. Andreas Ruf- – öffentliche Aufklärung und ße Aufmerksamkeit. Vier wesentli- fing, gaben einen Überblick über Sensibilisierung von Männern. che Punkte wurden herausgestellt, ihre Arbeit des vergangenen Jahres. Die GKMD ist davon überzeugt, – Werte in Bezug auf Geld und Es wurde des im letzten Jahr verstor- dass die Mehrzahl der Männer sich Konsum, Freizeitinteressen, benen Oberst a.D. Marohl gedacht, ihrer Verantwortung bewusst ist, und Familie und Partnerschaft; der bis 1996 Vertreter der GKS bei sich nicht an den Verbrechen gegen – Lebensstil hinsichtlich Wunsch der GKMD und gleichzeitig deren die Menschlichkeit mitschuldig wer- und Leitbilder; Vizepräsident er war. den will. – Alltagsästhetik mit Blick auf Die Mitgliederversammlung ver- Ein Grußwort des Präsidenten Gesundheit und Ernährung; abschiedete eine Erklärung zur Fuß- der internationalen Vereinigung – soziale Identität bezogen auf ball WM 2006, in der es u.a. heißt: UNUM OMNES, Alejandro Madero Medien, Arbeit und Beruf, Poli- „Das Motto ‘Die Welt zu Gast bei (Argentinien), wurde vom Vize- tik und Gesellschaft. Freunden’ solle erlebt werden kön- präsidenten, Georg Kopetzky (Öster- Die Werteentwicklung wurde nen ohne Gewaltexzesse und unkont- reich), verlesen. UNUM OMNES ist dargestellt von den 50er Jahren bis rollierbare Eskalationen. Deshalb eine 1948 gegründete Internationale heute. Waren die 50er und 60er Jah- appelliert die GKMD an alle fußball- Vereinigung katholischer Männer. re geprägt von Status und Genuss – begeisterten und lebenserfahrenen Der Name drückt den Wunsch Jesu wer ist was, mehr Sein statt Haben –, Männer, freundliche und klare Prä- aus, dass die Menschen in Gott „alle so ging die Entwicklung der 70er senz zu zeigen, um so dazu beizutra- eins“ seien. UNUM OMNES hat u.a. Jahre von Emanzipation, Selbstver- gen, dass Freude und Begeisterung zum Ziel wirklichung und Ökologie über bis in vor allem jugendlicher Fans nicht – Männern zu helfen, ihre Fähig- die Gegenwart hinein zur Sinnsuche, durch unmäßigen Alkoholgebrauch keiten im Leben als Katholiken zu Unsicherheit als Grunderfahrung in Gewalt umschlage.“ zu nützen, in einer Welt von Risiken. Man Darüber sollen die Ortsgruppen – die Familie als Ursprung allen könnte auch die ganze Entwicklung der Männerarbeit in Schreiben an Lebens zu fördern, bezeichnen: Von „Großer Gott wir lo- ihre jeweilige Landesregierungen die – die Schaffung von Verei- ben dich“ zu „Kleines Senfkorn nigungen kath. Männer zu Hoffnung“. So findet die Sinus-Stu- fördern. die heraus, dass für viele Menschen Ein Vortrag des Leiters Kirche gesellschaftlich zwar bedeut- der kath. Sozialethischen sam, aber für sie selbst nicht so wich- tig ist. Man akzeptiert Kirche als so- ziale Komponente, lehnt jedoch eine persönliche Kirchenbindung ab. Haupttagung der GKMD 2006: „Männerbischof“ Prof. Ein eigenes Milieu bilden die Dr. Ludwig Schick, Erzbischof Hedonisten. Es sind vorwiegend jun- von Bamberg, stellt sich den ge Leute um die 30, für die Kirche Fragen der Tagungsteilneh- das schwierigste Milieu. Ihnen soll mer; Moderation Franz-Josef der Tag eine 24 Stunden dauernde Schwack, Präsident der Party sein. Aber auch sie suchen GKMD. (Foto: M. Hochholzer) Fortsetzung auf Seite 53 u., Sp. 1

52 AUFTRAG 262 MANN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFT Männerarbeit auf dem 96. Katholikentag 2006 in Saarbrücken in großes Fest des Glaubens zum großen Abschlussgottesdienst den Gesprächen mit den Leuten, die ist zu Ende gegangen. Glau- im Ludwigsparkstadion wieder. Auch vorbeischauten, wurde deutlich, dass Eben – das heißt auch: sich von der Eröffnungsabend – ein großes das Thema Männerarbeit vielerorts Gott für das Leben und das Mitein- Fest an verschiedenen Plätzen der Interesse findet. ander-Umgehen inspirieren lassen. Altstadt – konnte trocken genossen Der nächste Katholikentag fin- Und das haben die Organisatoren des werden. Ansonsten aber gab es für det 2008 vom 21. bis 25. Mai in 96. Deutschen Katholikentags in alle Aktivitäten im Außenbereich Osnabrück statt. Interessant für alle Saarbrücken bewusst gemacht, in- Probleme. aus der katholischen Männerarbeit: dem sie das Motto „GERECHTIGKEIT Insofern war es nicht ganz so Franz-Josef Schwack, Männerrefe- VOR GOTTES ANGESICHT“ wählten. glücklich, dass die Kirchenmeile, wo rent in Osnabrück und Präsident der Mittlerweile schon eine bewährte sich Diözesen, Verbände etc. vor- GKMD, wird ab Herbst als Koordina- Einrichtung auf Katholikentagen ist stellten, in der Fußgängerzone ange- tor der Diözese für den Katholikentag das Zentrum Frauen und Männer – siedelt war (und nicht, wie in Ulm, in tätig werden. diesmal zusammen mit dem Zentrum Messehallen). Auch unabhängig vom (www.katholische-maennerarbeit.de) Generationen – untergebracht in den Wetter hat es sich aber als gute Ent- Willi-Graf-Schulen. Obwohl nicht scheidung erwiesen, den Stand der Hinweis: Berichte über die Militär- direkt in der Stadtmitte, herrschte Männerarbeit diesmal im Zentrum seelsorge sowie den Stand der GKS doch teilweise lebhaftes Treiben. Frauen und Männer zu platzieren. In auf dem Katholikentag s.S. 76) Der Männerbereich griff das Katholikentagsmotto unter den As- pekten „MANN-GERECHT LEBEN“, BUCHBESPRECHUNG – MANN UND SPIRITUALITÄT: „MANN-GERECHT HANDELN“ und „MANN-GERECHT GLAUBEN“ auf. Einige Wie Männer heute glauben können Beispiele aus dem Programm: „MÄN- NER-KRAFTRAUM“, eine „Lese- und Gedanken und Gebete für Männer Schreibwerkstatt“ mit Br. Paulus Terwitte, „HOMOSEXUELLE UND HETE- ännern mangelt es nicht an ROSEXUELLE MÄNNER IM GESPRÄCH“, spirituellen Erfahrungen, ein Podium „Mann-gerecht leben“ Mdoch sie legen großen Wert u.a. mit Erzbischof Ludwig Schick darauf, diese in ihrer eigenen Spra- von Bamberg, ein Vortrag „Mann-ge- che auszudrücken. recht glauben“ mit Prof. Paul M. Zu- Als Hilfe dazu ist in diesem lehner, Beratung zu Lebens- und Frühjahr ein Buch erschienen, das Glaubensfragen, Partnerschaft und sich an Männer wendet, die offen und Familie, Arbeitslosigkeit und Ge- neugierig sind für die spirituellen Di- waltfragen etc. mensionen ihres Lebens sowie an Leider schien der Draht zum Mitarbeiter in der kirchlichen Män- himmlischen Wetterwart diesmal nerarbeit und Männerbildung. Es ist nicht allzu gut gewesen zu sein. Doch ein Buch von Praktikern für Prakti- der Regen verzog sich zum Glück ker, herausgegeben von Martin Rosowski, Geschäftsführer der Män- nerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), und Andreas Fortsetzung von Seite 52 Ruffing, Leiter der Arbeitsstelle für nach dem Sinn des Lebens. Männerseelsorge und Männerarbeit sowie Gebete und Texte aus der Lite- Höhepunkt der Tagung war der in den deutschen Diözesen. Mitgear- ratur. Abgerundet wird das Angebot Gottesdienst und das anschließende beitet haben Markus Hofer, Paulus durch ausdrucksstarke zweifarbige Gespräch mit Erzbischof Schick, Terwitte und Klaus Vellguth (aus ka- Fotos. dem Männerbeauftragten der DBK. tholischer Sicht) und Detlev Gause, Ein modernes, ökumenisch aus- Erzbischof Schick sagte, dass Män- Eckhard Käßmann und Hans-Georg gerichtetes Glaubensbuch von Män- ner Spiritualität suchen und brau- Wiedemann (aus evangelischer nern, das Männer in ihrer eigenen chen, sie sollten missionarisch für Sicht). Die Texte sollen zum Nach- Sprache zum Gespräch über Spiritu- die da sein, die sich vom Glauben denken und zur Besinnung über alität, Gotteserfahrungen und religiö- entfernt haben. Männer brauchen Grundgefühle von Männern anregen ses Empfinden einlädt. Wegbegleiter bei allen Problemen. – über Freude und Hoffnung, Angst „Kraft-Räume. Gedanken und Gebete Den Abschluss der Tagung bil- und Trauer, Liebe und Wut. für Männer“. Hrsg. Martin Rosowski/ deten vier verschiedene Workshops, Jedes Kapitel bietet einen ein- Andreas Ruffing. 144 S., mit zahlrei- in denen es um den Sinn des Lebens führenden Psalmtext, einen autobio- chen zweifarb. Fotos. Verlag Butzon ging in einer Männerwelt von Aktivi- graphisch gefärbten Erfahrungs- & Berker, Kevelaer, in Gemeinschaft tät, Integration und Leistung. ❏ bericht, weiterführende Gedanken mit dem Luther-Verlag, Bielefeld.

AUFTRAG 262 53 MANN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFT

ÜBER DAS VATERSEIN: „Es ist wichtig, dass das Kind die Liebe des Vaters erfährt“ Vortrag von Familienbischof Klaus Küng über das Vatersein Kinder sind es, welche die Liebe am meisten suchen und bei denen die ie katholische Nachrichtenagentur ZENIT veröffentlichte im Verzärtelung am gefährlichsten Februar 2006 einen Vortrag über die Rolle des Vaters in Erzieh- wirkt. Diese Kinder brauchen weder ung und Familie, den der St. Pöltener Diözesanbischof Klaus nur mehr Strenge, noch nur mehr D Schonung (beides ist ganz falsch). Küng anlässlich der Frühjahrskonferenz der Katholischen Männerbe- wegung Österreichs am 4. Februar im Bildungshaus St. Hippolyt hielt. Was sie brauchen, ist ein Mehrauf- „Die göttliche Vaterschaft ist Grundlage und Vorbild jeder Vater- wand an beidem und damit an lösen- der, das heißt zur Selbstständigkeit schaft“, betonte der österreichische Familienbischof. „Nur die aktuel- führender Erziehungsarbeit.“ le, stets erneuerte Liebe des Mannes zu seiner Frau vermag ihm den Die kindliche Vital-Bindung, Sinn seiner Vaterschaft zu geben und die Art und Weise, dieser Vater- besonders an die Mutter muss schaft zu verwirklichen.“ „entkindlicht“ werden. Wo der Vater abwesend ist und die Frau sich in je- 1. Eine vaterlose Gesellschaft dass die Entstehung einer Vital-Bin- der Hinsicht vernachlässigt und Ein besonders wichtiger Aspekt dung die unersetzliche Vorausset- missverstanden fühlt, also als Ehe- in unserer Zeit ist die Vaterlosigkeit: zung für Erziehung ist. Die Mutter frau und Erziehungspartnerin unbe- Alexander Mitscherlich sprach schon hat in dieser Hinsicht einen eindeu- friedigt, dort wird der Entwicklungs- vor Jahrzehnten von der „vaterlosen tigen Vorteil. Vital-Bindungen sind vorgang gehemmt. Dort entsteht häu- Gesellschaft“. Er meinte damit die die Grundlage für Kontakt, Zunei- fig eine zu starke Mutterbindung, Ur- Erscheinung, dass die Industriege- gung, Kommunikation, sie müssen sache vieler Reifestörungen, denen sellschaft auf Funktionen basiert. Es aber verwandelt werden. Weizsäcker man gerade in unserer Gesellschaft zählt das Know-how, der Manager, lehrt, dass sie gelöst werden müssen. häufig begegnet. der Macher, der Star. Nicht die Per- Allein so wird eine Weiterentwick- Eine große Bedeutung für die sönlichkeit, sondern die Leistung, lung des Kindes möglich, auch wenn Entwicklung des Kindes kommt der die Kraft, das Geld, die Schönheit. ihre Wandlung schmerzhaft sein Beziehung zwischen Vater und Mut- Das führt zu einem Abbau der Be- kann und bei ihrer Entwöhnung ge- ter zu. Auch das ist grundlegend, um deutung persönlicher Autorität in der wisse Probleme auftreten können. zu verstehen, was Vatersein bedeu- Schule, in der Politik. Die Medien Wörtlich sagt Weizsäcker: „Jeder tet. spielen in diesem Geschehen eine Erzieher untersteht dem dialekti- Allzu oft kommt es in der eheli- besondere Rolle. schen Gesetz, dass er nur dort wirken chen Liebe zu falschen Entwicklun- Aber es ist nicht nur das. Verlo- kann, wo eine Bindung ist, und dass gen: Sie verkümmert nach Abklingen ren war der Vater zuerst in der für er nur dort bilden kann, wo er auch der Verliebtheit der ersten Zeit und das Kind weit weg liegenden Arbeits- die Bindung wieder löst. Sonst wird mündet in eine Art Banalität gemein- welt, aus der der Vater am Abend er zum Schulmeister oder zum samer, fast bloß kaufmännischer In- kurz zurückkam, meistens nicht gut Exerzierstock und produziert als sol- teressen. Das unbefriedigte Bedürf- aufgelegt, manchmal eventuell noch cher Neurosen. Das nervöse Kind, nis der Frau, als Person geschätzt bereit zu einem Spielchen mit dem das verstockte, das grausame, hass- und geliebt zu werden, wirft sich mit Kind vor dem Ins-Bett-Gehen. Viel erfüllte, rachsüchtige Kind (…), allen ichhaften Saugkräften auf das konnte man von ihm nicht erwarten, Kinder mit Schrei- und Atem- Kind, das zum Opfer dieser beklem- denn er hatte schon genug gearbeitet, krämpfen, Kinder mit Bettnässen menden Situation wird: Es ist die Zu- war müde und wollte nur und und Daumenlutschen, mit Essens- flucht, der Trost, die Ehre, die Krone vor dem „Kasten“ (TV) sitzen, mit verweigerung, Erbrechen, angst- und nicht des Wir, sondern der ungesät- dem Bierkrug in der Hand. Bisweilen hysterischen Reaktionen sind meist tigten Frauenliebe. Es soll der Frau war der Vater die richterliche Autori- Kinder, bei denen zum Beispiel die geben, was diese in der Ehe nicht er- tät, an die die erschöpfte Mutter ap- Bindung an die Mutter übermäßig langen kann. Viele Störungen hängen pellierte, um das launische Kind in stark war, und bei denen die Lösung damit zusammen. die etablierte Hausordnung zu fügen. der Vital-Bindung mit übermäßigen Ein solches Klima, das der ge- Wenn der Vater sich dem Kind Entziehungsschmerz verbunden ist. genseitigen Liebe und der menschli- nicht zuwendet, kann keine „Vital- So paradox es scheinen mag: Gerade chen Wertschätzung unter den Part- Bindung“ entstehen. Diese ist wich- diese nervös, ungehorsam, ‘böse’, wi- nern widerspricht, schadet der Ent- tig. Um das zu erklären, muss ich et- derspenstig und lieblos erscheinen- wicklung des Kindes mehr als jede was weiter ausholen. den Kinder sind jene, bei denen die Streitigkeit, die zwar häufig vermie- Dieser Begriff („Vital-Bindung“) Vital-Bindung, besonders an die den, dafür aber auch häufig durch stammt von Viktor von Weizsäcker, Mutter viel stärker ist als bei den un- kalte Selbstbeherrschung ersetzt dem Begründer der deutschen psy- komplizierten, so genannten gutarti- wird. Die unaufhörliche, bittere und chosomatischen Medizin. Er sagt, gen Kindern. Gerade die nervösen oft verdeckte, manchmal auch offene

54 AUFTRAG 262 MANN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFT

Feindseligkeit zwischen Vater Eine Atmosphäre, in der die eheliche durch das starke Überwiegen von und Mutter, die oft (nicht immer) weiblichem Personal in der gan- die „Affenliebe“ zum Kind ent- Liebe fehlt, lässt die Persönlichkeit zen Erziehung). Bei den Bur- stehen lässt, gehört zu den des Kindes verkümmern und bereitet schen sind die Folgen besonders schlimmsten Erfahrungen, die den Weg zu künftigen Neurosen. deutlich erkennbar, aber auch ein Kind je machen kann. Es bei Mädchen spielt die Bezie- wird unsicher und misstrauisch ge- zu kommen. Der Vater ist dabei hung zum Vater für die Entwicklung, genüber dem Leben überhaupt und genauso kompetent wie die Mutter. insbesondere für ihre Beziehungs- schließt daraus, dass „die Liebe eine Er sollte diese aber nicht ein- fähigkeit, eine wesentliche Rolle. Lüge ist“. Eine Atmosphäre, in der fach nachahmen, auch wenn es gut Manche verbringen ihr ganzes Leben die eheliche Liebe fehlt, lässt die sein mag, dass auch er in der Lage mit der Suche nach dem Vater. Persönlichkeit des Kindes verküm- ist, dem Kind die Flasche zu geben, mern und bereitet den Weg zu künfti- das Kind zu baden und ihm die Win- 2. Wesen und Aufgabe des gen Neurosen. Mangel an Bildung deln zu wechseln. Er sollte sich sei- Vaters der Frau in Bezug auf Mutterschaft, ner Fähigkeiten bewusst werden und Die grundlegenden Kennzeichen unbefriedigtes Liebesbedürfnis, eine größere Verantwortung als Vater jeder wahren Vaterschaft scheinen Angst, Misstrauen und Minderwertig- übernehmen. mir Liebe und Verantwortung. keitsgefühle der Mütter führen zu ei- Die schwierigste Form des Ein guter Ausgangspunkt für die ner Bindung an das Kind, die vor al- „Vaterverlustes“ entsteht durch die Erklärung dessen, was ein Vater ist lem aus Tabus- und albernen Sicher- Ehescheidung. Sie ist die schlimmste und sein soll, scheint mir die Offen- heitsmaßnahmen besteht. „Ohne Ri- Plage unserer Gesellschaft. Hier sind barung der Vaterschaft durch Chris- siko“ will die Mutter auf eigene die negativen Folgen für die Kinder tus. Er bezieht sich oft auf „seinen Faust jeden Schritt des Kindes vor- am deutlichsten erkennbar, mit oft Vater“, der unser aller Vater ist. Die ausbestimmen. Eine vom steifen For- verhängnisvollen Auswirkungen, die göttliche Vaterschaft ist Grundlage malismus geprägte Zwangsvorstel- den betroffenen Kindern und Ju- und Vorbild jeder Vaterschaft. Sie lung von der Gesundheit kreiert den gendlichen nicht selten für das ganze kann so skizziert werden: Typ des Muttersöhnchens. Sicherheit Leben eine Prägung geben und oft • Gott ist der Schöpfer aller Dinge als Beseitigung des Unvorhergesehe- schwer heilbar sind. Die Ursachen des Himmels und der Erde. Von nen hemmt die Vitalität und den sind komplexer Art, sie hängen mit ihm heißt es im Psalm: „Du hasst Unternehmensgeist des Kindes. dem Vaterverlust, aber auch mit ei- nichts, was du erschaffen hast.“ Das Kind sollte hingegen von ner Reihe von anderen Faktoren zu- Aus dieser Vaterschaft entsteht den ersten Vorschuljahren an die ei- sammen wie der Reaktion der Mutter von ihrem Wesen her Zuneigung gene Verantwortung tragen, den eige- auf die Trennung, das Auftreten wirt- und Liebe zu dem, was von ihm nen Kampf führen lernen, und es schaftlicher Probleme, eventueller abstammt. sollte Erfolge und Misserfolge anneh- Wechsel der Wohnung, der Schule, • Gott hat die Welt so sehr geliebt, men, ohne dabei begeistert den Ap- des Freundeskreises usw. Vor allem dass er seinen Sohn gesandt hat. plaus oder tragischen Tränen begeg- stellt der Konflikt der Eltern vor, Er lässt die Seinen nicht allein, nen zu müssen. Da sollte die Schule während und nach der Scheidung er lässt sie niemals im Stich. in ihrer Bedeutung nicht überbewer- eine besondere Belastung für die Wahre Vaterschaft führt zur un- tet werden. Wichtig und entschei- Kinder dar. Dies beeinträchtigt stark bedingten Annahme des Kindes, dend ist, dass das Kind die Liebe die emotionale und soziale Integrati- das immer zum Vater kommen zum Leben weiter entfaltet, dass es on, es kommt zu einer dürftigen Ent- darf, auch wenn die Probleme ganz frei seine Berufung findet. wicklung des Charakters und des groß waren beziehungsweise Die Vaterforschung der letzten Verhaltens, zu Defiziten in den groß sind. 30 Jahre hat festgestellt, dass die Schulleistungen. Auch Aggressivität • Gott führt und leitet. Er sendet physische und aktive Anwesenheit und Depressionen gehören oft zu den sein Wort. Zunächst durch die des Vaters die harmonische – gesun- negativen Folgen der Vaterentbeh- Patriarchen und Propheten, de – Entwicklung des Kleinkindes rung der Scheidungskinder. schließlich sendet er seinen im großen Ausmaß fördert, dass der Viele Burschen wachsen ohne Sohn, der das fleischgewordene Vater genauso fähig ist wie die Mut- männliches Vorbild auf (verstärkt Wort ist. ter Kleinkinder zu • Zum Vatersein ge- versorgen, mit ihnen hört, ein hörendes zu kommunizieren Die physische und aktive Anwesenheit des Vaters fördert Herz zu haben. und zu spielen, und die harmonische, gesunde Entwicklung des Kleinkindes im Gott ist ein Vater, der dass er sich dabei großen Ausmaß. Der Vater ist genauso fähig wie die Mutter verzeiht, der seinen von der Mutter un- Kleinkinder zu versorgen, mit ihnen zu kommunizieren und zurückkehrenden terscheidet. Es geht Sohn schon von der dabei nicht nur dar- zu spielen. Er unterscheidet sich dabei von der Mutter. Ferne kommen sieht. um, die Frau zu ent- Es geht nicht nur darum, die Frau zu entlasten, sondern Ein Vater hat ein lasten, sondern ei- einem Grundbedürfnis des Kindes entgegen zu kommen. großes Herz, hilft, nem Grundbedürfnis Der Vater ist genauso kompetent wie die Mutter. baut auf, steht bei. des Kindes entgegen • Wie bereits gesagt:

AUFTRAG 262 55 MANN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFT

Die Zuwendung des Vaters ist Es ist wichtig, auf Wege zu wei- Es besteht kein Zweifel, dass schon beim Kleinkind sehr sen, aber nicht in ein Korsett. sehr viele Ehen deshalb oft zerbre- wichtig, damit eine Vital-Bin- Manchmal ist es unvermeidbar, chen oder nicht glücklich sind, weil dung entstehen kann. dass Irrwege gegangen werden. nicht die Stufen beschritten werden, Es ist von großer Bedeutung, Wie schwer ist es, das zu erle- deren Bewältigung Vorraussetzung dass der Vater für seine Familie ben, und wie wichtig ist es, zu ih- ist für die notwendige Umwandlung Zeit hat, sich für sie Zeit nimmt. rer Wiederaufnahme bereit zu der Beziehung in der ersten Phase Vater und Mutter sind nicht aus- sein. der Verliebtheit zu den späteren Pha- tauschbar. Kinder brauchen die • Das Gleichnis von Barmherzi- sen der ehelichen Beziehung. Die Liebe beider, sie brauchen die gen Vater muss oft betrachtet Stufen der Ehe-Entwicklung bedeu- Ergänzung von Vater und Mutter. werden. ten jedes Mal nicht nur geistige, son- Sie brauchen den eigenen Vater Die Vaterschaft stammt von Gott, dern vitale Umbildungen, das heißt und die eigene Mutter zur Fin- und auch die Mutterschaft. Gott, sie sind nicht nur sittlicher Art, son- dung ihrer Identität. Viel wäre zu dessen Wesen die Liebe ist, hat dern auch sinnlicher und affektiver sagen über die Probleme der den Menschen als Mann und Art. Anders sind die Beziehungen „Patch-Work-Familien“. Der ei- Frau erschaffen und zur Liebe zwischen Verliebten als jene der Ver- gene Vater, die eigene Mutter ist bestimmt. Es lohnt sich, die En- lobten. Diese sind anders als die der nie wirklich ganz ersetzbar. Die zyklika von Papst Benedikt XVI. Jungverheirateten; diese sind wieder Komplikationen sind oft viel grö- zu lesen, was er über die Liebe anders als die von einem Ehepaar, ßer, als weithin dargestellt wird. schreibt. das inzwischen Vater und Mutter ge- • Es ist wichtig, dass das worden ist. Kind die Liebe des Va- Die vielleicht wichtigste Voraussetzung für Die Situation ändert sich ters erfährt. eine heilbringende leibliche Vaterschaft ist neuerlich, wenn die Kinder Beziehung ist niemals eine bereits erwachsen und von zu Einbahn. Erwachsene wer- das Eingehen einer christlichen Ehe und Hause ausgezogen sind. den auch durch Kinder be- das Bemühen um ihre Verwirklichung. Wieder anders wird es, wenn reichert. Man muss be- beide in Pension sind. wusst machen, welchen Schatz 3. Voraussetzungen für die Vor allem muss betont werden, ein Kind bedeutet. Jedes Kind Vaterschaft dass sich die Erotik auf die physi- hat seine eigene Persönlichkeit, In Genesis heißt es: „Darum ver- schen Eigenschaften des anderen be- die sich sehr bald zeigt. Väter lässt der Mann Vater und Mutter und zieht, die Verliebtheit die seelischen können viel von ihren Kindern bindet sich an seine Frau, und sie Qualitäten des geliebten Menschen lernen. Sie sind in ihrer Grund- werden ein Fleisch“ (Gen 2,24). Eine meint, während personale Liebe sich stimmung oft fröhlich, kontakt- der wichtigsten Voraussetzungen für auf das einmalige, unwiederholbare freudig, sie können spontan ihre die Vaterschaft ist, selbstständig zu und unersetzbare Du ausrichtet, das Gefühle äußern, haben ein schier werden, eigenständig (Abnabelung). hinter dem körperlichen und seeli- unbegrenztes Vertrauen zu den Es muss eine gewisse menschliche schen Eigenschaften erkannt und Eltern. Reife erreicht werden: intellektuell. ausgewählt wird, auf dieses Du, wel- • Der Vater hat gemeinsam mit Die berufliche Ausbildung ist Grund- ches allein die Ganzhingabe des Ich der Mutter eine Führungsauf- lage, um sich selbst und eine Familie hervorbringt. Das Steckenbleiben auf gabe. Es ist wichtig, dass er zu erhalten. Eine gewisse Ausgegli- einer dieser Stufen bringt die Ehe als mittut. chenheit ist notwendig, Selbstbeherr- Gemeinschaft von Personen ins Die Beziehungen müssen ge- schung, Fertigkeit im Charakter, Schwanken, des Öfteren zum Schei- pflegt werden, verändern sich Dienstbereitschaft. tern, und entstellt von vornherein allmählich. Es ist notwendig, Nicht nur Vater und Mutter müs- grundsätzlich alle Beziehungen zu dass der Vater mit den Kindern sen verlassen werden, manchmal den Kindern. (manchmal mit einem der Kin- auch Hobbys und Freunde, denen Die Ehe verlangt beidseitige der) etwas unternimmt und dass man weiter nachgehen kann, aber mit Ganzhingabe oder sie wird – bewusst sich Gespräche entwickeln. Kin- klaren Prioritäten für die Familie. oder unbewusst – zu einem Bündel der müssen spüren: Ich bin dem Wichtig ist das Eingehen einer von Egozentrismen, das unvermeid- Vater wichtig. Vater und Mutter echten Bindung. Das ist ein Punkt, lich egozentristische Kinder auf- müssen Ja zu ihren Kindern sa- der heute oft übersehen wird. Nur so wachsen lässt. Denn wo die eheliche gen – mit ihren Eigenheiten, Fä- entsteht die Voraussetzung einer Liebe nicht mehr Ganzhingabe her- higkeiten und Schwächen, wirklichen Hingabe in der Ehe, nur vorbringt (nur sie ist dynamisch, er- Schwierigkeiten und Problemen; so entsteht die Grundlage der Gebor- neuert sich ständig und ist erfinde- mit ihrer persönlichen Berufung, genheit für Frau und Kinder. risch), dort werden starke Ansprüche die nicht immer den Vorstellun- Eine ganz wichtige – vielleicht erhoben oder Sehnsüchte genährt, gen und Träumen der Eltern ent- die wichtigste – Voraussetzung für die zum Kampf oder zum Krampf spricht. eine heilbringende leibliche Vater- führen: Die Atmosphäre der Familie • Wichtig ist auch das Offen- schaft ist das Eingehen einer christli- wird gespannt, Machtkonflikte ent- halten eines Freiraumes: Er- chen Ehe und das Bemühen um ihre stehen und von beglückender Frei- ziehen hat Grenzen. Verwirklichung. heit bleibt keine Spur mehr übrig.

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hält die Vaterschaft jene Festigkeit, de kommt und entdeckt wird. Sie Die eheliche Hingabe ist die mit Güte und Barmherzigkeit ge- setzt im Besonderen eine reife Per- eine ganz besondere Form paart ist, für die Kinder zu Zuflucht sönlichkeit voraus, die Verbunden- der Freundschaft zwischen und zum Halt wird und ihnen doch heit mit Gott und das Bemühen um Personen, die das Teilen, die nötige Freiheit und Entwicklung eine konsequent gelebte Nachfolge das Geben, das Empfangen, zu eigenständigen, gesunden Persön- Christi. Auch in diesem Zusammen- das Verstehen und Mitfühlen lichkeiten ermöglicht. Es hat in der hang ist eine feste Bindung (oft im Tat eine tiefe, nie ganz ausgeschöpfte Sinne des Zölibates) wichtig. Die fordert und fördert. Bedeutung, wenn Paulus lehrt: „Es Verbundenheit mit Gott führt zu ei- ist ein großes Geheimnis. Ich bezie- ner Liebe, die wohlwollend ist, für Heute stoßen wir einerseits auf he es auf Christus und die Kirche“ den anderen das Beste möchte. Sie manche extreme Formen der Eman- (Eph 5,32). ist gerade deshalb verständnisvoll, zipation der Frau, die zum Egoismus aber auch fest in Gottes Geboten ver- pur werden können, aber auch sei- 4. Geistliche Vaterschaft ankert. Sie vermittelt Geborgenheit tens der Männer besteht die Gefahr, Erlauben Sie mir noch einige und Halt, ist ehrlich und scheut sich dass sie Besitzansprüche stellen, Worte zur geistlichen Vaterschaft, nicht, vor dem zu warnen, was scha- welche die Liebe erdrücken. Nicht wie sie in der Kirche gelebt wird. Sie den könnte. Sie öffnet neue Hori- nur seitens der Frau, sondern auch ist ein großer Segen, wenn sie zustan- zonte und führt ans richtige Ufer. ❏ seitens des Mannes ist Ganzhingabe nötig, andernfalls kommt es zur Ge- fährdung der Ehe und zur Gefähr- Die beste Grundlage für eine gesunde Entwicklung der Kinder, dung der gesunden Entfaltung der für die Verwirklichung von Mutterschaft und Vaterschaft besteht Kinder. Diese Ganzhingabe wird nie dann, wenn die Ehe als Sakrament gelebt wird. Dies führt dazu, auf Distanz verwirklicht, das heißt dass beide persönlich um ein christliches Denken, Reden und Tun indem ein Mann sich sagt, dass seine bemüht sind und sich Gedanken machen, wie Sie Aufgabe darin bestehe, die Familie dieses Christsein gemeinsam am besten leben können. wirtschaftlich zu sichern, um der Frau die möglichst ungeteilte Zuwen- dung zum Kind zu ermöglichen. „Ich will meinen Kindern die beste Be- zugsperson schenken, und das ist Väter waren bekanntlich selber nie Töchter. Es ist also eine teilweise fremde Welt, meine Frau: Sie tut es so geschickt, die ihnen in den eigenen Töchtern gegenüber steht. Darum muss man Vätern sagen, und ich habe darüber hinaus keine Zeit.“ Es braucht auch den Vater. wie wichtig sie für die Töchter sind. Die Autorin des folgenden Beitrags, Die eheliche Hingabe ist eine heute Leiterin eines Ehe- und Familienzentrums, tut es auf berührende Art: ganz besondere Form der Freund- schaft zwischen Personen, die das Teilen, das Geben, das Empfangen, Bericht einer Tochter das Verstehen und Mitfühlen fordert VON INGRID HOLZMÜLLER und fördert. Es ist notwendig, dass beide die Beziehung zueinander und anzkursabschlussball. Ich ver- Wohnzimmer. Meine Mutter lächelte zu den Kindern pflegen. Nur die ak- brachte, wie alle meine Freun- verständnisvoll. Sie war auf die Re- tuelle, stets erneuerte Liebe des Tdinnen, den Tag damit, mich aktion meines Vaters ebenso ge- Mannes zu seiner Frau vermag ihm auf dieses einzigartige Ereignis vor- spannt wie ich. Mein Vater lag auf den Sinn seiner Vaterschaft zu geben zubereiten. Ich war beim Friseur, der Couch und las die Zeitung. Eini- und die Art und Weise dieser Vater- legte mich eine Stunde in die Bade- ge Sekunden verstrichen. Ich wartete schaft zu verwirklichen. wanne, cremte, manikürte und pedi- geduldig. Weitere Sekunden vergin- Die beste Grundlage für eine ge- kürte mich. Ich bügelte mein Kleid, gen. Schließlich fragte ich erwar- sunde Entwicklung der Kinder, für schminkte mich, malte mir die Fin- tungsvoll: „Nun, was meinst du?“ Er die Verwirklichung von Mutterschaft ger- und Zehennägel perlmuttrosa schaute mich an und schwieg. Dann und Vaterschaft besteht dann, wenn an. Kurzum ich tat alles, um mich las er weiter. Kein Wort kam über die Ehe als Sakrament gelebt wird. schön zu machen. seine Lippen. Ich fühlte mich gede- Dies führt dazu, dass beide persön- Erst als mein großer Auftritt im mütigt und dumm in meiner ganzen lich um ein christliches Denken, Re- Wohnzimmer für meinen Vater ge- Aufmachung. „Ich gefalle ihm nicht“, den und Tun bemüht sind und sich kommen war, dämmerte es mir, dass schoss es durch meinen Kopf. Gedanken machen, wie Sie dieses ich mich einzig und allein für einen „Dabei habe ich mir so viel Mühe ge- Christsein gemeinsam am besten le- Mann schön gemacht hatte und den geben.“ Tränen traten in meine Au- ben können. Mit der Hilfe Christi fin- ich mit meiner atemraubenden gen. Am liebsten hätte ich hem- den sie den Weg zu einem friedli- Schönheit beeindrucken wollte, näm- mungslos losgeheult, was ich mir je- chen und liebevollem Miteinander lich meinen guten alten Papa. doch auf Grund des Make-ups unter- trotz aller Probleme und Schwierig- Ich ging mit majestätischen sagte. „Ich gefalle ihm nicht“, sagte keiten. In der Beziehung zu Gott er- Schritten durchs Haus zu ihm ins ich mit kläglicher Stimme zu meiner

AUFTRAG 262 57 MANN IN KIRCHE UND GESELLSCHAFT

Gespannte Erwartung: Junge Damen auf dem Weg zum ersten Ball. er bemerkte, dass ich kein Kind mehr war und dass er mir versicher- te, dass die Frau, die ich einmal sein Rückblickend muss ich sagen, würde, einzigartig und wunderbar dass mir meine damalige Erklärung wäre. Ich wollte spüren, dass er auf immer noch plausibel erscheint, seine Tochter einen Stolz hat. doch Alter und Erkenntnis haben Manchmal passiert es mir auch mich milder gestimmt. Inzwischen noch heute, dass ich mich, wenn ich denke ich, dass es ihm einfach pein- ausgehe, leer fühle. Dass ich Angst lich war, auf meine Weiblichkeit zu habe, nicht die Zustimmung der an- reagieren. Kleine Mädchen legen deren zu finden, nicht wahrgenom- kein Make-up auf oder lackieren sich men zu werden. Ich bekämpfe dieses die Fingernägel. Kleine Mädchen Gefühl zwar mit meinem Verstand, tragen kein figurbetontes Kleid und aber die emotionale Realität ist un- verwenden keinen Glitzerpuder für vergesslich. den Ausschnitt. Frauen tun es aber. Mir geht es nicht um Schuldzu- Ich glaube, mein Vater erkannte zum weisung, Eltern sind auch nur Men- ersten Mal, dass sein kleines Mäd- schen. Wir alle machen Fehler, ganz chen eine Frau war und eine eigene besonders wenn wir versuchen gute Erotik ausstrahlte und er missbilligte Eltern zu sein. Ich glaube jedoch, dieses Verhalten. Es war ihm pein- dass sich Väter viel zu wenig bewusst lich und er wusste nicht, wie er damit sind, welche Macht sie über das umgehen sollte. Selbstwertgefühl ihrer Tochter ha- Aus meiner Sicht war alles ganz ben. harmlos. Ich wünschte mir ganz ein- (Nachdruck aus: „Von man zu fach, von meinem Vater zu hören, Mann“ 4/05, Hrsg. Männerbüro dass ich hübsch sei. Ich wollte, dass der katholischen Kirche Voralberg)

Mutter. Diese nahm mich beiseite und sagte beschwichtigend: „Natür- NICHT NUR, ABER AUCH EIN MÄNNERTHEMA: lich gefällst du ihm, aber du kennst doch deinen Vater. Das zu zeigen ist Glaubensweitergabe: Viele Katholiken sehen Defizite nicht seine Art.“ (Ich frage mich, wie viele Kinder diesen Satz schon ge- eutschlands praktizierende Großeltern, Verwandte“ sowie 73,1 hört haben: „Du kennst doch deinen Katholiken halten es mehr- Prozent mit „Priester, Ordensan- Vater...“) Ich ging zum Abschluss- Dheitlich für wichtig, dass gehörige“, 42,8 Prozent mit ball und hielt mich für unscheinbar Kinder und Jugendliche intensiver „Religionslehrer“ und 17,5 Prozent und nicht beachtenswert. Ich hielt an den Glauben herangeführt wer- mit „sonstige Personen“. Mehrfach- mich auch während der nächsten den. Wie aus einer im Januar in Nennungen waren möglich. zehn Jahre für unscheinbar und nicht veröffentlichten Umfra- Befragt, warum Heranwachsende beachtenswert. ge des Bonifatiuswerkes der deut- nur schwerlich Zugang zum Glauben Das Verhalten meines Vaters schen Katholiken hervorgeht, be- fänden, gaben 38,5 Prozent zur Ant- hatte meine schlimmsten Teenager- gründeten 85,5 Prozent der Befrag- wort: „Ihr Interesse gilt nur Musik, befürchtungen bestätigt: Ich hatte ten eine aktive Glaubensunter- Partys und Kleidung“. Dass die Ge- den ersten Test bezüglich meiner weisung mit dem Hinweis, dass die sellschaft es glaubensinteressierten Weiblichkeit nicht einmal nach mü- Gesellschaft engagierte Christen Jugendlichen heute schwer mache, hevoller, ganztägiger Anstrengung brauche. 39,6 Prozent gaben an, befanden 63,7 Prozent. 31,0 Prozent bestanden. Ganz offensichtlich, so die „alte Kirche“ benötige einen meinten: „Zu wenige Christen zeig- redete ich mir ein, war es meinem neuen Aufbruch. 71,4 Prozent be- ten Dialogbereitschaft.“ Vater peinlich, mir die Wahrheit zu klagten grundsätzlich eine „fehlen- Auf die Frage, welche „herausra- sagen. Weil er mich liebte, wollte er de christliche Erziehung“. An der genden Glaubens-Botschaften“ der mich schonen. Wenn mein eigener vom Bonifatiuswerk im November Einzelne weitergeben wolle, antwor- Vater mich aber nicht für attraktiv 2005 durchgeführten 2. Glaubens- teten 67,2 Prozent mit „Gott nimmt hielt, so lautete meine Schlussfolge- umfrage beteiligten sich bundes- Dich an – ohne Wenn und Aber“, rung, dann musste es noch schlim- weit mehr als 2.500 Katholiken. 32,8 Prozent mit „Frieden suchen mer um mich bestellt sein, als ich be- Auf die Frage, welche Perso- mit allen Menschen“ und 62 Prozent fürchtet hatte. Wenn nicht einmal er nen den eigenen Glauben geprägt mit „Leben über den Tod hinaus“. als mein Vater einen Blick für mich hätten, antworteten der Umfrage Im Rahmen der Umfrage wollte übrig hatte, dann würde wohl niemals zufolge 97,3 Prozent mit „Eltern, das Bonifatiuswerk auch wissen, was ein Mann Notiz von mir nehmen!

58 AUFTRAG 262 MANN GESELLSCHAFTIN KIRCHE UND NAH GESELLSCHAFT UND FERN Anschnallen und Abheben! Ehe – ein Zukunftsmodell Ein Symposium der Deutschen Bischofskonferenz und des ZdK Lebensplanung und -führung. Sie umfasse sowohl die Chance für Müt- VON VERA WASSERMANN ter, berufstätig zu sein als auch die Chance für Männer, sich der Familie ie Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deut- zu widmen. Die Ehe stelle eine Alter- schen Katholiken (ZdK) veranstalteten am 6./7. April 2006 ein in- native zu Egoismus, Bindungs- Dterdisziplinäres wissenschaftliches Symposium zum Thema „An- losigkeit, Unzuverlässigkeit und Op- schnallen und Abheben! Ehe – ein Zukunftsmodell“. Das Symposium fand portunismus dar. statt im Rahmen der Initiative „Hier beginnt die Zukunft: Ehe und Fami- lie“ und ist Nachfolgeveranstaltung der Erklärung „Partnerschaft und El- Keimzelle humaner Gesellschaft ternschaft“ des ZdK. Tagungsort war das Konferenzcenter des Flughafens Im Themenbereich „Ethische Köln/Bonn – ein Ort, der auf die Herausforderungen verweist, denen Grundlagen“ stellte Prof. Dr. Partnerschaften und Ehen unter den Bedingungen von Mobilität und Fle- Andreas Lob-Hüdepohl, Professor xibilität heute unterliegen. Ziel des Symposiums war es, den Wert der Ehe für Moraltheologie und Rektor der für die Gesellschaft und den hieraus resultierenden Schutzauftrag des Staates für die Ehe herauszustellen sowie die Aktualität und Attraktivität Katholischen Hochschule für Sozial- dieser Lebensform zu betonen. Der interdisziplinäre Dialog wurde in An- wesen Berlin, heraus, dass die Sinn- wesenheit von Kardinal Sterzinsky, Vorsitzender der Kommission Ehe und gehalte einer christlich gelebten Ehe Familie der Deutschen Bischofskonferenz, und Prof. Dr. Hans Joachim angesichts der Herausforderungen Meyer, Präsident des ZdK, in drei Themenbereichen geführt. der modernen Lebenswelten nach wie vor ein beachtliches Orientie- Kardinal Sterzinsky ging in sei- tiven Entfaltung der personalen Be- rungspotenzial besäßen. Die christ- ner Begrüßung auf die Ehe als eine ziehung und darin nicht zuletzt auch lich gelebte Ehe, die vom Kern- Institution ein, die durch klare Struk- der Personen selbst beitrage.Prof. gedanken personaler Liebe ausgehe, turen und gemeinsame Ausrich- Meyer betonte, die Ehe ermögliche sprenge einengende Privatisierung tungen auf Lebensziele zu einer posi- eine gemeinsame, gleichberechtigte und Intimisierung sich selbst genü- gender Ehepartner. Es gehe der christlich gelebten Ehe nicht um Erwachsene von den Jugendlichen Gemeinden gibt. Zugleich besteht eine Abschottung des ehelichen lernen könnten. 62,0 Prozent beton- unter den Katholiken eine spürbare „Wir gegen Andere“, vielmehr weise ten: „Kritische Fragen stellen, Bereitschaft, sich den Herausforde- die personale Liebe immer über die Standpunkte überdenken“, 57,7 Pro- rungen der Weitergabe des Glaubens konkrete eheliche Gemeinschaft hin- zent gaben an, „wirkliche Begeiste- zu stellen.“ Bischöfe, Priester und aus. Darin dokumentiere eheliche rung entwickeln“ und 37,4 Prozent engagierte Laien sollten die Ergeb- Liebe das Umfassende und Universa- „Berührungsängste zu Außenseitern nisse dieser Umfrage zum Anlass le christlicher Liebe. Die personale abbauen“. nehmen, neue Wege der Familien- Liebe einer Ehe werde zur Keimzelle Die Glaubensumfrage stand un- pastoral zu suchen und zu beschrei- einer humanen Gesellschaft. Zum ter dem Motto der letztjährigen bun- ten, betonte Kathke. Das Bonifa- ehelichen Lebensstil gehören laut desweiten Diaspora-Aktion „Komm, tiuswerk werde die Unterstützung der Prof. Lob-Hüdepohl bindungsreiche sag es ihnen weiter!“ Dazu erklärten Glaubensweitergabe zu einem Freiheit, ernsthafte Gelassenheit und 56,4 Prozent, dieser Satz bedeute, Schwerpunkt seiner künftigen Arbeit Wertschätzung des Imperfekten, das „mit Jugendlichen das religiöse Ge- in Deutschland und Nordeuropa ma- das Menschliche des Menschen auch spräch zu suchen“. 75,9 Prozent chen. „Unser Land braucht einen in der Ehe wahre. meinten, die Aussage heiße „den neuen geistigen Aufbruch“, unter- Glauben ohne Worte vorzuleben“. strich er. Gemeinwohlfördernd Für 35,1 Prozent bedeutete der Slo- Bereits im vergangenen Jahr hat- Frau Prof. Dr. Ursula Nothelle- gan, „Jugendliche zu kirchlichen te das in Paderborn ansässige Werk Wildfeuer, Professorin für Soziale- Veranstaltungen einzuladen“. in seiner 1. Glaubensumfrage unter thik an der Albert-Ludwigs-Universi- Der Generalsekretär des Bonifati- damals 1.150 Personen ermittelt, tät Freiburg, ging auf die sozial- uswerkes, Prälat Clemens A. Kathke, dass es einem Großteil der beken- ethische Perspektive ein. In Anbe- äußerte sich zufrieden über die in- nenden Katholiken eher leicht falle, tracht der die Gegenwart beherr- haltlichen Impulse, die die Glaubens- über den eigenen Glauben mit ande- schenden Individualisierungs- und umfrage setze: „Aus den Antworten ren zu sprechen. Immerhin hielten Enttraditionalisierungsprozesse und wird deutlich, dass es einen großen 98,8 Prozent der Befragten die Wei- einer Arbeitsgesellschaft mit höchs- Nachholbedarf an intensiven Glau- tergabe des Glaubens an die eigenen ten Anforderungen an zeitliche, bensgesprächen in den Familien und Kinder „für wichtig“. (KNA) räumliche und emotionale Mobilität

AUFTRAG 262 59 GESELLSCHAFT NAH UND FERN und Flexibilität der Menschen werde Alleinleben nur eine Übergangslö- spezifisches Humanvermögen, das die Ehe oftmals als überforderte und sung sei und da die Ehe zentrale Be- allerdings nur eingeschränkt verwer- überholte Institution gesehen. Das dürfnisse der Menschen erfülle, wür- tet werden könne. Hierdurch entste- Grundgesetz aber stelle Ehe und Fa- den sie auch in Zukunft heiraten, er- he eine Asymmetrie im Geschlech- milie unter den „besonderen Schutz wartete Frau Prof. Cyprian. terverhältnis, deren Kosten für die der staatlichen Ordnung“ aufgrund Frauen nach wie vor höher seien. der einmaligen Leistungen, die Men- Stabile Partnerschaft Deswegen forderte Frau Prof. Ott schen in diesen Rechtsinstituten für Herr Dr. Christoph Braß, Leiter bessere Rahmenbedingungen für den Staat und die Gesellschaft er- des Planungsreferates im Staats- eine symmetrische Ausgestaltung der brächten. So habe die Ehe eine ministerium Baden-Württemberg, Paarbeziehung, eine eigenständige humanitätsfördernde Funktion mit stellte die vom Land Baden-Würt- soziale Sicherung der Frauen und Blick auf die Erziehung und Soziali- temberg in Auftrag gegebene Allens- den Abbau von Anreizen für speziali- sation der Kinder. Eine weitere Funk- bach-Studie „Einflussfaktoren auf sierte Aufgabenverteilungen zwi- tion der Ehe liege in ihrer Frei- die Geburtenrate“ aus dem Jahre schen Mann und Frau. heitsstiftung: Die Ehe entlaste von 2004 vor. Ein überaus wichtiger Ein- der immer wieder neu zu treffenden flussfaktor für die Entscheidung, Rechtlich Stabilisieren Entscheidung für den Partner. Die Kinder zu haben, stelle nach dieser Herr Prof. Dr. Heinz Holzhauer, gemeinwohlfördernde Funktion der Studie eine stabile Partnerschaft dar. Professor em. für Bürgerliches Recht Ehe zeige sich in der Öffnung der Diesbezüglich könne die Ehe als und Rechtsgeschichte, Westfälische Ehe hin zur Familie und zur Gesell- eine institutionalisierte Form ange- Wilhelms-Universität Münster, ging schaft. Diese drei Funktionen der strebter Sicherheit begriffen werden. auf die rechtlichen Aspekte der Ehe Ehe müssten wieder erkannt werden. Das Zeitfenster für die Realisierung ein. Die Ehe als älteste Vertragsform Der Schutz der Ehe müsse auch öko- eines Kinderwunsches sei aber wegen hätte ihre Bedeutung lange Zeit nomisch durch Beibehaltung des der langen Ausbildungszeiten sehr mitunter durch die Zuordnungs- Ehegattensplittings zum Ausdruck eng. Dr. Braß sprach von einer funktion der Kinder zum Vater erhal- kommen. „kinderentwöhnten Gesellschaft“, in ten. Aus dem Aufkommen von alter- der die Erfahrungsräume mit Kindern nativen Lebensformen resultiere eine Standortanalyse abnähmen. Eine zurückhaltendere äußere Schwächung der Ehe. Jedoch Den zweiten Themenbereich bil- Einstellung bzgl. der Forderung nach seien weder die nichteheliche Le- dete der „Sozialwissenschaftlich- Mobilität und Flexibilität sei, so Dr. bensgemeinschaft noch die eingetra- empirische Befund“. Frau Prof. Dr. Braß, angebracht. Familienförderung gene Lebenspartnerschaft gleichge- Gudrun Cyprian, Professorin für So- gehe mit Eheförderung einher. schlechtlich lebender Menschen vom ziologie am Fachbereich Soziale Ar- Verfassungsbegriff erfasst. Zu Be- beit der Otto-Friedrich- Universität Eigenständige Sicherung ginn des deutschen Familienrechts Bamberg, verwies auf Studien, denen der Frauen seien wirtschaftliche Faktoren wie zufolge das Heiratsalter steige, die Im dritten Themenbereich „Öko- beispielsweise die Heiratsgaben für Zahl der Eheschließungen sinke, die nomische und rechtliche Aspekte“ die Eheschließung entscheidend ge- Scheidungsrate zunehme, die Gebur- stellte Frau Prof. Dr. Notburga Ott, wesen. Erst das Kirchenrecht habe tenrate hingegen abnehme. Diese Professorin für Volkswirtschaft und der Institution Ehe das christliche Entwicklungen sind laut Prof. Prorektorin der Ruhr-Universität personale Element hinzugefügt. Prof. Cyprian globale Begleiterscheinun- Bochum, mit Blick auf die Ehe den Holzhauer forderte, stabilisierende gen einer modernen Gesellschaft, Zusammenhang dar zwischen einem Faktoren für die Ehe im Bürgerli- nicht aber Zeichen eines sich ver- langfristigen Vertrag und der dann chen Recht aufrechtzuerhalten. In breitenden Egoismus’. Die Ehe ver- großen Bereitschaft, Investitionen diesem Zusammenhang müsse die liere als Institution an Bedeutung, da vorzunehmen. Der Geschlechter- Abkehr vom Verschuldens- zum heute die Liebe allein als Vorausset- vertrag in der modernen Gesellschaft Zerrüttungsprinzip bei der Eheschei- zung für eine Eheschließung nicht enthalte eine Spezialisierung von Ar- dung hinterfragt werden. Prof. Dr. mehr ausreiche. Die Eheschließung beit außer Haus und Familienarbeit. Hans Joachim Meyer plädierte in sei- werde zunehmend als rechtlicher Derjenige Partner, der der Arbeit au- nem Schlusswort für ein die Ehe för- und symbolischer Formwechsel einer ßer Haus nachgehe, erwerbe markt- derndes Umfeld. Rahmenbedingun- bereits bestehenden Partnerschaft spezifisches Humanvermögen mit gen für neue Leitbilder müssten ge- erlebt, für den immer stärker der guter Verwertungsmöglichkeit; der schaffen werden sowie ein neues, le- Kinderwunsch eine Motivation dar- andere Partner, der die Familienar- bensnahes Männerideal. ❏ stelle. Da für die meisten Singles das beit übernehme, erwerbe haushalts-

60 AUFTRAG 261 ZUKUNFTSMODELL EHE

INTERVIEW: Ratschläge für eine glückliche Ehe Interview mit Pater Michael Ryan LC, Buchautor und Experte für Ehe und Familie Wir sollten auch immer nur enn ein Ehepaar wirklich glücklich sein will, so sollten sich beide jeweils ein Problem ansprechen. Ehepartner darum bemühen, sich gegenseitig zu stärken und zu Wenn wir uns ärgern, kommt es häu- Wfördern. Positive Kommentare sollten bei Weitem überwiegen. fig vor, dass wir viele Beschwerden Pater Michael Ryan LC, Experte für Ehe und Familie sowie Dekan für Phi- auf einmal vorbringen. Das ist für die losophie an der Universität Regina Apostolorum in Rom, spricht in diesem Beziehung nur verwirrend und stö- Zusammenhang vom Verhältnis 5:1, in dem Ermutigung und kritische Be- rend, deshalb also nur jeweils ein merkungen zwischen Eheleuten stehen sollten. kritisches Thema! In seinem Buch „Ein Tropfen zu viel“ gibt der Priester zahlreiche kon- Schließlich sollte man versu- krete Ratschläge, wie Ehe gerade auch heute gelingen kann. Auf einige chen, nicht persönlich zu werden. Es geht er im folgenden Gespräch mit ZENIT ein. ist hilfreich, die so genannten „Ich- Botschaften“ zu verwenden: Anstatt ZENIT: In Ihrem Buch schreiben Sie, merken. Das führt zu einer Ansamm- zu sagen: „Du bist eine furchtbare dass viele Ehen aufgrund von Miss- lung von Schmerz, die dann sehr Person“, ist es besser zu sagen: „Ich verständnissen und relativ kleinen leicht überschwappen kann. fühle, dass du eine furchtbare Person Dingen zerbrechen, die hätten verhin- bist.“ Der Unterschied scheint dert werden können. Was meinen Sie ZENIT: Wie können Ehepaare jene vielleicht nicht besonders groß zu konkret und was kann getan werden, Gesprächskultur erlernen, die notwen- sein, aber die zweite Methode ist um diese Probleme rechtzeitig zu lö- dig ist, um Probleme und Uneinig- besser, weil man zum Ausdruck sen? keiten in offener, aber feinfühliger bringt, was man fühlt, und dem ande- Pater Ryan: Ehen gehen auseinan- Weise ansprechen zu können? Wann ren nicht mit dem „Hammer“ kommt. der, weil die Ehepartner sich gegen- ist die „richtige“ Zeit, um über seitig verletzen. Es ist sehr schwie- Schwierigkeiten zu sprechen? Wie ZENIT: Liebe und Leid gehören un- rig, in der Gesellschaft einer Person kann man die Wahrheit sagen, ohne trennbar zusammen. Je mehr man auszuharren, die sauer und unange- den anderen zu verletzen? liebt, desto größer sind die Verletzun- nehm ist. Pater Ryan: Zunächst sollten wir gen, die man fühlt, wenn die geliebte Wir müssen vermeiden, den an- uns nicht immer über alles „be- Person nicht so reagiert, wie man sich deren mit unseren Worten oder Taten schweren“. Es ist wichtig, unsere das erwartet hat. Wie kann die Liebe zu verletzen. Des Weiteren sollten Kritik für wirklich wichtige Angele- stärker sein als das Leid? Wie kann wir eine Atmosphäre kultivieren, in genheiten aufzuheben oder für Ereig- man im gegenseitigen Umgang fein- der wir dem anderen das, was uns nisse, die uns besonders verletzt ha- fühliger werden? Wie kann man auf- verletzt, auch mitteilen können. Und ben. hören, selbstsüchtig und egoistisch zu schließlich müssen wir auch anneh- Wir dürfen nicht vergessen, dass sein? men, dass wir imstande sind, den an- die positiven und negativen Momente Pater Ryan: Das ist sicherlich die deren zu verletzen – sogar wenn wir in der Ehe immer im Verhältnis fünf größte Herausforderung für die Lie- das gar nicht beabsichtigen. zu eins stehen sollten. Für jedes ne- be. Ich denke nicht, dass es sich da Als allgemeingültige Regel gative Moment, für jede Kritik, die immer um Selbstsucht oder Egois- könnten wir sagen, dass wir unsere ich mir gestatte, sollte es also fünf mus handelt. Es ist eine Tatsache, Beziehung häufig überprüfen sollten, positive Kommentare geben. Unsere dass wir andere lieben können, wenn damit wir die Verletzungen, die trotz Toleranzgrenze für Negatives ist sehr wir uns geliebt fühlen. Sogar mit Gott unseres guten Willens entstehen niedrig. ist es so, wie der heilige Johannes in können, so schnell wie möglich hei- Wenn ein negatives Thema ange- seinem Brief schreibt: Es ist Gott, len können. Jeder Mensch ist anders, sprochen gehört, sollte ich immer da- der uns zuerst geliebt hat. und jeder empfindet die Dinge auf mit beginnen, dem anderen meine seine ganz persönliche Weise. Aus Liebe zu bekunden. Auf diese Weise ZENIT: Wie kommen wir dann aus diesem Grund können wir nicht ein- errichten wir gewissermaßen ein diesem Teufelskreis wieder heraus, fach jene Dinge auflisten, die in ei- Sicherheitsnetz, bevor wir mit dem wenn die Liebe „erloschen“ zu sein ner Ehe zu Problemen führen kön- heiklen Akt des Klagens beginnen, scheint? nen. Vielmehr müssen sich jeder bei dem blutende Wunden geöffnet Pater Ryan: Bestünden wir nur aus Mann und jede Frau Gedanken ma- werden. Damit will ich sagen, dass es Instinkten, dann gäbe es tatsächlich chen und sich darüber klar werden, keinerlei Zweifel an unserer Liebe keinen Ausweg. Aber wir besitzen was ihren Ehepartner verletzt. geben darf, ganz gleich, wie weit wir auch einen Verstand. Wir können das Das Gefährliche dabei ist wie ge- uns auch auf eine Diskussion einlas- Gute im anderen erkennen und wir sagt die Tatsache, dass wir den ande- sen sollten. Die Liebe wird nicht an- können es lieben – ganz gleich, wie ren verletzen können, ohne es zu be- getastet. er sich auch verhalten mag.

AUFTRAG 261 61 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Es fällt uns aber leichter, mit un- sind: Das Ehepaar verbringt Zeit darüber hinaus durch jene Liebe be- serem eigenen Leid zurechtzukom- miteinander, und zwar sowohl in reichert, mit der Gott dich liebt.“ men, wenn wir uns von der Liebe quantitativer als auch in qualitativer ZENIT: Was ist der Wille Gottes für „von oben“ inspirieren lassen, von Hinsicht; die Eheleute wissen, wie verheiratete Personen? der Quelle der Liebe. Das erinnert sie die Zuneigung, die sie füreinan- Pater Ryan: Ich würde das gern uns an das, was Papst Johannes Paul der empfinden, einander mitteilen folgendermaßen zusammenfassen: II. in seinem „Brief an die Familien“ können; sie sind dem Familienleben Im Alltag für einander zu sorgen; sagt: Wenn wir lieben wollen, müs- verpflichtet; sie können auf eine kon- dafür zu leben, den Ehepartner so sen wir mit dem Ursprung der Liebe struktive Art diskutieren; sie verfü- glücklich wie möglich zu machen; verbunden sein. gen über gemeinsame geistliche Wer- eine Familie zu haben und einander te. Das ist das Rezept, das ich jedem und den Kindern zu helfen, den Ort ZENIT: Wie stellt man es an, dass die Paar mitgeben würde, das eine glück- unserer endgültigen Bestimmung, tiefen Gefühle, die man für einander liche Zukunft aufbauen möchte. den Himmel, anzustreben und zu er- am Anfang des Ehelebens hegt, reichen. immer mehr wachsen, anstatt abzu- ZENIT: Was ist der Unterschied zwi- sterben? Wie können sie sich in wahre schen einer christlichen Ehe und an- ZENIT: Was können die Jungfrau Liebe verwandeln? deren Formen der Ehe? Maria und der heilige Joseph einer Pater Ryan: Das Paar muss sich des Pater Ryan: Ich würde sagen, dass Ehefrau und einem Ehemann sagen? Phänomens der Veränderung und des es der Hintergrund des christlichen Pater Ryan: Dass das Leben aus Wachstums bewusst sein. Das ist für Glaubens ist – ein Hintergrund, der kleinen Dingen besteht, aber dass einen guten Start sehr wichtig. Das dabei hilft, den Plan Gottes, des diese gewöhnlichen Dinge auf eine bedeutet, dass die ersten Ehejahre Schöpfers, in der Ehe, die er gestiftet außergewöhnliche Art gelebt werden intensiv gelebt werden sollten, hat, zu erkennen. können. sozusagen voller Liebesengagement. Das Wissen um diese göttliche In dieser Zeit sollte jeder der beiden Absicht erinnert uns daran, dass wir ZENIT: Was würden Sie jungen Paa- die füreinander übernommenen Ver- als Abbilder Gottes geschaffen sind ren raten, die sich auf ein neues, ge- pflichtungen häufig erneuern. Das und fähig sind zu lieben. Der Glaube meinsames Leben vorbereiten? sollte auch später jedes Jahr gesche- erklärt uns außerdem, dass uns ein Pater Ryan: Ich würde ihnen sagen, hen oder zumindest dann, wenn ihr Sakrament geschenkt worden ist, das dass sie darauf achten sollten, ihr Leben vor einer wichtigen Entschei- uns hilft, unser Leben in Liebe zu le- Eheleben gut zu beginnen. Ich glau- ben. dung und Veränderung steht. be an das Sprichwort, dass ein guter Wenn das Ehepaar oder die Fa- Anders ausgedrückt, sollten sich Start die halbe Reise ist. milie all diese Dinge in ihr Gebets- die Eheleute für jede neue Phase ih- Sie müssen sich vor Augen hal- leben einfließen lässt, dann kann sie ten, dass die Hochzeit erst der An- rer Ehe vorbereiten: Die Ankunft von die Wirkung spüren. Es ist übrigens Kindern, die langen Jahre des bewiesen, dass die religiöse Praxis fang ist. Von diesem Augenblick an Großziehens im Familienkreis, das ein bedeutender Faktor ist, damit die müssen sie eine neue Einheit auf- „verflixte“ siebte Ehejahr, die Puber- Familie zusammenhält und wachsen bauen und nach und nach viele Din- tät der Kinder, jene Zeit, wenn das kann. ge hinter sich lassen, an die sie sich Paar in die Jahre gekommen ist usw. gewöhnt haben. Jeder Lebensabschnitt sollte wie ZENIT: Warum ist das Ehe- Dabei sollten sie sehr aufrichtig eine Zusammenfassung der positiven sakrament wichtig? sein und einander sagen, was in ih- und negativen Elemente zusammen- Pater Ryan: Wenn ein Mann eine ren Herzen vorgeht – vor allem, wenn fassen: Die Verpflichtung füreinan- Frau liebt, dann wird er sicherlich sie am Horizont Wolken aufsteigen der gilt es zu erneuern und bestimm- irgendwann merken, dass er aus sich sehen. Sie brauchen sich nicht zu te Dinge, die niemals sein werden, selbst heraus nicht in der Lage ist, fürchten, wenn solche Wolken auf- müssen losgelassen werden. Es geht dieser Frau alles zu geben, was er ihr tauchen, schließlich ist es nur natür- um die Bemühung, auf gesunde Art zu ihrem vollkommenen Glück lich, dass wir auf unserem Weg eini- voneinander abhängig zu sein. wünscht. Darum bittet er Gott um gen Schwierigkeiten begegnen. Hilfe. Und Gott erwidert ihm: „Wie Schließlich sollte so früh wie ZENIT: Was ist das Geheimnis einer schön! Du und ich lieben dieselbe möglich Hilfe von außen gesucht glücklichen Ehe? Frau. Wir müssen einen Bund schlie- werden, wenn ein Paar ein Problem Pater Ryan: Ich möchte mich bei ßen, einen Pakt und sie gemeinsam hat, das nicht zufrieden stellend ge- der Beantwortung dieser Frage auf lieben.“ löst werden kann. Viele zerbrochene eine umfangreiche Studie beziehen, Das ist das Sakrament: Gott ver- Ehen hätten gerettet werden können, die in mehr als 20 Ländern von über bindet sich in Liebe mit unserer Lie- wenn die Eheleute rechtzeitig um 40 Forschern durchgeführt wurde, be, und so kann der Ehemann und Hilfe gebeten hätten. Um Hilfe zu die mehr als 17.000 Familien befragt die Ehefrau zueinander sagen: „Ich bitten, ist kein Zeichen von Schwä- hatten. liebe dich mit meiner menschlichen che, sondern ein Zeichen von Weis- Die Ergebnisse zeigen uns, was Liebe und mit all ihren typischen Ei- heit. die Merkmale einer glücklichen Ehe genschaften, aber meine Liebe wird (ZENIT.org)

62 AUFTRAG 261 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

POLEN UND DEUTSCHLAND : Zwei Nachbarn, die einander zu wenig kennen gen“ deutlich. Hier traten auf beiden Gemeinsame Zukunft trotz Schatten der Vergangenheit Seiten längst überwunden geglaubte Positionen, selbst Vorurteile zutage, VON CHRISTOF DAHM so dass der Dialog ins Stocken gera- iel ist über das deutsch-polni- ner und Stefan Kardinal Wyszynski ten ist. sche Verhältnis in den vergan- eine Schlüsselrolle zukam. Fortgeführt wurde die Thematik Vgenen Jahren geschrieben und Eine Wende in den schwierigen der Fachtagung in einer öffentlichen noch mehr geredet worden. Denn trotz Annäherungsbemühungen markiert Podiumsdiskussion mit dem Titel der Bemühungen beider Länder um die Verhängung des Kriegsrechts in „Polen und Deutsche – Europäische ein konstruktives Miteinander wirken Polen 1980, die in Deutschland eine Nachbarn in einer Beziehungskri- die aus der Geschichte erwachsenen beispiellose Welle der Solidarität se?“ Moderiert wurde das Podium Belastungen nach. Der katholischen auslöste. An dieser Stelle setzte Dr. von Thomas Urban, der neben Frau Kirche kommt bei den Anstrengun- Krzysztof Ruchniewicz, Direktor des Lipowicz, Georg Kardinal Sterzinsky, gen, die in der Folge des Zweiten Willy-Brandt-Zentrums an der Uni- Erzbischof von Berlin, und Dieter Weltkriegs entstandenen tiefen Grä- versität Breslau, mit seinen Ausfüh- Bingen, Direktor des Deutschen Po- ben zu überbrücken, eine wichtige rungen an, die die Entwicklung der len-Instituts, Darmstadt, als Mitwir- Rolle zu. Freilich gestalteten sich die bilateralen Beziehungen bis in die kende begrüßte. Mit der Frage „Sand Beziehungen zwischen den Bischofs- Gegenwart beleuchteten. Seine Bi- im Getriebe in der deutsch-polni- konferenzen Polens und Deutschlands lanz war ernüchternd: Eine Umfrage schen Nachbarschaft?“ veranlasste schwierig und wurden auch wieder- unter polnischen Studenten belegt, der Moderator Frau Lipowicz zum holt von Irritationen gestört. dass die deutsche Hilfe während des Widerspruch: Polen und Deutsch- Vor dem Hintergrund dieser er- Kriegsrechts in der jungen polni- land sind nicht mehr nur Nachbarn, nüchternden Situationsbeschreibung schen Generation so gut wie unbe- sondern gehören jetzt einer Familie veranstaltete Renovabis, die Solida- kannt ist. Vor 1989 wurden bestimm- an, in der es nun einmal kriseln kön- ritätsaktion der deutschen Katholi- te historische Zusammenhänge völlig ne. Nach Ansicht von Prof. Bingen ken mit den Menschen in Mittel-, ausgeblendet oder verzerrt darge- kann man nicht von Interessengegen- Südost- und Osteuropa, im März im stellt. Auf deutscher Seite bestimmen sätzen sprechen, wohl aber von un- Kathedralforum St. Hedwig in Berlin Unkenntnis und Desinteresse das terschiedlichen Positionen in wichti- gemeinsam mit der Europäischen Bild Polens. Schulunterricht und gen Fragen, etwa hinsichtlich der eu- Kommission Justitia et Pax eine Medienberichterstattung kommen in ropäischen Verfassung. deutsch-polnische Fachtagung zum beiden Ländern eine wesentliche Kardinal Sterzinsky und Frau Thema „Solidarnosc – Solidarität Rolle zu, wenn das Bild des jeweils Lipowicz begründeten ihre ableh- überschreitet Grenzen“. „Anderen“ verbessert werden soll. nende Haltung zum Plan eines „Zen- Diese Veranstaltung ist auch als Damit war die Brücke zu einer trums gegen Vertreibungen“ mit dem ein Beitrag zum Deutsch-Polnischen Diskussionsrunde geschlagen, an der Hinweis auf die Gefahr von Miss- Jahr 2005/2006 zu verstehen. Mit neben den beiden Referenten Prof. brauch und verzerrter Darstellung dem Stichwort „Solidarität“, auf das Dr. Irena Lipowicz, Sonderbotschaf- der historischen Tatsachen. Dieter Gerhard Albert, Geschäftsführer von terin für das Deutsch-Polnische Jahr, Bingen mahnte zur Rückkehr zu ei- Renovabis, in seiner Einführung hin- Warschau, und Thomas Urban, Kor- ner sachlichen Diskussion, die wies, lassen sich die beiderseitigen respondent der „Süddeutschen Zei- derzeit allerdings sehr schwierig sei. Beziehungen zwar anschaulich be- tung“ in Warschau, teilnahmen. Die Im weiteren Verlauf der Diskussion schreiben, doch dürfen die Brüche Hochstimmung nach der Wende von brachten Podiumsmitwirkende und und offenen Punkte nicht voreilig 1990, die zu enger politischer Zu- Teilnehmer aus dem Plenum Erleb- beiseite geschoben werden. Auch sammenarbeit zwischen dem wieder- nisse und Erfahrungen ins Gespräch wenn der Blick in die gemeinsame vereinigten Deutschland und dem ein. Ein Hinweis darauf, dass der Zukunft gerichtet sein sollte, müssen neuen demokratischen Polen führte, Austausch auf zwischenmenschli- die historischen Zusammenhänge ist verflogen. Trotz ermutigender Zei- cher Ebene, der vor über fünfzig Jah- beachtet werden. Daher führte das chen wie der Einrichtung des ren das Eis zwischen Deutschen und Eingangsreferat von Karl-Joseph Deutsch-Polnischen Jugendwerkes Polen nach 1945 brach, auch heute Hummel, Direktor der Kommission erstarrte der deutsch-polnische Dis- wieder einen Ausweg aus dem für Zeitgeschichte, Bonn, in die Ent- kurs immer mehr und wurde zu ei- Stimmungstief weisen kann. Kardi- stehung und Resonanz des Bischofs- nem „einzigartigen politischen Ritu- nal Sterzinsky verglich dies mit den briefwechsels von 1965 zurück, des- al, einem Versöhnungskitsch“ (Klaus „Wunden, die verheilt sind, deren sen Bedeutung sich erst aus der heu- Bachmann). Wie wenig die immer Narben aber noch schmerzen“. Es tigen Perspektive erschließt. In den wieder beschworene „Brücke über liegt an allen Beteiligten beider Län- sechziger und siebziger Jahren ent- die Gräben der Vergangenheit“ trägt, der, dafür Sorge zu tragen, dass die wickelte sich allmählich ein Ge- macht die Diskussion um die Pläne Wunden nicht erneut aufbrechen. spräch, bei dem Julius Kardinal Döpf- eines „Zentrums gegen Vertreibun- (DT Nr. 37 vom 28.03.2006)

AUFTRAG 262 63 GESELLSCHAFT NAH UND FERN Frauen in Polens Armee

VON JOACHIM GEORG GÖRLICH ach längerer Pause gibt es seit ärzten und Feldapothekern. Es gab schen Streitkräfte im Westen, bis 1988 wieder Soldatinnen in damals die erste Generalapotheke- zum Generalsrang. NPolen, also seit dem letzten rin. Die polnische Volksarmee hatte Jahr der Volksarmee. Nach Auskunft Zu Beginn des II. Weltkrieges kämpfende Frauenbataillone, die der Frauenbeauftragten im polni- gab es Pilotinnen der . Un- nach Kriegsende demobilisiert und schen Verteidigungsministerium ge- ter den vom sowjetischen NKWD er- entlang der Grenze zur DDR angesie- genüber der Warschauer „Polityka“, mordeten polnischen Offizieren in delt wurden, wobei ihnen deutsche Oberst Beata Laszczak, gibt es heute Katyn befand sich eine Pilotin. Frau- Höfe und Häuser übereignet wurden. in den Streitkräften 576 Soldatinnen, en kämpften in der polnischen Bis 1952 gab es dann noch im das sind gerade mal 0,5 % des Heimatarmee AK. Später gab es Politapparat der Volksarmee Offizie- Personalbestandes der Armee. 207 Nachrichtenhelferinnen sowie Frau- rinnen. Zuletzt gab es nur noch Frau- Soldatinnen sind Offiziere. Obwohl en im Sanitätspersonal der polni- en im Sanitätsdienst der Armee. ❏ es inzwischen in allen Waffengattun- gen weibliche Soldaten gibt, gehören die meisten dem Sanitätsdienst an. PERSONALIA: Dazu: Die polnischen Soldat- innen werden „männlich“ tituliert; ochim G. Görlich (75) kann Westen und die Organe der also: Frau Oberst, Frau , Jauf eine 50-jährige publizisti- „Solidarnosc“. Die Europäische Frau Sergeant usw. Der Handkuss ist sche Tätigkeit zurückblicken. Er Volkspartei im Europa-Parlament während des Dienstes untersagt, aber begann als Kulturkorrespondent verlieh ihm wegen seiner Ver- ansonsten – auch auf dem Kasernen- beim polnischen Oppelner Wo- dienste um die deutsch-polnischen gelände – üblich, wenn man sich chenblatt „Katolik“. Es folgte eine Beziehungen die „Europamedail- kennt. Mitarbeit in der Oppositions- le“, der Deutsche Journalistenver- Die „Polityka“ schreibt, dass presse, u.a. beim – später verbote- band seine Goldene Ehrennadel „die Gegenwart der Damen in Uni- nen – Studentenorgan „Pro prostu“. und die Heimatstadt Oberglogau/ form inzwischen akzeptiert ist“. Verfolgung durch Polens Stasi SB, Glogowek a.d. Hotzenplotz ihre Aber: Eine Erhebung der Zeitschrift Politprozess, Berufsverbot und Ehrenbürgerwürde. „Polska Zbrojne“ (Polen in Waffen) Ausreise. Noch heute schreibt er fast re- behauptet, dass nach einer Umfrage In der Bundesrepublik konnte gelmäßig in der „Neuen Bildpost“ weiterhin weniger als 10 % der Be- Görlich bald als „freier Polenex- und im „AUFTRAG“. fragten – uniformiert oder auch nicht perte“ tätig werden, u.a. beim (aus: GKP-Informationen IV/2006) – der Meinung sind, „dass sich Frau- „Rheinischen Merkur“, in der Joachim G. Görlich wurde am en im Wehrdienst überhaupt nicht „Welt“, der „Welt am Sonntag“, 8. Mai 75. Jahre alt. Nachträglich eignen“. Mehr als 30 % waren je- der „Neuen Bildpost“ sowie in der gratuliert die Redaktion dem doch der Meinung, dass Frauen in Musik- und Militärfachpresse und Jubilar und wünscht ihm alles der Armee gleichberechtigt sein in der „Neuen Zürcher Zeitung“, erdenklich Gute, insbesondere müssen. Wiederum 47 % vertraten ferner für Polens Exilpresse im aber Gottes reichen Segen. die Auffassung, dass ihr Platz in Ver- waltung und Versorgung sei. „Polityka“ weiter: „Für viele Soldaten ist das Dienen unter einer Frau weiterhin ein psychologisches Katyn – weiterhin ungesühnter Völkermord Problem.“ VON JOACHIM G. GÖRLICH Übrigens: Bei seinem letzten Polenbesuch im Mai ortete der Ver- it einem zweiseitigen, groß- Beamter, Geistlicher etc. 1940 brutal fasser die ersten Ministrantinnen in formatigen Beitrag „Fest- ermordete. den Kirchen. Jetzt sollen auch Mschmaus der Volksmörder“ Unter dem Einfluss der „Peres- Soldatinnen bei Feldgottesdiensten des Ex-KGB-Majors Oleg Sakirow troika“ begann Sakirow in Sachen ministrieren dürfen. sorgte das größte polnisch Blatt, die Katyn auf eigene Faust zu recher- Was den Frauen, von denen eini- Warschauer „Rzeczepospolita“ (Die chieren. So konnte er alle Täter unter ge auch mit Soldaten verheiratet Republik), für neuen polnisch-russi- seinen Kameraden enttarnen und er sind, am meisten beklagen, sind die schen Zündstoff. Der Autor war jah- sprach mit ihnen. Er konstatierte klumpigen Damenschuhe, die sie zu relang Offizier des KGB-Regional- nochmals, dass die deutsche Wehr- den Galauniformen bislang tragen zentrums Smolensk, zu deren Be- macht einwandfrei keine Schuld, wie müssen. reich das berüchtigte Katyn gehört, von den Sowjets stets behauptet hat- Schon nach dem I. Weltkrieg gab wo der KGB-Vorgänger NKWD Tau- te. Für ihn war das Geschehen in es in Polen Frauen unter den Feld- sende (14.887) polnischer Offiziere, Katyn ein sowjetischer „Völker-

64 AUFTRAG 262 GESELLSCHAFT NAH UND FERN mord“. Noch sehr lange nach dem II. Seine gesamten Katyn-Recher- gerufen wurde, um die Leichenfunde Weltkrieg musste eine Spezialkolon- chen werden jetzt in der russisch- zu inspizieren. Gleich nach dem II. ne zu den „Ziegenhügeln“, wo der sprachigen „Nowa Polscha“ (Neues Weltkrieg wurde er von einer Son- Massenmord geschah, hinausfahren, Polen) erscheinen. derkommission des US-Kongresses um neu herausragende Knochenteile Der Verfasser traf mehrere Male angehört. 1948 erschien in London diskret zuzuschütten. in dessen Londoner Exil den pol- sein Buch in polnischer Sprache Das KGB hatte schließlich in nisch-jüdischen Schriftsteller Szy- „Katyn – ungesühnte Verbrechen“. Katyn eine „Erholungssiedlung“ eta- mon Laks, ehemals auch NKWD-Of- 1978 erst konnte es dann endlich in bliert. Als der seine Genossen fizier. Bei dem lief das Ganze nicht deutscher Sprache und mit neuen aufforderte. Pietät zu wahren und die so glimpflich ab, als er sich für das Fakten herausgegeben werden. Der „Siedlung“ zu räumen, war das Maß Schicksal von Polen in NKWD-La- Grund: Kein westdeutscher Verlag voll! Es folgten zwei Anschläge auf gern zu sehr zu interessieren begann: war zur Veröffentlichung bereit ge- ihn und seine Familie wurde bedroht. Er kam in ein Spezialgefängnis des wesen. Das Bundesministerium der Mit Hilfe der polnischen Botschaft in NKWD, das er erblindet und als Verteidigung unter Georg Leber Moskau verließ Sakirow nebst Familie Wrack verließ. Er wurde nach Polen lehnte jegliche Subventionierung ab, das Imperium seines Ex-KGB-Kame- abgeschoben und landete schließlich obwohl darin die von der raden Wladimir Putin und erhielt in auf der britischen Insel. Schuldfrage frei gesprochen wurde. Polen politisches Asyl. Man setzte Der bekannte und im Münchner Ein weiterer Grund: Keiner wollte eine kleine Rente in Höhe von 400 für Exil gestorbene Schriftsteller Jósef Ärger mit dem Kreml haben. Darauf- ihn aus und verlieh ihm das Kava- Mackiewicz gehörte der „polnischen hin erschien das Buch im russischen lierskreuz „Restitutae Poloniae“, das Rot-Kreuz“-Delegation an, die 1942 „Possev“-Verlag (Frankfurt/Main) in ebenso rentenberechtigt ist. als neutrale Organisation nach Katyn deutscher Sprache! ❏

Russland: Das Ringen um eine nationale Idee

VON PAUL ROTH Jahre sind seit dem Be- des Marxismus-Leninismus treten Sieges feierte. Selbst von der Versöh- ginn der Perestroika in solle, um in der Russländischen Fö- nung mit Deutschland wurde gespro- 20 Russland vergangen. Nie- deration mit 147 Einwohnern eine chen. Russland möchte in Europa mand wusste seinerzeit, wie es weiter- gemeinsame geistige- oder auch ide- wieder mitsprechen, möchte mit den gehen würde. Vorsichtige Schritte in ologische Grundlage zu haben. Die USA zu einem partnerschaftlichen Richtung auf eine „gelenkte Demo- bisherigen Bemühungen, einschließ- Verhältnis kommen. kratie“ sind gemacht worden. Die lich eines Preisausschreibens sind Gleichzeitig geistert jedoch auch Führungsrolle der KPdSU ist abge- erfolglos geblieben. Die Feier zum die Vorstellung von einer engeren schafft, die Verfolgung der Religi- 60. Jahrestag des Sieges hat auch ih- Zusammenarbeit mit China und Indi- onsgemeinschaften ist beendet, die ren Platz bei der Suche nach einer en – als eine Art Gegengewicht – he- Meinungs- und Pressefreiheit ist „nationalen Idee“. Der russische Pu- rum. Damit ist auch die Diskussion teilweise verwirklicht. In der Diskus- blizist Wladimir Ostrogorski (Wostok von Eurasien indirekt verbunden. sion sind geblieben die Mängel. Die Nr.2/05) schrieb zu diesem Sieges- Ihre Anhänger sehen in Russland ein Sowjetunion ist zerfallen, Russland tag: „Was uns wurmt, ist der Nieder- einzigartiges Land, in dessen Ge- ist keine Großmacht mehr. Während gang des Heimatlandes. Wir wollten schichte Politik und Kultur Europas ihr einstiger großer Widersacher – es frei, friedlich, geeint und reich se- und Asiens miteinander verschmol- die USA – als einzige Großmacht in hen, nicht aber erniedrigt, zerfallen zen sind. Für die Eurasier ist die die Politik auf der ganzen Welt ein- und arm. Deswegen stellt sich den Ausrichtung auf den Westen, die greift. Einige wenige sind in Russ- Veteranen die sakrale russische Fra- Einflussnahme aus dem Westen ein land reich geworden, man nennt sie ge: „Haben wir etwa dafür ge- Verrat an der Identität Russlands. Oligarchen. Aber rund 30 % der rus- kämpft?“ Ostrogorski war Kriegs- Von ganz anderer Seite, nämlich von sischen Bevölkerung leben unterhalb veteran. Seiten des Moskauer Patriarchates, der Armutsgrenze. So kann man in erhalten sie Argumentationshilfe. Gesprächen in Russland u.a. die Ar- West- oder Ostorientierung? Von dort erschallen Stimmen, dass gumente hören, dass man unter Die Politik Putins richtet ihren die Sittenverderbnis nach der Perest- Stalin den Hitler-Faschismus besiegt Blick auf den Westen, seine demo- roika aus dem Westen gekommen hätte, dass unter ihm die Sowjetunion kratischen Errungenschaften, seine sei. Einige Scharfmacher behaupten, eine Weltmacht gewesen sei, dass wirtschaftlichen Erfolge. Die alten sogar, diese moralische Zersetzung man zur Sowjetzeit unter Breschnew Feindbilder sind weitgehend ver- sei vom Westen gewollt. besser gelebt hätte als heute. schwunden. Bei einer Argumentation dieser Man sucht nach einer nationalen Dies war deutlich zu sehen, als Art wird immer wieder weit in die Idee, die an die Stelle der Ideologie man in Moskau den 60. Jahrestag des russische Geschichte zurückgegrif-

AUFTRAG 262 65 GESELLSCHAFT NAH UND FERN fen. „Die nationale Idee für die höhe- tee wollte eine „Rehabilitierung des Thema erneut diskutiert wurde, kam ren Klassen (der Schule) „ ist die treuen Hüters der Sicherheit der die Äußerung aus dem Patriarchat, Überschrift zu einem Artikel in der Heimat.“ man könne eventuell eine Seelen- „Nesawisimaja gaseta“ (13.05.2005). Die Stalinstatuen wurden nach messe für Lenin zelebrieren. Dort heißt es, dass ein Schullehr- der Perestroika an vielen Stellen ent- Im Jahre 2003 stellte das Mei- buch „Vaterlandskunde“ vor 90 Jah- fernt. Jetzt jedoch, so berichtet der nungsforschungsinstitut Lewada die ren „ – nämlich 1905 – letztmalig er- Oberst A. Bassistow (Wostok Nr.2/ Frage, „Würde Stalin noch leben und schienen sei, seitdem jedoch kein 05), dass in Taiginke, Gebiet Tschel- sich der Präsidentschaftswahl stel- Unterrichtsmittel Geschichte, Philo- jabinks, und in Ischim, Gebiet len, würden Sie ihn wählen oder sophie und Literatur des Landes in Tjumen, Stalindenkmäler wieder auf- nicht?“ 27 Prozent der Befragten be- ihrem Zusammenhang dargeboten gerichtet worden sind. Die Stadtväter jahten diese, 58 Prozent verneinten habe. von Mirny gaben bei einem Peters- sie. Die Umfrage im Jahre 2004 lie- Im Jahre 2004 erschien ein sol- burger Betrieb eine Bronzebüste ferte 26 Prozent mit Ja und 56 Pro- ches Lehrbuch und wird seit 2005 in Stalins in Auftrag mit der Inschrift: zent mit Nein. Auf die Frage im Jahre Schulen Kaliningrads verwendet. Die „Von den Veteranen und dankbaren 2003, „Welche Fehler und Vergehen Begründung hierfür liegt auf der Nachgeborenen.“ man Stalin auch zuschreibt, die Hand. Das Gebiet von Kaliningrad Der Vorsitzende der Nachfolge- Hauptsache ist, dass unser Volk un- ist von Europa umgeben, es gibt kei- organisation der KPdSU mit der Ab- ter seiner Führung als Sieger aus ne Grenze zu Russland viele nennen kürzung KPdRF, Gennadi Sjuganow, dem Krieg hervorging“, wurde von es noch Königsberg. erklärte auf einer Konferenz der 36 Prozent bejaht. Auf die Frage an eine der Mit- kommunistischen Parteien der GUS- autorinnen des Lehrbuchs, ob hier Länder, eine Revidierung des Be- Religion und Regierung nicht – auf einen Wink von oben – schlusses vom 20. Parteitag 1956, Jeder, der sich mit der Geschich- eine nationalistische Ideologie einge- der den stalinschen Personenkult te Russland befasst, erkennt die gro- impft werden solle, antwortete sie, es verurteilt hatte. Sjuganow sagte: ße Bedeutung der orthodoxen Kirche ginge nicht um einen zügellosen Na- „Wir haben entschieden, dass der für Russland und den russischen tionalismus. Es ginge vielmehr um große Stalin keiner Rehabilitation Staat. Als Gorbatschow die Verfol- die nationalen Identitäten, die zu bedarf“ und verwies auf Stalins Bei- gung der Religionsgemeinschaften verschwinden drohten. Man dürfe trag zum Sieg 1945. Sjuganow unter- beendete, tat er das nicht etwa, weil dies nicht miteinander verwechseln. stützt Bestrebungen, Wolgograd er sich zum Christentum bekannt wieder in Stalingrad zurückzu- hätte. Er erkannte, dass er für seine Lenin- und Stalinanhänger benennen. Perestroika auch die Stimmen der Die Entstalinisierung begann un- Jahrzehntelang war das Lenin- Gläubigen brauchte. Auch war klar, ter Chruschtschow im Jahre 1956. Mausoleum das Mekka der Kommu- dass in der allgemeinen moralischen Die einbalsamierte Leiche Stalins nisten. Bis heute kann man ab und zu Verwirrung nur noch die Religions- wurde aus dem Lenin-Mausoleum Majakowskis Worte lesen: „Lenin gemeinschaften über allgemeingülti- entfernt, erhielt allerdings nicht weit lebte, Lenin lebt, Lenin wird immer ge Wertmaßstäbe verfügten. vom Mausoleum einen Ehrenplatz. leben.“ Ein Plakat aus der Zeit Der „religiöse Boom“ Ende der Heute kann man ab und an Blumen Gorbatschows zeigt diesen als Diri- achtziger/Anfang der neunziger Jahre vor der Stalinstele sehen. Inzwischen genten, der nach der Partitur kam vor allem dem Moskauer Patri- konnte „Memorial“ ein Namens- „LENIN“ das Orchester dirigiert. archat zugute. Viele auch viele Er- verzeichnis jener Personen veröffent- Im April 1989 äußerte ein wachsenen ließen sich taufen. Die lichen, die auf Geheiß Stalins er- Moskauer Regisseur in der Fernseh- Zahlenangaben, die suggerierten, schossen worden waren. sendung „Wsgljad“ den Vorschlag, dass die Hälfte der Bevölkerung Im Jahre 2003, 50 Jahre nach den heidnischen Kult mit der Leiche gläubig sei, sind jedoch dubios. Sozi- Stalins Tod, veröffentlichte E. Lenins zu beenden. Es gab einen ologen haben festgestellt, dass viele Prudnikowa in Petersburg ihr Buch Riesenskandal. Die Auseinanderset- sich taufen ließen, weil das nun „Stalin. Die zweite Ermordung“. Da- zung darüber zieht sich bis in die Ge- einmal „russischer Brauch“ sei ohne rin behauptet sie, dass die Berichte genwart hinein. Jelzin schlug 1997 Kenntnis über die Religion, zu der über ihn nach seinem Tod aus Des- die Bestattung Lenins vor, im selben sie sich bekannt hatten. Ähnliches informationen westlicher Geheim- Jahr forderte Sjuganow dazu auf, ei- gilt auch für die Zahlenangaben über dienste und Emigrantenorganisatio- nen lebendigen Schutzschild um das die muslimische Bevölkerung Russ- nen aus den Memoiren Trotzkis zu- Mausoleum zu bilden, dessen Ehren- lands, die zwischen 20 und 40 Milli- sammengefügt worden seien. wache seit 1993 abgezogen worden onen beträgt. Auch dort wird das Be- Berija war ein Henker Stalins. ist. Das Moskauer Patriarchat rief kenntnis zum Islam vielfach als Be- Nach dem Tode Stalins wurde er er- dazu auf, sich mit der Entscheidung kenntnis zur eigenen Vergangenheit schossen, weil er den an der Macht für eine Umbettung Zeit zu lassen. verstanden. Befindlichen als zu mächtig er- Man befürchtete Unruhen. Zwar Ungeachtet dessen ist das Anse- schien. Am 21. November 1998 gab lehnte es die Ausstellung der Mumie hen des Moskauer Patriarchates in die „Front des werktätigen Volkes“ ab, doch dürfe das Schicksal des der Bevölkerung groß. Die Machtha- in St. Petersburg die Gründung eines Leichnams nicht zum politischen ber haben dies zur Kenntnis genom- Berija-Komitees bekannt. Das Komi- Streitapfel werden. Als 2004 das men und das Patriarchat nicht nur

66 AUFTRAG 262 GESELLSCHAFT NAH UND FERN geduldet, sondern gefördert, Kritiker liche Beisetzung in St. Petersburg Diese Organisation hat bisher die meinen, dass eine „Symphonie“ von und die Heiligsprechung haben Unabhängigkeit Itschkerijas (Tsche- Staat und Moskauer Patriarchat an- durchweg ein positives Echo in der tscheniens) nicht anerkannt und so- gestrebt wird, d.h. eine Situation wie Bevölkerung hervorgerufen. 1918 mit indirekt Moskaus Einsatz von zur Zarenzeit. Putin hat sich als ge- war die Zarenfamilie in Jekaterin- Truppen in Tschetschenien gestützt. taufter Christ zu erkennen gegeben. burg ermordet und im Walde ver- Auf einem anderen Blatt steht jedoch Wer die Sowjetunion bzw. Russ- scharrt worden. Das Mordhaus war die Tatsache, dass in der Bevölke- land aus verschiedenen Entwick- bekannt, die Stelle wo die Überreste rung Russlands die militärischen lungsperioden kennt, trifft heute auf verscharrt worden waren, hielt man Maßnahmen in Tschetschenien zahlreiche wiedereröffnete Kirchen, geheim. Das Mordhaus in Jekaterin- teilweise kritisiert werden. kann Prozessionen beobachten, kann burg (dann Swerdlowsk) wurde schon die Bibel kaufen usw. Die unter in den siebziger Jahren von Neugieri- Der Sieg als Identifikations- Stalin gesprengte Christus-Erlöser- gen und Pilgern aufgesucht. 1977 symbol Russlands Kirche in Moskau wurde mit öffentli- befahl daher Moskau seinen Abriss. Die Bürger Russlands leben in chen Geldern wieder errichtet. Sie ist Am 11. Juli 1991 wurden auf ei- einer weit verbreiteten Verwirrung. Gotteshaus und nationales Denkmal, nem Waldweg 15 Kilometer von Allerdings wird der Durchschnitts- denn einst verherrlichte sie den Sieg Swerdlowsk entfernt die Überreste bürger mehr von Alltagssorgen be- über Napoleon. Sie passt also in den der Zarenfamilie ausgegraben. 1993 wegt, als von dem Ringen um eine großen Rahmen einer „nationalen wurde in Zarskoje Selo bei St. „nationale Idee“. Idee“. Petersburg eine Büste von Nikolaus Der Moskauer Soziologe vom Ikonen waren in der Verfolgungs- II. enthüllt, 1996 wurde im Dorf Lewadazentrum urteilt (Osteuropa zeit entweder vernichtet oder ins Tajninskoje bei Moskau ein gewalti- Nr.4-6/05, S. 56); „Der Sieg im Ausland verkauft worden oder in ges Denkmal für ihn enthüllt. Ein Krieg, dem großen vaterländischen Museumsarchiven unschädlich ge- Jahr darauf wurde es durch eine Krieg, ist das wichtigste Idenitifika- macht worden. Jetzt kann man sie an Sprengladung einer Gruppe „Rote tionssymbol in Russland. Er ist die vielen Orten sehen, die Ikonenmaler- Arbeiter- und Bauernarmee“ zer- einzige positive Stütze für das natio- schulen dürfen wieder arbeiten. Der stört. Am 17. Juli 1998 wurden die nale Selbstbewusstsein der Gesell- Ikonenmaler Sinon erhielt einen sterblichen Überreste der Zaren- schaft. Der Sieg im Krieg legitimiert Staatspreis. Kosmonauten haben Iko- familie feierlich in der Peter-Paul im Nachhinein das sowjetische tota- nen mit in den Weltraum genommen. Kathedrale in St. Petersburg beige- litäre sowjetische Regime ... Bis heu- Pressefotos zeigen Putin beim Küs- setzt. Sowohl die Russisch-Orthodo- te wirkt das Tabu, die Kehrseiten des sen einer Ikone: Eines scheint xe Kirche in Russland wie die Aus- Sieges aufzuarbeiten.“ allerdings nicht geglückt zu sein, die landskirche verehren die Zaren- Putins Entscheidung für eine Verminderung der Kriminalität. Der familie als „Heilige Dulder“. großartige Feier zum 60. Jahrestag Sowjetmensch, der über Jahrzehnte, An der Stelle, wo einst das Haus des Sieges hat sich dieser Tatsache um zu überleben, gelernt hatte zu lü- gestanden hatte, in dem die Zaren- angepasst. Allerdings verlief nicht gen, zu betrügen, zu unterschlagen, familie ermordet worden war, wurde alles nach Plan. Ein Grund dafür war Gewalt anzuwenden, den findet man ein Kreuz errichtet und eine Kapelle die fehlende Bereitschaft Putins zu tagtäglich in Zeitungsmeldungen gebaut. Mehrmals wurde versucht, einer Reue-Erklärung gegenüber den wieder. Die Gemengelagen spiegelt sie anzuzünden. Dann entschloss baltischen Staaten, die von der Sow- sich in der Aufzählung der arbeits- man sich, am gleichen Platz eine Ka- jetunion annektiert worden waren, freien Tage wieder: Neujahr (l. und thedrale zu errichten. Beim Bau der ein Großteil ihrer Bevölkerung wurde 2. Januar), orthodoxe Weihnacht (7. Kathedrale, die inzwischen fertig ge- deportiert und kam um. So sagten der Januar), Tag der Vaterlandsverteidi- stellt sein müsste, wurde der Zweifel, estnische und der litauische Präsi- ger (23. Februar), internationaler ob es sich bei den in St. Petersburg dent ihre Teilnehme an den Feier- Frauentag ( 8. März), Fest des Früh- feierlich Beigesetzten wirklich um lichkeiten in Moskau ab. Während lings und der Arbeit (l. und 2. Mai), die Überreste der Zarenfamilie ge- der Feierlichkeiten in Moskau verlor Tag des Sieges (9. Mai), Russlandtag handelt habe, wieder lebendig. Putin auch kein Wort des Bedauerns (12. Juni), Jahrestag der Oktoberre- Auch in den Beziehungen zum oder der Reue über diese Annexion. volution/Tag der Eintracht und Ver- Islam, die von Moskau lange ver- Die lettische Präsidentin Vaira söhnung (7. November), Tag der Ver- nachlässigt worden waren, scheint Vilekke-Freiberga kam zwar nach fassung der Russischen Föderation sich ein Schwenk abzuzeichnen. Moskau, hatte jedoch vorher Thesen (12. Dezember). Putin hat sich mehrfach mit dem über die Besetzung und Annexion Von orthodoxer Seite wird ab und Mufti Tadschudin getroffen und nach veröffentlicht, die Moskau ärgern zu erwähnt, wie gut die Beziehungen dem Terrorangriff vom Jahre 2001 in mussten. Sie bemängelte das Fehlen zwischen der Monarchie und der Kir- New York sind die Kontakte vertieft eines konstruktiven Dialogs mit dem che gewesen seien. Es gibt Gruppie- worden. Die „Nesawisimaja gaseta“ großen Nachbar, rungen von Monarchisten, doch ha- (20.08.2003) informierte über eine Die russischen Medien widmeten ben sie bisher politisch keine Rolle Begegnung Putins mit dem Premier- sich dem Feiertag mit angestrengter gespielt. minister Malaysias. Putin schlug vor, Aufmerksamkeit. Fotos zeigten Putin Die Wiederauffindung der Über- Russland in die „Organisation isla- beim Händeschütteln mit den Ober- reste der Zarenfamilie und ihre feier- mische Konferenz“ aufzunehmen. häuptern der GUS-Staaten und den

AUFTRAG 262 67 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Präsidenten aus dem Ausland. Insbe- den wird. Man muss abwarten, ob in den dreißiger Jahren sprengen las- sondere Präsident Bush war mehr- auch dies ein Beitrag für eine „natio- sen. Dort sollte der Palast der Sow- fach auf Fotos zu sehen. Eine kriti- nale Idee“ sein wird. jets errichtet werden. Für ein solch sche Äußerung zu den Moskauer Fei- gewaltiges Bauwerk war jedoch der erlichkeiten habe ich in russischen Letzte Meldung Untergrund zu schwach. So wurde an Medien nicht finden können. Ein Ereignis am 07.06.2005 fügt der Stelle ein Schwimmbecken ange- sich in die Diskussion über eine „na- legt. Der Christus-Erlöser-Kirche Fazit tionale Idee“ ein. An diesem Tage stand einst ein Bronzedenkmal Die Nennung verschiedener Or- wurde gegenüber der Christus-Erlö- Alexanders III. gegenüber, das von ganisationen und Bewegungen in ser-Kirche in Moskau ein Denkmal den Bolschewiki abgerissen wurde. Russland musste unvollständig blei- für Zar Alexander II. enthüllt. Auf An der feierlichen Zeremonie der ben, zumal bei der Größe des Landes dem Sockel des Denkmals wird der Denkmalsenthüllung nahmen der zahlreiche kleine oder mittlere Be- Zar als „Zar-Befreier“ und „Zar Re- Bürgermeister von Moskau Jurij wegungen unterschiedliche Färbun- former“ bezeichnet. Er hatte 1861 Luschkow teil. Die neu errichtete gen erhielten. Der Krieg in Tsche- die Leibeigenschaft in Russland ab- Christus-Erlöser-Kathedrale war tschenien wurde nur gestreift und die geschafft. auch mit Moskauer Geldern errichtet Protestbewegung im Januar 2005 Die Christus-Erlöser-Kirche war worden. Ferner kam der Patriarch nicht einmal erwähnt.. Die Regie- zum Dank für den Sieg über Napole- Alexej II. zur Zeremonie. Putin hatte rung hatte eine Reihe von kostenlo- on errichtet worden. Alexander II. seine Teilnahme zugesagt, kam dann sen Vergünstigungen für unter- war bei der Grundsteinlegung zuge- aber nicht. Der Patriarch weihte das schiedliche Gruppen der Bevölke- gen gewesen. Stalin hatte die Kirche Denkmal. ❏ rung, so z.B. für die Kriegsveteranen abgeschafft. Das hatte zu einer Welle von Protestaktionen geführt. Aus ei- ner Befragung im Februar ergab sich, ÖKUMENE DER DRITTEN ART: dass 48 Prozent der Russen meinten, die Situation im Lande würde sich in Die Kirchen und die so genannten neuen Heiden nächster Zeit normalisieren, 39 Pro- VON KNA-REDAKTEURIN BARBARA JUST zent waren der Meinung, dass die Unzufriedenheit zunehmen werde. 005 stand die katholische Kirche im Rampenlicht. Erst das öffentliche Sterben von Johannes Paul II., dann Im Rückblick auf die neunziger Jah- die Wahl eines deutschen Papstes und schließlich der Weltjugendtag in Köln sorgten für Schlagzeilen. Religio- re und ihre Reformen hatte sich ein 2sität scheint wieder „in“, doch zugleich wächst in Deutschland auch die Zahl jener, die „religiös unmusika- „antireformerisches Syndrom“ ver- lisch“ sind – und das nicht nur in Ostdeutschland. Wie also umgehen mit den „neuen Heiden“? breitet, dass alle bisherigen Refor- Auf einer Tagung der Katholischen Akademie in Bayern bekannte der Religionswissenschaftler Johannes men nur zu einer Verschlechterung Hafner am letzten Januarwochenende in München, er mache seit bald zwei Jahren seine eigenen Erfahrungen des Lebens geführt hatten, mit dem „homo areligiosus“ an der Universität in Potsdam. „Interessieren tut mich das alles sehr, aber glauben Die überwältigende Zustimmung kann ich das nicht, denn ich bin in der DDR erzogen worden“, erklärte ihm jüngst eine 25-jährige Studentin. zu Putin beruhte vor allem auf der Vom Fach Religion ist die junge Frau fasziniert, sie hat jedoch nicht gelernt, religiös zu sprechen oder zu hören. Überzeugung, dass er als Mann der Ein Phänomen nicht nur im Osten. „starken Hand“ Ordnung und Recht Die „neuen Heiden“ lehnen das Christentum jedoch nicht gezielt ab. Man möchte durchaus wissen, was es schützen oder verwirklichen könne. mit dem Glauben auf sich hat. Schließlich tauchen in der Werbung, in Romanen und Spielfilmen immer wieder In den letzten Monaten soll jedoch religiöse Andeutungen auf. Die Aufmerksamkeit für christliche Motive steige ständig, stellte Hafner fest, doch die Zustimmung zu ihm abgenommen damit sei nicht automatisch Engagement verbunden. haben. Dazu mag auch der Prozess Dennoch sollte die Bereitschaft, sich mit Religion zu beschäftigen, nicht unterschätzt werden, sagte gegen den „Oligarchen“ Chodorows- Eberhard Tiefensee. Für Christen bedeute dies, sich erst einmal als solche zu outen, forderte der Erfurter Theologe ki beigetragen haben. Es heißt, er sei und Philosoph. Er plädiert deshalb dafür, ein Tabu zu brechen und wieder über die so genannten letzten Fragen von oben in Gang gebracht worden zu reden. Jüngst habe ein Soziologe gespottet: „Über Gott wird ebenso wenig gesprochen wie über den persön- unter Umgehung rechtstaatlicher lichen Kontostand.“ Normen. Das wäre ein Rückfall in Dafür bedarf es aber der Offenheit aller Seiten. Denn zunehmende Individualisierung bedeutet auch, dass die Zeit der Sowjetunion. Anderer- sich der Einzelne auch religiös emanzipiert, wie der an der Universität Frankfurt an der Oder lehrende seits haben Terrorakte in Moskau so- Kultursoziologe Detlef Pollack beschrieb. Die Menschen seien nicht bereit, einfach nur Dogmen zu folgen, son- wie das Massaker in Beslan den Ruf dern wollten selbstständig über ihren Glauben entscheiden. Die Kirchen müssten sich deshalb kritische Fragen nach der „starken Hand“ Putins Po- gefallen lassen. sition gestärkt. Wichtig ist für Hafner, dass die Menschen in Berührung kommen mit Religion im Allgemeinen. Dazu gehö- Allerdings deutet Putins Politik re es, den „religiösen Pool“ zu speisen. Anstatt ihn von außen füllen zu lassen mit magischen und quasi- weniger in die Richtung auf eine De- fernöstlichen Formen, sollte der Katholizismus auf seine reiche Tradition zurückgreifen, die auch Vorchristliches mokratie westlicher Prägung, son- einschließe. Schon Segenshandlungen könnten helfen, Areligiöse anzusprechen, etwa mit einer Gute-Wünsche- dern auf eine autoritäre Herrschaft. Feier für Neugeborene. Dem entspricht etwa das gewaltige Auch der Priester Tiefensee steht solchen Gesten positiv gegenüber. Er spricht hier von einer „Ökumene der Putin-Monument, das der Bildhauer dritten Art“. Beide Seiten sollten auf gleicher Augenhöhe in den Dialog treten und voneinander lernen: „Denn es Zereteli geschaffen hat. Noch ist steht keineswegs von vornherein fest, auf welcher Seite der Heilige Geist sich befindet.“ nicht bekannt, wo es seinen Platz fin-

68 AUFTRAG 262 GESELLSCHAFT NAH UND FERN UN-Menschenrechtsrat Sanktionsmöglichkeit muss erst geschaffen werden inen neuen UN-Menschen- son und den Rechten der Völker bes- USA kandidieren nicht für rechtsrat hat die Generalver- ser in den Griff zu bekommen“. UN-Menschenrechtsrat Esammlung der Vereinten Nati- Gegenüber „Radio Vatikan“ er- onen am 15. März in einer Resoluti- klärte Bischof Tomasi „Ich denke, ie USA bewerben sich in diesem on gebilligt. 170 Länder gaben ihre dass ein stärkerer Rat für die Men- DJahr nicht um einen Sitz im neu- Zustimmung. Vier Staaten (USA, Is- schenrechte, der direkt von der Ge- en UN-Menschenrechtsrat. Außen- rael, Marshall-Inseln, Palau) stimm- neralversammlung abhängt und dazu amtssprecher Sean McCormack kün- ten dagegen, drei (Venezuela, Iran, befugt ist, im Notfall auch jene Län- digte aber am 6. April in Washington Weißrussland) enthielten sich. der auszuschließen, die die Men- an, die gewählten Mitglieder des Der neue Rat ist gegründet wor- schenrechte nicht achten, funktio- Gremiums politisch und finanziell zu den, weil die Genfer Menschen- nieren könnte.“ Zu den Schwachstel- unterstützen. Die US-Regierung teil- rechts-Kommission an Glaubwürdig- len des Rates gehöre allerdings das te zur Begründung mit, die Regeln keit verloren hatte. In ihr waren Län- Fehlen der Möglichkeit, im Fall einer zur Ablehnung von Staaten, in denen der vertreten, die der Verletzung der Verletzung der Menschenrechte kon- die Menschenrechte verletzt werden, Menschrechte angeklagt sind. krete Sanktionen aufzuerlegen. seien nicht streng genug. Der neue Menschenrechtsrat „Manchmal ist es notwendig, dass Bislang haben sich 35 Staaten wird im Juni seine Arbeit aufneh- die internationale Gemeinschaft kon- um einen der 47 Sitze im Menschen- men. In ihm sind 47 statt wie bisher kret Position bezieht, um die groben rechtsrat beworben, darunter auch 53 Mitgliedsstaaten vertreten. Diese Verletzungen, wie es sie in diesem Deutschland und Großbritannien. Nationen werden auf regionaler Basis Moment zum Beispiel in einigen Re- Die Länder Westeuropas, die USA, bestimmt, müssen jedoch einzeln mit gionen Afrikas gibt, zu stoppen. Da- Kanada und Australien bekommen der einfachen Mehrheit der Ver- her ist es nötig, dass der internatio- insgesamt 7 Sitze, Osteuropa 6, Afri- sammlung, das heißt mit 96 Stim- nalen Gemeinschaft konkretere In- ka und Asien jeweils 13 sowie men, gewählt werden. Voraussetzung strumente zur Verfügung stehen, um Lateinamerika und die Karibik zu- ist, dass sie die Menschenrechte voll jene Kräfte, die ihre Autonomie zu sammen 8 Sitze. McCormack kündig- und ganz respektieren. Sollten sie sie Menschenrechtsverletzungen miss- te an, die USA wollten sich bei der verletzten, können sie mit einer brauchen, daran zu hindern.“ Wahl am 9. Mai für Länder einset- zen, in denen die Menschenrechte Zwei-Drittel-Mehrheit aus dem Rat (ZENIT.org) geachtet würden. Zudem würden sie ausgeschlossen werden. den Rat ermutigen, Verstöße etwa im Die USA hatten sich dafür einge- EU für aktive Mitarbeit in Iran, auf Kuba, in Simbabwe, Birma, setzt, dass die Wahl der im Rat ver- Nordkorea und im Sudan zu ahnden. tretenen Mitgliedsländer mit einer neuem UN-Menschenrechtsrat Die Mitglieder werden in geheimer Zwei-Drittel-Mehrheit erfolgen soll- Abstimmung gewählt. Jedes einzelne te, um jenen Staaten, in denen die ie EU hat eine aktive Mitarbeit im neuen UN-Menschenrechts- benötigt eine absolute Mehrheit der Menschenrechte verletzt werden, den D 191 UN-Mitgliedstaaten. Zugang zusätzlich zu erschweren. rat angekündigt. Bei den Wahlen der Mitglieder des neuen Gremiums Washington hatte im März zu- Aus diesem Grund stimmten sie auch sammen mit Israel und zwei Klein- gegen die aktuelle Regelung. Was- müsse darauf geachtet werden, dass eine glaubwürdige Instanz geschaf- staaten gegen die Gründung des Rats hington bekräftigte jedoch, dass es gestimmt. Die Vereinten Nationen fen werde, heißt es in einer am 10. die neue Einrichtung mitfinanzieren äußerten sich enttäuscht über die April in Luxemburg verabschiedeten und sich aktiv beteiligen werde. US-Entscheidung, zunächst nicht zu Erklärung der EU-Außenminister. kandidieren. UNO-Generalsekretär Der Heilige Stuhl begrüßt neu- Bei der ersten Sitzung des UN-Gre- Kofi Annan hoffe aber, dass die USA en UN-Menschenrechtsrat miums am 19. Juni sollten Grund- im kommenden Jahr antreten. Der satzfragen geklärt werden. Direktor der US-Menschenrechts- ischof Silvano M. Tomasi, Stän- Wichtig sei der EU zudem, dass organisation Human Rights Watch, Bdiger Beobachter des Heiligen das UN-Menschenrechts-Hochkom- Kenneth Roth, nannte die amerikani- Stuhls bei den Vereinten Nationen in missariat tatsächlich wie verspro- sche Haltung kindisch. Leider habe Genf, hat die Schaffung des neuen chen innerhalb von fünf Jahren dop- „das gestörte Verhältnis der Regie- Menschenrechtsrates der VN als ei- pelt so viel Mittel erhält wie bislang. rung Bush zu den Menschenrechten“ nen „positiven Schritt vorwärts zur Die EU-Außenminister verlangen zur Folge, dass eine Wahl in das Gre- Förderung der Menschenrechte“ be- zugleich die Fortsetzung der UN-Re- mium nicht als sicher gelten dürfe. zeichnet. Mit dieser Maßnahme form, um sie zu einer „stärkeren und Daher versuche Washington offen- „wird versucht, diese Problematik wirksameren“ Einrichtung zu ma- bar, seine Not in eine Tugend zu ver- ausgehend von den Rechten der Per- chen. wandeln, so Roth. (KNA)

AUFTRAG 262 69 BLICK IN DIE GESCHICHTE

50 JAHRE BUNDESWEHR: Der vierte Bundespräsident und die Bundeswehr – vom Luftwaffenoffizier zum Staatsoberhaupt

VON DIETER KILIAN

ls Walter Scheel am 8. Juli junger Menschen – der Krieg einen 1919 in Solingen als Sohn ei- Strich durch die weitere Lebens- Anes Stellmachers geboren planung. Im Oktober 1939, als 20- wurde, war der Erste Weltkrieg zu Jähriger, wurde Walter Scheel Sol- Ende und die Tinte der Unterschrif- dat. Zwar hatte er sich nicht – wie die ten unter dem Versailler Vertrag kei- meisten aus seiner Klasse – freiwillig ne zwei Wochen alt. In der Familie zu den Fahnen gemeldet, aber er Scheel gab es zwar keine tiefverwur- diente pflichtbewusst und gern – bei zelte familiäre Tradition, aber eine den fliegenden Verbänden.2 den späteren Eichenlaubträger, sei- „soldatische Grundstimmung“ („sol- „Es war mehr als nur ein Zufall, nen besten Freund.7 Die Wege der datisch-national“), zu der Glaube an dass Walter Scheel Kampfflieger beiden trennten sich jedoch für drei feste Ordnung und Härte gegen sich wurde. Ein Hauch von Exklusivi- Jahre, als Leutnant Drewes im No- selbst, sowie Pflicht und Bodenstän- tät umgibt die Luftwaffe seit ih- vember 1941 versetzt wurde. Nach digkeit zählten. Sein Vater Albrecht rem Bestehen.“3 dem Ende des Frankreichfeldzuges (1883-1953) hatte als Soldat im Ers- verlegte Scheels Gruppe – sie war ten Weltkrieg gekämpft. Sein Onkel ach seiner Ausbildung an der zwischenzeitlich in Stade stationiert Richard, der ältere Bruder seines NKriegsschule wurde er zum – im Sommer 1941 an die Ostfront. Vater, ebenfalls Kriegsteilnehmer, unter Oberst Am 1. September 1942 wurde war später Vorsitzender des Kyffhäu- Wolfgang Falck (* 1910)4 versetzt. Scheel zum Leutnant befördert und serbundes in Daaden (Westerwald). Dieser Verband war Ende Juni 1940 erlebte den ersten harten Winter in In den 20er Jahren nahm sein in Deelen-Arnhem aufgestellt wor- Russland. Er flog in den Kessel vor Vater ihn und seinen älteren Bruder den und unterstand der 1. Nacht- Moskau und wurde kurzzeitig in ei- einmal mit nach Remscheid, um den jagddivision, die für die Luftabwehr ner Luftwaffenfelddivision auch als Flieger und Pour le mérite-Träger in den Niederlanden zuständig war. Infanterist eingesetzt. Die Kälte for- (1896-1941)1 bei Kunst- Scheel wurde der II. Gruppe dieses derte ihren Tribut: Bei minus 49 flugvorführungen zu sehen. Zwar ka- Geschwaders5 als Navigator und Be- Grad zog sich Scheel Erfrierungen 2. men sie erst an, als die bereits Flug- obachter zugeteilt. Einer von Scheels Grades an der Nase zu. Mit der Be- schau vorüber war, aber es zeigt die Kameraden in der Gruppe war Leut- förderung zum Leutnant hatte Scheel Faszination, die der eher bodenstän- nant (später Major) Heinz-Wolfgang die zweite Stufe seines sozialen Auf- dige Vater aus einer alten Bauern- Schnaufer (1922-1950), später einer stiegs erklommen. Als Offizier konn- familie dem Fliegen entgegenbrach- höchstdekorierten Soldaten der te er nun leichter um die Hand seiner te. Wehrmacht.6 Jugendfreundin Eva-Charlotte Kro- Ob dies die Entscheidung des Die Gruppe war mit dem Flug- nenberg (†1966), einer Fabrikanten- Sohnes, später einmal zur Luftwaffe zeugtyp Messerschmitt „Me 110“ tochter aus „besseren Kreisen“, an- zu gehen, beeinflusst hat, ist nicht ausgestattet – einer zweimotorigen, halten. Nicht wenige Soldaten lehn- überliefert. Aus einem einfachen El- zweisitzigen Maschine in Tiefdecker- ten in jener Zeit eine Eheschließung ternhaus kommend, war es in der da- auslegung und Ganzmetallbauweise. bewusst ab, wussten sie doch, wie maligen Zeit keineswegs selbstver- Sie war neben der Ju 88 der Stan- klein die Chance heil aus dem Krieg ständlich und eher seltene Ausnah- dardnachtjäger. Neben der „Me 110“ zurückzukommen letztlich war. Sie me, dass deren Kinder auf eine wei- flog Scheel auch mit den Flugzeug- wollten sich auf dieses Roulettespiel terführende Schule geschickt wur- typen Junkers („Ju 88“) und des Schicksals, nach nur kurzer Ehe den. Und so es ehrt es vor allem die („He 219“). 1940 während des eine junge Witwe und auch kleine Eltern, Mutter Helene (geb. Geffgen) Westfeldzuges kam Scheels Ge- Kinder – Scheels Sohn Ulrich wurde und Vater Albrecht, dass sie ihrem schwader in Frankreich und über der 1944 geboren – in einer ungewissen begabten Sohn den Weg aufs Gymna- Nordsee zum Einsatz. Mitte 1941 Zukunft zurücklassen zu müssen, sium ebneten. Im Jahre 1938 legte lernte Scheel den Niedersachsen nicht einlassen. Scheel hingegen Walter Scheel seine Reifeprüfung (* 1918) kennen. wagte den Schritt und heiratete (Abitur) ab und nahm damit die erste Dieser, ein halbes Jahr älter als 1942. Glaubte er, dadurch die Kräfte Stufe seines späteren Aufstiegs. Scheel, war 1937 zunächst in das des Himmels auf seine Seite zwingen Zunächst begann er eine verkürzte Heer eingetreten, hatte aber bei zu können? Oder war es ein Verspre- Banklehre, doch dann, kurz nachdem Kriegsausbruch die Teilstreitkraft chen, aus dem Krieg zurückzukom- er sie erfolgreich vollendet hatte, gewechselt und sich zum Piloten aus- men? Gab ihm dies die Kraft und machte ihm – wie Millionen anderer bilden lassen. Scheel nennt Drewes, Stärke zum Überleben?

70 AUFTRAG 261 50 JAHRE BUNDESWEHR

m März 1944 trafen sich die bei innerungen ist kurz. Scheel redete „Europäischen Gemeinschaft für Iden Freunde und Kameraden einmal den Gruppenführer eines NS- Kohle und Stahl“ (EGKS) in Luxem- Scheel und Drewes, letzterer mitt- Fliegerkorps mit „Herr Gruppenfüh- burg an und 1958 wurde er Mitglied lerweile , wieder. Drewes rer“ an, anstatt – wie in der SS üblich des Europäischen Parlaments in wurde Kommandeur der III. Gruppe – ohne „Herr“. Als er diese Anrede Straßburg. Am 14. November 1961 des Nachtjagdgeschwaders 1 und auch nach Korrektur wiederholte, wurde er mit nur 42 Jahren Bundes- Oberleutnant Scheel als Gruppen- wurde ein Disziplinarverfahren ge- minister für wirtschaftliche Zusam- adjutant (verantwortlich für die gen ihn eingeleitet, aber bereits auf menarbeit (Entwicklungshilfe) unter Personalführung des Geschwaders) der Geschwaderebene abgeblockt. dem mehr als doppelt so alten Kanz- sein engster Mitarbeiter. In dieser Diese Episode ist ein Indiz für ler Adenauer (1876-1967). In Ade- Zeit flog Scheel freiwillig Einsätze Scheels ablehnende Einstellung zum nauers Memoiren wird Scheel nur als Bordschütze mit, wollte er sich Nationalsozialismus und sein eigen- einmal, eher beiläufig, erwähnt.12 doch nicht als „Schreibtischhengst“ ständiges Urteil. Als Bilanz dieser Dies ist verständlich, war er doch nur abstempeln lassen. In dieser Haltung schweren Kriegsjahre sagte Scheel knappe zwei Jahre als Minister im schimmert das ausgeprägte Pflicht- später stellvertretend für seine Gene- letzten Kabinett des greisen ersten gefühl gegenüber seinem Land und ration: Kanzlers der Bundesrepublik den Kameraden durch und steht „Es war, wenige Jahre abgerech- Deutschland. Zusammen mit den an- sogar in gewissem Widerspruch zu net, kein schönes Leben, das die deren FDP-Bundesministern13 trat er seinem Willen, den Krieg zu überle- heute 60-jährigen in ihren ersten wegen der sog. „Spiegel-Affäre“ und ben. Der Nachtjäger-Lebensrhyth- 30 Lebensjahren führten. 1945 der umstrittenen Rolle von Verteidi- mus dieser Jahre blieb auch später war der Tiefpunkt. .... Wir stan- gungsminister Strauß im November bestimmend: Scheel ist ein Nacht- den auch vor den Trümmern un- 1962 zurück, kehrte aber nach dem mensch, der erst spät ins Bett findet. seres eigenen Lebens. Fast alles, Ausscheiden von Strauß einen Monat Scheel wurde mehrfach ausge- woran wir irrend geglaubt, wofür später ins Kabinett zurück.14 zeichnet: Neben den beiden Klassen wir gekämpft hatten, war uns aus Nach dem Rücktritt Adenauers des Eisernen Kreuzes wurden ihm den Händen geschlagen.“11 am 15. Oktober 1963 wurde Scheel die Frontflugspange und die Medail- Nach dem Krieg bis 1953 arbei- von Kanzler Prof. Ludwig Erhard le „Winterschlacht im Osten 1941/ tete Scheel als Geschäftsführer der (1897-1977) erneut in diese Funkti- 42“ (sog. „Ostmedaille“; im bitteren Stahlwarenfabrik seines Schwieger- on berufen und nahm sie bis 1966 Soldatenjargon „Gefrierfleischorden“ vaters. Parallel dazu engagierte er wahr. Wegen eines Streites über den genannt) verliehen. 1944 erkrankte sich bereits ab 1946 in der Politik. Bundeshaushalt trat Scheel im Okto- Scheel an Flecktyphus und zog sich Er trat in die FDP ein und erreichte ber 1966 – wieder zusammen mit den eine Rückgrat-Phlegmone8 zu. Nach in wenigen Jahren von der kommuna- Ministerkollegen15 seiner Partei – seiner Genesung im Lazarett kehrte len über die Landesebene die Bun- ein zweites Mal zurück. Während der er 1944 wieder zur Luftabwehr in die despolitik: 1948 war er Stadtverord- Großen Koalition unter Kanzler Kurt Niederlande und an den Niederrhein neter in Solingen und 1950 Land- Georg Kiesinger (1904-1988) war zurück. Nach kurzer britischer tagsabgeordneter in Düsseldorf. Der Scheel – von 1967 bis 1969 – Vize- Kriegsgefangenschaft im schleswig- hart erkämpfte soziale Aufstieg war präsident des Deutschen Bundesta- holsteinischen Tarp, wo er wieder mit erreicht, wenngleich noch lange ges. 1968 trat er die Nachfolge von seinem früheren Kameraden Schnau- nicht vollendet. Im Jahre 1953 zog Dr. Erich Mende (1916-1998)16 als fer zusammentraf, kam Scheel als Scheel als Abgeordneter in den Bun- Bundesvorsitzender der FDP an und Oberleutnant heil aus dem Krieg zu destag ein und gehörte ihm bis zu behielt dieses Amt bis zu seiner Frau und Sohn zurück. seiner Wahl zum Bundespräsidenten Wahl zum Bundespräsidenten. im Jahre 1974 an. Im selben Jahr – Scheel war fünf Jahre lang als cheels Beziehung zum Krieg war 1953 – gründete er als Wirtschafts- Außenminister und Vizekanzler in Seindeutig. Er nennt ihn eine berater und Teilhaber zwei Firmen: den beiden Kabinetten Willy Brandts „existentielle Situation“ und trennt eine für Marktforschung und Markt- (1913-1992) von 1969 bis 1974 ei- dabei strikt zwischen Vaterland und untersuchung („Intermarket“) und ner der Mitgestalter der Ostpolitik Nazi-Regime. Auf die Frage des eine zweite für Finanzierungsfirma und verknüpfte diese mit der Bin- Journalisten Jürgen Engert, was er für („Interfinanz“), schied aber nach dung an die westliche Staatengemein- auf den Vorwurf antwortete: „Sie füh- seinem Eintritt in die Bundesregie- schaft und die Entspannung. Zu- ren hier einen Krieg für eine Dikta- rung aus beiden aus. Vergleicht man sammen mit Bundeskanzler Brandt tur“ antworten würde, nannte Scheel diese Geradlinigkeit mit den heute unterzeichnete Scheel 1970 den die beiden Begriffe Pflicht und Diszi- oft nebelhaft verschwommenen Ver- Moskauer Vertrag. Knappe drei Jahr- plin. „Für das Vaterland hatte man flechtungen von Politikern und Wirt- zehnte zuvor hatte er als junger Leut- seine Pflicht zu tun.“9 Es waren diese schaft, kann auch dies ein Ausdruck nant noch vor Moskau gekämpft, und beiden Tugenden, die ihm auch in von Pflichterfüllung gegenüber sei- nun war er neben Willy Brandt der späteren Lebensjahren halfen, nem Land gelten. maßgebliche Förderer der Aussöh- schwere persönliche Schicksals- nung mit der Sowjetunion. Im No- schläge10 zu ertragen und zu meis- on 1955 bis 1957 gehörte er der vember 1975 besuchte er als erster tern. Das Kriegskapitel in seinen Er- VGemeinsamen Versammlung der Bundespräsident die Sowjetunion. AUFTRAG 261 71 BLICK IN DIE GESCHICHTE

Offizieller Besuch der britischen Königin in Deutschland im Mai 1978; v.l.: Königin Elizabeth II.; Frau Dr. Mild- red Scheel; Bundespräsident Walter Scheel; Prinz Philip; dahinter General Wust; ganz rechts: Kapitän z. S. Maurer.

kommen waren. Es war mehr als eine Geste. Als ehemaliger Offizier der Luftwaffe konnte er dieses bittere Schicksal in besonderer Weise nach- empfinden.

rstmals seit Theodor Heuss, der E1957 als Ehrengast an der ersten Kommandeurtagung der Bundeswehr teilgenommen hatte, sprach wieder ein Bundespräsident zu den rang- höchsten Offizieren der Streitkräfte. Auf der 22. Kommandeurtagung der Bundeswehr in Saarbrücken am 5. April 1978 unter Generalinspekteur Harald Wust – zwei Jahre jünger als Scheel und ebenfalls im 2. Weltkrieg Vielleicht war es gerade das Erleben mann zwanzig Jahre – eine ganze Ge- junger Luftwaffenoffizier – trug einer Kriegskatastrophe dieser Di- neration. Doch Scheel unterschied Scheel seine Auffassung über die mension, die Männer besonders für sich nicht nur altersmäßig von seinen sittlichen Grundlagen der Verteidi- Versöhnung und Friedenspolitik be- Vorgängern. Als er mit nur 55 Jahren gungsbereitschaft und das demokra- reit werden ließ. Auch die alte Garde an die Staatsspitze trat, war er nicht tische Bewusstsein vor. Zum Auftrag der politischen Führer in Moskau – nur der erste Präsident, der im 20. der Bundeswehr stellte er dabei fest: von Chruschtschow (1894-1971) Jh. geboren worden war, sondern „Die Funktion der Friedens- über Breschnew (1906-1982), auch der erste, der als Soldat im sicherung kann die Bundeswehr Andropow (1914-1984) bis Tscher- Zweiten Weltkrieg gekämpft hatte – nur erfüllen, wenn sie für den nenko (1911-1985) – hatte, unge- ein Lebenslauf, den auch der andere Ernstfall gerüstet ist, gerüstet achtet vordergründig klingender führende Repräsentant der Bundes- nicht nur im Hinblick auf Waffen kriegerischer Töne während des Kal- republik Deutschland, Bundeskanz- und Ausrüstung, sondern - und ten Krieges, im politischen Handeln ler Helmut Schmidt, mit Scheel teil- das ist das Wichtigste - auch im und beim Umgang mit militärischer te. Zwei ehemalige Oberleutnante Bewusstsein der Soldaten.“ Macht letztlich Umsicht und Verant- der Luftwaffe standen an den höchs- Und er folgerte daraus, dass, wortung walten lassen. ten Ämtern der Bundesrepublik wenn der Frieden erhalten bleiben Deutschland. Scheels Wahl war Zä- soll, der Soldat auch im Hinblick auf undespräsident Gustav Heine- sur und Generationenwechsel zu- einen möglichen Krieg ausgebildet Bmann (1899-1976), bereits 75 gleich: werden muss. In besonderer Weise Jahre alt, verzichtete auf eine zweite „Scheel nach Heinemann, das und unmissverständlich prangerte Amtszeit. Die Bundesversammlung wirkte wie ein klassisches Kon- Scheel die geistige Distanz zum Mili- wählte am 15. Mai 1974 Scheel mit trastprogramm.“17 tär in Deutschland an. 530 Stimmen – zum zweiten Mal Dies wirkte sich auch auf die „Man beschäftigt sich eben nicht nach Theodor Heuss – einen Politi- Bundeswehr aus. Zu ihr hatte Scheel mit dem Militär. Dahinter steckt ker der FDP zum Staatsoberhaupt. – nicht zuletzt auch als ehemaliger auch ein nicht unerheblicher ge- Sein Gegenkandidat von Weizsäcker Soldat – ein emotional weit engeres sellschaftlicher Druck. Aus einer erhielt 498 Stimmen. Verhältnis als sein Vorgänger Heine- Beschäftigung mit dem Militär Scheel hatte die höchstmögliche mann. Scheel rückte vom Bild des könnte ja auf eine gewisse Affini- Endstufe seines sozialen Aufstieges „Friedens als Ernstfall“, das sein tät zur Bundeswehr geschlossen erreicht. Am 1. Juli 1974 begann sei- Vorgänger gezeichnet hatte und das werden. Ja, meine Herren, es ist ne Amtszeit als viertem Bundespräsi- Missverständnisse enthielt, ab. In traurig, aber es muss einmal aus- denten. Lagen die ersten drei Bun- seiner Weihnachtsansprache 1975 gesprochen werden: Eine positive despräsidenten mit den Geburtsjahr- würdigte der Bundespräsident den Beziehung zur Bundeswehr schä- gängen 1884 (Heuss), 1894 (Lübke) 20. Geburtstag der Bundeswehr und digt bei uns in manchen Berufen und 1899 (Heinemann) nur fünfzehn die Opfer des Flugzeugabsturzes auf – und das gilt auch für Politiker Jahre auseinander, so trennten Kreta, bei dem 41 Soldaten und ein und Journalisten – das Sozial- Scheel von seinem Vorgänger Heine- Zivilangehöriger18 ums Leben ge- prestige. Ein Schriftsteller, der

72 AUFTRAG 261 50 JAHRE BUNDESWEHR

Besuch von Generalinspekteur Harald Wust beim Staatsoberhaupt; v.l.: Verbindungsoffizier Kapitän z.S. Horst Dieter Maurer, Bundespräsident Walter Scheel, General Harald Wust.

sich für die Bundeswehr einsetzt, wird nicht mehr für voll genom- men. ... Wo sind eigentlich diese 500.000 Mann? Der normale Bundesbürger bekommt seine Bundeswehr kaum zu Gesicht.“19 Eine erschreckende Bilanz. Doch der Appell führte zu keiner Än- derung. Bis heute – über fünfzig Jah- re nach Gründung der Bundeswehr – hat sich wenig daran geändert, im Gegenteil. Trotz der gelungenen Inte- gration der Streitkräfte in den demo- kratischen Rechtsstaat, ihrer inter- national anerkannten Reputation und der Bejahung ihrer Existenz und Not- wendigkeit durch die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, hat die Es waren mutige Worte zu einer technische Regelungen“, sondern Verankerung sich nicht gestärkt. Sie Zeit, in der die Streitkräfte – vor al- „Ausdruck des freiheitlichen Geistes weist nur die Merkmale einer wohl- lem aus dem linken Lager – massiv unseres Staates.“22 Dieses Bewusst- wollenden Duldung auf, mehr nicht. angegriffen und diffamiert wurden. sein war vor allem durch die Außer- Darüber dürfen auch die politischen Weder vorher noch nachher hat ein parlamentarische Opposition (APO) Lippenbekenntnisse bei Jubiläen deutsches Staatsoberhaupt Missstän- in Frage gestellt und teilweise zer- und Sonntagsreden nicht hinwegtäu- de im Verhältnis von Gesellschaft zur stört worden. Scheels Absicht war es, schen. In dieser Hinsicht hat die Bundeswehr so klar angesprochen diese verschüttete Haltung in Bevöl- Wehrpflicht als Bindeglied zwischen wie Bundespräsident Scheel. Von kerung und auch in der Armee Armee und Volk versagt, wohl auch manchem Politiker und auch seitens wieder zu festigen. versagen müssen, weil seitens der einiger Medien wurde ihm deshalb Politik die erforderliche Unterstüt- vorgeworfen, er habe seine Kritik eine Amtszeit war im Inneren zung ausblieb. Hinzukommt, dass im überzogen. Nicht zuletzt deswegen Sdurch den Terror der „Roten Ar- Jahr 2006 die Stärke der Bundes- skizzieren manche Kritiker Scheel mee Fraktion“ überschattet. Unzwei- wehr etwa auf die Hälfte jener von leider bis heute vordergründig und deutig bezog er gegen die Gewalt der Scheel 1978 erwähnten Zahl abge- abwertend als singende „rheinische Straße Stellung: schmolzen ist, was die Wahrneh- Frohnatur“. Doch Scheel versprach „Was für eine furchtbare Grimas- mung der Armee im Lande zusätzlich nicht nur, er handelte auch. Bereits se der Freiheit schaut uns da verringert. Scheels Rede von vor 28 zwei Jahre zuvor – 1976 – hatte an?“23 Jahren besitzt noch heute Gültigkeit Scheel die Unterzeichnung des Ge- Scheels klare Haltung zu den – leider, muss man hinzufügen. Die setzes zur Abschaffung der Ge- Streitkräften darf aber keinesfalls zu Signale des Staatsoberhauptes sind wissensprüfung bei Wehrdienstver- dem Schluss führen, er wäre der zu schwach, wenn sie politisch nicht weigerern verweigert. Amnesty Inter- Bundeswehr gegenüber unkritisch umgesetzt und zusätzlich unterstützt national hatte damals noch in einem gewesen. Scheel wahrte immer dann werden. Auch die meisten Appelle Brief an das Staatsoberhaupt interve- eindeutig Distanz, wenn Ereignisse anderer Präsidenten verhallten – vor niert und Scheel aufgefordert, den und Entwicklungen in den Streitkräf- allem, wenn sie nicht in den Gesetzesentwurf zu unterschreiben, ten nicht mit seinem Rollenverständ- „mainstream“ des Denkens passten sowie alle inhaftierten Wehrdienst- nis des Militärs, seiner Staatsauf- – ungehört und oft süffisant auf verweigerer, die aus Gewissensgrün- fassung und seinem demokratischen Schlagworte verengt.20 Ebenso klar den den Wehrdienst verweigert hat- Empfinden übereinstimmten. So be- war Scheels Haltung zu Wehrdienst ten, freizulassen und zu amnestieren. jahte Scheel zwar ein selbstbewuss- und Wehrdienstverweigerung: Scheel versagte sich dieser Aufforde- tes Auftreten der Bundeswehr im In- „Diese Diskussion erweckte rung. und Ausland, war aber zugleich ein manchmal den Anschein, als ob Im Gegensatz zu seinem Vorgän- kompromissloser Verfechter des Pri- nur die Kriegsdienstverweigerer ger Heinemann betonte Scheel die mats der Politik. Dies wurde beson- ein Gewissen hätten, das sich um Bedeutung staatlicher Symbole und ders in seiner Haltung zur „Krupins- den Frieden sorgt.“21 Formen, seien diese doch „mehr als ki/Franke-Affäre“ und beim Rück-

AUFTRAG 261 73 BLICK IN DIE GESCHICHTE tritt von Generalinspekteur Harald lichkeit bereits abweichende Mei- gleich letzterer von 1972 bis 1974 Wust deutlich. nungen von Militärs leichtfertig die- unter ihm als Außenminister Parla- Im Herbst 1976 war der frühere ser Rubrik zu. Der Grund liegt auch mentarischer Staatssekretär für Stuka-Oberst Hans-Ulrich Rudel darin, dass diese Thematik bislang in Europafragen gewesen war. Scheel (1916-1982),24 zu einem Traditions- der öffentlichen Diskussion ausge- hatte – wohl auch aus eigener Erfah- treffen des Aufklärungsgeschwaders spart, wenn nicht sogar tabuisiert rung beim schwierigen sozialen Auf- 51 „Immelmann “ nach Bremgarten blieb. stieg – immense Hochachtung vor eingeladen worden. Der Besuch führ- dem Lebenswerk und dem politi- te zu einem Eklat in Medien und Po- as unter seinem Vorgänger schen Können Lebers. An Apel litik. Der Chef der Luftflotte in Köln- DHeinemann abgespeckte Zere- schätzte er dessen analytische Intel- Wahn, Generalleutnant Walter Kru- moniell beim Empfang akkreditierter ligenz. pinski (1920-2000)25 und sein Stell- Botschafter wurde unter Scheel vertreter Karl Heinz Franke (1923- wieder aufgestockt.28 Dies war nicht um dritten Mal – nach Karl Heinz 1994), hatten zwar von dieser Einla- nur eine Geste des außenpolitisch ZHerche (1923-2004) und Werner dung nichts gewusst und hätten sie versierten Politikers; der Ästhet und Gruner (* 1923) – fungierte wieder vermutlich auch nicht genehmigt. Schöngeist Scheel wehrte sich damit ein Marineoffizier als Verbindungs- Doch sie stellten sich in Wahrneh- auch gegen den vorherrschenden offizier des Verteidigungsministe- mung ihrer Fürsorgepflicht vor den Trend, „Formlosigkeit zu unserer riums zum Bundespräsidenten: Ka- Kommodore der „Immelmänner“ Form“29 werden zu lassen. Zu seinen pitän zur See Horst Dieter Maurer (* und meinten, man müsse man „dem zweiwöchigen Abendgesellschaften 1937), der polyglotte Marineflieger, als rechtsradikal geltenden Rudel in der Villa Hammerschmidt wurden diente unter Scheel während dessen ebenso das Recht auf Läuterung zu- jeweils27 Gäste aus acht Gruppen, gesamter Amtszeit von 1974 bis billigen wie >Linksextremisten und darunter auch Soldaten der Bundes- 1979. Scheel bestand auf einer – in- Kommunisten<, die früher in Mos- wehr, eingeladen.30 Scheel besuchte ternationalen Gepflogenheiten ent- kau waren wie Herbert Wehner.“26 die Bundeswehr und die alliierten sprechenden – Einordnung seines Damit stachen sie in ein politisches Truppen in Deutschland häufig, so z. Verbindungsoffiziers, so u.a. beim Wespennest und brachten Minister B. 1975 das FlaRak-Bataillon 26 Staatsbesuch in der Sowjetunion im Leber in Zugzwang. Beide Generale NIKE in Jever zusammen mit Admi- Jahre 1975, kannte er als vormaliger mussten ihren Hut nehmen. Viel- ral Zimmermann. Ebenso wie sein Außenminister doch die internatio- leicht mag Scheel innerlich als ehe- Vorgänger Heinemann fuhr auch nalen Sitten und Erwartungen genau. maliger Offizier der Luftwaffe auf der Scheel einige Tage auf dem Segel- Seite seiner früheren Kameraden ge- schulschiff Gorch Fock mit. ine Stunde vor dem Ende seiner standen haben, doch erkennen las- Während der fünfjährigen Amts- EPräsidentschaft im Sommer sen hat er dies nicht einen Augen- zeit von Scheel führte Georg Leber (* 1979 wurde Walter Scheel von der blick und verfügte deren sofortige 1920) das Verteidigungsressort. Bundeswehr vor seinem Amtssitz, Entlassung.27 Ebenso eindeutig han- Nach Lebers Rücktritt im Februar der Villa Hammerschmidt, in Bonn delte Scheel, als zwei Jahre später, 1978 wurde Hans Apel (* 1932) mit dem Großen Zapfenstreich ver- im Dezember 1978, Generalinspek- Chef der Hardthöhe. An der Spitze abschiedet. Das Stabsmusikkorps teur Wust (* 1921) wegen nicht mehr der Bundeswehr standen drei Gene- der Bundeswehr intonierte in der vorhandenen Vertrauens zu Verteidi- ralinspekteure: Admiral Zimmer- Serenade das Lied „Die Gedanken gungsminister Hans Apel vorzeitig mann(2 ½ Jahre), General Wust (2 sind frei“, jenes traditionsreiche, um seine Entlassung aus dem akti- Jahre) und Brandt (½ Jahr). Scheel volksliedhafte Stück, das in Elsass- ven Dienst bat. Allerdings bedauerte schätzte – wie auch Kanzler Helmut Lothringen und den südwest- Scheel das Ausscheiden von Wust; Schmidt – Zimmermann außeror- deutschen Gebieten schon vor der sein Verhältnis zu dem geradlinigen dentlich. Während dessen Krankheit Französischen Revolution als Er- Generalinspekteur, der selbst aus ließ sich Scheel durch seinen Ver- kennungslied der „Freiheitlichen“, der Beobachterlaufbahn der Luftwaf- bindungsoffizier31 täglich über Zim- der „Liberalen“ galt.32 Im Fackel- fe kam, war immer von großer Sym- mermanns Zustand nach dessen schein verließ ein Freund der Ar- pathie, Offenheit und Freundlichkeit schwerem Sturz im Juni 1976 vortra- mee die politische Bühne. Nach sei- geprägt. gen – auch eine Geste der Kamerad- ner Amtszeit von nur fünf Jahren Beide Fälle stellten keine Verlet- schaft des Staatsoberhauptes gegenü- übernahm Scheel eine Vielzahl von zung des Primats der Politik durch ber dem ranghöchsten Soldaten der Ehrenämtern. Zum einen war er mit hohe Offiziere dar, denn weder Bundeswehr. Umso mehr war Scheel gerade einmal 60 Jahren beim Aus- Krupinski, noch Franke und schon über den plötzlichen Tod Zimmer- scheiden aus dem Amt noch zu jung, gar nicht Generalinspekteur Wust manns im Dienst am 30. November um sich aus der politischen Arbeit stellten Zuständigkeit und Hand- 1976 erschüttert. zurückzuziehen, zum anderen ist lungshoheit der Politik in Frage. Scheels Verhältnis zu Verteidi- dies ebenfalls Ausdruck seiner tief- Doch bis heute ordnen Politiker, Me- gungsminister Leber war besser als verwurzelten Pflichterfüllung der dien und auch ein Teil der Öffent- das zu dessen Nachfolger Apel ob- Gemeinschaft gegenüber.

74 AUFTRAG 261 50 JAHRE BUNDESWEHR

Anmerkungen: 1 Udet stieg bis zum Generaloberst auf. 17 Weizsäcker, Richard Frhr. von Beitrag 31 Maurer, Horst Dieter Antwort vom Sein Leben nahm Zuckmayer zur Vorla- für die Tageszeitung „Die Welt“ 1999 02.05.2006 auf schriftliche Fragen des ge des Dramas „Des Teufels General“. 18 Am 9. Februar 1975 war eine Transall Verfassers des LTG 63 auf Kreta gegen einen Fel- 32 1842 von Hoffmann von Fallersleben 2 Scholz, Günther a.a.O. S. 275 sen geflogen. Es ist das bisher schwerste überarbeitet. 3 Wiedemeyer, Wolfgang Walter Scheel – Unglück in der Geschichte der Bundes- ein Porträt S. 13 wehr. 4 Falck hatte das NJG 1 am 26. Juni 1940 19 Scheel, Walter – Apel, Hans: Die Bun- übernommen. Im Oktober 1940 wurde deswehr und wir. Rede auf der Quellen & Literatur: er mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet. Kommandeurtagung der Bundeswehr Adenauer, Konrad: Erinnerungen. 4 Bän- 5 Gruppenkommandeure waren: Haupt- 1978 S. 17 f. mann Conrad von Bothmer; Hauptmann de, Deutscher Bücherbund, Stuttgart/ 20 z.B. die sog. „Ruck“-Rede“ von Bun- Hamburg 1968.. Karl-Heinrich Heyse; Hauptmann Graf despräsident Roman Herzog vom von Stillfried, Major Walter Ehle, Major 26.April 1997. Krack, Bernhard W.: Staatsoberhaupt und Eckart-Wilhelm von Bonin und Haupt- 21 Scheel, Walter Rede auf der Komman- Streitkräfte. Die Position der Bundes- mann Adolf Breves. deurtagung der Bundeswehr 1978 in: präsidenten zur Bundeswehr und zur 6 Schnaufer (121 Luftsiege) war einer der Walter Scheel – Die Zukunft der Freiheit Sicherheitspolitik. Ergon Verlag Dr. 27 Träger der Brillanten zum Ritterkreuz – Reden 1975-1979 Ullstein Sachbuch Hans-Jürgen Dietrich, Würzburg 1990 mit Eichenlaub mit Schwertern. Er kam S.184 Maurer, Horst Dieter : Antwort vom nach dem Krieg bei einem Autounfall in 22 zitiert in: Scholz, Günther Die Bundes- 02.05.2006 auf schriftliche Fragen des Südwestfrankreich ums Leben und wur- präsidenten S. 308 Verfassers. de in Calw beigesetzt. 23 Scheel, Walter Rede zum Staatsakt für Scheel, Walter: Rede auf der Kommandeur- 7 Scholz, Günther a.a.O. S. 275 Drewes den ermordeten Hanns Martin Schleyer tagung der Bundeswehr 1978; in: Wal- errang die ersten seiner insgesamt 52 24 Rudel – im Krieg u.a. Kommandeur des ter Scheel – Die Zukunft der Freiheit, Luftsiege im Irak gegen die Royal Air Schlachtgeschwaders „Immelmann“ – Reden 1975-1979 . Ullstein Verlag Force, wo er als Kommandoführer mit war als einziger Soldat der Wehrmacht Frankfurt a.M., Ullstein Sachbuch Nr. deutschen Maschinen irakischen Frei- mit der höchsten Tapferkeitsauszeich- 34057, Juli 1981. willigen militärische Ausbildungshilfe nung, dem Goldenen Eichenlaub mit Scheel, Walter: Bundeswehr und Gesell- leistete. Schwertern und Brillanten zum Ritter- schaft ; in: Zuber, Hubertus (Hrsg.) 8 schwere Infektion der Haut, u.a. mit of- kreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeich- Innere Führung in Staat, Armee und Ge- fener Eiterbildung, starken Schmerzen, net worden. sellschaft. Schwellungen und Fieber. 25 Krupinski gehörte als Eichenlaubträger Scheel, Walter – Apel, Hans: Die Bundes- 9 Scheel, Walter Erinnerungen und Ein- selbst zu den Fliegerassen. wehr und wir. Zwei Reden. Suhrkamp sichten S. 34 26 Herbert Wehner (1906-1990) war Taschenbuch 522, Frankfurt/Main 10 Im Jahre 1966 verstarb Scheels erste damals Vorsitzender der SPD-Fraktion 1978. Frau Eva-Charlotte und 1985 seine im Deutschen Bundestag Scheel, Walter: Erinnerungen und Einsich- zweite, Dr. Mildred Scheel - beide nach 27 Mit großer Rigorosität verwahrte sich ten – Walter Scheel im Gespräch mit langen Ehejahren. Jürgen Engert. Hohenheim Verlag, 11 Scheel, Walter 30 Jahre nach dem Scheel gegen die politischen Aktivitä- ten Rudels. Im Zuge der Entlassung Stuttgart Leipzig 2004. Krieg - Rede in der Schlosskirche zu Scholz, Günther: Die Bundespräsidenten. Bonn am 6. Mai 1975 in: Walter Scheel Krupinskis und Frankes gingen etwa 4.600 Eingaben an den Bundespräsi- Decker & Müller Verlag, Heidelberg – Die Zukunft der Freiheit Reden 1975- 1990 1979 Ullstein Sachbuch S.26 f. denten ein, die gegen die Maßnahme protestierten. Aus Namibia und Süd- Wiedemeyer, Wolfgang: Walter Scheel – ein 12 Adenauer, Konrad Erinnerungen Band Porträt. Persönlichkeiten der Gegen- III - S. 83 afrika kamen offenbar gesteuerte Sympathieschreiben. Alle in Deutsch- wart Band 12, Eurobuch-Verlag, Au- 13 Bucher, Justiz; Dahlgrün, Finanzen; gust Lutzeyer, Freudenstadt 1969 Lenz, Atom und Mischnik, Vertriebene land lebenden Einsender erhielten eine 14 In den Lebenserinnerungen von Franz Antwort. Joseph Strauß wird Walter Scheel nicht 28 Scholz, Günther a.a.O. S. 299 einmal erwähnt. 29 Krack, Bernhard W. Staatsoberhaupt Bildmaterial: 15 Mende, Vizekanzler; Dahlgrün, Finanzen und Streitkräfte S. 481 und Bucher, Wohnungsbau. 30 Scholz, Günther a.a.O. S. 301 Privatarchiv K zS aD Horst Dieter Maurer 16 Mende war 1936 als Offizieranwärter in das Infanterieregiment 84 in Gleiwitz eingetreten. Anfang 1945 übernahm er als Major das Grenadierregiment 216 und wurde mit dem Ritterkreuz ausge- KURZ BERICHTET: zeichnet. Er führte sein Regiment recht- zeitig nach Westen zurück. Dies ersparte Theatervereinigung will Johannes Paul II. zum Patron machen seinen Soldaten und ihm die sowjetische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Ent- Der Präsident der italienischen Theatervereinigung ETI, Giuseppe lassung studierte er Jurisprudenz. Er Ferrazza, schlägt vor, Papst Johannes Paul II. nach seiner Heiligsprechung war einer der Gründer der FDP. 1949 zum Patron des Theaters zu erheben. Das The-ater von heute sei „zu athe- wurde Mende mit 33 Jahren Mitglied istisch“ und habe großen Bedarf nach einem himmlischen Fürsprecher, des Deutschen Bundestages, dem er 31 Jahre angehörte. Von 1960 bis 1968 war sagte Ferrazza laut italienischen Medienberichten. Karol Wojtyla war wäh- er Bundesvorsitzender der FDP. Im Jahre rend des Zweiten Weltkriegs Schauspieler an einem Krakauer Untergrund- 1970 schied er aus der FDP aus und theater und schrieb selbst mehrere Theaterstücke, etwa „Der Laden des wechselte zur CDU. Er starb am 6. Mai Goldschmieds“. (KNA) 1998 in Bonn.

AUFTRAG 261 75 KIRCHE UNTER SOLDATEN

KATHOLISCHE SOLDATEN BEIM 96. DEUTSCHEN KATHOLIKENTAG: „Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht“ Informationsstand der Katholischen Militärseelsorge in der „Halle der Bistümer“

m Rahmen des 96. Deutschen Katholikentags feierten am Freitag, dem 26.Mai 2006, 750 Gläubige, darunter viele Soldatinnen, Soldaten und jun Ige Menschen, mit Militärbischof Dr. Walter Mixa in der Pfarrkirche St. Mi- chael in Saarbrücken einen festlichen Gottesdienst zum Thema „Meinen Frie- den gebe ich euch“. Die musikalische Gestaltung erfolgte durch das Bläser- quartett des Heeresmusikkorps 300 aus Koblenz. In seiner vom Beifall unterbrochenen Predigt ging Bischof Mixa zunächst auf das aktuelle Thema des Films „Sakrileg - Der Da Vinci Code“ ein. Die Bot- schaft von der Auferstehung sei nicht durch irgendwelche Fantasien zu er- schüttern. Paulus sei dafür der Gewährsmann. Jesus allein sei der Weg, die Wahrheit und das Leben. Er sei es, der allein der Welt Frieden, Gerechtigkeit und Heil bringe. Wo Menschen das umsetzten, sei der Friede wirklich; hier habe der Dienst des Soldaten seinen Platz als „Diener der Sicherheit und der Freiheit der Völker“. Im anschließenden Podiumsgespräch des Bischofs mit dem Wehrbeauf- tragten Reinhold Robbe und dem Vorsitzenden der Zentralen Versammlung der Katholischen Soldaten, Oberst Richard Schmitt, zum Thema „Pastorale und gesellschaftliche Aufgaben der Militärseelsorge“, das in Verantwortung der „aktion kaserne“ durchgeführt wurde, wurden Probleme wie der Einsatz im Kongo und seine ethisch, moralische Dimension und Fragen der Inne- ren Führung diskutiert. Militärbischof Mixa bewertete den Katholikentag als ein notwendiges Forum des Gesprächs und der Begegnung von Christen in einer durch und durch sä- kularen Welt. Er ermutigte alle Teilnehmer, die Ge- sellschaft vom christlichen Menschenbild her zu prä- gen und zu gestalten. In der Halle der Bistümer und auf der Kirchenmeile besuchte er die Informations- stände der Katholischen Militärseelsorge und lobte das Engagement der daran beteiligten Soldaten und Mitarbeiter aus der Kurie des Katholischen Militär- bischofs. (Marlene Beyel, Pressestelle KMBA)

Podiumsdiskussion im Gemeindezentrum St. Michael in Saarbrücken zum Thema "Pastorale und gesellschaftliche Aufgaben der Militärseelsorge". Bild oben, v.l.: Matthias Wirth, Sprecher der "aktion kaserne", Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages Reinhold Robbe, Militärbischof Dr. Walter Mixa, Oberst Richard Schmitt, Vorsitzender der Zentralen Versammlung der katholischen Soldaten. Mitte: Zuhörer der Podiumsdiskussion (v.l.): Ministerialdirektor Dr. Dieter Weingärtner, Militärgeneralvikar Walter Wakenhut, Vorsitzende der Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbe- treuung (KAS) Christa Reichard, ZdK-Mitglied General- leutnant Karl-Heinz Lather und Frau Lather. Unten: Reger Betrieb auf dem Informationsstand der Katholischen Militärseelsorge in der „Halle der Bistümer“. Fotos vom KathTag: Marlene Beyel, KMBA)

76 AUFTRAG 261 AUS DER GKS UND DEN STANDORTEN

Informationstand der GKS auf der „Kirchenmeile“ in der Saarbrücker Innenstadt; v.l.: Militärgeneralvikar Prälat Walter Wakenhut, stellv. Bundesvorsitzender Hptm Hans-Georg Pauthner, GKS-Bundesvorsitzender OTL Paul Brochhagen und der Geistliche Beirat der GKS Militärdekan Johann Meyer. GKS auf dem Katholikentag in Saarbrücken:

VON WINFRIED HEINEMAN anchmal gerät es in Vergessenheit: der Katholi- kentag ist die Großveranstaltung des Zentral- Mkomitees der deutschen Katholiken, also der Laienverbände und -räte. So viel Violett der Bischöfe, so viel Purpur der Kardinäle, von den Ordensleuten unterschiedlichster Farben und Schattierungen ganz zu schweigen: Es sind die katholischen Verbände, die den Katholikentag tragen. Also auch die GKS. Was kann die GKS mit ihren begrenzten Mitteln auf Aber auch Prominenz fand sich ein: ein schwarzafrika- dem Katholikentag zu erreichen versuchen? Nun, zum nischer Militärgeneralvikar am ersten Tag, und der unga- ersten ist sie schlicht präsent. Auf der Kirchenmeile in rische Militärbischof am letzten. Auch hier die Frage nach der Saarbrücker Innenstadt war ein Zelt zwischen vielen dem Unterschied zwischen dem Stand des Militärbischofs das der GKS. „So etwas gibt’s auch?!“ – genau wegen sol- (im Messegelände, unter den deutschen Bistümern) und cher Fragen hatte die GKS sich dort angesiedelt: den dem der GKS auf der Kirchenmeile. Auch hier also die Menschen zeigen, dass es unter den Katholiken Soldaten Möglichkeit, die Spezifika des deutschen Verbands- gibt, oder dass es – umgekehrt – unter den Soldaten Ka- katholizismus am konkreten Beispiel zu erläutern. tholiken gibt. So mancher Standbesucher zeigte sich sogar Der Saarländische Rundfunk sendete live vom Katho- über diese Binsenweisheit erstaunt. Nein, das hätte man likentag. An einer Diskussionsrunde zum Thema „Euro- nicht gedacht, dass Menschen katholisch bleiben, wenn pa“ waren auch Oberstleutnant Warner und Kapitänleut- sie Soldat werden. Da half nur noch die Antwort eines alt- nant Müller von der GKS beteiligt, die von ihren Erfah- gedienten GKS-Mitglieds im Zelt: er sei Bayer, und das rungen in Lourdes berichten konnten. Die Präsenz der sei er schließlich ja auch geblieben, als er Soldat wurde. GKS auf dem Katholikentag hat ihren Wert vielleicht Es gibt die anderen, die sich auf die ernsthafte Dis- auch darin, dass man einfach nur wegen der Uniform an- kussion über die Thesen und Auffassungen der Bundes- gesprochen wird. Nicht mehr, wie vor zehn oder zwanzig wehr und der GKS einlassen. Häufig musste die Stand- Jahren, überwiegend feindselig, sondern mit großer Nüch- besatzung denen allerdings zuerst klar machen, dass das ternheit. Es ist selbstverständlich, dass Uniformierte da GKS-Zelt nicht die Außenstelle des Verteidigungs- sind. ministers auf dem Katholikentag war. Nein, wir sind nicht Ein Stand steht – das ist seine hervorragendste Eigen- gehalten, die Auffassung „der Bundeswehr“ zu vertreten. schaft. Es kommt aber darauf an, sich zu bewegen. Vor al- Vielen Laien ist der Verbandskatholizismus fremd. Dass lem an den ersten beiden Tagen, als fast ständiger Regen ein Verband auf den Katholikentag geht, um seinen For- wenig Laufpublikum in die Kirchenmeile kommen ließ, derungen auch an den Dienstgeber – etwa nach Erhalt der waren nur sporadisch Besucher am Stand. Vielleicht hätte Militärseelsorge in einem angemessenen Umfang – Nach- die Standbesatzung statt dessen in die Groß- druck zu verleihen, das wollten nicht alle so recht glau- veranstaltungen gehen und mit den GKS-Flyern aktiv In- ben. „Ich war auch beim Barras, damals, ich weiß doch formationen verteilen sollen? Wäre es besser gewesen, in wie das ist...“ – gegen dieses Argument anzugehen und Uniform in Diskussionen zu gehen und sich dort als Re- darauf zu beharren, dass die GKS von der Bundeswehr präsentant der GKS zu outen? (Zum mindesten wäre es eine sittlich-ethische Begründung ihrer Einsätze, oder wärmer gewesen!) – Überlegungen für’s nächste Mal, auch eine entsprechende Vorbereitung der Soldaten for- Osnabrück 2008. dert, das war dann die Herausforderung. Ein Dank der GKS muss an die Katholische Arbeits- Noch andere – erfreulich viele Jugendliche – fragten gemeinschaft für Soldatenbetreuung gehen, deren Stand die Uniformträger nach den Lebens- und Karrierebedin- gleich nebenan zu finden und deren Kletterturm („wir gungen in der Bundeswehr. Unvergessen die Pfadfinderin bringen euch dem Himmel näher!“) eine richtige Attrakti- aus , eigentlich in einer Tischlerlehre, jetzt aber on war. Die KAS hat in vorbildlicher Weise den GKS- als VIP-Betreuerin auf dem Katholikentag: Sie bekam Stand mit betreut, vor allem mit Kaffee und Keksen. Ein eine Tasse Kaffee, setzte sich in den Stand und redete ein- Grund, in Zukunft einen gemeinschaftlichen Stand fach mit. Solche Gespräche lohnten den Aufwand. Da beider, vielleicht sogar zusammen mit dem Militärbischof, konnte man den Schnellsprecher leicht verkraften, der zu betreiben? Gewiss, es würde Geld und Ressourcen wetten wollte, die Standcrew könne keinen Komponisten sparen helfen. Aber es würde weniger deutlich hervortre- benennen, von dem er nicht Geburts- und Todesdatum ten lassen, was das Engagement von Laien in der Kirche, wisse. Die Standcrew verzichtete – wie hätte man die auch in der Kirche unter Soldaten, ausmacht. Und das Wette auch nachprüfen sollen? wäre nicht gut. ❏

AUFTRAG 261 77 KIRCHE UNTER SOLDATEN Aus dem Leben der GKS Bericht des Bundesgeschäftsführers

VON KLAUS ACHMANN 2. Politikergespräch mit dem trugen ihre Ausbildungskonzepte Wehrbeauftragen vor. Am 30. März 2006 fand das erste Ziele des Seminars waren die von drei in diesem Jahr geplanten Verbesserung der Zusammenarbeit Politikergesprächen statt. Gast war der verschiedenen Organisationen im diesmal der Wehrbeauftragte Rein- Einsatzgebiet, eine bessere Kenntnis hold Robbe. Generalleutnant Karl- über die Fähigkeiten und Möglich- Heinz Lather moderierte das Ge- keiten der je anderen Organisatio- 1. GKS-Erklärung: spräch, an dem etwa 30 GKS-Mit- nen, die Identifizierung von Stärken „50 Jahre Militärseelsorge – glieder und Angehörige des KMBA und Mängeln der unterschiedlichen Die GKS im Spannungsfeld teilnahmen. Nachdem wenige Tage Ausbildungskonzepte sowie die Ver- gewandelter Aufträge der zuvor der erste Bericht des Wehrbe- tiefung der Zusammenarbeit zwi- Bundeswehr“ auftragten, sein Jahresbericht 2005, schen der GKS und pax christi als Bereits im Januar dieses Jahres erschienen war, stand dessen Inhalt katholischen Verbänden. hatte der Bundesvorstand die jüngste im Mittelpunkt des Interesses. Das Dazu stellten die beteiligten Or- Erklärung der GKS verabschiedet. Thema des Abends lautete daher: ganisationen und Verbände ihre je- Diese Erklärung (abgedruckt im „Der Jahresbericht 2005 des Wehr- weiligen Vorbereitungen auf den AUFTRAG Nr. 161/März 2006, S. 98 beauftragten des Deutschen Bundes- Auslandseinsatz – und zwar speziell ff.) schildert die Entstehung der GKS tages.“ Der Wehrbeauftragte stellte auf den Einsatz zur Friedenskonso- aus dem Königsteiner Offizierkreis, aus seiner Sicht Schwerpunkte des lidierung in der Nach-Konfliktphase ihre formelle Gründung 1970 und Berichts vor, er berichtete aber auch – vor. Dabei wurden insbesondere ihre weitere Entwicklung. Daran von seinen Erfahrungen bei die eigenen Ziele und der eigene schließt sich ein Kapitel „Konstan- Truppenbesuchen. Naturgemäß wa- Auftrag, die Einstellung auf Land ten in der Arbeit der GKS“ an, in ren die Auslandseinsätze der Bun- und Menschen sowie auf die anderen dem die Kernpunkte der inhaltlichen deswehr ein weiteres zentrales The- Akteure im Friedensprozess und die Arbeit der GKS ausgeführt werden. ma der Diskussionen. Qualifizierungskonzepte vorgestellt. In dem zentralen dritten Abschnitt Die Politikergespräche werden Die Texte der Vorträge sollen in werden „Perspektiven und Forderun- von der GKS veranstaltet. Das Katho- einem Umdruck zusammengefasst gen zur Neuausrichtung der Bundes- lische Militärbischofsamt unterstützt werden und stehen dann zur Auswer- wehr“ formuliert, die in dieser Voll- diese Gespräche als Mitveranstalter. tung zur Verfügung. ständigkeit und Klarheit so noch Gastgeber der Veranstaltung ist der nirgends zu lesen waren. Den Ab- Militärgeneralvikar, für die Einla- 4. Sitzung des Exekutivaus- schluss der Erklärung bilden die dung der Politiker und die Moderati- schusses der GKS am Leitsätze der GKS, die dort eindeutig on ist die GKS zuständig. 08. Mai 2006 in BONN in den Rahmen der kirchlichen Als weitere Politikergespräche Der EA trat am 08. Mai 2006 in Friedenslehre gestellt werden. sind ein Abend mit MdB Bernd BONN zu seiner zweiten Sitzung in Nachdem die beiden GKS-Sach- Siebert (CDU) am 06.07.06 und ein diesem Jahr zusammen. ausschüsse „Innere Führung“ und Gespräch mit dem Verteidigungs- Einleitend blickte der Bundes- „Sicherheit und Frieden“ bereits die minister am 09.11.06 geplant. vorsitzende auf die wesentlichen Er- entscheidende inhaltliche Arbeit zur eignisse des letzten Quartals zurück. Erstellung dieser Erklärung geleistet 3. Gemeinsames Seminar Aus seinen Ausführungen ist seine hatten, erhielten sie im Anschluss an von GKS, pax christi und positive Bewertung des letzten Poli- deren Veröffentlichung den weiteren Justitia et Pax tikergesprächs mit dem Wehrbeauf- Auftrag, die Kernpunkte der Erklä- Vom 21. – 23. April 2006 fand tragten und des gemeinsam mit pax rung in eine Kurzfassung zu bringen, im Kardinal-Schulte-Haus in BENS- christi durchgeführten Seminars her- die als Faltblatt eine größere Ver- BERG das 2. gemeinsame Seminar vorzuheben. Weiterhin berichtete breitung finden soll. Dieser Flyer mit pax christi statt, auch diesmal in der Bundesvorsitzende von seinen wurde im Mai fertig gestellt und kann Zusammenarbeit mit der Deutschen Besuchen bei Bereichs- und Arbeits- nun als leicht lesbare Schnell- Kommission Justitia et Pax. Unter konferenzen. information über die GKS, ihre Ge- dem Thema „Frieden braucht Fach- Die Sachausschüsse „Sicherheit schichte und ihre wichtigsten Anlie- leute“ ging es um den Austausch von und Frieden“ und „Innere Führung“ gen verteilt werden. (Zur Kurz- Erfahrungen bei der Qualifizierung berichteten von ihrer Arbeit an einer fassung der GKS-Erklärung vom von Fachkräften für den Auslands- Kurzfassung der letzten GKS-Erklä- 28.01.2006 s.S. 6 in diesem AUF- einsatz. Bundeswehr, Polizei und rung. Der Text dieser Kurzfassung TRAG) zivilgesellschaftliche Organisationen soll in einem Faltblatt bis zum Ka-

78 AUFTRAG 261 AUS DER GKS UND DEN STANDORTEN tholikentag zur Verfügung stehen. CLOPPENBURG das 2. Seminar statt. Am 9. Nov. 2006 ist ein Der Sachausschuss „Sicherheit „Vorbereitung auf die 3. Lebens- Politikergespräch mit Bundesmi- und Frieden“ beobachtet fortlaufend phase“ stattfinden. Das Seminar nister Franz Josef Jung geplant. die Entwicklung im IRAN und im ist (ebenso wie das Herbst- – Höhepunkt des Jahres wird wie KONGO. Der „Internationale Sach- seminar in NÜRNBERG) seit immer die Bundeskonferenz ausschuss“ trug zur nächsten Gene- langem ausgebucht. sein, die vom 20.-23. September ralversammlung des AMI vor. – Vom 22.- 25. Juni 2006 wird der 2006 im Rahmen der 46. Woche Der Bundesgeschäftsführer be- Bundesvorstand in BAMBERG der Begegnung in LUDWIGS- richtete über den Sachstand des An- tagen. Dabei wird unserer frühe- HAFEN stattfinden wird. In die- trages, den Sitz des FGKS e.V. von rer Geistlicher Beirat, der jetzige sem Zusammenhang wird darauf BONN nach BERLIN zu verlegen. Generalvikar des Erzbistums hingewiesen, dass die Mitglie- Obwohl der Antrag bereits im Januar Bamberg, MD a.D. Msgr. Kestel, derversamlung des Förderkreises dieses Jahres gestellt wurde, liegt aus der GKS verabschiedet wer- der GKS (FGKS) während der noch keine Entscheidung vor. den. Bundeskonferenz am 22.09.2006 Weiterhin besprach der EA die – Das nächste Politikergespräch stattfindet (s.u.). Es wird dazu bevorstehenden wichtigen Veranstal- findet am 6. Juli 2006 mit MdB nicht mehr besonders eingela- tungen, darunter die Sitzung des BV Bernd Siebert (CDU) in BERLIN den. ❏ in BAMBERG, den 96. Deutschen Katholikentag in SAARBRÜCKEN und die 46. Woche der Begegnung in Einladung zur Mitlgliederversammlung des FGKS e.V. LUDWIGSHAFEN. Zum Seminar 3. Lebensphase Förderkreis der Gemeinschaft Katholischer Soldaten e.V. wurde beschlossen, das Konzept für Vorstand 2007 neu zu überdenken. Dazu wur- de eine Projektgruppe unter Leitung von OSF Schacherl eingerichtet.

Mit Bezug auf den Haushalt 48317 Drensteinfurt, im Juni 2006 mahnte der Bundesvorsitzende zu größter Sparsamkeit. Er wies darauf Sehr geehrte Mitglieder, hin, dass im Veranstaltungskalender im Namen des Vorstandes des Förderkreises der Gemeinschaft Katholischer Soldaten e.V. des KMBA Änderungen zur Frage lade ich Sie zur Mitgliederversammlung 2006 ein. der Fahrtkostenzuschüsse zu erwar- ten sind, denen sich die GKS an- Termin: 22.09.2006 Zeit: 13:30 Uhr schließen wird. Einzelheiten dazu Ort: Heinrich Pesch Haus sollen rechtzeitig bekannt gegeben Frankenthaler Straße 229 werden. 67059 Ludwigshafen Kosten: sind selbst zu tragen, einschließlich Fahrtkosten.

5. GKS auf dem Katholikentag Tagesordnung: 1. Berichte des Vorstandes Am 96. Deutschen Katholikentag 2. Bericht der Kassenprüfer vom 24. bis 28. Mai in SAARBRÜ- 3. Entlastung des Vorstandes CKEN hat die GKS mit einem Stand 4. Sachstand: a) Verlegung Vereinssitz von Bonn nach Berlin teilgenommen. Während der Öffnungs- b) Gemeinnützigkeit zeiten standen durchgehend GKS- 5. Wahlen: Mitglieder als Ansprechpartner zur a) Kassenprüfer 6. Verschiedenes Verfügung. Informations- und Werbe- material der GKS wurde bereitge- stellt, die Stellwand der GKS wies Mitglieder des FGKS, die an der Mitgliederversammlung teilnehmen, melden sich bitte deutlich sichtbar auf unseren Ver- bis Montag, 28. August 2006 band hin. Der Stand der GKS war un- mittelbar neben dem Stand der KAS schriftlich, per Fax (030 – 206 199 91) oder per E-Mail ([email protected]) bei der benachbart, sodass wie in den ver- Geschäftsstelle der GKS, z.H. Bundesgeschäftsführer, Oberst a.D. Dr. Achmann, Am Weidendamm 2, 10117 Berlin. gangenen Jahren eine enge Koopera-

tion möglich wurde. Wegen der Drucklegung dieses Heftes wird über Mit freundlichen Grüßen die Teilnahme im nächsten AUF- gez. der Vorstand des FGKS TRAG berichtet.

6. Ausblick Vorsitzender Oberstleutnant Paul Brochhagen, Hermesdorfer Weg 6, 51580 Reichshof Abschließend noch ein Blick auf Tel.: 02296 - 8883, FAX: 02296 - 999421, E-Mail: [email protected] Stellv. Vorsitzender Oberst a.D. Dipl.-Ing. Karl-Jürgen KLEIN, Poststraße 12, 52477 Alsdorf die Schwerpunkte der kommenden Tel.: 02404 - 6 67 76, Fax: 02404 - 6 47 62, E-Mail: [email protected] Wochen und Monate: Schatzmeister Oberstabsfeldwebel Hubert BERNERS, Mecklenburger Straße 11, 48317 Drensteinfurt Tel.: 02508 - 984639, mobil: 01791314301, E-Mail: [email protected] – Vom 07.-11. Juni 2006 wird in

AUFTRAG 261 79 KIRCHE UNTER SOLDATEN

GKS KÖLN UND K-WAHN: GKS tanzt, singt und lacht in Elkhausen ei Schneefall und Minusgraden hatten sich am B10. Februar 2006, in Elkhausen, etwa 70 Gleichge- sinnte aus 21 Familien eingefunden. Der Vorsitzende des GKS-Kreises Köln, Oberstleutnant Franz Meierhöfer, hat- te in das verschneite Katzwinkel-Elkhausen eingeladen. Zusammen mit der GKS-Kreis Wahn, unter der Füh- rung von Oberstleutnant Albert Hecht, veranstaltete Meierhöfer ein lustiges aber auch geistig forderndes Familienwochenende. Für die Kinder stand natürlich das Schlittenfahren an den verschneiten Hängen im Vordergrund. Die Erwachse- nen hingegen, setzten sich mit dem Mittelalter auseinan- der. Als Referenten konnte Franz Meierhöfer Gerd Schlüter gewinnen, der als Lehrer für katholische Theolo- gie und Geschichte zum Thema „Faszination Mittelalter“ referierte. Die Reise durch das Mittelalter brachte die Zu- hörer vom Frühmittelalter über das Hoch- bis zum Spät- mittelalter. Dabei sorgten vor allem christliche Themen wie Missionierung, Hexenverbrennung und Inquisition für Diskussionsstoff. Am Abend hieß das Thema dann: GKS tanzt, singt und lacht in Elkhausen. Hier wurden ernste Themen nur noch von den Büttenrednern aufgegriffen und humorvoll präsentiert. Entsprechend der Karnevalszeit waren der Saal geschmückt und die Gäste gekleidet. Selbst Prinz, Bauer und Jungfrau wurden auserkoren um gemeinsam mit dem Organisator den Abend zu gestalten. Jung und Alt waren sowohl bei der musikalischen Ge- staltung, bei den Büttenreden und beim Tanzen sehr aktiv und zugleich kreativ. Den Abschluß am Sonntag gestaltete Militärpfarrer Gregor Ottersbach mit einem Gottesdienst in der haus- eigenen Kapelle. So sorgten ernste Themen und ein lusti- ges Beisammensein für einige abwechslungsreiche Tage. Bei bester Stimmung sollen die letzten Gäste erst gegen vier Uhr den Saal verlassen haben. (Walter Fröhler)

Bilder v.o.n.u.: Referent Gerd Schlüter, Oberstleutnant Franz Meierhöfer (r.) führt in das folgende Refarat von Gerd Schlüter (l.) zum Thema „Faszination Mittelalter“ ein. Das Dreigestirn mit „Al Capone“ Franz Meierhöfer Die Herren beim Ententanz Auch die Kinder waren mit dabei und hatten Ihren Spaß an Karneval und Schnee

80 AUFTRAG 261 AUS DER GKS UND DEN STANDORTEN

GKS KÖLN-WAHN: Hecht im Amt bestätigt iedergewählt als Vorsitzender des GKS-Kreises Köln-Wahn wurde WOberstleutnant Albert Hecht bei der Mitgliederversammlung am 27. April 2006. Er konnte alle dreizehn Stimmen der Wahlberechtigten auf sich vereinen. Hauptfeldwebel Dirk Ponzel eröffnete die Versammlung mit einem Rückblick auf die letzten beiden, erfolgreichen Jahre des GKS-Kreises Wahn. Nach Ablegung eines Rechenschaftsberichtes über die Arbeit des Vorstandes, bat Ponzel den anwesenden Standortpfarrer Wahn, Michael Berning, die Versammlung zu leiten. Pfarrer Berning stellte zunächst fest, dass keiner der Anwesenden für den Vorsitz kandidieren wollte. Nachdem Oberstleutnant Hecht bereits im Vorfeld erklärt hatte, für eine Wiederwahl zur Verfügung zu stehen, konnte Hecht in Abwesenheit bei der folgenden Stimmabgabe, alle Wählerstimmen auf sich vereinen. Zu seinem Vertreter wurde, ebenfalls einstimmig, Hauptmann Gerhard Kollmann gewählt. In einem Interview erklärt der aus der Oberpfalz, Bayern, stammende Hecht, „... über das mir entgegengebrachte Vertrauen möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Ich freue mich, auf die kommende Periode, wenngleich der dienstliche Rahmen mir weniger Zeit zugesteht. Dafür habe ich aber Hel- fer, die mir viele Aufgaben abnehmen.“ Weitere Themen bei der Mitgliederversammlung waren die noch im Jahr 2006 anstehenden Veranstaltungen, wie das Familienwochenende im Klaukenhof vom 1. bis 3. September. Hauptfeldwebel Ponzel bat zum Ende der Versammlung alle Anwesenden, sich rege an den bevor- stehenden Aktivitäten zu beteiligen. (Walter J. Fröhler)

Eine runde Sache it dem „Wagen vollgeladen“ machte sich der GKS- MKreis Wahn am sonnigen 6. Mai auf eine Buswall- fahrt nach Maria Laach in der Eifel. Der Vorsitzende, Oberstleutnant Albert Hecht, be- grüßte zu Beginn der Busfahrt neben den Familien den den neuen Militärpfarrer Michael Berning, der die Wall- fahrt begleitete. Hecht ließ die GKS-Aktivitäten der ver- gangenen Monate Revue passieren und erläuterte auch den geplanten Tagesablauf. Die Geschichte der Abtei Ma- ria Laach sowie des Ordensgründers St. Benedikt, brachte Pfarrer Berning anschließend den Familien näher. Um das Jahr 480 im italienischen Nursia geboren, tei wird von einem gewählten Abt geleitet und umfasst lebte St. Benedikt einige Zeit in einer Asketen- heute rund 50 Mönche. Die Tage sind ausgefüllt mit Ar- gemeinschaft. Nach drei Jahren als Einsiedler in der Höh- beiten in der Seelsorge, der Kunst und Wissenschaft, dem le von Subiaco sammelte er Schüler um sich, siedelte mit Gartenbau und in den Werkstätten. seinen Mönchen schließlich nach Montecassino über, wo Im Klostergarten liegt die Nikolaikapelle, die vom er seine berühmte, heute noch gültige Regel vollendete. Klosterfriedhof umgeben ist. Hier finden die Mönche der Inmitten der Vulkaneifel wurde das Kloster Maria Laach Abtei ihre letzte Ruhe. In der Kapelle feierte Pfarrer im Jahre 1093 vom Pfalzgrafen Heinrich II. gegründet. Berning zusammen mit den Wallfahrern einen Gottes- Bis zum Anfang des 18. Jhs. lag das Gedeihen der Abtei dienst, der von der Lesung und Predigt über den guten in den Händen von Mönchen. Während der Französischen Hirten geprägt war. Revolution wurde das Kloster aufgehoben und ging dann Zum Abschluss ihrer Wallfahrt nahm die Gruppe an in den Besitz des Jesuitenordens über. Im Jahre 1892 der Vesper in der Basilika teil. Hier konnte jeder zur schließlich erwarben die Benediktiner die Abtei zurück. Ruhe kommen, in sich gehen und dem Wechselgesang Ganz der Mönchsregel „ora et labora – bete und arbeite“ der Mönche zuhören oder die romanische Kirche auf sich ihres Gründers Benedikt entsprechend ist bis heute ihr wirken lassen. Leben von diesem Leitsatz geprägt. Zu schnell ging dieser Tag dem Ende zu und der Bus Mit diesem Wissen erreichten die GKS-Familien die brachte eine zufriedene und um schöne Eindrücke reicher Abtei, die sich, umgeben vom frischen Grün der hochge- gewordene GKS-Gruppe zurück nach Wahn. Hecht wachsenen Bäume und einem strahlenden Himmel, von brachte es mit seinen Worten auf den Punkt „Eine runde ihrer wohl fotogensten Seite zeigte. Die Benediktiner-Ab- Sache“. (Text: Bärbel Fröhler, Fotos: Walter Fröhler)

AUFTRAG 261 81 KIRCHE UNTER SOLDATEN

GKS-KREIS BAD NEUENAHR-AHRWEILER: GKS feiert Maiandacht auf der Landskrone ie Gemeinschaft Katholischer Soldaten im Standort vom Bürgerhaus durch die blühende Landschaft hoch DBad Neuenahr-Ahrweiler hatte zur Maiandacht eingela- zur Landskrone. Schon von weitem ist die Kapelle den. Am 13. Mai traf man sich in Gimmigen und wanderten „Maria Hilf“ unterhalb des Gipfels in leuchtendem Weiß sichtbar. Vom Platz vor der Kapelle hat man ei- nen weiten Blick auf das Ahrtal und Bad Neuenahr. Nachdem der Vorsitzende des GKS-Kreises, Michael Wilke, den Standortpfarrer im Nebenamt für Bad Neuenahr-Ahrweiler Rudolf Schmitt begrüßt hatte, blickte er zurück auf die Geschichte der Kapelle, die bereits 1212 erwähnt und 1794 nur leicht verändert neu aufgebaut wurde. Pfarrer Schmitt ging in der Andacht auf die viel- fältige Natur und Pflanzen in Gottes Schöpfung ein. So wie jede Pflanze eine Aufgabe habe als Mosaiks- tein der Natur, seien auch wir Menschen unterschied- lich und einzigartig. Nach dem Abschlusslied feierte die GKS vor der Kapelle ein Teile-Fest. Jeder hatte etwas mitgebracht, alle teilten miteinander und konn- ten sich an der Tafel für den Rückweg stärken. (Michael Wilke)

GKS LAGER HAMMELBURG: „GuIG“ begleitet Gottesdienst der Kuratie it einer Mischung aus traditionellen englischen Gospel- nant Franz Herrler, zustande. Und Militärpfarrer und Msongs und deutschsprachigen neuen geistlichen Liedern Kuratus Pater Johannes Strobl OFM freute sich bereicherte die Hammelburger Gesangs- und Instrumen- „GuIG“ erstmalig in der gut besuchten Christkönig- talgruppe „GuIG“ am 2. Fastensonntag den Gottesdienst der kirche begrüßen zu können. katholischen Militärkirchengemeinde des Standortes Ham- In der Freude am gemeinsamen Singen und Glau- melburg und der Kuratie Christkönig. Zudem enthält das Re- ben sieht Stefan Ammersbach die Motivation für die pertoire der 20 Musikerinnen und Musiker starken Gruppe regelmäßige Probenarbeit. Seit Oktober vergangenen Songs mit afrikanischen und orientalischen Einflüssen. Jahres ist er für die musikalische Leitung verantwort- Typischerweise werden Stücke für vierstimmigen Chor mit lich, während sich das Ehepaar Maria und Friedbert Bandbegleitung aufgeführt. Heckmann um die Organisation der Veranstaltungen Der Auftritt der Gruppe kam auf Initiative des Vorsitzen- kümmert. Ihren besonderen Bezug zum Ver- den des GKS-Kreises am Standort Hammelburg, Oberstleut- anstaltungsort, der Christkönig-Kirche, erläuterte Marianne Heckmann in einer kurzen Einführung zu Beginn der Messfeier: Vor über 25 Jahren fand in der Lagerkirche ihre Trauung statt. Dass die Musik bei den Gottesdienstbesuchern ankam, zeigten diese nicht nur mit ihrem abschlie- ßenden Applaus; während der rhythmischen Liedern konnte man eine Vielzahl im Takt mitwippender Füße beobachten. Neben den Liedern zum Mitsingen de- monstrierte ein A-cappella-Quintett das gekonnte Einfühlungsvermögen in die Musik. Über die musikalische Gestaltung von Gottes- diensten hinaus plant „GuIG“ im Herbst auch ein Konzert in der Hammelburger Stadtpfarrkirche St. Jo- hannes. (Text u. Bild: Constantin Deschner)

Die Gruppe „GuIG“:am Keyboard Stefan Ammersbach (musikalischer Leiter), am Saxophon Friedbert Heckmann (verantwortlich für die Organisation der Gruppe).

82 AUFTRAG 261 AUS DER GKS UND DEN STANDORTEN

STANDORT VEITSHÖCHHEIM: Nach rund vier einhalb Stunden Fußmarsch kamen Unterschiedliche Wege zu Gott die Teilnehmer in der idyllisch gelegenen Kirche „Maria im grünen Tal“ bei Retzbach an. „Das Wetter optimal, die Traditionelle Fußwallfahrt nach Retzbach Strecke fantastisch, die Lesungen bedenkenswert und die trahlender Sonnenschein, ein schöner Weg durch die Gespräche anregend“, war das einhellige Fazit der Solda- Sgrünende und blühende Natur und viele gute Gedan- ten und Zivilisten nach fast 20 Kilometer Fußwallfahrt. ken prägten die diesjährige Fußwallfahrt der katholischen Den Abschluss bildete ein Gottesdienst, begleitet vom Militärseelsorge. Der Einladung von Pfarrer Wolfgang Blechbläser-Ensemble des Heeresmusikkorps 12, bevor Bier, sich gemeinsam auf den Weg von der Veitshöch- alle Wallfahrer im Retzbacher Kolpinghaus beim Mittag- heimer Balthasar-Neumann-Kaserne zu der Kirche „Ma- essen ihre wohlverdiente Stärkung genossen. ria im grünen Tal“ bei Retzbach zu machen, waren zahl- (Katharina Demleitner) reiche Soldaten und zivile Gläubige gefolgt. An fünf verschiedenen Stationen machten kurze Le- sungen deutlich, wie der Mensch sein Leben als Weg mit Gott verstehen kann. „Dabei ist entscheidend, dass es un- terschiedliche Wege hin zu Gott gibt, weil jeder aufgrund seiner eigenen Lebenserfahrung auch eine eigene Gottes- erfahrung, ein persönliches Gottesbild hat“, betonte Militärpfarrer Wolfgang Bier. Im Rahmen der Fuß- wallfahrt wollte der Geistliche Anregung dazu geben, über dieses Gottesbild nachzudenken, das sich in einem steten Wandel befindet. „Die Frage ist, in wie weit das aktuelle Gottesbild für den Einzelnen noch stimmig ist, ob er nicht mittlerweile durch seine Erfahrungen, sein Alter, sein Wissensstand schon ein Stück weiter ist“, so Wolfgang Bier. Sinnbildlich für die ständigen Wechsel im Leben wie im Glauben sei die Natur zu sehen, die sich derzeit im Aufbruch befindet. „Zudem ist der Mai der Marienmonat, der Mutter Gottes gewidmet, die „ja“ gesagt hat zu ihrem Kind und damit zu entscheidenden Veränderungen in ih- Bei strahlendem Sonnenschein wallfahrten rund 120 Gläubige mit dem katholischen Standortpfarrer rem Leben“, erklärte der Militärpfarrer. Veitshöchheim, Wolfgang Bier, zur Retzbacher Kirche „Maria im grünen Tal“

Feier des 65. Geburtstages von Militärbischof Dr. Walter Mixa in Augsburg am 25. April 2006 Fahnenabord- nungen der Katholischen Militärseelsorge und der GKS aus dem Stand- ort Dornstadt nahmen am 25. April 2005 am feierlichen Dankgottes- dienst im Augsburger Dom teil.

Auch die Redaktion AUFTRAG entsendet Militärbischof Dr. Walter Mixa nimmt beim Empfang die S.E. Militärbischof Walter Mixa herzliche Grüße Glückwünsche der Soldaten entgegen; v.l.: Oberst Richard ins neue Lebensjahr und wünscht ihm für die weiteren Schmitt, Vorsitzender der ZV, Mitte: OLt Stefan Nüßle, zehn Jahre im Bischofsamt Gottes Segen sowie 3 Joh 2. Vorsitzender GKS-Kreis Dornstadt gratuliert dem Bischof.

AUFTRAG 261 83 KIRCHE UNTER SOLDATEN

GKS-KREIS MÜNCHEN: „Vollkommen sein“ – aber wie? hr sollt also vollkommen sein, wie es euer himmli- GKS-Satzung nicht länger den Vorsitz führen kann, war es „I scher Vater ist.“ (Mt 5,8). – Aber wie gehen wir mit wohl das letzte von ihm geleitete Wochenende. unserer Zeit, mit unseren Talenten, mit uns selbst um, Am Samstag dann jedoch starteten wir in das Vor- wenn wir vollkommen sein wollen? tragswochenende. Wir lernten in der „Lebens-Schule“ Für den GKS-Kreis München stand seit langem fest, verschiedene Theorien kennen: von der Maslow’schen dass dieses allgemein interessierende Thema ein ganzes Bedürfnis-Pyramide, über das philosophische Menschen- Wochenende füllen würde. Deshalb lud der GKS-Vorsit- bild der Griechen und einige psychologische Schritte bis zenden Norbert Rödl zum Familienwochenende vom 22. hin zu unserem Eins-Sein mit Gott: so, wie Christus es bis 24. Februar dazu als kompetenten und vielseitige Re- lehrte, ist die Liebe die Grundlage für die Vollkommen- ferent Johann Bauer, OTL d. Res, ein. Dieser trug nicht heit, auch und vor allem die Liebe zu uns selbst (Du sollst nur durch sein umfangreiches Wissen auf vielen Gebie- deinen Nächsten lieben wie dich selbst!). ten, sondern auch mit seiner interessanten und gewitzten Am Nachmittag fand eine organisierte Führung durch Art zu referieren zum Erfolg dieser Tage bei. Er begann die wunderschöne Wies-Kirche bei Steingaden statt. Sie sein Vortragswochenende mit einer kurzen, aber erhei- ist eines unserer Kleinode, das als Weltkulturerbe jähr- ternden Verabschiedung von Norbert Rödl als Vorsitzen- lich zigtausende Besucher anzieht. den des GKS-Kreises München. Da dieser Ende Novem- Samstagabend dann vergnügten sich alle bei einem ber 2006 in den Ruhestand versetzt wird und deshalb laut bunten Faschingsfest. Die Kinder hatten unter der Leitung des Teams Christina, Steffi und Johann Jr. Bauer den Raum der Bierstube faschingsmäßig aufgeputzt. Die Meisten kamen lustig verkleidet und trugen zur Erheite- rung der Allgemeinheit auch je einen passenden Sketch vor. Ehepaar Rödl war der Motor der guten Laune: Mit Gi- tarre und vielen witzigen Gedichten, Sketchen und Lie- dern brachten sie uns alle immer wieder zum Lachen. Sonntag wurde beim Feedback nach dem Gottesdienst in der einmaligen Wieskirche das Thema des Wochenen- des von den Teilnehmern und dem Referenten nochmals zusammengefasst; anschließend wurde Herr Rödl, da die- ses sein letztes Wochenende sich dem Schluss näherte, von Herrn Merz stellstellvertretend für den GKS-Kreis München mit Lob und Dank verabschiedet. Ein gutes Mit- tagessen rundete alles ab und entließ die Teilnehmer zu- frieden nach Hause. (Text: Astrid Merz-Fronius Bild: Otto Waldenmaier)

NEUER BAS-VORSITZENDER: Staatssekretär a.D. Klaus-Günther Biederbick an der Spitze der Soldatenbetreuung er ehemalige Staatssekretär im BMVg, Klaus-Günther Biederbick, Dwurde vom Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft für Solda- tenbetreuung e.V. (BAS) am 30. Mai zum neuen Vorstandsvorsitzenden gewählt. Er tritt damit die Nachfolge von Dr. jur. Lothar Weber an, der das Amt seit 1997 inne hatte. Der neue Vorsitzende will die BAS als Dachverband der in der Soldatenbetreuung engagierten Institutionen zu einer Plattform für Familienarbeit in den Streitkräften ausbauen. Das Wohl der Familien kennzeichnete er im Zusammenhang mit der Fürsorge im Einsatz als die wesentlichen Herausforderungen für die Bundeswehr in Betreu- ungsfragen. Der BAS gehören neben den beiden kirchlichen Organisationen, Evangelische und Katholische Arbeitsgemeinschaft für Soldaten- betreuung, der Reservistenverband, der Deutsche Bundeswehrverband sowie der Caritasverband Koblenz an. Ebenfalls am 30. Mai wurde durch den BAS-Vorstand die Aufnahme des Bundeswehrsozialwerkes als nunmehr sechste Mitgliedsorganisation beschlossen. (KAS)

84 AUFTRAG 261 Buchbesprechungen

Zeitgeschichte ter Not geistige Kraft geschöpft und auch ein chenden Front Vermächtnis für die Soldaten der Bundes- und in der Hei- Karl-Theodor Schleicher / Heinrich wehr hinterlassen.“ mat. Walle (Hg.): „Aus Feldpostbriefen jun- Der in der Militärseelsorge durch seine Vorangestellt ger Christen 1939-1945. Abhandlung „Katholische Christen in der sind den Be- Ein Beitrag zur Geschichte der Katholi- Bundeswehr“ (Köln 1987) bekannte Histori- richten ein Orts- schen Jugend im Felde.“ Historische ker Fregattenkapitän a.D. Dr. Heinrich Walle register und eine Mitteilungen im Auftrag der Ranke- hat der Sammlung eine umfangreiche Ein- Chronologie der Gesellschaft Band 60; Franz Steiner führung vorangestellt und kommentiert die Jahre 1943, als Verlag 2005. 413 S. mit zahlr. s/w Abb. von Oberst a.D. Karl-Theodor Schleicher aus sich das Kriegs- dem Bestand verschiedener Archive zusam- ende schon an- Diesem Buch mengestellten Feldpostbriefe aus historisch- kündigte, bis mit mehr als theologischer Sicht. Walle untersucht sowohl 1945, als mit 300 Korrespon- die Wehrmotivation katholischer Wehr- dem Beginn der denzen aus dem machtssoldaten als auch die Frage, ob diese „Nürnberger 2. Weltkrieg hat Briefe als Dokumente eines Widerstandes Prozesse“ die der Katholische gegen das NS-Regime zu werten sind. „Aus Frage nach der Verantwortung führender Na- Militärbischof der gleichen geistigen Einstellung, wie sie in tionalsozialisten gestellt wurde. „Greifbare für die Bundes- den Briefen deutlich wird,“ folgert Walle in Geschichtserzählung von ihrer besten Sei- wehr, Dr. Walter der Einführung in die Dokumentation, „ ha- te“, schreibt dazu die Kölnische Rundschau, Mixa, ein Vor- ben die Gründer von KOK/GKS aus der leid- „wer einmal anfängt zu lesen, hört so schnell wort vorange- vollen Erfahrung eines Missbrauchs soldati- nicht mehr auf.“ stellt, das die scher Tugenden während ihres Einsatzes im Zielsetzung Zweiten Weltkrieg zu einer geistigen Neu- Sonja Ackermann: „Christliche Frauen dieser in ihrer bestimmung des Militärdienstes für deut- in der DDR. Alltagsdokumente einer Geschlossenheit sche Soldaten gefunden. Diese Neubestim- Diktatur in Interviews“. Hrsg. vom bemerkenswer- mung und ihr Selbstverständnis hat die Ge- Bund katholischer deutscher Akademi- ten Briefsammlung herausstellt. Er schreibt: meinschaft Katholischer Soldaten (GKS) kerinnen (BkdA). Evangelische Verlags- „Die hier vorgelegte Dokumentation von erst im Mai 2006 wieder in einem Faltblatt anstalt, Leipzig 2005. Paperback, 376 S. Feldpostbriefen katholischer Wehrmachtsol- neu definiert, das in diesem AUFTRAG auf Wie sah der daten – alles Angehörige damals verbotener den Seiten 6-7 abgedruckt ist. Alltag christli- Jugendverbände – legt ein erschütterndes Nicht nur für Soldaten, die sich Gedan- cher Frauen in Zeugnis darüber ab, wie sich diese jungen ken um die ethische Fundierung ihres Beru- der DDR aus? Männer nach einem Wort von Dr. Alfred fes wie auch um ihre Verantwortung vor Gott Welche Repres- Delp SJ geweigert haben, ‘... das Dogma von und ihrem eigenen Gewissen machen, kann salien mussten der Dreieinigkeit von NSDAP – Drittes dieses Buch Mahnung und Verpflichtung sie erdulden? Reich –Deutsches Volk’ anzuerkennen. sein. Es ist vor allem auch durch seine subti- Wie schafften All diese Briefe zeigen aber auch, dass le wissenschaftliche Kommentierung eine sie den Spagat diese Männer ihren Wehrdienst zutiefst aus wichtige Quelle zur Katholizismus-, aber zwischen inne- christlicher Motivation geleistet haben. auch zur Geistes- und Gesellschaftsge- rer Überzeu- Auch hier ist der Widerstandskämpfer schichte. (PS) gung und den Alfred Delp ein unverdächtiger Zeuge, wenn Anforderungen er 1940 in einem Aufsatz diese Pflicht für Jürgen Kleindienst (Hg.): „Der Traum von Staat und das Vaterland theologisch-naturrechtlich ist aus. Jugend im Zusammenbruch Gesellschaft? aus dem 4. Gebot ableitet, jedoch die Loyali- 1944-1945“. Zeitgut Verlag 2005, Band Die Studie tät zu der geschichtlich gewachsenen Staats- 20, 343 Seiten, zahlr. s/w Abb. der Historikerin führung hinterfragt. In 31 Geschichten und Berichten kom- Sonja Ackermann, herausgegeben im Auftrag Wie die Briefe immer wieder zeigen, men in dem Buch Zeitzeugen zu Wort, die des Bundes katholischer deutscher Akade- haben ihre Schreiber sich bei allem Patrio- diese Zeit miterlebt haben. So wird ein mikerinnen (BkdA), beruht auf 97 Interviews tismus in keiner Weise mit den verbrecheri- Alltags(geschichts)bild gezeichnet, wie es in mit christlichen Frauen der Jahrgängen 1909 schen Zielen dieses Krieges identifiziert. herkömmlichen Geschichtsbüchern nicht zu bis 1973, die in der DDR gelebt haben. Statt dessen wollten sie ihr Vaterland vertei- finden ist. Es kommt das in den Blick, was Christinnen in der DDR mussten in ver- digen. Damit setzten sie sich ganz in Gegen- angesichts riesiger Zahlen an Toten und ei- schiedenen Lebenssituationen abwägen, wie satz zur NS-Propaganda. nes ungeheuren Ausmaßes an Zerstörung sie ihre religiöse Identität gegenüber dem Aus diesen leidvollen Erfahrungen des sonst nicht fassbar wäre: Das Leben einfa- sozialistischen Staat wahren konnten. Missbrauches soldatischer Tugenden durch cher, am Krieg unschuldiger junger Men- Bereits in Kindheit und Jugend hatten die das NS-Regime brachte die spätere „Gemein- schen, die als letztes Aufgebot sinnlos ver- Familien weitreichende Entscheidungen zu schaft Katholischer Soldaten“ die Neube- heizt wurden und dabei einen Teil ihrer treffen. Soll ein Mädchen in die Jungen Pio- stimmung der Friedensethik durch das II. schönsten Jahre verloren. niere oder die FDJ eintreten? Soll es die Vatikanische Konzil in die geistige Neuaus- „Erlöst und vernichtet in einem“ seien Jugendweihe ablegen? Die Verweigerung richtung der Bundeswehr ein. Auch wenn die Deutschen 1945 gewesen, sagte Theodor dieser staatlichen Forderungen konnte leicht die Wehrmacht des nationalsozialistischen Heuss einige Jahre später. Die meisten jun- zu Nachteilen in der Schule führen. Schüler- Staates zu Recht als nicht traditionswürdig gen Deutschen, zwischen 1926 und 1935 innen wurden ausgegrenzt, ihre Chancen für unsere Bundeswehr betrachtet wird, so geboren, empfanden das Kriegsende eher als zum Besuch einer Oberschule oder Hoch- zeigen die Zeugnisse gläubiger Soldaten der eine totale Niederlage, sich selbst als die schule verschlechterten sich. Auch später Kriegszeit doch, welche moralischen und Verlierer. Sie kannten kaum anderes als den im Berufsleben erwies sich ein christliches charakterlichen Kräfte auch für die Bundes- Nationalsozialismus und seine Parolen. Ver- Bekenntnis oft als Karrierehindernis. Am wehr unverzichtbar sind. führt und gedrillt, glaubten die meisten von Arbeitsplatz drohten darüber hinaus Bespit- Den beiden Autoren, die diese Glau- ihnen bis zuletzt an den „Führer“ und daran, zelungen und Anfeindungen. benszeugnisse gesammelt und erläutert ha- dass er große Hoffnungen in sie setzte. Die Studie umfasst nach einer Einlei- ben, gelten mein Dank und meine Anerken- Für einen Gang durch das vom Krieg tung, in der die Methode und die Aussage- nung. Die in diesen Briefen bewiesenen reli- gezeichnete Deutschland bietet das Buch kraft der Untersuchung erläutert werden, die giösen Überzeugungen sind zeitlos gültig. eine Menge an Details und damit eine neue Abschnitte mit den Themenkapiteln Daraus haben die Briefschreiber in schwers- Sicht auf den Alltag an der zusammenbre- Fortsetzung auf Seite 86 AUFTRAG 262 85 Buchbesprechungen

Fortsetzung von Seite 85 • Die Fundamente der eigenen Position Gesellschaft – Politische Einstellung der Eltern im Nationalsozialismus Lioba Speer (Hg.): „Was ist Gerechtig- – Politische Grundsätze im Elternhaus keit?“ Reihe: Hundert Worte im Verlag – Religiöse Erziehung im Elternhaus Neue Stadt, München 2006, kartoniert, – Erfahrungen in der Gemeindekate- 112 Seiten. chese Was ist Gerechtigkeit? Ein abstraktes • Begegnungen mit dem Sozialismus in Prinzip oder etwas hautnah Erfahrbares? Ein der Jugend subjektives Empfinden oder ein elementarer – Christliche Mädchen an der POS Grundwert in unserer Gesellschaft? Ein (Polytechnische Oberschule) schöner Gedanke ohne jede Wirkung oder – Pionierorganisationen und FDJ eine kraftvoll bewegende Vision? – Jugendweihe Dieses Buch bietet einen repräsentati- – Christliche Mädchen an der Erwei- ven Querschnitt aus vielfältigen Antworten: terten Oberschule (EOS) – Was denkt man/frau über • Begegnung mit dem Sozialismus im „Gerechtigkeit“? Erwachsenenalter – Welche Aspekte sind zu bedenken? – Berufsleben – Was bedeutet das für einen persönlich? – Elternperspektive „100 Worte Gerechtigkeit“ ist eine Inter- – Wahlen und Wahlverweigerung netaktion zum Leitwort des 96. Dt. Katholi- – Begleitung von Wehrdienstver- kentags in Saarbrücken (24. bis 28. Mai) weigerern und Bausoldaten und hat viele Gedanken und Bemerkungen • Schlussbetrachtung zum Selbstverständ- zum Gerechtigkeitsbegriff hervorgebracht. nis von Christinnen in der DDR Einhundert dieser Forums-Einträge sind als Jedes Kapitel enthält nach den wörtlichen Sammlung in diesem Buch erschienen. Äußerungen der Interviewpartnerinnen eine Herausgeberin ist Lioba Speer, Pro- Zusammenfassung und Auswertung. Bei aller grammreferentin im Generalsekretariat des Subjektivität der Erinnerungen ergibt sich so ZdK. Darin äußern sich etwa Bischof Franz- ein subtiles Bild vom Leben in der DDR. Auf Josef Bode, Jean-Claude Juncker, Altabt Odilo teils beklemmende Weise kommt zum Aus- Lechner, Angela Merkel, Michael Sommer, druck, mit welchen Belastungen man im Alltag Pierre Stutz, Bischof Reinhard Marx und zu kämpfen hatten. Gleichermaßen wird deut- viele andere Prominente. lich, wie mit Zivilcourage und Humor auch Auch weiterhin ist der Eintrag in das Freiräume erkämpft werden konnten. Internet-Forum möglich unter Die Autorin Sonja Ackermann (Jg. 1966) ist promovierte Historikerin (Alte Geschichte). www.katholikentag.de/100-worte-gerechtigkeitGerechtigkeitvorGottesAngesicht

Autoren (soweit keine Angaben beim Beitrag) Achmann, Dr. Klaus rischen Forschungsamt der Bundeswehr Rauch, Dr. phil. Andreas Martin Oberst a.D., Bundesgeschäftsführer der Potsdam; Mitglied im Bundesvorstand Prof. eh. mit Lehrauftrag an der Univer- GKS, Vertreter der GKS in der deut- und Pressesprecher der GKS. sität Bonn. schen Kommission Justitia et Pax. Holzmüller, Ingrid Roth, Dr. Paul Böhler, Volker W. Leiterin eines Ehe- und Familienzen- em. Prof. für Politikwissenschaft an der Oberst a.D.; bis 1999 Mitglied im Vor- trums in der Diözese Voralberg/Öster- Universität der Bundeswehr München. stand der Zentralen Versammlung; reich. Schnarrer, Prof. Dr. phil. et Dr. von 1992-1995 Leiter eines Militäratta- Kilian, Dieter ché-Stabes für die Länder Syrien, den theol. Johannes Michael Libanon und Jordanien. Oberst a.D., ehem. Militärattaché in freier Wissenschaftler, Wien, Islamabad/Pakistan und in Riyad/ E-Mail: [email protected] Dorndorf, Heinrich Saudi-Arabien. Hauptmann a.D., Geschäftsführer der Wassermann, Vera Liebetanz, Klaus GKS im Bereich Rheinland-Pfalz, Hes- Referentin für Familie und Umwelt und sen und Saarland, Beauftragter der GKS Major a.D., Verden/Aller; Berater für Technik im Generalsekretariat des ZdK. für RENOVABIS. humanitäre Hilfe im Ausland; Mitglied Beitrag aus: SALZkörner, 27. April im GKS-Sachausschuss „Sicherheit und Geldmacher, Frank Frieden“. 2006. Jg. 1979 ist Student der Politischen Wissenschaften, der Neueren Germanis- Nüßle, Stefan Foto-/Grafiknachweis: tik und der Erziehungswissenschaften Oberleutnant und Vorsitzender des Archiv (2), ak (1), Dorndorf (1), an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms- GKS-Kreises Dornstadt. Demleitner (1), Deschner (1), Universität Bonn. Oberhem, Harald Fröhler (7), GKMD (6), Internet (3), Görlich, Joachim Georg KAS (1), KMBA (7), Liebetanz (7), LtdDir.i.KirchenDst, Mitarbeiter im Maurer (2), Nüssle (10), Schulz (5), Magister, freier Journalist, Schwerpunkt Stab des Beauftragten des Generalins- Verlage (7), Waldmaier (1), Wilke (1). mittel- und osteurop. Gesellschaften. pekteurs für Erziehung und Ausbildung in der Bundeswehr; freier Mitarbeiter Heinemann, Dr. Winfried des Instituts Theologie und Frieden Oberst, Referatsleiter im Militärhisto- (IThF) Hamburg.

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Allgemeine Termine BV/EA GKS und Vorst ZV 30.06.-09.07. Jakobuswallfahrt in Spanien 22.-25.06. BV in Bamberg mit Verabschiedung ehem. 06.07. Politikergespräch mit MdB Bernd Siebert, Geistlicher Beirat MD Georg Kestel CDU im KMBA Berlin 21.08. EA-Sitzung in Bonn 29.07.-05.08. Jugendfreizeit mit AKS in Österreich 21.09. BS während der BuKonf, Ludwigshafen 08.08. Weltfriedenstag, Augsburg 11.11. Vorstand ZV im KMBA Berlin 12.-13.08. Internat. Gottesdienst zur Hanse-Sail in 13.11. EA-Sitzung in Bonn Rostock 14.08.-01.09. Friedensethische Sommerakademie im IThF, Hamburg GKS-Sachausschüsse 07.09. Sitzung Verwaltungsrat Soldatenseelsorge SA „Innere Führung“ im Albertinum, Bonn: 18.-23.09. 46. Woche der Begegnung, Ludwigshafen 11.09., 27.11. 16.09. – 18.09. Vorkonferenz SA „Sicherheit und Frieden“ im Albertinum, Bonn: 17.11. in Bonn 18.09. – 21.09. ZV Internat. Sachausschuss 20.09. – 23.09. BuKonf GKS 18.-20.08., 01.-03.12 in Berlin 25.-29.09 Generalversammlung AMI in Kenia 23.-27.10. 51. Gesamtkonferenz der kath. Militärseelsorger, Freising Vorschau 2007-2010 25.-29.10. II. Seminar 3. Lebensphase, Nürnberg 11.01.07 Int. Soldatengottesdienst in Köln 24.-25.11. Vollversammlung ZdK 26.01.07 J-Empfang MGV für Vorst ZV u. EA 27.-28.10 Tagung Justia et Pax in Berlin 27.01.07 Vorstandssitzungen ZV und EA Berlin 09.11. Politikergespräch mit BMVg Dr. Franz Josef 22.-24.02.07 Tagung Justita et Pax, SA Mission-Ent- Jung im KMBA Berlin wicklung-Frieden in Speyer 27.11. Sitzung Verwaltungsrat Soldatenseelsorge 30.-31.03.07 Tagung Justia et Pax in Bonn/Köln 25.-29.04.07 Seminar 3. Lebensphase, Nürnberg 04.-05.05.07 Vollversammlung ZdK Bereichskonferenzen/Arbeitskonferenzen/ 06-10.06.07 Seminar 3. Lebensphase Cloppenburg Familienwochenenden 06.-10.06.07 31. Dt. Ev. Kirchentag in Köln GKS Nord/Küste 13.06.-19.06.07 49. Lourdes-Wallfahrt 29.09.-01.10. AK 2/06, Parchim 15.-17.06.07 AK NRW in Mühlheim GKS Niedersachsen-Bremen 15.-17.09.07 Vorkonferenz zur Woche der Begegnung 03.-05.11. AK II/06, Cloppenburg-Stapelfeld in Augsburg-Leitershofen 17.09.-22.09.07 Woche der Begegnung in Augsburg- GKS Nordrhein-Westfalen Leitershoven 11.-13.08. BK in Kirchhundem-Rahrbach 30.09.-05.10.07 GKS-NRW: Familienwerkwoche, 25.-27.08. AK II/06, Günne/Möhnesee Kirchhundem-Rahrbach 08.-13.10. Familienwerkwochenende, Travemünde 22.-26.10.07 52. Gesamtkonferenz GKS Rhld-Pfalz/Hessen/Saarland 24.-28.10.07 Seminar 3. Lebensphase Nürnberg 24.-26.11. BK, Kloster Maria Engelport 26.-27.10.07 Hersttagung Justia et Pax in Berlin 10.11.07 Vorstandssitzung ZV in Berlin GKS Bayern und Baden-Württemberg 23.-24.1107 Vollversammlung ZdK 28.-30.07. BK Kloster Weltenburg 30.11.-02.12.07 Seminar für Funktionsträger der GKS in 20.-22.10. AK 2/06, Beilngries der Wolfsburg in Mühlheim GKS Bereich Ost 21.05.-21.05.08 50. Lourdes-Wallfahrt 03-05.11. AK 2/06, Schmochtitz 21.-25.05 97. Dt. Katholikentag, Osnabrück 13.05.-19.05.09 51. Lourdes-Wallfahrt 15.-20.07.08 Weltjugendtag in Sydney 12.-16.05.10 2. Ökumenischer Kirchentag, München

VERWENDETE ABKÜRZUNGEN: AGKOD – Arbeitsgemeinschaft Katholischer Organisationen Deutschlands, AK KLMD – Arbeitskon- ferenz beim Katholischen Leitenden Militärdekan in ..., AMI – Apostolat Militaire International, BK – Konferenz der GKS im Be- reich ..., BuKonf – Bundeskonferenz, BV GKS – Bundesvorstand der GKS, EA – Exekutivausschuss, GKMD – Gemeinschaft der katholischen Männer Deutschlands, IS – Internationaler Sachausschuss, MGV – Militärgeneralvikar, SA InFü – Sachausschuss „Innere Führung“, SA S+F – Sachausschuss „Sicherheit und Frieden“, SA KI – Sachausschuss „Konzeption und Information“, WB – Wehrbereich, WdB – Woche der Begegnung, ZV – Zentrale Versammlung, VV ZdK – Vollversammlung des Zentralkomi- tees der deutschen Katholiken

AUFTRAG 262 87 Impressum Das Kreuz der GKS AUFTRAG ist das Organ der GEMEINSCHAFT Das »Kreuz der GKS« ist das Symbol KATHOLISCHER SOLDATEN (GKS) und der Gemeinschaft Katholischer Soldaten. erscheint viermal jährlich. Vier Kreise als Symbol für die GKS-Kreise Hrsg.: GKS, Am Weidendamm 2, an der Basis formen in einem größeren 10117 Berlin Kreis, der wiederum die Gemeinschaft www.katholische-soldaten.de versinnbildlicht, ein Kreuz, unter dem Redaktion: verantwortl. Redakteur Paul Schulz (PS), Oberstleutnant a.D., Satz und Layout; sich katholische Soldaten versammeln. Klaus Brandt (bt), Oberstleutnant a.D., Redakteur; Helmut Fettweis (HF), Oberst a.D., Redakteur e.h. Zuschriften: Redaktion AUFTRAG c/o Paul Schulz, Kaufhausstr. 1 21335 Lüneburg, Tel/Fax: 04131–...... , e-Mail: [email protected] Für unverlangte Einsendungen wird keine Haftung übernommen. Namensartikel werden allein vom Verfasser verantwortet. Nicht immer sind bei Nachdrucken die Der Königsteiner Engel Inhaber von Rechten feststellbar oder erreichbar. In solchen Ausnahmefällen Der »siebte Engel mit der siebten Posaune« verpflichtet sich der Herausgeber, nach- (Offb 11,15–19) ist der Bote der Hoffnung, träglich geltend gemachte rechtmäßige der die uneingeschränkte Herrschaft Gottes Ansprüche nach den üblichen Honorarsätzen zu vergüten. ankündigt. Dieser apokalyptische Engel am Druck: Köllen Druck & Verlag GmbH, Haus der Begegnung in Königstein/Ts., dem Ernst-Robert-Curtius-Str. 14, 53117 Bonn. Gründungsort des Königsteiner Offizier- Überweisungen und Spenden an: Förderkreis der GKS (FGKS e.V.), kreises (KOK), ist heute noch das Tradi- Pax Bank eG Aachen, tionszeichen der GKS, das die katholische BLZ: 391 601 91, Konto-Nr.: 1009439010. Laienarbeit in der Militärseelsorge seit mehr Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit als 40 Jahren begleitet. Genehmigung der Redaktion und mit Quellenangabe. Nachbestellung gegen eine Schutzgebühr von EUR 5,- an den ausliefernden Köllen Verlag.

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