Reinheit Als Differenz Identität Und Alterität in Max Frischs Frühem Erzählwerk Schmid • Reinheit Als Differenz
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Lukas Schmid Reinheit als Differenz Identität und Alterität in Max Frischs frühem Erzählwerk Schmid • Reinheit als Differenz Lukas Schmid Reinheit als Differenz Identität und Alterität in Max Frischs frühem Erzählwerk Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung im Rahmen des Pilotprojekts OAPEN-CH. Weitere Informationen zum Verlagsprogramm: www.chronos-verlag.ch © 2016 Chronos Verlag, Zürich ISBN 978-3-0340-1364-2 Meinen Eltern 7 Dank Das vorliegende Buch ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die 2015 von der Philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern an- genommen wurde. Die Studie entstand in einem größtenteils vom Schweizerischen National- fonds finanzierten Forschungsprojekt mit dem Titel Identitätskonstruktionen in Max Frischs Erzählwerk. Dem Leiter dieses Projekts, Yahya Elsaghe, danke ich für die Betreuung meiner Dissertation und die wertvolle Kritik. Danken möchte ich außerdem Matthias N. Lorenz für seine Bereitschaft, sich einge- hend mit der Thematik auseinanderzusetzen; der bisherigen Leiterin des Max Frisch- Archivs, Margit Unser, für die optimale Unterstützung bei meinen Re- cherchen; Hanspeter Affolter und Melanie Rohner sowie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Kandidatenkolloquiums von Yahya Elsaghe für ihre ge- nauen Lektüren des Manuskripts; Stefan Schröter und Norbert D. Wernicke für die kritische Durchsicht einzelner Kapitel; Walter Bossard und den Ver- antwortlichen des Chronos Verlags für die kompetente Betreuung der Druck- legung; dem Schweizerischen Nationalfonds für die Finanzierung meiner Dis- sertation und die Übernahme der Druckkosten. Zwei Personen haben besonders viel zum Gelingen des ganzen Projekts beigetragen, ihnen gebührt mein ganz spezieller Dank. Thomas Richter stand mir unermüdlich mit fachlichem Rat und praktischer Hilfe zur Seite und be- gleitete das Projekt mit freundschaftlicher Anteilnahme. Regula Graf danke ich für die akribische, wiederholte Durchsicht des Manuskripts und ihre unzähli- gen weiteren Hilfestellungen, vor allem aber für ihre unendliche Geduld, mit der sie den Zumutungen eines solchen Projekts begegnete. 9 Inhalt Dank 7 Einleitung 11 1 Frischs Verleugnung des Frühwerks am Beispiel von Jürg Reinhart, Antwort aus der Stille und Vorbild Huber 11 2 Situierung der Studie innerhalb der Forschung zum Frühwerk Max Frischs 24 3 Fragestellung, Theorie und Methode 29 4 Überblick über die Gliederung der Studie 38 I Antwort aus der Stille (1937) 45 1 Zur Neuausgabe und Rezeption der Erzählung 45 2 Alpen, Alpinismus und nationale Identität 54 2.1 Schweizer Alpenmythos und Topographie des Handlungsortes 54 2.2 Bergsteigen im Schweizer «Nationalmonument» 69 3 Alpinismus und Männlichkeit 76 3.1 Leutholds «männliche Tat» 76 3.2 Bergsteigen als Initiationsritual, als Arbeit und Kampf 83 4 Alpinismus als Askese und Religionsersatz 96 4.1 Exkurs: Die Profanierung der Alpen und Entheroisierung des Alpinismus in Frischs späteren Erzähltexten 113 5 Frauen am Berg 119 5.1 Barbara und Irene: ‹Heilige› und ‹Hure› 119 5.2 Irene und die «tapferen Käfer»: Zum sozialdarwinistischen Subtext 133 II Jürg Reinhart (1934) 137 1 Zur Entstehungs- und Publikationsgeschichte der beiden Jürg-Reinhart-Romane 137 2 Jürgs ‹Swissness› 151 3 Jürgs «männliche Tat» und die adligen Damen 160 10 4 Der Orient des Stambuler Basars 177 4.1 «Drecktürke[n]» und ein spanisches «Jüdlein» 177 4.2 Frischs «Stambul»-Kapitel im Vergleich mit Karl Mays Von Bagdad nach Stambul (1888) 189 4.3 Vom orientalisierten Stambul in Jürg Reinhart zur griechischen Hirtenidylle in J’adore ce qui me brûle 194 5 Der Balkan: «frauenverachtende[ ] Balkanmenschen» und edle norddeutsche Adelige 199 6 Die Slawen 213 6.1 Doktor Svilos und Doktor Heller 213 6.2 Der Slawendiskurs in Jürg Reinhart 227 6.2.1 ‹Untergang des Abendlandes› und ‹Aufgang des Ostens› 237 6.2.2 Slawische ‹Tiefherzigkeit›: Konfessionelle Ressentiments und Jürgs Vorliebe für slawische Volksmusik 247 III J’adore ce qui me brûle oder Die Schwierigen (1943) 257 1 Yvonne – Frischs erste emanzipierte Frauenfigur? 257 2 Yvonne als Turandot oder das «Heimweh» der Frau «nach der Gewalt» des Mannes 283 3 «Fragen der Herkunft» und die ‹feinen Unterschiede› des Bürgertums 295 4 «Verkettung[en] des Blutes»: Zum sozialdarwinistischen und eugenischen Gedankengut 317 4.1 «[D]ie Gesunden, die Erhalter des Lebens» 317 4.2 Alkoholismus und Degeneration: Spuren von Frischs Naturalismusrezeption (Gerhart Hauptmann und Henrik Ibsen) 331 4.3 Die ‹Selbstauslöschung› des ‹Halblings› Reinhart 338 Zusammenfassung 345 Bibliographie 357 Max Frisch 357 Quellenliteratur 359 Sekundärliteratur 364 Lexika 382 Filme 384 Register 385 11 Einleitung 1 Frischs Verleugnung des Frühwerks am Beispiel von Jürg Reinhart, Antwort aus der Stille und Vorbild Huber Max Frisch hat seine ersten Werke schon früh verworfen. Das wichtigste Zeug- nis hierfür ist eine oft zitierte Stelle aus dem «Autobiographie»-Kapitel seines Tagebuchs 1946–1949 (1950), an der das Tagebuch-Ich berichtet, wie es wäh- rend des Architekturstudiums einmal «alles Geschriebene zusammengeschnürt, inbegriffen die Tagebücher, und alles dem Feuer übergeben» habe.1 Diese auto- biographisch offenbar verbürgte Manuskriptverbrennung2 fand vermutlich im Spätherbst 1937 statt, also kurz nach der Veröffentlichung von Frischs zweitem Buch, Antwort aus der Stille. Eine Erzählung aus den Bergen (1937).3 Wie un- zufrieden der Autor mit dieser Publikation war, lässt sich schon daran ermes- sen, dass er sie in der «Autobiographie» bei der Rekapitulation seiner bisheri- gen Arbeiten als Einzige verschweigt. Zwar erwähnt er dort sein Erstlingswerk Jürg Reinhart. Eine sommerliche Schicksalsfahrt (1934), distanziert sich aber auch davon. Er bezeichnet es als einen «allzu jugendliche[n] Roman» und führt, anders wiederum als bei den übrigen Werken, den Titel nicht namentlich auf.4 Mit dem zunehmenden internationalen Erfolg, der Frisch seit seinen Bestsellerromanen Stiller (1954) und Homo faber (1957) beschieden war, stieg das Interesse am Autor und seiner schriftstellerischen Entwicklung rapide an. Auch die literarischen Anfänge gerieten so gelegentlich in den Fokus. Dabei fällt auf, dass es Frisch offenbar nicht störte, wenn die Öffentlichkeit den Be- ginn seiner schriftstellerischen Karriere nicht mit seinen beiden ersten Werken in Verbindung brachte. Einige Beispiele, die dies belegen, werden hier einlei- tend vorgestellt. Sie geben einen Eindruck davon, wie der Autor die Rezeption seines Frühwerks beeinflusste. Anschließend wird der Frage nachgegangen, weshalb solche Eingriffe in der Frisch-Forschung bisher nur sehr vereinzelt registriert oder teils ganz übersehen worden sind. 1 Zitiert wird im Folgenden, wenn nicht anders angegeben, nach Max Frisch, Gesammelte Werke in zeitlicher Folge, hg. von Hans Mayer, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1998, hier Bd. 2, S. 588 (GW II, S. 588). 2 Vgl. Julian Schütt, Max Frisch. Biographie eines Aufstiegs. 1911–1954, Berlin: Suhrkamp, 2011, S. 224. 3 Max Frisch, Antwort aus der Stille. Eine Erzählung aus den Bergen. Mit einem Nachwort von Peter von Matt, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2009. 4 GW II, S. 587. 12 Horst Bienek bezeichnet in der Einleitung zu seinem 1961 mit Max Frisch geführten Werkstattgespräch die Blätter aus dem Brotsack (1940) als das «erste[ ] Buch» seines Gesprächspartners.5 Dasselbe konstatiert er im eigent- lichen Interview, als er «erst einmal bei der Prosa» bleiben möchte, mit der Frisch als Schriftsteller «ja begonnen habe[ ]». Dabei spricht er eine bemerkens- werte Kontinuität in Frischs Prosawerk an: Ihre erste Veröffentlichung waren ‹Tagebuchblätter [sic] aus dem Brotsack›. Das große ‹Tagebuch 1946–49› [sic] machte Sie dann eigentlich richtig bekannt. Auch ‹Stiller› ist eine Tagebuch-Aufzeichnung. Woher kommt Ihre Vorliebe für das Tagebuch?6 Der so Befragte hätte nun die Gelegenheit gehabt, seinen schlecht informier- ten Interviewer zunächst einmal auf immerhin zwei Prosawerke hinzuweisen, deren Publikation den Blättern aus dem Brotsack (1940) vorangegangen war. Stattdessen bestätigt er Bienek: «[D]ie Tagebuchform ist eigentümlich für den Verfasser meines Namens, Sie haben recht […].» Er korrigiert seinen Intervie- wer dann aber doch noch, indem er auch Homo faber, «vorgelegt als Tagebuch eines Moribunden», in die Reihe seiner literarischen Tagebücher aufgenommen wissen will.7 Bereits ein Jahr zuvor, in seinem Aufsatz Die Schweiz ist ein Land ohne Utopie (1960), lässt Frisch mit den «Tagebüchern» eine chronologische Auf- zählung seiner Werke beginnen, welche seine «jahrelang[e]» Beschäftigung mit der Schweiz bezeugen soll, ohne die für dieses Thema durchaus relevan- ten Texte Jürg Reinhart (1934), Antwort aus der Stille (1937) und J’adore ce qui me brûle oder Die Schwierigen (1943) zu erwähnen.8 Gerade sein zweiter Reinhart-Roman hätte hinsichtlich der Fragestellung – «Die Problematik des Schweizer Schriftstellers, des Schriftstellers in der Schweiz?»9 – fast zwangs- läufig in dieser Reihe aufgeführt werden müssen. Schließlich geht es doch in J’adore zunächst und vor allem um das tragische Scheitern eines Schweizer Künstlers, der als Außenseiter in der ‹utopielosen› Enge seines Heimatlandes keine Lebensperspektive mehr findet und sich das Leben nimmt. Das Fehlen dieses Titels ist umso erstaunlicher, als er im Gegensatz zu den beiden anderen, von Frisch konsequent verschwiegenen Büchern keine drei Jahre zuvor (1957) 5 Horst Bienek, [Interview mit] Max Frisch, in: ders., Werkstattgespräche mit Schriftstel- lern,