Eine Welt Sucht Diesen Mann

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Eine Welt Sucht Diesen Mann WALTER HAGEN Eine Welt sucht diesen Mann Ein historischer Tatsachenbericht über geheimdienstliche Aktionen NEPTUN VERLAG KREUZLINGEN Englische Ausgabe unter dem Titel «Hitler’s Paper Weapon» erschienen bei Verlag Rupert Hart-Davis, London Deutsche und österreichische Ausgabe unter dem Titel «Unternehmen Bernhard» erschienen bei Verlag Welsermühl, Wels und Starnberg Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, Dramatisierung oder Radioübertragung behalten sich Urheber und Verlag vor. Gesamtherstellung 1956 Buch- und Kunstdruckerei Welsermühl, Wels Printed in Austria Eingescannt mit OCR-Software ABBYY Fine Reader REICHSMINISTER SPEER hielt am 3. Mai 1945 eine vom dänischen Rundfunk verbreitete Ansprache, in der er u.a. ausführte: Die Führung unseres Lebens liegt nicht mehr in unseren Händen. Nie ist ein Land durch die Furie des Krieges so sehr verwüstet worden wie Deutschland. Ihr alle seid jetzt entmutigt. Eure Herzen sind mit Verzweiflung erfüllt. Die Verwüstungen, die in Deutschland ange- richtet wurden, lassen sich nur mit denen des Dreissigjährigen Krie- ges vergleichen. Die Dezimierung unseres Volkes durch Hunger und Not darf njedoch die Proportionen jener Periode nicht erreichen. Des- halb, und nnur deshalb hat sich Admiral Dönitz – der neue Führer – entschlossen, die Waffen nicht niederzulegen.» Speer erliess am Ende seiner Rede folgende Anweisungen: 1. Die dringendste Arbeit ist die Reparatur der Schäden, die das deutsche Eisenbahnsystem erlitten hat. Soweit es der Feind erlaubt, oder wo er es befiehlt, muss daswiecFeraufbauwerk mit allen Mitteln beschleunigt werden, um den Transport von Lebensmitteln in die Gebiete zu sichern, wo das Volk Hunger leidet. 2. Sowohl die industriellen Betriebe als auch die Werkstätten der Gewerbetreibenden sind verpflichtet, jeden Befehl, betreffend die Reparaturen am Eisenbahnnetz, so rasch wie möglich durchzuführen. 3. Die deutschen Bauern müssen jetzt im Bewusstsein ihrer Ver- antwortung gegenüber der gesamten deutschen Nation ihre Liefe- rungen auf ein Höchstmass steigern. 4. Die Lebensmittel müssen vor allen anderen Waren die Trans- portpriorität haben; Nahrungsmittel, elektrischer Strom und Gas sowie Kohle und Holz müssen in erster Linie geliefert werden. Wenn wir mit der gleichen Zähigkeit arbeiten, wie wir es wäh- rend der vergangenen Jahre getan haben, so kann die deutsche Na- tion ohne weitere schwere Verluste am Leben erhalten werden. Ob unsere Feinde dies zulassen werden, können wir noch nicht Voraus- sagen. Es ist indessen meine Pflicht, meine ganze Kraft einzusetzen, um die deutsche Nation am Leben zu erhalten. Unser Schicksal liegt nicht mehr in unseren eigenen Händen. Nur die göttliche Vorsehung kann unsere Zukunft ändern. Wir selber können jedoch dazu beitragen, indem wir unsere Arbeit mit Entschlossenheit und Fleiss tun und unseren Feinden mit Würde und Selbstvertrauen gegenübertreten, indem wir im Herzen bescheidener werden und 5 unseren Glauben an die Zukunft unseres Volkes behalten, was uns immer das Wichtigste sein wird. Möge Gott Deutschland schützen. 3. Mai 1945. Die ganze Nacht hindurch war ich hinter dem Steuer meines Wagens gesessen und zwischen Innsbruck und Salzburg gerade noch den Vorauseinheiten der amerikanischen Armee ent- gangen. Kurz vorher hatte ich noch auf liechtensteinischem Boden meine letzte Unterredung mit dem Chef der schweizerischen Kan- tonspolizei von St. Gallen gehabt, meinem Verbindungsmann zu jenen amerikanischen und englischen Diplomaten, die ebenso wie eine Gruppe von hohen Funktionären und Politikern in Deutsch- land, die ich vertrat, an einer sofortigen Beendigung des sinnlosen Krieges interessiert waren. In Meran war ich zu allem Überfluss noch in einen Partisanenaufstand hineingeraten. Ich hatte dort noch einen kurzen Aufenthalt eingelegt, um einem Mitarbeiter, den ich besonders schätzte, bei der vorzeitigen Liquidierung seiner Dienststelle, entgegen den erlassenen allerhöchsten Befehlen, be- hilflich zu sein. Jetzt konnte ich zusammen mit ihm, der zum Glück recht gute Verbindungen zum oberitalienischen Partisanenkom- mando hatte, alsbald die Einstellung des Kampfes erreichen. Nach diesen turbulenten Tagen sass ich nun hier in dem kleinen Alt- aussee, einer beliebten Sommerfrische des Salzkammergutes, die nachmals noch zu unerwarteter und unerstrebter Berühmtheit kom- men sollte. Ich wartete auf Dr. Kaltenbrunner, den Chef der Sicher- heitspolizei und des SD, der als Vertreter Himmlers für den soge- nannten .Südraum» damals der mächtigste Mann in diesem Gebiet war. Ich hatte mit meinen amerikanischen und englischen Ge- sprächspartnern vereinbart, dass mit Hilfe Kaltenbrunners alles versucht werden sollte, um die reibungslose Übergabe der voll- ziehenden Gewalt an neue Männer noch vor dem Einmarsch der anglo-amerikanischen Truppen ins westliche Österreich sicherzu- stellen, und vor allem zu verhindern, dass lebenswichtige Betriebe noch in der letzten Kriegsphase zerstört würden. Schon hatten kommunistische Widerstandsgruppen begonnen, teilweise in eng- stem Einvernehmen mit Kommandos der Roten Armee, mit denen sie in Kurierverbindung standen, nach Abzug der deutschen Ein- heiten örtlich .die Macht zu übernehmen». Solche Aktionen, die 6 vollendete Tatsachen schufen und die Sowjetisierung Österreichs vorbereiten sollten, mussten unter allen Umständen verhindert werden. Kaltenbrunner war bereits seit Stunden überfällig. Vermutlich war er mit seinem Wagen in eine jener Kolonnen zurückdrängen- der Wehrmachtseinheiten geraten, die damals die Strassen auf Kilo- meterlänge verstopften. Man hatte für ihn in einem kleinen Block- häuschen, das früher einmal als Stall gedient hatte, einen Arbeits- raum provisorisch eingerichtet. Diesen Raum hatte ich jetzt be- zogen, und ich benutzte die Wartezeit, um Telephonanrufe für Kaltenbrunner entgegenzunehmen. Die Wehrmachtsleitungen funk- tionierten länger als die übrige Wehrmachtsorganisation, und manchmal meldeten sich sogar Orte, die bereits von den alliierten Truppen besetzt waren. Alle die Kommandeure und Dienststellen- leiter, die sich da telephonisch an Kaltenbrunner wandten, baten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, um das Gleiche: um Befehle. Niemals hatte ich die Schwäche des autoritären Systems, besser gesagt, des Führerprinzips, so deutlich empfunden wie in der Grenzsituation der letzten Stunden. Kein Offizier, kein Beamter, so hoch sein Rang auch war, wagte es, eine Entscheidung allein zu verantworten; bis zur letzten Minute wollte sich jeder durch einen Befehl von oben «abdecken». Ich zögerte nicht, diese Abhängigkeit von der «Zentrale» auszunützen; ich gab selbst die verlangten Befehle und konnte zu meiner Befriedigung feststellen, dass sie ohne Widerspruch angenommen wurden, obgleich sie gar nicht von Kaltenbrunner kamen. Es zeigte sich an diesem Beispiel wieder einmal, dass in bestimmten Lagen, wo Unsicherheit und Bedrängnis einen Höchststand erreichen, allein schon der Besitz des richtigen Telephons eine aussergewöhnliche Macht verleiht. So konnte ich einiges dazu beitragen, um eine gewaltlose Übergabe zu erleichtern. Ich wendete immer die gleiche Formel an: «Der Chef» – womit Kaltenbrunner gemeint war – «befiehlt sofortige Heranziehung massgeblicher österreichischer Persönlichkeiten, die vor dem März 1938 leitende Positionen eingenommen hatten, zwecks reibungsloser Übergabe der Amtsgeschäfte». Hier und da konnte ich auch die Weisung durchgeben, dass alle politischen Häftlinge zu entlassen seien. Nicht ein einziges Mal wurde mir widersprochen; selbst der gefürchtete Leiter der Staatspolizei in 7 Linz schien sichtlich erleichtert zu sein, dass ich ihm die Verant- wortung abnahm. Unerwartet wurden die schematischen Anfragen unterbrochen: Es meldete sich ein SS-Oberleutnant (dessen Name mir entfallen ist) als Führer eines «reichswichtigen Transports» und bat, ihm sofort zwei leistungsfähige Lastkraftwagen zu schicken. Er habe kurz nach Abgang des Transports von Redl-Zipf, einem kleinen Ort zwischen Salzburg und Linz, der lediglich durch seine Bier- brauerei bekannt ist, bereits ein Fahrzeug durch Achsenbruch ein- gebüsst, und nun sei ein weiterer Wagen unweit Ebensee von der Strasse zum Traunfluss abgerutscht und könne unter keinen Umständen mehr flott gemacht werden. Ich lehnte es kategorisch ab, auch nur einen Versuch zu machen, der Bitte des Oberleutnants nachzukommen; das Wichtigtun mit irgendeinem Transport schien mir in diesen Stunden, wo es um grössere Dinge ging, geradezu grotesk. Ausserdem hatte ich den Verdacht, dass es sich in Wirklich- keit vielleicht um Privatgut irgend eines hohen SS- oder Partei- funktionärs handeln könnte, denn der Offizier wollte mir durchaus nicht mitteilen, um was für einen Transport es da eigentlich gehe, und berief sich dabei auf eine besondere Vereidigung. Der Mann war noch dazu hartnäckig. Als er von mir keinen Lastkraft- wagen zugesagt erhalten konnte, bat er um die Erlaubnis, den einen Lastkraftwagen, der fahrunfähig noch bei Redl-Zipf stand, einer dortigen Wehrmachtseinheit gegen Quittung übergeben zu dürfen, während er versuchen wollte, die Kisten von dem anderen Lastwagen an der Traun auf seine Personenwagen umzuladen. Angesichts einer derartigen Pedanterie riss mir nun endgültig die Geduld und ich schrie ins Telephon: «Werfen Sie die Ladung ein- fach in die Traun und schicken Sie Ihre Leute nach Hause!» Das war, nicht zu leugnen, ein Befehl, freilich ein unüberlegter. Aber den Oberleutnant störte das nicht; er wusste, dass Befehle durch Untergebene nicht nachgeprüft werden dürfen, und befolgte auch den meinigen, getreu seiner Erziehung
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