DAS MAGAZIN DES LANDTAGES VON SACHSEN-ANHALT 03|2015

25 Jahre landtag Sachsen-anhalt konstituierung des Parlaments am 28. oktober 1990

Ein taG füR DiE GESChiChtSBüChER landtag tritt in zusammen GRunDSatZDEBattE im PlEnum Sachsen-anhalt empfängt flüchtlinge

PERSonalREfoRm Wurde zu viel gespart? www.landtag.sachsen-anhalt.de Sachsen- Anhalt bedeuten mir... André Schröder Wulf Gallert

... mein ganz persönliches Erwachsensein. ... Neuorientierung und den Einstieg in die Politik.

Katrin Budde Prof. Dr. Claudia Dalbert Olaf Meister

... dass es sich lohnt, für seine ... dass das wunderschöne mein ... 25 Jahre spannende Entwicklung Überzeugungen zu kämpfen! Zuhause geworden ist. meiner Heimat.

Frank Hoffmann Julia Seyer Eva von Angern

... einen Gewinn an Demokratie und ... dass aus Sachsen-Anhalt noch ganz viel ... mich daran zu erinnern, wie viel Engagement. rauszuholen ist. die Zeit vergeht!

Uwe Bischoff Jürgen Scharf Brunhilde Schmehl und Margret Gwosdz ... dass wir sicher noch nicht am Ende der ... einen gelungenen Neuanfang, heraus aus ... mehr Arbeitsplätze und Fahnenstange sind. der Unfreiheit. persönliches Glück.

Dr. Frank Thiel Siegfried Borgwardt

... ein selbstverwirklichtes Leben von ... der Weg zu Freiheit und Demokratie. Lesen Sie die vollständigen Zitate auf vorn begonnen zu haben. unserer Internetseite: www.landtag.sachsen-anhalt.de inhalt

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Ein Tag für die Kleine Stadt an Überholte Zahlen, Geschichtsbücher groSSen StraSSen neue Debatte Vor 25 Jahren konstituierte sich in Genthins Geschichte ist von Kanälen, Große Anfrage wurde zur Dessau der Landtag Sachsen-Anhalts. Straßen und Eisenbahnlinien geprägt. Generaldebatte über Flüchtlingspolitik.

25 Jahre Sachsen-Anhalt 23 | Personalreform nicht beendet 6 | Zwei Bezirke, ein Bundesland Gibt es eine Zwischenlösung, wenn es um die Vor 25 Jahren schlug die Geburtsstunde des Landes Personalentwicklung im Land geht? Die Linken fordern mehr Sachsen-Anhalt. Dr. Klaus Keitel war der erste Präsident des Stellen, die Landesregierung hätte die auch gern – muss aber neuen Landtags. wie immer auf die Landesfinanzen achten.

10 | Größte DDR-Baustelle macht dicht rückblick Das Atomkraftwerk in Stendal sollte eines der größten in 24 | Ein Hauch von Geschichte Europa werden. Am Ende standen Abwicklung und Abriss Die „Vereinigung ehemaliger Abgeordneter des Landtages statt Einweihungsfeier und Erfolgsprämien. von Sachsen-Anhalt e. V.“ feiert dieser Tage ihr 20-jähriges Bestehen – mit einem Festakt im Magdeburger Landtag. im blickpunkt 16 | Selbstbestimmt älter werden 26 | Aktiv für Toleranz und Demokratie Ausgehend von einer Großen Anfrage zum Thema „Selbstbe- Vor zehn Jahren wurde das Netzwerk für Demokratie und stimmung und Teilhabe im Alter“ hat die Fraktion BÜNDNIS Toleranz Sachsen-Anhalt gegründet. Bei einem großen 90/DIE GRÜNEN einen Entschließungsantrag ins Plenum Open Air standen Kultur und Politik im Fokus. eingebracht. 28 | Teilhabe in veränderter Gesellschaft Aus dem plenum Um die Teilhabe im politischen, gesellschaftlichen und 18 | Wichtige Weichen gestellt kulturellen Bereich ging es beim 8. Seniorenforum. In drei Von A wie Aufnahmegesetz bis Z wie Zulassung zur Hoch- Arbeitsgruppen wurden Forderungen erarbeitet. schule – die Integration von mehr als 20 000 Flüchtlingen in Sachsen-Anhalt fordert Politik und Gesellschaft. einblicke 30 | Schlagworte, Abstracts und Co. 22 | Hundegesetz neu, Rasseliste bleibt Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Andrea Link-Köster als Land- Hundebesitzer in Sachsen-Anhalt schöpfen Hoffnung, denn tagsdokumentarin. Sie bahnt den Weg durch die Datenbanken das seit 2013 bestehende und umstrittene „Hundegesetz“ und sichert Bürgern und Abgeordneten den schnellen Zugang soll geändert werden. zu Protokollen, Anträgen, Beschlüssen und Gesetzen.

3 IMPRESSUM CDU-Fraktion begrüßt

Herausgeber Der Präsident des Landtags von Sachsen-Anhalt neue Abgeordnete

Auflage und Erscheinen ornelia Schiergott ist seit 13. Juli 10 000 Exemplare, vierteljährlich C 2015 offiziell neue Landtagsabge- ordnete der CDU-Fraktion. Die 59-Jäh- Redaktion/Bestelladresse rige aus Sülzetal im Bördelandkreis Landtag von Sachsen-Anhalt Ref. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, rückte für Nicole Rotzsch nach, die seit Besucherdienst und Protokoll Anfang Juli neue Bürgermeisterin von Domplatz 6 - 9, 39104 Magdeburg Querfurt ist. Fon: 0391 560 - 0 Die 59-jährige Schiergott ist seit 2003 Fax: 0391 560 - 1123 in der CDU und von Beruf Verwaltungs- www.landtag.sachsen-anhalt.de [email protected] beamtin. Sie engagiert sich als Vorsit- zende des Kreisverbandes Magdeburg Als Landtagsabgeordnete wird Cornelia Redaktion der Deutschen Polizeigewerkschaft und Schiergott die Region Sülzetal betreuen. Ursula Lüdkemeier (Ltg.), Stefanie Böhme, Ulrich Grimm, Vorstandsmitglied der Frauen-Union Sie ist Mitglied in den Ausschüssen Dr. Stefan Müller, Gudrun Oelze, Wolfgang Schulz in Sachsen-Anhalt. Zudem ist sie seit für Landesentwicklung und Verkehr 2009 ehrenamtlich als stellvertretende sowie für Inneres und Sport. Fotos & Grafiken Titel: Stadtarchiv Dessau-Roßlau Vorsitzende des Kinderschutzbundes Seite 2: Landtag von Sachsen-Anhalt; privat Landkreis Börde aktiv. Als ihre politi- Seite 4: Stefanie Böhme, CDU-Fraktion schen Schwerpunkte nannte sie die Sozial- und Familienpolitik, Bildungs- und Kom- Seite 5: Jens Schlüter, Landtag von Sachsen-Anhalt munalpolitik sowie das Thema Innere Sicherheit. Stefanie Böhme Seite 6: Wolfgang Schulz Seite 7: Grafik Ideengut Seite 8: Landtag von Sachsen-Anhalt Seite 9: Wolfgang Schulz Seite 10/11: Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Neues Gesicht in Seite 12: Stadt Genthin/John Dillinger Seite 13: Stadt Genthin/John Dillinger Seite 14: Stadt Genthin/John Dillinger den Reihen der Grünen Seite 16: AOK Seite 18: Bundeswehr/Hoder orothee Berthold (BÜNDNIS 90/DIE Seite 20: Ideengut D GRÜNEN) aus Lützen ist seit 27. Juli Seite 22: Stefanie Böhme 2015 neues Mitglied des Landtags von Seite 23: NicoLeHe/pixelio.de Sachsen-Anhalt. Die 60-Jährige übernahm Seite 24: Wolfgang Schulz (oben), Stefanie Böhme als Nachrückerin den Sitz von Dietmar Seite 25: Stefanie Böhme Seite 26/27: Stefanie Böhme, Dr. Stefan Müller Weihrich und ist Mitglied im Ausschuss für Seite 28: Stefanie Böhme Bildung und Kultur, sowie stellvertreten- Seite 30: Stefanie Böhme des Mitglied im Ausschuss für Landesent- Seite 31: Landtag von Sachsen-Anhalt; privat wicklung und Verkehr. Seite 32: Veranstalter Die studierte Diplompharmazeutin ist

verheiratet, hat zwei Kinder und enga- giert sich als Kinderpatin in Nepal. Als

Satz & Gestaltung Dorothee Berthold ist seit 27. Juli Landtagsabgeordnete wird Berthold nun IdeenGut OHG | www.ideengut.info 2015 neue Landtagsabgeordnete für die Regionen Naumburg, Weißenfels und die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE betreuen. Bereits 1994 trat sie in Druck GRÜNEN. die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein Harzdruckerei GmbH | www.harzdruck.de und war bisher vor allem auf kommunaler

Redaktionsschluss Ebene aktiv. Leben ihrer Arbeit als Phar- 23.09.2015. Dieses Magazin dient der Öffentlichkeits- mazieingenieurin und ihrem politischen Engagement hat die Grünen-Politikerin in arbeit des Landtages von Sachsen-Anhalt. Es wird den letzten 20 Jahren diverse Ehrenämter übernommen, unter anderem bei der kostenfrei verteilt. Es darf weder von Wahlbewerbern Multiple-Sklerose-Gesellschaft in Sachsen-Anhalt und der Bürgerinitiative „Zukunft noch von Wahlhelfern während eines Wahlkampfes statt Braunkohle – Region Lützen“. Stefanie Böhme zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.

4 Liebe Leserinnen und Leser,

jetzt im Herbst 2015 wird oft an die Wir alle mussten lernen und nicht selten Friedliche Revolution sowie an 25 Jahre bedeutende Entscheidungen treffen, ohne wiedervereinigtes Deutschland erinnert. zu wissen, ob es gelingt und schon erst Vor einem Vierteljahrhundert wurde eine recht nicht, ob alle Bedenken abgewogen Diktatur friedlich und ohne Blutvergießen wurden. Es gab mehr Spielräume, durch das Volk beendet. Demokratie in mehr Mut zu Entscheidungen, weniger der DDR! Wie viele Menschen hatten sich Bürokratie. Untrennbar damit verbunden, dies erträumt, jedoch nicht mehr daran gab es auch eine größere Fehlertoleranz, geglaubt. ohne die die vielen Entscheidungen überhaupt nicht möglich gewesen wären. Es war in jenen Tagen vor 25 Jahren Erstaunlich, wie wenig damals wirklich ein unbeschreibliches Gefühl der schiefging. Heute haben sich Ost und Freiheit. Stärker als die ersten warmen West sehr angeglichen. Die Forderung Sonnenstrahlen im Frühjahr nach einem nach Entbürokratisierung hat überlebt, langen, harten Winter. Alles schien die Fehlertoleranz nicht. möglich. Wie würden wir heute leben ohne Ich danke der Aufbaugeneration und die mutigen Bürgerrechtler, die DDR- wünsche der Jugend Mut, selbst Oppositionellen, den gewährten aufzubrechen und anzupacken. 25 Schutzraum der Kirchen und die Jahre Deutsche Einheit zeigen, was man Unterstützung freier westdeutscher erreichen kann und dass noch viel zu tun Medien damals? Nicht zu vergessen ist. Solidarnosc´ ´ in Polen, Gorbatschow in der UdSSR oder die Grenzöffnung der Ungarn. Ihr Mit Blick auf 25 Jahre in Frieden wiedervereintes Deutschland erinnere ich mich dankbar und manchmal auch ein wenig wehmütig an die ersten Detlef Gürth Aufbaujahre und an die verantwortlich Präsident des Landtages handelnden Personen. von Sachsen-Anhalt

Zwischenruf 03/2015 – Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt 5 25 JahRE SaChSEn-anhalt

Zwei bezirke, ein bundesland

Vor 25 Jahren schlug die Geburtsstunde des Landes Sachsen-Anhalt / Einer der wichtigsten Geburtshelfer war Dr. Klaus Keitel, zunächst ab Mai 1990 Havelberg Salzwedel Regierungsbevollmächtigter, dann erster Präsident des neuen Landtags.

Stendal it dem Ländereinführungs- Gardelegen gesetz, beschlossen von der M am 22. Juli 1990, wurde die Grundlage für die Neu- gliederung des Territoriums der DDR in Genthin Vorbereitung auf die deutsche Einheit Burg geschaffen. Durch die Zusammenlegung von jeweils zwei bis drei Bezirken konn- ten die 1952 abgeschafften deutschen Länder wiederentstehen. Sachsen-Anhalt MAGDEBURG wurde so aus den Bezirken Halle und Magdeburg gebildet, wobei der Kreis Jes- Dr. Klaus Keitel war von 1990 bis 1998 sen (ehemals Bezirk ) dazukam, Präsident des Landtags von der Kreis sich jedoch für Thüringen Sachsen-Anhalt. Schönebeck Lutherstadt Halberstadt entschied. Anders als beispielsweise in Sachsen und Dessau- Roßlau , wo frühzeitig in der Volksbe- die bis März 1990 einmal wöchentlich Wernigerode wegung nach dem Herbst 1989 an eine dem einstigen Bezirksorgan „Freiheit“ Köthen Quedlinburg Bernburg Wiederentstehung der alten Länder ge- beigelegt wurde. Diese objektive Bericht- Aschersleben dacht wurde, gestaltete sich die Geburt erstattung war ein nicht zu unterschätzen- Bitterfeld-Wolfen des Landes Sachsen-Anhalt komplizier- der Erfolg des Runden Tisches. ter. „Das lag vor allem daran, dass das Für Klaus Keitel war es der Auftakt für ein stel- HALLE Lutherstadt Torgau einstige Land Sachsen-Anhalt am Ende politisches Engagement, das sein ganzes lungen“, Eisleben der DDR aus dem Bewusstsein der Mehr- Leben umkrempelte. Der Runde Tisch sagt er. heit der Bevölkerung verschwunden war“, schätzte seine Arbeit so hoch ein, dass Deshalb erinnert sich Dr. Klaus Keitel an die Zeit er ihn als seinen Vertreter für den noch dieser Merseburg vor 25 Jahren. Auch für ihn habe ein sol- bestehenden Rat des Bezirkes ernannte. Schritt. Der Nordhausen LEIPZIG ches Landesbewusstsein nicht existiert. Bestätigt durch den Bezirkstag, wurde damals 51-Jähri- Weißenfels Das änderte aber nichts daran, dass der der parteilose Keitel Ratsmitglied ohne ge war nun erster heute 76-Jährige zu einem der wichtigs- Geschäftsbereich und hatte damit quasi Mann im . Naumburg ten Geburtshelfer des Landes Sachsen- einen Fuß im höchsten Verwaltungsorgan Gleichzeitig wurde er zum Zeitz Anhalt wurde. des Bezirkes Halle. Wenige Wochen spä- Stellvertreter von Prof. Der gebürtige Naumburger, der bis 1990 ter löste er den Ratsvorsitzenden Dr. Wolf- Karl-Hermann Steinberg, dem Landes- in der Zucker- und Stärkeindustrie Halle gang Süß ab und bekleidete ab Mai 1990 beauftragten der DDR-Regierung für die tätig war, interessierte sich zu Beginn des das neue Amt des Regierungsbevollmäch- Bildung des Landes Sachsen-Anhalt, be- Jahres 1990 für das Wirken des Runden tigten des Bezirkes Halle. rufen. „Das war alles andere als ein Zu- Tisches in Halle. Freunde drängten ihn, re- Zu diesem Zeitpunkt wurde Klaus Keitel ckerschlecken“, sagt er heute. „Ich und gelmäßig über die Arbeit der Bürgerbewe- Mitglied der CDU. „Kohls Programm zur viele andere auch hatten doch überhaupt gung in einer Reformzeitung zu berichten, Wiedervereinigung entsprach meinen Vor- keine Verwaltungserfahrung.“

6 25 JahRE SaChSEn-anhalt

Die Gründung des Landes Sachsen-An- durch „kompetente Leute aus dem Wes- ne Lagerbildung verlangsamte den Inte- halt sei deshalb in den ersten Wochen ten“ gegeben. „Ich selbst fühle mich grationsprozess weiter. nicht vordergründiges Thema gewesen. noch heute einem ehemaligen hohen Die Auseinandersetzung spitzte sich zu. Die Aufl ösung des Bezirkstages, die Regierungsbeamten aus Niedersachsen „Zu den Aufgaben der Regierungsbevoll- Schaffung der Bezirksverwaltungsbehör- verpfl ichtet, der mich uneigennützig, ohne mächtigten im August und September de, das Kümmern um vietnamesi- jedes Entgelt wochenlang intensivst un- 1990 gehörte die Einrichtung von Ministe- sche Arbeitskräfte im terstützt hat.“ rien für die künftige Landesregierung“, er- Raum Weißenfels Mit dem Ländereinführungsgesetz im Juli innert sich Keitel und schüttelt noch heu- seien auf der hat sich die Situation grundlegend geän- te den Kopf über diesen „Schwachsinn“. Tagesordnung dert. „Jetzt stand Sachsen-Anhalt ganz Sowohl in Halle als auch in Magdeburg Havelberg Salzwedel gewesen. oben auf der Agenda.“ Doch neben dem mussten die baulichen Voraussetzungen Zum Glück immer noch nicht viel stärker ausgepräg- für je fünf Ministerien geschaffen werden. habe es ten Landesbewusstsein zeigte sich ein „Man wusste ja nicht, wo der künftige Re- Stendal große neues Problem, das die Zerrissenheit gierungssitz ist.“ Also seien Liegenschaf- Unter- zwischen den Bezirken Halle und Magde- ten angemietet und entsprechend ein- Gardelegen stüt- burg deutlich machte: Welche Stadt sollte gerichtet worden. Für Halle eine unnütze zung Landeshauptstadt werden? In Thüringen, Verschwendung, wie sich am 28. Oktober Sachsen oder auch Brandenburg spiel- 1990 herausstellte, als 57 von 106 Land- Genthin te diese Frage keine Rolle. Lediglich im tagsabgeordneten für Magdeburg als Lan- Norden gab es kurzzeitig Diskussionen deshauptstadt votierten. Burg über Rostock oder Schwerin. Nicht so im Dieser 28. Oktober war für Klaus Keitel künftigen Sachsen-Anhalt. Eine Einigung wiederum ein Schicksalstag. Zwei Wo- zwischen Halle und Magdeburg und später chen zuvor hatte er das Direktmandat MAGDEBURG auch Dessau war nicht in Sicht. für den Landtag in Halle gewonnen. Nun Die Parteinahme für die eine stellte er sich einer neuen Herausfor- oder andere Stadt und derung: Er kandidierte für das Amt des die damit verbunde- Landtagspräsidenten und wurde an die- Schönebeck Halberstadt Lutherstadt sem Tag und vier Jahre später erneut in Wittenberg diese hohe Verantwortung gewählt. „In Dessau- Jessen der Anfangszeit haben wir vieles nicht ge- Roßlau Wernigerode wusst“, so Keitel. Es habe sehr viel „Lear- Köthen ning by doing“ gegeben, aber „wir waren Quedlinburg Bernburg Aschersleben motiviert für den Aufbau des Neuen.“ Das Bitterfeld-Wolfen habe vieles ausgeglichen. Bei manchen Dingen hätte er die Bevölkerung ger- HALLE ne mehr einbezogen. „Wir haben Lutherstadt Torgau Eisleben jedoch stark unter Druck ge- Bad Liebenwerda standen.“ Vieles hätte schnell entschieden werden müssen. Merseburg Die Entscheidung für ein Amt Nordhausen LEIPZIG in der Legislative sei übrigens, Weißenfels so Keitel im Rückblick, durch das „Vorbild“ Bundestag befördert worden. Mit Begeisterung habe er zu DDR-Zeiten Naumburg Sachsen-Anhalt Fernsehübertragungen von Parlaments- Zeitz debatten gesehen und sich daran erfreut. 1946–1952 Dass der „Geburtshelfer“ Klaus Keitel ein glückliches Händchen für die Entstehung Bezirke Magdeburg und Halle und Entwicklung des Landes Sachsen- 1952–1990 Anhalt hatte, zeigt sich auch daran, dass er als erster Sachsen-Anhalter mit dem seit 1990 Verdienstorden des Landes ausgezeich- net wurde. Wolfgang Schulz

Zwischenruf 03/2015 – Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt 7 25 Jahre Sachsen-anhalt

Ein Tag für die Geschichtsbücher

Als jüngster Abgeordneter erlebte Thomas Felke (SPD) vor 25 Jahren am 28. Oktober 1990 in Dessau die Konstituierung des Landtags von Sachsen-Anhalt, dem er seit dieser Zeit ununterbrochen angehört.

Weil nicht klar war, ob n der Johann-Philipp-Becker-Kaserne damals verantwortlichen Politiker nicht Magdeburg oder Halle in Dessau trat am 28. Oktober 1990 auf eine Hauptstadt für das neue Land Landeshaupstadt wird, fand I der Landtag von Sachsen-Anhalt zu Sachsen-Anhalt einigen konnten. Halle 1990 die konstituierende seiner konstituierenden Sitzung zusam- oder Magdeburg? Das war die Frage, die Sitzung des Landtags in Dessau men. Zwei Wochen zuvor waren die 106 im Sommer 1990 die Gemüter bewegte, statt. 106 Abgeordnete waren Abgeordneten erstmals seit 1946 in frei- und auf die es (noch) keine Antwort gab. zuvor erstmals in freier Wahl er Wahl gewählt worden. Bei einer Wahl- Um keinem der beiden streitenden Lager gewählt worden. Unter ihnen beteiligung von 65,1 Prozent entfielen 39 durch die Wahl des Tagungsortes an der war damals auch Thomas Felke Prozent der Zweitstimmen auf die CDU, Saale oder an der Elbe eventuell einen (Foto re.). Er war seinerzeit der 26 Prozent auf die SPD, 13,5 Prozent auf Vorteil zu verschaffen, wurde die Stadt an jüngste männliche Abgeordnete die FDP, 12 Prozent auf die PDS und 5,3 der Mulde für den bedeutsamen 28. Ok- des Parlaments. Prozent auf Bündnis 90/Grüne. tober ausgewählt. „Ein guter Ort für unser Dessau wurde zum Ort der konstituieren- Parlament“, wie der erste Präsident des den Sitzung des Landtags, weil sich die Landtags, Dr. Klaus Keitel, später fest-

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stellte. Insgesamt sechsmal tagte der der SPD, Detlef Gürth und Jürgen Scharf de Wahlergebnis am 14. Oktober 1990: Landtag in der Dessauer Bundeswehrka- von der CDU sowie Hans-Jörg Krause von Die CDU gewann bis auf den Magdebur- serne, bis er sein heutiges Domizil am der Fraktion DIE LINKE. ger Wahlkreis von Dr. Reinhard Höppner Domplatz in der Landeshauptstadt Mag- Thomas Felke absolvierte nach Abitur und (SPD) alle Direktmandate. Für die SPD deburg beziehen konnte. anderthalbjähriger Armeezeit ein Bauinge- rückten so 25 Abgeordnete über die Lan- „Die Atmosphäre an diesem Tag in Des- nieurstudium in Dresden und war danach desliste ins Parlament, darunter Thomas sau werde ich mein Leben lang nicht ver- als Technologe in einem Ingenieurbüro Felke vom Platz 20. gessen“, erinnert sich Thomas Felke an der damaligen Reichsbahndirektion Halle Neben der Wahl des Landtagspräsidenten den 28. Oktober. Der gebürtige Bernbur- tätig. Anfang Oktober 1989 besuchte er und des Ministerpräsidenten war auf der ger war mit 27 Jahren der jüngste männ- mit Freunden eine Montagsdemonstrati- konstituierenden Sitzung am 28. Oktober liche Abgeordnete und fungierte bei den on in Leipzig und beteiligte sich von da auch für den jüngsten Abgeordneten die Entscheidung über die künftige Landes- hauptstadt das herausragende Ereignis. Obwohl er bis heute in Halle wohnt, habe ihn die Entscheidung für Magdeburg nicht sehr überrascht. Die Lage und Infrastruk- tur, die bereits bestehende enge Kooperati- on mit Niedersachsen, die Autobahn 2 und anderes sprachen dafür. Schließlich, so vermutet Felke, hätten bei der Abstimmung auch Auswirkungen aus der DDR-Zeit nach- gewirkt. So zum Beispiel bei Abgeordneten aus dem Raum Dessau, der früher zum Bezirk Halle gehörte und unter der zentra- listischen Leitung gelitten habe. Nach der ersten feierlichen Tagung habe sofort der Alltag begonnen. Dr. Gerlin- de Kuppe, Dr. Rüdiger Fikentscher und Dr. Fraktionschef Reinhard Höppner seien ersten Tagesordnungspunkten traditionell an regelmäßig an den Demos in Halle. Im aber von Anfang an bemüht gewesen, die zusammen mit dem jüngsten weiblichen November trat er der SDP (Sozialdemo- jungen Fraktionsmitglieder einzubeziehen. Mitglied des Landtags, der 25-jährigen Ka- kratische Partei der DDR) bei. „Ich habe „Vieles war mir noch unbekannt, und es trin Budde (beide SPD), an der Seite von eine große Westverwandtschaft, die eher hieß: Lernen durch Handeln.“ Es sei be- Alterspräsident Heinz Hildebrandt (FDP) sozialdemokratisch orientiert ist“, und im eindruckend gewesen, wie schnell die als Schriftführer. „Die Stimmung war sehr Fernsehen habe er sich bei der Übertra- parlamentarischen Spielregeln Einzug ge- feierlich, aber nicht steif“, so Felke. „Ich gung von Bundestagsdebatten besonders halten hätten. Standen am Runden Tisch, war ganz schön aufgeregt und musste die für die SPD-Beiträge interessiert. „Ich den er von Halle her kannte, noch Themen Namen der Abgeordneten aufrufen.“ Es wollte dabei sein und das Neue mitgestal- im Vordergrund, die alle gemeinsam be- sei aber alles sehr gut vorbereitet gewe- ten“, begründet er seinen Parteieintritt. wältigen wollten, spielte im Landtag mehr sen, sodass es keine organisatorischen Als Vorsitzender der AG Jusos beteiligte er und mehr die Parteipolitik eine Rolle. Pannen gegeben habe. sich an den Wahlkämpfen im Jahr 1990. Ende 1990 dann wieder eine wichtige Mit dem 28. Oktober 1990 begann für „Das war eine ganz schöne Kärrnerar- Entscheidung für Thomas Felke, Beruf Felke ein grundlegend anderer Lebensab- beit“, sagt er rückblickend. Es habe aber und Politik passten zeitlich nicht mehr schnitt. Die Parlamentsarbeit bestimm- Spaß gemacht und Erfüllung gebracht. zusammen. „Ich habe mich für das Par- te fortan sein Leben. Bis heute, in der Nach der Verabschiedung des Länderein- lament entschieden und das nie bereut.“ sechsten Legislaturperiode, ist er Mitglied führungsgesetzes im Juli wurde es ernst Er sei sehr gern Abgeordneter, allerdings, des Landtags. „Obwohl für mich alles neu für Felke. Die SPD nominierte ihn als so Felke, sei es nach sechs Legislaturpe- war, wusste ich doch, dass an diesem Tag Kandidaten für den Landtag. „Ich hatte rioden nun genug. Für den nächsten Land- Geschichte geschrieben wird“, sagt er. Listenplatz 20 und eigentlich wenig Hoff- tag, der im März 2016 gewählt wird, will Mit Felke sind heute noch weitere sechs nung, dass ich es schaffen würde.“ Vor er nicht wieder antreten. „Ich will mich“, Parlamentarier seit 1990 ohne Unterbre- ihm rangierten andere, die Auswahl ging sagt der heute 52-Jährige, „noch einmal chung Mitglieder im Landtag: Katrin Bud- nach Beruf, Alter, Geschlecht, Region und neuen Herausforderungen stellen.“ de, Jens Bullerjahn und Tilman Tögel von anderen Kriterien. Dann das überraschen- Wolfgang Schulz

Zwischenruf 03/2015 – Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt 9 25 Jahre Sachsen-anhalt

Größte DDR-Baustelle macht dicht

Es sollte eines der größten in Europa werden und einen Großteil der 16 Millionen DDR-Bürger mit Strom versorgen – das Kernkraftwerk Stendal. Am Ende standen Abwicklung und Abriss statt Einweihungsfeier und Erfolgsprämien.

ereits 1970 hatte das Präsidium des Ministerrats der DDR be- B schlossen, ein drittes Atomkraft- werk nördlich von Magdeburg zu bauen. Bisher gab es ganze zwei in der DDR: Lubmin bei Greifswald und Rheinsberg im nördlichen Brandenburg. Als dritter Standort war das kleine Dorf Niedergör- ne (15 Kilometer entfernt von Stendal) auserkoren. Direkt an der Elbe gelegen, war es aus Sicht der Planer perfekt – die 120 Einwohner wurden zwangsumgesie- delt. In Vorbereitung der konkreten Bau- maßnahmen entstanden dafür in Stendal- Stadtsee und Osterburg unter anderem rund 14 000 Wohnungen, ein neues Kran- kenhaus, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und ein Kulturzentrum. Auf der größten Baustelle der DDR sollten bis Ende der 1990er Jahre vier Reaktor- blöcke mit insgesamt 4 000 Megawatt Leistung entstehen. Damit wären rund 20 Prozent des gesamten Energiebedarfs der DDR gedeckt gewesen. Als Vorbild dien- ten sowjetische Kernkraftwerke ähnlicher Bauart, jedoch sollten beim AKW Stendal erstmals sogenannte Strahlenzellenver- bundtechnik eingesetzt werden, erklärte Harald Gatzke, ehemaliger stellvertreten- der DDR-Minister für Kohle und Energie, in einem Interview im Juli 2010 gegenüber dem ARD-Fernsehmagazin Fakt. Diese neue Technik hätte ein hohes Maß an Si- cherheit garantiert. Harald Gatzke kam im Mai 1990 in die Altmark – in der Tasche den Auftrag der Treuhand, das Bauprojekt zu Ende zu brin- gen. Wie er im ARD-Interview erklärte, gab es anfangs durchaus Grund zum Optimis- mus: „Die Bauarbeiten am ersten Block waren zu 90 bis 95 Prozent fertiggestellt. Wir waren fest davon überzeugt: Das Kernkraftwerk wird zu Ende gebaut.“ Am Ende überwogen dann aber die Bedenken

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der Bundespolitiker und die Ängste der ein Grund dafür, warum rund 100 Mitar- Bevölkerung. beiter der Staatssicherheit nahezu jeden Streit: Magdeburg Während die DDR-Bevölkerung dem Pro- Schritt auf der Baustelle überwachten. oder Halle? jekt zunächst aufgeschlossen gegenüber- Spätestens nach einem Besuch des da- stand, hatten die Bedenken nach dem maligen Bundesumweltministers Klaus uf dem Weg zur Deutschen Ein- Reaktorunglück in Tschernobyl 1986 Töpfer auf der Baustelle in Stendal war A heit trat im Sommer der Streit deutlich zugenommen. Unter anderem Gatzke klar, „dass politisch keine Absicht um die zukünftige Landeshauptstadt bestand, diese Technik zu übernehmen Sachsen-Anhalts immer mehr in den und weiterzuführen“. Vordergrund. Entsprechend der „Ver- Neben den steigenden Sicherheitsbeden- einbarung von Zerbst“ fand in der Zeit ken wuchsen auch die finanziellen Proble- vom 15. bis 30. August 1990 eine ge- me für die mittlerweile gegründete KKW heime Abstimmung der Abgeordneten Stendal GmbH, denn nach der Währungs- in den Kreistagen und Stadtverordne- union explodierten die Kosten. Anfang tenversammlungen zur Landeshaupt- der 1980er Jahre wurden diese noch auf stadt statt. Von 2180 gültigen Stim- rund zehn Milliarden DDR-Mark geschätzt, men entfielen 882 auf Halle und zehn Jahre später gingen Projektplaner 1298 Stimmen auf Magdeburg. Das von einer Verdopplung der Kosten aus. Abstimmungsergebnis sollte den am Da sich weder die Bundesrepublik noch 14. Oktober neu zu wählenden Land- private Investoren für das Projekt begeis- tagsabgeordneten mit auf den Weg tern konnten, war das Ende für die größte gegeben werden. Welche Argumente Baustelle der DDR besiegelt. damals für Magdeburg und welche für Am 17. September 1990 wurde vom Ge- Halle sprachen, lesen Sie in unserer neralauftragnehmer, der Kraftwerks- und Rubrik „Zwölf Monate und zwölf Ge- Anlagenbau AG Berlin, ein vorläufiger schichten“. Baustopp verfügt, die Beschäftigten wur- den auf „Kurzarbeit Null“ gesetzt. Endgül- Bergleute im tig eingestellt wurde der Bau der beiden Reaktoren im März 1991. Gleichzeitig Hungerstreik beauftragte die Treuhand die KKW Sten- m September 1990 drohte den dal GmbH und die Kraftwerksanlagenbau I Bergwerken Rottleberode (im Süd- GmbH Berlin die noch bestehenden Inves- harz) und Straßberg (nahe Sanger- titionsleistungsverträge abzuwickeln. hausen) die Schließung. Mit einem Elf Jahre nach der Abwicklung des KKW Hungerstreik wollten 460 Bergleute Stendal entstand auf dem Gelände zwi- für eine soziale Absicherung kämp- schen Stendal und Arneburg eines der fen, wenn der Arbeitsplatz auch längst größten und modernsten Zellstoffwerke verloren war. Dabei setzten sie darauf, Europas. Heute arbeiten dort mehr als dass die Feierlichkeiten zur Wieder- Offizieller Baubeginn für das 500 Beschäftigte und produzieren hoch- vereinigung kurz bevorstanden und Kernkraftwerk war im November wertigen Zellstoff, der vor allem bei der sich kein Politiker negative Schlag- 1981. Das Baugelände umfasste Herstellung von Druck- und Hygienepa- zeilen wünschen würde. Der Hun- etwa 450 Hektar – etwa 630 pieren sowie als Verstärkungsfaser bei gerstreik fand viel Sympathie in der Fußballfelder. Im Sommer 1990 der Verarbeitung von Altpapier eingesetzt Bevölkerung und am Ende konnten arbeiteten auf der riesigen Baustelle wird. die Bergleute 60 Millionen D-Mark für mehr als 7 000 Menschen. Darüber hinaus ist Zellstoff Stendal Abfindungen und neue Arbeitsplätze gleichzeitig Betreiber von Deutschlands aushandeln. Wo einst 150 Meter hohe Kühltürme größtem Biomassekraftwerk mit einer für ein geplantes Atomkraftwerk Leistung von 135 MW. Das Werk erzeugt standen, arbeitet heute eines seinen gesamten Eigenbedarf an Strom der größten und modernsten selbst und speist einen großen Teil der Hier geht es direkt Zellstoffwerke Europas (kleines Foto auf Basis erneuerbarer Rohstoffe erzeug- zu den ausführlichen rechts). ten Energie in das öffentliche Stromnetz Geschichten. ein. Stefanie Böhme

Zwischenruf 03/2015 – Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt 11 Kleine Stadt an großen Verkehrswegen

Genthin ist eine beschauliche Kleinstadt zwischen Fläming und Prignitz mit Nähe zur Bundes- und Landeshauptstadt. Straßen, Eisenbahnlinien und Kanäle haben die Entwicklung der kleinen Stadt im Jerichower Land schon immer positiv beeinflusst.

o hundert Jahre lang Eisen- das 1171 erstmals urkundlich erwähnt bahnen auf zwei Schienen ver- wurde und ab 1539 Marktrecht hatte, W kehrten, kann man bald schon mit der Industrialisierung im 18. Jahrhun- auf zwei Rädern zwischen Genthin und dert verkehrstechnisch immer mehr an Jerichow radeln. Dieser Abschnitt einer Bedeutung. Zunächst besonders für die 1899 eröffneten Strecke der Genthiner Preußen. Deren König Friedrich II. ließ ab Kleinbahn, auf der Triebwagen bis 1999 1740 den Plauer Kanal als ersten Teil des Personen beförderten, wird als neuer Rad- heutigen Elbe-Havel-Kanals bauen. weg die Region für Touristen attraktiver Um den Wasserweg von Berlin nach Mag- machen. „Unsere Region wird dadurch an deburg um insgesamt 150 Kilometer zu den Elbe- und den Havelradweg angebun- verkürzen, wurde weiter kanalisiert. So den“, freut sich Genthins Bürgermeister kamen Salztransporte aus Schönebeck Thomas Barz und berichtet, dass mit dem schneller nach Berlin und der in der könig- Neubau der „Henkelbrücke“, einer Fuß- lichen Saline benötigte Brennstoff – Torf gängerbrücke in Genthin, in Kürze zudem aus dem Fiener – nach Schönebeck. Den das letzte Nadelöhr zur Vollendung des Fiener unweit von Genthin ließ der „Alte Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. Fritz“ ab 1774 meliorieren. 17 beseitigt wird. Die alte Brücke über den Elbe-Havel- Gute Verkehrsanbindung Kanal in der Genthiner Innenstadt liegt zwischen zwei landeshauptstädten zu dicht über dem Wasserspiegel und wird durch ein modernes Bauwerk mit Mit der Trockenlegung begann der Abstich größerer Durchfahrtshöhe ersetzt. Dann von Torf. Damit das Heizmaterial zur Sa- ist zwischen Magdeburg und Berlin – line gelangen konnte, wurde eigens ein mit Genthin in der Mitte – ein uneinge- sieben Kilometer langer Kanal gebaut, auf schränkter Containerverkehr auf dem dem mit Handkähnen der gestochene Torf Wasser möglich. zum Umschlagplatz in Genthin gebracht Schon immer waren es die Verkehrswege, und dort auf Schiffe des Plauer Kanals die Genthin positiv beeinflussten. Gele- verladen wurde. Reste dieses Torfschiff- gen am Schnittpunkt der Straßen Magde- fahrtskanals sind heute noch im Genthi- burg–Brandenburg und Zerbst–Havelberg ner Mühlgraben zu erkennen. gewann das einstige mittelalterliche Dorf, Nachdem ab 1838 Preußens erste Eisen- bahn zwischen Berlin und Potsdam fuhr, bekam mit der Verlängerung der Trasse nach Magdeburg wenige Jahre später Genthins Wasserturm ist das weit Genthin auch einen Bahnanschluss. Auf sichtbare Wahrzeichen der Stadt. dem dortigen Bahnhof ereignete sich am regionalfenster

Der Elbe-Havel-Kanal (o.) bietet die Verbindung zu den 22. Dezember 1939 das wohl schwers- und Prignitz „Mein Genthin“ sagen, dafür märkischen Wasserstraßen; te Unglück in der deutschen Eisen- ist er nach gut einem Jahrzehnt als Bür- über die Elbe zu den Nordseehäfen bahngeschichte, als ein D-Zug mit einer germeister in der inzwischen eingemein- und den Anschluss Geschwindigkeit von 100 Stundenkilome- deten Ortschaft Schopsdorf angetreten, an das Wasserstraßennetz tern auf einen anderen außerplanmäßig um als Verwaltungschef der Einheitsge- im Rhein-Main-Ruhrgebiet. haltenden Zug auffuhr. Zum Gedenken meinde Genthin mit ihren Ortschaften an die 278 Opfer und 453 Verletzten wur- Tucheim, Parchen, Gladau, Mützel, Pap- de 1999 auf dem Bahnhofsvorplatz ein litz, Fienenrode, Schopsdorf, Dretzel, Denkmal aufgestellt. Schattberge, Hüttermühle, Gehlsdorf, So ist die zweitgrößte Stadt im Landkreis Wiechenberg, Holzhaus, Ringelsdorf und Jerichower Land auch heute noch über Wülpen mit dafür zu sorgen, dass sich 19. Jahrhunderts die Altenplathowsche die Bundesstraßen B 1 (Köln–Berlin) und deren 14 900 Einwohner in ihr wohlfüh- Amtsziegelei und eine Schiffswerft. Um B 107 (Leipzig–Dessau–Rostock), die len. Denn dies sei neben Geld und Arbeit 1880 gab es in Altenplathow 20 Schiffs- nicht weit entfernten Autobahnanschlüs- enorm wichtig, meint das Stadtoberhaupt eigner mit 65 Beschäftigten und 22 Schif- se sowie die Bahnstrecke Hannover–Ber- von Genthin, das voller Stolz auch von der fen. Seit 1923 ist das Dorf ein Stadtteil lin gut erreichbar. „sehr starken Wirtschaft“ seiner Stadt von Genthin, wo genau zu dieser Zeit die Der für Europaschiffe ausgebaute Elbe- spricht. ersten Persil-Pakete ausgeliefert wurden. Havel-Kanal bietet zudem die Verbindung Denn Henkel mit Stammsitz in Düsseldorf zu den märkischen Wasserstraßen; über „Strahlende Reinheit“ und hatte 1921 in der Stadt am Elbe-Havel- die Elbe zu den Nordseehäfen und den „die schlaue Art zu waschen“ Kanal ein Tochterwerk gegründet, um von Anschluss an das Wasserstraßennetz im hier ab 1923 den Bedarf an „Sauberma- Rhein-Main-Ruhrgebiet. Deren Industrialisierung begann 1808 chern“ in den östlichen und nördlichen Zentral gelegen, zwischen den beiden mit einer Fabrik zur Verarbeitung landwirt- Gebieten Deutschlands zu decken. Für Landeshauptstädten Magdeburg und schaftlicher Produkte im heutigen Stadt- Genthin als Henkel-Standort im mittel- Potsdam, ist man unter einer Stunde Fahr- teil Altenplathow, wo der Magdeburger deutschen Raum sprach seine günstige zeit sowohl in einer Landes- als auch in Kaufmann Carl August Gottfried Pieschel Lage am Wasserweg von Düsseldorf am der Bundeshauptstadt, sagt Bürgermeis- seiner Zichorienfabrik bald noch eine Rhein über Mittelland- und Elbe-Havel- ter Thomas Barz, der als bekennender Schrotgießerei und eine Ölmühle folgen Kanal. Ur-Brandenburger längst „alles für mein ließ. Die günstige Verkehrsanbindung Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Genthin“ geben würde. lockte weitere Industrielle – heute würde Werk enteignet und entwickelte sich Dass auch möglichst viele Bewohner der man Inverstoren sagen – an. in der DDR zum größten Hersteller für verträumten Kleinstadt zwischen Fläming So entstanden in der zweiten Hälfte des Wasch- und Reinigungsmittel – mit bis

Zwischenruf 03/2015 – Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt 13 Genthiner Marktplatz mit Rathaus und St.-Trinitatis-Kirche (oben). zu 1 700 Beschäftigten. Das VEB Wasch- mittelwerk Genthin stellte jährlich bis zu Ein Denkmal am Bahnhof erinnert 210 000 Tonnen Tenside, Industriereiniger, an die Eisenbahntraditon Scheuer- und Waschmittel – darunter die Genthins (rechts). Spezial-Entwicklung „Spee“ – her. Nach der Wende kaufte Henkel den Be- trieb zurück und baute die Ost-Marke Spee zu einer gesamtdeutschen um. Als der Konzern das Werk 2009 aufgab, ging mit den Produktionsanlagen auch die Traditi- onsmarke „Spee“ von Genthin nach Düs- das Henkelmuseum und zeigt besonders seldorf. Trotz aller Bemühungen um den jüngeren Besuchern die früheren Mühen Erhalt des Standortes am Elbe-Havel-Kanal bis zum strahlenden Weiß auf der Leine. – zum 100. Jubiläum der Saubermacher- Auf Waschbrettern, in Badewannen, mit Produktion wird es wohl nicht kommen. Kernseife und Bürsten wird dort nicht nur Das endgültige Aus für das Waschmit- schmutzige Wäsche gewaschen, sondern telwerk aber würde nicht das Ende der auch viel über das Reinigen von Wäsche Chemiegeschichte in Genthin bedeuten. gestern und heute verraten. Auf dem einstigen Henkel-Gelände ist ein Metallurgie, Maschinen-, Stahl- und Fahr- Chemiepark mit 400 Arbeitsplätzen ent- zeugbau, Feuerverzinkungen, Landtechnik- plant hochwertigen Wohnraum, berichtet standen, von denen zuletzt aber 130 zum handel und Speditionen sind Branchen, Thomas Barz. In unmittelbarer Nähe dazu Waschmittelwerk gehörten. in denen die heutige Wirtschaftskraft von soll es für die Null- bis Zehnjährigen Krip- Genthin steckt. pe, Kindergarten und Grundschule sowie Im Museum: „Waschen, Etliche Unternehmen suchen inzwischen Sporthalle und Veranstaltungssaal geben wie es früher war“ schon händeringend Leute, weiß Bür- – so seine Vision von einem komplett neu- germeister Barz, aber auch, dass viele en, sehr attraktiven Quartier. Dies inmit- Über die Wiege von Persil und Spee in- Genthiner zur Arbeit in die naheliegenden ten der Stadt, die sich noch immer eine formiert in Genthin das Henkelmuseum. Metropolen pendeln. Auch für sie möchte Schwimmhalle leistet – „Wo sonst könnten Im einstigen Badehaus des Werkes wird er am Genthiner Wasser eine Art Bürger- unsere Kinder schwimmen lernen?“ –, die die Geschichte der Waschmittelproduk- hafen schaffen – ein neues Quartier rund über eine Stadt- und Kreisbibliothek ver- tion am Elbe-Havel-Kanal erzählt und um das alte Stadtkulturhaus. Es soll Woh- fügt und die das Kreismuseum Jerichower der Zeitenwandel auch im Bereich der nen mit Kinderbetreuung, Lernen, Sport Land beherbergt, das in einer Sonderaus- Waschgeräte veranschaulicht. Ein sepa- und Kultur vereinen – gefördert mit Mitteln stellung derzeit über „Handel und Gewerbe rates Waschmuseum ergänzt seit 2011 aus dem Stark-III-Programm. Ein Investor in Genthin im 20. Jahrhundert“ informiert.

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sammen einen Wert von rund 1000 Euro traditionelles Kartoffelfest mit dem Köni- haben, berichtet der Rathaus-Chef. Sein ginnen-Treffen und dem legendären Kar- Amtssitz in einem 1899 im Stil des Histo- toffelsuppen-Wettbewerb. Den Kartoffelan- rismus erbauten Klinkerbau – bereits das bau in der Region hatte einst Friedrich der vierte Rathaus in der Geschichte der Stadt Große angeordnet. Infolge einer großen – ziert mit seinem Staffelgiebel den Markt- Hungersnot in den Jahren 1771/72 wur- platz. Der soll übrigens auf Befehl Friedrich de durch seine „Kartoffelbefehle“ Preußen Wilhelms I. befestigt worden sein, damit zu „Kartoffelpreußen“. „Ein weites Feld“ seine Kürassiere dort exerzieren konnten. sah indes Theodor Fontane in diesem Seit 1994 erinnert auf dem Markt eine Landstrich zwischen Elbe und Elbe-Havel- nostalgische Werbesäule „Dame in Weiß“ Kanal. Er setzte der jungen Ehebrecherin – umgangssprachlich „die Persil-Uhr“ – an Elisabeth von Ardenne, geborene Edle und die Tradition der Waschmittelherstellung in Freiin von Plotho, mit „Effi Briest“ ein lite- Genthin. rarisches Denkmal. Unweit von Genthin, im beschaulichen Dorf Zerben, stand die Feuerwache auf Wiege der „wahren“ Effi. dem Wasserturm Ein Spaziergang durch Zerben, das heute zur Gemeinde Elbe-Parey gehört, führt zu Das markante Wahrzeichen aber ist seit den Orten ihrer Kindheit und Jugend. An- Jahrzehnten der Wasserturm. 1934/35 ders als Fontanes Romanheldin starb die im Zuge der wasserwirtschaftlichen Versor- wahre Effi nicht an gebrochenem Herzen, gung der Stadt errichtet, überragt er weithin sondern schöpfte aus ihrem Leid Mut und sichtbar seine Umgebung. Der 48 Meter Kraft, arbeitete als Krankenschwester, reis- hohe, achteckige, nach oben leicht konisch te viel, bestieg mit 50 Jahren einen Dreitau- werdende Turm wird von acht pfeilerartigen sender, lernte als 60-Jährige Skilaufen und Lisenen aus Beton umspannt, die unten noch später das Radfahren. Im erhaltenen mit 3,20 Meter großen Skulpturen verziert Teil des Elternhauses von Effi alias Elisa- wurden und in luftiger Höhe über einer Aus- beth in Zerben wird die Lebensgeschichte sichtsplattform im Dach münden. der Frau erzählt, die zu Weltliteratur wurde. Als Wasserspeicher hat der Turm zwar seit 1995 ausgedient, nun aber für Kunst, Kul- Grosstrappenschutz tur und Feuerwache eine neue Aufgabe. Auf im Fiener Bruch der Spitze des Turms dient eine Rundum- wärmebildkamera dem Waldbrandschutz. Internationale Bedeutung anderer Art er- Wer die 225 Stufen zur Aussichtsplattform fuhr der wenige Kilometer entfernte Fiener erklimmt, wird durch einen tollen Blick auf Bruch. Jene flache Niederungslandschaft die Stadt und ihre schöne Umgebung be- inmitten des Baruther Urstromtals, die lohnt – bei guter Witterung mit Sicht bis zu einst der Preußenkönig entwässern ließ Im 1925 erbauten „Union Palast“, der im den Türmen von Jerichow und Tangermün- und 200 Jahre später unter Schutz gestellt Jahr 2000 als Kino mit drei Sälen wieder- de und zu den Milower Bergen. Zu Füßen wurde – als Großtrappenschongebiet. In- eröffnet wurde, bietet ein privater Betreiber des Wasserturms liegen der Elbe-Havel-Ka- zwischen ist die Niederung, durch die die regelmäßiges Kinovergnügen an. nal und die grüne Lunge von Genthin – der Landesgrenze zwischen Sachsen-Anhalt Damit sich schon die Allerjüngsten von Volkspark. und Brandenburg führt, im Rahmen des Anfang an heimisch fühlen, spendiert die In dem ursprünglich von Kaufmann Pie- Natura -2000 - Netzes als EU-Vogelschutz- Stadt jedem Baby ein Lätzchen mit dem schel nach Anregungen des Gartenarchi- gebiet ausgewiesen. Die von Gräben Schriftzug „Ich bin ein Genthiner“ be- tekten Peter Joseph Lenné als Gutspark durchzogene Wiesenlandschaft gilt als ziehungsweise. „Ich bin ein Tucheimer“ angelegten 14 Hektar großen Areal laden wichtiger Brutplatz für vom Aussterben oder ein „… Gladauer“, je nachdem, in eine seltene Kugelsonnenuhr, ein Schwa- bedrohte Arten und als Rastplatz für Zug- welcher Ortschaft die Eltern wohnen. Im nenteich, eine Steinbrücke und ein erlese- vögel. Die gefährdeten Großtrappen haben Baby-Begrüßungspaket, das die Stadt mit ner Baumbestand zum Bummeln ein. im Fiener Bruch eines von nur drei Brutge- Hilfe etlicher Sponsoren packt, befinden Alljährlich am dritten Septemberwochenen- bieten in Deutschland. 2001 wurden dort sich kleine Geschenke, Pflegeartikel und de wird der im Stadtteil Altenplathow ge- lediglich fünf Großtrappen gezählt, 2014 Gutscheine, die, werden alle eingelöst, zu- legene Volkspark zur Bühne für Genthins bereits wieder 53. Gudrun Oelze

Zwischenruf 03/2015 – Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt 15 im BliCkPunkt

Senioren wollen nicht aufs Abstellgleis geschoben werden, sondern aktiv und selbstbestimmt an der Gesellschaft teilnehmen, wie hier bei einem Kochkurs.

Selbstbestimmt älter werden Ausgehend von einer Großen Anfrage zum Thema „Selbstbestimmung und Teilhabe im Alter“ hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Entschließungsantrag eingebracht. Dieser wurde jedoch vom Plenum abgelehnt – aus unterschiedlichsten Gründen.

ie Zahl der Pfl egebedürftigen sei eine logische Konsequenz daraus Zeitung hätte gerade den letzten Aspekt in Sachsen-Anhalt ist zwischen und fordert, dass verstärkt auf eine al- vor kurzem plakativ auf den Punkt ge- D 2009 und 2013 um etwa 12 000 ternsgerechte Quartiersentwicklung bracht: „Wer will schon in einem Doppel- Menschen gestiegen, auch die Anzahl der geachtet wird. Darunter verstehen die zimmer sterben?“ Heimplätze hat laut Statistik zwischen Grünen „generationengerechte Sozial- Der Minister für Arbeit und Soziales, 2005 und 2011 stark zugenommen. räume, die Menschen stärken und die Norbert Bischoff (SPD), lehnte die For- Aber nicht nur der demografi sche Wandel es ihnen ermöglichen, gemeinsam älter derung nach einer neuen Landespfl e- nötige die Politik zum Handeln, sondern zu werden“. Laut Grünen-Abgeordnete gekonzeption ab, da viele Punkte aus auch der Wunsch der Bevölkerung, er- könnten sich so idealerweise lokale Ver- dem Entschließungsantrag bereits in klärte Grünen-Abgeordnete Cornelia Lüd- antwortungsgemeinschaften entwickeln. den vom Land erarbeiteten seniorenpo- demann. Ihrer Ansicht nach möchten die Zum Aufbau derartiger Quartiere sei ein litischen Leitlinien bis 2020 enthalten meisten Menschen gerne selbstbestimmt Quartiersmanager nötig, der über ein seien. altern, so lange wie möglich in der eige- Förderprogramm fi nanziert werden soll- Beispielhalft nannte der Minister den nen Wohnung leben und an der Gesell- te. Außerdem plädiert ihre Fraktion dafür, Quartiersansatz, das Care-Management schaft teilhaben. die Beratungsstelle „Prävention im Alter“ und die Verbesserungen der Bedin- Lüddemann warf der Landeregierung (PiA) für Kommunen auszubauen. gungen für das Zuhause-Wohnen. Die vor, das Thema „Selbstbestimmung und Weitere Forderungen der Grünen waren: Leitlinien seien so angelegt, dass sie Teilhabe“ nicht ernsthaft und konse- die Neufassung der Pfl egeverordnung, stetig weiterentwickelt werden könnten, quent genug anzugehen. Sie vermisst die Prüfung der gesetzlichen Veranke- es handle sich daher um eine nachhal- eine Landespfl egekonzeption und den rung von Pfl egekonferenzen und lang- tige und konsequente Beschäftigung politischen Willen, das Gemeinwesen fristig die Senkung der Doppelzimmer- mit dem Thema, sagte Sozialminister zu stärken. Der Entschließungsantrag quote in Alten- und Pfl egeheimen. Eine Bischoff.

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Die Leitlinien seien zudem vom Wohn- würden zwei Drittel der Pflegebedürfti- und Teilhabegesetz flankiert worden, gen ambulant gepflegt, das liege jedoch Milchbauern sodass er die Entwicklung eines neuen an den Angehörigen und nicht am Aus- Eckpunktepapiers für nicht notwendig bau der ambulanten Pflege. muss geholfen erachte. Er regte an, schon frühzeitig Dirlich bezweifelte, ob dies wirklich im auch jüngere Menschen in den Blick zu Sinne der älteren Menschen sei, da An- werden nehmen und generationsübergreifen- gehörige oft nicht ausgebildet und mit des Wohnen zu fördern, denn niemand der Situation überfordert seien. Umso ängst hat die Krise auf dem wolle im Alter nur unter alten Men- wichtiger sei die Frage der Beratung. L Milchmarkt auch Sachsen- schen sein. Hier müsse sie jedoch konstatieren, Anhalt erreicht. Derzeit erhalten Auch die weiteren Forderungen der dass die Zahl der Pflegeberater/innen Milchbauern nur noch 26 bis 28 Grünen entkräftete der Minister mit in den vergangenen Jahren sogar leicht Cent pro Liter, dem gegenüber ste- dem Verweis auf bereits vorhandene gesunken sei. hen Kosten von 36 bis 40 Cent. Möglichkeiten. So könnten die PiA-Be- Der Verweis der Landesregierung auf Dass den knapp 500 Milchviehbe- ratungsstellen bei Bedarf schon heute „ehrenamtliches Engagement“ ist rich- trieben in Sachsen-Anhalt geholfen Kommunen im Bereich alternsgerechte tig und diese sei auch sehr lobenswert. werden muss, darüber waren sich Quartiersentwicklung beraten, und die Es könne jedoch nicht als Allheilmittel alle Fraktionen einig. Aber wie weit Finanzierung von Quartiersmanagern für „klamme Kassen“ herhalten, sagte der Staat regulierend in den Markt sei durch Mittel aus dem Bereich der Dirlich. eingreifen darf, wurde intensiv dis- Städtebauförderung möglich. Den Entschließungsantrag beschrieb kutiert. Den Wunsch nach weniger Doppelzim- die Linken-Abgeordnete als „sehr voll- Die Fraktionen DIE LINKE und mern in Pflegeheimen relativierte er, gepackt“ und befürchtet, dass von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN forder- zum einen seien die Interessenslagen Seiten der Landesregierung nicht mehr ten unter anderem die Einführung der Menschen sehr verschieden. Zum mit einer konzeptionellen Arbeit vor eines kostendeckenden Milchprei- anderen gelte auch in der Pflege das Ende der Legislaturperiode zu rechnen ses. Krisenbedingte Risiken dürf- Wettbewerbsprinzip. Sollte es demnach sei. Aus Mangel an Erfolgsaussichten ten nicht allein von den Milchbau- eine verstärkte Nachfrage nach Einzel- werde ihre Fraktion den Antrag daher ern getragen werden. zimmern geben, werde der Markt dies ablehnen. Die Linken sprachen sich zudem schon regeln. Für eine Große Anfrage sei der Fokus explizit für ein Anreizsystem aus, Dietmar Krause (CDU) schloss sich im der Grünen auf das Thema „Stationäre damit Betriebe im Krisenfall ihre Wesentlichen den Äußerungen des Mi- Alten- und Pflegeheime“ und „Altenge- Milchproduktion reduzieren. nisters an. Das Prinzip „ambulant vor rechte Quartiersentwicklung“ zu wenig, Diesen Vorschlag bezeichnete stationär“ gewinne immer mehr an Be- kritisierte Dr. Verena Späthe (SPD). Man- Landwirtschaftsminister Dr. Her- deutung. Er begrüßte die Vielfalt von che Fragen empfand sie zudem als irri- mann Onko Aeikens als „Utopie“ Beratungsmöglichkeiten zum Themen- tierend, nicht alle genutzten Begrifflich- und „staatlichen Dirigismus“. Er komplex und zeigte sich gerade im länd- keiten seien heutzutage mehr gängig. setze stattdessen auf die bereits lichen Raum zufrieden mit dem Prinzip Späthe hatte daher den Eindruck, dass angelaufenen Programme (Stun- der vernetzten Pflegeberatung. Teile der Anfrage aus anderen Bundes- dung und Herabsetzung von Steu- Darüber hinaus, erklärte der CDU-Abge- ländern übernommen worden seien, ein erzahlungen), um Milchbauern ordnete, sei die Infrastruktur der Pflege sachkundiger Leser bleibe in jedem Fall liquide zu halten. Sein Vorschlag, in Sachsen-Anhalt gut aufgestellt. Mit ratlos zurück. die Landgesellschaft könnte Flä- Blick auf die Opposition sagte Krause, Ebenfalls kritisch sah sie den Begriff „al- chen der Milchbauern kaufen und es wäre schön, wenn diese anerkennen ternsgerecht“. Dieser werde ursprüng- sie zwischenzeitlich mit einer Rück- würde, was die Landesregierung im Be- lich in der Wirtschaft und Industrie ver- kaufoption verpachten, stieß auf reich des altersgerechten Wohnens und wendet und beziehe sich hauptsächlich Unverständnis bei der Opposition. der Pflege bereits auf den Weg gebracht auf „altersgerechte Arbeitsplätze“. Den SPD und CDU begrüßten die Vor- habe. Begriff nun auch im sozialen Kontext schläge des Ministers sowie die Hinsichtlich der Großen Anfrage fällt das anzuwenden, hält sie für sehr gewagt. geplanten Hilfen aus Brüssel. Al- Resümee von Sabine Dirlich (DIE LINKE) Daneben betonte sie, das Thema Quar- lerdings äußerten sie Zweifel, ob ernüchternd aus. Trotz aller Bemühun- tiersmanagement sei nicht erst seit diese ausreichen werden, um alle gen sei es nicht gelungen, den Anteil gestern in aller Munde und nicht an Milchbauern im Land zu retten. der ambulanten Pflege gegenüber der Sachsen-Anhalt vorübergegangen. Stefanie Böhme stationären deutlich zu steigern. Zwar Stefanie Böhme

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Wichtige Weichen gestellt

Von A wie Aufnahmegesetz bis Z wie Zulassung zur Hochschule – die Integration von mehr als 20 000 Flüchtlingen in Sachsen-Anhalt fordert Politik und Gesellschaft in vielen unterschiedlichen Bereichen.

in Studium dürfe nicht aus aufent- DIE GRÜNEN) machte Unterschiede bei haltsrechtlichen Gründen unter- der Frage aus, für wen die Angebote der E sagt werden und sollte trotz Asyl Hochschulen gelten sollten. Während im möglich sein. Das war der Tenor eines Antrag der Linken auch Flüchtlinge mit Antrags der Fraktion DIE LINKE. Außer- „ungeklärtem Aufenthaltsstatus“ einbe- dem seien Veränderungen hinsichtlich zogen würden, spreche der Antrag der der Ausbildungsförderung, aber auch Koalitionsfraktionen von „Gefl üchteten spezielle Sprach- und Vorbereitungskur- mit Aufenthaltsstatus“. Daher unter- se nötig, erläuterte Hendrik Lange (DIE stützten die Grünen den Antrag der Frak- LINKE). Er lobte das bereits erfolgte tion DIE LINKE. Dieser wurde allerdings Engagement der Hochschulen (insbe- abgelehnt und stattdessen dem Alterna- sondere der Hochschule Magdeburg- tivantrag zugestimmt. Stendal) und den Erlass der Landesre- gierung über den Hochschulzugang für dublin-abkommen Flüchtlinge. Wichtig sei zudem der Aus- überprüfen bau des Studienkollegs zur Vorbereitung auf ein Studium. Bereits im Juni 2014 hatte sich Fraktion Im Wesentlichen waren sich beim The- DIE LINKE mit einem Antrag dafür einge- ma Hochschulzugang alle Fraktionen setzt, „faire Chancen für Asylsuchende einig, was auch der nur leicht verän- im „Dublin-Verfahren“ zu sichern. Da- derte Alternativantrag der Koalitions- mals wurde der Antrag in den Ausschuss fraktionen bewies. So stimmte Hartmut für Inneres und Sport überwiesen. Etwa Möllring, Minister für Wissenschaft und ein Jahr später informierten sich fünf Mit- Wirtschaft (CDU), dem Linken-Politiker glieder dieses Ausschusses in verschie- zu, dass Bildung ein hohes gesellschaft- denen Flüchtlingslagern auf Sizilien über liches Gut sei, egal ob die Flüchtlinge die Lage der dort ankommenden Flücht- für immer blieben oder später in ihrem linge und die Herausforderungen für lo- Heimatland zum Aufbau des Landes bei- kale Politiker und Hilfsorganisationen. tragen würden. Er versicherte, dass es Kurz nach der Reise brachte die Fraktion kündigung ohne anderweitige Regelungen Überlegungen gebe, weitere fi nanzielle DIE LINKE einen neuen Antrag ein, dies- führe zu einem ungesteuerten Zustrom in Mittel für die Hochschulen bereitzustel- mal baten sie den Innenminister, sich auf ein ganz bestimmtes Mitgliedsland der len. Bundesebene für die „Überwindung des EU. Für Henriette Quade (DIE LINKE) ist Dr. Katja Pähle (SPD) sagte, nicht alle Dublin-Abkommens“ einzusetzen. Auch die Beschlussempfehlung des Ausschus- Flüchtlinge würden hochgebildete Akade- dieser Antrag wurde in den Ausschuss ses nicht zufriedenstellend. Zusammen- miker sein, dies sei jedoch nicht schlimm. überwiesen. Nach eingehender Beratung gefasst bedeute sie ihrer Ansicht nach: Denen, die es sind, müsse frühzeitig ge- hat dieser nun eine Beschlussempfeh- „Wir wissen zwar, dass Dublin nicht funk- zeigt werden, welche Möglichkeiten sie lung erarbeitet, die eine „Überprüfung tioniert, aber es soll konsequent ange- in Sachsen-Anhalt hätten. Uwe Harms des Dublin-Übereinkommens“ vorsieht. wandt werden.“ Schließlich solle sich der (CDU) ergänzte, dass Flüchtlinge nicht Dazu sagte Innenminister Holger Stahl- Landtag zur konsequenten Anwendung nur eine Studien-, sondern auch eine knecht (CDU): „Die Dublin-Vereinbarung der EURODAC-Verordnung bekennen. Das Berufsberatung erhalten sollten. Denn ist nicht mehr zeitgemäß, aber die Um- sei kein erstrebenswertes europäisches die Berufsausbildung im Handwerk biete stellung vom Dublin-Verfahren auf eine Asylsystem, sondern ein System der Ab- ebenfalls jede Menge Chancen. gerechtere Vereinbarung in Europa bedarf schottung, das Menschen in die Arme von Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/ zunächst Regelungen.“ Die einseitige Auf- Schleusern treibe, so Quade.

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Jens Kolze (CDU) betonte, Deutschland Herkunftsländer, wie von den Linken ge- finanzausGleich und stehe zu seiner humanitären Verpfl ich- wünscht, seien kein Krisenmanagement, aufnahmeGesetz ändern tung, allerdings könnten Deutschland sondern Utopie. Die aktuelle Situation und Schweden den Zustrom nicht allein zeige ganz eindeutig, dass das Dublin- Die Landesregierung hat einen Gesetzent- bewältigen, es bedürfe einer gemeinsa- Verfahren nicht tragbar sei, erklärte Sö- wurf in den Landtag eingebracht, durch men europäischen Anstrengung. Ein Blei- ren Herbst (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). den das Aufnahme- und das Finanzaus- berecht für alle, Freizügigkeit in der EU Die Beschlussempfehlung sei eine Ne- gleichsgesetz geändert werden sollen. und die Balkanstaaten als nicht sichere gierung des Antrags der Linken und kön- Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) er- klärte, dass 48 Millionen Euro aus dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) ins Aufnah- megesetz fl ießen und den Kommunen helfen sollen, die anstehenden Aufgaben bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu be- wältigen. Die Kommunen erhalten Fallpau- schalen in Höhe von 8 600 Euro pro Asyl- bewerber und Jahr, die sie vierteljährlich abrufen können. Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass medizinische Leistungen bei Krank- heit, Schwangerschaft, Geburt oder Hilfe zur Pfl ege gesondert erstattet werden, so- weit sie einen Betrag von 10 000 Euro je Person im Kalenderjahr übersteigen. Da- rüber hinaus beabsichtigt Bullerjahn, den Kommunen für 2015 und 2016 jeweils eine Einmalzahlung in Höhe von 25 Millio- nen Euro zukommen zu lassen. Grundsätzlich zeigten sich alle Fraktionen zufrieden mit den Vorschlägen des Finanz- ministers und unterstrichen, es sei richtig, die Kosten aus dem FAG zu fi nanzieren. Die Linken äußerten Zweifel, ob die 48 Mil- lionen Euro ausreichen würden und ob die Pauschalierung der richtige Weg sei. Die SPD hielt eine Mischung aus Pauschal- und Spitzabrechnung für möglich. Die CDU Täglich machen sich Tausende begrüßte es, dass die Pauschale nicht Teil Flüchtlinge auf den gefährlichen Weg ne nicht unterstützt werden. Er bezeich- des Gesetzes ist, sondern eine Verord- über das Mittelmeer nach Europa. Nicht nete die Empfehlung und die Debatte als nung. Somit könnte sie leichter den aktu- alle kommen an. Hier retten Soldaten „zynisch“ und verwies darauf, was arme ellen Gegebenheiten angepasst werden. der Bundesmarine Schiffbrüchige aus Länder wie die Türkei oder der Libanon Die Grünen plädierten in ihrem Änderungs- dem Mittelmeer. derzeit leisteten, indem sie sich um Milli- antrag unter anderem dafür, dass weiter- onen von Flüchtlingen kümmerten. hin an dem Grundsatz festgehalten werde, Auch Silke Schindler (SPD) vertrat die in den Kommunen möglichst dezentrale Auffassung, dass Dublin gescheitert ist. Unterbringungsmöglichkeiten zu suchen. „Wir dürfen kein Europa der Abschottung Außerdem sollen örtliche Steuereinnah- werden.“ Die Flüchtlinge würden immer men nicht mehr zu 100 Prozent bei der einen Weg fi nden. Die Verantwortung für Bedarfsermittlung angerechnet werden, die Flüchtlinge müsse in Europa gemein- um die Eigenverantwortlichkeit der Kom- sam getragen und die Lasten solidarisch munen zu stärken. verteilt werden. Der Beschlussempfeh- Der Gesetzentwurf wurde zur Beratung in lung wurde mit den Stimmen von CDU die zuständigen Ausschüsse überwiesen. und SPD zugestimmt. Stefanie Böhme

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Überholte Zahlen, neue Debatte

Die Aussprache zur Großen Anfrage zum Thema „Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Sachsen-Anhalt“ entwickelte sich kurzerhand zur Generaldebatte über die Flüchtlingspolitik im Land.

leich vorweg: Schnelle Entschei- DIE GRÜNEN). Einwanderung müsse als Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zei- dungen wurden bei dem mo- Chance und nicht als Bedrohung wahr- tung seien mittlerweile 60 Millionen Men- G mentan so vielfältig und auch genommen werden. Denn wir bräuchten schen auf der Flucht und größtenteils auf emotional diskutierten Thema Flüchtlings- Einwanderung, so Herbst, da die Bevölke- dem Weg nach Europa. Europa bestehe al- unterbringung nicht getroffen. Stattdessen rungszahl sinke und damit auch die Zahl lerdings nicht nur aus Deutschland, so der wurden alle Drucksachen des Tagesord- der Menschen, die sozialversicherungs- Innenminister. Womit die Bundesrepublik nungspunktes 5 der September-Sitzungs- pflichtige Jobs wahrnähmen. konfrontiert werde, sei nicht vorauszuse- periode in die Ausschüsse für Inneres und Herbst kritisierte, dass die ZASt Halber- hen gewesen. „Wir werden die Herausfor- Sport sowie für Recht, Verfassung und stadt nicht ausreichend hergerichtet wor- derungen meistern – gemeinsam mit den Gleichstellung überwiesen. Zu den Ergeb- den sei. Die Landesregierung hätte viel Landräten und unter Einhaltung der gülti- nissen der Großen Anfrage wurde von den eher erkennen müssen, dass diese eine gen Gesetze“, erklärte Stahlknecht. Es fragestellenden Grünen wie auch vom Rest ZASt nicht ausreiche. Die Öffnung weiterer müsse darum gehen, die Kulturen zuein- des Plenums kaum mehr Stellung bezogen Stellen Mitte des nächsten Jahres sei zu anderzubringen und Integration im gültigen – die kurze Zeit zwischen den Antworten spät. „Die Aufnahme von Flüchtlingen ist Rechtsrahmen zu betreiben. Stahlknecht der Landesregierung und der realen Tages- eine gesetzliche Verpflichtung, für die es verfolge somit eine konservative wie auch politik hatte genügt, um das umfangreiche keine Obergrenze gibt. Für Flüchtlinge ist liberale Asylpolitik. Datenmaterial über Aufnahme und Unter- das Boot niemals voll.“ Die Grünen spre- Viele Bürgerinnen und Bürger im Land hät- bringung von Flüchtlingen in Sachsen-An- chen sich für eine dezentrale Unterbrin- ten Angst vor der stetig wachsenden Zahl halt im Detail veralten zu lassen. So also gung der Flüchtlinge aus. von Flüchtlingen, sagte Patrick Wanzek stand die Flüchtlingspolitik als solche im „Wir stellen uns verspätet der Realität“, (SPD). Es gelte, die Bevölkerung frühzeitig Fokus der Redebeiträge. bekannte Innenminister Holger Stahl- zu informieren und aufzuklären. Er lobte Das Land stehe vor einem Einwanderungs- knecht (CDU), „nämlich den Folgen einer die große Hilfsbereitschaft der Menschen prozess, der uns herausfordere – dieser verfehlten Nahostpolitik.“ Es handle sich im Land, diese Hilfe sei eine unbezahlba- müsse angenommen und bewältigt wer- mittlerweile weniger um eine Asylfrage als re Arbeit und eine gelebte Willkommens- den, erklärte Sören Herbst (BÜNDNIS 90/ vielmehr um eine Völkerwanderung. Nach kultur. Es sei richtig, weitere Erstaufnah-

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mestellen im Land zu installieren, da Es sei nicht hinnehmbar, dass Menschen Kommunen mit neuer die Landkreise anderenfalls überfordert in Zelten leben müssten, die sonst nur wären. Die Aufnahme der Asylsuchenden im Katastrophenfall zum Einsatz kämen. Einnahmequelle und ihre Integration sei eine gute Chance, „Aufgrund der weiterhin anhaltend hohen emeinden sollen zukünftig junge Fachkräfte zu gewinnen. „Jeder Euro, Asylantragsstellungen und der geänder- G alle Ordnungswidrigkeiten den wir in Qualifizierung stecken, wird sich ten Verfahrensweise bezüglich der Ver- im ruhenden Verkehr per Bußgeld mehrfach auszahlen“, sagte Wanzek. Der teilung von unbegleiteten minderjährigen selbst ahnden können. Das geht Flüchtlingen (UMF) ist unverzüglich eine aus einem Gesetzentwurf der Lan- zweite Clearingstelle in Sachsen-Anhalt desregierung hervor, der während einzurichten“, heißt es zudem im Ände- der September-Sitzungen diskutiert rungsantrag, den die Linken einbrachten. wurde. Bisher waren Gemeinden nur Die Unterbringung der Flüchtlinge sei kei- für „geringfügige Ordnungswidrigkei- ne Katastrophe, wenn man keine Kata- ten“ zuständig. Für alle anderen war strophe daraus mache, betonte Quade das Land verantwortlich und erhielt abschließend. somit auch die entsprechenden Ein- Die Flüchtlingsfrage habe eine histo- nahmen. Der Gesetzentwurf wurde rische Dimension erreicht, sie sei die in die Ausschüsse überwiesen. größte innen- wie außenpolitische Auf- gabe geworden, erklärte André Schröder Neue Regelungen (CDU). „Angesichts der Dynamik müssen wir Probleme auch benennen dürfen“, für ZDF-Gremien betonte Schröder. Politik brauche nicht er Rundfunkstaatsvertrag nur Optimismus, sondern auch Realitäts- D zwischen allen 16 Bundes- sinn. Der von den Grünen eingeforderte ländern wird zum 17. Mal geän- Konsens, Zuwanderung als Gewinn zu dert. Wesentlicher Schwerpunkt betrachten, sei längst da. Aus Sicht der dieser Überarbeitung ist die ver- CDU-Landtagsfraktion sei Zuwanderung fassungskonforme Zusammenset- Eine Zeltstadt als Unterkunft aber nur sinnvoll, wenn sie nach eigenen zung der Gremien des ZDF unter für Flüchtlinge in der Zentralen Vorstellungen gesteuert werden könne. den Gesichtspunkten Staatsferne, Anlaufstelle für Asylbewerber Der humanitäre Flüchtlingsschutz bleibe Vielfaltsangebot, Aktualität und des Landes Sachsen-Anhalt in richtig, ebenso die Integration von den- Gleichstellung. Der Gesetzentwurf Halberstadt: Für den Winter jenigen mit Bleibeperspektive; mit der wurde zur weiteren Beratung in sollen bessere Lösungen gefunden bloßen Verteilung der Menschen im Land den Ausschuss für Bundes- und werden. sei es nicht getan. Europaangelegenheiten sowie Me- Die CDU-Landtagsfraktion spricht sich dien überwiesen. für verbindliche Verteilquoten auf die eu- ropäischen Staaten aus und setzt auf die Umweltstiftung mit Beschleunigung der Asylverfahren. Unter anderem wird ein längerer Verbleib in der mehr Aufgaben ZASt angestrebt, bis der Asyl-Bescheid ie Fraktionen von CDU und vorliegt. Albanien, Montenegro und das D SPD legten während der Sep- SPD-Politiker verwies zudem auf die seit Kosovo sollen endlich als sichere Her- tember-Sitzungen des Landtags dem 1. September aktive Servicestelle für kunftsländer anerkannt werden, sagte einen Gesetzentwurf zur Änderung interkulturelle Kompetenz und die zusätzli- Schröder, der zudem ein Wiedereinreise- des Gesetzes über die „Stiftung chen finanzierten Sprachkurse für alle Asyl- verbot innerhalb von drei Jahren für abge- Umwelt, Natur- und Klimaschutz suchenden, unabhängig von ihrem Status. wiesene Asylsuchende einfordert. des Landes Sachsen-Anhalt“ vor. Die Zahl der Flüchtlinge steige weltweit – Der Themenkomplex Flüchtlinge und Damit soll die Arbeit der Stiftung es sei also wahrlich keine Überraschung Asyl hat den Landtag während der Sep- zukünftig stärker in Aufgaben des gewesen, dass auch Sachsen-Anhalt sei- tembersitzungen vielfach beschäftigt. Landes einbezogen werden. Am nen Anteil zu leisten habe, sagte Henriette Zahlreiche Gesetzesinitiativen und An- Ende der Debatte wurde der Ge- Quade (DIE LINKE). Dass die Landesregie- träge waren auf die Aufnahme und Un- setzentwurf in den Ausschuss für rung jetzt – wenn auch verspätet – Aus- terbringung geflüchteter Menschen aus- Umwelt überwiesen. weichquartiere suche, sei ohne Alternative. gerichtet. Dr. Stefan Müller

Zwischenruf 03/2015 – Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt 21 aus dem plenum

Klarheit beim Hundegesetz neu, Hochwasserschutz it einem Gesetzentwurf setzt Rasseliste bleibt M sich die Landesregierung unter anderem für die Änderung des Na- turschutzgesetzes und des Wasser- Hundebesitzer in Sachsen-Anhalt schöpfen Hoffnung, denn das seit gesetzes des Landes ein. Letzteres 2013 bestehende und umstrittene „Hundegesetz“ soll geändert soll um Vorschriften ergänzt werden, werden. Im September-Plenum wurde ein erster Gesetzentwurf der die eine zügige Verfügbarkeit von Fraktionen von CDU und SPD diskutiert. Flächen ermöglichen, um Vorhaben des öffentlichen Hochwasserschut- it der Gesetzesänderung soll sonders die Halter ihren Anteil am Gefah- zes schneller umsetzen zu können. zum einen der Bewertungs- renpotenzial eines Hundes haben. Der Gesetzentwurf wurde in die Aus- M und Beurteilungsspielraum der Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE schüsse überwiesen. Behörden erweitert werden, erläuterte GRÜNEN) kritisierte die Rasseliste als Jens Kolze (CDU). Zum anderen soll ein „einseitig, diskriminierend und letztend- Wo kehrt der unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand lich willkürlich“. Seiner Ansicht nach sei bei kleineren Vorfällen vermieden wer- das Gesetz „Murks“, die Rasseliste ge- Schornsteinfeger? ie Zuständigkeiten nach dem D Schornsteinfeger-Handwerksge- setz und die allgemeine Gebührenord- nung müssen laut einem Gesetzent- wurf der Landesregierung geändert werden. Das veränderte Gesetz sieht keine Bewerberliste für Schornstein- feger mehr vor. Durch das Landesver- waltungsamt werden die Kehrbezirke nunmehr ausgeschrieben und die Bewerber ausgewählt. Der Gesetzent- wurf wurde am Ende in die Ausschüs- se für Wissenschaft und Wirtschaft (federführend) sowie für Inneres und Zwar soll an der „Rasseliste“ höre abgeschafft und stattdessen der Sport (mitberatend) überwiesen. festgehalten werden, zukünftig soll Hundeführerschein eingeführt. Nadine aber stärker von Hund zu Hund Hampel (SPD) begrüßte die Gesetzesän- Ergänzungen im differenziert werden. Denn bisher derung und unterstrich insbesondere den konnte auch ein Schoßhündchen größeren Ermessensspielraum der Behör- Versorgungsrecht nach einem Beißvorfall auf dem den. So müssten nach der Novellierung aut einem Urteil des Bundes- Papier zum „Kampfhund“ erklärt beispielsweise bei Bagatellfällen nicht L verfassungsgerichts waren die werden. mehr die behördlichen Automatismen in Grundgehaltssätze der R-1-Besol- Gang gesetzt werden. dung der Jahre 2008 bis 2010 in Gudrun Tiedge (DIE LINKE) erklärte, seit Sachsen-Anhalt nicht verfassungs- fast zehn Jahren beschäftige sich der gemäß bemessen. Durch die Ver- Landtag mit dem Thema, es habe diver- änderung des Gesetzes sollen nun se Anhörungen gegeben, die dort geäu- verfassungskonforme Regelungen ßerten kritischen und mahnenden Worte hergestellt und der Verfassungsver- den. Die generelle Rasseliste bleibe je- hätten allerdings nichts bewirkt. Stattdes- stoß rückwirkend behoben werden. doch Bestandteil des Gesetzes, erklärte sen sei einer der Hauptkritikpunkte der Die Kosten betragen in etwa 0,9 Milli- der CDU-Politiker. Es gebe keine gesicher- Anzuhörenden (die Rasseliste) ignoriert onen Euro. Der Gesetzentwurf wurde ten Erkenntnisse, dass die genetische worden und finde sich weiterhin im neuen nach der Debatte im September in Disposition eines Hundes nicht einen Teil Gesetzentwurf wieder. Dieser wurde nach die Ausschüsse überwiesen. zu seiner Gefährlichkeit beitrage, obwohl der Debatte in den Ausschuss für Inneres natürlich auch Umwelteinflüsse und be- und Sport überwiesen. Stefanie Böhme

22 auS DEm PlEnum

personalreform nicht beendet

Gibt es eine Zwischenlösung, wenn es um die Personalentwicklung im Land geht? Die Linken fordern mehr Stellen, die Landesregierung hätte die auch gern – muss aber wie immer auf die Landesfi nanzen achten.

Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE bau. Es werde das fatale Signal ausge- Weitere 5 000 Stellen müssten Buller- sind die im Personalentwicklungskon- sandt, dass es hier um ein Land gehe, in jahn zufolge noch gestrichen werden, um zept (PEK) des Landes notierten Zielzah- dem Schrumpfungsprozesse möglichst auf den Bediensteten-Durchschnitt der len beim Personal (insbesondere in den schnell realisiert würden. Die Linken Länder zu kommen. Bereichen Schule und Polizei) nicht aus- forderten in ihrem Antrag unter ande- Das PEK soll seit jeher dazu dienen, die reichend. Trotz mehrfacher Korrekturen rem einen aktiven Personalbestand von Personalausgaben der unmittelbaren seitens der Landesregierung seien Un- 14 300 Vollzeitlehrern, um die nötige Landesausgaben bei 25 Prozent des Haushalts zu stabilisieren, erklärte Eva Feußner (CDU). Man befi nde sich in ei- nem laufenden Prozess, die Zielzahlen würden regelmäßig hinterfragt, vor allem wenn die Altersabgänge höher als der ge- plante Einstellungskorridor ausfi elen. In den Bereichen Schule und Polizei habe es mehrfach Nachjustierungen gegeben. In ihrem Alternativantrag sehen CDU und SPD eine Erhöhung der bestehen- den 550 Lehrerausbildungsplätze an den Hochschulen des Landes auf 700 Ausbildungsplätze vor. Auch über eine Er- höhung der Personalzahl bei der Polizei Ein Streifenwagen der Polizei werde diskutiert. im Einsatz. Nach Ansicht der Laut Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS Linken braucht das Land mehr Unterrichtsversorgung sicherzustellen. 90/DIE GRÜNEN) habe der Finanzminis- Beamtinnen und Beamte im Auch der jährliche Verlust von 300 aus- ter deutlich gemacht, dass er in einem aktiven Vollzug. scheidenden Beamtinnen und Beamten Denkmodell gefangen sei und keine neu- im aktiven Vollzugsdienst der Polizei en Perspektiven einnehmen könne. Es könne mit dem aktuellen Einstellungs- sei ein großer Fehler, die Personalpolitik korridor leider nicht ausreichend ersetzt mit Vergleichswerten zu steuern, stellte werden. Dalbert klar: „Wir brauchen eine Politik, Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) ließ die sich traut, Komplexität als Herausfor- terrichtsausfall und die erhebliche Belas- Gallerts Kritik nicht lange auf sich sitzen: derung anzunehmen“, eine aufgabenori- tung bei der Polizei an der Tagesordnung. Das Land befände sich noch immer im entierte Personalpolitik sei vonnöten. Mit einem Antrag wollten die Linken im Schuldensumpf, wenn die Linken Politik Seit den 1990er Jahren sei ein gewal- September-Plenum eine grundsätzliche nach ihrer Fasson gemacht hätten. Laut tiger Reformprozess im Land vollzogen Neuorientierung des Personalentwick- der neuen „Statistik der Länder“ habe worden, der Personalabbau sei aufgrund lungskonzeptes erreichen. CDU und SPD Sachsen-Anhalt mit 20,2 Vollzeitstellen des Bevölkerungsrückgangs jedoch wei- konterten mit einem am Ende der Debat- auf 1 000 Einwohner das meiste Perso- terhin nötig, so Krimhild Niestädt (SPD). te angenommenen Alternativantrag. nal aller Bundesländer. Wer die öffentli- „Wir sollten bei der Zahl 18 (Angestellte) Das PEK sei zwar eines der zentralen chen Stellen im Land als zu wenig betitle, auf 1 000 (Einwohner) bleiben“, erklär- Projekte der Landesregierung in dieser handle unredlich, so der Finanzminister. te Niestädt, dazu müsse es dann eine Legislaturperiode, erklärte Wulf Gallert Ohne den schon geleisteten Personalab- fl exible Handhabung geben, wie diese (Linke), bei der „Entwicklung“ handele bau von 14 000 Stellen müssten bis zu Stellen innerhalb des Landes verteilt es sich jedoch lediglich um Personalab- 900 Millionen Euro mehr gezahlt werden. würden. Dr. Stefan Müller

Zwischenruf 03/2015 – Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt 23 rückblick

Ein Hauch von Geschichte

Die „Vereinigung ehemaliger Abgeordneter des Landtages von Sachsen-Anhalt e. V.“ feiert dieser Tage ihr 20-jähriges Bestehen. Mit einem Festakt im Magdeburger Landtag wurde das Jubiläum würdig begangen.

er hatte nicht schon mal das Gefühl, etwas verpasst zu W haben, das unwiederbring- lich der Vergangenheit angehört und nicht wiederholt werden kann? Dabei zu sein, wenn der erste Mensch auf dem Mond landet, wenn die 100-Meter-Staffel überraschend Olympiagold gewinnt oder wenn nach 40 Jahren Diktatur in einem Staat über Nacht die Demokratie Einzug hält und neue Landesparlamente entste- hen? Prof. Dr. Klaus Töpfer, ehemaliger Bundesumweltminister, fühlte genau dieses „Verpassen“, während er beim Jubiläum der Ehemaligenvereinigung im Magdeburger Landtag seinen Redebei- trag darbot: Kurz zuvor hatte Prof. Dr. Konrad Breitenborn, Abgeordneter der 1. Legislaturperiode in Sachsen-Anhalt, von den Erlebnissen der Aufbruchsjahre berichtet, als der sprichwörtliche Ruck Der Vorstand der Ehemaligen­ durch die Republik ging und Land, Land- es gegeben, an deren Ende lediglich das vereinigung auf der Tribüne des tag und Landesregierung allen Widrig- Singen der Nationalhymne. „Kaum einer Landtags (oben). keiten eines Neuanfangs zum Trotz neu wusste, was mit seinem Mandat zusam- Der ehemalige Bundesumwelt­ entstanden. Es sei ein so lebendiger Vor- menhing“, erklärte Breitenborn, denn minister Prof. Dr. Klaus Töpfer trag gewesen, dass man sich wünschte, alle seien doch keine „gelernten Poli- (kl. Foto links) dabei gewesen zu sein, staunte Töpfer. tiker“ gewesen. „Wir waren eine bunte und der frühere FDP-Abgeordnete Seine letzte Rede im Landtag hielt der politische Gemeinschaft in Aufbruchs- Prof. Dr. Konrad Breitenborn damalige FDP-Abgeordnete Konrad Brei- stimmung – Ingenieure, Ärzte, Theolo- während ihrer Festreden. tenborn am 4. Mai 1994. Mehr als 25 gen, Naturwissenschaftler, Lehrer und Einmütig zusammen: Ehemalige und Jahre später stand er nun noch einmal viele andere Berufe kamen zusammen“, aktuelle Abgeordnete teilten sich die am Rednerpult eines Plenarsaals und erinnerte sich der Historiker Breitenborn. Sitzreihen im Plenarsaal erinnerte an die erste Sitzung des Par- Die Politik-Infrastruktur habe erst nach (gr. Foto rechts oben). laments am 28. Oktober 1990, die sei- der Bestimmung Magdeburgs als Lan- nerzeit im Kultursaal der Johann-Philipp- deshauptstadt in Angriff genommen Becker-Kaserne in Dessau stattfand. Ein werden können. Nach den ersten sechs die Hochschulen bis hin zu Treuhand und Hauch von Geschichte sei durch den Sitzungen des neuen Parlaments in der Spielbanken. Auch die neue Verfassung Saal geweht, als der Ministerpräsident Dessauer Kaserne zogen die Abgeordne- des Landes Sachsen-Anhalt sei verab- (Dr. Gerd Gies) gewählt und die Haupt- ten im Januar 1991 in den Magdeburger schiedet worden. stadtfrage (57:49 Stimmen für Magde- Plenarsaal um. In den 62 Sitzungen der Auch Klaus Töpfer schöpfte aus eigenen burg statt Halle) entschieden worden 1. Wahlperiode wurden „Gesetze am Erinnerungen an jene Jahre: „Wir haben waren. Wenig feierlich sei es dennoch laufenden Band“ verabschiedet, exakt viel zusammen gedacht und getan“, so gewesen, nicht einmal das antizipierte 200, rekapitulierte Breitenborn – von der mittlerweile 77-jährige Politiker. Er Musikstück zum Beginn der Sitzung habe Gesetzen zur Umwelt und Chemie über habe Erinnerungen an Menschen und

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Aufgaben, die ihn an diese Zeit denken wann im Sinne der Kostenreduzierung del, Vorsitzender der Ehemaligenverei- ließen und die ihn gelehrt habe, nie diskutiert wird. nigung, blickte auf das Jahr 1990 als davon auszugehen, dass etwas nicht Die Abgeordneten der mittlerweile fünf „ein Jahr voller historischer Ereignisse“ möglich sei. Mit den Kontakten vor Ort abgeschlossenen Wahlperioden hätten zurück. Es habe „Macher“ beiderseits – beispielsweise bei seinen Besuchen die Entwicklung des Landes und somit der früheren Ost-West-Grenze bedurft, im Chemiekombinat Bitterfeld – habe er auch Deutschlands mitgestaltet, er- um die Entwicklung der neuen Länder zu gelernt, was es hieß, dort zu leben und klärte Landtagspräsident Detlef Gürth. gestalten. Ministerpräsident Dr. Reiner zu arbeiten, wie stark die Identität der Sie hätten gezeigt, wie wichtig es sei, Haseloff betonte in seinem Grußwort, Menschen mit ihrem Flecken Erde ver- sich einerseits wählen zu lassen und dass die ehemaligen Abgeordneten mit bunden war und wie katastrophal sich andererseits die Interessen aller ab- ihrem Wissen und ihren Erinnerungen die Neuordnung des Standortes auf das zuwägen und dann Entscheidungen zu das lebendige Gedächtnis des Parla- Leben der Menschen ausgewirkt habe. treffen. „Bringen Sie sich noch weiter mentarismus im Land seien. „Jedes Bundesland ist ganz wichtig, weil ein, wir brauchen Sie“, ermunterte der Aufgabe der Politik müsse es sein, Alter- es Identitäten vermittelt“, so Töpfer, der Landtagspräsident die Jubiläumsgäste, nativen zu entwickeln und diese gegen- sich deutlich gegen eine Länderneuglie- die gemäß ihrer Vereinsordnung genau einander abzuwägen und dann Entschei- derung aussprach, wie sie dann und dieses Ziel vor Augen haben. Ulrich Sei- dungen zu treffen, sagte Klaus Töpfer am Ende des Festakts. In der Landeshymne, die 1991 für Sachsen-Anhalt geschrie- ben worden war, sei von „einer guten Hei- 20 Jahre Ehemaligenvereinigung mat ohne Zaun“ die Rede. Zwar sei die u Beginn der 2. Wahlperiode des Landtags von Sachsen-Anhalt gründete eine Hymne heute quasi der Vergessenheit Z Reihe von Parlamentariern des ersten Landtags 1994 die „Vereinigung ehe- anheimgegeben, aber sie transportiere maliger Abgeordneter des Landtages von Sachsen-Anhalt e. V.“. Zielsetzung dieses doch diesen perspektivischen Halbsatz, Zusammenschlusses ist es, die Erfahrungen ehemaliger Landtagsabgeordneter der gerade heute wieder an enormer auch nach der Zeit ihrer aktiven Parlamentsarbeit für die Stärkung der parlamenta- Bedeutung gewonnen habe. Es sei nicht rischen Demokratie in Sachsen-Anhalt einzusetzen. verwunderlich, dass sich Menschen auf In diesen Tagen feierte die Vereinigung ihr 20-jähriges Bestehen. Begrüßt wurden den Weg machten, um sich eine sichere auch Vertreterinnen und Vertreter von Ehemaligenvereinigungen anderer Parlamen- Zukunft zu schaffen. Mit der Erinnerung te. Festredner waren der frühere sachsen-anhaltische Landtagsabgeordnete Prof. an das Ende der 1980er Jahre und den Dr. Konrad Breitenborn und Prof. Dr. Klaus Töpfer, Anfang der 1990er Jahre Bundes- Beginn der 1990er Jahre, mit der Erinne- umweltminister. Das Ensemble KONbarock des Konservatoriums „Georg Philipp rung an Aufbruch und Sicherheit müsse Telemann“ aus Magdeburg umrahmte die Veranstaltung musikalisch. die Zukunft – für alle Menschen – be- dacht werden. Dr. Stefan Müller

Zwischenruf 03/2015 – Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt 25 rückblick

Aktiv für Toleranz und Demokratie

Vor zehn Jahren wurde das Netzwerk für Demokratie und Toleranz Sachsen-Anhalt gegründet. Bei einem großen Open Air auf dem Magdeburger Domplatz standen Kultur und Politik im Fokus von Akteuren und Gästen.

as Netzwerk für Demokratie und Toleranz Sachsen-Anhalt wurde D auf Initiative des Landtags am 23. Mai 2005 gegründet. Gut zehn Jah- re später fand am 23. September ein großes Open-Air-Jubiläumsfest auf dem Magdeburger Domplatz statt, bei dem Kultur und Politik gleichermaßen im Fokus standen. Unter anderem wurden Gesprächsforen abgehalten. Darüber hi- naus konnten sich Interessierte in 25 Pavillons (den sogenannten Lernstatio- nen) auf dem Domplatz über Vielfalt, Mi- gration, Rechtsextremismus, Friedliche Revolution, Behinderung, interkulturelle Kompetenz und vieles mehr informie- ren. Dem Netzwerk gehören derzeit rund 300 Vereine, Institutionen und Einzelperso- Schirmherren des Netzwerks sind der nen an. Die Vertreter – sie stammen Ministerpräsident und der Präsident des beispielweise aus Landtagsfraktionen, Landtags von Sachsen-Anhalt. Minister- der Verwaltung, der Migrationsarbeit, präsident Dr. Reiner Haseloff zeigte sich Wohlfahrtsverbänden, Hochschulen und beim Open Air stolz und dankbar über Gewerkschaften – nutzen die Institution das in den zurückliegenden zehn Jahren für eine bessere Vernetzung der zivilge- Erreichte. Er rief die Beteiligten dazu auf, sellschaftlichen Kräfte in unserem Bun- sich und ihre Projekte noch weiter zu desland. vernetzen und Botschaften für ein friedli- Die Geschäftsstelle des Netzwerks ches Miteinander auszusenden. Gerade Eindrücke von der Veranstaltung ist bei der Landeszentrale für politi- jetzt, da die Gesellschaft vor neuen Her- „Zehn Jahre Netzwerk für sche Bildung angesiedelt und dient als ausforderungen stehe (demographischer Demokratie und Toleranz“. Unter Schnittstelle zwischen den Akteuren der Wandel, Flüchtlinge), sei es wichtig, die anderem wurden die ersten Zivilgesellschaft, Schulen und anderen richtigen Worte zu finden und richtige Regionalkoordinatoren des öffentlichen Einrichtungen. Durch Mittel Taten zu entfalten. „Das Netzwerk hat Netzwerks vorgestellt. (Foto oben). der Kampagne „Hingucken und Einmi- Zukunft, es ist wichtig wie nie“, erklärte schen!“ werden Initiativen unterstützt, Haseloff. die sich kritisch mit Rechtsextremis- Um mit Politikern und Akteuren des Netz- mus, Menschenfeindlichkeit und Gewalt werks ins Gespräch oder in eine heiße auseinandersetzen und sich für Demo- Diskussion einsteigen zu können, wurde kratie, Toleranz und Weltoffenheit en- in sieben Dialogforen eingeladen. Jugend- gagieren. Auf www.hingucken.sachsen- liche und Erwachsene stellten sich unter anhalt.de kann man sich über laufende anderen den Themen „Engagiert oder ver- Projekte informieren und auch eigene drossen? Politik im Bürgerdialog“, „Alle Maßnahmen ankurbeln und dokumen- anders und alle gleich? Willkommenskul- tieren. tur und gesellschaftliche Vielfalt“ und „Wir

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bereits 115, wodurch Sachsen-Anhalt – gemessen an der Einwohnerzahl – an erster Stelle des Länderrankings steht. „Wir haben noch große Ziele“, betonte Sanem Kleff, Leiterin des Netzwerks „Schule ohne Rassismus“. In Zukunft sollen noch mehr Schulen für das Netzwerk gewonnen werden, können es besser! – Jugendengagement Die Feierlichkeiten wurden genutzt, schließlich gebe es in Sachsen-Anhalt und Beteiligung für eine ‚bessere‘ Politik“. um zwei weitere wichtige Projekte des rund 900 Schulen. Kleff dankte den Vertreter aus den Landtagsfraktionen und Netzwerks vorzustellen: Zum einen engagierten Akteuren vor Ort, denen es der Netzwerk-Institutionen standen unter kam es zur Ernennung der ersten Re- immer wieder gelänge, auch die Ideen anderem im Plenarsaal des Landtags, im gionalkoordinatoren. Diese kümmern der Schülerinnen und Schüler aufzugrei- Kloster Unser Lieben Frauen und in der sich beispielsweise um die Auslobung fen und umzusetzen. Sakristei des Magdeburger Doms Rede der „Schule ohne Rassismus – Schule Maik Reichel, Direktor der Landeszen- und Antwort. mit Courage“. Davon gibt es im Land trale für politische Bildung Sachsen- Anhalt, stellte das zweite große Projekt des Tages vor: die vom Landtag initiierte Langfristige Ziele des Netzwerks Landeskampagne „Demokratie stärken • die Öffentlichkeit über Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit – Du bist Politik“, die auf die Landtags- informieren wahl im kommenden März vorbereiten • Handlungsstrategien für den Einzelnen und Verbände aufzeigen soll. Im Vorfeld der Wahlen werden in • Qualifizierung wichtiger Multiplikatoren ganz Sachsen-Anhalt unterschiedliche (Schule, Jugendarbeit, Polizei, Sport, Kirche und Kommune) Veranstaltungen und Projekte rund um • Vermittlung der Grundlagen der Demokratie und ihrer Handlungs- die Themenfelder Wahl und Demokratie und Gestaltungspotenziale stattfinden. Auf der dazugehörigen Inter- • Beratung und Bereitstellung von Informationsmaterial und finanzielle Förderung netseite findet man weitere Informatio- von Projekten nen: www.du-bist-politik.de. Dr. Stefan Müller

Zwischenruf 03/2015 – Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt 27 rückblick

Teilhabe in veränderter Gesellschaft

Um die Teilhabe im politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Bereich ging es beim 8. Seniorenforum. In drei Arbeitsgruppen wurden Forderungen an Landtag und Landesregierung erarbeitet.

ie Landesseniorenvertretung und der Landtag von Sachsen- D Anhalt haben am 22. Septem- ber 2015 zum 8. Seniorenforum in den Magdeburger Plenarsaal eingeladen. In drei Arbeitsgruppen beschäftigten sich die Seniorenvertreter der Landkreise und kreisfreien Städte mit der Teilhabe älterer Menschen in Sachsen-Anhalt – im kulturellen, politischen und gesellschaft- lichen Bereich. Die am Ende gefassten Beschlüsse sollen die politischen Ent- scheidungen im Land beeinflussen. Mi- nisterpräsident Dr. Reiner Haseloff ver- sprach, sich der Vorschläge anzunehmen und deren Umsetzung zu prüfen. schen) stellen und dem Umkippen der tung. Immer wichtiger werde die gene- „Menschen aller Generationen müssen demographischen Entwicklung im Land rationsübergreifende Zusammenarbeit. am gesellschaftlichen Leben beteiligt entgegenwirken. Rechtenbach sprach sich im Namen der werden“, erklärte Landtagsvizepräsident Traditionen fortzusetzen und neue Quali- Vertreter für die Schaffung eines Seni- Gerhard Miesterfeldt zur Eröffnung des täten hinzuzufügen, das sei das Ziel des orenmitwirkungsgesetzes für Sachsen- Seniorenforums. Man müsse sich der Forums, sagte Jochen Rechtenbach, der Anhalt aus, wie es schon in anderen Aufgabe Integration (hier: von alten Men- Vorsitzende der Landesseniorenvertre- Bundesländern existiert.

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Die Vertreter/innen im Seniorenforum stimmten über drei Beschlussfassungen ab, die zuvor in Arbeitsgruppen diskutiert worden waren.

unschätzbarem Wert. Es sei aber eben- für Allgemeinmedizin, die als Hausärzte so wichtig, die ehrenamtliche Tätigkeit für die wohnortnahe geriatrische Versor- bereits in der Jugend aufzunehmen und gung Verantwortung tragen, durch geeig- entsprechende Anreize zu schaffen (Er- nete Maßnahmen gefördert werden. stattung von Aufwendungen). Die Teilha- Beim Thema „Generationswechsel im be an Bildung, Prävention und Kultur sei ehrenamtlichen Engagement“ forderten zu verbessern, die Mobilität zu stärken. die Vertreter/innen im Seniorenforum, „Vielleicht sollte man das nächste Mal nachhaltige Strukturen und Rahmenbe- ein gemeinsames Forum von Jung und dingungen zur Stärkung der ehrenamt- Die Landesseniorenvertretung habe Alt veranstalten, um voneinander und lichen Tätigkeit von Älteren aufzubauen es oft nicht einfach, räumte Isolde Hof- miteinander zu lernen“, regte Schöne an. und zu fördern. Zudem soll ein Ehren- mann, Abteilungsleiterin im Ministerium Die Arbeit des Seniorenforums ging nach amtspreis für generationsübergreifend für Arbeit und Soziales ein. Viele unter- der Eröffnungsrunde erst richtig los. Die ehrenamtlich Tätige ausgelobt werden. schiedliche Interessengruppen habe sie Vertreterinnen und Vertreter traten zur Um „Politische Partizipation an der ge- zu betreuen, denn das Alter sei bunt und Diskussion verschiedener Themen in sellschaftlichen Entwicklung durch Äl- vielfältig. Dabei gehe es um weit mehr, drei Arbeitsgruppen ein. tere und Jüngere“ ging es im Komplex als nur um Pflege und Versorgung im Al- drei. Auch für diesen wurde eine Be- ter. Viele der von Seniorenvertretern an- schlussfassung verabschiedet: Land- geschobenen Maßnahmen (zum Beispiel tag und Landesregierung werden darin bei der Barrierefreiheit, mehr ÖPNV) kä- „Vielleicht sollten wir aufgefordert, ein „Gesetz zur Stärkung men auch den jüngeren Generationen beim nächsten Mal ein der Mitwirkung und Mitgestaltung der zugute. Das Ehrenamt spiele hier eine gemeinsames Forum von Älteren am gesellschaftlichen Leben in besonders wichtige Rolle. Es müsse dar- Jung und Alt veranstalten, Sachsen-Anhalt“ auf den Weg zu brin- um gehen, Ehrenamtliche weiterzubilden um voneinder und gen. Darüber hinaus fordern die Seni- und auch vermehrt pensionierte Beam- miteinander zu lernen.“ oren ein „Forum der Generationen“ zur tinnen und Beamte für die Ehrenamtsar- Prof. Dr. Dr. Roland Schöne weiteren Entwicklung der Gesellschaft in beit zu gewinnen. Sachsen-Anhalt sowie die Schaffung von Es sei ein alter Menschheitstraum, mög- innovativen Inklusionszentren, insbeson- lichst lange zu leben, erinnerte Prof. Dr. „Soziale und kulturelle Versorgung so- dere im ländlichen Raum. Zudem soll Dr. Roland Schöne von der TU Chemnitz wie Bildung zur Alltagsgestaltung und zum schnellstmöglichen Zeitpunkt ein/e (Institut für Bildung, Kultur und Organi- Gesundheitsförderung, insbesondere im Landesseniorenbeauftragte/r berufen sation Chemnitz und Magdeburg e. V.). ländlichen Raum“ lautete das erste The- werden, wie es bereits aus einem Be- So müsse man bei der steigenden Zahl ma, zudem im Verlauf des Tages mehre- schluss des Landtags vom 22. Novem- von alten Menschen eigentlich von einer re Beschlüsse gefasst wurden. Verab- ber 1994 hervorgeht. „Unterjüngung“ statt von einer Überal- schiedet wurde schließlich ein Papier, in Die Beschlüsse des Seniorenforums terung sprechen. Das Bild vom „älteren dem die Ausbildung zur Medizinerin/zum werden als Drucksachen den Fraktionen Menschen“ habe sich in den letzten Jah- Mediziner in den Universitäten des Lan- des Landtags zugeleitet, die diese aus- ren erheblich verändert. „Die Senioren des Sachsen-Anhalt stärker das Thema werten und dann in ihre eigenen Rück- werden gebraucht“, betonte Schöne, de- Geriatrie beinhalten soll. Zudem soll die schlüsse zur Seniorenarbeit einfließen ren ehrenamtliches Engagement sei von strukturierte Einbindung der Fachärzte lassen. Dr. Stefan Müller

Zwischenruf 03/2015 – Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt 29 vorgestellt

Andrea Link-Köster, Sachgebietsleiterin Dokumentation im Landtag von Sachsen- Anhalt, bei der Arbeit.

Schlagworte, Abstracts und Co.

Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Andrea Link-Köster als Landtagsdokumentarin. Sie bahnt den Weg durch die Datenbanken und sichert Bürgern und Abgeordneten den schnellen Zugang zu Protokollen, Anträgen, Beschlüssen und Gesetzen.

issen Sie, was ein Parlament- tokolle, Berichte, Beschlüsse oder Geset- Begriffe wären und wie sie miteinander in sthesaurus ist? Nein, kein ze. Dann muss zunächst ein Beratungs- Beziehung gesetzt werden. „Denn hinter W neu entdeckter oder beson- vorgang angelegt werden, dem später alle jedem Schlagwort müssen wir im Hinter- ders alter Dinosaurier, sondern eine Art weiteren Dokumente hinzugefügt werden. grund eine Wortstruktur schaffen, damit Synonymwörterbuch für Parlamentsbegrif- Auf diese Weise kann beispielsweise der der Nutzer über Verweise und Synonymbe- fe. „Mittlerweile enthält es etwa 35 000 parlamentarische Weg eines Gesetzes griffe zu diesem Begriff kommt.“ Wenn es Schlagwörter und alle Dokumentare der lückenlos nachvollzogen werden, vom trotzdem einmal Probleme beim Ausfüllen 16 deutschen Landesparlamente und Entwurf bis zum Beschluss. Zu jedem der elektronischen Suchmaske im Inter- des Bundestags arbeiten damit“, erzählt Vorgang erstellt die Dokumentarin zudem net gibt, dann „einfach in der Dokumen- Andrea Link-Köster, Sachgebietsleiterin eine inhaltliche Kurzbeschreibung (Abs- tation anrufen, wir helfen gerne weiter“, Dokumentation im Landtag von Sachsen- tract). „Mir macht es Spaß, Daten nach versichert Andrea Link-Köster. Anhalt. verschiedenen Kriterien strukturiert nach- Neben der Arbeit an der Datenbank ge- Diese Schlagwörter sind so wichtig, weil zuweisen, sodass sie hinterher wieder hört auch der Austausch mit den Kollegin- sie dem Nutzer der Parlamentsdatenbank auffindbar sind“, beschreibt die 53-Jähri- nen und Kollegen aus anderen Landes- per Mausklick helfen, möglichst schnell ge ihre Motivation. parlamenten zu ihren Aufgaben. So gibt genau das Dokument, dieses Gesetz oder Seit 1993 arbeitet sie bereits im Landtag es mit dem „Parlamentsspiegel“ eine ge- die eine Rede zu finden, nach der er oder und versteht sich als Dienstleisterin für meinsame Datenbank, die es ermöglicht, sie sucht. „Jeder Mensch tickt anders, Bürger/innen und Abgeordnete. Neben Vorgänge aus allen Bundesländern zu re- wenn er etwas sucht, hat andere Asso- einem gewissen politischen Interesse sei cherchieren. Auch hier muss natürlich auf ziationen. Mit Hilfe der Schlagwörter er- auch eine Portion Sprachgefühl hilfreich den einheitlichen parlamentarischen The- möglichen wir unseren Nutzern, über ganz für ihren Job. Denn die Suche nach den saurus zurückgegriffen werden, erläutert unterschiedliche Begriffe möglichst alles richtigen Schlagworten sei manchmal Link-Köster. Aber egal wie gewissenhaft zum gleichen Thema zu finden“, erklärt ganz schön kompliziert. Schließlich gebe sie und ihre Kolleginnen die Schlagwörter die studierte Diplom-Bibliothekarin. es von Zeit zu Zeit feine Nuancen in der auswählen, ob sie wirklich richtig lagen, Auf dem Tisch von Andrea Link-Köster und Bedeutung eines Wortes. das entscheidet am Ende ganz allein der ihren drei Kolleginnen landen täglich alle In solchen Fällen diskutiert die 53-Jährige Nutzer, wenn er das gesuchte Dokument möglichen Drucksachen, Ausschusspro- schon mal im Team, welches die besten gefunden hat. Stefanie Böhme

30 Sachsen- Anhalt bedeuten mir... Thomas Felke Simone Lingner

... immer wieder neue Herausforderungen. ... dass bei aller Kritik unglaublich viel geschehen ist.

Cornelia Lüddemann Ralf Geisthardt Ulrich Thomas

... in einer Gesellschaft ohne existenzielle ... eine Erfolgsgeschichte aus Fleiß ... dass blühende Landschaften Gewalt zu leben. und Engagement. entstanden sind.

Marcel Michael Petra Grimm-Benne Mika Kaiyama

... dass noch vieles anzupacken und zu ... viele neue Erfahrungen und ... dass die Demokratie an der Basis erneuern ist. wertvolle Begegnungen. angekommen ist.

Birke Bull Detlef Gürth Holger Hövelmann

... eine Gesellschaft mit geöffneten Türen ... Freude an der Freiheit und den ... persönliche Freiheit und und Fenstern. gewonnenen Möglichkeiten. demokratisches Engagement.

Gudrun Rahn und Norbert Wiese ... ein neues Zuhause und eine Lesen Sie die vollständigen Zitate auf positive Stadtentwicklung. unserer Internetseite: www.landtag.sachsen-anhalt.de AUSSTELLUNGEN IM LANDTAG VON OKTOBER BIS DEZEMBER 2015

AUF DEM WEG ZUR DEUTSCHEN EINHEIT TERMIN: 05.10. – 28.10.2015 Mit der Friedlichen Revolution 1989 in der DDR kam die Frage der Deutschen Einheit plötzlich auf die deutsche und internationale Tagesordnung. Die Ausstellung beschreibt in Texten und über 150 Fotos und Faksimiles die innerdeutsche Entwicklung und die diplomatischen Verhandlungen auf internationaler Ebene, die letzten Endes zur Wiedervereinigung geführt haben. Außerdem können Besucher mit internetfähigen Mobiltelefonen mittels QR-Codes während des Rundgangs auf 18 Videopodcasts mit Zeitzeugen zugreifen. Herausgeber der Ausstellung sind die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und das Auswärtige Amt.

DIE FARBEN MEINER GEFÜHLE WILDWASSER MAGDEBURG E. V. | 25.11. – 23.12.2015 Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen lädt der Landesfrauenrat jährlich zu einer Gedenkstunde in den Landtag ein. In diesem Jahr wird in diesem Rahmen die Selbsthilfe-Ausstellung „Die Farben meiner Gefühle“ eröffnet. Die Ausstellung veranschaulicht den möglichen Heilungsprozess nach sexuellen Gewalterfahrungen mit Hilfe kreativer Ausdrucksmöglichkeiten, denn oft sind Worte für das Erlebte verlorengegangen oder nicht ausreichend. Mit dem Gedanken, dass „innerer Eindruck äußeren Ausdruck braucht“, soll über Farbe, Form und Bewegung den Emp ndungen Gestalt gegeben werden. Alle Bilder sind im Rahmen der Spieltherapie, der Einzelberatungen und der angeleiteten Selbsthilfegruppe entstanden.

ZEICHNUNGEN UND GLASOBJEKTE „APPEAR-DISAPPEAR“ CHRISTIANE BUDIG | 03.11. – 30.11.2015 Plastische Objekte – Torsi, Köpfe und Gebilde aus dem Werkstoff Glas – kreisen um das Thema Zerbrechlichkeit, Eingeschlossen-, Umhülltsein, Anziehung – Abstoßung, Durchdringung, Verletzlichkeit und Geschlechterdifferenz. Farbloses Glas ist in Formen geschmolzen, geblasen oder gegossen. Indem ein Glasobjekt entsteht, zerbricht die haltgebende Form in der Hitze, entsprechend dem Titel „appear- disappear“. Die zeichnerischen Werke befassen sich mit dem Raum, der uns umgibt. Durch die Ober äche des Materials wird dessen Geist in den Zeichnungen sichtbar. So entstehen aus Frottagen von Arbeitsplatten, Wänden, Tischen und Werkbänken eigene fantastische Welten, die gleichzeitig vertraut und fremd anmuten.

FARBIGE WELTEN RITA HILPERT | 02.12. – 08.01.2016 Die Künstlerin beherrscht eine Vielzahl von Maltechniken und beeindruckt durch die bewusst gewählte Wirkung von Trägermaterial und Farben. Ihre Objekte sind Portraits, Akte, Blumen, aber auch Monumentalansichten historischer Bauten und bizarre landschaftliche Details. Zu sehen ist ein Zyklus mit Impressionen von Reisen zu weit entfernten „Inselwelten“, von Spitzbergen über das Mittelmeer und den südlichen Atlantik bis zu den Falklandinseln. Das aktuellste Werk zeigt eine Synthese alter und neuer Religionen. Es ist neben seiner künstlerischen Wirkung zugleich ein Plädoyer der Künstlerin für Frieden, Verständigung und Toleranz in unserer Gesellschaft.

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