83. Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel e.V.

Im Auftrag des Vorstandes herausgegeben von Ulrich Kalmbach und Dieter Fettback

Salzwedel 2013

83. Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel e.V. Im Auftrage des Vorstandes herausgegeben von Ulrich Kalmbach und Dieter Fettback Salzwedel 2013

Impressum Altmärkischer Verein für vaterländische Geschichte zu Salzwedel e.V. c/o Stadtarchiv Salzwedel, An der Mönchskirche 5, 29410 Salzwedel Redaktion: Ulrich Kalmbach, Dieter Fettback Druck: DruckManufaktur, Nicolaistraße 28, 39576 Stendal 3

Inhaltsverzeichnis

Lothar Mittag Die Ausstellung „Schätze der Bronzezeit. Archäologische Kostbarkeiten aus der Altmark“ im Danneil-Museum Salzwedel 5

Matthias Friske Wiederentdeckte mittelalterliche Ausstattungsstücke aus Kirchen der Altmark 15

Gerhard Ruff Magister Christophorus Germanus (1530 - 1602) Der erste Arzt der alten und neuen Stadt Salzwedel (Altmark) 31

Reimar von Alvensleben Jagdübergriffe auf das Amt Klötze 1603 oder: der weiße Hirsch von Zichtau 95

Hartmut Bock Die Münzen eines Altmärkers zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges Ein sekundärer Verwahrfund aus Gardelegen 117

Frank Moldenhauer Ergänzungen zu den Trauregistern der Dörfer des Amtes /Altmark 129

Ulrich Kalmbach Hennigs von Treffenfeld und die Ruhmeshalle der deutschen Geschichte Eine Bronzebüste des Reitergenerals Hennigs von Treffenfeld 147

Ulrich Kalmbach Vereinsbericht 167

Henning Krüger Kassenbericht 179

Manfred Lüders Nachruf Günter Stappenbeck (1927-2012) 180

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Die Ausstellung „Schätze der Bronzezeit. Archäologische Kostbarkeiten aus der Altmark“ im Danneil-Museum Salzwedel

von Lothar Mittag

Abb. 1 Funde aus allen bronzezeitlichen Perioden aus der Sammlung des J.-F.- Danneil-Museums Im Jahr 2012 war die Jahresausstellung des Johann-Friedrich-Danneil- Museums Salzwedel der Bronzezeit der Altmark gewidmet. Spätestens seit dem Entdecken der Himmelsscheibe von Nebra ist die Bronzezeit zumindest in Sachsen-Anhalt in aller Munde. Aber nicht nur der Süden des Landes war für diese Epoche von Bedeutung, wie es manchmal den Anschein erwecken mag. Auch im Norden fanden wichtige bronzezeitliche Entwicklungen statt. Am Beginn dieser Epoche hatten hier neben der Aunjetitzer Kultur, die die Frühbronzezeit Mitteleuropas prägte, insbesondere noch die späten jung- steinzeitlichen Kulturen Norddeutschlands und Südskandinaviens entschei- denden Einfluss.

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Die Sammlung des Salzwedeler Museums umfasst eine große Anzahl an beeindruckenden bronzezeitlichen Exponaten, die es durchaus als ange- messen erscheinen ließ, diese unabhängig von der Dauerausstellung zu präsentieren. Eine detaillierte Geschichte der Bronzezeit der Altmark nach- zuzeichnen, war auf Grund der beschränkten Ausstellungsfläche und der begrenzten Ressourcen eines Regionalmuseums allerdings nicht möglich. Daher wurden in der Ausstellung anhand von bestimmten Funden und Fundkomplexen nur schlaglichtartige Einblicke auf diese ca. 1700 Jahre währende Zeitstufe gegeben. Eine Vielzahl von Funden aus allen bronze- zeitlichen Perioden der Altmark macht es trotzdem möglich, zu bestimmten bronzezeitlichen Entwicklungen Stellung zu nehmen.

Gleich zu Beginn zeigt es sich, dass die Bronzezeit auch in der Altmark folgerichtig aus jungsteinzeitlichen Kulturen hervorgegangen und nicht etwa plötzlich „vom Himmel gefallen“ ist und dass sie am Ende relativ unspekta- kulär in der vorrömischen Eisenzeit aufging. Natürlich hat es in den ver- schiedenen Entwicklungsphasen immer Brüche gegeben. Weil die altmär- kische Landschaft aber zu allen Zeiten für die Einflüsse verschiedener Kul- turen offen war, profitierte auch die Bevölkerung davon. Die „Weltoffen- heit“ machte sich bezahlt. Denn selbst die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen am Ende der Bronzezeit sorgten hier für keinen Besiedlungs- abbruch. Noch in der vorrömischen Eisenzeit war die Altmark für ur- und frühgeschichtliche Verhältnisse dicht besiedelt und den meisten Menschen ging es allem Anschein nach recht gut.

Die Bronzezeit war das erste Metallzeitalter der Menschheitsgeschichte. Sie dauerte in Mitteleuropa von etwa 2200 v. Christus bis etwa 550 v. Christus. In Norddeutschland setzte die bronzezeitliche Entwicklung später ein und endete auch später als in Süd- oder Mitteldeutschland. Das Klima während der späten Jungsteinzeit und der Bronzezeit war es etwas wärmer als heute, was ein Aufblühen der Landwirtschaft zur Folge hatte. Damit waren offen- sichtlich die Lebensbedingungen der Menschen dieser Zeit recht gut. Das zog auch ein bis dahin nicht gekanntes Repräsentationsbedürfnis nach sich. Aus diesem Grunde wurden auch sehr massive, oft aber unpraktische Schmuck- stücke geschaffen, von denen sich bis heute viele erhalten haben. Auch bei diesem Verhalten kann man Parallelen bis in die heutige Zeit finden. Wer viel besitzt, will das in der Regel auch zeigen, selbst wenn es völlig unpraktisch ist.

Die Sammlung des Johann-Friedrich-Danneil-Museums in Salzwedel verfügt über eine große Anzahl an Fundstücken aus der Bronzezeit. Sie stammen

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zum größten Teil aus der Altmark. Meist handelt es sich dabei um Exponate, die bereits im 19. Jahrhundert in die Sammlung des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte gelangten. Denn in dieser Zeit sind viele bronzezeitliche Fundplätze zerstört worden, ebenso wie die Mehrzahl der jungsteinzeitlichen Großsteingräber. Ursache dafür waren in der Regel die Landseparationen in Preußen sowie die folgende Industrialisierung der Landwirtschaft ab der Mitte des 19. Jahrhunderts. Neu verteilte Flächen, von denen viele vorher nur teil- oder sogar völlig unbewirtschaftet waren, wurden nun „unter den Pflug genommen“. Das setzte umfangreiche Flur- bereinigungen voraus. Viele bis dahin unberührte bronzezeitliche Grab- hügel, ja ganze Hügelgräberfelder wurden in der Folge zerstört. Manchmal gelangten Funde, die dabei entdeckt wurden, in die frühgeschichtlichen Sammlungen von Privatleuten oder Vereinen. Was infolge der Zerstörungen verloren gegangen ist, kann heute nicht einmal mehr erahnt werden. Aber nicht nur Gräber oder ganze Friedhöfe wurden vernichtet, vielen bronze- zeitlichen Kultplätzen erging es ähnlich.

Spätestens während der Bronzezeit bekamen die Götter Namen und man schuf Plätze, um sie zu verehren. Heilige Steine, wie z.B. Menhire, wurden innerhalb von Steinkreisen aufgestellt und man begann, Schälchen oder Näpfchen in extra aufgestellte Steine zu schaben.

Abb. 2 Schälchenstein auf dem Rodelberg von Jeetze

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Einige dieser Schälchensteine findet man heute noch. Seit den 1990er Jahren sind bei Straßenbauarbeiten mehrere solcher Steine zum Vorschein gekommen und wurden, meist ohne die Schälchen darauf zu erkennen, neu aufgestellt. Der letzte Menhir der Altmark, der sich noch an seinem ursprünglichen Platz befindet, ist der sagenumwobene Lehnekenstein von Bonese.

Die Mehrzahl der Metallfunde der Bronzezeit stammt aus Gräbern oder aus sogenannten Bronzehorten oder -depots. Aus unterschiedlichen Gründen wurden manchmal größere Mengen an Bronzegegenständen deponiert. Sie wurden kultisch dargebracht, versteckt oder einfach nur vergessen. Häufig sind heute die Fundumstände leider unbekannt, so dass meist unklar ist, ob es sich dabei um Opfergaben, Materialdepots oder Grabbeigaben handelte. Zu den wichtigsten Hortfunden der Altmark gehören die Bronzehorte von Kläden und Groß Schwechten im Kreis Stendal.

Abb. 3 Der vollständige Klädener Hortfund mit zwei Leihgaben der Berliner Museen

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Aus Jeebel bei Salzwedel kommt das einzige frühgeschichtliche Goldobjekt der Salzwedeler Sammlung. Dabei handelt es sich um einen Spiraldraht- Fingerring, der als Grabbeigabe diente. Ähnliche Fingerringe wurden erst kürzlich von dem bedeutenden bronzezeitlichen Schlachtfeld an der Tollense in Mecklenburg-Vorpommern geborgen.

Auch in Dahrendorf, Lückstedt und Seethen befanden sich große bronze- zeitliche Friedhöfe der Altmark. In Beetzendorf wurde vor einigen Jahren zudem ein spätbronzezeitlicher Kultplatz entdeckt.

Abb. 4 Goldener Fingerring von Jeebel Bei einem großen Teil der Stücke der Salzwedeler Sammlung sind die Fundumstände nicht bekannt. Als Beispiel dafür steht eine sehr schöne, gut erhaltene „Beinberge“ aus Pretzier. Die Ähnlichkeit mit einer ungewöhnlich großen Spiralplattenfibel aus der Nachbargemarkung Stappenbeck ist frappant. Diese hat man im Jahre 1843 zusammen mit zwei Beinringen und einem Armring in einem planierten Hügel entdeckt. Vielleicht war ursprünglich auch die Beinberge Bestandteil des Stappenbecker Komplexes. Solch ungewöhnliche Schmuckstücke wurden allerdings immer paarig getragen, das Gegenstück fehlt leider. Vielleicht wollte es der Finder behalten und übergab deshalb nur eines der Stücke, zudem mit der sehr unpräzisen Fundortangabe „Pretzier“, der Vereinssammlung.

Zu Beginn der Bronzezeit wurden privilegierte Tote noch unverbrannt in großen Grabhügeln mit aufwändigen Einbauten aus Holz oder Stein bestattet. Im Verlauf der Bronzezeit ging man vollständig zur Leichen- verbrennung über. Am Anfang des Bestattungswandels verteilte man den sogenannten Leichenbrand noch anatomisch geordnet in großen Steinkisten,

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später schüttete man ihn meist zusammenhangslos in Grabgefäße. Die Urnen wurden in kleineren Hügelgräbern, welche aus vielen kleinen Feldsteinen oder aus Erde aufgeschüttet waren, beigesetzt. Auf dem Boden im Hügel- zentrum befanden sich die Grabkammern, die meist aus ausgesuchten flachen Steinen bestanden. Für den Bau der Gräber suchte man nicht mehr wie zu Beginn der Bronzezeit besondere Einzellagen auf, sondern man legte große Hügelgräberfelder auf kleinen Anhöhen an. Am Ende der Bronzezeit herrschten Flachgräberfelder mit Urnenbestattungen vor. Oft wurden die Urnen aber noch immer in Steinkisten beigesetzt.

Abb. 5 Beinberge von Pretzier

Abb. 6 Spiralplattenfibel aus Stappenbeck

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Funde aus bronzezeitlichen Siedlungen sind in der Regel nicht sehr spektakulär und, weil die Siedlungsplätze meist über Jahrtausende genutzt wurden, auch in entsprechend schlechtem Zustand. Daher bleiben sie oft sogar unerkannt. Aus diesem Grunde gelangten bisher nur sehr selten bronzezeitliche Siedlungsfunde in die Sammlungen der Museen. Haupt- sächlich handelt es sich dabei um Gefäßscherben. Zwischen 1969 und 1973 gelang es, in Zedau bei Osterburg eine spätbronzezeitlich-früheisenzeitliche Siedlung samt Kultanlagen großflächig zu untersuchen. Dabei handelte es sich um einen seltenen Glücksfall der Archäologie.

Nicht nur zur Werkzeug- und Waffenproduktion eignete sich die harte Bronze, auch die Schmuckherstellung nahm durch das goldglänzende Metall einen gewaltigen Aufschwung. Die Ausgangspunkte dieser Entwicklung lagen im Vorderen Orient, Südosteuropa und auf der Iberischen Halbinsel. Über Jahrhunderte hinweg verbreitete sich das Wissen über die Bronze- produktion auch nach Mittel- und Nordeuropa. Natürlich profitierten zu Beginn besonders die Gebiete mit eigenen Erzvorkommen von den neuen Möglichkeiten. Das glänzende Metall weckte Begehrlichkeiten und verlieh den Besitzern und Produzenten Macht und Reichtum. Erste staatenähnliche Einheiten entstanden.

In Mitteldeutschland gelangten ab ca. 2000 v. Chr. die Gebiete nördlich des Erzgebirges und des Thüringer Waldes mit ihren reichen Erzvorkommen zu einer ersten wirtschaftlichen und politischen Blüte. Eine besondere Stellung nahm dabei das kupferreiche Mansfelder Land ein. Damit wurde die Ausbreitung der ersten bronzezeitlichen Kultur, der sogenannten Aunjetitzer Kultur, entscheidend gefördert. Während dieser Kulturstufe, die nach einem Fundort in der Nähe Prags benannt ist, bildete sich ein von Halle bis in die Magdeburger Börde reichendes Machtzentrum heraus. Einige der bedeutendsten frühbronzezeitlichen „Fürstengräber“ Deutschlands, die Grabhügel von Leubingen, Dieskau oder Helmsdorf, wurden zu dieser Zeit errichtet. Auch der Mittelberg, der Fundort der „Himmelsscheibe von Nebra“, liegt in diesem Gebiet.

Der Einfluss der frühen Fürsten reichte bis in die Altmark hinein. In der fruchtbaren ostaltmärkischen Elbregion konstatieren Archäologen mittler- weile ein großes Gebiet, das sehr stark durch die Aunjetitzer Kultur geprägt wurde. Inzwischen werden die hier lebenden Menschen sogar als Ange- hörige der „Altmärkischen Gruppe der Aunjetitzer Kultur“ bezeichnet. Ob neue Siedler in die Gegend kamen oder ob die eingesessene Bevölkerung nur unter den Einfluss mächtiger fremder Fürsten geriet, wird sicher nie ganz zu

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klären sein. Die bereits erwähnten Hortfunde von Kläden und Groß Schwechten gehören zu den bedeutendsten Fundkomplexen dieser Gruppe.

In der westlichen Altmark dominierte zu Beginn der Bronzezeit noch die spätneolithische Einzelgrabkultur, die ihre Blüte in Dänemark hatte. In der Endphase der Jungsteinzeit hatte sich allerdings auch im Norden eine neue Herrschaftsstruktur mit einer fassbaren sozialen Führungsschicht ausgebildet. Das Bestreben dieser Schicht, sich mit Prestigegütern aus Bronze auszustatten, begründete umfangreiche Metallimporte. Möglicherweise tauschte man die Bronze u. a. gegen die mit unglaublicher Präzision hergestellten Feuersteindolche, welche zu dieser Zeit massenhaft in Aunjetitzer Gebiet kamen. Daher wird diese spätneolithische Periode manchmal auch als die „Dolchzeit“ bezeichnet. Als Vorlagen der Feuer- steindolche dienten importierte Bronzeklingen. Auch Metalläxte und -beile aus dem Süden wurden im Norden aus Felsgestein nachgeahmt. Das zeigt, dass die Bedeutung des Metalls immer größer wurde und so gelang es folgerichtig, nach einiger Zeit auch in Norddeutschland und Skandinavien, das mitteldeutsche Bronzemonopol zu brechen.

Abb. 7 Zwei Feuersteindolche aus Salzwedel und Kremkau Aus den norddeutschen spätneolithischen Kulturen, aus der Einzelgrab- kultur im Westen und der Schönfelder Kultur im Osten der Altmark sowie der Schnurkeramik entwickelte sich um 1800 v. Chr. eine Kultur, die heute zu großen Teilen der sogenannten „Lüneburger Gruppe“ zugerechnet wird.

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Deren Siedlungsgebiet stellte ein Bindeglied zwischen der Nordischen Bronzezeit Skandinaviens und Norddeutschlands und den bronzezeitlichen Kulturen Mittel- und Süddeutschlands dar. Die Altmark war somit in dieser Epoche sowohl Einflüssen aus Skandinavien als auch aus Mittel-, Ost- und Süddeutschland ausgesetzt. Das spiegelt sich auch in den archäologischen Funden wider.

Am Ende der Älteren bzw. zu Beginn der Jüngeren Nordischen Bronzezeit (um 1300 v. Chr.) war z. B. der mecklenburgische Einfluss recht groß. Bedeutende Fundstücke wie Halskragen, Arm- oder Beinbergen und Fibeln kommen entweder aus diesem Gebiet oder sind durch dortige Kulturen angeregt worden. Unverkennbar ist auch der Einfluss der sogenannten Lausitzer Kultur, die seit der mittleren Bronzezeit Mitteldeutschland prägte. Besonders deutlich wird das an mehreren typisch „lausitzisch“ verzierten Grabgefäßen von einem Hügelgräberfeld bei Depekolk, die Johann Friedrich Danneil 1840 vor der völligen Vernichtung rettete oder z. B. bei Funden aus Thüritz oder Groß Schwarzlosen. Die Lausitzer Kultur prägte die gesamte mittlere bis späte Bronzezeit Mitteldeutschlands.

Abb. 8 Lausitzer Kännchen aus Thüritz

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Am Ende der Bronzezeit (ab ca. 1000 v. Chr.) kam es offensichtlich zu einer Rohstoffverknappung in unserer Gegend. Auf Grund dessen begann man nach einheimischen Alternativen zu suchen. Nicht nur, dass die Bronze immer sparsamer verwendet wurde, man ging auch vermehrt wieder dazu über, viele Werkzeuge aus Felsgestein herzustellen. Das konnte aber kein vollwertiger Ersatz für das goldglänzende Metall sein, das in der Folge fast nur noch in der Schmuckherstellung Verwendung fand. Zum alternativen Metall wurde das Eisen. Voraussetzung dafür war das Erlernen der Eisenverhüttung aus einheimischem Raseneisenerz. Damit endete auch in der Altmark spätestens im 6. Jh. v. Chr. die Bronzezeit und aus den lüneburgisch-altmärkischen Gruppen der Bronzezeit ging auf gleichem Terri- torium die eisenzeitliche Jastorfkultur (benannt nach einem Fundort bei Uelzen) hervor. Diese Kultur wurde für die Entwicklung der germanischen Stämme von entscheidender Bedeutung.

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Wiederentdeckte mittelalterliche Ausstattungsstücke aus Kirchen der Altmark

von Matthias Friske

Die Altmark ist weithin berühmt für den reichen Bestand an mittel- alterlicher Sakralkunst. Dennoch sind natürlich auch in dieser Landschaft etliche Verluste zu beklagen. „Verlust“ bedeutet allerdings nicht in jedem Fall unwiederbringliches Verlorensein, wie die im Folgenden behandelten Beispiele zeigen sollen. Vielmehr ist es oft eher eine Art Gedächtnisverlust, der dann allerdings im schlimmsten Fall tatsächlich zum Totalverlust des betreffenden Werkes führen kann.

Vor allem Eines gefährdete (und gefährdet) den alten Bestand: Unwissenheit führt häufig dazu, achtlos mit dem Überkommenen umzugehen. Vor allem dann, wenn ein Gegenstand in einen schlechten und unansehnlichen Zustand gerät, sind Menschen oft geneigt, ihn auszusondern. Was danach mit ihm geschieht ist oft nur eine Frage des Zufalls. Schlimmstenfalls landet er im Osterfeuer, bestenfalls auf dem Dachboden oder im Archiv, wo er wiederentdeckt werden kann. Ebenso kann aber auch das Erkennen des wirklichen Wertes zur Gefährdung werden, wenn dadurch Begehrlichkeiten geweckt werden und Interessenten auf den Plan treten, die das betreffende Werk „privatisieren“ und damit der Öffentlichkeit entziehen. Die Spur verliert sich dann oft im Nichts.

Zuweilen taucht nun aber auch längst verloren Geglaubtes doch wieder auf. An dieser Stelle seien nun einige Beispiele für die Wiederentdeckung von verschollenem Kunstgut näher vorgestellt.

Im ehemaligen Pfarrarchiv von Zethlingen fand sich gegen Mitte des letzten Jahrzehntes eine Kiste mit drei offenbar mittelalterlichen Schnitzfiguren. Es handelt sich dabei um folgende Stücke: - einen männlichen Heiligen mit Rückenlehne - Höhe 56 cm, Breite (Rückbrett) 16 cm, Tiefe 12 cm - eine Heiligenfigur, die vor allem im oberen Bereich sehr stark zerstört ist - Höhe 60 cm, Breite (am Fuß) 20 cm, Tiefe 14 cm - eine sitzende weibliche Figur mit einem Torso auf den Knien, also offenbar eine Pieta (Eiche), Teile der Originalfassung erhalten - Höhe 57 cm, Breite (am Fuß) 31,5 cm, Tiefe 15,5 cm.

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Eine Notiz zur Herkunft der Werke fehlte vollkommen und für Zethlingen wurde in den Quellen auch an keiner einzigen Stelle auf diese Stücke verwiesen. Demnach stammen sie also kaum aus dem Ort selbst. Folglich wurden sie zunächst in das kreiskirchliche Archiv in Salzwedel überwiesen, wo sie einerseits unter sehr guten konservatorischen Bedingungen aufbe- wahrt wurden, andererseits aber im Dämmerschlaf der Vergessenheit der kommenden Dinge harrten. Erst der Wunsch der Leiterin des Erlebnis- hauses, Birgit Molin, die die Figuren 2006 entdeckt hatte, sie in Zethlingen aufzustellen, führte wieder zur Beschäftigung mit ihnen.

Zunächst war jedoch die Eigentumsfrage zu klären, die zwangsläufig auf den ursprünglichen Herkunftsort weisen mußte. Letztlich konnte diese Aufgabe unerwarteterweise auch relativ problemlos bewältigt werden, denn es war anzunehmen, dass sie höchstwahrscheinlich aus einem der ehemaligen Filial- dörfer Zethlingens stammen. Da aber durch das Werk Wilhelm Stapels1 eine hervorragende Bestandsaufnahme mittelalterlicher Kunst der Region vorlag, war der erste Schritt der Abgleich mit diesem Werk.

Bereits beim Buchstaben „C“ ergab sich die Lösung des Problems, denn die Figuren können eindeutig identifiziert werden mit dem Eintrag zu Cheinitz:

„Auf dem Kirchenboden liegen folgende sehr beschädigte Figuren: 1. Eine Pieta, 57 cm hoch. Die Arme der Maria, der rechte Arm Christi, sein Kopf und seine Beine sind weggebrochen. Reste von blauer Farbe auf Leinwand auf der Außenseite, von roter Farbe auf der Innenseite des Mantels. 2. Diakon, 65 cm hoch. Das Gesicht ist vermorscht, die Arme sind weggebrochen. Spitze Schuhe. Parallele Gewandfalten. Reste von roter Farbe im Mantel. 3. Der 35 cm hohe Rumpf einer sehr grob gearbeiteten Figur. 4. Mönch mit Buch in der Linken, 51 cm hoch, vor einem oben gerundeten Brett. Kleiner Spitzbart. Oberlippe rasiert, Tonsur. Der Kopf ragt auf schmalem Hals aus dem Kragen hervor...“ 2

Der anschließend beschriebene Kruzifixus befindet sich bis heute in der Cheinitzer Kirche. Es ist deutlich, dass die drei Zethlinger Figuren mit Nr.1, 2 und 4 identisch sind. Der Höhenschwund des Diakons erklärt sich aus dem fast kompletten Verlust des Kopfes. Der Torso ging aus leicht einsichtigen Gründen offenbar vollkommen verloren. Besonderes Interesse verdient nun

1 Wilhelm Stapel, Der Meister des Salzwedler Hochaltars. Nebst einem Überblick über die gotischen Schnitzaltäre der Altmark, publiziert in den Jahresberichten des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel, 1911 und 1913. 2 Stapel 1913, S.49f.

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die Figur mit dem nimbusartigen Rückbrett, die einen ausgesprochen altertümlichen Eindruck macht. Aber auch bei der Pieta handelt es sich um ein durchaus hochwertiges Werk.

Der weitere Weg der wiederentdeckten Figuren ist bislang noch offen; angestrebt wird jedoch eine Wiederaufstellung in der Cheinitzer Kirche.

Abb. 1 Heiligenfiguren und Pieta ehemals aus Cheinitz Das zweite Beispiel betrifft eine Gruppe mittelalterlicher Schnitzwerke, die kürzlich in der Bibliothek der Katharinenkirche entdeckt wurden. Es handelt sich um folgende offenbar zusammengehörende Figuren (Abb. 2): Zwei sitzende weibliche Heilige mit aufgeschlagenen Büchern, zu deren Füssen einmal zwei und einmal vier Kinder stehen (Höhe jeweils 53 cm), sowie eine Anna Selbdritt (Höhe 50 cm). Stilistisch davon zu unterscheiden ist ein rechteckiges Relief mit einer Marienkrönung (Höhe 50 cm, Breite 57,5 cm, Abb. 3).

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Eine Begutachtung der Werke durch den Kunsthistoriker und Kenner märkischer Sakralkunst des Mittelalters, Peter Knüvener,3 brachte den entscheidenden Hinweis auf die Herkunft der Stücke. Die Beschreibung bei Stapel4 brachte nämlich auch in diesem Fall den unzweifelhaften Beleg dafür, dass die weiblichen Heiligen vom Jahrsauer Sippenaltar stammen, also Maria Kleophas und Maria Salome darstellen. Sie gehörten zum Altar der gegen 1970 abgerissenen Kirche von Jahrsau, die in direkter Grenzlage zum Wendland in einem kleinen Rundling lag, der von der DDR zwangsgeräumt wurde. Das Dorf Jahrsau war während der sogenannten „Aktion Ungeziefer“ im Frühsommer 1952 fast komplett geräumt worden; die letzte Bewohnerin mußte dann im Oktober 1961 den Ort verlassen.5

Die mittelalterliche Kapelle, ein winziger Rechtecksaal, war gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch einen bescheidenen Nachfolger aus Backstein ersetzt worden. Nachdem im März 1970 die letzten Gehöfte geschleift wurden, beseitigte man auch die mittlerweile verfallene Kapelle. Die ursprüngliche Ausstattung war jedoch bereits bei der ersten Vertrei- bungsaktion aus der Jahrsauer Kapelle entfernt worden. Im erhaltenen Archivgut findet sich 1957 die letzte Spur des Jahrsauer Altares.6

Demnach waren zumindest die Skulpturen damals ins benachbarte Riebau gelangt und man plante eine Neuaufstellung in Ritze. Diese Nachricht wird bestätigt durch ein im Danneil-Museum befindliches Foto unbestimmter Zeitstellung, das die drei weiblichen Heiligen, die Männerbüsten, sowie die mutmaßliche Barbara zeigt. Auf diesem Foto fehlt allerdings die Marienkrönung. Der Hintergrund des Bildes belegt, dass es in der Riebauer Kirche aufgenommen wurde, wo man die Figuren (für das Foto) auf der Empore aufgestellt hatte. Wann und wie die Stücke in die Salzwedeler Katharinenkirche gelangten, ist unbekannt, jedenfalls muß es vor 1975 geschehen sein, denn damals waren sie bereits in der Kirche.7

3 Vgl. Peter Knüvener, Die spätmittelalterliche Skulptur und Malerei in der Mark Brandenburg, Berlin 2011 (Forschungen und Beiträge zur Denkmalpflege im Land Brandenburg, Bd.14). 4 Vgl. Stapel 1913, S. 60ff. 5 Zeitzeugenerinnerung. 6 Archiv der Kirchenprovinz Sachsen, Rep. A Spec. G, A 2820 Jahrsau/ Groß Chüden. 7 Erinnerung des damaligen Pfarrers Bischoff.

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Abb. 2 Figuren der Heiligen Sippe, Katharinenkirche Salzwedel (Maria Kleophas, Anna Selbdritt, Maria Salome)

Abb. 3 Marienkrönung, Katharinenkirche Salzwedel

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Abb. 4 Figuren der Heiligen Sippe aus Jahrsau in der Kirche Riebau, Foto undatiert (1960er Jahre?), Danneil-Museum Salzwedel

Von dem bei Stapel beschriebenen Bestand fehlen abgesehen von den Männerbüsten und der einzelnen Heiligen zudem die bemalten Flügel, die Christi Gefangennahme, Christus vor Pilatus, eine Gethsemanedarstellung und die Auferstehung zeigten. In der Gethsemaneszene war das Datum 1499 angebracht. Ebenfalls verschollen sind die drei Baldachine der Figuren. Die Malereien wurden von Stapel als „schlecht erhalten und durch unberufene Hände noch weiter verdorben“8 beschrieben.

Etwas unklar bleibt, ob diese Flügel im Zusammenhang mit der Heiligen Sippe stehen und sie somit datieren, oder ob sie vielleicht ursprünglich von einem anderen Altar stammten. Das Stiftungsjahr 1499 könnte durchaus zur Errichtung der Jahrsauer Kapelle passen, da in jenen Jahren in den bis dahin kirchlosen Rundlingsdörfern der Altmark reihenweise Kirchen erbaut wurden. Die außerordentliche Qualität der Figuren des Mittelschreines spricht dagegen eher für eine Übernahme dieser Stücke aus einer städtischen

8 Stapel 1913, S.62.

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oder monastischen Kirche. Es erscheint kaum denkbar, dass die drei oder vier Jahrsauer Familien sich ein solches Werk leisten konnten. Die zunächst augenfälligen stilistischen Unterschiede zwischen der Marien- krönung und den Sippenfiguren rühren wohl eher daher, dass das Relief in den Gesichtsbereichen die alte Fassung vollkommen verloren hat. Faltenwurf und die Locken des Haares harmonieren jedenfalls durchaus miteinander. Etwas merkwürdig bleibt allerdings die fast quadratische Marienkrönung in der Predella. Dieses Werk entspricht so in seinen Proportionen viel eher einem Altarmittelfeld als der klassischen längs- rechteckigen Predella. Eine Marienkrönung in der Predella wäre zudem ikonographisch durchaus außergewöhnlich; eine derartige Darstellung im Mittelschrein stellt dagegen beinahe einen Normalfall dar, wir erinnern hier nur an den Altar in der Werbener Johanniskirche, dem aber zahlreiche andere märkische Beispiele hinzugesellt werden könnten.9 Möglicherweise befand sich die Marienkrönung also ursprünglich an anderer Stelle des Altares, was wiederum ein Indiz für eine Herkunft von einem anderen Ort darstellt. So bleiben noch einige Unsicherheiten, zu denen nicht zuletzt gehört, dass wir nicht wissen, ob die noch immer verschollenen Teile nicht doch an einem unbekannten Ort ebenfalls überdauert haben.

Ein drittes Beispiel mag dafür stehen, dass auch ältere Archivalien noch wichtige Hinweise auf Verschollenes bieten können. Arno Sommerfeld, Salzwedel gelang es, eine Akte aus dem Pfarrarchiv St. Katharinen wieder an das Licht der Öffentlichkeit zu bringen, die den Verkauf des ehemaligen Hochaltares der Kirche nach Frankfurt/ Main dokumentiert. Sie umfaßt den Zeitraum von 1878 bis 1881 und enthält etliche Schreiben des damaligen Käufers und der mit ihm verhandelnden Stellen, sowie Expertisen aus Berlin und Magdeburg.10 Demnach fragte der Frankfurter Architekt Alexander Linnemann am 16. Dezember 1878 beim damaligen Pfarrer der Katharinen- kirche Otto Solbrig erstmals an, ob es möglich wäre den Altar für den Preis von 900 Reichsmark zu erwerben (er war damals offenbar schon beiseite

9 Zu nennen wären zum Beispiel auf dem Barnim der Hochaltar der Bernauer Marienkirche, im Land Lebus der (im 2. Weltkrieg zerstörte) Altar aus der Müncheberger Kirche oder in der Uckermark der Altar von Woddow. 10 Die Akte stammt eindeutig aus dem Pfarrarchiv St. Katharinen, aus dem sie zu einem unbekannten Zeitpunkt entwendet wurde. Es steht zu hoffen, dass sie wieder dorthin zurückgelangen wird.

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gestellt, Münzenberger schreibt später davon, dass er „lange Jahre verwahrlost im Thurm der Katharinenkirche“ gewesen sei11).

Abb. 5 Mittelschrein des ehemaligen Altares der Salzwedeler Katharinenkirche in Frankfurt

Da der Altar später praktisch sofort in den Besitz des Frankfurter Klerikers Münzenberger ging, trat Linnemann hier offenbar als Strohmann auf. Dieser Eindruck wird auch dadurch verstärkt, dass er vorspiegelte, den Altar an ein Museum weiterleiten zu wollen (genannt wurden Frankfurt oder Nürnberg). Nachdem sowohl die Stadt, als auch die Kirchengemeinde dieses Anliegen positiv aufnahmen, wurde Wilhelm Bode von den königlichen Museen Berlin mit der Begutachtung des Altares beauftragt. Sein Urteil vom Juli 1879 fiel allerdings ausgesprochen ungünstig für den Altar aus, dem er „geringen Kunstwerth und ... mangelhafte Erhaltung“12 bescheinigte. - Ersteres

11 Münzenberger, Ernst Franz August/ Beissel, Stephan, Zur Kenntnis und Würdigung der Mittelalterlichen Altäre Deutschlands: Ein Beitrag zur Geschichte der vaterländischen Kunst, Bd. I, Frankfurt/ Main, 1890, S. 164. 12 Sämtliche folgenden Zitate aus der Akte.

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wie wir heute wissen zu unrecht, Zweites dagegen bedauerlicherweise offenbar vollkommen zu recht. Bis dahin enthält die Akte auch eigentlich nichts Neues, denn diese Fakten waren auch aus anderen Quellen bereits mehr oder weniger gut bekannt. Vollkommen neu ist dagegen folgende Aussage. Bode fordert nämlich dazu auf, den Altar zunächst einem Museum der Mark (er nennt dabei Berlin und Magdeburg) anzubieten: „Für ein solches würde die ihrer märkischen Entstehung halber schon interessante Arbeit sich auch deshalb noch besonders eignen, weil der Kirchenvorstand bereit ist, eine in ihrer Bemalung schadhafte Madonnenstatue in halber Lebensgröße mit in den Kauf zu geben, deren Erhaltung in der Kirche gleichfalls nicht von Interesse ist, die aber an künstlerischem Werth wie an Alter (sie mag etwa vom Jahre 1400 herrühren) den Altar entschieden übertrifft. Der Altar wie diese Statuette sind aus Holz und daher an Ort und Stelle ohne Restauration dem weiteren Verderb rasch ausgesetzt.“ Offenbar gab es damals also nicht nur den Altar, sondern außerdem auch noch eine Madonnenstatue in halber Lebensgröße, die als Einzelwerk existierte. Von ihr wußte man bislang nichts (mehr, denn damals war sie ja bekannt). Am 5. November 1879 bekundete das Märkische Museum in Berlin sein Desinteresse an einem Kauf und am 30. Januar 1880 fragte Linnemann, bereits etwas ungeduldig, nach dem Stand der Dinge. Danach scheint dann alles sehr schnell gegangen zu sein. Fast gewinnt man den Eindruck eines Panikverkaufes, denn auf dem Schreiben vom 30.01. findet sich der Vermerk: „Geantwortet zum Preis v. 900 m. angeboten OSolbrig 1.II.80“. Aus dem folgenden Brief Linnemanns vom 2. Februar (!) ergibt sich jedoch, dass er nicht nur das Antwortschreiben erhielt sondern zugleich „den richtigen Empfang des alten Kunstwerkes“ bestätigt. Dabei kann es sich nur um die Madonna gehandelt haben. Die Postgeschwindigkeit der damaligen Zeit läßt einen schon fast sprachlos zurück, denn Linnemann verfaßt seinen Brief am 30. Januar und er scheint spätestens einen Tag später angekommen zu sein. In Salzwedel wurde er auch sofort beantwortet, denn schon am 2. Februar trafen Brief und Kunstwerk ein. Aber nicht nur die Post erfüllte ihre Aufgabe bestens, sondern auch die am Verkauf resp. Kauf Beteiligten legten ein erstaunliches Tempo an den Tag. Augenscheinlich sollte durch die Voraussendung der relativ leicht zu transportierenden Madonna der Käufer gewissermaßen unter Druck gesetzt werden, um auch ja nicht von seinem Angebot zurücktreten zu können. Der schickte dann auch den Kaufpreis zusammen mit einem Schreiben am 10. Februar ab und bot zugleich Hilfe beim Verpacken an. Am 16. Februar bohrte er ungeduldig nach, ob er nun doch seinen Mann (einen Vergolder

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namens Georg Monken) zum Verpacken schicken solle und formuliert dann folgenden bemerkenswerten Satz: „Das Werk soll sofort an das hiesige Stadt. (M.F.: bzw. Städt., das Blatt ist an dieser Stelle zerstört) Museum (Archiv)“ abgehen. Die letzten vier Worte wurden vom Empfänger rot unterstrichen, scheinen ihm also besonders wichtig gewesen zu sein. Auf diesem Schreiben findet sich dann auch gewissermaßen die finale Notiz: „Am 3. März ist der Altarschrein vom Herrn Monke eingepackt & per Bahn nach Frankfurt a/M abgeschickt OSolbg“ „Die 900 M sind an den Rendanten der Kirchenkasse von St Kathar von mir persönlich gezahlt und ein Einnahme Beleg ausgestellt OS“ In einer nachträglichen Genehmigung des zuständigen „Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten“ vom 17. Februar, findet sich dann die in unserem Zusammenhang interessierende Bemerkung „dass die mitverkaufte Madonnenstatuette an sich nicht zu dem Altar gehört hat.“ Wenig später dürfte auch der Kirchengemeinde deutlich geworden sein, dass Linnemann falsche Tatsachen vorgespiegelt hatte, denn ein Jahr später war der Altar offenbar spurlos verschwunden. Nachforschungen in Frankfurt ergaben am 28. September 1882 eine Antwort des Städelschen Kunstinstituts, wonach er sich „im Besitze des Städelschen Kunstinstituts nicht befindet. Ebenso habe ich mich vergewissert daß die Städtischen Sammlungen denselben nicht enthalten. Auch über die Madonnenstatuette kann ich keine Auskunft geben.“ Fast zeitgleich fand der Altar allerdings seinen neuen Platz auf dem Hochaltar des Frankfurter Domes, denn er war offenbar sofort nach seiner Ankunft in Frankfurt einer umfangreichen Erneuerung unterzogen worden, die über ein Jahr in Anspruch nahm. Wenn dabei allerdings die Gethsemane- Szene „eine Kopie derselben Szene aus dem ... Hochaltar der Marienkirche in Salzwedel“13 ist, dann wird deutlich, dass es offenbar noch weitere Besuche aus Frankfurt in Salzwedel gegeben hat, die jedoch der Katharinengemeinde verborgen blieben. Überhaupt kann man nur darüber spekulieren, warum Münzenberger ein derartiges Versteckspiel betrieb. Möglicherweise spielte dabei der Kultur- kampf zwischen katholischer Kirche und protestantischer Reichsregierung eine Rolle, der dazu führte, dass der katholische Stadtpfarrer Münzenberger nicht als Käufer bei einer protestantischen Kirchengemeinde vorstellig werden wollte. Deshalb wurde der Gemeinde wahrscheinlich auch vorgegaukelt, dass der Altar für ein Museum bestimmt sei. Während jedoch schon bald klar wurde, dass die Katharinengemeinde ihren Altar de facto an den Frankfurter Dom abgetreten hatte, verlor sich die Spur

13 Elsbeth de Weerth, Die Ausstattung des Frankfurter Domes, Frankfurt am Main 1999, S. 77.

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der Madonna fortan. Allerdings heißt das nicht, dass sie nicht doch noch existiert, denn für etliche der Werke aus der Sammlung Münzenberger fehlt bis heute jeder sichere Herkunftsnachweis (so etwa für den zweiten Altar des heutigen Hochaltares). Im Nordquerhaus des Bartholomäusdomes steht zwar tatsächlich eine Madonna aus Lindenholz mit einer Fassung des 19. Jahrhunderts. Mit einer Größe von 101 cm könnte sie durchaus als „halb lebensgroß“ durchgehen. Erstmals erwähnt wurde sie erst 190714 und so wird auch vermutet, dass sie aus Münzenbergers Sammlung stammen könnte. Sie ist im übrigen an der Rückseite ausgehöhlt, dürfte also ursprünglich in einem Altarschrein (wahrscheinlich mittig) aufgestellt worden sein. Andererseits wird für sie stilistisch eine schwäbische Herkunft vermutet und bereits ein Laie erkennt, dass es sich keineswegs um ein Werk aus der Zeit um 1400 handelt, sondern um eine etwa 100 Jahre jüngere Madonna. Dies steht aber in deutlichem Gegensatz zur Einschätzung Bodes, dem man wohl doch soviel Sachverstand zutrauen darf, dass er das hohe Alter der Madonna erkannte. Mit dieser Einschätzung Bodes haben wir auch den einzigen einigermaßen sicheren Hinweis für eine Identifizierung. Allerdings ist der Nachlaß Münzenbergers überaus weit verstreut und findet sich in Kirchen von Luxemburg bis Kiel.15 Zudem ist in den allermeisten Fällen eine genaue Herkunftsangabe fast unmöglich, da die Altäre aus verschiedenen Einzel- stücken zusammengesetzt wurden und beinahe perfekt durch neogotische Stücke ergänzt wurden.16 Münzenberger selber war bei genauen Herkunfts- bezeichnungen eher nachlässig und es ist auch keineswegs für jedes Stück aus seiner Sammlung der heutige Standort bekannt.

Blickt man nun auf den bekannten Bestand der verstreuten Sammlung, so gibt es etliche Madonnen, die sich fast immer in Altarwerken befinden, aber fast ausnahmslos in die Zeit nach 1450 fallen dürften. Lediglich eine Madonna springt sofort als älteres Stück ins Auge. Es handelt sich um eine sitzende Maria mit stehendem Jesuskind mit Segensgestus auf dem linken Knie, die heute im Oblatenkloster Rochusberg bei Bingen aufbewahrt wird. Sie gelangte 1899 aus Münzenbergers Nachlaß dorthin. Sie wird zwar dem Typus der Kölner Madonnen zugerechnet,17 was jedoch eine Herkunft aus Salzwedel keineswegs ausschließen würde. Mit 96 cm Höhe erreicht sie

14 De Weerth 1999, S. 133, Inventarnummer G/5. 15 Elsbeth de Weerth, Die Altarsammlung des Frankfurter Stadtpfarrers Ernst Franz August Münzenberger (1833-1890), Frankfurt am Main 1993, S.76 und Katalogteil. 16 Vgl. De Weerth 1993, S. 79. 17 De Weerth 1993, S. 206.

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zudem halbe Lebensgröße und vor allem würde sie als einzige der bislang bekannten Madonnen aus Münzenbergers Besitz erklären, warum Bode sie qualitativ so hoch einschätze und eine Datierung „um 1400“ vorschlug. Letztlich ist dies alles aber eben auch nur eine Möglichkeit, die noch genauer zu prüfen wäre. So bleibt in dieser Frage noch Raum für weitere Nach- forschungen. Wir wissen jetzt zwar, dass es ursprünglich in der Katharinen- kirche die beschriebene Marienfigur gab; wir können jedoch nur hoffen, dass sie auch heute noch existiert.

Abb. 6 Maria mit Kind, Oblatenkloster, Rochusberg bei Bingen

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Kommen wir zum letzten Fall, der an dieser Stelle interessieren soll: Bei unseren Glocken handelt es sich ja um eher handwerklich geprägte Kunst- werke, die mal mehr, mal weniger aufwendig gestaltet wurden. Ihnen ist das letzte Beispiel zuzurechnen. In der oben erwähnten Bibliothek der Katha- rinenkirche stand nämlich seit einigen Jahren auch eine mittelalterliche Kleinglocke, deren Herkunft ausgesprochen mysteriös ist. Nach vagen münd- lichen Überlieferungen soll sie vor einigen Jahren aus dem Nachlaß eines Handwerkers der Kirchengemeinde übereignet worden sein.18

Es handelt sich um eine sehr kleine Glocke, die abgesehen von zwei Linien am Hals, sowie einer weiteren über dem Schlagring vollkommen schmucklos ist. Auf der Innenseite befindet sich eine fast vergangene unleserliche Inschrift in Sütterlin. Der untere Durchmesser der Glocke umfaßt 35 cm. Da sich in der Katharinenkirche zudem noch eine zweite ungenutzte Klein- glocke befand, die ehemals dem Elisabethhospital der Neustadt gehörte, geriet die beschriebene Glocke praktisch in Vergessenheit bzw. wurde zuweilen mit dieser verwechselt.

Ein Blick auf die Überlieferung des historischen Glockenbestandes der Kirche erbrachte jedoch ein erstaunliches Ergebnis. Demnach umfaßte das Geläut der Katharinenkirche vor dem Ersten Weltkrieg vier Glocken: die große „Betglocke“ von 1837, die noch immer vorhandene „Apostelglocke“, die „Wächterglocke“ (Durchmesser 1,15 m, 1075 kg) und die „Kleppglocke“ (Durchmesser 0,89 m, 445 kg). Davon wurden die größte und die kleinste im Ersten Weltkrieg vernichtet. Ein Foto der Wächterglocke belegt, dass es sich um einen Guß der Zeit um 1300 handelte, obwohl sie später vollkommen sinnlos als „vor 1800“ bezeichnet wurde. Da auch die Kleppglocke so beschrieben wurde, war sie möglicherweise ebenfalls so alt. Dem Zweiten Weltkrieg fiel dann auch die Wächterglocke zum Opfer. Es gibt aber aus dem Jahr 1940 eine Notiz19 in der ebenfalls diese vier Glocken genannt wurden, zudem aber auch eine „Kleinglocke - über der Brauttür“, von der es nun heißt „ruft zu den Nebengottesdiensten“. Beschrieben wird sie mit 35 cm Durch- messer, einem Gewicht von ca. 20 kg, unbekanntem Schlagton und unbekanntem Gußjahr („?“). Tatsächlich wurden 1942 auch zwei Glocken- Nummern als Abgabe aufgeführt (6/ 28/ 173 A und 174 A).20

18 Im Pfarrarchiv finden sich keine Belege. 19 Handschriftliches Dokument im Pfarrarchiv. 20 Abgabeliste.

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Abb. 7 Glocke in der Katharinenkirche Nun hat die Glocke in der Bibliothek exakt den Durchmesser von 35 cm und ihr Gewicht kann auf etwa 20 kg bis 25 kg geschätzt werden. Zudem handelt es sich um eine mittelalterliche Glocke von unbestimmter Zeitstellung. Die Beschreibung paßt also genau zu der 1940 beschriebenen Kleinglocke und wir werden kaum davon ausgehen dürfen, dass es „Doppelgänger“ solcher Qualität gibt. Eher liegt eine andere Annahme nahe: Da die Glocke sehr leicht zu transportieren ist, läßt sich vermuten, dass man diese kleine Glocke 1942 beiseite schaffte und privat versteckte; zumal ihr Gewicht im Wortsinn „kaum ins Gewicht fiel“. Das würde auch erklären, warum sie nun wieder den Weg zurück in die Katharinenkirche fand. Aber selbst dann, wenn sie nicht identisch mit der alten Glocke sein sollte, so entspricht sie dieser doch vollkommen und hat deshalb auch mittlerweile wieder ihren alten Platz im Südgiebel eingenommen.

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Ihre Nichterwähnung in den älteren Quellen erklärt sich übrigens leicht aus ihrer mittelalterlichen Funktion. Es handelt sich um eine typische Klein- glocke, die neben dem Standardgeläut von vier Glocken eines städtischen Geläutes in Altar- oder Chornähe Platz fand und häufig als Wandlungsglocke genutzt wurde. Damit war sie zugleich räumlich vom Hauptgeläut getrennt. Möglicherweise stammt die Kleinglocke der Katharinenkirche sogar noch aus dem 13. Jahrhundert, denn gerade ihre Schmucklosigkeit spricht für ein hohes Alter (schließt allerdings eine spätmittelalterliche Entstehung auch nicht aus). Vielleicht gehörte sie sogar zum ersten Geläut der Kirche; so wie es letztlich auch für die Wächter- und wahrscheinlich ebenso die Klepp- glocke zu vermuten war, die ebenfalls nur vage datiert wurden und deshalb auf so sträfliche Weise der Vernichtung anheimfielen.

Abschließend läßt sich also zusammenfassen, dass wir auch gegenwärtig noch erfreuliche Entdeckungen machen können, wenn wir mit aufmerk- samem Blick auf den Bestand an historischen Gegenständen schauen.

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Magister Christophorus Germanus (1530 - 1602) Der erste Arzt der alten und neuen Stadt Salzwedel (Altmark)

von Gerhard Ruff / Transkription: Steffen Langusch

Vorwort des Verfassers

Als gebürtiger Salzwedeler fühle ich mich meiner Heimatstadt und ihrer Jahrhunderte alten Geschichte und ihren Menschen sehr verbunden. Insbesondere beschäftigen mich als Mediziner das alltägliche Leben der Menschen und der Umgang mit Gesundheit und Krankheit im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Anstoß für die wissenschaftliche Bearbeitung der vorliegenden Studie über den ersten Arzt in Salzwedel gab mir im Jahr 2010 der Stadtarchivar Salzwedels, Steffen Langusch. Er wies mich darauf hin, dass Briefe des Magisters Christophorus Germanus aus dem Jahr 1567 über die Anstellung als Stadtphysikus von Salzwedel vorliegen. Es war Dr. Elias Hoppe, der sie abschriftlich in seinen Soltquellensien überlieferte. So gilt mein Dank an erster Stelle Herrn Steffen Langusch, der mir viele wertvolle Hinweise und Ratschläge gegeben hat. Nach dem Entschluss zur Studie folgten intensive Nachforschungen, denn außer dem Namen des Arztes und der vermutlichen Geburtsstadt Neustadt am Rübenberge lag nichts vor. Die Arbeit hat sich gelohnt. Es fanden sich vielerorts genügend Dokumente, wissenschaftliche Arbeiten und Beschreibungen, um die Verhältnisse der Stadt Salzwedel und ihrer gesundheitlichen Sorgen und Nöte im 16. Jahrhundert abzubilden. Es war das Jahrhundert der Reformation und des leisen Beginns der Renaissance in der Medizin. Erste Ansprechpartner der Kranken waren zu dieser Zeit die Barbiere, Bader und Chirurgen. Studierte Ärzte gab es in der Altmark zuvor nur in Stendal. Das änderte sich erst mit dem Eintritt des Magisters Christophorus Germanus in den Dienst der Stadt Salzwedel. Er arbeitete nach der sogenannten Säftelehre, orientierte sich an der Astrologie und setzte vor allem seine Kenntnisse in der Botanik ein. So gründete er für seine ärztliche Tätigkeit auch die erste Apotheke in der alten Stadt Salzwedel. Die Arbeit an dieser Studie konnte nicht ohne die Hilfe weiterer Förderer entstehen. So habe ich ein großes Bedürfnis, denen zu danken, die mich in der Arbeit unterstützt haben. Ganz herzlich möchte ich mich bei Frau Prof. Dr. Eva Brinkschulte vom Institut für Geschichte, Ethik und Theorie der Medizin der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität 32

Magdeburg bedanken. Sie erklärte sich ohne Zögern bereit, die Arbeit zu begutachten und gab mir eine Reihe wertvoller Hinweise zur Ergänzung und Vertiefung der Arbeit. Als eine besondere Herausforderung erlebte ich die Transkription eines handschriftlichen Briefes, den Germanus an den Bürgermeister Hannovers im Jahr 1560 geschrieben hatte. Hier war es Frau Dr. Sabine Schlegelmilch vom Institut für Geschichte der Medizin Würzburg, die sich ebenfalls sofort bereit erklärte, die Transkription der Texte zu beurteilen und übersetzte auch den in Latein geschriebenen Brief Germanus vom 30. Juni 1567 an den Magistrat von Salzwedel. Auch Frau Dr. Schlegelmilch möchte ich sehr herzlich danken. Äußerst spannend waren die astrologischen Betrachtungen und Prophezeiungen Germanus in seinem „Prognosticon“ für das Jahr 1573. Mit Hilfe der Software „Redshift 4“, einem virtuellen Planetarium, konnten der Sternenhimmel und seine Abläufe simuliert werden. Hier bin ich dem langjährigen Astronomielehrer unserer Stadt, Herrn Wolfgang Reichelt, zu besonderem Dank verpflichtet.

Schaffung eines Stadtphysikats durch Jakob Schultze, Bürgermeister der alten Stadt Salzwedel

Es ist das Jahr 1567, als sich der 37-jährige Magister Christophorus Germanus um eine Anstellung als Physikus der Alten und Neuen Stadt Salzwedel bewirbt. Der Bürgermeister der alten Stadt Salzwedel, Jakob Schultze1, wollte gemeinsam mit dem Magistrat der neuen Stadt Salzwedel die Stelle eines Stadtphysikats schaffen. Aus den „Soltquellensien“ ist zu erfahren, dass es zu diesem Zeitpunkt in Salzwedel weder einen Arzt noch eine Apotheke gab. Germanus hatte bereits eine Zeit lang in Salzwedel gearbeitet und wollte sich fest anstellen lassen. Der Wortlaut des Bewerbungsschreibens an den Magistrat von Salzwedel ist von Dr. Elias Hoppe überliefert2. Germanus versicherte, dass er hier in Salzwedel bisher die „hochgerühmete Kunst der Medicin“ nach bestem Fleiß und Vermögen zum großem Nutzen und Gewährleistung der Gesundheit eingesetzt hatte und beklagte den Mangel einer Apotheke in Salzwedel, so dass von andernorts die Medizin geholt werden muss, und dies unter nicht geringen Kosten und Lohn. Und es

1 Jakob Schultze, Bürgermeister der alten Stadt Salzwedel, Ratsherr von 1558 bis 1574, Grabmal in St. Marien Salzwedel 2 HOPPE, Dr. Elias: Soltqvellensia, Folio, Bd. 2 von 4 Folianten (1735-1755), Handschriftliche Sammlung zur Geschichte von Salzwedel; Kirchenbibliothek von St. Katharinen, Rep. Ga 18–20 S. 260–264; Transkription: Steffen Langusch 33

sei von großem Vorteil für eine Stadt, einen Apotheker und einen Arzt zu haben. In seinem Schreiben vom 20. Juni 1567 trug er seine Wünsche vor, zu welchen Bedingungen er sich verpflichten würde, die Stelle des Stadt- Physikus auszuüben. Er würde „mit Fleiß jederzeit gegen einen jeglichen zu verdienen willig“ und in kurzer Zeit der „gemeinen Bürgerschaft zu großem Nutz und Frommen“3 sein. Als jährlichen Unterhalt forderte er von beiden Städten sechzig Thaler. Für die Zubereitung von Arzneien verlangte er zehn Fuder Holz und ein Fuder Kohlen. Andernfalls könnte die Stadt auch die Kosten der Feuerung bezahlen. Darüber hinaus sollte eine Wohnung gestellt werden, sowie ein Garten zum Anbau von Heilkräutern. Außerdem würde Germanus für die Herstellung von Arzneien Wein benötigen, den er selber kaufen und bringen lassen wolle, weil nicht jeder Wein dazu tauge. Er beabsichtigte, Clareth45, Lutterdranck6 und andere Getränke für Gesunde und Kranke vorrätig zu halten und zu verkaufen. Germanus verpflichtete sich, mit bestem Fleiß und Können, die „gemeinen Bürger“7 beider Städte zu versorgen und bat auch um Erlaubnis, „den von Adel und sonst guten Leuthen umhero außer der Stadt“ mit dem Wissen und Willen des Magistrats zu dienen. Germanus wollte für den Notfall und die Behandlung der Kranken und zum Nutzen der Bürger eine Apotheke einrichten. Hierbei soll „dem Weinkeller oder Kremerzunfft in ihrer Kauffmannswahr oder Kremerwahr zu schaden nichts [sol] vorgenohmen werden“. Germanus schloss seine Bewerbung mit der Bitte, sein Vorhaben mit Wohlwollen anzunehmen.

3 Ebenda 4 Clareth (Klaret) war in Salzwedel bereits im 15. Jahrhundert bekannt und beurkundet. Als im November 1471 der Churfürst Albrecht nach Salzwedel kam, wurde er von der alten und neuen Stadt gehuldigt. Dann wurde Krüde, einem Gewürzkuchen und „Claret Wien und Eimbeschs bier“ geschenkt. Clareth ist märkischer Wein, der vermischt wurde mit Wurzeln, Kräutern, auch mit Honig, Kirschen und Himbeeren und nach dem Abklären gereicht wurde. Man trank ihn mittags nach dem Essen und im Winter morgens zum Frühstück. MOEHSEN, Johann C.W.: Geschichte der Wissenschaften in der Mark Brandenburg besonders der Arzneiwissenschaft, Seite 487 f. 5 Die märkischen Weine galten als besonders gute Weine. BEKMANN, J.C., BEKMANN, B. L.: Historische Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg, Zweiter Band Berlin 1753, Nachdruck Hildesheim 2004, S.668 6 Lutterdranck, lautter tranck, d.h. unvermischt, in Niedersachsen gebräuchlich. Deutsches Museum, Zweiter Band Leipzig 1779, S.37 7 HOPPE, Dr. Elias: Soltqvellensia, Folio, Bd. 2 von 4 Folianten (1735-1755), Handschriftliche Sammlung zur Geschichte von Salzwedel; Kirchenbibliothek von St. Katharinen, Rep. Ga 18–20 S. 260–264; Transkription: Steffen Langusch 34

Christoph Germanus ist wohl auf Salzwedel aufmerksam geworden, weil bereits ein Bürger aus Neustadt am Rübenberge in Salzwedel lebte und arbeitete. Es war der Schulmeister Wegener, der sich drei Jahre, von 1566 bis 1569, in Salzwedel aufhielt, wie die Stadtchronik Neustadt am Rübenberge berichtet8. Auch entschied er sich wohl ganz bewusst für eine reformierte Stadt. Seine Heimatstadt Neustadt am Rübenberge gehörte seit 1543 dem lutherischen Glauben an, und er wurde wohl entsprechend erzogen. So ist es auch nicht verwunderlich, wenn Germanus sich für ein Studium an der Hochschule zu Marburg entschied, der ersten protestantischen Hochschule, 1527 von Philipp dem Großmütigen gegründet. Die Kurmark Brandenburg, also auch Salzwedel, war seit 1540 der lutherischen Kirche beigetreten. Was lag nun näher, als sich für Salzwedel zu interessieren. Die Städte Neustadt am Rübenberge und Salzwedel lagen etwa ein bis zwei Tagesreisen entfernt und man reiste gewöhnlich mit einer Pferdekutsche von Hannover nach Salzwedel über Celle – Eschede – Suderburg – Uelzen9.

Das 16. Jahrhundert – die Verhältnisse in der Altmark

Christophorus Germanus war ein Zeitgenosse der Renaissance, eine Zeit, in der die Medizin beginnt, ihr Interesse auf die griechische Antike zu richten. In der universitären Medizin wurde nun der direkte Zugang zu Hippokrates und Galen durch das Studium der Originaltexte wichtig. Das 16. Jahrhundert war geprägt vom medizinischen Humanismus. Es galt, über die Naturstudien mit eigenen Untersuchungen zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Andreas Vesalius (1514 - 1564) ist einer der bedeutendsten Vertreter des neuen Zeitgeistes. Er reformierte die Anatomie und schrieb 1543 das erste Lehrbuch über die Anatomie „De humani corporis fabrici“. Leonard Fuchs (1501 - 1566) gab im gleichen Jahr sein deutsch-sprachiges „New Kreüterbuch“ mit 400 europäischen und 100 exotischen Pflanzen heraus. Die Pflanzen werden in brillanten Holzschnitten dargestellt und ihre Anwendung beschrieben. Fuchs wird später als Pionier der modernen Botanik genannt. Er lehrte die Medizin in Ingolstadt und Tübingen10.

8 BARBY, Dieter: Chronik der Kirche und Kirchengemeinde Neustadt am Rübenberge, unveröffentlichtes Manuskript 2010 9 BRUNS, F. WECZERKA, H.: Hansische Handelsstrassen, Weimar 1967 10 Schrift zu „Leonart Fuchs zum 500. Geburtstag“, Deutsches Medizinhistorisches Museum, Ingolstadt 2001 35

Von großer Bedeutung für die Veränderungen an den Hochschulen sind die Einführung der Buchdruckerkunst und der Geist der Reformation, der sich an den Hochschulen in reformierten Ländern durchsetzte, wie z. B. in Wittenberg und in Marburg. Es bleibt jedoch festzustellen, dass das medizinische Mittelalter länger andauerte als der Fortschritt in den übrigen gesellschaftlichen Bereichen. Die Reformation brachte auch in der Altmark große Veränderungen. Kurfürst Joachim II., der 1539 dem protestantischen Glauben beigetreten war, ordnete in den Jahren 1540 bis 1542 Kirchenvisitationen an. In Salzwedel wurde die Visitation am 12. August 1541 beendet11. Das katholische Kirchengut wurde durch den evangelisch gewordenen Landesherren eingezogen (Säkularisation). Die Hauptaufgabe der Priester bestand jetzt in der Predigt und Seelsorge. Die bischöflichen Behörden, die Archidiakonate, wurden in Superintendenturen umgewandelt. In Kirchenfragen war für die Altmark nun die kurfürstliche Kanzlei in Berlin verantwortlich, die das christliche Leben, die Kirchübungen und die Kirchenabläufe regelte. Die Fürsorge für die Armen und Kranken wurde den Gemeinden übertragen. Salzwedel war im Mittelalter eine der reichsten Städte und gehörte zur Mark Brandenburg. Es war eine Furtstadt, die erstmalig im Jahr 1112 erwähnt und als Stadt urkundlich 1233 genannt wird. 1247 wurde eine neue Stadt durch die Markgrafen Johann I. und Otto III. gegründet, die Neustadt Salzwedel12. Seither bestanden zwei voneinander unabhängige Städte, die Altstadt Salzwedel und die Neustadt Salzwedel. Erst im Jahr 1713 erfolgte der Zusammenschluss beider Städte. Zu Salzwedel gehörten auch die Vororte Bockhorn und der Perver. Angaben zu der Einwohnerzahl Salzwedels sind nicht bekannt. GÖTZE13 gibt jedoch für das Jahr 1567 die Zahl der vorhandenen Feuerstellen an: Altstadt Salzwedel: 538 Neustadt Salzwedel: 414 In allen sieben Städten der Altmark wurden 4234 Feuerstellen gezählt.

11 SCHMIDT, Hans: Die Evangelische Kirche der Altmark, ihre Geschichte, ihre Arbeit und ihr Einfluss, Halle a. S. 1908, S. 19 12 STEPHAN, Joachim: Die Vogtei Salzwedel, Frankfurt am Main 2006, S. 71 13 GÖTZE, Ludwig: Urkundliche Geschichte der Stadt Stendal, Stendal 1873, Reprint 1993, S. 252 36

Abb. 1 Salzwedel im Jahr 1652 nach Merian

Die Versorgung der Armen und Kranken lag schon im abendländischen Mittelalter in den Händen der Kirche und hatte ihren Anfang in der Zeit der Christianisierung des Sachsenlandes. Parallel zur Unterwerfung der Sachsen und Wenden wurden im Gebiet der Altmark die Bistümer Halberstadt und Verden gegründet, deren Grenze mitten durch die Alte Mark lief. Salzwedel gehörte zum Bistum Verden. Die Bischöfe richteten christliche Hospitäler ein, die in dieser Zeit die Grundlage der Armen- und Krankenversorgung darstellten. Sie setzten den karitativen Gedanken der christlichen Tugend von Nächstenliebe und Wohltätigkeit um. Der christliche Glaube durchzog alle Lebensbereiche. Im 13. Jahrhundert entstanden allerorts St.-Spiritus-Hospitäler, die auch in der Altmark zu finden waren. Der unheilvollen Krankheit der Lepra begegnete man mit der Errichtung von besonderen Hospitälern, den Leprosorien14. Sie wurden vor den Toren der Stadt gebaut. Personen, die verdächtige Zeichen dieser als Lepra bezeichneten Krankheit hatten, teils mit schweren und entstellenden Hautänderungen, wurden so isoliert. Sie mussten u. a. schwarze Kleidung und ein Glöckchen tragen, um ihr Kommen anzuzeigen. In der Altmark war in jeder Stadt ein Leprosorium vorhanden. Sie wurden zusammen mit einer Kapelle angelegt und waren dem Heiligen Georg geweiht. Der Heilige Georg war der Patron der Ritterschaft, insbesondere der Kreuzfahrer, denn diese Krankheit wurde vor allem durch die Kreuzzüge verbreitet.

14 Zahn, W.: Geschichte der Armen- und Krankenpflege in der Altmark, 31. Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte und Industrie zu Salzwedel, S. 14 f. 37

In Salzwedel wurde im 13. Jahrhundert das Leprosorium am Rande des Vorortes Perver, also außerhalb der Stadt und des Vorortes Perver errichtet. Im 16. Jahrhundert wurde die Lepra in der Altmark nicht mehr beobachtet, und im Leprosorium der beiden Städte Salzwedels wurden seit langem Arme und Kranke im Auftrag der Altstadt Salzwedel versorgt. Es entstanden weitere Hospitäler, wie die St.-Elisabeth-Hospitäler in Stendal und Tangermünde. In Salzwedel wurde Anfang des 15. Jahrhunderts ein Hospital in der Neuen Stadt errichtet, das der Heiligen Elisabeth von Thüringen geweiht wurde, der Schutzpatronin der Armen. Dem Schutz der Heiligen Gertrud wurden die Hospitäler der Reisenden und Pilger unterstellt, so in allen altmärkischen Städten15. Das Hospital in Salzwedel entstand mit einer Kapelle im 1.Viertel des 15. Jahrhunderts16 vor der Altstadt, nahe dem Bockhorner Tor. In dem Glockentürmchen dieser Kapelle befindet sich noch heute eine Läuteglocke, vermutlich aus der Gründungszeit. Auf dieser Glocke befinden sich das Pilgerzeichen von Rom (Vera icon, das wahre Bild Christi), der Heilige Theobald (das Pilgerzeichen von Thann, im Elsaß), der Heilige Nikolaus (Nikolausberg, bei Göttingen) und der Heilige Bartholomäus17.

Abb. 2 Der Heilige Theobald, Thann, Foto: G. Ruff, 2010

15 Ebenda, S. 68 16 Urkundliche Ersterwähnung 1429, Urkundenfindbuch der Stadt Salzwedel, S. 340 17 Für die Bestimmung der Pilgerzeichen bedanke ich mich herzlich bei Frau Dr. phil. Cornelia Oefelein, Kremmen. 38

Abb. 3 Das wahre Bild Christi, Rom, Foto: G. Ruff, 2010

Weitere Pilgerzeichen sind in Salzwedel auf der Apostelglocke der Katharinenkirche zu finden. Sie wurde 1434 gegossen und trägt ebenfalls Pilgerzeichen.

Diese Pilgerzeichen, aus einer Blei-Zinn-Legierung bestehend, brachten Bürger Salzwedels von ihren Pilgerreisen mit. Der Glockengießer legte sie vor dem Glockenguss als Relief auf die Glocke. Beim Glockenguss verdrängte die Glockenspeise die leicht schmelzende Blei-Zinn-Legierung. So kam die Kopie des Pilgerzeichens auf die Oberfläche der Glocke. 39

Es bestand der Glaube, dass sich die segenreiche Wirkung des Heiligen mit dem Glockenklang auch über das Land verbreitete. Die zu Salzwedel nahe gelegenen Pilgerstätten waren Bad Wilsnack, das Heilige Kreuz zu Bismarck und die Klosterkirche St. Peter und Paul in Königslutter. Nach der Reformation verloren die Wallfahrtsorte ihre Anziehung. Die Armen- und Krankenpflege wurde auch von geistlichen Brüderschaften und Gilden organisiert. Die Behandlung der Kranken erfolgte durch Wundärzte, Bader, Barbiere, Hebammen und Zahnbrecher. Sie gehörten zu den niederen Heilberufen. Auch zogen Wundärzte von Ort zu Ort und kurierten die Kranken auf den Märkten. In der Zeit des Mittelalters galt der Grundsatz: Ich bin der Herr, dein Arzt (2. Buch Mose, 15, 26). Die Kranken suchten bei Krankheit und Not die Zuflucht bei Gott und den Heiligen im Sinne des Heilens ihrer Seelen. Der Arzt konnte nur dann den Kranken heilen, wenn Gott es zuließ. So war die Aussage des Arztes zu den Heilungschancen auch deshalb wichtig, um sich gegebenenfalls auf den Tod durch Reue und Buße vorzubereiten. Die ersten Ärzte waren im Mittelalter überwiegend Geistliche. GÖTZE18 schreibt, dass sie in der Altmark hohes Ansehen hatten. Sie waren frei von Lasten und erhielten das Bürgerrecht und eine freie Wohnung. So berichtet er für das Jahr 1230 von dem ersten Arzt in Brandenburg, Magister Hinricus Physicus, dem Leibarzt des Bischofs Gernand von Brandenburg und für das Jahr 1252 von dem Physicus Petrus, Leibarzt der Markgrafen Johann I. und Otto III. Der erste Arzt in der Altmark war Magister Peter von Tangermünde. Er lebte in Stendal Anfang des 14. Jahrhunderts und starb im Jahr 1339. MOEHSEN19 beschreibt ihn als den ersten Arzt von Salzwedel. Er lebte jedoch nicht in Salzwedel, sondern hielt sich hier vermutlich nur kurzzeitig auf. In einem Schenkungsbrief von Conrad von Krakau wird Petrus erwähnt. Er hatte 1323 aus den Radelandschen Feldern zu Neu-Salzwedel einen Hufzins zu fordern. Der erste Stadtarzt von Salzwedel war Magister Christophorus Germanus, der im Jahr 1567 vom Magistrat der alten Stadt Salzwedel eingesetzt wurde.

18 GÖTZE, Ludwig: Urkundliche Geschichte der Stadt Stendal, Stendal 1873, Reprint 1993, S. 271 f. 19 MOEHSEN, D.J.C.W.: Geschichte der Wissenschaften in der Mark Brandenburg besonders der Arzneiwissenschaft, Berlin und Leipzig 1781, Nachdruck 1976, S. 317 40

Herkunft und Ausbildung des Christophorus Germanus

Abb. 4 Neustadt am Rübenberge um 1650 nach Merian

Germanus wurde im Jahr 1530 in Neustadt am Rübenberge geboren. Dieses kleine Landstädtchen, etwa 30 km nördlich von Hannover gelegen, gehörte zum Fürstentum Calenberg. Es wurde vom Herzog Erich I. bis 1540 regiert. Die Witwe Elisabeth übernahm nach seinem Tode die Regentschaft für den unmündigen Sohn Erich II. Sie unterstützte die Reformation und setzte sich gegen viele Widerstände für die lutherischen Forderungen ein. Christophorus Germanus, vermutlich aufgewachsen in seiner Geburtsstadt, wird auch hier die Lateinschule besucht haben, deren Existenz in der Stadtchronik von BARBY bestätigt ist. Auch berichten die Soltquellensien von einem Bruder Bernhard, der Bürgermeister in Neustadt am Rübenberge gewesen ist. Archivalien liegen leider nicht vor, weil sie alle beim Stadtbrand in Neustadt am Rübenberge 1727 verloren gingen20.

20 BARBY, Dieter: Chronik der Kirche und Kirchengemeinde Neustadt am Rübenberge. Unveröffentlichtes Manuskript 2010 41

Nach dem Besuch der Lateinschule ging Germanus nach Marburg und entschloss sich zum Studium der Medizin an der Alma Mater Marpurgensis. Seine Eintragung in der Matrikel ist unter dem Datum des 11. Mai 1548 zu finden: Christophorus Germanus Neustadianus21. Die Universität Marburg war die erste deutsche protestantische Hochschule. Sie wurde im Jahre 1527 von Landgraf Philipp dem Großmütigen gegründet. „Die Fundationsurkunde vom 4. Oktober 1540, welche die ökonomische Grundlage der Universität sicherstellte, und die beiden Stipendiaten- verordnungen vom 18. Mai 1539 und vom 19. Februar 1542, welche unsere Universität grundsätzlich in das Gesamtsystem der landesherrlichen Kultur- und Erziehungspolitik zum gemeinen Nutzen des Territorii hineinstellen, stehen so neben dem kaiserlichen Privilegienbrief von 1541 und schließen die unsichere Anfangsperiode unserer Universität ab“22. Der akademische Betrieb wurde für die Medizin folgend definiert: „In der medizinischen Fakultät soll ein Doktor den Schülern neben der Physik und der Einführung in die Apotheke, die Aphorismen des Hippokrates und andere Bücher des Galenus und Avicenna nacheinander interpretieren“23. Einer der bedeutendsten Professoren in der Zeit des Studiosus Christophorus Germanus war Johann Eichmann, genannt Dryander. Er wirkte von 1535 bis zu seinem Tode im Jahr 1560 an der Marburger Hochschule als Anatom, Arzt, Mathematiker und Astrologe. Er wird als tüchtiger medizinischer Praktiker beschrieben, verehrte Galen, lehrte die Anatomie als wichtigste Grundlage für die Heilkunst und führte selbst anatomische Leichen- öffnungen durch. „Ohne Kenntnis der Anatomie einen Kranken mit Apothekerelaboraten vollzustopfen, ist grundfalsch“24. In seinen Schriften greift er auch auf die Erkenntnisse seines Zeitgenossen Andreas Vesalius zurück. Dryander publizierte auf den Gebieten der Anatomie, Astronomie und Krankenlehre. 1589 hatte er ein weiteres kleines Handbuch in Deutsch für den einfachen Bürger herausgegeben: „Practicierbüchlin Außerlesener Artzneystück/ Wie alle leibliche Gebrechen vnnd Kranckheiten deß Menschen / durch natürliche Mittel curiert…“25.

21 Uni A Marburg 305m 1 Nr. 1, zit. n. Catalogus studiosorum scholae Marpurgensis 1527 – 1628, herausgegeben von Carolus Iulius Caesar, Marburg 1875 - 1878 22 HERMELINK, H. und S. A. KAEHLER: Die Philipps- Universität zu Marburg 1527 – 1927, Marburg 1927, S. 21 23 Ebenda, S. 60 24 Ebenda, S. 139 25 DRYANDER, Ioan: Practicierbüchlin Auserleserner Artzneystück, Franckfurt am Meyn M.D.LXXXIX, Faksimile-Druck Lindau 1979 42

Dryander lehrte noch auf der Grundlage der antiken Medizin und wandte sich vor allem der Krankenlehre und Therapie zu. Auch scheut er sich nicht, die zeitgenössischen Werke Euricius Cordus (1527 - 1533) und des deutschen Botanikers Hieronymus Bock (1498 - 1554) wiederzugeben, der 1539 sein „Kreuterbuch“ herausgegeben hatte.

Abb. 5 Johann Eichmann, genannt Dryander

Der Botanik wurde in der medizinischen Ausbildung seit Bestehen der Hochschule breiter Raum gegeben. Euricius Cordus (1527 - 1533) Arbeiten als botanischer Forscher und Lehrer wurden wegweisend. Er wird später zu den „deutschen Vätern der Botanik“ gerechnet26, lehrte von 1527 bis 1533 in Marburg und hatte für seine Studien einen vier Morgen großen botanischen Garten angelegt. CORDUS arbeitete als „temperamentvoller Starrkopf“ wider aller falschen Traditionsmethoden an der Hochschule und wird so

26 SCHULZ, August: Euricus Cordus als botanischer Forscher und Lehrer, in Abhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Halle a. d. S., Halle 1919, S. 5 43

beschrieben: „Die Arabisten und Astrologen sind die Feinde Cordus…Im Gegensatz zu den ‚Sternkickern‘ (Astrologen) und den ‚Seichkickern‘ (urinoscopi) suchte er in verschiedenen deutschen Schriften das Volk an den richtigen gewissenhaften Arzt zu gewöhnen“27. Im Jahr 1553 ernannte die Universität Marburg Adam Lonitzer (1528 - 1586) zum Professor für Mathematik. Nach der Ernennung zum Doktor der Medizin wurde er Stadtarzt von Frankfurt. Auch Lonitzer, der sich nun Lonicerus nannte, veröffentlichte 1557 ein Kräuterbuch, das im Verlag seines Schwiegervaters Christian Egenolff herausgegeben wurde28. Die universitäre Ausbildung in der Medizin basierte auf der Humeral- pathologie, der Viersäftelehre, die im Folgenden vereinfacht nach der Arbeit von Karl E. ROTHSCHUH29 dargestellt werden soll. Vordenker dieser Säftelehre waren die alten Griechen. Sie sahen in den Körpersäften (Blut, Schleim, Galle, Urin usw.) Quelle und Schauplatz der Krankheiten. Später wurden die Säfte mit den vier Elementen (Feuer, Wasser, Luft und Erde) und den gegensätzlichen Qualitäten (warm, feucht, kalt, trocken) verbunden. Hippokrates (um 460 - 370 v. Chr.) nannte in seiner Schrift „De natura hominis“ erstmals die vier Säfte Blut, Schleim, schwarze Galle, gelbe Galle, verbunden mit den Qualitäten der Elemente. Galen (um 130 - 201 n. Chr.) entwickelte dann ein medizinisches Konzept. Er ging von dem Grundsatz aus, dass in der Natur alles aus der Notwendigkeit geschehe. Er ordnete den Qualitätspaaren die vier Elemente zu. Die Säftelehre war für Galen die zweite Säule seines Konzeptes.

Element Eigenschaft Körpersaft Feuer heiß / trocken gelbe Galle Luft warm / feucht Blut Wasser kalt / feucht Schleim Erde kalt / trocken schwarze Galle

Tab. 1: Die Qualitäten der Säfte

27 HERMELINK, H. und S. A. KAEHLER: Die Philipps-Universität zu Marburg 1527 -1927, Marburg 1927, S. 136 28 KIPPHAN,A., P. BAHN, : Begleitheft zur Ausstellung „Das Kräuterbuch des Adam Lonitzer- Eine Rarität aus dem Stadtarchiv“, Bretten 2010 29 ROTHSCHUH, Karl Ed.: Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart, Stuttgart 1978, S. 185 f. 44

Danach ist die Gesundheit eine gute Mischung der Qualitäten (Eukrasie). Krankheit ist eine gestörte Mischung der Qualitäten (Dyskrasie) durch falsche Ernährung und Lebensweise oder schlechte Verdauung mit der Folge eines Überschusses an Schleim oder gelber bzw. schwarzer Galle. Galen leitet aus diesem Konzept die Krankheitsvorsorge und Therapie ab. 1. Eine geregelte Lebensweise lässt keine Störungen aufkommen. 2. Das gestörte Säfteverhältnis ist durch Diät und Medikamente wieder herzustellen. 3. Die überschüssigen Anteile der gestörten Säfte von Schleim, gelber und schwarzer Galle sind aus dem Körper auszuleiten. Die Diagnose wurde durch das Gespräch mit dem Kranken, die Betrachtung des Körpers und die Beurteilung von Puls und Urin gestellt. Der Therapie lag der Grundsatz zugrunde: Contraria contrariis. Behandle gegensätzlich, z. B. Kälte mit Wärme, Wärme mit Kälte. Die Arzneien wurden nach dem gleichen Grundsatz eingesetzt. Man wählte die Substanz, die die Verschiebung des Gleichgewichtes der Säfte wieder herstellte. Galen unterscheidet drei Gruppen von Arzneimitteln: 1. Elementare Arzneien, die einen großen Gehalt an Wärme, Kälte, Trockenheit oder Feuchtigkeit besitzen. 2. Kombinierte Arzneien mit zwei Qualitäten, z. B. warm und trocken. 3. Spezifische Arzneien mit besonderen Qualitäten, wie z. B. Brechmittel, Abführmittel oder Medikamente, die z. B. harntreibend oder stopfend wirken. Die Therapie ist auf die Reinigung des Blutes orientiert. Die schlechten Anteile des Blutes sind zu reinigen und durch Brechen, Abführen, Schwitzen und Harnflut auszuleiten. Eine besondere Rolle spielte die Ausleitung mittels Aderlass, der nach bestimmten Regeln, bezogen auf den Ort des Aderlasses, dem Zeitpunkt und der Stellung der Gestirne, erfolgte. Im Sinne des Aderlasses wurden auch das Schröpfen und das Setzen von Blutegeln praktiziert. Die Heilkräuter wurden getrennt verwendet (Blüten, Blätter und Wurzeln). Ihre Zubereitung erfolgte durch einen kalten oder heißen Wasserauszug. Die Wirkstoffe der Pflanzen wurden auch mit Öl oder Alkohol (hochprozentiger Wein) gelöst. Germanus benötigte für das Medizinstudium mindestens acht Jahre. Seit der Verordnung Friedrich II., der im Jahr 1240 das medizinische Studium geregelt hatte, bestand der Lehrplan aus 3 Jahre Logik 5 Jahre Medizin 1 Jahr Praxis bei einem Arzt. Eine Verbindlichkeit gab es wohl für diese Verordnung jedoch nicht. 45

Nach Beendigung seiner Studien hielt er sich in Neustadt am Rübenberge, seiner Vaterstadt, auf. Hier wurde Germanus ärztlich tätig. Aus den Jahren 1560 bis 1562 sind Briefe überliefert, die er u. a. an den Bürgermeister der Stadt Hannover, Herrn Berthold Hoffmeister, schrieb30. Dessen Frau litt offensichtlich an einem Bronchialasthma, einer chronischen Bronchitis: „Diese der Krankheit heißt zu Latin Orthopnia, zu deutsch schwer athmisch kumet von zäher schleimiger Feuchtigkeit die aus dem Magen zu haupte steigt und dieselbig beschwerden mit wehethumb.vnd fallen dieselben feuchtigkeit wider vom haupte zu die wandtrippen. Daher kumpt das der athem schwerlich gezogen wirt. Und offt umb Zähikeit willen gleich feuchtigkeit ahnkleben vnd schwitzich machen. Ihr sollten Suppen vnd Drinken meiden alles was schleimig und zähe ist auch was zu haupte dampft oder schwizet. Also kein stockfish, Käse, milchwerk. ahl, schlei, karpfen, dorsch schaden nit fisch die gehen auff steinigen grund und kleine fish. was sehr gesalzen ist drinkt nit, sollen euch auch hüten für warmbier breihaus eierpufflin, puff, merrettich. Ihr müssen essen hummer, hammelfleisch, rindfleisch und derselben suppen und brüe, hafergrütze mit Wasser und rindfleisch brüe gekocht. drinken guten met oder diß folgende gerstenwasser Zum Dursten. Zu dem gerstenwasser nimst gersten ein ziemlich handfull zustossen die im morser, Rosin ii handtful, auffgeschnitten die stein darauß genommen Zwelff feigen geschnitten. Aniß, fenchel hanfol hyssop gestoßen ein Loth petersilienwurzel ein kleine handtvoll larkritzen ii loth klein geschnitten vnd gestoßen…“31 Die Bronchitis hat nach der Säftelehre zu viel Feuchtigkeit. So diagno- stizierte Germanus ein Übergewicht an Schleim (kalt und feucht) und empfahl vorsorglich, Schleim bildende Lebensmittel zu meiden, wie Stockfisch, Käse, Milchprodukte, Aal, Karpfen und Schlei und salzige Getränke. Er riet, Hummer, Hammelfleisch und Rindfleisch zu essen und davon auch die Suppe und Brühe zu kochen. Auch empfahl er, guten Met und zum Dursten Gerstenwasser zu trinken. Zum Gerstenwasser sind Rosinen, entsteinte Feigen, Anis, Fenchel, Petersilienwurzel und Lakritze (Süßholz) geschnitten und gestoßen hinzu zu geben. Rindfleisch wurde die Eigenschaft „trocken und heiß“ zu geschrieben und langes Kochen des Fleisches wurde als übermäßige Zuführung an Hitze verstanden, um so im Körper die Feuchtigkeit zu vermindern. Deshalb riet er auch zum Dursten und dazu Gerstenwasser zu trinken. Gerste mindere die Feuchtigkeit im Körper und löscht den Durst. Diese Wirkung werde

30 Stadtarchiv Hannover Stadt, A A A 826 31 Der vollständige Brief ist im Anhang nachzulesen. 46

wiederum verstärkt mit Früchten wie Rosinen, entsteinte Feigen, Anis, Fenchel, Petersilienwurzel und Lakritze (Süßholz).

Heilmittel Wirkung Anwendung im Mittelalter Rosinen, Feigen Aufnahme der Atemwegskrankheiten Feuchtigkeit Anis wärmend und Atemwegskrankheiten, trocknend Förderung der Verdauung, bei Melancholie Fenchel wärmend und Atemwegskrankheiten, trocknend Nieren- und Blasenleiden, Magen-Darmleiden, Sehstörungen Petersilienwurzel wärmend und Harntreibend, Leber- und trocknend Magen-Darm-Beschwerden, Hautkrankheit Lakritz, Saft der wärmend und Asthma und Brust Süßholzwurzel befeuchtend beschwerden, Blasen-Leber- Nierenleiden

Tab. 2: Eigenschaften und Anwendung der genannten Heilmittel32

Auch noch in der Gegenwart finden die angeführten Heilmittel als Teezubereitung Anwendung bei den organischen Beschwerden. Die Arzt-Patienten-Beziehung bestand in der Frühen Neuzeit noch überwiegend in einer Hausbesuchspraxis, wie Michael STOLBERG33 berichtet. Es waren vor allem die wohlhabenden Bürger, die sich einer ärztlichen Behandlung unterzogen. „Die briefliche Konsultation stellte (insofern) eine gewisse Anomalie dar, als sie den Patienten in die Rolle eines oftmals anonymen Bittstellers drängte, der nur hoffen konnte, der Arzt werde seiner Bitte um Rat auch nachkommen“, wie Stolberg herausfand. Für die ärmeren Bürger stand die Selbsthilfe im Vordergrund. Die Kosten einer ärztlichen Behandlung waren hoch. Hinzu kamen dann noch die Ausgaben

32 Zusammengestellt aus MAYER, G. et al.: Handbuch der Klosterheilkunde Verlag Sandmann 2006 33 STOLBERG, Michael: Homo patiens. Krankheit und Körpererfahrung in der Frühen Neuzeit Köln Weimar Wien 2003, S. 95 47

für ein Wegegeld und die Arzneien. So zog man es oft vor, einen billigen Heilkundigen zu nehmen, wie den Chirurgen, Bader oder Barbier.

Abb. 6 M. Christophorus Germanus, 1. Seite des Arztbriefes an Berthold Hoffmeister, Bürgermeister in Hannover 48

Magister Christophorus Germanus in Salzwedel

Germanus wurde von der alten Stadt im Jahr 1567 zum Stadtphysikus bestellt und war damit in der Altmark der erste Mediziner im Dienste einer Stadtverwaltung34.Ob der geforderte jährliche Unterhalt von beiden Städten zu je 60 Thaler gezahlt wurde, ist nicht überliefert. Vielmehr drängte Germanus am 30. Juni 1567 den Bürgermeister, den „Hochweisen und Ehrenwertesten Jakob Praetorius, Konsul von Salzwedel“, auf eine schnelle Entscheidung zur Besetzung der Physikatsstelle, wie in den Soltquellensien35 berichtet wird. Er würde sich in den nächsten Tagen auf die Reise in seine Heimat begeben, möchte aber zuvor noch Klarheit haben. Die Reise ließe sich auch nicht länger aufschieben, weil er unterwegs den erkrankten Sohn des Jakob Groten bei Otto von Mandelsloh36 besuchen müsse.

Germanus stellte nun auch keine besonderen Ansprüche an die Wohnung und schrieb, dass er auch mit der Wohnung des neulich verstorbenen Dominus Lucas Leucocephalus einverstanden wäre, wenn das Schlafzimmer mit geringem Aufwand angenehmer gestaltet werde37. Wenn über den Lohn kein Konsens bei den Senatoren der Neustadt zustande gekommen sei, so würde er mit jedem beliebigen Lohn zufrieden sein, den der Hohe Senat der Altstadt zahlen würde. Mit dem Schreiben vom 20. Juni des Jahres hatte Germanus seine Vorstellungen bereits vorgetragen: 60 Thaler jährlicher Unterhalt von beiden Städten, Zehn Fuder Holz und ein Fuder Kohlen für die Zubereitung der Arzneien, eine Wohnung, ein Garten zum Anbau von Heilkräutern, Erlaubnis zum Bezug von Wein zur Herstellung von Arzneien, die Erlaubnis zur Einrichtung einer Apotheke für Notfälle und zur Behandlung der Bürger. M. Germanus verpflichtete sich, die Apotheke ohne Wettbewerb zu den Weinhändlern und Krämern zu führen und die „gemeinen Bürger“ beider Städte mit Fleiß und Können zu versorgen.

34 HOPPE, Dr. Elias: Soltqvellensia, Folia, Bd. 1 von 4 Folianten (1735-1755), Handschriftliche Sammlung zur Geschichte von Salzwedel; Kirchenbibliothek von St. Katharinen, Rep. Ga 18-20 S. 489; Transkription: Steffen Langusch 35 HOPPE, Dr. Elias: Soltqvellensia, Folio, Bd. 2 von 4 Folianten (1735-1755), Handschriftliche Sammlung zur Geschichte von Salzwedel; Kirchenbibliothek von St. Katharinen, Rep. Ga 18–20 S. 260–264; Transkription: Steffen Langusch 36 Mandelsloh, eine niedersächsische Adelsfamilie 37 Herr Lukas Wittkopp (Lucas Leukocephalus) war Altarist der Marienkirche und in derselben Kirche im Jahr 1567 bestattet worden, wie auf seiner Grabplatte zu lesen ist. 49

Eine Apothekerordnung hatte bereits Friedrich II. 1240 herausgegeben, jedoch waren Apotheken im 16. Jahrhundert nur in den großen Städten zu finden. Sie waren jedoch keine medizinischen Apotheken im heutigen Sinn. Für Berlin wird 1488 die erste Apotheke genannt. Im Jahr 1574 wurde auf Befehl des Kurfürsten die erste brandenburgische Apothekertaxe herausgegeben, die für alle Ärzte verbindlich war38. Germanus bat auch um Erlaubnis, dem Adel und „guten Leuthe umhero außer der Stadt“ zu dienen39. Zu dieser Zeit lebten über fünfzig adlige Familien in der Altmark, berichtet ENTZELT40. Nahe Salzwedel waren es die Familien von Bartensleben, von der Schulenburg, von dem und von Alvensleben, die seine Dienste in Anspruch nehmen konnten. In seinem Schreiben an den Bürgermeister vom 30. Juni versicherte Germanus, er würde nach seiner Rückkehr aus der Heimat ein Zeugnis der philosophischen Fakultät Marburg und eine Beurteilung seines Medizinstudiums vorlegen und sei sich sicher, dass der Hohe Senat keinen falschen Titel vermute. Germanus hat sich stets als Magister ausgewiesen, also Magister der freien Künste. Da er nicht promoviert hatte, durfte er nicht den akademischen Grad eines Doktors der Medizin (D) führen. Mit der Anstellung als Stadtphysikus der Alten und Neuen Stadt Salzwedel hatte er die Aufsicht über die niederen Heilberufe, wie Wund- und Schneidärzte, Barbiere, Bader, Hebammen, und kontrollierte ihre Arbeit41. Auch führte er die Aufsicht über die Badestuben, die städtischen Hospitäler und kontrollierte die Märkte. Das größte Problem war für den angestellten Arzt der Ausbruch von Pestilenzen, d. h. der Ausbruch einer Seuche mit der massenhaften Erkrankung mit vielen Toten, wie bei einer Pest. Bis 1585 war Germanus als Stadtphysikus angestellt. Am 3. März 1585 wurde die Besoldung durch die Alte Stadt aufgekündigt. Gründe für die Beendigung dieser Tätigkeit sind nicht übermittelt. Er arbeitete bis zu seinem Tode als freier Arzt in Salzwedel und im Umland. Eine besondere Rolle in der Mark Brandenburg, wie auch anderswo, spielten die Weissagungen. Die Kurfürsten Joachim I. und II. waren den

38 MOEHSEN, D.J.C.W.: Geschichte der Wissenschaften in der Mark Brandenburg, besonders der Arzneiwissenschaft, Berlin und Leipzig 1781, Nachdruck 1976, Seite 379 39 HOPPE, Dr. Elias: Soltqvellensia, Folio, Bd. 2 von 4 Folianten (1735-1755), Handschriftliche Sammlung zur Geschichte von Salzwedel; Kirchenbibliothek von St. Katharinen, Rep. Ga 18–20 S. 260–264; Transkription: Steffen Langusch 40 ENTZELT, Christoph: Altmärkische Chronik 1579, Nachdruck Naumburg 2011, S. 38 41 ENDERS, Lieselott: Die Altmark, BWV 2008, S. 914 50

astrologischen Deutungen sehr aufgeschlossen. Es wurden Kalender mit Prophezeiungen über zu erwartende politische Ereignisse herausgegeben – die medizinische Astrologie blühte. Selbst das Aderlassen unterlag astrologischen Grundsätzen. Das Vertrauen in die Astrologie wurde nicht zuletzt durch die Vorhersagen der Sonnen- und Mondfinsternisse gestärkt. So gab auch Germanus im Jahr 1572 eine Prognose für das folgende Jahr heraus:

Prognosticum Auff das Jar nach Jesu Christi vnsers einigen Erlösers vnd Seligmachers geburth. M. D. LXXIII. Gestellet vnd geordnet. Zu Ehren vnd wolgefallen/den Ed= len Ehrnuesten vnd Gestrengen Hansen Gün= thern Güntzeln vnd Jacoben allen geuettern vnd Brüdern von Bertenßleben Erbgesessen zu Wolffsburgk/ Meinen groß günstigen Junckern. Durch M. Christopherum Ger= manum Physicum Soltwedelensem. Regierende Herrn oder Planeten dieses Jahrs Mars Venus42

42 GERMANUS, M. Christoph: Prognosticon Auff das Jar nach Jesu Christi vnsers einigen Erlösers vnd Seligmachers geburth. M.D.LXXIII Matthias Giseke, Magdeburg 1572, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel A: 53.2 Astron. (1) 51

Das Prognosticon

Das Prognostikon zeigt, wie fest die Astrologie mit der Medizin verwurzelt war. Diese Arbeit gibt aber auch einen Einblick in die gesundheitlichen Verhältnisse jenes Jahrhunderts.

Abb. 7 M. Christophorus Germanus, Titelblatt des „Prognosticon“ 52

Germanus hatte sich in kurzer Zeit in Salzwedel Ansehen bei den Bürgern und dem Adel erworben, so dass er zu Ehren der Familie von Bartensleben, insbesondere Günthers von Bartensleben, für die gezeigte „viel Ehr und Wolthat“ die Prognose mit einem Kalendarium für das Jahr 1573 anhand der Gestirne erarbeitet hatte. Die Familie von Bartensleben pflegte enge Bindungen zu Salzwedel. Franz von Bartensleben, Hauptmann der Altmark, und seine Familie wohnten bis 1595 auf der Burg in Salzwedel. Germanus hatte an der Universität Marburg die Ausbildung in der Astrologie von Professor Dryander erhalten, der ein glühender Verfechter dieses Fachgebietes war. Er lehrte, dass die Kenntnis der Sonne, des Mondes und der anderen Himmelskörper für den Mediziner wichtig sei, denn aus den Bewegungen ist zu erkennen, was Gott mit dem Menschen vorhabe. Der Mensch ist ein Mikrokosmos und es bestünden Korrelationen zwischen den Sternen und den einzelnen Körperteilen des Menschen43. Germanus stellte, wie es auch üblich war, die Prognose für die Ereignisse des folgenden Jahres 1573. Hierbei berief er sich auf die Erkenntnisse des persischen Mathematikers und Astrologen ALBUMASAR (787 - 886), dessen Schriften schon in der mittelalterlichen Astrologie benutzt wurden. Abu Másar, auch Albumasar genannt, lebte im Irak und gehörte zu den bedeutendsten Astrologen Arabiens. In seinen „Flores Astrologiae“ behandelt er die Regeln zur Auslegung des Horoskops für die Jahreswiederkehr. Es wurden die Vorhersagen entsprechend des Herrschers des Jahres behandelt und die Deutung des Jahreshoroskops bezüglich der Ernten, Regenfälle, Kriege, Seuchen und Erdbeben getroffen44. Auch die Lehre des jüdischen Gelehrten Abraham Avenesra (1092 - 1167) bezog er in seine Betrachtungen ein. Germanus erarbeitete sein Prognostikon auf der Grundlage der „Regierenden Planeten“ Mars und Venus, schuf ein Kalendarium, beschrieb die vier Jahreszeiten, dreizehn Mondläufe und zeigte die Macht und möglichen Folgen der regierenden Planeten auf die Landwirtschaft, Gesundheit und Politik auf. Im siebten Kapitel beschrieb er eine zu erwartende Mondfinsternis.

43 HERMELINK, H. und S. A. KAEHLER: Die Philipps- niversität zu Marburg 1527 1927, Marburg 1927, S. 142 44 ALBUMASAR: Flores Astrologiae Astrologische Blütenlese, Aus dem Lateinischen von Janine Deus, Tübingen 2012 53

Die Kapitel Kapitel 1: Von den vier Jahreszeiten und vom Winterbeginn Kapitel 2: Von der Witterung und dem Mondkalender Kapitel 3: Von den Herren dieses Jahres Kapitel 4: Landwirtschaft Kapitel 5: Krankheit und Sterben Kapitel 6: Vom Krieg Kapitel 7: Von der Mondfinsternis Ende des Jahres

Die Prognose beschließt er mit einer Übersicht der Sternbilder, unter denen die Länder und Städte in den Quadrangeln (Quartalen) des Jahres 1573 stehen werden. Beim Studium des Prognostikons ist zu berücksichtigen: 1. Die klassische Astrologie kannte nur sieben Planeten: Saturn, Jupiter, Mars, Sonne, Venus, Merkur, Mond. 2. Im Jahr 1573 war noch der Julianische Kalender gültig. 3. Zu einem Jahr gehören 13 Mondumläufe. Um auf 365 Tage zu kommen, schiebt Germanus den „Einkömeling“ als Embolismus mit 29 Tagen ein45.

Im Vorwort der Schrift geht Germanus auf die Notwendigkeit der Bewahrung der Göttlichen Lehre Christi ein und beschreibt die Astrologie als wichtigen Hüter, der als geistliche und weltliche Polizei zu verstehen sei. Dazu gehörten die Kalender und Prognosen, die schon zu Noahs Zeiten üblich gewesen seien. Auch große Könige Ägyptens und Portugals bedienten sich dieser Kunst. Germanus schließt das Vorwort: Zu Ehren der von Bartensleben, insbesondere Günthers von Bartensleben, für „viel Ehr und Wolthat“ gefertigt und geschrieben, den 16. Juni Anno 1572.

Kapitel 1: Die vier Jahreszeiten und der Beginn des Winters Hier prognostizierte Germanus die Wetterlage und deren Folgen für die Ernte. Nach der Winter-Sonnenwende, so prophezeite Germanus, wird es einen feuchten Winter mit großer Kälte, Regen, Frost und Nebel geben und am Ende des Winters Schnee und Winde mit Wasserschäden. In dieser Zeit werden an manchen Orten auch Hass, Zank und Neid sein unter den

45 Mit Hilfe der Software „Redshift 4“, einem virtuellen Planetarium, konnten die Bewegungen der Planeten und ihre Stellungen zu den Sternbildern für das Jahr 1573 simuliert und wiedergefunden werden. 54

Potenten, zwischen den Fürsten und Städten und auch Aufruhr der Untertanen gegen die Obrigkeit. Geringe Kornverkäufe seien zu erwarten. Im Frühjahr ist dann warmer Regen bei gutem klaren Wetter zu erwarten. Es drohen auch trübes Wetter und Nebel mit der Folge von Krankheiten und Tod. Feuer können ausbrechen, Regenfälle und Gewitter und Raub und Brand. „Der Allmechtige Vater unsers HERRN Jesu Christi umb seines namens ehre willen/ seine Gnade verleihen wolle“.46 Für den Sommer sind starke Regenfälle zu erwarten, „grosse hitze vnd donner so schaden bringen/ kranckheit/ blattern/ masen vnd flecken/ gros vnglück vnd jammer vnter den leuten/ in den landen so den Zwilling vnterworffen sein“. Der Herbst wird warm sein, windig, auch Erdbeben und Stürme mit Regen und drückender Luft können auftreten. Die Kornhändler, Goldschmiede, Alchimisten werden Schaden nehmen; die Baumfrucht- und Weinernte werde gut geraten. Feindschaft zwischen den Untertanen und der Obrigkeit sind zu befürchten. Der Winteranfang 1574 wird kalt und trocken sein, vermischt mit allerlei Unglück.

Kapitel 2: Das Wetter Die Wetterprognose wird anhand von dreizehn Mondumläufen zu je 28 Tagen mit Ausnahme des eingeschobenen Monats, des Einkömeling mit 29 Tagen (2. bis 30. April), beschrieben: „Hornung, Mertz, Aprill, Einkömeling, Mey, Brachmon, Hewmon, Augstmon, Herbstmon, Weinmon, Wintermon, Christmon, Hardtmon oder Jenner.“ Germanus prognostizierte einen feuchten Winter mit großer Kälte, viel Regen, Frost und Nebel.

Kapitel 3: Die Herren des Jahres Im dritten Kapitel beschrieb Germanus die Stellung der Planeten Venus und Mars und leitete ihre Auswirkungen ab. Der stärkste und würdigste Planet ist der Fixstern Venus. Es bestünde keine besondere Sorge, so schlussfolgerte er. Die Venus würde, entsprechend ihrer Bedeutung in der göttlichen Ordnung, die Ereignisse im Jahr 1573 beeinflussen und lenken, und es wird nach ihrer Art und Natur ein sehr fruchtbares Jahr werden. Der Mars jedoch wird seiner Natur entsprechend Hass, Neid und Feindschaft bringen.

46 GERMANUS, M. Christoph: Prognosticon Auf das Ja nach Jesu Christi vnsers einigen Erlösers vnd Seligmachers geburth. M.D.LXXIII Matthias Giseke, Magdeburg 1572, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel A: 53.2 Astron. (1) 55

Kapitel 4: Die Landwirtschaft Für die Landwirtschaft deutet die Stellung der Venus auf ein gutes Jahr hin. Insbesondere werden die Gartenfrüchte gut gedeihen, wie Äpfel, Birnen, Nüsse, Kirschen, Pflaumen, Gemüse, Erbsen, Rüben. Aber auch das Korn, Roggen, Weizen, Gerste werden gut wachsen. Die Weinernte und die Honiggewinnung werden ebenso gut ausfallen. Der Saturn wird wenig ausrichten können. Sein Einfluss auf das kalte, feuchte, nebelhaltige Wetter wird kaum Schaden bringen. Flachs und Hanf werden gut geraten. Allein die Hopfenernte könnte in einigen Orten Schaden nehmen. Die Kühe und Schafe werden unter der Witterung leiden, Schweine und Pferde nicht. Mit Gottes Hilfe können wir auf ein gutes fruchtbares Jahr hoffen und sollten uns nicht mit Unbarmherzigkeit und Tyrannei den Segen nehmen und in einen Fluch verwandeln, mahnte Germanus.

Kapitel 5: Von Krankheit und Sterben Germanus stellt auf der Grundlage der Aussagen von Albumasar fest, dass der Lauf von Saturn und Skorpion für das Land „Pestilentz“ bedeuten könne. „Wir aber hoffen durch die Gnedige beschützung Gottes des Allmechtigen in diesem lande derselbigen zuentgehen“. Es werde jedoch nicht an Krankheiten mangeln „an hitzigen fiebern/ bauchflüssen/ lendenwehe/ gicht/ podagra/ gechwulst der knihe und füsse/ entzündung der lebern/ fisteln/ vitzblattern“. Germanus sagt auch „pestilentzisches fieber“ dort voraus, wo der Landstrich dem Sternbild Wassermann unterworfen ist, mit „unheilbare drüsen an heimlichen orten/ darzu breune/ halsgeschwer/ niederschiessung des zapffen im halse/ hertzpucken“47. In der Maizeit würden auftreten: „Hitzige Heubtkranckheit /Brust und lungenkranckheit/ schwerathemen/ vndawung des magens/ brechen/ Icteritia nigra/ Schorbauch/ rügken wehe/ augen vn ohren geschwer und allerley kranckheit so von vnreinigkeit des Bluts vn scharffen flüssen komen/ als Frantzosen/ Aussatz/ Reudigkeit/ krampff, Podagra und reissen in den Schenckeln.“ „Den Sommer werde sein unordentliche febres/ masen/ Blattern/ Pestilentz/ Colica vnnd krimmen im leibe“.48

47 Ebenda 48 Ebenda 56

Im Herbst werden zu den oben genannten Krankheiten auftreten, „der Stein/ quartan feber/ reissen im leibe/ Bauchflüsse/ miltzkranckheit“49, insbesondere in den Landen, die dem Schützen und Zwilling unterworfen sind. Mit diesen und anderen Krankheiten wird uns der Herr durch die Kräfte des Himmels bedrohen, wer sich nicht bekehre; „so hat er sein Schwert gewetzet und seinen bogen gespannet, darauff tödtliche geschoss gelegt vnnd zihlet“50. Germanus riet: „Darum lasset uns den HERRN suchen, solange er noch zu finden ist. Lasset uns seinem Zorn zuvor kommen, mit ehrlicher Beichte und Reue unserer Sünden. So wird er die Übel von uns abwenden.“

Kapitel 6: Vom Krieg Die Himmelskörper zeigen keine Kriegsgefahren an, und wenn wir nicht selbst dazu einen Grund geben, können wir auf ein friedliches Jahr hoffen. Doch zwischen den Privatpersonen wird es nicht ohne Feindschaft, Neid und Hass gehen. Geiz, Eigennutz und Übermut wird den Mars reizen. Nicht mit der Tugend, sondern in Sünde, in Geiz und Eigennutz, in Abgunst und Hass wird Schinden und Rauben sein. In den Landen, wo aber die Waage, Stier, Zwilling und Skorpion dem Mars unterworfen sind, wird es heftiger mit Raub, Feuer und Verwüstung zugehen. Wer auf Wasserwegen reist, dem drohe Gefahr durch Seeräuber, weniger durch Unwetter; besonders im Juni und Juli des Jahres.

Kapitel 7: Die Mondfinsternis Im 7. Kapitel beschreibt Germanus eine Mondfinsternis. Der Mond wird ganz von dem Schatten der Erde bedeckt sein. Die Finsternis beginnt am 8. Dezember abends auf Mariae Empfängnis. Beginn: 5 Uhr, 43 Minuten, 47 Sekunden Mitte der totalen Finsternis: 7 Uhr, 29 Minuten, 29 Sekunden Ende: 9 Uhr, 15 Minuten, 11 Sekunden Dauer der Finsternis: 3 Stunden, 31 Minuten, 24 Sekunden. Germanus prognostiziert mit der Finsternis und der zu erwartenden Sternkonstellation von Jupiter, Stier und Löwe „einen fall vnnd entsetzung eines grossen Potentaten oder Tyrannen / von wegen der Feindtschafft seiner unterthanen“51 und erwartet auch Stürme, Erdbeben und Überflutungen. Die Auswirkungen dieser Finsternis würden bis zum Januar 1574 andauern. Er hofft auf die Hilfe Gottes und schreibt:

49 Ebenda 50 Ebenda 51 Ebenda 57

„Der Allmechtige Gnedige Vater im Himel/ wolle unser Stercke sein in anfechtung/ unser Hoffnung in Angst/ und unser Schatten in der Hitze/ AMEN“52. Diese Mondfinsternis wurde ebenfalls mit der Software „Redshift 4“simuliert. Es konnten so folgende Zeiten für den Eintritt der Mondfinsternis am Abend des 8. Dezember 1573 ermittelt werden: Beginn der Finsternis: 6.35 Uhr Mitte der totalen Finsternis: 7.21 Uhr Ende der Finsternis: 9.50 Uhr Dauer der gesamten Finsternis: 3 Stunden 15 Minuten Als Standort für die simulierten Zeitabläufe wurde Salzwedel gewählt. Germanus hatte dagegen in seiner Schrift keinen Standort angegeben.

Germanus und die Pest

Die ältesten Aufzeichnungen über die Pest sind im Alten Testament und von Hippokrates (um 460 - 370 v. Chr.) und Galen (um 129 - 216) beschrieben. Die Pest war eine ständige Bedrohung der Menschheit. Die Konstellation der Planeten ließ Germanus hoffen, dass anno 1573 keine Pest ausbrechen werde, ein Massensterben, das seit dem 15. Jahrhundert in Europa unbeschreibliche Ausmaße angenommen hatte. Als Ursache wurde die „vergiftete Luft“ angesehen, das Miasma, das u. a. aus der ungünstigen Stellung der Planeten abgeleitet wurde. Auch die Altmark wurde im 16. Jahrhundert immer wieder von den Pestepidemien erfasst. Folgende Pestzüge sind überliefert53: 1548: Alte und Neue Stadt Salzwedel, Stendal, Osterburg, Gardelegen 1580: Altstadt Salzwedel 1581: Neustadt Salzwedel (790 Tote) 1598: Altstadt Salzwedel, Neue Stadt Salzwedel (332 Tote mit hohem Kinderanteil), Stendal (2670 Tote), Gardelegen (1166 Tote), Bismarck (307 Tote), Tangermünde, Kalbe/Milde.

52 Ebenda 53 BEKMANN, J.C., BEKMANN, Bernhard L. : Historische Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg, Zweiter Band Berlin 1753, Nachdruck Hildesheim 2004 Kapitel III, Sp. 73 und 118 58

1566 war die Stadt Gardelegen von der Pest besonders hart getroffen. Sie forderte 2000 Opfer, darunter befanden sich Priester und die meisten Ratsherren54.

HOPPE55 berichtet in den Soltquellensien von den treulichen Diensten Germanus während der Pest im Jahre 1581, der im gleichen Jahr eine gedruckte Schrift herausgab: Pestschrift für beyde Staedte Soltwedel, gedruckt zu Ulsen, 1581.

Germanus erlebte und überlebte die Pest in Salzwedel zweimal. So schreibt Hoppe: „In der Pest A.1581 hat er der Stadt treuliche Dienste gethan“. Auch hat er einen „Pest-Rath für beyde Städte Soltwedel, gedruckt zu Ulsen, 1581“, verfasst und „sorgfältig und treulich drucken lassen, darinne viele gute Sachen zu finden sind“56. Bereits 1566 formulierte D. FLEK in einer Abhandlung die „Pflichten der geistlichen und weltlichen Obrigkeit; wie die Hospitäler vor der Stadt anzulegen, und wie die Quarantainen auf 40 Tage einzurichten. Es werden auch die Pflichten der Aerzte, Wundaerzte und der Totengräber bemerkt; die Reinlichkeit in der Stadt empfohlen, und die Waaren, deren Einführung die Pest ausbreiten kann, werden angezeigt, und Vorschläge entworfen, wo das Geld den Unkosten herzunehmen. Das übrige betrift eine nähere Beschreibung dieser Seuche, die nöthige Präservativ und Kurmittel, und das Verhalten der Gesunden und Kranken in der Diät. Besonders schärft er allen und jeden die Reinlichkeit ein, und die Häuser öfters auszuräuchern“57. Die Begriffe Pest und Pestilenz wurden immer dann schnell verwendet, wenn plötzlich ein Massensterben einsetzte. Nicht jeder Bericht über den Ausbruch der Pest im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit kann mit einer typischen Beulen- und Lungenpest angesehen werden. So ist im Supplement der Annalen der Mark Brandenburg, die Andreas ANGELUS (1561 - 1598), Pfarrer und Chronist, geschrieben hat, zu lesen58:

54 SCHULTZE, Christophorus: Auff- und Abnehmen der löblichen Stadt Gardelegen, Stendal 1668, Original-Reprint Kalbe/Milde 1995, S. 134 55 HOPPE, Dr. Elias: Soltqvellensia, Folio, Bd. 1 von 4 Folianten (1735-1755), Handschriftliche Sammlung zur Geschichte von Salzwedel; Kirchenbibliothek von St. Katharinen, Rep. Ga 18-20 S. 489; Transkription: Steffen Langusch 56 Ebenda Rep. 57 MOEHSEN, D.J.C.W.: Geschichte der Wissenschaften in der Mark Brandenburg besonders der Arzneiwissenschaft, Berlin und Leipzig 1781, Nachdruck 1976, S. 566 f. 58 ENGEL, Andreas: Annales Marchiae Brandenbrugicae: Das ist Ordentliche Verzeichnuß vn beschreibung der fürnemsten vnd gedenckwirdigsten Märckischen Jahrgeschichten vnd 59

„Im eingange des tausent fünff hundert und acht und neunzigsten jahres/ ereugete sich eine beschwerliche Kranckheit unter den Leuten. Denn sie bekamen mit einem hitzigen Fieber einen gewaltigen schnupffen/ der fiehl ihnen darnach durch den Hals auff die Lungen/ also/ das ihrer viel dadurch die Breune bekamen/ etliche auch/ die es nicht außtauren kundten/ oder sonst nicht gute wartung hatten/ gar dahin sterben musten. Und diese Kranckheit weret jetzt noch/ und wirfft viel Menschen/ ja fast alle/ die in einem Hause beyeinander seyn/ zugleich danider“. Die Symptomatik entspricht vermutlich einer Virusgrippe, wie wir sie auch heute noch erleben. Erinnert sei an die „Spanische Grippe“ im Jahr 1918 und die Asiatische und Hongkong-Grippe 1957 bzw. 1968. Wilfried WITTE beschreibt 2008 sehr eindrucksvoll die Spanische Grippe, die Mitte 1918 ausbrach und Millionen Opfer forderte. „So bösartig wie zu dem Zeitpunkt kannte man die Grippe nicht, zum Teil starben die Menschen innerhalb kürzester Zeit…Daß neben den ganz jungen und ganz alten Menschen, die der Grippe häufig zum Opfer fallen, auch viele 20- bis 40- Jährige an Influenza starben, war ein Charakteristikum der Spanischen Grippe“.59

Bedeutsam ist, dass 1598 die oben beschriebene Pest von Stephan PRAETORIUS (1536 - 1603)60 als Spanischer Pips beschrieben wurde. Bereits 1580 berichtete er in einem Tractätlein von der Pest und sprach „von der neuen Kranckheit/ welche gantz Deutschland durchwanderte. Es kan dem Menschen mit Schaur und Frost an / nam das Haupt ein/ fiel ihm auf die Burst/ und entfielen ihm alle Kräfften. Ein trefflich groß Wundet/ saget Prätorius, wer hat jemahls gehöret/ daß die gantze Welt/ auff eine Zeit/ ja auff einen Tag/ und einer Stunde/ siech und kranck worden sey“61.

Als ein Jahr später die Neustadt Salzwedel durch die Pest 790 Tote zu beklagen hatte, schrieb er ein Trostbüchlein: „Weine nicht: Für die betrübten Hertzen zu Soltwedel“ Ullsen: Michael Kröner 158162

Historien Frankfurt an der Oder 1598, Supplementum Annalium Marchiae Brandenburgicae, In: „Unsere Altmark“, Beilage des Salzwedeler Wochenblattes 1930, 11. Jahrgang, Nr.12, S. 91 59 WITTE,Wilfried: Tollkirschen und Quarantäne. Die Geschichte der Spanischen Grippe, Berlin 2008, S. 11, f. 60 M. Stephan Praetorius wird von DÜKER als Pestpfarrer genannt, der so auch für spätere Generationen im Bewusstsein blieb. DÜKER, Eckhard: Freudenchristentum. Der Erbauungsschriftsteller Stephan Praetorius, Göttingen 2003, S. 47 61 Buroner, M. Leonard Ulrich: Pest=Büchlein Helmstädt 1683, ULB Halle, AB 141262, Seite 6 62 PRAETORIUS, M. Stephan: Weine nicht. Für die betrübten Hertzen zu Soltwedel. Ulssen bey Michael Kröner M.D.LXXXI, Bibliothek St. Katharinen Salzwedel Rep. Cc 174 60

und hielt am 30.10.1580 im Elisabeth-Hospital Salzwedel eine Predigt über die neue Krankheit.

Abb. 8 M. Stephan Praetorius, Gemälde Katharinenkirche, Foto: Wiedemann, Salzwedel 2013 61

An Praetorius und die Seuchen des 16. Jahrhunderts erinnerte einhundert Jahre später M. Leonhardus Ulricus BURONERUS (1627 - 1691), Pastor und Inspektor der Neuen Stadt Salzwedel (1668 - 1691) in seiner Schrift: Exodi, 25. Ich bin der HErr/ dein Artzt! Pest = Büchlein Mein Christ/ Hie findestu wider die Gifftige Pest=plag/ Den allerbesten Raht: Num. XXI. Durch Gottes Gnade angewiesen Friedrich Lüderwald Buchh. Anno 168363 Wieder hat „die grausame Seuche allbereits die liebe Alte Marck Brandenburg vor einem Monat ergriffen...und wie hie in beyden Städten Saltzwedel/ zwar durch des Höchsten Gnad von Pestilentz noch reine seyn/ aber auch in grosser Gefahr schweben/ zu solcher Zeit/ hab ich diß Büchlein eilends zum Endebracht“. Buroner erinnert vor allem auch an die Pest von 1610, „daß es alhie so gestorben/ daß aus Mangel der Leute das Graß auff den Gassen und vor den Häusern mächtig gewachsen“64. Der Ausbruch solcher Epidemien wurde noch lange als Gottesgericht angesehen. M. Buronerus beschrieb im Jahr 1683 die Pest als eine giftige Krankheit des Herzens mit Fieber und Fäulnis, die durch die Luft verbreitet wird, aber auch durch Kontakte, „da einer dem andern angestecket“65. Er gab für die Pest eine natürliche Beschreibung, die in den medizinischen Büchern, und eine theologische Beschreibung, die in der Heiligen Schrift zu finden ist: „Ursprünglich und hauptsächlich von niemanden anders als von Gott komme und entsteht die Pest“66. Sie sei Gottes Pfeil, wegen des Unglaubens, Missbrauch der Heiligen Sakramente, Verletzung der zehn Gebote usw. Auch zuweilen Finsternisse von Mond und Sonne, Kometen kündeten die Pest an, und wenn Gott es will, breche die Pest herein. Es waren jedoch die hygienischen Verhältnisse in den Städten, die ständig mehr und mehr Menschen auf engstem Raum an sich zogen. Das Stadtbild

63 BURONER, M. Leonard Ulrich: Ich bin der Herr/dein Artzt! Pest=Büchlein, Helmstädt 1683, Universitätsbibliothek Halle 64 Ebenda, S. 7 65 Ebenda, S. 12 66 Ebenda, S. 39 62

war geprägt von engen, verschachtelten Straßen, einer schlechten Wasserversorgung, Unrat, der für Ungeziefer und Schädlinge beste Lebensbedingungen schuf. Ratten, Mäuse, Flöhe konnten schwer bekämpft werden. Hinzu kamen schlechte und enge Wohnverhältnisse, zeitweilige Hungersnöte, Krieg und Katastrophen. Die Kindersterblichkeit lag bei 20 bis 25%, mit Spitzen über 50%67, 11die durchschnittliche Lebenserwartung bei den Erwachsenen zwischen 35 bis 40 Lebensjahren68. Natürlich wurden viele Menschen auch älter. So nennt Stephan Praetorius unter den Toten der Pest von 1580 den einhundert-jährigen Bürger der Neustadt Salzwedel, Marcus Berge69.

Die Krankheitsbilder und Seuchen in der Altmark

Das Prognostikon gibt die Möglichkeit, aus epidemiologischer Sicht Aussagen über die aufgetretenen Krankheiten in Mitteldeutschland, insbesondere in der Altmark im 16. Jahrhundert zu treffen. Die genannten Krankheitsbilder traten vor allem in der Stadt, aber auch auf dem Lande auf. Germanus nennt die Krankheiten und Symptome, vom Standpunkt der Säftelehre ausgehend, im Zusammenhang mit den Jahreszeiten. Im Vordergrund stehen hierbei die Infektionskrankheiten. Sie waren eine schwere Lebensbedrohung für die Erwachsenen und Kinder, die eine hohe Sterblichkeit hatten. Auch werden organische Krankheiten genannt, die ernährungsepidemiologische Einblicke in die Lebensverhältnisse geben. In den folgenden Tabellen, wie auch im Anhang, wird der Versuch unter- nommen, die historischen Diagnosen unserem heutigen Sprachgebrauch und Sachverständnis zuzuordnen. Hierbei ist der Verfasser sich durchaus der besonderen Problematik bewusst. Johanna BLEKER weist darauf hin, dass es sich bei der Interpretation historischer Diagnosen vordergründig nicht nur um ein Sprachproblem handelt, sondern neben der Ebene der sprachlichen Verständigung auch eine grundsätzliche Ebene besteht, die mit dem methodologischen Status von Krankheitsbegriffen und Diagnosen zu tun hat.

67 STOLBERG, Michael: Homo patiens. Krankheit und Körpererfahrung in der Frühen Neuzeit, Köln, Weimar, Wien 2003, S. 33 68 Brockhaus Kleines Konversations=Lexikon, Leipzig 1906 69 PRAETORIUS, M. Stephan: Weine nicht. Für die betrübten Hertzen zu Soltwedel, Ulssen bey Michael Kröner MDLXXXI, Bibliothek St. Katharinen Salzwedel, Reg. Cc174 63

Bleker postuliert, dass historische Termini nicht in moderne medizinische Fachsprache übersetzt werden dürfen.70 Auch Michael STOLBERG stellt fest: Retrospektive Diagnosen sind meist problematisch. Sie tragen ein hohes Risiko an Fehldeutungen, tragen zum historischen Erkenntnisgewinn selten bei. „Für bestimmte Fragestellungen kann der Versuch einer Übersetzung in moderne medizinische Begriffe und Konzepte dennoch sinnvoll sein“71. Deshalb wurde bei der Nennung des historischen Begriffes ein Bezug in der Medizingeschichte gesucht. Die Schriften von Dryander und von Gersdorff waren hier besonders nützlich.

Krankheiten Beschreibung im Prognosticon

Masern (Virusinfektion) masen Röteln (Virusinfektion) flecken Windpocken (Virusinfektion) vitzblattern Mumps (Virusinfektion) halsgeschwer Ringelröteln (Virusinfektion) flecken Dreitagefieber (Virusinfektion) hitziges fiebern, flecken Scharlach (Bakterielle Infektion) hitziges fiebern Diphtherie (Bakterielle Infektion) breune

Tab. 3: Infektionskrankheiten der Kinder

70 BLEKER, Johanna: Krankheiten und Diagnosen als historische Konstrukte, in BLEKER, Johanna Brinkschulte, E. Grosse, P.: Kranke und Krankheiten im Juliusspital zu Würzburg 1819 – 1829, Husum 1995, S. 75 71 STOLBERG, Michael: Möglichkeiten und Grenzen einer retrospektiven Diagnose, in PULZ, Waltraud: Zwischen Himmel und Erde. Körperliche Zeichen der Heiligkeit, Stuttgart 2012, S. 227 64

Sommergrippe hitziges fieber, hitzige Heuptkranck- heit Erkältungskrankheiten mit Augen- hitzige Heuptkranckheit augen vn u. Ohrentzündungen ohren geschwer Bronchitis, Lungenentzündung schwerathemen, Brust vnnd lungen- Asthma kranckheit Syphilis vnreinigkeit des blutes un scharffen flüssen als Frantzosen Aussatz Malaria quartan feber

Tab. 4: Infektionskrankheiten

Durchfälle, Dysenterie, Ruhr bauchflüssen, Colica vnnd krimmen im leibe Verdauungsstörungen, vndawvng des magen, brechen Magenschleimhautentzündungen Leberentzündung, Hepatitis entzündung der lebern Fisteln, Hämorrhoiden fisteln Milzentzündungen Ictericia nigra, reissen im leibe

Tab. 5: Magen-Darm-Erkrankungen

Gicht gicht, podagra Vitamin C Mangel Schorbauch, krimmen im leibe Darmkoliken, z. B. bei Rohkost Colica, „Darmgicht“ (nach Dryander) Nierensteine der stein

Tab. 6: Ernährungsbedingte Krankheiten

Rückenschmerzen (Kreuzschmerz) lendenwehe, rügken wehe Muskelkrämpfe krampff Gelenkentzündungen geschwulst der knihe und füsse Krätze (Skabies) reudigkeit (nach Gersdorff)

Tab. 7: Krankheiten des Skelettsystem und der Haut 65

Germanus prognostizierte für den Sommer 1573 die Pocken und Masern. Kinder, die diese Infektionskrankheiten überstanden, waren lebenslang immun. Die Pocken hinterließen jedoch oft teilweise entstellende Narben. Es war zu dieser Zeit beobachtet worden, dass der Kontakt mit Pockenkranken auch einen Schutz bei Gesunden erzeugen könne (Stille Feiung). So berichtet MÜLLER: „Kurz nach 1500 beschrieb Cuno von Salzwedel eine Verpflanzung der Menschenblattern durch eiterbehaftete Hemden“72. Im Jahr 1581 mahnte M. Johann CUNO73 in einer Schrift, dass die Pocken (Blattern) Gottes Strafe für die Sünden seien. Finsternisse der Sonne und des Mondes sollen an Gottes Zorn erinnern wie die Kometen und Erdbeben; die Reudigkeit (Krätze) ist die Fackel, die die Gläubigen daran ermahnt.

Abb. 9 M. Johann Cuno: „Christliche Erinnerung…“, Titelblatt

72 MÜLLER, Reiner: Medizinische Mikrobiologie, München-Berlin 1950, S. 398 73 M. Johann Cuno, geboren um 1542 in Freiberg, Studium Universität Wittenberg, seit 1572 Pfarrer und Superintendent in Salzwedel, 1596 abgesetzt, verstorben 1609 in Perleberg. DANNEIL, Johann F.: Kirchengeschichte der Stadt Salzwedel, Halle 1842, S. 273 66

Er sieht aber auch in „unordentlich essen und trinken“ den Auslöser der Krankheit, „daran eine böse feuchtigkeit im Körper steckt“74. Cuno berichtet von den Pocken, der Theuerung und schlechten Ernte des Weines und der Früchte im Jahr 1580. Solchen Gefahren gingen Kometen und Erdbeben voraus, wie das von ihm genannte Erdbeben in Meißen im gleichen Jahr. Germanus erwartete für den Sommer 1573 eine Grippe (Hitzige Heubtkranckeit), Bronchien- und Lungenentzündungen (Brust und lungenkranckheit) und die Bronchitis (schwerathemen). Auch könnte die Franzosenkrankheit infolge der / vnreinheit des Blutes un scharffen flüssen auftreten. Es handelte sich hier um die Geschlechtskrankheit der Syphilis. Sie trat nach dem Ende des 15. Jahrhunderts auf und wurde nach der Kolumbustheorie von den Matrosen der Kolumbusexpedition einge- schleppt7576. Die Verbreitung des „Frantzosen/ Aussatz“ erfolgte in Europa vermutlich durch Reisende und Pilger und gelangte um 1500 auch in die Altmark. Bekannt ist, dass die Krankheit mit Quecksilber und Guajakholz kuriert wurde. Das Wunderholz wurde aus Mittelamerika eingeführt und war lange Zeit ein einträgliches Geschäft. Die Franzosenkrankheit wurde zu den sogenannten neuen Krankheiten gezählt, weil sie vor dem 15. Jahrhundert nicht aufgetreten war. Verursacher der Syphilis ist das Bakterium Treponema pallidum. Im Zusammenhang mit dem Franzosenaussatz nannte Germanus die Reudigkeit. GERSDORFF77 beschreibt im Kapitel LXXV die reudigkeit als Scabies mit Juckreiz und Grind oder Raude, die infolge Verunreinigung der Haut auftritt. Es ist die parasitäre Hauterkrankung Krätze, die durch Milben übertragen wird. Bei dem quartan fever handelte es sich wohl um die Malaria, eine Krankheit, die im Spätmittelalter auch im Norden Deutschlands bekannt war. Die Krankheit hatte eine besondere Rhythmik: 2 Tage Fieber – ein Tag fieberfrei – 2 Tage Fieber. Der Erreger ist das Plasmodium malariae, das von der Stechmücke übertragen wird.

74 CUNO, M. Johann: Christliche Erinnerung Aus Gottes worte / von den Pocken…, Magdeburg 1581 75 MOEHSEN, D.J.C.W.: Geschichte der Wissenschaften in der Mark Brandenburg besonders der Arzneiwissenschaft, Berlin und Leipzig 1781, Nachdruck 1976, S. 368 76 MÜLLER, Reiner: Medizinische Mikrobiologie, München Berlin 1950, S. 321 77 GERSDORFF, Hans von : Feldbuch der wundartzney 1517, Nachdruck Lindau/B. 1976 67

Auch die Magen-Darm-Erkrankungen gehörten zum medizinischen Alltag, sowohl ernährungsbedingt hervorgerufen als auch durch Infektionen verursacht. Germanus beschreibt die Symptome des kranken Magen-Darm-Traktes mit Verdauungsstörungen (vundawung) und Erbrechen (brechen), nennt die Gelbsucht (Ictertia nigra) und den Schorbauch (Skorbut)78. Der Schorbauch sei hier besonders dargestellt, insbesondere, weil dieses Krankheitsbild heute in der modernen Welt so nicht mehr beschrieben wird. Wir wissen, dass es sich um einen Vitamin C Mangel handelte, den Skorbut. MAYER79 legte 2012 in seiner Inaugural-Dissertation umfassend die Geschichte dieser Mangelerkrankung dar und zeigt auf, dass Euricius Cordus als erster Gelehrter des 16. Jahrhunderts über Skorbut berichtete. Er kannte auch das Scharbockskraut. Die Bezeichnung Schorbauch ist möglicherweise von dem sächsischen Wort Schorbock, Grimmen und Reissen im Bauch, abzuleiten80. Auch die Dänen nannten wegen der heftigen Bauchschmerzen beim Skorbut die Krankheit Schurbauch. Nach der Säftelehre liegt beim Schorbauch eine Störung der schwarzen Galle vor, mit den anfänglichen Symptomen von Schwäche und Mattigkeit. Später treten Zahnfleischbluten, Atembeschwerden, Zahnverluste, bleigraue bis ultraviolette Flecken an den Beinen und im Gesicht hinzu, Verstopfung oder Durchfälle, sowie eine ausgeprägte Dysenterie und Ohnmacht. „Wievol der Schorbauch sich nicht lässt heylen/ dann in langer zeit/ vnd auch mühselig/ von deß kalten vn stettigen fluß wegen/ von welchem die gefehrliche krencke entstehet…“, schreibt DRYANDER81 und empfiehlt: „Nimm Lauch mit wurtzeln vnd blettern zusamen gestossen/ preß oder ring herausser ein wenig mehr dann ein halb pfundt/ Diesen safft thu inn ein gläsern geschirr/ thu darzu einer untzen schwer Bertram gepulverl/ vnnd ein Scrupel Spangrün/ Meng diese ding alle wol durch ein ander/ Inn dieser brühe netz alle tag ein wenig Baumwoll/ bestreich den Schorbauch vn den schaden damit/ Meng aber in dem glaß die ding wol durcheinander/wann du die Woll einduncken wilt“.

78 GERMANUS, M. Christoph: Prognosticon Auff das Jar nach Jesu Christi vnsers einigen Erlösers vnd Seligmachers geburth, M.D.LXXIII Matthias Giseke, Magdeburg 1572, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel A: 53.2 Astron. (1) 79 MAYER, Maximilian: Verständnis und Darstellung des Skorbuts im 17. Jahrhundert, Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Medizinischen Fakultät der Julius- Maximilians- Universität Würzburg, 2012 URN: urn:nbn:de:bvb:20-opus-73541 URL: http:/ opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/volltexte/2012/7354/ 80 Ebenda, S. 15 81 DRYANDER, Ioan.: Practicierbüchlin Auserleserner Artzneystück, Gedruckt zu Frankfurt am Meyn M.D.LXXXIX, S. 39 68

Zur Purgation, der Regelung der Darmfunktion, empfahl er, dieser Brühe ein halbes Quint Turbith, ein Skrupel Ingwer, eine halbe Unze Zucker und 1½ Eierschale voll Wein hinzu zu geben und dem Kranken dreimal in der Woche morgens um drei oder vier Uhr über drei Wochen zu trinken geben. Wird der Bauch eitrig und geschwollen, ist dieser mit Unguentum Aegyptiacum zu reinigen und mit Alaunwasser zu trocknen. STOLBERG kommt in seiner Arbeit zu dem Schluss, dass es sich bei der vor allem im Nord- und Ostseeraum, sowie in Westfalen verbreiteten Krankheit im ausgehenden 16. Jahrhundert um eine Art Modekrankheit handelte, und man bei Krankheiten mit ungewöhnlichen Symptomen schnell die Diagnose Schorbauch stellte82. Bei den Durchfallerkrankungen handelte es sich vermutlich um virale und bakterielle Infektionen, wie z. B. der Salmonelleninfektion, die auf mangelnde Lebensmittelhygiene (Konservierung, Parasiten) zurück geführt werden könnten. Im Herbst würden Steinleiden auftreten, Typhus mit Fieber, Bauchkoliken, Durchfall und Milzschwellungen („quartan feber/ reissen im leibe, bauchflüsse, miltzkranckheit“). Die von Germanus genannten „fisteln“ sind chronische, offene Hautstellen und Geschwüre, meist Furunkel und Karbunkel, die bei mangelhafter Körperhygiene auftreten83. Fisteln wurden zu dieser Zeit meist nach den Regeln von Avicenna behandelt. Man brannte die offenen Stellen aus und behandelt sie mit Auszügen, berichtet GERSDORFF84. Germanus kündigte weitere Krankheitsbilder an, wie Infekte („hitziges fiebern“), Darmstörungen („bauchflüssen“85), Rückenschmerzen („lenden-

82 STOLBERG, Michael: Homo patiens. Krankheit und Körpererfahrung in der Frühen Neuzeit, Köln, Weimar, Wien 2003, S. 151 83 GERMANUS, M. Christoph: Prognosticon Auff das Jar nach Jesu Christi vnsers einigen Erlösers vnd Seligmachers geburth, M.D.LXXIII Matthias Giseke, Magdeburg 1572, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel A: 53.2 Astron. (1) 84 GERSDORFF, Hans von : Feldbuch der wundartzney 1517, Nachdruck Lindau/B. 1976 85 „Flüsse im allgemeinen und Rheuma, Gicht und Katarrh als deren bekannteste Sonderformen zählen in der Frühen Neuzeit zu den wichtigsten Krankheitskonzepten überhaupt…Gleichzeitig verführen sie den heutigen Leser besonders leicht zu anachronistischen Fehldeutungen, denn die Begriffe Rheumatismus, Gicht und Katarrh sind immer noch gebräuchlich, hatten aber damals einen anderen Sinn“. In: STOLBERG Michael: Homo patiens. Krankheit und Körpererfahrung in der Frühen Neuzeit, Köln, Weimar, Wien 2003, S. 130 69

wehe“), Gicht und Fußgicht („gicht, podagra“), Knie- und Fuß- schwellungen („gechwulst der knihe und füsse“), Leberentzündungen86. Germanus beschreibt auch die eitrige Angina mit Lymphknotenschwel- lungen und der möglich folgenden Herzerkrankung, der Endokarditis, sowie Entzündungen an den Genitalien („unheilbare drüsen an heimlichen orten“)87. Hier handelt es sich vermutlich um die Orchitis d.h. Hoden- entzündungen, wie sie bei der Infektionskrankheit des Ziegenpeters (Mumps) beobachtet werden kann. Auch waren Diphtherie („breune“), Skrofulose („halsgeschwer“) mit Schwellungen im Rachen („niederschiessung des zapffen im halse“) zu erwarten88. Germanus nannte auch im „Prognosticon“ das Auftreten von Rücken- schmerzen („rügken wehe“), Augen- und Ohrenentzündungen („augen vn ohren geschwer“), Gicht („Podagra“) und Schmerzen in den Beinen89. Im Mittel- und Spätmittelalter traten jedoch auch Krankheiten auf, die im Prognostikon nicht genannt werden. Zwei dieser Krankheiten sollen kurz beschrieben werden, der englische Schweiß und das Antoniusfeuer. Der englische Schweiß wurde zu den neuen Krankheiten gezählt und trat auch in der Altmark auf. Christophorus SCHULTZE berichtet über das Auftreten dieser Seuche in Gardelegen bereits im Jahr 1526 und schrieb: „Anno 1526 war eine Kranckheit allhier gemein/ die Schweissucht / daran die Leute sehr schwitzeten / man muste die Leute zudecken und warm halten / sollten sie mit dem Leben darvon kommen“90. Die Schweißkrankheit war in Hamburg aufgetreten und verbreitete sich über die Handelswege in die Städte, so auch in die Altmark. Schlafsucht, übler Schweißgeruch, Fieber, Herzrasen und Magenkrämpfe wurden beschrieben. Bekannte Mediziner dieser Zeit, wie Euricius Cordus, berichten über diese Seuche, deren erstmaliges Auftreten jedoch für das Jahr 1529 genannt wird. Es war vermutlich eine Viruskrankheit, die 20 Jahre später nicht wieder auftrat. Das Antoniusfeuer war eine Krankheit, die meist dramatischen Verlauf nahm. Das „Heilige Feuer“, wie sie auch genannt wurde, war keine Seuche,

86 GERMANUS, M. Christoph: Prognosticon Auff das Jar nach Jesu Christi vnsers einigen Erlösers vnd Seligmachers geburth, M.D.LXXIII Matthias Giseke, Magdeburg 1572, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel A: 53.2 Astron. (1) 87 Ebenda 88 Ebenda 89 Ebenda 90 SCHULTZE, Christophorus: Auff- und Abnehmen der löblichen Stadt Gardelegen, Stendal 1668, Original-Reprint Kalbe/Milde 1995 , S. 135 70

sondern eine Vergiftung mit dem Schimmelpilz Claviceps purpurea. Dieses Krankheitsbild wurde durch den Genuss des Getreides, das mit dem Mutterkorn befallen war, ausgelöst. Schlechte Witterungen mit geringen Getreideernten und die Unkenntnis der Bauern waren die Ursache des Ausbruches dieser grausamen Erkrankung. Meist führte die Krankheit infolge mangelhafter Durchblutung der Extremitäten zu Krampfanfällen und zum „heißen Brand“ mit unstillbaren und wahnsinnigen Schmerzen. Dann musste der Chirurg gerufen werden, der nur noch mit einer Amputation helfen konnte, wie es GERSDORFF91 beschreibt.

Abb. 10 Die Amputation. Aus: Feldbuch der wundartzney, Gersdorff 1517

91 GERSDORFF, Hans von: Feldbuch der wundartzney 1517, Nachdruck Lindau/B.1976, Kapitel LXIIII 71

Nachwort

Germanus wurde im Jahr 1585 von seiner Aufgabe als Stadtphysikus entbunden. Er arbeitete nach seiner Entlassung weiter als Arzt für die Bürger und Adeligen in und um Salzwedel. Am 25. September 1568 hatte der 38-jährige Germanus die Witwe Elisabeth Buhring geheiratet. Sie war die Tochter des Andreas Maaß. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Die Archivalien geben zumindest hierüber keine Auskunft. M. Christoph Germanus wurde 72 Jahre alt und verstarb am 3. März 1602. Im Sterberegister St. Marien (1577 - 1628) ist zu lesen: „Magister Christoph German, physicus zu Mönchen in der Kirchen begraben den 17. Maii“92. Er hinterließ die Witwe Elisabeth Germanus. Sie lebte die letzten Jahre bei M. Hiob Gigas, der im Jahr 1560 Rektor der Altstadt war und von 1570 bis 1579 Pfarrer in St. Marien93. Elisabeth Germanus hatte gesicherte wirtschaftliche Verhältnisse. So setzte sie am 11. April 1611 in ihrem Testament fest, 20 Lübische Gulden und Zinsen mit einem Gulden an die Geistlichen der Altstadt zu zahlen94. Elf Jahre nach dem Tod ihres Mannes starb sie und wurde am 17. April 1613 ebenfalls in der Mönchskirche in Salzwedel begraben95.

Erst im Jahr 1608 hatte die Alte und Neue Stadt Salzwedel wieder einen eigenen Physikus, D. Albert ULRICI (1571 - 1630). Beide Städte zahlten ihm je 50 fl Besoldung aus den Kämmereien. Er war mit Katharina Chüden verheiratet und starb am 12. März 1630. Ulrici ist in der Marienkirche begraben96. Um 1600 arbeitete auch der Arzt Simon SCHULTZE in Salzwedel. Sein Vater war der erste evangelische Rektor an der Schule der Neustadt Salzwedel. Schultze starb bereits sechs Jahre nach der Aufnahme seiner ärztlichen Tätigkeit, am 17. April 160697.

92 Sterberegister der Marienkirche Salzwedel 93 CZUBATYNSKI, Uwe: Evangelisches Pfarrerbuch für die Altmark, Halle 2000 94 DANNEIL, Johann Friedrich: Kirchengeschichte der Stadt Salzwedel, Halle 1842, S. 246 95 Sterberegister St. Marien Salzwedel 96 ENDERS, Lieselott: Die Altmark, BWV 2008, S. 916 97 ANDREAE, Dr. August: Chronik der Aerzte, Magdeburg 1860 72

Abb. 11 Fachwerkinschrift Salzwedel, Radestr. 10, Foto: G. Ruff 2013 Eine Apotheke wird erst im Jahr 1592 genannt, die in der Alten Stadt Salzwedel von dem Apotheker Johannes WITKE geführt wurde98. Es kann angenommen werden, dass sich die Apotheke in der Radestraße 10 befand, wie der noch teilweise erhaltenen Inschrift des Türbalkens I O H A N W I T zu entnehmen ist, die sich oberhalb des restaurierten Namens CATRINA WIDDAGES, einer Hebamme, befindet. Auf dem linken Türpfosten sind das Standeszeichen der Apotheker – ein Mörser mit Stößel – und die Initialen des Apothekers Witke noch erhalten.

Die medizinische Wissenschaft erfuhr im 15. Jahrhundert ihren Anfang mit der Abkehr von scholastischen Ideen, der Begeisterung für die Antike und Hinwendung zur Natur und Empirie. Der medizinische Alltag blieb noch lange unverändert und war gezeichnet von Epidemien, aber auch von dem Aberglauben und Hexenwahn. MOEHSEN99: „Die Gegend von Zechlin und überhaupt die Altmark und Prigniz wimmelten zu der Zeit von Zauberern und Hexen“.

Die Säftelehre wurde im 16. und 17. Jahrhundert immer noch gelehrt und praktiziert. Seuchen und eine hohe Sterblichkeit waren weiter zu verzeichnen. MOEHSEN schreibt über das 15./16.Jahrhundert: „Die Pest, der Aussatz, der englische Schweis, der Skorbut, und dergleichen, graßiren in Teuschland nicht

98 GÖTZE, Ludwig: Urkundliche Geschichte der Stadt Stendal, Stendal 1873, Reprint 1993, Seite 282 99 MOEHSEN, D.J.C.W.: Geschichte der Wissenschaften in der Mark Brandenburg besonders der Arzneiwissenschaft, Berlin und Leipzig 1781, Nachdruck 1976, S. 512 73

mehr als epidemische Krankheiten: wir haben aber noch immer Flek- und Faulfieber, bösartige Katarrhalfieber, u.s.w.; das venerische Uebel, Friesel, Rütteln und andere Krankheiten, die man vor dreihundert Jahren nicht kante, sind dazu gekommen100.

Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg wurden allgemein in der Altmark Stadt- und Landphysikate geschaffen101. Die Flecken erhielten im 19. Jahr- hundert ärztliche Niederlassungen. Die Einrichtung eines Stadtphysikats in Salzwedel im Jahre 1567 ist im Vergleich zu den anderen Altmarkstädten mit Ausnahme Stendals eine Besonderheit und ist sowohl der Weitsicht der Magistrate, als auch der guten wirtschaftlichen Lage der Alten und Neuen Stadt Salzwedel zu verdanken.

M. Christophorus Germanus genoss in Salzwedel hohes Ansehen, blieb den Bürgern als Arzt ein Leben lang treu und sollte zu den Persönlichkeiten der Stadtgeschichte Salzwedels gezählt werden.

100 Ebenda, S. 400 101 ENDERS, Lieselott: Die Altmark, BWV 2008, S. 916 74

Quellen

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GERMANUS, M. Christoph: Prognosticon|| Auff das Jar nach|| Jesu Christi vnsers einigen|Erlösers vnd Seligmachers|| geburth.|| M.D.LXXIII Matthias Giseke, Magdeburg 1572; Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel A: 53.2 Astron. (1) GERMANUS, M. Christoph: Briefe an den Bürgermeister Berthold Hoffmeister in Hannover; Stadtarchiv Hannover, Stadt A A A 826 GERSDORFF, Hans von: Feldbuch der wundartzney 1517, Nachdruck Lindau/B. 1976 GÖTZE, Ludwig: Urkundliche Geschichte der Stadt Stendal, Stendal 1873, Reprint 1993 HERMELINK, H. u. S. A. KAEHLER: Die Philipps-Universität zu Marburg 1527 – 1927, Marburg 1927 HOPPE, Dr. Elias: Soltqvellensia, Folio, Band 1-4 (1735-1755), Handschriftliche Sammlung zur Geschichte von Salzwedel; Kirchenbibliothek von St. Katharinen, Rep. Ga 18-20, Transkription: Steffen Langusch KIPPHAN, A., BAHN, P.: Begleitheft zur Ausstellung „Das Kräuterbuch des Adam Lonitzer – Eine Rarität aus dem Stadtarchiv“, Bretten 2010 MAYER, G. et al.: Handbuch der Klosterheilkunde, München 2006 MAYER, Maximilian: Verständnis und Darstellung des Skorbuts im 17. Jahrhundert, Inaugural Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 2012 URN: urn:nbn:de:bvb:20-opus-73541 URL:http://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/volltexte/2012/7354/ Meyers Konversations-Lexikon, Leipzig und Wien 1892 MOEHSEN, D.J.C.W.: Geschichte der Wissenschaften in der Mark Brandenburg besonders der Arzneiwissenschaft, Berlin und Leipzig 1781, Nachdruck 1976 MÜLLER, Reiner: Medizinische Mikrobiologie, München-Berlin 1950 PRAETORIUS, M. Stephan: Weine nicht. Für die betrübten Hertzen zu Soltwedel, Ulssen bey Michael Kröner MDLXXXI, Bibliothek St. Katha- rinen Salzwedel, Reg. Cc174 PSCHYREMBEL: Klinisches Wörterbuch, Berlin New York 1994 ROTHSCHUH, Karl Ed.: Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart, Stuttgart 1978 S. 185 f. SCHMIDT, Hans: Die Evangelische Kirche der Altmark, ihre Geschichte, ihre Arbeit und ihr Einfluss, Halle an der Saale 1908 SCHULZ, August: Euricius Cordus als botanischer Forscher und Lehrer, in Abhandlungen der natur forschenden Gesellschaft zu Halle a. d. S., Halle 1919

76

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77

Lebensdaten des M. Germanus und seine Briefe an den Magistrat von Salzwedel vom 20. und 30. Juni 1567

Auszug (Seite 489) aus Band 1 der Folioreihe der „Soltquellensien“ von Dr. Elias Hoppe (im Besitz der Kirchenbibliothek von St. Katharinen in Salzwedel) Transkription: Steffen Langusch

1021. M. Christophorus Germanus. geb. 1530. 103Er hatte zu Marpurg gestudiret, und ward von dem Saltzwedelschen Magistrat A. 1567 zum Stadt-physico bestellet. Im folgenden 1568ten Jahre heyrathete er Andreae Maßen Tochter Elisabeth, Valentin Burings nachgelaßene Wittwen104. In der Pest A. 1581 hat er der Stadt treuliche Dienste gethan, dem ohngeachtet aber ward, weiß nicht aus was Ursachen d. 3. Martii 1585 von dem Magistrat der alten Stadt ihm seine Besoldung aufkündigen zu laßen geschloßen. 105A. 1602 im Majo106 ist er gestorben aetatis 72107, und108 in der Schul- Kirchen begraben, obbenandte seine Ehegattin aber hat er als eine abermahlige Wittwe hinterlaßen. Er hatte einen Bruder, nahmens Bernhard, der Burgermeister zur Neustadt am Rübenberge gewesen. Er hat zum Druck kommen laßen: Pest-Rath für beyde Städte Soltwedel, gedruckt zu Ulsen. 1581. Dieser Schrifft gedencket M. Buronerus in seinem Pest-Büchlein, wenn er allda und zwar in praxi lit. A. IIII. spricht: Wir lesen mit Belustigung, wie auch unsere Vorfahren sich üm ihren Nechsten verdient gemacht haben, wie ich dann dieser Tagen zu sehen bekommen ein[en] medicinisch[en] Pest-Rath, welchen für die beyde Städte Soltwedel Herr Christophorus Germanus, Physicus hieselbst A. 1581. gantz sorgfältig und treulich hat drucken laßen, darinne viel gute Sachen zu finden sind. conf. etiam index autorum hinter diesem Pestbüchlein.

102 D. Christian medicus, kom[m]t vor in einem alten Schützen Gilde Registro der Neuen Stadt Saltzwedel von A. 1555. 103 vid. Soltqv. Tom. II. p. 260. et 261. 104 Diese ist im April 1613 allererst gestorben. 105 Wie die Umschrift auf dem noch vorhandenen Leichenstein ausweiset. 106 Anm. SL: Durch Streichung und Darüberschreiben korrigiert aus „Julio“. 107 Anm. SL: „aetatis 72“ nachträglich über der Zeile hinzugefügt. 108 Anm. SL: Dahinter gestrichen: „hat obbe“ (Der Rückbezug auf seine Ehefrau, vgl. folgende Zeile, wurde für die Angabe des Begräbnisorts nach hinten verschoben.). 78

Auszug (Seite 260-264) aus Band 2 der Folioreihe der „Soltquellensien“ von Dr. Elias Hoppe (im Besitz der Kirchenbibliothek von St. Katharinen in Salzwedel) Transkription: Steffen Langusch

LXXV. M. Christophori Germani Schreiben ad Magistratum utriusq. Soltqvellae, auf was Art er das physicat anzunehmen gesonnen. A. 1567.109 Erbahre, wohlweise und vorsichtige Herren. Nachdem ich dieses Orts und110 in eurer Stadt die göttliche und von Anfang der Welt her hochgerühmete Kunst der Medicin eine Zeit lang nach meinen besten Fleiß und Vermugen männiglichen zu Nutz und Befurderung der Gesundheit gebrauchet, so viel es in Mangel der Apothecken hier hat geschehen111 können, jedoch bißweilen nich ohne beschwerlichen und unleydlichen Schaden an Unkosten und Bottenlohn, auch Artzeney aus frembden Apothecken, damit dieselbigen, so von Gott mit Kranckheit heimgesucht, noch wohl umb groß Geldspildung Ihnen die untuglichste und böseste Artzeneyen, wie dann der Apothecker Gebrauch ist, uber Wegk verreichet, welches dann beyde dem Medico und Krancken zu Verhinderung, Schaden und Nachtheil gedeyet. Darum es ein groß Vorrath in einer Stadt ist, da ein Apothecken und Medicus ist, wie Homerus und Plato die weisen Heyden auch solches die Erfahrenheit bezeuget. Demnach ich dann auch von männiglichen angesprochen und gefurdert, daß ich mich hier in euer Stadt möchte begeben, und mein Glücke versuchen, ich auch solches nit abgeschlagen, sonderlich, so da ein Apothecken angerichtet oder mir nach meinen Vermügen dieselbe anzufangen vergönnet wurde. Dieweil mich dann auch der Erbare und Wohlweise Herr Jacob Schulte Burgermeister und mein besonder großgunstiger Herr darzu furdert und vermanet, auch angezeiget hat, daß ewr. E. W. sämbtlich wohlgeneiget, einen eygenen Physicum in eurer Stadt zu haltende, sonderlich dieweil E. E. W. sonst mit wenigen Nutz ahn ander Orten einen Medicum halten müßen, und besolden, derhalben mich vermahnet, aufs furderlichste zu erklären, mit was condition ich mich gegen einen Erbarn Rath verpflichten wolte. Demnach ich mich dann also darzu zufurdern gegen solche meine Gönner und Freunde

109 ex originali 110 Anm. SL: „und“ nachträglich über der Zeile hinzugefügt. 111 Anm. SL: Links neben der Zeile von einem späteren Bearbeiter zwei senkrechte Striche zur zusätzlichen Hervorhebung der Unterstreichung angebracht. 79

billigs danckbahr erzeige, und guther Erinnerung gerne folge. Da auch Ewer E. W. mich zu solchen Dienst begeren, und gnuchsahm erachten, bin ichs mit meinem Fleiß jederzeit gegen einen jeglichen zu verdienen willig. Wil mich derohalben auf folgende punct und Form also erklären, daß meines erachtens gering und liederlich112 darzu zu kommen, und dennoch gemeiner Bürgerschafft zu grossen Nutz und Frommen in kurtzer Zeit gereichen kan. Nachdem ewer E. W. sich also gonnstiglich und gudwillig in solcher Befürderung erzeigen, damit dieselben in Uberhebung der Besoldung nit unwilliger gemachet und mir dennoch für vielfältige Sorgen, so hierzu fürzunemen, etwas zur Belohnung werde, will ich zu järlicher Underhaltung von beiden Städten Sechszig Thaler furdern. Dieweil auch viel Feuers zu der Bereitung der Artzney gehöret, und das Holtz und Kolen hier thewer, wil ich zu der notdorfft zehen Fuder Holtzes und ein Fuder Kolen furdern, damit mir zur Fewrung auch zu Hülfe gekommen werde, oder mochten mir meine Herren dafur Gelt geben. Es wollen auch ewer E. W. mich mit einer Wohnung nach der Gelegenheit einer Apothecken von aller Pflicht und Unpflicht gefreyet verschaffen und versorgen. Konte man mir einen Garten darzu verschaffen, wers wol darzu dienstlich zu Pflanzung frembder Gewächs. Doch was man in der Eyl nit hätte, kunte man nach der Zeit einen beßer gelegen Raum finden. Dieweil auch nit allerley Wein in den Artzney Gewercken dienstlich seyn, wollen e. E. W. mir vergonnen, daß ich mir den Wein, da ehr am besten darzu bekomen ist, kaufen und bringen laßen muge. Daß ich auch Clareth, Lutterdranck und dergleichen zugerichtet Gedrencke, so man in stedt der Artzney für Gesunde und Krancken auf den Apothecken helt, muge verkauffen, oder um Gelt muge zurichten. Daß ich auch den von Adel und sonst guten Leuthen umhero außer der Stadt muge dienen mit Wißen und Willen meiner Herren. Auf obgesatzte puncta wil ich mich zu der Erfolgung gegen einen Erbarn Rath beyder Städte und die gemeinen Bürgerschafft mit meinen besten Vleiße und Vermugen zu dienen um liederliche Verehrung nach jedens Vermugen und um gebührliche Bezahlung der Artzney verpflichten. Daß ich auch nach meinem Vermugen eine geringe Apothecken zur nodtorfft und erfurderung meiner practica den Krancken und gemeiner Burgerschafft zu Nutz wil anfangen, und nach Zeiten verbeßern. Idoch daß dazu dem Weinkeller oder Kremerzunfft in ihrer Kauffmannswahr oder Kremerwahr zu schaden nichts soll vorgenohmen werden. Alles getrew und ohne Gefehr.

112 Anm. SL: So nach dem Buchstabenbestand. 80

Diß hab ich E. E. W. auf obgenants Herrn Burgermeisters Ahnmutung demselben und gemeiner Burgerschafft zu Dienst wollen vorgestalt haben, dienstlich bittend, e. E. W. wollen mein vleißig furnemen zu gunstigen Gefallen aufnemen. Datum Anno Chr. 67. die 20. Junij.

E. E. W. williger Christophorus Germanus, Mgr. LXXVI. Deßelbigen M. Christophori Germani Schreiben an den Cons. Palaeo-Soltqv. Jacobum Praeto- rium in eadem causa. A. eod. d. 30. Jun.113 ′ευπζατιειν.114 Prudentissime Domine Consul. Accingor propediem ad iter, qvod heri me in patriam suscepturum indicavi ubi mihi negotia qvaedam restant expedienda, praeterea qvoq[ue] filius strenui Viri Jacobi Groten apud Ottonem de Mandelsloh aegrotans obiter visitandus est, qvae res diutius differri neqveunt. Qvare majorem in produm Tuam rogo prudentiam, ut propositam nuper Senatui de conditione medica declarationem urgere et maturare velit, qvo certior de habitatione et stipendio factus expeditius redire possim. Ver praeterlapsum est, aestas qvoq[ue] labitur, non colliguntur indigena simplicia, qvibus ad medicamenta opus esset, pecuniam qvoq[ue] ad materialia dispositam cum jactura apud me detineo, propositione autem de ea functione mota nolui re infecta discedere. Domus

Dni. Lucae Leucocephali defuncti nuper mihi sufficeret, si commodior locus mihi inveniri non posset, cubiculum posset commodius parvo sumptu parari, et si qvid aliud in ea fuerit necessarium. De stipendio si non convenerit inter senatores novae civitatis, non ob id differri diutius res potest. Ubi viderint, rem ex voto cedere, facile alia ratione persvadebuntur, interim eo qvalicunq[ue] stipendio, qvod mihi veteris civitatis Ampliss. Senatus pendet, contentus ero, de qvo si certior hodie factus fuero, crastina luce deo favente proficiscar, eoq[ue] citius cum mea suppellectili redibo, qvo inceptum negotium maturius proseqvar. De hisce P. t. admonendam utile fore duxi, haud dubie P. t. atq[ue] Ampliss. Senatus Reipublicae commodo inserviet

113 ex originali 114 Anm. SL: Die Wiedergabe dieses griechischen Wortes stellt einen Kompromiß zwischen der Hoppeschen Vorlage und den Möglichkeiten des Computer-Zeichensatzes dar. Von vorn gezählt und ohne Berücksichtigung des Apostrophs sind der 4., 7. und 9. Buchstabe nicht ganz eindeutig zu klären gewesen; vor allem sieht der 7. Buchstabe bei Hoppe eher wie ein „l“ und der 9. eher wie ein „j“ aus. 81

atq[ue] oblatam occasionem non negliget. Ego a prandio responsum Senatus abs Te petam. Iterum atq[ue] iterum rogo, ne P. t. hasce molestias suscipere gravetur, sentiet aliqvando, ubi res ex voto cesserit, hujus laboris non parvum commodum. Vale. 30. Junij, Anno Dni. 1567. T. P. deditiss. Christoph Germanus, Mgr. Non est mihi dubium, qvin Ampliss. Senatus non exspectabit in me inanem titulum, nihilominus tamen, ubi rediero, ex patria testimonium scholae philosophicae Marpurgensis et studii medici judicium de me perlegendum exhibebo, atq[ue] operam dabo, qvo magis me conversatio et vita qvam literae commendent. Prudentissimo ornatissimoq. Viro Domino Jacobo Praetorio Consuli Soltwedelensi, domino et Mecenati suo in primis observando.

Übersetzung durch Frau Dr. Sabine Schlegelmilch, Institut für Geschichte der Medizin, Würzburg.

εὐπράττειν = griech. Standardgruß, etwa: „laßt es euch gutgehen“ Hochweiser Herr Konsul! Ich mache mich in den nächsten Tagen auf die Reise in die Heimat, von der ich [ja bereits] gestern schon angedeutet habe, daß ich sie unternehmen werde, weil mir dort noch Aufgaben zu erledigen bleiben; außerdem, weil ich unterwegs den erkrankten Sohn des tüchtigen Mannes Jakob Groten bei Otto von Mandelsloh besuchen muß, was sich nicht länger aufschieben lässt. Deswegen richte ich noch mehr meine Bitten an Euer große Klugheit, daß Sie die neulich im Senat vorgebrachte Erklärung hinsichtlich der Physikatsstelle dringend machen und zur Entscheidung bringen wolle, damit ich in Gewißheit bzgl. Wohnung und Lohn umso erleichterter zurückkehren kann. Der Frühling ist vergangen, der Sommer verstreicht auch [bereits], die einheimischen Simplicia [=Kräuter] werden nicht gesammelt, die für die Medikamente notwendig sind; ich verwahre auch das Geld, das für Materialien zur Verfügung gestellt worden ist, [immer noch] bei mir – mit Verlust; ich will aber, nachdem der Antrag hinsichtlich der Stelle nun gestellt ist, nicht unverrichteter Dinge weggehen. Das Haus des neulich verstorbenen Herrn Lucas Leucocephalus (= Weißkopf) würde mir ausreichen, wenn ein angenehmerer Ort für mich nicht gefunden werden kann, das Schlafzimmer könnte mit geringem Aufwand angenehmer gestaltet werden, auch der Rest in diesem Haus, wenn etwas anderes noch notwendig sein sollte. Wenn über den Lohn [noch] kein Konsens bei den Senatoren der Neustadt zustande gekommen ist, kann deswegen die Angelegenheit nicht länger aufgeschoben werden. 82

Sobald sie gesehen haben werden, wie in dieser Angelegenheit gestimmt wird, werden sie leicht auf anderem Weg überredet werden; in der Zwischenzeit werde ich mich mit jedem beliebigen Lohn, den mir der Hohe Senat der Altstadt zahlt, zufrieden sein. Wenn ich heute darüber Nachricht erhalte, werde ich morgen bei Tagesanbruch mit Gottes Segen aufbrechen und umso schneller mit meinem Hausstand zurückkehren, um nachdrücklicher die angefangene Verhandlung verfolgen. Diesbezüglich Euer Mächtigkeit zu erinnern schien mir nützlich, ohne Zweifel wird Euer Mächtigkeit und der Hohe Senat der Stadt dem Allgemeinwohl dienen und die gebotene Chance nicht verstreichen lassen. Ich werde nach dem Frühstück eine Antwort des Senats von Euch erbitten. Ich bitte Euer Mächtigkeit inständig, daß Ihr Euch durch die Beschwerlichkeiten nicht belasten laßt, Ihr werdet irgendwann merken, sobald über die Angelegenheit abgestimmt worden ist, daß der Nutzen dieser Anstrengung kein geringer ist. Lebt wohl, 30. Juni , im Jahr des herrn 1567, hingebungsvollst, Christoph Germanus, Magister. Es besteht für mich kein Zweifel, daß der hohe Senat bei mir keinen falschen Titel vermutet; nichtsdestotrotz werde ich, sobald ich aus der Heimat zurück bin, ein Zeugnis der philosophischen Fakultät in Marburg und eine über mich zu verlesende Beurteilung meines Medizinsstudiums vorlegen, und mir Mühe geben, daß mich der persönliche Umgang und der Alltag mehr als die Wissenschaften empfehlen. Dem hochweisen und ehrenwehrtesten Herrn Jakob Praetorius [= Schultz], Konsul von Salzwedel, seinem Herrn und Mäzenaten in zuvorderster Dienstfertigkeit. [15]67.

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Ärztlicher Brief an den Bürgermeister Hoffmeister der Stadt Hannover von 1560

Diese der Krankheit heißt zu Latin Orthopnia zu deutsch schwerathmisch. kumet von zäher schleimiger Feuchtigkeit die aus dem Magen zu haupte steigt und dieselbig beschwerden mit wehethumb. vnd fallen dieselben feuchtigkeit wider vom haupte zu die wandtrippen. Daher kumpt das der athem schwerlich gezogen wirt. Und offt umb Zähikeit willen gleich feuchtigkeit ahnkleben vnd schwitzich machen. Ihr sollten Suppen vnd Drinken meiden alles was schleimig und zehe ist auch was zu haupte dampft oder schwizet. Also kein stockfish, Käse, milchwerk. ahl, schlei, karpfen dorsch schaden nit fisch die gehen auff steinigen grund und kleine fish, was sehr gesalzen ist drinkt nit, sollen euch auch hüten für warmbier breihaus eier--pufflin, puff, merrettich. Ihr müssen essen hummer, hammelfleisch, rindfleisch und derselben suppen und brüe, hafergrütze mit Wasser und rindfleisch brüe gekocht. drinken guten met oder diß folgende gerstenwasser Zum Dursten. Zu dem gerstenwasser nimst gersten ein ziemlich handfull zustossen die im morser, Rosin ii handtful auffgeschnitten die stein darauß genommen Zwelff feigen geschnitten. Aniß, fenchel hanfol hyssop gestoßen ein Loth petersilienwurzel ein kleine handtfoll larkritzen ii loth klein geschnitten vnd gestoßen. Zusamen in einen erden potte gesotten mit drei quarter wasser biß ein halb quarter ingesotten ißt darnebst nemst Cannehl iii loth zustossen Im morser darzu zihn lassen noch zwei mall mit auff sieden. Darnach durch einen leinen tuch gedrückt schütt ein wenig Zuckercandis darzu. Dies Drancks müsst Ihr zum dursten drinken der ist auch sehr nutze Auch den athem weit und lang zumachen nemet der weissen küchlin die heissen bichicheen. Der nemet zu abent und morgen auch den tag oder nacht wan a euch der huste oder schwerathmen ahnkumpt jehlich mal zwei oder drei auff die zungen. Ihr konnen auch ein Electuarium machen das hir zufinde ist. Nemst Honig i pfundt mey butter ungesalzen i halbpfundt sieden das über dem feuer vnd rürrens biß es ahnsehet ein wenigs braun zu werden. thun darzu viel würtz ii loth Aronwurtzel i loth lakritzen i halb loth Aniß i loth jehliches kleingestossen dis pulwer zusamen gethan vnd über dem feuer darzu gerurret ist ein Electuarium des nimst auch abent vnd morgen auff einen messer einer halben wallnuß groß. Ihr sollen auch nemen sechs loth Rosenzucker anderhalb quinten Rhabarbar klein gestossen vnd mit dem Rosenzucker gemischt nemen das den morgen nüchtern, das ihr den morgen nichts anders gebrauchen. Das sollen Ihr all auff ein mal aufessen das ist euch vnschädlich vnd sehr nutze. Das sollen Ihr widerumb über acht tagen auch so gebrauchen fasten daruff fünff stunde. Wan der huste vnd schwerathmen nachlasse 84

soltet Ihr zu abent heuptpillen gebrauchen vnb fümpf oder sechs tagen jedesmahl sieben pillen Die bichicheen115 vnd Hauptpillen werden auff die apoteken also verschreiben.

Rp Becchicorum albarum qrt. 1 Rp Massa pillul[arum] Cochiarum De Agarico Ale[o]phangianarum an[a] ʒi Trochiscorum Alhandal[ae] Ӡ 5 Mihel Cum Syrupo de Liquiritia fiant pillul[ae] XV ad Ӡ (?) violn Zucker auch Rosenhonig were euch nutze offt gebraucht. Reibt abent vnd morgen arm vnd beine abwertz Christoph Germanus M.

115 SCHLEGELMILCH, S.: Mögliche Dialektverballhornung; Becchici alba sind „weiße Brustküchlein“. 85

Historische Diagnosen M. Germanus medizinisches Vokabular seiner Schriften

Retrograde Diagnose Begriff Quelle bzw. Beschreibung

Brief an den Bürgermeister der Stadt Hannover: Orthopnia Orthopnoe (griech.), Pschyrembel: schwere Atemnot Klinisches Wörterbuch, Berlin 1994 Prognosticon zum Jahr 1573: Für den Sommer prophezeit er Regen, große Hitze, Gewitter und deren Folgen blattern Blattern, Pocken Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, Berlin 1994 masen Masern frei übertragen flecken Hautrötungen z.B. bei frei übertragen Fleckfieber Kapitel 5 Krankheit und Sterben: Es wird an mancherlei Krankheiten nicht mangeln hitziges fiebern hohes Fieber frei übertragen bauchflüssen Dyarrhea (Dryander), Handexemplar zu L. Durchfall, Ruhr Fuchs, Kräuterbuch, Köln 2001 lendenwehe Nierenschmerzen frei übertragen gicht/ podagra Gicht / Gichtanfall der Pschyrembel: Großzehe Klinisches Wörterbuch, Berlin 1994 geschwulst der knihe Gelenkschwellungen frei übertragen und füsse entzündung der lebern Leberentzündungen, z. frei übertragen B. infektiöse Hepatitis

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Retrograde Diagnose Begriff Quelle bzw. Beschreibung fisteln Fistel (lat. Fistula Gersdorff, v.H.: Röhre) es handelt sich Feldbuch der wohl um die Verbin- wundartzney 1517, dungen zwischen Haut Seite LVI und Körperhöhle, z.B. am After nach Eiterungen vitzblattern Kleine Pocken, frei übertragen Windpocken Pestilentzische fieber Massenbefall der frei übertragen Menschen mit fieberhaften Krankheit, z. B. Pest vnheilbare drüsen an Drüsen des Handexemplar zu L. heimlichen orten Genitalbereiches Fuchs, Kräuterbuch, Köln 2001 breune Fieber und Schmerzen Dryander, J.: im Mund und Rachen, Practicierbüchlein wie bei Mandelentzün- Frankfurt Mayn 1589 dungen (Tonsillitis) S.161 und 166 halsgeschwer Halsentzündungen frei übertragen niederschiessung des Starke Schwellung des frei übertragen zapffen im halse Halszäpfchen hertzpucken Herzjagen frei übertragen Im Mai werden bei Kälte und Unwetter auftreten hitzige Fieberhafte frei übertragen Heuptkranckheit Kopfschmerzen Brust vnd Entzündung der frei übertragen lungenkranckheit Bronchien und Lunge Schwerathemen Atembeschwerden frei übertragen vndawung des magens Dewung (Verdauung), Handexemplar zu L. vndawung, die Verdau- Fuchs, Kräuterbuch, ungsstörungen, z. B. Köln 2001 Magenschleimhaut- entzündungen 87

Retrograde Diagnose Begriff Quelle bzw. Beschreibung Brechen Erbrechen frei übertragen Icteritia nigra Dryander: Schwarze Dryander, J.: Geelsucht, vermutlich Practicierbüchlein eine Milzentzündung Frankfurt Mayn 1589, als Folge infektiöser S.113 Krankheiten mit Fieber Schorbauch Skorbut, eine „neue „Schorbok“ ist das Krankheit“ im 16. sächsische Wort für Jahrhundert infolge Grimmen und Reissen Vitamin-C-Mangel mit im Bauch. MAYER,M.: starken Bauchschmer- Inaugural-Dissertation zen 2012, S. 15 rügken wehe Rückenschmerzen frei übertragen augen vn ohren Augen- und frei übertragen geschwer Ohrenbeschwerden, -entzündungen vnnd allerley Syphilis, vermutlich MOEHSEN, D, J. C. W. kranckheit so von durch Schiffsbesat- : Geschichte der vnreinigkeit des Blutes zungen Kolumbus Wissenschaften in der un scharffen flüssen als eingeschleppt Mark Brandenburg Franzosenaussatz besonders der Arzneiwissenschaft, Berlin und Leipzig 1781, Nachdruck 1976 S. 368 Reudigkeit Skabies (Krätze) u. a. Gersdorff, v. H.: Hautkrankheiten mit Feldbuch der Entzündungen und wundartzney 1517, Eiterungen Seite LXXV krampff Krämpfe, z.B. in der frei übertragen Beinmuskulatur Podagra Fußgebrechen Pschyrembel: (Dryander), Gicht der Klinisches Wörterbuch, großen Zehe Berlin 1994 reissen in den Schmerzen in den frei übertragen Schenckeln Beinen 88

Retrograde Diagnose Begriff Quelle bzw. Beschreibung Im Sommer schädlicher Regen, großer Hitze, Gewitter: vnordentliche febres wechselnde Fieber- frei übertragen schübe masen Masern frei übertragen Blattern Pocken Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, Berlin 1994 Pestilentz Allgemeine Bezeichnung für eine gefährliche Seuche; nach modernem Verständnis Epidemie (zeitliche u. örtliche Häufung), Endemie, andauerndes u. begrenztes Auftreten an einem Ort u. deren Bevölkerung, Pandemie (unbegrenztes Auftreten) Colica vnnd krimmen Dickdarmverstopfung Dryander, J.: im leibe mit krampfartigen Practicierbüchlein, Schmerzen Frankfurt Mayn 1589, S.126 Im Herbst bei Wärme und Wind und im Westen und Nordwesten Sturm mit Regen und drückender Luft: der Stein z. B. Gallensteine Dryander;J.: Practicierbüchlein, Frankfurt Mayn 1589, S. 168 quartan feber Malaria quartana Jankrift,K. P.: Mit Gott und schwarzer Magie. Medizin im Mittelalter, Theiss 2005, S. 95 reissen im leibe Bauchschmerzen frei übertragen 89

Retrograde Diagnose Begriff Quelle bzw. Beschreibung Bauchflüsse Verstopfung (Lienteria) Dryander;J.: bzw. Durchfälle Practicierbüchlein, (Diarrhoe) Frankfurt Mayn 1589, S. 139 Miltzkranckheit Dryander: Splenitici Dryander, J.: Milzentzündung bei Practicierbüchlein, anderen Erkrankungen Frankfurt Mayn 1589 S.116

Tab. 8: Historische Diagnosen im „Prognosticon“

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Zeittafel

1233 Erste Erwähnung von Salzwedel als Stadt 1240 Friedrich II. erlässt die 1. Apothekerordnung 1241 Erste Erwähnung des St. Georg-Hospitals in Salzwedel (Leprosorium) 1247 Gründung der neuen Stadt Salzwedel 1339 Magister Peter von Tangermünde, erster Arzt in der Altmark 1517 Luther schlägt die 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg 1526 Reichstag zu Speyer überlässt die Stellung zur Reformation den Landesfürsten 1527 Gründung der ersten protestantischen Hochschule in Marburg als landesherrliche Universität 1530 Christoph Germanus wird in Neustadt am Rübenberge geboren 1535 Joachim II. wird Kurfürst von Brandenburg (1535 - 1571) Franz von Bartensleben, Hauptmann von Salzwedel (1538 - 1543) 1539 Kurfürst Joachim II. gibt seinen Übertritt zur lutherischen Kirche bekannt 1540 Beendigung der 1. Kirchenvisitation in Salzwedel Verpfändung des Heilig Geist-Klosters an Franz von Bartensleben, Hauptmann der Altmark 1548 Immatrikulation des Christophorus Germanus Neustadianus an der Marburger Hochschule Pest in der alten Stadt Salzwedel 1560 Germanus arbeitet als Arzt in Neustadt am Rübenberge 1567 Magister Christophorus Germanus – erster Physikus der alten und neuen Stadt Salzwedel bis 1585 1568 Germanus heiratet die Witwe Elisabeth Buhring, geborene Maaß 1571 Johann Georg wird Kurfürst von Brandenburg 91

1572 Germanus schreibt das „Prognosticon“ für das Jahr 1573 1573 Mondfinsternis am 8.Dezember 1573 1580 Pest in der alten Stadt Salzwedel, Germanus gibt seine Pestschrift heraus 1581 Pest in der neuen Stadt Salzwedel 1583 Einführung des Gregorianischen Kalender In der Altmark wütet die Pest mit tausenden Toten 1585 3. März, Germanus beendet seine Tätigkeit als Stadtphysikus 1592 1. Apotheker der Altstadt Salzwedel: Johannes Witke 1597/98 Die Pest grassiert in der Altmark – 5.000 Tote 1598 Johann Friedrich wird Kurfürst von Brandenburg Pest in der Altmark, insbesondere auch in der neuen Stadt Salzwedel 1685 Friedrich Wilhelm verfügt die Churfürstliche Brandenburgische Medizinalordnung 1687 Letzter Hexenprozess: Frauen aus Heiligenfelde müssen ihr Leben lassen 1602 Magister Christophorus Germanus verstirbt am 3. März und wird in der Mönchskirche begraben 1613 Elisabeth Germanus, Witwe des Physikus Germanus, verstirbt und wird am 17. April in der Mönchskirche in Salzwedel begraben

Tab. 9: Zeittafel

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Übersicht der Ärzte in Salzwedel von den Anfängen bis Mitte des 19. Jahrhunderts116

1567-1602 M. Germanus, Christoph Stadt-Physikus (1567 - 1585) - 1606 Schultze, Simon Physikus 1608 - 1630 Ulrici, Albert Stadtphysikus beider Städte 1607 Prof. D. Horst, Gregor Stadtphysikus im Jahr 1606117 Medicus ordinarius der Altmärkischen Ritterschaft 1620 - 1624 Dr. Witke, Christoph Physikus 1623 - 1643 Brewitz, Arnold Physikus - 1652 Schmidt, Heinrich Physikus 1626 - 1658 Dr. Peters, Franz August Landphysikus der Altmark 1651 - 1668 Probst, Andreas Landphysikus der Altmark 1659 - 1666 Hasselt, Johann Heinrich Physikus 1659 - 1696 Dr. Gosky, Anton Ulrich Landphysikus der Altmark 1661 - 1668 Probst, Andreas Landphysikus der Altmark 1669 - Dr. Peters, Franz Julius Physikus - 1693 Brewitz, Hempo Achatius Physikus 1670 - 1684 Burchard, Michael Balthasar Physikus 1672 - 1692 Dr. Osenbrügge, Georg Physikus 1684 - 1685 Dr. Rademien, Heinrich Physikus 1686 - 1687 Dr. von Mascov, Friedrich Physikus 1695 - 1698 Chüden, Johann Joachim Physikus 1697 - 1703 Knoblauch, Georg Gottlieb Landphysikus der Altmark 1698 - 1712 Dr. Kramer, Theodor Valentin Physikus 1700 - 1738 Dr. Burchard, Balthasar Physikus Nicolaus 1701 - 1752 Burchard, Valentin Johann Physikus 1709 - 1735 Dr. Chüden, Christian Friedrich Landphysikus der Altmark 1717 - 1761 Dr. Hoppe, Elias Physikus, Autor der Soltquellensien 1722 - 1735 Dr. Frese, Detlef Friedrich Physikus, später Landphysikus

116 Auszüge: ANDREAE, August: Chronik der Aerzte, Baensch 1860 117 Adler, M.: 45. Jahresbericht des Altmärkischen Geschichtsvereins 1927, S.60 93

1723 - 1725 Dr. Arends, Johann August Physikus 1725 - 1756 Dr. Annisius, Erik Joachim Physikus 1747 Dr. Chüden, Johann Valentin Physikus - 1825 Koehler, Gabriel Valentin Physikus; praktizierte i. Salzwedel, geb. 1742 dann in Gardelegen, ging zuletzt nach Salzwedel zurück 1759 Meyenburg, Friedrich Conrad Stadtphysikus 1759 - 1790 Dr. Gercken, Johann Andreas Physikus und Stadtphysikus 1773 - 1777 Dr. Münnich, Paul Johann Physikus Wilhelm 1789 - 1831 Dr. Busch, Johann Ludwig Physikus und Stadtphysikus Dietrich 1791 - 1837 Dr. Buettner, Dietrich Friedrich Apotheker; ein Jahr Physikus um 1815 Dr. Leue, Friedrich Stephan Wundarzt, später Physikus und Ziegeleibesitzer 1808 - 1855 Dr. Hasenknopf, Johann Distriktphysikus, Friedrich Gottlieb ab 1817 Kreisphysikus 1824 - 1855 Dr. Seebode, Dietrich Christoph Physikus 1825 - 1831 Dr. Leue, Johann August Physikus 1824 - 1868 Dr. Meinhard, Georg Christian Physikus

Tab. 10: Ärzte in Salzwedel von 1567 bis Mitte des 19. Jahrhunderts

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Jagdübergriffe auf das Amt Klötze 1603 oder: der weiße Hirsch von Zichtau

von Reimar v. Alvensleben / Transkription: Steffen Langusch

Im Jahre 1900 veröffentlichte der Buchdruckereibesitzer Ernst Schulze eine Chronik der Stadt Klötze1, in der er über einen Jagdzwischenfall wie folgt berichtete:

„Im September 1603 pürschte Herr Ludolf von Alvenßleben auf Zichtauer (Zichower) Flur. Jäger, die Jagdknechte und reisige Mannen ritten auf schaumbedeckten Rossen hinter dem flüchtigen Hirsch her. Mit Hussa ging die Jagd vorwärts, jetzt eilte der fliehende Hirsch auf Breitenfelder Flur und damit in’s Lüneburgische. Doch was kümmerte dies dem Edelmann, unaufhaltsam ritt der Troß über die Aecker der fleißigen Bauern; umsonst waren die Vorstellungen des damaligen Ortsschulzen Georg Wolff von Breitenfeld, der sich den Jägern gegenüberstellte, er wurde überritten und schwer verwundet. Schließlich wurde der Hirsch hinter dem Dorf Breitenfeld erlegt. Erbittert machten die Bauern Front gegen die zurückkehrenden Jäger, welche die Beute wegschleppen wollten, bewehrt mit Spießen und Sensen verlangten sie Schadenersatz für das zertretene Korn. Doch was galt der Bauer in jener Zeit? Nichts! Nur Hohn, Spott und Schläge waren für ihn vorhanden. Nachträglich beschwerte sich die Gemeinde beim Herzog Ernst, diesen um Schutz und Eintreibung ihrer Ansprüche bittend. Was werden die reichen Alvensleben, denen halb Cloetze verpfändet war, wohl dem machtlosen Herzog geantwortet haben?“

Spätere Autoren übernahmen diese Geschichte, so Paul Pflanz in seiner Chronik der Dörfer Breitenfeld, Schwiesau und Quarnebeck (1926)2, Udo v. Alvensleben in einem Aufsatz über die Alvensleben in Zichtau (1940/41, 2010)3 und Christin Henning et al. in ihrer Breitenfelder Chronik (2008)4.

1 Ernst Schulze: Chronik der Stadt Cloetze. Cloetze 1900, S. 171/172. 2 Paul Pflanz: Aus der Geschichte der Dörfer Breitenfeld, Schwiesau und Quarnebeck. Breitenfeld 1925 (unveröffentlichtes Manuskript), S. 17. Ders.: Bunte Bilder aus der Geschichte der Dörfer Breitenfeld, Schwiesau und Quarnebeck. „Lieb‘ Heimatland“. Monatsbeilage des Gardelegener Kreisanzeigers. 3. Jahrg., Nr. 4, Januar 1928. 3 Udo v. Alvensleben-Wittenmoor: Zichtau unter den Herrn v. Alvensleben. Heimatbuch. Beiträge zur altmärkischen Geschichte, Band 4. Gardelegen 1940/41, S. 219-248. - Udo v. Alvensleben-Wittenmoor: Die Alvensleben in Kalbe 1324-1945. Bearbeitet von Reimar v. Alvensleben. Falkenberg 2010, S. 129.

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Zugleich wurde die Geschichte auch mündlich überliefert, wobei aus dem Hirsch ein weißer Hirsch wurde5:

„Der weiße Hirsch Ludolf von Alvensleben hatte seine Freunde eingeladen. Es galt den weißen Hirsch zu erlegen, der sich seit einiger Zeit in den Wäldern um Zichtau blicken ließ. Also: Die Pferde gesattelt, aufsitzen, hü…. Es war ein schöner Tag, blauer Himmel, weiße Wölkchen, Sonne … Es ging durch die Wälder, über die Hügel…. Da – der weiße Hirsch! Die Reiter setzten nach, doch das Tier war schneller. Mal außer Sicht, mal ganz nah. Der Hirsch flüchtete aus dem Wald, übersprang einen Feldweg und verschwand in einem Kornfeld… Hier waren die Breitenfelder Bauern dabei, ihr Korn zu ernten. Sie erschraken und ahnten, was die Ritterschaft im Schilde führte. Mit Sensen und Harken stellten sie sich dem Trupp entgegen: Platz da, geht aus dem Weg! So kam der Befehl! Aber die Breitenfelder entgegneten: Halt Ihr Herren! Das ist unser Brot, das möchtet Ihr nicht zertrampeln! So gingen die Rufe hin und her. Da sahen die Reiter ihre Aussichtslosigkeit ein und trabten davon. Zichtau gehörte seiner Zeit zu Brandenburg, Breitenfeld zu Braunschweig/Lüneburg: da sollte jeder Streit vermieden werden! So steht es in der Breitenfelder Dorfchronik. Lehrer Wilhelm Reinhard hat diese Geschichte wiederholt erzählt.“

Der historische Kern

Wenn man sich mit Sagen und Geschichten beschäftigt, kann es reizvoll sein, ihrem Ursprung und historischem Kern nachzugehen. Ernst Schulze hatte keine genaue Quelle für seine Geschichte angegeben, lediglich in seinem Vorwort findet sich der Hinweis, dass er sehr viel Material im Provinzialarchiv in Hannover gefunden habe. Was an seiner Geschichte erste Zweifel weckte, war der Umstand, dass es noch im September Felder mit stehendem Korn gegeben haben soll – und das in einer Zeit, als es noch keine Mähdrescher gab, das Getreide in der Regel bereits im Juli gemäht wurde und anschließend in Hocken auf dem Felde abreifte und trocknete.

Eine Anfrage beim Landesarchiv in Hannover ergab, dass sich dort noch eine Akte mit dem Titel „Jagdübergriffe des Jägers des Ludolf von Alvensleben,

4 Christin Henning, Corrie Leitz, Jörg Mantzsch, Jutta Ritzmann, Bernd Wießel: 1258-2008. 750 Jahre Breitenfeld. Festschrift. Hrsg. von der Gemeinde Breitenfeld 2008. Block-Verlag, Kremkau 2008, S. 39. 5 Aufgeschrieben von Günter Gräfe, Zichtau (unveröffentlicht).

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Georg Wolff, in das Amt Klötze (1603)“ befindet6. Sie umfasst etwa 20 Seiten und war so schwer zu lesen, dass Schulze den Inhalt offensichtlich nicht verstanden und deshalb so gedeutet und ausgeschmückt hat, wie es seinem Problemverständnis entsprach. Der tatsächliche Inhalt läßt sich wie folgt zusammenfassen:

• Zu den Jagdübergriffen kam es am 28. und 29. August 1603. Gejagt wurde allerdings nicht auf einen Hirsch, sondern auf Feldhühner. Jäger war nicht Ludolf von Alvensleben, sondern dessen Jäger Georg Wolff mit seinen Gehilfen, der nach einem Streit mit den Breitenfelder Bauern den Dorfschulzen Hans Pretz im Jähzorn („auß heftigem muethe“) mit Schrot beschossen und ihn dabei verletzt hat. Opfer und Täter wurden somit verwechselt. Von Schäden auf den Feldern ist überhaupt nicht die Rede. • Der Amtsschreiber leitet die Klage am 3. September 1603 an die (wohl für das Amt Klötze zuständige) Kanzlei in Celle weiter. Das Schreiben wird durch einen Briefboten überbracht. • Die Kanzlei schreibt am 6. September 1603 an Ludolf von Alvensleben und ersucht ihn, dafür zu sorgen, daß sich sein Jäger Georg Wolff den Beschuldigungen stellt bzw. sich zunächst verantwortet. Die Reinschrift dieses Briefes müßte sich theoretisch in den Zichtauer Familienarchiven befunden haben. • Georg Wolff rechtfertigt sich durch einen am 13. September 1603 verfassten Brief. Auch dieser Brief wurde durch einen Briefboten nach Celle gebracht (Vermerk der Kanzlei vom 22. September 1603) und Georg Wolff wurde (entweder mündlich über den Briefboten oder über ein Schreiben, das direkt an Georg Wolff gerichtet war) daraufhin geantwortet, er möge sich in Celle persönlich verantworten. • Georg Wolff reist nach Celle, wo er sich zwischen dem 22. September und 27. Oktober 1603 etwa drei Wochen lang aufgehalten hat. Er erkennt die Vorwürfe der Bauern an (möglicherweise übernimmt er auch die Verantwortung für einen etwas jähzornigen Helfer, da in der Klage zum 27. und 28. August 1603 nur von einem Schützen die Rede ist). • Die Kanzlei benachrichtigt den Amtsschreiber in Klötze und Ludolf von Alvensleben am 27. Oktober 1603 von der Entscheidung des Herzogs: Wenn der Jäger Georg Wolff die Geschädigten entschädigt und sich weiterer Übergriffe gegen das herzogliche Amt Klötze enthält, soll ihm

6 HSTA Hannover, Celle Br 61 a (Celler Amtssachen), Nr. 55039

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verziehen werden. Falls es erneut zu Beschwerden kommt, soll er sich wieder in Celle einfinden und seine Strafe erhalten. Auch Ludolf von Alvensleben soll seinen Jäger zur Befolgung der herzoglichen Entscheidung ermahnen.

Insgesamt wurde der Konflikt – auch aus heutiger Sicht – durchaus vernünftig geregelt: Der Jäger Wolff kam mit einer Bewährungsstrafe davon, mußte aber zugleich sein Opfer, den Dorfschulzen Pretz, entschädigen.

Wie wurden die Jäger entlohnt?

Um das Verhalten des Jägers Wolff zu verstehen, muss man wissen, dass er mit der Jagd vermutlich einen Teil seines Lebensunterhaltes verdienen musste. Anhaltspunkte darüber, wie sich sein Einkommen zusammengesetzt haben dürfte, ergeben sich aus dem Vertrag über die Bestallung eines Jägers im benachbarten Gardelegen im Jahr 16617: Danach setzte sich sein Lohn aus einem festen Bestandteil (8 Thaler Geld, Deputat und freie Wohnung) und dem Schussgeld für das von ihm erlegte Wild zusammen, und zwar für • einen Hirsch oder ein Stück Wild 1 Thaler • ein großes Schwein 1 Thaler • ein Mittelschwein 17 Groschen • ein Frischling 6 Groschen • ein Reh 17 Groschen • einen Hasen 3 Groschen • eine Trappe 4 Groschen • einen Kranich 4 Groschen • ein Rebhuhn 9 Pfennige • eine wilde Gans 3 Groschen • eine große Ente 1 Groschen • eine Krickente 6 Pfennige • eine Taube 9 Pfennige • einen Birkhahn 2 Groschen • ein Schock Dohnenvögel 4 Groschen • ein Schock kleine Vögel 2 Groschen

7 A. Boeckler: Wirtschaftsakten aus dem Hausbuche der Familie von Alvensleben in Gardelegen 1661-1673. Beilage zum Jahresbericht der Realschule zu Gardelegen 1913, S. 6-8.

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Das erlegte Wild war an die Alvenslebenschen Küchen zu liefern, die nicht nur das Essen für die Gutsfamilie sondern auch für das gesamte Personal der Gutsherrschaft zu bereiten hatte. Der Jäger war also unmittelbar am Erfolg seiner Jagd beteiligt, die offenbar in erster Linie eine Fleischjagd war und nicht dem Jagdvergnügen diente. Dass bei einem solchen Entlohnungssystem die Versuchung groß war, das Wild auch noch jenseits der Jagdreviergrenze zu erlegen, mag verständlich sein.

Allerdings wurden solche Jagdübergriffe auch geahndet. So berichtet das o. g. Hausbuch von einem Zwischenfall im Winter 1672. Zwei Jäger aus Zichtau verfolgten mit ihren Hunden die Schweine bis in das Gehölz bei Kenzendorf, also in das Gardelegener Revier. Dort wurden sie gestellt, man nahm ihnen die Waffen ab und meldete den Vorfall an die Witwe von Alvensleben in Zichtau, „welche dann diesen Eingriff übel aufgenommen und selbige beiden Schützen überdem mit dem carcere (Gefängnis) abgestrafet“. Die abgenommenen Gewehre wurden den Jägern aber später wieder zurückgegeben.

Ludolf v. Alvensleben (1555-1610)

Das Bild von dem wilden und rücksichtslosen Jäger und Grundherrn, das der Chronist in freier Phantasie von Ludolf v. Alvensleben gezeichnet hat, steht in einem deutlichen Kontrast zu dem, was wir sonst über sein Leben wissen:

Er war hochgebildet, hatte vor allem geistige Interessen und baute die von seinen Vater Joachim v. Alvensleben (1514-1588) begründete umfangreiche Lehnsbibliothek in Erxleben weiter aus. Zugleich hat er in seinem Leben viel persönliches Leid erfahren müssen: Seine Mutter, Anna v. Bartensleben, starb kurz nach seiner Geburt im Kindbett, seine Stiefmutter, Kunigunde v. Münchhausen 1565 in Calbe an der Pest. Von seinen 18 Geschwistern starben 9 als Kinder bzw. in jungen Jahren, von den eigenen neun Kindern fünf. Schließlich starb seine Frau Elisabeth v. der Schulenburg aus Beetzendorf nach zehnjähriger glücklicher Ehe am 15.7.1600 nach der Geburt des neunten Kindes.

Wohlbrück8 schreibt darüber: „Dieses Missgeschick versetzte den gefühl- vollen Mann in große Betrübnis, und machte ihm das Haus Erxleben, wo er

8 Siegmund Wilhelm Wohlbrück: Geschichtliche Nachrichten von dem Geschlecht von Alvensleben und dessen Gütern. Dritter Theil. Berlin 1829, S. 45-54.

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bis dahin gewohnt hatte, und wo er zu lebhaft an den erlittenen Verlust erinnert wurde, zuwider“, so dass er Erxleben seinem jüngeren Bruder Gebhard Johann I. (1576-1631) überließ und sich in die Einsamkeit nach Zichtau zurückzog. Hier begründete er die Pfarrstelle und beschäftigte sich zunehmend mit religiösen Fragen.

Erhalten blieb ein von ihm handgeschriebenes, im Archiv des Kreiskirchen- amtes in Salzwedel aufbewahrtes Gebet- und Hymnenbuch, das Pfarrer Paul Pflanz in den Jahren 1934 bis 1936 in insgesamt 56 Folgen im Altmärki- schen Sonntagsblatt veröffentlichte9. Er bemerkt dazu: „Das hat ein Mensch geschrieben, der den ganzen Ernst des menschlichen Lebens kennen gelernt hat, der dabei – oder eben darum – aber auch das eine gesucht und gefunden hat, was in allen Stürmen des Lebens und Sterbens fest besteht und allein einen Menschen darin aufrecht erhalten und trösten kann.“

Ludolf v. Alvensleben starb nach längerer Krankheit am 3. Juli 1610 in Zichtau und wurde in der dortigen Kirche beigesetzt, wo sein Grabstein noch erhalten ist. (Abb. 1)

Anhang: Transskript der Akte „Jagdübergriffe des Jägers des Ludolf von Alvensleben, Georg Wolf, in das Amt Klötze (1603)“.

9 Paul Pflanz: Trostbüchlein eines altmärkischen Edelmanns. Altmärkisches Sonntagsblatt Jg. 1934, Nrn. 6, 11, 12, 13, 14.

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Abb. 1 Epitaph Ludolf von Alvensleben in der Kirche Zichtau, Foto um 1935

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Abb. 2 LHASA, MD, C 28 IIIa Amtskarten, Nr. 112 Teil 1 Teil 1

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Abb. 3 LHASA, MD, C 28 IIIa Amtskarten, Nr. 112 Teil 1 Teil 2

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Abb. 4 LHASA, MD, C 28 IIIa Amtskarten, Nr. 112 Teil 2 Teil 1

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Abb. 5 LHASA, MD, C 28 IIIa Amtskarten, Nr. 112 Teil 2 Teil 1

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Jagdübergriffe des Jägers des Ludolf von Alvensleben, Georg Wolff, in das Amt Klötze (1603) (Quelle: HSTA Hannover, Celle Br. 61 a (Celler Ämtersachen), Nr. 5503) Transkription: Steffen Langusch

3. September 1603: Schreiben des Amtsschreibers des Amts Klötze, Zacharias Crueger, an Herzog Ernst10 zu Braunschweig und Lüneburg (Aufnahme 13-18):

[Aufnahme 13]

3. Septembris Anno p. 1603. Durchleuchtiger vnnd Hochgeborner Furst, E. F. g. sein meine Vnter- thenige gehorsame, Vnnd pflichtschul- dige Dienste bestes Vleißes stets zuuor; Gnediger Herr E. F. g. werden sich gnediglich zu entsinnen wißen was sich vnlangst zwischen Ludolff von Albenschleben vf Zichtaw, vnnd E. F. g. Ambt alhie wegen deßen von Albenschleben beschehenen vber- Jagens vnd streiffens In E. F. g. Veldtmarck Wuruber auch des Von Albenschleben seinen Jegern ich drei Winde11 genohmen selbige auch ferner E. F. g. nach Zell zugeschickt, vor Irrungen erhoben. Ob ich nun wol verhoffet, Es werde der von Albenschleben seine Jeger dohin mit ernst ermanet vnnd gehalten haben, Das sie E. F. g. hocheiten vnnd grintzen12 dieses Ambts hinfort gebuerlich geachtet Vnd sich des VberJagens gentzlich enthalten

10 Anm. SL: Laut Wikipedia Ernst II. von Braunschweig-Lüneburg (1564-1611), der von 1592- 1611 das Fürstentum Lüneburg regierte. 11 Anm. SL: Vermutlich sind „Windspiele“, Jagdhunde, gemeint. 12 Anm. SL: „Hoheiten und Grenzen“.

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[Aufnahme 14] haben solten, in ansehung, Das E. F. g. dem von Albenschleben solchs Jungsthin, als er seine Winde aus gnaden wiederbekomen gnediglich haben zuschreiben laßen, So hat sich doch ein Zeitlangk das wieder- spiel in diesem von ihnen gar starck ereuget, Vnd werde von E. F. g. Armen Vnderthanen des Dorffs Bre- denfelde berichtet, Das des von Albenschleben sein Jeger Wolff von Goerße13 neben seinen Schutzen vnlangst 4 Hasen naher E. F. g. ge- holtze die Rauhen14 Berge genandt sehr weit vber die greintze gehetzet vnnd gefangen, Wie auch noch am verschienen Sontage15 des von Alben- schleben sein Schutze, auch weit vber die greintze nicht weit vom selben Ort sich des Veldthuener- fangens vnterstehen wollen, Als aber E. F. g. Vnderthanen des Dorffs Bredenfeldt solchs erfharen machen sie sich zu dem Schutz hinauf16

[Aufnahme 15]

Vnd stelten ihn daruber zureden17, fragend, Wer ihm aldo Veldthuener zufangen erleubet habe, gibt er ihnen ein hauffen vnnutzer Worth zeucht das Rohr auß dem Holffter18

13 Anm. SL: Lesung unsicher, an dieser Stelle ist meines Erachtens ein Ortsname zu erwarten. 14 Anm. SL: Auf Flurkarte von 1779 erwähnter Flurname nordwestlich von Breitenfeld. 15 Anm. SL: „vergangenen Sonntag“, laut Grotefends Taschenbuch der Zeitrechnung müßte der letzte Sonntag vor dem 3. September 1603 der 28. August 1603 gewesen sein, der 10. Sonntag nach Trinitatis. 16 Anm. SL: Auch „hinauß“ o. ä. möglich, der Rand ist etwas abgedeckt. 17 Anm. SL: „zur Rede“.

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vnnd scheust19 vnter den hauffen das den Armen leuten die Hagel vmb ihre Kleider herummer schnauben, Vnnd rennet dauon. Alß nun der Luneburgische Schultze Hans Pretze die Leute wieder zusamen gebracht rueffet er dem Schutz nach, in meinung ihn zu befragen aus was Vrsach er sich solcher großen gewalt vf E. F. g. grundt vnd bodem Vnterstunde, vnnd also mortlicher weise vf ihn vnd seine Mitnachbarn zuschoße, ist er daran noch nicht ersettigt, vnd hat seine Buchße wieder geladen, scheust vf den Schultzen zu vnd trifft ihnen recht vf die Herzgrueben, das ihm das Hagel in dem Brust Knochen

[Aufnahme 16] bestecken bleibet, darinnen es auch noch sichtiglich vorhanden, vnd ihm durch den Balbierer wegen erberm- licher großleidender Pein und Wehetag nicht weiter heraußer gebracht werden kan. Zudem kombt solcher Muth- williger gesell am vorschienen Mon- tage wieder in das Bredenfeldische Veldt vnnd trenget E. F. g. Vn- terthanen Heinrich Brandt dermassen

18 Anm. SL: „Halfter“, eigentlich für „Zaumzeug“, soll umgangssprachlich auch für „Holster“ (Waffenhalterung) verwendet werden und „Holster“ wiederum von „Holfter“ stammen, womit am Reitsattel angebrachte Futterale für Schußwaffen bezeichnet werden. So wird es in „Wikipedia“ beschrieben und in „Zedlers Großem Universal-Lexikon“, Bd. 13 (Hi-Hz), Leipzig 1735, Spalte 616 in der Schreibweise „Holffter“ wie folgt erläutert: „Holffter, ist eine Sattler- Arbeit, als Pistolen-Holffter, worinne die Pistolen zu Pferde forne an dem Sattel geführet werden. Das Paar soll, nach Augusti Herzogens zu Braunschw. und Lüneb. Tax-Ordnung, einen und einen Viertheil Thaler oder höchstens anderthalben gelten.“ 19 Anm. SL: Lesung unsicher, da steht wohl ein anderes Wort. Gemeint ist vermutlich, daß er ohne zu zielen einen Schuß Schrot auf die Bauern abgibt.

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mit Steinworffen vnd schlägen, das ehr vor ihm etzliche mahl vnter dem Viehe so er vor der Pflugk ge- habt durchlauffen mußen20. So soll auch der Schutze der Armen Leute ihren Viehehirten also muthwilliger vnd freuentlicher Weise in der Weide vnd Velde mit Jagen vnd schlagen zusetzen, das sie es nicht lenger vngeclagt leiden konnen. Wan dan g. F. vnd H. solche vorsetzliche muthwillige gewaltsame Thathand- lung vnd fast töthliche Verwundung

[Aufnahme 17] vf E. F. G. eigenthumlich Hoch vnnd gerechtigkeit dieses Ambts, E. F. g. vnd deroselben Armen Vnderthanen von des von Albenschleben Dienern wieder- fharen, Es auch nicht wenig zu ver- schmelerung E. F. g. Landtgrentze dieses Ortts gereicht, Der Arme Man auch nicht wenige sondern sehr große Pein wegen solchs schußes er- leidet, vnd dauon so steiff vnd erschreckt worden das er sich zur Erden nicht beugen kan. So hab in aller Vnder- thenigkeit ich nicht vnterlassen Vnd E. F. g. solchs berichten solten. Was nun in diesem ferner zu thun oder zu laßen rathsam ist werden E. F. g. gnediglich zuuerordnen wißen, vnd zur nachrichtung mich solchs hinwieder bei Zeigern in gnaden zuschreiben laßen, Vnd E. F. g. bin ich vnderthenige gehorsame vnnd Pflichtschuldige Dienste getrewes Vleißes zu leisten zu Jeder Zeit schuldig vnd mehr

20 Anm. SL: Ich verstehe den Satz so, daß sich der Bauer vor den Quälereien des Schützen mehrfach unter sein vor den Pflug gespanntes Zugvieh flüchtete.

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als willig. Datum Clotze am 3ten Septembris Anno p. 1603. E. F. G. vnderthenig ge- horsamer Diener Zacharias Crueger

[Aufnahme 18]

Dem Durchleuchtigen Hochgebornen Fur- sten vnnd Herrn, Herrn Ernsten Herzog zu Braunschweig vnnd Lüneburg Meinem gnedigen Fursten vnd Herrn Vndertheniglich

6. September 1603: Konzept der Antwort der zuständigen Behörde (LCantzlei) in Celle an Ludolf von Alvensleben (Aufnahme 2-4):21

13. September 1603: Schreiben des Alvenslebenschen Jägers, Georg Wolff, an Herzog Ernst zu Braunschweig und Lüneburg (Aufnahme 8-11) mit Vermerk der Kanzlei in Celle vom 22. September 1603 (Aufnahme 12):

[Aufnahme 8]

Dem Durchleuchtigen Hochgebornen Fursten vnd Hern, Hern Ernsten Herzog zu Braunschweigk vnd Luneburgk p. Meinem gnedigen Fursten vnd Hern Vntertheniglich

[Aufnahme 9]22

21 Anm. SL: Extrem flüchtige Konzepthandschrift, nur lückenhaft zu entziffern, daher keine Transkription. 22 Anm. SL: Die Aufnahme ist leer bzw. läßt nur durchgedrückte Schriftzüge von Aufnahme 8 erkennen.

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[Aufnahme 10]

13 Septembris Anno 1603. Durchleuchtiger Hochgeborner Furste, Gnediger herre, E. F. G. seindt meine willige vnd vnterthenige Dienste zuuor anbereit. Gnediger Furste vnd herre, E. F. G. haben In23 sich In gnaden zu endsinnen, was fur kurtzen tagen von E. F. G. Ambt- schreibern auff Klötzen wegen des schultzen zu Bredenfelt, den Ich vnlangst auß heftigem muethe auf des Kuhirten angeben Daselbsten auf E. F. G. hoheiten geschoßen, In schrifften Ist berichtet worden. Wan aber Gnediger Furst vnd Herr ich domals alßbalt vf die angestelte klage des schultzens von E. F. G. auf die Cantzley mich zuuorandtworten gehnn24 Zelle bin beschieden worden. hette zwar In gehorsamer Vnterthenigkeit gerne wollen compariren25. Weill aber E. F. G. an meinen gunstigen vnd gewesenen26 Junckern

[Aufnahme 10a = Blatt 5 RS]

Ludolff von Aluenschleben vf Calbe vnd Zichtaw ein beuelig ertheilet, daß er mir dieser vnthat halber solle In bestrickung nehmen, habe Ich endtlich weill mir d[er] Juncker sehr nachgesetzt weichen vnd alle das meine Im stiche laßen mußenn, Sintemall Ich bekennen muß daß mir d[er] Juncker an dem genanten ordte zu ziehen nicht beuolen viel weiniger zu einiger

23 Anm. SL: Wohl versehentlich nicht gestrichen, hier ohne Sinn. 24 Anm. SL: Hier wohl nicht „gehen“, sondern „gen“ (in Richtung von, gegen) gemeint. 25 Anm. SL: Bedeutet wohl so viel wie „parieren“, gehorchen. 26 Anm. SL: Da das wohl kaum „verstorben“ bedeuten kann, wäre möglich, daß Georg Wolff nach der Klage des Amtsschreibers von Klötze an den Herzog von Braunschweig-Lüneburg aus Alvenslebenschen Diensten entlassen wurde.

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vngnade anlaß zu geben. Aldieweill aber Gnediger Furste vnd Herr Itzo ein Excus gescheh[en] vnd aber d[er] schultze numehr /: gott lob /: wiederumb fast woll auff vnd teglich seine Handtirung etzlicher maßenn treibet, so thue Ich mich deß In vnterthenigkeit erbieten, daß Ich mich mit demselben außönen vnd vertrag[en] wolle. Alß bitte ich vntertheniglich

[Aufnahme 10b = Blatt 6 VS] vnd lauter vmb gottes willen, weill Ich doch nichts vf dieser welt habe alß Ich gehe vnd stehe wan mich d[er] vonn Aluenschlebe das meine diesendtweg[en] solle furendthalt[en], E. F. G. wolle den vngnedigenn gefasten vnd veruhr- sachten Zornn so bei E. F. G. 27vnterthan[en] Ich gethan habe In allen gnaden auff dißmall schwind[en] vnd fallen laßen, vnd E. F. G. Amtschreibern auf Klötzen aufer- legg[en] vnd beuelen, das er mir wegen E. F. g. muege wied[er]umb geleide geb[en], damit Ich mit E. F. g. schultzen zu Breden- felt außönen, vnd nicht lenger Inn Irrunge wie ein vnuornu[n]fftiges thier gehen muege, will mich hirmit vnter- theniglich[en] fur reuersiret auch angelobet haben die tage meines lebendes auff

[Aufnahme 11]

E. F. G. hoheit In solchen oder dergleichenn fellen nimmermehr finden zu laßen. In diesem werden sich E. F. g. der barm- herzigkeit nach In gnaden gegen mich armen gesellen erzeigen. Solchs nach meinem armen geringen vormuegen Inn

27 Anm. SL: Davor gestrichen: „Ich“.

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vnterthenigkeit hinwieder zuuordienen, erkenne Ich mich schuldigk. Bins auch bei gott dem almechtigen zuuorbitten bereit willigk vnd thue E. F. G. dem schutz gottes zu beharlicher leibes gesundtheit vnd furstlicher loblicher Regirung empfelen vnd derselben gnedigen bescheidt vntertheniglich bitten. Signatum den 13. Septembris Anno 1603. E. F. G. vntertheniger vnd gehorsamer diener Georg Wolff

[Aufnahme 12]

Zeiger hatt abwesens deß durchleuchtigen H. F. v. H. Herrn Ernsten Herzog zu Br. vnd Luneb. ein schreiben an s. f. g. haltendt alhir in dero Cantzley von Georg Wolffen geliefert, vnd wir Ihm darvf frey gelaßen28 ob er sich alhie vf gnade oder ungnade einstellen vnd s. f. g. bescheidts29 erwartten wolle, Signatum Zell am 22ten 7bris ao. p. 603. F. L. Cantzlei daselbst.

28 Anm. SL: Korrigiert aus „gestellt“. 29 Anm. SL: Die Zeile ist bis hier gestrichen und durch einen teilweise nicht lesbaren Randvermerk ersetzt worden. Ich kann vom Randvermerk nur noch „vnd was Ihm alsdenn vff“ entziffern, die übrigen 5 Wörter kann ich nicht deuten.

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27. Oktober 1603: Schreiben der Kanzlei in Celle an Ludolf von Alvensleben mit Abschrift des Schreibens der Kanzlei vom gleichen Tag an den Amtsschreiber von Klötze (Aufnahme 5-7):

[Aufnahme 5]

An Ludolff von Aluen- schleuenn

B. das sein Jeger thetlicher Weise, In das Ampt Clotze uberiagett vnd gestreiffet

Georg Wolff hat sich hirzu bekennet und Ist hirbei was Ihme zur antwort get.

Ao. p. 603

[Aufnahme 6] p.30 Guter freundt, Nachdem sich des von Aluen- schleben Jeger alhie eingestellet, vnnd in die 3. wochen alhie vnsers g. f. vnnd herrn bescheidts erwartet, als hat vf I. f. g. hin- terlaßenen beuelch er angelobet sich hinfuro I. f. g. hocheit vnnd Jagdten zu enthalten, auch mit dem beschedigten Mann31 im ambt Clotze sich zur billigkeit abzufinden, Vnnd sollet ihr ihme darzu sicher gleidt geben, vnnd gleichwoll darvf sehen, daß solchem folge geschehe, Wen er auch sich hierinn der gebuer vnd billigkeit bezeiget, werden I. f. g. der straff halber sich wiedervmb gegen ihn in gnaden zu verhalten wißen, wie auch vf den32

30 Anm. SL: Hier wie auch andernorts ein Abkürzungszeichen, das an dieser Stelle die rangmäßig üblichen Anrede- und Grußformeln ersetzt. 31 Anm. SL: „Mann“ gestrichen und am Rand ersetzt durch „Schultheißen vnnd anderen“

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Wolten p. Vnnd p. Datum Zell am 27. Octob. Ao. p. 603. J. vnnd R. An Ambtschreiber zu Clotze, titulus

Was in nahmen vnnd von wegen Vnsers g. f. 33 vnnd herrn von wegen ewers Jegers an den Ambtschreiber zu Clotze geschrieben, solches geben wir euch inliegendt zuuernehmen Vnnd versehen vns

[Aufnahme 7] es werde der Jeger seiner beschehenen anlobung vnnd zusage zuuolge sich mit dem beschedigten 34 abfinden, Auch vnsers g. f. vnnd herrn Ambts vnnd hocheit mit Jagen vnnd anderm ein- tracht35 enthalten, vnnd damit S. f. g. scharffes ein- sehen vnnd straffe, die derselben vorbehalten sein sollen,36 selbst verhueten, wie ihr auch ihme37 Wolten p. Vnnd seint p. Datum ut supra. J. vnnd R.

An Ludolff von Aluenschleben

32 Anm. SL: Der Satz wurde mit folgendem Randvermerk abgeschloßen: „wiedrigen fall er sich wiedervmb einzustellen angelobet.“ 33 Anm. SL: Davor gestrichen: „Inliegendt geben“. 34 Anm. SL: Davor gestrichen: „Manne“. 35 Anm. SL: Nicht „Eintracht“, sondern „Eintrag“ im Sinne von Ein- oder Übergriff dürfte hier gemeint sein. 36 Anm. SL: Randvermerk: „darzu er sich auch wiedervmb einzustellen angelobet“. 37 Anm. SL: Randvermerk: „darin [Lesung unsicher] zuuermahnen vnnd anzuhalten wißen werdet“

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Die Münzen eines Altmärkers zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges Ein sekundärer Verwahrfund aus Gardelegen

von Hartmut Bock / Münzbestimmung: Horst Konietzko

Vorbemerkung

Im Sommer 2012 übergab mir Manfred Heiser (Dankensen) einen Münz- fund, der nach seinen Angaben kurz zuvor als Sekundärfund auf dem Türsturz einer Autogarage in Gardelegen entdeckt wurde. Der Finder dieser Münzen ist mir nicht bekannt. Da das Gebäude mehrfach den Nutzer wechselte, waren die ursprünglichen Fundumstände nicht mehr zu ermitteln. Es ist anzunehmen, dass der kleine Münzschatz mit seinem Behälter bereits vor Jahrzehnten entdeckt und dann in der Garage abgestellt und nicht mehr beachtet wurde. Das kleine Gefäß war mit seinem wertvollen Inhalt während der unruhigen Zeit des Dreißigjährigen Krieges vergraben worden. Darauf weist die sehr gut erhaltene Schlussmünze hin: ein Dreier aus Halberstadt von 1633 (Abb. 2). Nur wenige Jahre nach seiner Prägung muss er mit den übrigen Münzen dem Boden übergeben worden sein. Der Verberger konnte sein Geld nicht wieder heben. Es ist zu vermuten, dass er den schrecklichen Gräueltaten der Soldaten zum Opfer fiel. Besonders seit 1635 durchzogen Sachsen, Kaiserliche und Schweden die Altmark und plünderten sie aus.1 Auch über die Einwohner von Gardelegen heißt es, dass eine „große Armut bei den Leuten“ in dieser Zeit herrschte.2 Die Soldaten waren auf Beute und Lebensmittel bedacht und versuchten, mit den schrecklichsten Methoden an Wertsachen, Geld und Nahrung zu kommen.

In einem handschriftlichen, tagebuchähnlichen Bericht werden die Formen der Marter beschrieben, denen die Menschen in Stendal ausgesetzt waren: „Actum Stendal, am 26 xbris (Dezember d.Verf.), Ao. 1650 ….. wie oft ist am fewer geräuchert, geröstet, gedampfet, mancher Mann hat auf mistphüelen, und andere stickende Wasser gegossen zum Schwedischen Trunk, daß es ihm wider

1 Vgl. Zahn 1904, S. 36ff. 2 Vlgl. Ebenda S.43

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aus den Hälsen geflossen. Spitzige Höltzer undter die nägel an allen fingern geschlagen, die Daumen in Pistolen hanen geschraubet und thun erbärmlich plagen, Strick voller Knöpfe umb den Kopf gebunden und gezwungen mit macht, dass ihm die Zungen aus dem Kopf gestanden, … Ach wie groß Wehklagen Angst noth undt sehr vielfeltige gefahr von Krieg, pestilenz Tewrung Hungersnoth der schweren Jahr ist unmuglich zu beschreiben.“3

Der Stendaler Chronist berichtet, noch sichtlich von den Grausamkeiten der vergangenen Jahre beeindruckt, über die Zustände wie sie überall in der Altmark, also auch in Gardelegen und darüber hinaus zu finden waren. Trotz dieser Gewalttaten konnten viele Verstecke von den Soldaten und Plünderern nicht ausgemacht werden. Viele blieben bis heute verborgen, einige wurden jedoch in den vergangenen Jahrhunderten wieder entdeckt: In der Altmark sind immerhin 13 Münzfunde bekannt, die während der Kriegszeit vergraben wurden,4 zu denen nun auch der Gardeleger Fund gehört.

Das Münzgefäß

Das Geld hatte der Besitzer mit einem Leinenbeutel in einem ovalen dünnwandigen Kupferbecher dem Erdreich übergeben. Innerhalb des Bechers sind eindeutig die Rückstände des Leinens als Abdruck erkennbar. Durch die Lagerung im stark eisenhaltigen Boden bildete sich auf dem Gefäßrest eine starke Korrosionsschicht, die dem Kupfer anhaftet. Der obere Teil des Gefäßes ist ausgebrochen. Die ursprüngliche Höhe ist deshalb nicht mehr bestimmbar (Abb. 1).

Grüne Metallanhaftungen am Leinenstoff, die von den mit Grünspan überzogenen Münzen herstammen, weisen darauf hin, dass der Fund beim Entdecken einen größeren Umfang hatte. Wie viele Münzen nach dem Auffinden verlorengingen, ist nicht mehr nachzuweisen. Die heutigen Maße des Gefäßes betragen in der Höhe 750 mm und in der jeweiligen Breite des Ovals 87 mm und 52 mm.

3 GSPK, Rep. 92 V A Nr. 9 Bekmann, S. 1ff. 4 Vgl. Konietzko 2002, S. 172f.

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Abb. 1 Münzgefäß mit den noch ungereinigten Münzen

Die Münzen

Der Fund hat einen Umfang von 95 Münzen. Der Hauptanteil aller Nominale sind Dreier. 89 Münzen (93,7 %) haben den Wert von 3 Pfennigen. Der Revers der Münzen zeigt oft eine 3 führt aber auch die Bezeichnung eines 1/96tel, 1/84tel, 3/64tel oder 1/24tel Talers. Auch ein sundischer Schilling5 (Abb. 3) ist in seinem Wert den Dreipfennigstücken zuzuordnen. Der Name Dreier war zur Zeit seines Umlaufs die Bezeichnung für die 3-Pfennig-Stücke. „Die massenhafte Ausprägung des Dreiers erfolgte im 16. Jahrhundert nämlich vor allem im silberreichen Sachsen, also in Mitteldeutschland. Dort war der Dreier seit der sächsischen Münzordnung vom 20. Januar 1534 fester Bestandteil der Nominalkette.“6 Die älteste Münze des Fundes datiert in das Jahr 1535 und wurde somit ein Jahr nach dieser Münzordnung geprägt.

5 Währung der Stadt Stralsund 6 Kahnt 2005, S.103

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Bezeichnend für die Struktur des Fundes ist auch die Herkunft der Dreier: 44,2 % aller Stücke wurden im sächsisch–thüringischen Raum geprägt. Das sind 42 Münzen. 18 Dreier stammen aus den kursächsischen Münzstätten Dresden, Annaberg, Schneeberg und Freiberg. 22 Münzen von Sachsen- Weimar wurden in den Jahren 1622 und 1623 in Weimar geprägt und eine in der Sachsen-Gotha-Eisenacher Münze in Neustadt. Die übrigen Dreipfennigstücke stammen aus anderen Prägeorten der deutschen Territorialstaaten.

Nur sechs Münzen haben einen anderen Zahlwert: zwei Groschen, 3 Maleygroschen und ½ Groschen. Die beiden Groschenstücke wurden 1590 in Minden (Abb. 4) und 1622 in Magdeburg (Abb. 5) geprägt. Die Maleygroschen aus den Jahren 1602, 1604 und 1606 stammen aus den bömischen Prägestätten von Kuttenberg (Abb. 6) und Joachimstal. Diese Maleygroschen – kleine Groschen – wurden zwischen 1578 bis 1618 in großen Mengen in Böhmen geschlagen.7 Der ½ Groschen stammt aus Polen. Er ist ohne Jahreszahl geprägt und die einzige ausländische Münze.

38 Münzen (40 %) vertreten im Fund das 16. Jahrhundert und 53 (56 %) das 17. Jahrhundert. Die Prägezahlen 1535 und 1633 begrenzen den zeitlichen Umfang des Münzschatzes, der das typische Kleingeld zu dieser Zeit repräsentiert. Neben den häufigen Prägungen des 16. und 17. Jahrhunderts beinhaltet der Münzfund aus der Abtei Quedlinburg, dem Bistum Regensburg, der Grafschaft Reuß-Lobenstein und den Herrschaften Schwarzburg sowie Schwarzburg-Hohnstein sehr selten vorkommende Dreier. Auch ein Gepräge aus Neustadt von Sachsen-Gotha-Eisenach zählt dazu.

Insgesamt stammen die 95 Münzen aus 32 verschiedenen Herrschaften mit 36 unterschiedlichen Prägeorten, die sich über das ganze Heilige Römische Reich Deutscher Nation erstrecken und in Mitteldeutschland – im sächsischen Raum – eine Konzentration erfahren. Sie reichen von den norddeutschen Hansestädten Stralsund und Rostock bis zum Bistum Regensburg. Das östlichste geprägte Stück gelangte aus Polen in die Altmark.

7 Vgl. Kahnt 2005, S. 269

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Westlich Deutschlands geprägte Münzen sind im Fund nicht vertreten. Die Kaufkraft aller vorhandenen Münzen entspricht 1 Taler und zwei Groschen. Zu den 32 Münzherren gehören 18 weltliche und 6 geistliche Herrschaften sowie 8 Städte.

Die weltlichen Herrschaften sind: Böhmen, Brandenburg-Franken, Branden- burg, Braunschweig-alenberg, Braunschweig-Lüneburg-Celle, Henneberg, Hessen-Cassel, Hohenstein, Reuß-Lobenstein, Sachsen, Sachsen-Gotha Eisenach, Sachsen-Weimar, Schlesien (Habsburg), Schleswig, Schwarzburg, Schwarzburg-Hohenstein, Polen, Stolberg-Wernigerode.

Zu den geistlichen Herrschaften gehören: Camin, Corvey, Hildesheim, Minden, Quedlinburg, Regensburg. An Städten sind vertreten: Braun- schweig, Erfurt, Halberstadt, Hildesheim, Magdeburg, Nördlingen, Rostock, Stralsund.

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Abb. 2 Dreier, Stadt Halberstadt, (Halberstadt), 1633, Schlußmünze

Abb. 3 a,b Sundischer Schilling, Stadt Rostock, (Rostock), o.J. (nach 1437)

Abb. 4 Groschen, Bistum Minden, (Minden), 1590

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Abb. 5 Groschen, Stadt Magdeburg, (Magdeburg), 1622

Abb. 6 Maleygroschen, Königreich Böhmen (Kuttenberg), 1602

Literatur

Bahrfeld,Emil: Das Münzwesen der Mark Brandenburg unter den Hohenzollern bis zum Großen Kurfürsten von 1415 bis 1640, Berlin 1895. Besser, Rolf/ Brämer, Hermann/ Bürger, Volker: Halberstadt – Münzen und Medaillen, Bd. 1, - Münzen, Magdeburg 2001. Bratring, P., Über die Münzen der Stadt Stralsund in neueren Zeiten, Berlin 1907. Buck, Heinrich/v. Bahrfeld, Max: Die Münzen der Stadt Hildesheim. Hildesheim und Leipzig 1937. Clauß, Wieland/ Kahnt, Helmut: Die sächsisch–albertinischen Münzen 1611 – 1694. Regenstauf 2006.

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Fischer, Ernst: Die Münzen des Hauses Schwarzburg. Heidelberg 1904. Friederich, Karl: Die Münzen und Medaillen des Hauses Stolberg und die Geschichte seines Münzwesens. Dresden 1911. Hens, Dieter: Münzen und Münzwesen der Grafschaft Henneberg von den Anfängen bis zum Erlöschen des gräflichen Hauses 1583. Leipzig 1999. Hildisch, Johannes: Die Münzen der pommerschen Herzöge von 1569 bis zum Erlöschen des Greifengeschlechts. Köln, Wien 1980. Ilisch, Peter/ Schwade, Arnold: Das Münzwesen im Stift Corvey 1541 – 1794. Paderborn 2007. Jesse, Wilhelm: Die Münzen der Stadt Braunschweig von 1499 bis 1680. Braunschweig 1963. Kahnt, Helmut: Das große Münzlexikon von A bis Z. Regenstauf 2005. Keilitz, Claus: Die sächsischen Münzen von 1500 – 1547. Regenstauf 2002. Keilitz, Claus/ Kahnt, Helmut: Die sächsisch-albertinischen Münzen 1547 – 1611. Regenstauf 2005. Konietzko, Horst: Ohne Moos nichts los. Münzen und Geldwesen in der Altmark. In: Bock, Hartmut (Herausgeber): Archäologie in der Altmark. Bd. II, Oschersleben 2002, S. 366 – 373. Köppe, Lothar: Die Münzen des Hauses Sachsen-Weimar 1573 – 1918. Regenstauf 2007. Lange, Chr.: Chr. Langes Sammlung schleswig-holsteinischer Münzen und Medaillen. Berlin 1908. Mehl, Manfred: Die Münzen des Bistums Hildesheim. Prägezeitraum 1599 – 1783. Hamburg 2002. Mehl, Manfred: Die Münzen des Stiftes Quedlinburg. Hamburg 2006. Saurma – Jeltsch: Die Saumarsche Münzsammlung deutscher, schweizerischer und polnischer Gepräge. Berlin 1892. Schmidt, Berthold/Knab, Karl: Reussische Münzgeschichte. Dresden 1907. Schrötter, Friedrich Freiherr v.: Beschreibung der neuzeitlichen Münzen des Erzstifts und der Stadt Magdeburg. Magdeburg 1909. Schrötter, Friedrich Freiherr v.: Brandenburg Fränkisches Münzwesen. Halle (Saale) 1927. Schultens, Peter: Die Münzen der Grafen Hohnstein von den ersten Anfängen im Mittelalter bis zum Aussterben des gräflichen Hauses 1593. Osnabrück 1997. Welter, Gerhard: Die Münzen der Welfen seit Heinrich dem Löwen. Braunschweig 1971. Zahn, Wilhelm: Die Altmark im dreißigjährigen Kriege. Halle (Saale) 1904.

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Ergänzungen zu den Trauregistern der Dörfer des Amtes Diesdorf/Altmark

von Frank Moldenhauer

Das Kloster Diesdorf in der nordwestlichen Altmark wurde 1161 durch Graf Hermann von Warpke gegründet und galt u. a. als Missionszentrum für das Wendland. 46 Dörfer, zum Teil auch westlich und nördlich der Altmark gelegen, gehörten im ausgehenden Mittelalter zum Kloster. Im Zuge der Reformation wurde es 1551 säkularisiert und in ein kurfürstlich-branden- burgisches Amt umgewandelt. Vom Kloster sind die romanische Backstein- Basilika, ein mittelalterliches Brauhaus, Amtsgebäude und ein Teil der ehe- maligen Klostermauer erhalten geblieben1. Der recht umfangreiche schriftliche Nachlass aus der Kloster- bzw. Amtszeit lagert im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt am Standort Magdeburg. Eine beinahe lückenlose Überlieferung der Amtshandels- und Gerichtsbücher ab 1526 und Kornrechnungen seit 1391 bietet für Familienforscher eine reiche Materialfülle. Unter günstigen Umständen sind einzelne Familien in den Amtsdörfern durch Auswertung dieser Quellen bis in mittelalterliche Zeit nachweisbar2. Bedauerlicherweise ist es mit der Kirchenbuchüberlieferung vieler Amtsdörfer nicht so gut bestellt. Eine Akte des Amtes Diesdorf lässt es jedoch zu, fehlende Kirchenbuchdaten zum Teil zu ersetzen. Sie ist im Findbuch mit der Bezeichnung: „Pflanzung der Obst- und Eichenbäume durch junge Eheleute (darin Verzeichnisse von Eheschließungen)“3 ausgewiesen und umfasst den Zeitraum 1691 - 1712. Der Nachsatz im Titel macht diese Akte sofort für Genealogen interessant. Aus diesem Grund soll deren Inhalt für genealogische Forschungen in der westlichen Altmark erschlossen werden. Aufhänger ist das in der Akte in gedruckter Form vorliegende und vom 19.3.1691 datierte Patent von Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg (1688–1713)4, welches unter der Mitwirkung von Eberhard Danckelmann5

1 Internetseite „Kloster Diesdorf-Wikipedia“ 2 Altmark-Zeitung vom 15./16.8.1992 „Ahnenforschung bis ins 14. Jahrhundert zurück“ / Der seit mindestens 1391 im Besitz der Familie Höft befindliche Hof in Winkelstedt, Krs. Salzwedel galt als ältester Erbhof in der ehemaligen Provinz Sachsen. Mittlerweile ist er im Besitz der 22. Generation. 3 LHASA MD Rep Da Amt Diesdorf VIIe Nr. 2 4 v. Massenbach: „Die Hohenzollern einst und jetzt“, Verlag Tradition und Leben, Bonn 2009

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erstellt und an alle Ämter6 versandt wurde. Darin drückt der Kurfürst sein Missfallen über die Nichtbefolgung des Pflanz-Edikts seines Vaters, Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1640 – 1688), vom 5.3.1686 aus, nach welchem die Untertanen angehalten werden sollten, Obst- und Eichbäume zu pflanzen. In dem 13 Punkte umfassenden Patent werden die Amts- verwalter nun angewiesen, wie die Pflicht zum Baumpflanzen künftig durchzusetzen ist: Jeder Untertan in den kleinen Städten und Flecken, insbesondere aber auf den Dörfern, wird verpflichtet, hinter seinem Haus einen Platz anzulegen, der einesteils mit Obst- anderenteils mit Eichbäumen für die Viehmast zu bepflanzen ist. Die Amtsmänner sollen dafür Sorge tragen, dass in den Amtsdörfer der Anfang mit der Pflanzung gemacht und somit eine Vorbild- wirkung für alle anderen Untertanen in der Mark Brandenburg erzielt wird. Ferner sind die Pastoren gehalten, in Zukunft Kopulationen nur dann auszuführen, wenn die Baumpflanzung zuvor von den Bräutigamen erfolgt ist. Jeder Bräutigam wird verpflichtet, je sechs Obst- und Eichbäume zu pflanzen. Ist kein geeigneter Platz für die Pflanzung vorhanden, haben die Amtmänner dem Pflichtigen einen Ort außerhalb des Dorfes auf der gemein- schaftlichen Weide, nicht aber auf den Hufschlägen, zuzuweisen. Die erfor- derlichen Setzlinge sind durch Saat bzw. Pfropfen zu erzeugen. Bei Nicht- umsetzung der Forderungen müssen die Pfarrer bzw. Beamten mit einer Bestrafung rechnen. Die Pastoren sollen regelmäßig schriftlich kundtun, inwieweit sie die Pflicht der Baumpflanzung bei den Untertanen umgesetzt haben. Ein Resümee will der mittlerweile zum König in Preußen aufgestiegene Friedrich I. mit einer ebenfalls in gedruckter Form vorliegenden Verordnung vom 14.12.1708 ziehen: „An Die Mittelmärcksche Amts-Cammer das Pflantz- Edict sol wieder in observantz gebracht werden.“ Darin verlangt Friedrich I. von „… allen Pfarrern in Städten und Dörfern anzudeuten/ daß sie sofort nach empfang dieser Verordnung/ euch [den Amtmännern] eine richtige Specification einsenden sollen/ wie viel Paar Ehe-Leute alle Jahr nach dem herausgelassenen Pflantz-Edict, welches zuletzt Anno 1691. geschehen/ vertrauet worden/ welche Specification ihr Uns dann unverlängst unterthänigst einzusenden/ gestalt Wir darauf bey Unsern Beambten Anfrage halten lassen wollen/ wie solchem Edicto nachgelebet sey …“.

5 Ohff: „Preußens Könige“, Piper-Verlag München, 2003/ Eberhard von Danckelmann (1642 – 1722) war Erzieher und später Oberpräsident Friedrichs III. 6 Das Diesdorfer Exemplar des Patents ist mit dem Namen „Benedict Hermeßen Churfürstlich Brandenburgischer Amtmann zu Diesdorf“ beschriftet worden.

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Fünf solcher spezifizierter Meldelisten, welche die Pastoren 1709 zu diesem Zweck anfertigen mussten und die Auskunft über erfolgte Kopula- tionen im Zeitraum 1691 – 1708 geben, sind in der Akte erhalten geblieben. Der Aussagegehalt zu den Brautpaaren ist je nach Liste unterschiedlich. In jedem Fall werden aber der Name des Bräutigams, dessen Wohnort und das Jahr der Kopulation genannt.

Ferner sind in der Akte enthalten: - Eine pfarramtsübergreifende Liste, die den Titel „Specification der von dehnen in ao 1695. Copulirten Persohnen gesetzten Obst und Eichbeumen“ trägt. Diese Liste ist bis 1698 fortgeführt worden. Sie enthält keine Angaben zur Braut, jedoch sind zusätzlich Anzahl und Sorte der Bäume sowie der Ort der Pflanzung benannt. In einzelnen Fällen werden auch Personen erfasst, die für die Ausführung der Pflanzung bürgen. - Eine weitere ähnliche Liste mit der Überschrift „Anno 1697 CopulationsScheine gelöset“ erfasst für die Monate April bis Juni einige wenige Bräutigame und deren Wohnorte. - Eine undatierte Sammelliste ohne Titel, die wiederum pfarramts- übergreifend Namen und Wohnorte von männlichen Personen enthält. Zu zwei dieser Personen wird eine Braut genannt. Einige der in dieser Sammelliste genannten Personen werden auch in den überlieferten Meldelisten erfasst. Diese wurden ausnahmslos im Jahre 1708 kopuliert, so dass mit großer Wahrscheinlichkeit dieses Jahr als Kopulationsdatum auch für die übrigen Personen der Sammelliste aus den Kirchspielen ohne überlieferte Meldeliste angenommen werden kann. - Ein Konvolut, bestehend aus sieben kleinen Zetteln, auf denen u. a. eine dritte Person dem jeweiligen Bräutigam die Pflanzung von Bäumen bestätigt oder der künftige Pflanztermin benannt wird. Ein Teil dieser Zettel trägt ein Datum des Jahres 1699. Die undatierten Zettel konnten anhand der überlieferten Meldelisten ebenfalls diesem Jahr zugeschrieben werden.

Die Daten aus den Meldelisten sind im Anschluss in tabellarischer Form wiedergegeben und durch die Angaben aus den anderen Listen und Zetteln ergänzt worden. Fehlende Meldelisten konnten durch diese Listen und Zettel (teilweise) rekonstruiert werden. Insgesamt werden auf diese Weise 274 Eheschließungen dokumentiert.

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Nur knapp ein Drittel der hier aufgeführten Eheschließungen (88) ist ebenso durch die vorhandenen Trauregister der jeweiligen Orte erfasst worden. Der Inhalt der Listen basiert mit großer Sicherheit auf diesen Kirchen- bucheintragungen. Insofern stellen sie wahrscheinlich keine zum Kirchen- buch unabhängige Quelle dar. Dennoch sind in den Meldelisten einige genealogisch wertvolle Fakten enthalten, die in den Kirchenbüchern nicht erfasst wurden. Der Wert dieser Listen ist aber umso größer für die Orte, von denen zum fraglichen Zeitraum (1691 – 1708) keine Kopulationsregister bzw. Kirchenbücher (mehr) existieren. Dies gilt für 186 Trauungen in den Amtsdörfern der Kirchspiele Dähre, Diesdorf und Jübar.

I. DÄHRE

Zum Kirchspiel Dähre7 (eingepfarrt Rustenbeck, Wendischhorst, Wiersdorf, Kleistau) gehören die Filialen Deutschhorst (eingepfarrt Nipkendey), Dülseberg (eingepfarrt Mühle Höddelsen), Eickhorst, Ellenberg, Hohen- dolsleben, Kortenbeck, Siedendolsleben und Winkelstedt8. Die Kirchen- bücher beginnen relativ spät im Jahre 1715. Die Orte Wendischhorst, Kleistau und Deutschhorst sind keine Amtsdörfer9. Kopulationen in diesen Dörfern wurden folglich in der Meldeliste nicht berücksichtigt. In der Akte befindet sich die Meldeliste vom 18.4.1709, die der Pfarrer Theodor Bernhardy (1682 – 1721)10 an das Amt Diesdorf gesendet hat. Die kursiv hervorgehobenen Fakten sind mithilfe der anderen Listen nach- träglich ergänzt worden.

Bräutigam Datum Braut M11 Jochim Christopher Schnöcker Grobschmied in Dähre oo 1691 Frau Catharina Machels Hans Machel Dülseberg oo 1691 Catharina Müßings Jochim Lagemann Eickhorst oo 1691 Elisabeth Beneke Diederich Wiechmann Ellenberg oo 1691 Catharina Gravenstedt Hans Pieper Dähre oo 1691 Hedewig Anna Gravehls

7 „Die evangelischen Geistlichen und Kirchen der Provinz Sachsen“, Magdeburg 1870 8 nicht zu verwechseln mit Winkelstedt bei Kalbe/M. 9 Danneil-Museum Salzwedel: Kontributionskataster der Landreiterei Salzwedel 1693 10 Czubatynski: „Evangelisches Pfarrerbuch für die Altmark“, Halle 2000 11 Meister

133

Jochim Fäßke Eickhorst oo 1691 Anna Lichtenfeldt Jochim Müßing aus Dülseberg oo 1691 Anna Maria Machels Hans Neuschultze Wiersdorf oo 1691 Anna Lüdicke Diederich Schardt Hohendolsleben oo 1691 Margarethe Hildthausen Carsten Brünschen Eickhorst oo 1691 Anne Fäßke

Jochim Barneicke aus Wöhningen12 oo 1692 Sophia Gridtmacher in Kortenbeck Hans Schultze Siedendolsleben oo 1692 Catharina Lühmanns Johann Schultze Eickhorst oo 1692 Dorothea Ohrdorff Julius Rohde Siedendolsleben oo 1693 Margarethe Pauls Diederich Ridder Dülseberg oo 1693 Elisabeth Lütkemöller Hans Schultze Hohendolsleben oo 1693 Eleonora Sophia Kleitzen Hans Jatke Rustenbeck oo 1694 Margarethe Schultze Martinen Zeynicke Rustenbeck oo 1694 Anna Dorothea Kufahl Henning Kravehl aus Kortenbeck oo 1695 Ilse Zaußke Andreas Lüdicke Wiersdorf oo 1695 Catharina Elisabeth Meynicke Andreas Pieper Ellenberg oo 1695 Elisabeth Gravenstedt Jochim Abelmann Dähre oo 1695 Magdalena Dorothea Schardts Henning Schultze Dähre oo 1695 Anna Bätke Stephan Schultze Ellenberg oo 1696 Ilse Niepage Henning Kravehl Kortenbeck oo213 1696 Elisabeth Witte Jochim Schultze Rustenbeck oo 1696 Ilse Gercke Diederich Arnds Siedendolsleben oo 1696 Hedewig Maria Anna Schultze Hans Bock Winkelstedt oo 1696 Anna Catharina Schultze Matheis Klippe Eickhorst oo 1696 Dorothea Agnese Weßke Hans Fike Kortenbeck oo 10/1697 Margaretha Dorothea Fuhrmann Jochim Schultze Dülseberg oo 1697 Anna Bottermund Andreas Sigmund Eickhorst oo 1697 Anna Fehse 1698 keine Hans Ketke Dähre oo 1699 Charitus Catharina Wiechmann Jürgen Konigke14 Hohendolsleben oo 1699 Barbara Wiese Jacob Lange Eickhorst oo 1699 Elisabeth Lichterfeldt Christopher Schultze Ellenberg oo 1700 Anna Erdtmanns

12 nordwestlich von Bergen/Dumme, Krs. Lüchow-Dannenberg 13 verheiratet in 2. Ehe 14 Bestätigung der Pflanzung durch Jochim Schultze, Schulze in Hohendolsleben am 12.10.ohne Jahresangabe

134

Johann Pletke Schulze in Ellenberg oo 1700 Anna Winkelmann Jacob Bauer Schäfer Eickhorst oo 1700 Catharina Schwäger Christopher Hildthauses Winkelstedt oo 1700 Christine Pauls Christopher Meynicke Rustenbeck oo 1700 Anna Dorothea Martens Jochim Gäde Wiersdorf oo 1701 Catharina Schultze Jochim Tegge Ellenberg oo 1701 Catharina Wiewohle Jochim Fehse Winkelstedt oo 1702 Catharina Margarethe Königkens Jürgen Möller Dähre oo 1702 Ilsa Catharina Buße Jürgen Meyer Ellenberg oo 1702 Ilsa Wiechmann Jürgen Schlodt Rustenbeck oo 1702 Catharina Buße Jasper Giese Dähre oo 1703 Ursula Weßkens Jochim Gravenstedt Ellenberg oo 1703 Margaretha Möller Jacob Lange Eickhorst oo2 1703 Ilsa Schultz Christoffer Peters Wiersdorf oo 1703 Anna Margaretha Külß Johann Jürgen Schultze Winkelstedt oo 1704 Catharina Gewerdts Andreas Bränschen Kortenbeck oo 1704 Ilse Schultze Albrecht Wollenhagen Dähre oo 1704 Maria Zimmermann Hans Nieber Winkelstedt oo 1704 Anne Schultze Hans Tegge Ellenberg oo 1704 Anna Catharina Beneke Gottschalck Heinß Hohendolsleben oo 1705 Ilsa Margaretha Schäffers Jacob Lange Eickhorst oo3 1705 Ilse Gäde Hans Möller Siedendolsleben oo 1705 Catharina Margaretha Schultze Hans Neumeyer Winkelstedt oo 1705 Maria Königkens Carsten Brünsch Eickhorst oo2 1705 Catharina Margaretha Schenke Hinrich Jost Holdthausen Winkelstedt oo 1705 Anna Margaretha Bocks Hans Hoier Eickhorst oo 1705 Margaretha Ohrdorff Hans Tancke Wiersdorf oo 1705 Anna Schultze Hinrich Buße Schäfer Hohendolsleben oo 1706 Catharina Janemann Hinrich Schultze Schmölau oo 1707 Anna Maria Francke Johann Caspar Dregemann Dähre oo 1707 Emarentz Pieper Hans Jochim Wollenhagen Dähre oo 1707 Anna Catharina Schultz Jochim Lagemann Eickhorst oo3 1707 Elisabeth Wittpennings Hans Schultze Wiersdorf oo2 1707 Elisabeth Lampe

135

Johann Buße Dähre oo 1707 Anna Marta Pieper Benecke Schnobbel Ellenberg oo 1707 Catharina Schultze Andreas Arnds Wiersdorf oo 1707 Anna Margaretha Lüdicke Jochim Lichterfeld Kortenbeck oo 1707 Maria Marta Pauls Jochim Höfft Winkelstedt oo 1707 Elisabeth Mentzel Jochim Tacke Kuhhirte Kortenbeck oo 1707 Maria Bocks Christoffer Krävahl Kortenbeck oo 1708 Catharina Benecke Andreas Lüdicke Schäfer Wiersdorf oo 1708 Elisabeth Möller Peter Grote Winkelstedt oo 1708 Catharina Nieber Erdtmann Winkelmann Wiersdorf oo 1708 Catharina Schultze aus Fahrendorf Andreas Gäde Wiersdorf oo 1708 Margarethe Pletke Jürgen Saußke Wiersdorf oo 1708 Catharina Schultze Andreas Leneke Winkelstedt oo 1708 Anna Catharina Bocks Lorentz Lüdemann Schulze Siedendolsleben oo 1708 Catharina Schultze

II. Diesdorf

Zum Kirchspiel Diesdorf15 (eingepfarrt Bergmoor, Haselhorst, Höddelsen, Molmke, Reddigau, Schmölau, Schadewohl, Neuekrug, Kempen, Forst Vier) gehört die Filiale Abbendorf (eingepfarrt Hohenböddenstedt, Dankensen, Fahrendorf, Waddekath). Kirchenbücher sind erst ab 1780 (für einige Orte wenige Jahre später) überliefert. Für den Zeitraum 1794 – 1801 befinden sich auch mehrere Bände eines Kirchenbuchduplikats16 im Landeshaupt- archiv Sachsen-Anhalt am Standort Magdeburg. Eine Meldeliste des Pfarrers Jodocus Quebach (1698 – 1734)17 ist in der Akte nicht überliefert, so dass zur teilweisen Rekonstruktion auf die anderen in der Akte befindlichen Listen und Zettel zurückgegriffen wurde.

Bräutigam Datum Braut Joachim Schultz Schulze Dankensen oo 1695 NN

15 „Die evangelischen Geistlichen und Kirchen der Provinz Sachsen“, Magdeburg 1870 16 Rep Da Amt Diesdorf XXVIII n Nr. 91 Bd. 1 – 7, Kirchenbuch-Duplikate Diesdorf 17 Czubatynski: „Evangelisches Pfarrerbuch für die Altmark“, Halle 2000

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Hans Ruprecht Schadewohl oo 1695 NN Stoffel Salemann Fahrendorf oo 1695 NN Andreas Schultze Fahrendorf oo 1695 NN Joachim Saußke Fahrendorf oo 1695 NN Hans Graucke Molmke oo 1696 NN Jacob Schultze Diesdorf oo 1696 NN Conrad Plasche Diesdorf oo 1696 NN Johann Joachim Keeseberg Diesdorf oo 1696 NN Hans Meyer Fahrendorf oo 1696 NN Erdmann Quadstemmel Hohenböddenstedt oo 1696 NN Johann Andreas Schultz Diesdorf oo 5/1697 NN Joachim Bornhusen Abbendorf oo 5/1697 NN Jacob Saußke Fahrendorf oo 5/1697 NN Elias Albrecht Abbendorf oo 5/1697 NN NN Laagemann aus Eickhorst „freyet zu [Hohen]Böddenstedt ein NB.“ oo 5/1697 NN Hohenböddenstedt Joachim Lüben18 aus Höddelsen „freyet zu Molmke ein“ oo 6/1697 NN in Molmke Andreas Mertens Abbendorf oo 6/1697 NN Johann Peters Diesdorf19 oo 9/1697 NN Hans Krüger Fahrendorf20 oo 10/1697 NN

Joachim Harde [?] Häusler oo 10/1697 Schadewohl NN oo 10/1697 Stephan Holttorff Abbendorf NN Heinrich Camrad Molmke21 oo 1698 NN Hans Buße Fahrendorf oo 1698 NN Hans Heinrich B…eMüller oo 1698 NN Dankensen NN Brandes Schmölau oo 1698 NN Joachim Schnobbel22 Fahrendorf oo 1699? NN Joachim Reinicke23 Waddekath oo 1699? NN Peter Ahll24 Kuhhirte Abbendorf oo 1699? NN 25 oo 1699? Conrad Wielcke Abbendorf NN

18 Bürge für die Pflanzung ist Heinrich Wilcke Diesdorf 19 28.9.1697 „… hat durch seinen Vatter Caution gemachet [d. h. sein Vater ist Bürge]“ 20 2.10.1697 „… hat durch Jürgen Mahlke daselbst Caution gemachet“ 21 „von welchen Hanß Graucke caviret [bürgt]“ 22 lt. Pflanzbestätigung ohne Datum und Unterschrift; alle übrigen Pflanzbestätigungen aus der Akte konnten dem Jahr 1699 zugeordnet werden

137

Jürgen Giffey Abbendorf oo 1708? NN Hans Dorre Fahrendorf oo 1708? NN Christian Bollmann Waddekath oo 1708? NN Heinrich Giffey Abbendorf oo 1708? NN

III. HILMSEN

Zum Pfarramt Hilmsen26 (eingepfarrt Rittergut Umfelde, Forsthaus Risch) gehören die Filialen Peckensen und Gieseritz. Kirchenbücher sind ab 1647 vorhanden. Von den genannten Orten zählt Gieseritz nicht zu den Amtsdörfern27. Joachim Lütgemüller ist von 1686 bis 171028 Pfarrer in Hilmsen. Dieser reicht die Meldeliste vom 13.7.1709 an den Amtmann von Diesdorf. Die kursiv hervorgehobenen Daten sind als Ergänzung den anderen Listen und Zetteln entnommen worden. Durch Unterstreichung hervorgehobene Fakten stehen nicht im Kirchenbuch.

Bräutigam Datum Braut 1691 keine 1692 keine Jürgen Märtens Ackermann Peckensen oo 1693 Dorothea Reinicke aus Peckensen Jochim Gerhard Ackermann Peckensen oo 1693 Anna Magdalena Neuschultz aus [Hohen]Böddenstedt Johann Stolte Schäfer Peckensen oo 1694 Anne Bocks aus Bornsen Balthasar Neuschultze Schweinehirte Hilmsen oo 1694 Elisabeth von Dähren Joachim Behtke Ackermann Peckensen oo 1694 Margarethe Schnobbels Hans Nieschultze Peckensen oo 1695 Maria Wolterstorff aus Vitzke Joachim Beneke Schulze in

23 Pflanzbestätigung durch Peter Schultze Lehnschulze am 12.10.1699 24 Dieser bittet am 21.6.1699 um Erlaubnis, die Pflanzung im „Churfürstlichen Gehöltz“ vornehmen zu dürfen. 25 Dieser bekennt sich am 3.6.1699 dazu, seine Pflanzung im kommenden Herbst zu erledigen. 26 „Die evangelischen Geistlichen und Kirchen der Provinz Sachsen“, Magdeburg 1870 27 Danneil-Museum Salzwedel: Kontributionskataster der Landreiterei Salzwedel, 1693 28 Czubatynski: „Evangelisches Pfarrerbuch für die Altmark“, Halle 2000

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Hilmsen oo 1695 Anne Kommerts aus Gieseritz Erdmann Behtke Peckensen oo 1695 Dorothea Darriges, Witwe aus [Hohen]Böddenstedt 1696 keine Joachim Hoyer Schulze in Peckensen oo 1697 Frau Anna Beneke, „der Schültzin“ Asmus Beneke Peckensen oo 1698 Ilse Schmidt, Witwe aus Peckensen Joachim Beneke Schulze in Hilmsen oo2 1698 Elisabeth Fesche aus Gr. Bierstedt Dieterich Gräbke Hilmsen oo 1699 Frau Margarethe Niemoller „aus Gieseritz bürtig“ Caspar Schnobbel29 Hilmsen oo 1699 Anne Fischbäck Tochter des Seeligen30 Cärsten Fischbeck Jürgen Schultze Kossat Hilmsen oo 1699 Anne Mangels Jürgen Erdmann Schnobbel Hilmsen oo 1700 Anna Catharina Neuschultz Joachim Neuschultz Hilmsen oo 1700 Dorothea Schnobbels Erdman Conrad Behtke Peckensen oo 1700 Maria Möller Joachim Buße gewesener Ackerknecht Hilmsen oo 1701 Maria Hochstern Stoffel Fesche Ackermann Hilmsen oo 1702 Ilse Cordes 1703 keine Joachim Gädke Peckensen oo 1704 Hedewig Möller 1705 keine Heinrich Gädke Peckensen oo 1706 Anna Maria Behtkens Joachim Neuschultze Hilmsen oo2 1706 Anna Catharina Schultze 1707 keine Hanß Abelmann Kuhhirte in Peckensen oo 1708 Maria Winkelmann Joachim Pieper Peckensen oo 1708 Käte Gottlieb Leneke Jürgen Bayerke Hilmsen oo 1708 Ilse Winne aus Wistedt Hans Koster Hilmsen31 oo 1708? NN

29 Bestätigung der Pflanzung durch Joachim Lütkemüller am 6.10.1699 30 bereits verstorben 31 Im Kirchenbuch wird dieser nicht erwähnt.

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IV. JÜBAR

Zu Jübar32 (eingepfarrt Bornsen, Gladdenstedt, Lüdelsen, Neuenstall) zählen die Filialen Hanum und Mellin. Das Kirchspiel besitzt Taufregister ab 1674, wogegen die Trau- und Sterberegister erst im Jahre 1720 beginnen. Die Akte enthält die von Pfarrer Johann Konrad Reichwald (Anfang 18. Jh.)33 geschriebene Meldeliste vom 10.4.1709. Die kursiv gedruckten Daten sind anhand der anderen Listen ergänzt worden.

Bräutigam Datum Braut Hans Wrede aus Zasenbeck34 „damahliger Schäfer in Hanum“ oo 1691 Elisabeth Buße Jochim Schwerin Schulze Hanum oo 1691 Ilse Möller aus Oldendorf35 Hans Lüthe Krüger Hanum oo 1692 Thriene Beene aus Wendischbrome Hinrich Peyer Bornsen oo 1692 Margarethe Matte 1693 keine Jochim Matte Bornsen oo 1694 Thriene Friedemüller Cärsten Märtens Mellin oo 1694 Marie Lüthe aus Hanum Hinrich Wrede Bornsen oo 1694 Witwe des Heinrich Matte Bornsen Heinrich Gade Jübar oo 1694 Witwe des Jochim Rösecke Hans Gatke Sauhhirte Jübar oo 1694 Grete Schart Jochim Lange Mellin oo 1695 Witwe des Heinrich Fromhagen Jürgen Möller Lüdelsen oo 1695 Thrine Schultz Sauhirtin in Jübar Andreas Struwe oo 1695 Witwe des NN Kummer in Hanum Hans Klopp Hanum oo 1695 Margarethe Beene Joachim Schultze Jübar oo 1695 NN Hans Schultze Jübar oo 1695 NN Hans Böfing aus Ohrdorf36 „damahl[s] in Bornßen“ oo 1696 Liesebeth Lüthe aus Hanum Hans Heinrich Cärstens Jübar oo 1696 Anna Grethe Staackmann

32 „Die evangelischen Geistlichen und Kirchen der Provinz Sachsen“, Magdeburg 1870 33 Czubatynski: „Evangelisches Pfarrerbuch für die Altmark“, Halle 2000 34 nordwestlich von Brome, Krs. 35 Altendorf nördlich bei Brome, Krs. Gifhorn, oder Oldendorf bei Schnega, Krs. Lüchow- Dannenberg 36 nordwestlich von Brome, Krs. Gifhorn

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Jochim Helmke Sauhirte Hanum oo 1697 Witwe des Hans Meyer Kuhhirte Jübar M Heinrich Dünkeler oo 1697 Anna Margarethe Rümmelin Gardelegen Hans Pieper Jübar, „in Stallbergs Hoff“ oo 1697 Witwe des Hans Wullschläger Jübar Johann Jochim Betke Grenadier oo 1698 Thrine Märtens aus Mellin Hans Jacob Stichleder aus Magdeburg oo 1698 Witwe des Hans Schultze Mellin Hans Wend Sauhirte Lüdelsen oo 1699 Marie Kuhvahl Hans Beene Hanum37 oo 1699 Dorothea Krüger aus Ohrdorf 38 Jochim Beneke Hanum oo 1699 Anne Staackmann Cärsten Bornhuse Kuhhirte Hanum oo 1699 Grete Matthies Andreas Matthies Hanum oo 1700 Ilse Siegmunds Jochim Schulte Jübar oo 1700 Anna Hedwig Bomgarten M Stephen Köthke Tischler oo 1700 Ilse Schultze aus Wittingen39 Jübar Hans Bornhuse Hanum oo 1700 Thrine Lühmann aus Dankensen Johann Christoph Brüning Küster Jübar oo 1700 Anne Grete Meinecke Heinrich Meinecke Jübar oo 1700 Dorothea Jagthauen M Matthies Fuchs „ein alter Schuster“ Jübar oo 1701 Thirne Lüthe aus Hanum Thieß Griemann Jübar oo 1702 Ilse Peckmann Andreas Wiese Jübar oo 1702 Witwe des Stephan Schultze Jochim Kausche Mellin oo 1702 Anne Grete Fromhagen Hans Niebuhr Jübar oo 1702 Anne Grete Staalberg Hans Klopp Hanum oo 1702 Ilse Möller aus Drebenstedt Hans Meinecke Bornsen oo 1702 Anne Grete Friedemüller Jochim Bornhuse Hanum oo 1703 Maria Lüdemann aus Dankensen Jürgen Borchart Kuhhirte Jübar oo 1703 Witwe des NN Hake Jochim Germer Jübar oo 1703 Witwe des NN Pieper Heinrich Reuske Mellin oo 1703 Thrine Gose aus Ahlum Christian Schulte Jübar oo 1703 Marie Rösecke Andreas Möller „damahl[s] zu Lüdelßen“ oo 1704 Thrine Bekker Johann Jochim Schultze Mellin oo 1704 Margarethe Elisabeth Thieß aus Gr. Oesingen40 Jochim Lüthe Bornsen oo 1704 Magdalena Schwerin aus Mellin

37 Bestätigung der Pflanzung durch Hans Lüthe Hanum am 16.10. ohne Jahresangabe. 38 nordwestlich von Brome, Krs. Gifhorn 39 Krs. Gifhorn

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Heinrich Mühlmann „damahl[s] zu Lüdelßen“ oo 1704 Thrine Grusche Johann Heinrich Schwerin Lüdelsen oo 1705 Witwe des NN Darges Lüdelsen Clamort Gellermann Sauhirte Hanum oo 1705 Grete Hermes Cärsten Lühmann Kuhhirte Mellin oo 1705 Anna Thrine Gellermann Jochim Beneke Hanum oo 1705 Anna Wesche Heinrich Bammel „damahl[s] in Jübar“ oo 1705 Anne Hetke Hans Schwerin Mellin oo 1705 Catharina Völsche Heinrich Wrede Bornsen oo 1705 Thrine Niebuhr Herr Peter Lange „weiland41 Erbpächter zum Vier42“ oo 1705 Catharina Ursula Pohle Johann Jochim Schultze aus Bäsel43 oo 1706 Dorothee Rösecke Jübar Christoph Müller Lüdelsen oo 1706 Thrine Klopp Hans Kummert Lüdelsen oo 1707 Anne Elisabeth Schwerin Hans Wiegmann Jübar oo 1707 NN aus Glüsingen44 Hans Jürgen Siegmund Lüdelsen oo 1707 Thrine Niemann Wilhelm Meyer Lüdelsen oo 1707 Ilse Pollenen Hans Wesche Jübar oo 1708 Ilse Wends Christoph Bock Hanum oo 1708 Gertrud Hamel Andreas Wend Jübar oo 1708 Grete Fluthwels aus Plastau45 Peter Sandemann Lüdelsen oo 1708 Witwe des NN Meyer Hans Heinrich Schwerin Mellin oo 1708 Anne Sophie Wißwede Stephan Schulte Jübar oo 1708 Anne Thrine Beene aus Wendischbrome

40 Gr. Oesingen, Krs. Gifhorn 41 ehemaliger 42 Forsthof Vier, südwestlich von Diesdorf 43 Bösel, Krs. Lüchow-Dannenberg 44 westlich von , Krs. Gifhorn 45 nordwestlich von Brome, Krs. Gifhorn

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V. LAGENDORF

Lagendorf46 (eingepfarrt Holzhausen, Markau, Wiewohl, Thielitz47) bildet mit der Filiale Dahrendorf (eingepfarrt Gröningen, Müssingen48, Bonese) ein weiteres Kirchspiel nördlich von Diesdorf. Kirchenbücher sind ab 1674 erhalten. Von den genannten Dörfern sind Lagendorf Holzhausen, Dahrendorf, Bonese, Thielitz und Müssingen keine Amtsdörfer49. Eine Meldeliste von Pfarrer Johann Wilhelm Busch d. Ä. (1673 – 1718)50 ist in der Akte nicht überliefert. Nur drei Datensätze aus den anderen Listen konnten diesem Kirchspiel zugeordnet werden.

Bräutigam Datum Braut Joachim Geren[?] Markau oo 1695 NN Stophel Kohfahl Dahrendorf51 oo 4/1697 NN Dieterich Schloth Markau oo 1708? NN

VI. MEHMKE

Zum Kirchspiel Mehmke52 (eingepfarrt Hohengrieben, Wülmersen) gehört die Filiale Drebenstedt (eingepfarrt Lindhof). Ab 1583 sind Kirchenbücher vorhanden. Hohengrieben ist ein Kolonisten-Dorf, welches erst 1749 unter König Friedrich II. von Preußen (1740 – 1786) angelegt wurde53. Die Meldeliste vom 13.4.1709 in der Akte geht auf Pfarrer Wilhelm Curio (1703 – 1714)54 zurück. Durch Unterstreichung hervorgehobene Fakten sind nicht im Kirchenbuch enthalten.

Bräutigam Datum Braut Steffen Möller Drebenstedt oo 1691 NN Jürgen Meltzian Mehmke oo 1691 NN Hinrich Möller Mehmke oo 1691 NN

46 „Die evangelischen Geistlichen und Kirchen der Provinz Sachsen“, Magdeburg 1870 47 Krs. Uelzen 48 Krs. Uelzen 49 Danneil-Museum Salzwedel: Kontributionskataster der Landreiterei Salzwedel, 1693 50 Czubatynski: „Evangelisches Pfarrerbuch für die Altmark“, Halle 2000 51 Bürge für die Pflanzung ist Peter Schultz Diesdorf 52 „Die evangelischen Geistlichen und Kirchen der Provinz Sachsen“, Magdeburg 1870 53 Internetseite: „Hohengrieben@www“ 54 Czubatynski: „Evangelisches Pfarrerbuch für die Altmark“, Halle 2000

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Johann Schnobbel Wülmersen oo 1692 NN Hans Niemann Drebenstedt oo 1693 NN Peter Bünger Mehmke oo 1693 NN Christoff Salemann Drebenstedt oo 169355 NN 1694 keine56 1695 keine Johann Meincke Mehmke oo 1696 NN Hans Lütke Drebenstedt oo 1696 NN Benecke Elfers Mehmke oo 1697 NN Christoff Meincke Drebenstedt oo 1697 NN 1698 keine 1699 keine 1700 keine Hans Bierstedt Drebenstedt oo 1701 NN Hans Tegge Mehmke oo 1701 NN Elias Bock Drebenstedt oo 1701 NN Steffen Henke Wülmersen oo 1701 NN Joachim Döhren Wülmersen oo 1701 NN Hans Peters Drebenstedt oo 1702 NN Joachim Elferts Mehmke oo 1702 NN Joachim Appels Drebenstedt oo 1702 NN Hans Beckmann Mehmke oo 1703 NN Hans Schultze aus Wülmersen oo 1703 NN Elias Kammert Drebenstedt oo 1703 NN Jürgen Dittmar „zum Vier57 wohnend“ oo 1704 NN Steffen Möller Drebenstedt oo2 1705 NN Hans Tegge Mehmke oo2 1705 NN Claus Meyer Schulze in Wülmersen oo 1706 NN Hans Korte Drebenstedt oo 1706 NN Matthias Wappeiß Wülmersen oo 1706 NN Joachim Matthies Mehmke oo 1707 NN Johann Joachim Wienß Mehmke oo 1708 NN Jacob Niebauer Wülmersen oo 1708 NN Hans Tegge Mehmke oo3 1708 NN Steffen Henke Wülmersen oo2 1708 NN

55 Laut Kirchenbuch erfolgten 1693 keine Kopulationen. Diese drei Eheschließungen wurden im Jahre 1694 vorgenommen. 56 wie Anmerkung 55 57 Forsthof Vier, südwestlich von Diesdorf

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VII. OSTERWOHLE

Osterwohle58 mit den Filialen Henningen, Andorf, Barnebeck, Gr. Grabenstedt, Kl. Grabenstedt, Langenapel und Wistedt besitzt Kirchen- bücher ab 1666. Nur die Orte Andorf, Kl. Grabenstedt und Wistedt sind Amtsdörfer59. Pfarrer Gottfried Hubert (1694 - 1739)60 ist Verfasser der Meldeliste vom 17.4.1709. Kursiv gedruckte Daten sind mithilfe der anderen Listen ergänzt und unterstrichene Fakten sind im Kirchenbuch nicht eingetragen worden.

Bräutigam Datum Braut Hans Bühring Wistedt oo 1691 Agnese Bock aus Kl. Grabenstedt Jürgen Kleitske Kl. Grabenstedt oo 1692 Anna Schröder Hans Gäde Wistedt oo 1692 Dorothea Peters aus Andorf Hinrich Betcke Andorf oo 1692 Margaretha Lange Hans Lüdtckemüller Kl. Grabenstedt oo 1693 Catharina Schröder Hans Tiedemann Kl. oo 1694 Catharina Lüdtckemüller Grabenstedt Jochim Bock Kl. Grabenstedt oo 1694 Anna Catharina Lüdemann aus Rockenthin Cersten Schwäger Schäfer oo 1695 Margarethe Bocks aus Wistedt Winkelstedt Andreas Schultze Schweinehirte Wistedt oo 1696 Anna Lange Hans Niemann Wistedt oo 1696 Anne Bierns61 Jochim Peters Andorf oo 1696 Catharina Jadtcke Hinrich Bedtcke Andorf oo 1697 Anna Winne aus Wistedt Hinrich Flacke Wistedt62 oo 9/1697 Ilse Gäde Christian Lüdemannn Kl. Grabenstedt oo 1698 Anna Hoier Hans Bock Kl. Grabenstedt oo 1698 Elisabeth Wiechmann Jürgen Bierns63 Wistedt oo 1699 Marie Nieber aus Gr. Grabenstedt64

58 „Die evangelischen Geistlichen und Kirchen der Provinz Sachsen“, Magdeburg 1870 59 Danneil-Museum Salzwedel: Kontributionskataster der Landreiterei Salzwedel, 1693 60 Czubatynski: „Evangelisches Pfarrerbuch für die Altmark“, Halle 2000 61 Im Kirchenbuch lautet der Familienname Bühring. 62 25.9.1697 „… hat durch Hanß Gäden daselbst Caution gemachet“ 63 wie Anmerkung 61 64 Im Kirchenbuch wird Kl. Grabenstedt angegeben.

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Jochim Flacke Wistedt oo 1700 Margaretha Winne Jürgen Niemann Wistedt oo 1701 Agnese Bocks 1702 keine Stoffel Mengbier Kl. Grabenstedt oo 1703 Maria Schröder Hans Winne Wistedt oo 1703 Anna Buße aus Cheine Hans Gäde Wistedt oo 1704 Catharina Schultze aus Wiersdorf 1705 keine Johann Bock Kl. Grabenstedt oo 1706 Margarethe Weschke aus Wistedt Jürgen Schnobbel Wistedt oo 1706 Catharina Gäde Hinrich Flacke Wistedt oo 1706 Dorothea Niemann aus Wistedt Jochim Weschcke Wistedt oo 1706 Ilse Flacke Albrecht Feßcke Andorf oo 1706 Maria Gravenstedt aus Gr. Grabenstedt 1707 keine 1708 keine

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Hennigs von Treffenfeld und die Ruhmeshalle der deutschen Geschichte Eine Bronzebüste des Reitergenerals Hennigs von Treffenfeld

von Ulrich Kalmbach

In der Dauerausstellung des Johann-Friedrich-Danneil-Museums befindet sich eine Inszenierung mit Denkmälern und Gedenktafeln aus der Zeit des 20. Jahrhunderts bzw. in einem Fall aus der Zeit kurz vor 1900. Bei einer dort zu sehenden Büste handelt es sich um die Darstellung von Hennigs von Treffenfeld (1600-1688).1

Der im altmärkischen Klinke geborene Hennigs von Treffenfeld war hoher Offizier in brandenburgischen Diensten, der wegen seiner militärischen Erfolge mehrfach befördert und in den Adelsstand erhoben worden war.

Die Büste war ursprünglich ein Geschenk von Kaiser Wilhelm II. im Jahre 1903 an das Salzwedeler Ulanenregiment, das den Namen von Treffenfeld führte. Sie stand ursprünglich im dortigen Offizierskasino. Die Plastik des legendenumwobenen Offiziers ist die abgewandelte Kopie eines Bronze- bildnisses, das sich ursprünglich in der sogenannten Ruhmeshalle des Berliner Zeughauses befand. Mit den politischen Veränderungen nach dem 2. Weltkrieg kam die Büste in den Bestand des Danneil-Museums, wo sie lange Zeit unbeachtet und undokumentiert blieb. Im Rahmen einer Ausstellungs- vorbereitung konnten einige Fakten zur Geschichte bzw. Umfeldgeschichte der Büste zusammengetragen werden.

1 Büste Hennigs von Treffenfeld, Carl Albert Bergmeier?, E. 19. Jh., Bronze H: 68 cm x B: 64 cm x T: 33,5 cm, Inv. Nr.: P 119/ Siehe auch. Kalmbach, Ulrich: Die Ausstellung „Kaiser, Führer und Genossen“ im Danneil-Museum Salzwedel im Jahre 2010. 81. JBAVfvG. Salzwedel 2011. S. 136-139.

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Abb. 1 Titelseite der Publikation von Joachim von Görne aus dem Jahre 1916

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Die Büste zeigt Hennigs von Treffenfeld barhäuptig, mit langen Haaren im Brustharnisch. Auf dem unteren vorderer Büstenteil, ist die Bezeichnung „GENERAL HENNIGS VON TREFFENFELD" angebracht (Abb. 3). Im hinteren Sockelbereich ist die Kunstgießerei vermerkt, die den Abguss angefertigt hat: „AKT. GES. vorm. H. GLADENBECK & SOHN/ BERLIN FRIEDRICHSHAGEN." Hier befinden sich auch zwei Bohrungen, die die Befestigung des Stückes auf einem heute nicht mehr vorhandenen Sockel ermöglichten (Abb. 6). Eine eindeutige Überlieferungsdokumentation zu diesem Stück gibt es nicht. Es befand sich lange Zeit ohne genaue Herkunftsangaben und Inventarvermerke in trauter Nachbarschaft mit einer weiteren, offensichtlich wegen politischer Vorbehalte während der DDR-Zeit „entsorgten“ Plastik von Hans Mettel im Museumsmagazin.2 Die Existenz der Treffenfeld-Büste wurde erstmals in einer kleinen Publi- kation von Joachim von Görne, „Hennigs von Treffenfeld in Geschichte und Sage bis auf unsere Zeit“, die wohl aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums des Ulanenregiments Hennigs von Treffenfeld im Jahre 1916 bzw. in dessen Nachwirken herausgegeben wurde, mehrfach erwähnt.3 Ursprünglich war wohl eigentlich schon für das Jahr 1914 eine besser ausgestatte Pracht- ausgabe beabsichtigt gewesen. Darauf verweist eine in der Museums- bibliothek erhaltene Umlauftasche der Druckerei Gustav Klingenstein mit grafisch und drucktechnisch anspruchsvollen Korrekturbögen auf Karton.4

Auf dem Titelblatt des schmalen Heftes ist die Bronzebüste des Hennigs von Treffenfeld abgebildet. Die Abbildung trägt die Bildunterschrift: „Diese Bronze-Büste des Generals Hennigs von Treffenfeld schenkte Seine Majestät Kaiser Wilhelm II. König von Preußen, dem Offizierkorps des Ulanen-Regiments Hennigs von Treffenfeld (Altmärkisches Nr. 16). Sie hat im Offizierskasino zu Salzwedel ihren Ehrenplatz gefunden.“ Die gleiche Fotografie, nur in größerem Maßstab, wurde dann nochmals auf Seite 9 abgebildet. Dort lautete die Bildunterschrift: „Die große Bronze-Büste des Generalmajors Hennigs von Treffenfeld befindet sich in der Ruhmeshalle des Königlichen Zeughauses Berlin.“

2 Ulrich Kalmbach: Hans Mettel – Ein Salzwedeler Bildhauer und seine Arbeiten. In: 75. JbAVfvG (2003). S. 203. 3 Görne, Joachim von: Hennigs von Treffenfeld in Geschichte und Sage. Salzwedel o. J. (um 1917), S. 1, S. 9, S. 10. 4 Die Mappe trägt einen handschriftlich bezeichneten Aufkleber: "Hennigs v. Treffenfeld/ Abzug (nicht vollendet, Druck aufgegeben)." Möglicherweise wurde durch den Kriegsbeginn im Jahre 1914 der Druck behindert. Inv. Nr.: B 004958.

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Abb. 2 Büste Hennigs von Treffenfeld im Zeughaus, undatierte Aufnahme (vor 1945), Bildarchiv Deutsches Historisches Museum Berlin

Abb. 3 Büste Hennings von Treffenfeld im Danneil-Museum, Aufnahme 2012

Bei diesen beiden Abbildungen wurde das gleiche Foto, das tatsächlich jedoch nur die Büste aus dem Salzwedeler Offizierskasino zeigt, verwendet. Die letzte Bildunterschrift legt fälschlicherweise nahe, dass es sich bei der zweiten Abbildung um die Büste aus dem Berliner Zeughaus handelt, die demnach absolut identisch mit dem Stück in Salzwedel, also ein zweiter Abguss nach einer Form sei. Tatsächlich weist jedoch die auch als „große Bronze-Büste“ bezeichnete Plastik im Berliner Zeughaus (Abb. 2) einige Unterschiede zu dem Stück in Salzwedel auf (Abb. 3). Es handelt sich also um zwei unterschiedliche, wenn auch ähnliche Büsten.

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Abb. 4 Porträt Hennigs von Treffenfeld aus der Kirche Könnigde, abgedruckt auf einem Einlegeblatt für das Heft von Joachim Görne „Hennigs von Treffenfeld in Geschichte und Sage bis auf unsere Zeit“

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Auf das genaue Datum der Übergabe der Plastik im Jahre 1903 an das Offizierschor der Ulanen verweist eine Notiz in der Regimentsgeschichte, in der auch der Wortlaut des Widmungsschreiben vom 4. September 1903 zitiert wird.5

Die Büste, die das Salzwedeler Ulanenregiment als Schenkung erhalten hatte, stand nach der feierlichen Übergabe bis zur Auflösung der Garnison nach dem 1. Weltkrieg im Offizierskasino in Salzwedel. Später fand die Büste dann ihren neuen Standort im Gutshaus Vienau, einem Besitztum der Familie von Kalben.6 Wahrscheinlich hatte Rudolf von Kalben (1869-1951) als ehemaliger Offizier der Einheit die Büste bei der Auflösung der Einheit übernommen. Sie stand dann im Treppenhaus des Gutshauses. Mit der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) wurden nach 1945 der Landbesitz, das Gutshaus und das dazugehörige Inventar enteignet, darunter auch die Büste. Infolge dieser Enteignungen kam sie dann in den Besitz des Danneil-Museums. Zu der Übergabe gibt es leider keinerlei direkte Belege. Allerdings beschrieb der ehemalige Leiter des Danneil-Museums Walter Neuling im Jahre 1966, dass die Büste um 1950 noch in Vienau gestanden hatte und wie es dann zur Übernahme durch das Museum kam:

„Etwa im Jahre 1950 haben im Auftrage des Rates des Kreises Salzwedel der Leiter der Abteilung Kultur und ich als Leiter des Museums das Schloß Vienau besichtigt, um zu prüfen, ob es sich als Kulturhaus für die Landbevölkerung herrichten lässt. Bei dieser Gelegenheit entdeckte ich im Treppenhaus des Schlosses auf einem Holzsockel die Bronze-Büste des Generals Hennigs von Treffenfeld. Nur weil ich nachweisen konnte, dass dieser General einem kleinen Bauerngeschlecht aus Klinke in der Altmark entstammte und er es als einfacher Bauernjunge durch seine Tüchtigkeit zum General gebracht hatte, erklärten sich die SED-Funktionäre damit einverstanden, dass diese Büste in das Heimat- museum Salzwedel überführt wurde. Als ich 1956 nach Berlin zurückkehrte, stand sie noch dort.“7

5 Knoblauch, ... von: Geschichte des Ulanen-Regiments Hennigs von Treffenfeld (Altmärkisches) Nr. 16. 2. Teil 1896 bis 1907. Dievenow o. J. (nach 1907). S. 139/140. 6 Hinweis von Io von Kalben, Vienau, Brief vom 2.9.2012. 7 Erklärung von Walter Neuling vom 25. März 1966. Privatarchiv Io von Kalben, Vienau.

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Abb. 5 Ruine des Gutshauses in Vienau, Foto: Ulrich Kalmbach, 2008 Während der Zeit der DDR blieb die Plastik im Magazin des Museums und wurde nicht ausgestellt. Die Büste befand sich dabei in „bester Gesellschaft“. Sie stand im Magazin direkt neben einer lebensgroßen Bronzegruppe von Hans Mettel, die ursprünglich im Salzwedeler Gymnasium ihren Platz hatte und wegen ideologischer Bedenken während der Zeit der DDR von ihrem Ursprungsstandort entfernt worden war. Mit der Neugestaltung der Dauerausstellung im Danneil-Museum fand dann die Treffenfeld-Büste einen neuen Standort im ehemaligen Salon der Familie von der Schulenburg.

Zum Entstehungsprozess der in Salzwedel befindlichen Büste gibt es nur die Angaben zur herstellenden Gießerei. Auftragsunterlagen bzw. der konkrete Künstler, der das Modell für den Bronzeguss schuf, sind nicht bekannt. Trotz gestalterischer Unterschiede kann man davon ausgehen, dass die Büste im ehemaligen Zeughaus wahrscheinlich doch das Vorbild für die Salzwedeler Büste war bzw. das ursprüngliche Gussmodell dafür modifiziert wurde.

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Abb. 6 Firmensignatur „Aktiengesellschaft vormals H. Gladenbeck & Sohn“ auf der Rückseite der Büste Nach der auf der Salzwedeler Büste angebrachten Aufschrift wurde der Guss in einer renommierten Berliner Gießerei ausgeführt. Die Firma, die den Namen „Aktiengesellschaft vormals H. Gladenbeck & Sohn“ trug, bzw. deren Vorgängerbetrieb war eine der bedeutenden Kunstgießereien Berlins im 19. Jahrhundert. Firmenbegründer war Hermann Gladenbeck (1827- 1918), ein anerkannter Kunstgießer seiner Zeit.8 In seiner Werkstatt wurden so bekannte Plastiken wie die Viktoria der Berliner Siegessäule von Friedrich Drake oder der große Brunnen von Reinhold Begas, ehemals am Berliner Schloss, gegossen. Hermann Gladenbeck begründete im Jahre 1851 eine eigene Firma, in der dann später auch seine Söhne mitarbeiteten. Es entstand dann die Firma Gladenbeck & Sohn als Aktiengesellschaft im Jahre 1888. Wenige Jahre später, im Jahre 1892, mussten die Familienmitglieder diese Aktiengesellschaft verlassen und neue Wege gehen. Die Aktiengesellschaft firmierte nun unter der Bezeichnung „vormals Gladenbeck & Sohn“. Aus dieser Zeit, Hermann Gladenbeck hatte die durch ihn begründete Kunst-

8 Informationen zu Hermann Gladenbeck und zur Kunstgießerei: Dietrich Nummert: Bronzene Kunstwerke aus Meisterhand. Der Kunstgießer Hermann Gladenbeck In: Berlinische Monatsschrift, Heft 11/1998, S. 59–61./ Sprink, Claus-Dieter: Die Bronzegießereien Gladenbeck. Aufstieg und Niedergang. Berlin-Friedrichshagen 2002.

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gießerei also bereits verlassen, stammt der Guss der Büste von Hennigs von Treffenfeld. Noch heute gibt es in Berlin eine Gießerei, die einen Teil des Nachlasses der Firma Gladenbeck verwaltet und auch Nachgüsse nach erhaltenen Originalmodellen anfertigt. Nach Mitteilung des Inhabers Frank Herweg sind von den ehemals 5000 Formmodellen noch ungefähr 240 im Besitz der jetzigen Gießerei.9 Allerdings gibt es hier keine Informationen, auch nicht in den Firmenunterlagen, zu der Büste Hennigs von Treffenfeld. Lediglich in einem alten Verkaufskatalog aus der Zeit um 1900 findet sich ein Verweis.10

Die Büste, die das Salzwedeler Ulanenregiment als Geschenk erhalten hatte, gehörte möglicherweise zur Angebotspalette an sogenannten Reduktionen. Hier wurden nach Originalvorlagen verkleinerte Nachbildungen angefertigt, bzw. die Vorlagen leicht modifiziert: „Im 19. Jahrhundert erfreuten sich die Reduktionen bedeutender Plastiken großer Beliebtheit, sie wurden von zahl- reichen Firmen in unterschiedlichsten Formaten und Materialien angeboten. Die Aktiengesellschaft Gladenbeck konnte auf diesem Gebiet durch sorgfältig ausgeführte Bronzegüsse überzeugen.“11

Das Original der Treffenfeldbüste, das wahrscheinlich als Vorlage für den Reduktionsguss diente, wurde von Karl Albert Bergmeier (1856-1897) gestaltet und bis spätestens Herbst 1885 vollendet und aufgestellt.12 Diese Büste ist nicht mehr erhalten, sondern wurde bei der Zerstörung des Zeughauses durch Bombenangriffe im 2. Weltkrieg wohl ebenfalls vernichtet. Es fehlt jede Spur von ihr. Karl Albert Bergmeier wurde 1856 in Berlin geboren und lernte dort u.a. auch bei dem bekannten Denkmalbildhauer Reinhold Begas. Bergmeier war Mitglied im Verein Berliner Künstler. Ihm wurde in einem zeitgenössischen Lexikon eine besondere Fähigkeit bei der Herstellung von Porträtbüsten zugesprochen.13

9 http://www.bronzegiesserei.net/ eingesehen am 27.03.2012 10 Mündliche Mitteilung von Frank Herweg am 27.3.2012: (Verkaufskatalog) Aktien- Gesellschaft vorm. H. Gladenbeck & Sohn, Bildgiesserei Berlin-Friedrichshagen, Abt. B – Werke aus der Neueren Zeit und der Gegenwart. Berlin. o.J. 11 www-bronzegiesserei.net/werkstatt.php?inhalt=news, eingesehen am 27.3.2012 12 Arndt, Monika: Die Ruhmeshalle im Berliner Zeughaus. Berlin 1985. S. 134. 13 Siehe: Biographisches Künstler-Lexikon Dr. Hermann Alex. Müller, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig, 1882. S. 44.

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Auf welche konkrete Bildvorlage sich Bergmeier bei der Gestaltung der Berliner Treffenfeld-Büste stützte, ist unbekannt. Die bildliche Überlieferung zur Person Hennigs von Treffenfeld ist sehr überschaubar. Es gibt überhaupt nur ein bekanntes Porträt von ihm. Dabei handelt es sich um ein Gemälde, das im Jahre 1917 von der Familie von Görne der Kirche in Könnigde übergeben wurde.14 Es zeigt Treffenfeld als Brustbild im Harnisch. Ob es sich hier tatsächlich um ein authentisches Porträt handelt, muss dahingestellt sein. Auf jeden Fall tragen sowohl die Bergmeiersche Büste wie auch das Gemälde in Könnigde die gleichen Gesichtszüge. Bei dem Gemälde in Könnigde handelt es sich um eine jüngere Kopie mit der Signatur „C. Berkowski". Hier ist der überlieferte Brustharnisch Treffenfelds natura- listisch abgebildet, bei der Plastik hingegen davon abweichend dargestellt. Möglicherweise nutzte der Schöpfer der Büste ein ihm noch zugängliches Originalgemälde als Vorlage.

An dieser Stelle soll ein kleiner Exkurs zu den bekannten Abbildungen in Bezug zu Hennigs von Treffenfeld folgen, bei denen es sich um spätere Illustrationen und Historienbilder handelt, also um künstlerische Schöpfungen. Das Fehlen originaler Bilddokumente hat einige, wenige Historien-Gemälde und Grafiken hervorgebracht, auf denen jeweils historische Ereignisse, bei denen Treffenfeld eine bedeutende Rolle zugeschrieben wird, illustriert werden. Eine dieser Grafiken befand sich auch im Salzwedeler Offiziers- kasino. Auf ein solches Bild verwies der Autor Joachim von Görne in seiner Treffenfeld-Würdigung. Er führte in seiner Schrift ein Historiengemälde an, das den Titel „Hennigs von Treffenfeld überbringt dem Großen Kurfürsten die Siegestrophäen nach der Schlacht bei Tilsit“ an und verwies auf einen Reproduktionsgrafik, die eben dieses Gemälde zeigt (Abb. 7). Eine weitere Reproduktion, die als einfacher Druck einem Festblatt von Erich Wentscher aus dem Jahre 1916/1917 beigelegt war, verwies auf ein Gemälde „Hennigs von Treffenfeld überreicht dem Großen Kurfürsten die am 20. Januar 1679 in der Schacht bei Splitter eroberten schwedischen Feldzeichen.“ (Abb. 8). Das Originalgemälde dazu stammte wohl von Georg Bleibtreu, einem Berliner Historien- bzw. Schlachtenmaler, „der noch 3 Tage vor seinem Tode“ an dem Gemälde gearbeitet hätte. Eine weitere, sehr

14 Joachim Hennigs von Treffenfeld. Gedenkblatt zur Erinnerung an die Treffenfeld-Feier in der Kirche zu Könnigde am 17./ 18. Juni 1917. O.O., o.J. 1918?; Widmungsschild auf dem Porträt- Gemälde

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schlichte Titelillustration schmückt eine historische Erzählung von Hermann Robolsky, die im Salzwedeler Verlag Gustav Klingenstein im Jahre 1891 erschienen war (Abb. 9). Hier ist auch noch einmal im Inneren die Tilsit-Grafik abgedruckt (Abb. 7).

Weitaus authentischer, wenn auch etwas makaber, ist die Schilderung der mumifizierten Leiche von Hennigs von Treffenfeld in seiner Gruft in Könnigde einschließlich einer angefügten Illustration, wie sie im Jahre 1863 durch Gustav von Kessel publiziert wurde (Abb 11).15

Abb. 7 Hennigs von Treffenfeld überbringt die Siegestrophäen

15 Gustav von Kessel: Henniges von Treffenfeld und seine Zeit. Stendal 1863. S. 171.

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Abb. 8 Hennigs von Treffenfeld überreicht dem Großen Kurfürsten die eroberten Feldzeichen

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Abb. 9 Titelblatt der Erzählung „Hennigs von Treffenfeld, ein altmärkischer Bauernsohn“ von 1891

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Abb. 10 Illustration mit den erhaltenen Rüstungsteilen, aus der Schrift von Gustav von Kessel von 1863

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Abb. 11 Mumie Hennigs von Treffenfeld in der Gruft in Könnigde, Lithographie 1863

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Der Autor schreibt hier: „Es ist kein Bild Hennigs vorhanden; so bleibt uns der Held in unmittelbarer Anschauung nur nach seinem Bilde im Tode.“ …„Der Körper ist bei dem trockenen Zustande des Gewölbes sehr gut erhalten; die Gesichtszüge vollkommen erkennbar, zeigen uns einen freundlichen Ausdruck; nur der weiche Theil der Nase ist eingefallen, Spuren eines Bartes sind nicht vorhanden. Mit gefalteten Händen ist dieser ausgezeichnete Mann in einem weißen Atlas-Rock, der mit Gold, Silber und Blumen durchwirkt, ihm bis an die Füße reicht, beigesetzt worden. Sein Haupt ist mit einer Mütze von demselben Stoffe bedeckt; an den Füßen trägt er starke, dicksohlige Schuhe mit hohen, rothen Hacken, ebenso seidene Unterkleider desselben Stoffes.“

Diese Beschreibung liefert ein naturgemäß wenig heroisches Bild des großen Militärs. Ganz anders waren aber die Absichten, die der Aufstellung der Treffenfeld-Büsten zugrunde lagen. Das originale, für die Aufstellung in der Ruhmeshalle im Berliner Zeughaus geschaffene Exemplar war Teil eines verklärenden militaristisch-propagandistischen Kunstensembles, einer groß angelegten Geschichts- und Herrschaftsinszenierung. Die Intention der Berliner Treffenfeldbüste, eingebunden in das bildhistorische Programm des Zeughauses, lässt sich durchaus auch auf die Funktion des Salzwedeler Stückes, wenn auch in kleinerem Maßstab, übertragen.

Im ehemaligen Zeughaus in Berlin ist heute das Deutsche Historische Museum untergebracht.16 Das Bauwerk ist eines der bedeutenden noch erhaltenen bzw. wieder hergestellten barocken Gebäude der Stadt Berlin. Bereits Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte in seinem politischen Testament von 1667 den Zweck dieses erst Jahrzehnte später fertig gestellten Gebäudes beschrieben. Es sollte als Waffenmagazin zum einen der Aufbewahrung und schnellen Verfügbarkeit von Waffen, zum anderen aber auch durch seine repräsentative architektonische Ausgestaltung der Darstellung militärischer Macht dienen. Neben der Aufgabe als rein militärpraktische Aufbewah- rungsstätte vor allem von Feuerwaffen, wie Geschützen und Gewehren, besaß das Zeughaus auch von Anfang an eine propagandistische Funktion.

16 Zur Geschichte von Zeughaus und Feldherrenhalle: Müller, Regina: Das Berliner Zeughaus. Die Baugeschichte. Berlin 1994.

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Abb. 12 Ruhmeshalle im Berliner Zeughaus, Blick aus der Herrscherhalle in die westliche Feldherrenhalle, Büste Henning von Treffenfeld klein im Hintergrund, Messbildaufnahme von 1916, Foto: BLDAM, Bildarchiv, Neg.-Nr. 20b6/1470.89 Hier wurden auch eroberte Waffen und Feldzeichen feindlicher Heere als Kriegsbeute ausgestellt. Die Niederlagen des Feindes, sichtbar gemacht durch die eroberten Waffen, sollten zum Ruhme Preußens öffentlich zur Schau gestellt werden. So gab es bereits 1732 neben den 604 aufgestellten preußischen Kanonen auch 119 erbeutete Geschütze, die hier zu sehen waren. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wandelte sich die Nutzung des Gebäudes immer mehr hin zu einem Museum.

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Im Jahre 1875 unterzeichnete Kaiser Wilhelm I. eine Order, die die Errichtung eines Museums, durch die Umwandlung des Zeughauses in eine „Ruhmeshalle der brandenburgisch-preußischen Armee“, vorsah. 1883 wurde das Erdgeschoss mit den Geschützsammlungen für die Öffentlichkeit zugänglich.

Bis 1881 erfolgte dann die künstlerische Ausstattung der Ruhmeshalle, die sich in drei Bereiche gliederte - die zentrale Herrscherhalle im Kuppelsaal wurde flankiert von den beiden seitlich anschließenden Feldherrenhallen. 16 Wandgemälde visualisierten Ereignisse und Szenen aus der branden- burgisch-preußischen Militärgeschichte. Diese wurden von namhaften Malern der Zeit angefertigt. Darüber hinaus entstanden mehrere allegorische Wandgemälde. Zur Ausstattung der Ruhmeshalle gehörten auch Bronzestandbilder von Hohenzollernherrschern, die in der Herrscherhalle aufgestellt waren. In den beiden Feldherrenhallen fanden 32 Büsten von bedeutenden Militärs, darunter auch von Treffenfeld, ihren Platz. Die Standorte waren jeweils chronologisch den entsprechenden Darstellungen auf den Wandgemälden zugeordnet. Die Büste Hennigs von Treffenfeld stand in der westlichen Feldherrenhalle, in der unter anderem auch der brandenburgische Feldmarschall Georg von Derfflinger, Leopold Fürst von Anhalt-Dessau und der Reitergeneral Hans Joachim von Zieten zu finden waren. In dieser Halle waren auch zwei großformatige Wandgemälde zu Ereignissen angebracht, an denen Treffen- feld beteiligt war. Dabei handelt es sich um die Schlacht bei Fehrbellin im Jahre 1675 und den Übergang über das Kurische Haff (1679).

Ab dem Jahre 1897 wurde das Zeughaus intensiv als Weihestätte betrieben. Zum Geburtstag des deutschen Kaisers und zu anderen öffentlichen Höhepunkten fanden so zum Beispiel wirkungsvoll inszenierte Fahnenweihen und ähnliche Veranstaltungen statt. Schulklassen wurden zielgerichtet durch die Ausstellungen geführt, Kriegervereine wallfahrteten hierher, um Heldenverehrung und Heldenverklärung zu betreiben. Die Verherrlichung von Krieg, Militär und vorgeblicher deutschen Überlegenheit mündete dann tatsächlich in der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, den 1. Weltkrieg. Auch das Salzwedeler Ulanenregiments „Hennigs von Treffenfeld“, in dessen Offizierskasino die Salzwedeler Treffenfeldbüste stand, wurde bereits sofort zu Kriegsbeginn an die Front transportiert und nahm an den

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opferreichen Kampfhandlungen teil. Nach dem Krieg erfolgte mit der Demobilisierung auch die Auflösung der Ulaneneinheit. Die Büste des Brandenburgischen Reiteroffiziers Hennigs von Treffenfeld kam danach in die Obhut einer altmärkischen Gutsfamilie nach Vienau, um dann durch die Auswirkungen des nächsten, nun 2. Weltkrieges, wieder seinen Standort zu wechseln und als museales Sammlungsstück selbst ein Teil der Geschichtsüberlieferung zu werden.

Literatur

Görne, Joachim von: Hennigs von Treffenfeld in Geschichte und Sage. Salzwedel o.J. [1917] Joachim Hennigs von Treffenfeld: Gedenkblatt zur Erinnerung an die Treffenfeld-Feier in der Kirche zu Könnigde am 17./ 18. Juni 1917. O.O., o.J. [1918?] Kamieth, Hermann: Aus dem Leben des Kurbrandenburgischen General- majors Joachim Hennigs von Treffenfeld. Berlin 1887. Kessel, Gustav von: Henniges von Treffenfeld und seine Zeit. Beiträge zur Geschichte Friedrich Wilhelms des Großen Kurfürsten von Brandenburg. Franzen u. Große. Stendal 1863. Lazay, Norbert: Notizen zu Joachim Hennigs von Treffenfeld. In: Altmärkische Heimatblätter. Bd. 3 (1995), 2, S. 4-5. Lazay, Norbert: Joachim Hennigs, der spätere Generalmajor von Treffenfeld. Eine altmärkische Biographie zwischen Klinke, Krieg u. Könnigde. In: Altmärkische Heimatblätter, Bd. 4 (1996), 1, S. 39-45. Robolsky, Hermann: Hennigs von Treffenfeld ein altmärkischer Bauern- sohn. Verlag von Gustav Klingenstein Salzwedel. Salzwedel 1891. Schulze, Harald: Joachim Hennigs von Treffenfeld. Zur Erinnerung an d. aus Klinke stammenden Reiterführer des Großen Kurfürsten. In: Altmark- Blätter: Heimatbeilage d. Altmark-Ztg., Bd. 10 (1999), 28, S. 109-112. Wentscher, Erich: Die Familie des Generals Hennigs von Treffenfeld. Gedenkblatt zum 50jährigen Bestehen des Ulanenregiments Hennigs von Treffenfeld. o.O., o.J. [Salzwedel 1917?]

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Vereinsbericht

von Ulrich Kalmbach

Im Jahre 2012 führte der Verein turnusgemäß zwei Tagungen durch. Die Frühjahrstagung fand in diesem Jahr in Wiepke, die Herbsttagung satzungs- gemäß in Salzwedel statt. Der Vorstand absolvierte im Laufe des Jahres vier Sitzungen. Dabei wurden die Tagungen und die Herausgabe der Jahresberichte vorbereitet. Leider war es bis zum Jahresende nicht möglich, den Druck des 81. Jahresberichtes abzuschließen. Dieser soll umgehend Anfang 2013 erfolgen. Die Neuge- staltung der Internetseite des Vereins wurde weiter vorbereitet und soll Anfang 2013 abgeschlossen sein. Wahlen oder andere grundlegende Regularien standen nicht an, allerdings wurde der Kassenwart Herr Kayser auf eigene Bitte von seinen Aufgaben entbunden. Dafür wurde satzungsgemäß Herr Henning Krüger (Kalbe) durch den Vorstand kooptiert.

Frühjahrstagung 2012 in Wiepke

Der Altmärkische Geschichtsverein absolvierte die Frühjahrstagung 2012 am 28. April des Jahres in der Reichwaldschen Wassermühle in Wiepke und ging anschließend auf Exkursion mit den Stationen Zichtau, Schenkenhorst, Berge und Gardelegen. Es standen keine Regularien an. An der Tagung nahmen 49 Besucher (Vereinsmitglieder und Gäste) teil. In Wiepke war der Geschichtsverein zu Gast beim Wassermühlen- und Heimatverein Wiepke. Vorträge und Exkursionsziele waren hauptsächlich der Geschichte der altmärkischen Adelsfamilie von Alvensleben mit Besich- tigung von Gutsanlagen und Kirchen gewidmet. Zwei andere Vorträge erwei- terten das Themenangebot. Der Vormittag der Frühjahrstagung war den drei Vorträgen reserviert, die im ausgebauten Nutzbereich der Mühlenanlage gehalten wurden. Vor dem regulären Beginn der Tagung führte der Vereinsvorsitzende des Wiepker Mühlenvereins Friedrich-Wilhelm Gille durch das Gelände und erklärte historische und technische Details der Reichwaldschen Wassermühle. Zu Beginn des Vortragsblockes führte Herr Gille noch einige Anmerkungen zum Wassermühlen- und Heimatverein Wiepke e.V. aus. Dieser bemüht sich seit

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1995 um die Erhaltung, den Ausbau und die historisch-kulturelle Nutzung der Mühle. Als Erster referierte Reimar von Alvensleben über „Die Alvensleben in Zichtau 1420-1847“. Reimar von Alvensleben hatte sich in den letzten Jahren intensiv mit der Familiengeschichte beschäftigt und bereits im Jahre 2010 das bis dahin noch nicht veröffentlichte Manuskript „Die Alvensleben in Kalbe 1324-1945“ von Udo von Alvensleben-Wittenmoor ediert. In seinem Vortrag stellte er wichtige Familienmitglieder in Porträt und Bedeutung vor und ging auf verschiedene ehemalige Besitzungen der Familie von Alvens- leben in der Altmark ein, um dann besonders die Bezüge zum Gut Zichtau darzustellen. Gleichfalls erfuhren die weiteren Orte der nachmittäglichen Exkursion, Schenkenhorst, Berge und Isenschnibbe/ Gardelegen, an dieser Stelle bereits einige einleitende Vorbemerkungen bzw. wurden diese in histo- rischen Ansichten vorgestellt. Der Referent ging auch auf mehrere Legenden ein, die im Zusammenhang mit der Familienüberlieferung stehen. Er berich- tete hier von seinen Bemühungen, jeweils den historisch korrekten Tat- sachenstand zu ermitteln und das historische Geschehen von Ausschmück- ungen, Umdeutungen oder Falschinterpretation zu befreien. Über ein anderes Kapitel einer Gutsgeschichte, nämlich der Anlagen in Schönhausen, berichtete Frau Jenny Freier. Sie hatte sich bereits im Jahre 2009 in ihrer Magisterarbeit mit dem Thema beschäftigt und referierte nun zu dem Thema „Die Gutsanlagen in Schönhausen (Elbe) - Die Geburtstätte Otto v. Bismarcks und das ehemalige Bismarckmuseum“. Der Vortrag von Frau Freier widmete sich speziell der architektonischen Gestaltung von Gut I und Gut II und der Parkanlagen. Sie verwies hier auf Vorbilder bzw. Muster- entwürfe für den Bau von derartigen Repräsentations- und Nutzobjekten. Dabei vermittelte die Referentin anhand einer Reihe von historischen Ansichten einen Eindruck von den architektonischen Hintergründen und gestalterischen Zusammenhängen. Sie ging auf die ursprünglichen Raum- nutzungskonzepte der Innenräume ein und beleuchtete die Einrichtung des ursprünglichen Bismarckmuseums im historischen Kontext. Der letzte Vortrag wurde vom Vorsitzenden Bernhard von Barsewisch gehalten. Er stellte einen in seiner Familie erhaltenen Beleg für eine Gelegenheitsdichtung aus dem Jahresbrauchtum eines Gutes vor: „Ein Gedicht zum Erntedank in Scharpenhufe um 1865“. Nach einer kurzen Einführung zu den Überlieferungszusammenhängen und den Familien- verhältnissen ging der Referent auf das volkstümliche Gedicht in seinem Wortlaut und die Adressaten der einzelnen Strophen ein, die in schlichten Reimen die verschiedenen Bewohner des Hofes ansprachen.

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Abb. 1 Begrüßung durch den Vereinsvorsitzenden des Mühlenvereins Friedrich- Wilhelm Gille auf dem Mühlengrundstück in Wiepke

Abb. 2 Besichtigung des Mühlengeländes

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Abb. 3 Zuhörer im Vortragsraum der Mühle

Abb. 4 Referentin Jenny Freier

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Abb. 5 Besichtigung der Kirche in Zichtau

Abb. 6 Besichtigung des Gutshauses in Zichtau vor dessen Abriss

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Abb. 7 Referent und Vereinsmitglied Reimar von Alvensleben an der ehemaligen Toreinfahrt des Gutes Zichtau

Abb. 8 Gartenseite des Gutshauses in Schenkenhorst

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Abb. 9 Besichtigung der Kirche in Berge

Abb. 10 Herr Harald Rothermel berichtet über die Sanierung seines Gutshauses Isenschnibbe

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Nach der Einnahme des Mittagessens im sonnigen Ambiente des Mühlenhofes begann der Exkursionsteil. Das Programm des Nachmittags war sehr dicht geplant und verlangte den Teilnehmern einige Disziplin ab.

Als erstes führte der Weg in das nahe gelegene Zichtau. Die Besichtigung der Kirche wurde vom Kirchenältesten Herrn Hans-Henning Weichert ermöglicht und begleitet.

Danach führte ein Rundgang zum ehemaligen Gutsgelände. Hier residiert jetzt die Stiftung Zukunft und die Gartenakademie Sachsen-Anhalt. Frau Schulze führte über das Gelände und gab einen kleinen Einblick in die jetzige Nutzung der neu ausgebauten Gutsgebäude und die Absicht, das Gutshaus komplett niederzulegen und einen Hotelneubau an dessen Stelle zu errichten.

Von Zichtau aus führte dann die Route zum Gutshaus in Schenkenhorst, das leider nur im Außengelände besichtigt werden konnte. Herr Ulf Fromm- hagen informierte über die Geschichte des Hauses bzw. der Vorgänger- bauten. Anschließend fuhren alle Beteiligte in den nahe gelegenen Ort Berge, wo das Restauratorenehepaar Groll über die Ausstattung der Kirche und die Probleme bei deren Erhaltung berichtete. Als letzter Besichtigungsort stand das Gutshaus Isenschnibbe auf der Tagesordnung. Hier führte der Besitzer und Bewohner des Hauses Herr Harald Rothermel durch sein Gebäude und erzählte von der Geschichte des Hauses und den Mühsalen, dieses zu erhalten.

Zum Abschluss kehrten die noch verbliebenen Teilnehmer im Café Am Rathaus in Gardelegen ein und beschlossen dort den sehr informativen Exkursionstag.

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Herbsttagung 2012 in Salzwedel

Die Herbsttagung fand am Sonnabend, d. 13. Oktober 2012, im Hotel Union in Salzwedel statt. Es standen keine Regularien an. An der Tagung nahmen 31 Besucher (25 Vereinsmitglieder und 6 Gäste) teil.

Am Vormittag standen drei Vorträge auf dem Programm. Nachmittags erfolgte die Besichtigung der Jahresausstellung im Danneil-Museum.

Nach der Begrüßung teilte der Vorsitzende Herr von Barsewisch mit, dass Herr Kayser aus gesundheitlichen Gründen sein Amt als Kassenwart niedergelegt hat und dafür Herr Henning Krüger (Kalbe) durch den Vorstand satzungsgemäß kooptiert wurde. Gleichfalls möchte Herr Lüders zur nächsten regulären Wahl nicht mehr kandidieren, so dass auch hier eine Vertretung gesucht wird.

Zwei Vorträge steuerte Herr Steffen Langusch aus Salzwedel aus aktuellem Anlass bei. Er referierte kenntnisreich und mit vielen Details „Zur urkundlichen Ersterwähnung Salzwedels im Jahr 1112.“ Im Jahr 2012 beging die Stadt Salzwedel mit mehreren Veranstaltungen das Jubiläum der Ersterwähnung des Ortsnamens Salzwedel im Jahre 1112. Der Referent ging dabei auf die verschiedenen schriftlichen Überlieferungen zu diesem Datum ein und erläuterte deren historische Hintergründe bzw. Bezüge.

Der Name Salzwedel taucht in mehreren Überlieferungen im Zusammenhang mit dem Jahr 1112 erstmals auf. Bei dem wichtigsten Dokument handelt es sich um eine Urkunde Kaiser Heinrich V. aus diesem Jahr, andere Verweise sind in verschiedenen Chroniken enthalten. Heinrich V. unterzeichnete am 16. Juni 1112 in einem Ort namens „Salzvvitele“ eine Urkunde. Der Inhalt dieses Dokumentes bezog sich nicht auf den damaligen Aufenthaltsort Salzwedel. Vielmehr bestätigte Heinrich V. hier den Tausch von Ländereien in anderen Gegenden. Steffen Langusch gab neben den Erläuterungen zu den historischen Quellen auch einen ausführlichen Überblick zu deren Editionsgeschichte.

Der zweite Vortrag des Referenten war auch einem Jubiläum, wenn auch einem wesentlich jüngeren, gewidmet. Er beschäftigte sich mit folgendem Thema „Die Wurzeln meiner geschichtlichen Arbeit liegen sozusagen um das Neupervertor herum ... - Friedrich Meinecke und seine Beziehungen zu Salzwedel.“

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Im Jahre 2012 jährte sich der Geburtstag des bedeutenden deutschen Historikers und Ehrenrektors der Freien Universität Berlin Friedrich Meinecke (1862-1954) zum 150. Mal. Friedrich Meinecke wurde am 30. Oktober 1862 in Salzwedel geboren und verbrachte hier einen Teil seiner Kindheit. Steffen Langusch stellte ausführlich und detailliert Materialien vor, die diese Beziehungen belegen. Der Vortragstitel ist einem kleinen autobiografischen Bericht von Friedrich Meinecke aus dem Jahre 1933 anlässlich der 700-Jahrfeier der Altstadt Salzwedel entnommen. Später weilte der hochbetagte Historiker noch einmal auf Einladung der Stadt Salzwedel anlässlich der 700-Jahrfeier der Neustadt Salzwedel im Jahre 1947 hier.

Abb. 11 Referent Dr. Peter Knüvener

Den dritten Vortrag des Vormittags gestaltete der renommierte Kunsthistoriker Dr. Peter Knüvener aus Berlin, der sich bereits mit einer Reihe von Projekten zur mittelalterlichen Plastik in der Mark Brandenburg beschäftigt hat. Bei seinen Recherchen stieß er auf eine Reihe von sakralen Kunstwerken aus der Altmark, die sich nicht mehr an ihrem ursprünglichen Standort befanden bzw. nur noch in Einzelteilen in anderen Zusammen- hängen aufzufinden waren. Er nannte seine Vortrag deshalb: Altmärkische

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„Wanderkunstwerke". Mittelalterliche Kunstwerke aus Kirchen der Altmark und ihre Schicksale im 20. Jahrhundert. Der Referent gab einen interessanten Einblick in die Schicksale einzelner Werke.

Nach dem Essen begaben sich dann alle Teilnehmer zum Johann-Friedrich- Danneil-Museum. Hier gab Lothar Mittag einen Einführungsvortrag zur Jahresausstellung des Museums, die anschließend dann besichtigt werden konnte. Herr Mittag stellte die Konzeption der Ausstellung „Schätze der Bronzezeit. Archäologische Kostbarkeiten aus der Altmark“ und ausgewählte Funde bzw. Fundkomplexe vor.

Die Ausstellung wurde hauptsächlich mit Stücken aus der umfangreichen Sammlung des Danneil-Museums bestritten, einige Leihgaben aus auswärtigen Museen komplettierten die Schau. Zahlreiche dieser interessanten und bedeutenden Fundstücke aus der gesamten Altmark aus der Bronzezeit kamen bereits im 19. Jahrhundert in die Sammlungen des altmärkischen Geschichtsvereins. Aus diesen Sammlungen entstand dann im Jahre 1932 das Danneil-Museum. Die Funde in der Ausstellung repräsentieren die gesamte Altmark. Neben vielen Grabbeigaben gibt es auch eine Reihe sogenannter Hort- oder Depotfunde.

Nach der Ausstellungsbesichtigung klang der Tag mit einem Kaffeetrinken im Café Kruse aus.

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Mitglieder Der Verein hatte mit Stand 31. Dezember 2012 insgesamt 128 Mitglieder. Im Jahre 2012 erfuhren wir vom Tod zweier Mitgliedern und eines früheren Vereinsvorsitzenden. Wir werden ihnen ein ehrendes Gedenken bewahren: † Herr Helmut Wenzel, Seehausen, Altmark † Herr Siegfried Brenner, Kalbe, Milde † Herr Günter Stappenbeck, Hannover

Es konnten sieben neue Mitglieder gewonnen werden, die an dieser Stelle nochmals herzlich begrüßt seien: Frau Traute Scheer, Jesteburg Frau Bärbel Hornemann, Stendal Herr Uwe Werner, Lüderitz Herr Dr. Frank Zimmermann, Seehausen, Altmark Herr Christian Friedrichs, Letzlingen, Herr Alfred Lötge, Kalbe, Milde, OT Kakerbeck Herr Wolfgang Quast, Denzlingen

Vorstand Die derzeitigen Vorstandsmitglieder sind:

Prof. Dr. Bernhard von Barsewisch Vorsitzender, 16928 Groß Pankow, Pankeweg 15 Frank Riedel Stellvertretender Vorsitzender, 16818 Wustrau, Am Schloß 2 Ulrich Kalmbach Schriftführer, 29410 Salzwedel, Neutorstraße 39 Henning Krüger Kassenwart, 39624 Kalbe, Milde, Alte Bahnhofstraße 6 Sigrid Brückner Beisitzer, 39590 Tangermünde, Neue Straße 44 Steffen Langusch Beisitzer, 29410 Salzwedel, Lohteich 16 Manfred Lüders Beisitzer, 29410 Salzwedel, Westring 13

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Kassenbericht Rechnungslegung für das Kalenderjahr 2012

von Henning Krüger

Sparkasse Altmark West Bestand am 30.12.2011 1.149,94 € Einnahmen: Mitgliedsbeiträge 2.920,00 € Spenden 562,00 € Verkauf von Jahresberichten 0,00 € Sonstige Einnahmen (u.a. Zinsen, Zuschüsse) 0,00 € 4.631,94 € Ausgaben: Büromaterial, Porto, Druckkosten, Sonstiges - 747,41 € Bestand am 31. Dezember 2012 3.884,53 €

Volksbank Salzwedel Bestand am 30.12.2011 1.452,08 € Einnahmen: Mitgliedsbeiträge 360,00 € Spenden 56,45 € Verkauf von Jahresberichten 0,00 € Sonstige Einnahmen (u.a. Zinsen, Zuschüsse) 0,00 € 1.868,53 € Ausgaben: Büromaterial, Porto, Druckkosten, Sonstiges 0,00 € Bestand am 31. Dezember 2012 1.868,53 €

Gesamtbestand am 31. Dezember 2012 5.753,06 € ======

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Nachruf Günter Stappenbeck (1927 - 2012)

von Manfred Lüders

Mit der Herstellung der Einheit Deutschlands am 3. 10. 1990 wurden Bedingungen geschaffen, die zur Überwindung der mehr als ein halbes Jahrhundert gespaltenen deutschen Nation angetan waren. Vertraglich wurden dazu von Beauftragten der einstigen beiden deutschen Staaten Maßnahmen erarbeitet, über die Regelung der Wirtschafts-, Sozial- und Währungsangelegenheiten zu einer möglichst baldigen Einheit der Deutschen zu gelangen. An diesem nicht widerspruchsfreien, auch unseren Verein betreffenden Prozess, hatte unser Vereinsmitglied Herr Günter Stappenbeck, am 12. August 2012 in Hannover verstorben, maßgeblichen Anteil.

Günter Stappenbeck wurde am 26. 6. 1927 in Salzwedel als Sohn des Konditormeisters William Stappenbeck und dessen Ehefrau Margarete geboren. Im Burgcafe nahe der Mönchskirche verlebte er seine Kindheit. Er besuchte die nahegelegene Knabenschule I am Schulwall und später die Jahn- Oberschule vor dem Lüchower Tor. Marinehelfer und Reichsarbeitsdienst folgten während der letzten Kriegsjahre, ein kurzer Wehrmachtseinsatz endete in einer ebenso kurzzeitigen Kriegsgefangenschaft 1945.

Das nach Kriegsende zahllose Familien und nahezu alle Wirtschaftsbereiche umspannende Chaos schreckte ihn ab, einen Handwerksberuf zu erlernen, Verwaltungstätigkeiten schienen in dieser Zeit des umfassenden Neubeginns vielversprechender zu werden. Im Landratsamt Salzwedel fand er einen

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Ausbildungsplatz. Nach Absolvierung der Landesverwaltungsschule wurde ihm die Mitarbeit bei der Durchsetzung der Bodenreform zugewiesen. 1951 verließ er seine Geburtsstadt in Richtung Westdeutschland. Ein neuer Wirkungskreis bot sich ihm in Hannover. Hier absolvierte er die Leibniz- Akademie (A. für Verwaltung und Wirtschaft). Sein anschließendes Berufsleben als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater beendete er 1990.

Trotz der geografischen und „politischen" Entfernung zu seiner Heimatstadt begleiteten ihn stets ihre nie verlöschenden Bilder. Darum suchte er schon bald Kontakt zu den Exilsalzwedelern, die in der 1956 ins Leben gerufenen „Arbeitsgemeinschaft des altmärkischen Geschichtsvereins" ihrem heimat- bezogenen Gedankengut lebten. Zur Gründung dieser Gemeinschaft hatten sich ehemalige und jetzt in der BRD und West-Berlin lebende Mitglieder unseres Vereins zusammengefunden, nachdem in der DDR bürgerliche Vereine 1952 für aufgelöst erklärt worden waren. Günter Stappenbeck fand 1959 Aufnahme in dieser Übergangsgemeinschaft.

Die u. a. altersbedingte Reduzierung der Mitgliederanzahl und die daraus resultierende drohende Vereinsauflösung im Jahre 1981 motivierten G. Stappenbeck, den ihm angetragenen Aufgabenbereich des 1. Vorsitzenden anzunehmen. In dieser Funktion, die er bis 1992 wahrnahm, sorgte er maßgeblich dafür, mittels einer 1982 verfassten Erklärung gegenüber dem Finanzamt in Bremen, die in der Bundesrepublik ansässige Nachfolge- gemeinschaft des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel (gegründet 1836) nicht der Auflösung preiszugeben. Diesem, seinem Verantwortungsbewußtsein verdankt unser Verein das Fortbestehen, hinweg über eine Zeit scheinbar unüberwindbarer politischer Gegensätze. Die sich abzeichnende politische Wende in der DDR motivierte ihn und den Führungsstab der AG Vorsorge zu treffen, um zu gegebener Zeit in die angestammte altmärkische Heimat zurückkehren zu können. Im wend- ländischen Lüchow, 12 km vom historischen Sitz des ehemaligen Stamm- vereins entfernt, aber immer noch durch eine Staatsgrenze von diesem getrennt, boten sich Möglichkeiten zur Deponierung des zwischenzeitlich gesammelten umfangreichen Schriftenmaterials zu seiner Nutzung und Ergänzung. Nach der 1992 erfolgten Rückführung bildete es den Grundstock für die vereinseigene „Neubibliothek".

Günter Stappenbeck wird durch sein Wirken mit der Geschichte unseres Vereins dauerhaft in Ehren verbunden bleiben.