Deutscher Bundestag Drucksache 10/243 10. Wahlperiode
Sachgebiet 703
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit in den Jahren 1981/1982 sowie über Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet (§ 50 GWB)
Stellungnahme der Bundesregierung
I. Abbau von Subventionen auf mittlere Sicht. Fehl- entwicklungen auf diesen Feldern haben zu teilwei- Die Festigung des marktwirtschaftlichen Systems sem Marktversagen geführt. Die notwendigen Kor- ist eine der Grundvoraussetzungen für die Lösung rekturen erfordern eine möglichst konsequente An- der derzeitigen Wachstums- und Beschäftigungs- wendung wettbewerblicher Prinzipien auf allen Fel- probleme ohne Dirigismus und Protektionismus. dern der Wirtschaftspolitik, also auch dort, wo das Dabei müssen durch eine effiziente Wettbewerbs- wirtschaftliche Handeln der öffentlichen Hand ordnung die notwendigen Freiräume für die Wirt- nicht dem Kartellrecht unterliegt. schaft gewährleistet und ihr genügend Anreize ge- boten werden, diese Freiräume zu nutzen. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen als Im Zentrum der wirtschaftspolitischen Bemühun- Kernstück unserer Wettbewerbsordnung hat sich in gen der Bundesregierung werden in der nächsten den 25 Jahren seines Bestehens bewährt. Verände- Zeit Maßnahmen stehen mit dem Ziel, Vorausset- rungen am Instrumentarium sind auf absehbare zungen und Anreize zu schaffen, um private Initia- Zeit nicht erforderlich. Vier Novellierungen — zu- tive im Rahmen einer funktionsfähigen Wettbe- letzt 1980 — haben zu einer erheblichen Verfeine- werbsordnung zu beleben. Es geht darum, Investi- rung der wettbewerbsrechtlichen Instrumente ge- tionen, Innovation und Leistungsbereitschaft voll führt. Behörden, Gerichte und Wirtschaft sollen zur Entfaltung zu bringen und so die Voraussetzun- sich auch hier auf konstante Rahmenbedingungen gen für mehr Wachstum und Beschäftigung zu si- einstellen können. Wirksamkeit und Grenzen des chern. Dementsprechend gehört zu den dringlich- geltenden Rechts müssen nun über einen längeren sten ordnungspolitischen Aufgaben, die wirtschaft- Anwendungszeitraum erprobt werden. liche Betätigung des Staates zurückzuführen, bü- rokratische Einengungen zu beseitigen und ausrei- Die Bundesregierung anerkennt die Leistungen des chende Spielräume für die Übernahme unterneh- Bundeskartellamtes, das seinen Ruf als „Hüter des merischer Risiken zu erhalten bzw. zu schaffen. Wettbewerbs" in den nunmehr 25 Jahren seiner Tä- Nicht minder bedeutsam sind die Konsolidierung tigkeit ständig gefestigt hat, trotz mancherlei Kritik der öffentlichen Finanzen und der entschlossene aus Kreisen der Wirtschaft, des Rechts und der Po-
Zugeleitet mit Schreiben des Bundeskanzlers — 14 (42) — 610 19 — Ka 39/83 — Vom 13. Juli 1983 gemäß § 50 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode litik in Einzelfragen. Es hat zusammen mit der verfälschungen gegenüber kleineren Konkurrenten marktwirtschaftlich ausgerichteten Wirtschaftspoli- Anlaß geben könnten, konsequent entgegengetre- tik ein breites wettbewerbliches Bewußtsein ge- ten wird. schaffen, das bei Einführung des Kartellgesetzes noch kaum vorstellbar war. Die Wirksamkeit des Nach wie vor hatte ein bedeutender Teil der ange- Systems der Sozialen Marktwirtschaft wird am be- zeigten Zusammenschlüsse Auslandsbezug. Bei sten dadurch gewährleistet, daß Ordnungs- und mehr als 30 % der Inlandszusammenschlüsse, bei Wettbewerbspolitik ihren herausragenden Rang be- denen das erworbene Unternehmen seinen Sitz im halten und folgerichtig betrieben werden. Inland hatte, waren ausländische Erwerber betei- ligt. In knapp 14 % aller Zusammenschlüsse sind Unternehmen mit Sitz im Ausland erworben wor- II. den. An rd. 30 % dieser Auslandszusammenschlüsse waren deutsche Unternehmen beteiligt, der Rest Die Konzentrationsentwicklung war im Berichts- von 70 % entfiel auf ausländische Erwerber. Die Da- zeitraum von nachlassenden Zusammenschlußakti- ten unterstreichen erneut, daß angesichts der zu- vitäten der Unternehmen gekennzeichnet. Entge- nehmenden weltwirtschaftlichen Verflechtung Zu- gen dem steigenden Trend früherer Jahre hat sich sammenschlüsse mit grenzüberschreitender Wir- die Zahl der Zusammenschlüsse seit Mitte 1980 kung in der fusionsrechtlichen Praxis eine erhebli- leicht, aber stetig vermindert. Nach den Feststellun- che Rolle spielen. gen des Bundeskartellamtes sind die dort angezeig- ten Zusammenschlüsse mit 618 Fällen im Jahre 1981 und 603 Fällen im Jahre 1982 etwa auf das Dies stellt die Fusionskontrolle insofern vor beson- Niveau von 1979 zurückgegangen. Die Bundesregie- dere Herausforderungen, als es einer schwierigen rung begrüßt die hierin zum Ausdruck kommende Gratwanderung bedarf, zwischen dem Schutz der Tendenz, die auch von den Ergebnissen des 4. nationalen Märkte vor wettbewerbsschädlichen Hauptgutachtens der Monopolkommission gestützt Konzentrationsvorgängen einerseits und anderer- wird. Danach sind derzeit keine eindeutigen Anzei- seits der Erhaltung eines ausreichenden Spiel- chen für ein Fortschreiten der Unternehmenskon- raums für die Beteiligungsinvestitionen der deut- zentration erkennbar. Zugleich sieht sich die Bun- schen Wirtschaft im Ausland wie für ausländische desregierung in ihrer Einschätzung bestätigt, daß Unternehmen im Inland. Die hierin liegende Be- möglichen wettbewerbsschädlichen Konzentra- währungsprobe hat die Fusionskontrolle nach Auf- tionsprozessen mit dem geltenden fusionskontroll- fassung der Bundesregierung bisher bestanden. rechtlichen Instrumentarium wirksam begegnet werden kann. Dies gilt um so mehr, als sich der Die teilweise von ausländischer Seite geäußerte Schwerpunkt der Kontrollpraxis aufgrund der mit Kritik, die in der Untersagungspraxis des Bundes- der 4. Kartellnovelle erreichten Verbesserungen auf kartellamts vor- allem einen Ansatz zum Schutz der die präventive Fusionskontrolle verlagert hat, mit deutschen Wirtschaft vor der Übernahme durch der wettbewerblich unvertretbare Zusammen- ausländische Konkurrenten sieht oder auch umge- schlüsse bereits vor ihrem Vollzug und damit noch kehrt den völkerrechtlich unzulässigen Versuch, die vor Eintritt schwer rückgängig zu machender Wett- Zusammenschlußaktivitäten ausländischer Unter- bewerbsschäden unterbunden werden können. nehmen auf Auslandsmärkten zugunsten der hei- mischen Wirtschaft zu reglementieren, erscheint Mit 13 förmlich untersagten Zusammenschlüssen der Bundesregierung nicht gerechtfertigt. Der hat sich die Anzahl der Untersagungsentscheidun- Mehrheitserwerb der französischen THOMSON- gen gegenüber dem vorangegangenen Berichtszeit- BRANDT an der deutschen TELEFUNKEN RUND- raum nur unwesentlich erhöht. Zur Beurteilung der FUNK UND FERNSEH GMBH belegt, daß Aus- Effizienz der Fusionskontrolle müssen — abgese- landsinvestitionen, die die Wettbewerbsordnung im hen von ihrer allgemeinen generalpräventiven Wir- Inland nicht gefährden, kartellrechtlich unbean- kung — insbesondere auch die Projekte gesehen standet bleiben. Bei der Untersagung des Auslands- werden, die von den beteiligten Unternehmen frei- zusammenschlusses PHILIP MORRIS/ROTH- willig aufgegeben werden, nachdem mit einer kar- MANS hat sich gezeigt, daß das Bundeskartellamt tellbehördlichen Freigabe nicht gerechnet werden in Auslandsfällen bereits bei der Entscheidungsfin- konnte. Ihre Zahl ist im Berichtszeitraum um wei- dung die völkerrechtlichen Aspekte prüft und dem tere 25 Fälle auf nunmehr 86 gestiegen. völkerrechtlichen Einmischungsverbot dadurch Schwerpunkte der Untersagungspraxis lagen vor Rechnung tragen kann, daß es die Rechtswirkung allem im Pressesektor und erstmalig auch im Han- seiner Entscheidung streng auf das Inland be- delsbereich, wo das Bundeskartellamt die durch die schränkt. 4. Kartellnovelle eröffneten Möglichkeiten zur Kon- trolle von Firmenaufkäufen auf den für den Handel Von den 13 Untersagungsentscheidungen des Bun- besonders bedeutsamen Regionalmärkten in zu- deskartellamtes haben lediglich zwei zu Anträgen nehmendem Maße ausgeschöpft hat. Die Bundesre- auf Ministererlaubnis geführt. Der Zusammen- gierung sieht hierin einen wichtigen Beitrag der schlußfall IBH HOLDING/WIBAU betraf den Fusionskontrolle zur Begrenzung der Nachfrage- Markt für Asphaltmischanlagen. Das Bundeskar- macht im Handel, indem bereits dem Aufbau tellamt hatte den Erwerb des größten deutschen marktstarker Positionen, die zu Mißbräuchen auf Herstellers von Asphaltmischanlagen WIBAU der Nachfragerseite und zugleich zu Wettbewerbs durch die zu den zehn größten internationalen Bau- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243 maschinenkonzernen gehörende IBH untersagt, III. weil hierdurch nach Auffassung des Amtes die überragende Marktstellung von WIBAU gegenüber Die Bemühungen der Bundesregierung, die vielfäl- kleinen und mittleren Wettbewerbern gestärkt wür- tigen staatlichen Tätigkeiten verstärkt an wettbe- de. Demgegenüber hatte die Monopolkommission werblichen Prinzipien auszurichten, werden sich im Ministererlaubnisverfahren wegen der zu erwar- unter anderem auf die künftige Medienordnung, die tenden überwiegenden Verbesserungen der inter- neuen Kommunikationsmärkte und das öffentliche nationalen Wettbewerbsfähigkeit und damit ver- Auftragswesen erstrecken. bundenen Sicherung von Arbeitsplätzen empfohlen, den Zusammenschluß zu erlauben. Der Bundesmi- In der Regierungserklärung vom 4. Mai 1983 hat die nister für Wirtschaft ist dieser Empfehlung im Er- Bundesregierung angekündigt, daß sie sehr bald gebnis gefolgt. Er hat seine Entscheidung jedoch den Dialog über die Medienordnung der Zukunft vor allem auf die Erwägung gestützt, daß der Zu- mit den Ländern suchen wird. Unter wettbewerbli- sammenschluß den Marktzutritt der WIBAU auf chen Gesichtspunkten wäre es zu begrüßen, wenn Auslandsmärkten dauerhaft verbessert hat. Dem die Landesgesetzgeber die Rahmenbedingungen Arbeitsplatzargument ist im Einklang mit der bis- für neue Rundfunkveranstalter so ausgestalten herigen Praxis insofern Bedeutung beigemessen würden, daß von vornherein das Entstehen oder die worden, als die beschäftigungssichernde Wirkung Verstärkung marktbeherrschender Positionen auf des Zusammenschlusses bei der WIBAU insgesamt diesen oder traditionellen Medienmärkten verhin- keine nachteiligen Folgen für die Branche hatte. dert wird. Bestehende Machtpositionen sollten mit Hiervon konnte deshalb ausgegangen werden, weil Hilfe der neuen Medien eher aufgelockert und ab- sich die bei WIBAU eintretende Verbesserung der gebaut, aber nicht verfestigt werden. Aus wettbe- Arbeitsplatzsituation angesichts der hohen Export- werbspolitischer Sicht müßte versucht werden, die- orientierung der gesamten Branche nicht zu Lasten ses Ziel vorrangig durch strukturelle Lösungen -zu der Beschäftigungslage der inländischen Wettbe- erreichen, die eine spätere Verhaltenskontrolle werber auswirkte. Insgesamt hätte jedoch keiner marktstarker Anbieter überflüssig machen und das der beiden vorgetragenen Gemeinwohlgründe iso- Risiko von Vermachtungen von vornherein eingren- liert die Entscheidung zu tragen vermocht. zen. Denn zu Recht hat das Bundesverfassungsge- richt darauf hingewiesen, daß einmal eingetretene Fehlentwicklungen (i. S. der Konzentration von Im Zusammenschlußfall BURDA/SPRINGER, der Meinungsmacht und der Gefahr ihres Mißbrauchs) für die Wettbewerbsverhältnisse im Pressebereich kaum rückgängig gemacht werden können besondere Bedeutung hatte, ist das Ministererlaub- (BVerfGE 57, 295, 323). nisverfahren ohne förmliche Entscheidung abge- schlossen worden. Das Bundeskartellamt hatte die Das Wettbewerbsrecht allein kann diese Aufgabe geplante Übernahme einer 26 %-Beteiligung von nicht erfüllen. Nach geltendem Recht ist marktbe- BURDA am AXEL-SPRINGER-VERLAG sowie die herrschenden -Unternehmen der Eintritt in andere vorgesehene Aufstockung dieser Beteiligung auf Märkte auf dem Wege internen Unternehmens- 51 % untersagt, weil nach Auffassung des Amtes der wachstums grundsätzlich gestattet. Das gilt auch, Zusammenschluß auf dem Pressevertriebsmarkt, wenn als Ergebnis die Vereinigung leistungsver- im Anzeigenbereich der Publikumszeitschriften wandter und sich räumlich überdeckender Mono- und im Tiefdrucksektor zu marktbeherrschenden pole in einer Hand zu erwarten wäre. Auch kann Oligopolen geführt und darüber hinaus die überra- das Wettbewerbsrecht den Markteintritt durch gende Marktstellung des SPRINGER-VERLAGES unternehmensübergreifende Kooperationsformen bei Straßenverkaufs- und Sonntagszeitungen sowie nicht verhindern, wenn diese weder als Kartell faß- für Programm-Zeitschriften verstärkt hätte. Die bar sind noch als gemeinsam beherrschte Unter- Monopolkommission gelangte in ihrer Stellung- nehmen oder Gemeinschaftsunternehmen der Fu nahme zum Antrag der Beteiligten auf Erteilung sionskontrolle unterliegen. Die gerade von Gemein- einer Ministererlaubnis zu dem Ergebnis, daß das schaftsprojekten ausgehenden wettbewerbsdämp- Vorhaben — angesichts der Zusammenfassung der fenden Gruppeneffekte können aber die in der In- technischen und finanziellen Ressourcen der bei- tensivierung des intermediären Wettbewerbs lie- den im Inland auf den Größenrängen zwei und vier genden Chancen für eine Verbesserung der Mei- liegenden Medienkonzerne — nicht nur den wirt- nungsvielfalt durch das Hinzutreten der neuen Me- schaftlichen Wettbewerb der Presse beeinträchti- dien erheblich mindern. gen, sondern darüber hinaus auch die Meinungs- vielfalt im Pressewesen gefährden würde. Vor dem Aus diesen Gründen wäre beispielsweise daran zu Hintergrund dieses eindeutigen Votums haben die denken, bestimmte Restriktionen bei der Zulassung Antragsteller beim Bundesminister für Wirtschaft einzuführen, sofern ein Antragsteller, der den Zu- das Ruhen des Verfahrens beantragt, um die Mög- gang zu einem neuen Medium begehrt, auf einem lichkeiten für erlaubnisfähige Zusammenschlußal- traditionellen Markt eine beherrschende Stellung ternativen zu überprüfen. Als Ergebnis dieser Über- innehat. Diese Restriktionen könnten flexibel in legungen haben die Antragsteller ihr Vorhaben auf Form eines abgestuften Systems bis hin zur Versa- eine , Finanzbeteiligung von 24,9 % zurückgeführt, gung der Erlaubnis ausgestaltet werden. Ebenso die BURDA keine unternehmerischen Einfluß wäre es zweckmäßig, wenn es einem Träger von rechte auf Springer gewährt. Zugleich haben sie Übertragungseinrichtungen versagt wäre, gleichzei- den Erlaubnisantrag beim Bundesminister für Wirt- tig als Programmveranstalter aufzutreten. Andern- schaft zurückgenommen. falls könnte die Netzneutralität nur durch eine per- Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode manente Verhaltenskontrolle gewährleistet wer- IV. den, mit der im wettbewerblichen Bereich in der Vergangenheit nicht gerade ermutigende Erfahrun- Bei der Durchsetzung des Kartellverbots stehen gen gesammelt worden sind. derzeit die beim Bundeskartellamt und einigen Landeskartellbehörden anhängigen Kartellbußver- Die Entwicklung der neuen Informations- und fahren wegen des Verdachts von Submissionsab- Kommunikationstechniken erfordert den Beitrag sprachen im Mittelpunkt des öffentlichen Interes- der Deutschen Bundespost und der privaten Wirt- ses. Die Bundesregierung sieht, daß die Bauwirt- schaft. Die Deutsche Bundespost wird in Erfüllung schaft mit branchenspezifischen Besonderheiten ihres gesetzlichen Auftrages, eine leistungsfähige fertig werden muß, die in bestimmten Situationen Fernmeldeinfrastruktur sicherzustellen, mit Nach- ein wettbewerbskonformes Verhalten erschweren druck für eine Fortsetzung des Ausbaus der Kom- können. Zu diesen Besonderheiten gehört vor allem munikationsnetze sorgen. Dabei wird die Bundesre- auch die starke Abhängigkeit vieler Bereiche des gierung darauf achten, daß der Spielraum des Fern- Bausektors von öffentlichen Aufträgen, die sich nur meldeanlagengesetzes in liberaler und flexibler schwer verstetigen lassen. Zudem müssen der ten- Weise genutzt und der privaten Wirtschaft soweit denziell starke Preiswettbewerb und die begrenzte wie möglich Raum gegeben wird. Dies gilt auch für Markttransparenz im Bauwesen gesehen werden. den Ausbau der Rundfunk-Verteilnetze. Diese Gründe können jedoch weder Abwehrreaktio- nen in Form von Gesetzesübertretungen noch eine Die Bundesregierung wird darauf sehen, daß bei kartellrechtliche Sonderbehandlung rechtfertigen. der Weiterentwicklung bestehender und der Ein- Denn auch andere Wirtschaftszweige weisen ähnli- führung neuer Fernmeldedienste durch die Deut- che Bedingungen oder weitere branchenspezifische sche Bundespost der wettbewerbliche Suchprozeß Faktoren auf, die die Ausschaltung des Wettbe- privater Anbieter bei neuen Endgeräten nicht be- werbs durch Absprachen begünstigen. Die Bundes- hindert wird. Auf diese Weise wird es möglich sein, regierung ist der Auffassung, daß das geltende kar- das Innovations- und Beschäftigungspotential zur tellrechtliche Instrumentarium auch den branchen- Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähig- typischen Verhältnissen des Bausektors Rechnung keit unserer Wirtschaft stärker auszuschöpfen. tragen kann. Die Bundesregierung wird bei verkehrsrechtlichen Gleichwohl steht die Bundesregierung mit den be- Tarifgenehmigungen wettbewerbliche Grundsätze troffenen Wirtschaftskreisen und den anderen Ge- verstärkt anwenden, auch soweit das Gesetz gegen bietskörperschaften im Gespräch über die viel- Wettbewerbsbeschränkungen nicht unmittelbar an- schichtigen Probleme der Bauwirtschaft mit dem wendbar ist. Die Freistellung verkehrsrechtlich ge- Ziel, Möglichkeiten für eine weitere Verbesserung nehmigter Entgelte nach § 99 Abs. 1 GWB läßt der Rahmenbedingungen für den Baumarkt auszu- durchaus eine angemessene Berücksichtigung wett- loten. Dabei sollen auch die für die Bauwirtschaft bewerbsrechtlicher Grundsätze zu. besonders bedeutsamen Fragen der kartellrechtli- Im Hinblick auf die in manchen Bereichen beste- chen Möglichkeiten zur Bildung von Bieter-Ge- hende Nachfragemacht der öffentlichen Hände ver- meinschaften und zur Verbesserung der Markt- folgt die Bundesregierung weiter das Ziel, das öf- transparenz weiter abgeklärt werden. Diese Bereit- fentliche Auftragswesen wettbewerbsorientiert zu schaft findet jedoch ihre Grenzen in dem geltenden gestalten. Darauf ist besonders bei der Aufstellung Kartellrecht. Es bleibt der Bauwirtschaft unbenom- von neuen Regelwerken zu achten, in denen Verga- men, die auftretenden Probleme, insbesondere auch be- und Vertragsbedingungen für öffentliche Auf- von transparenzverbessernden Meldesystemen zur träge festgeschrieben werden sowie bei deren Kon- Entscheidung der Gerichte zu stellen, um die Trag- kretisierung in Richtlinien und Vertragsmustern. weite des Kartellgesetzes auch insoweit rechtsver- Diese Regelungen dürfen nicht zu mißbräuchlichen bindlich feststellen zu lassen. oder diskriminierenden Verhaltensweisen der öf- Unabhängig davon werden die Kartellbehörden fentlichen Nachfrager führen. Sind sie unter die- auch weiterhin eine Teilnahme an rechtlich unzu- sem Aspekt bedenkenfrei gestaltet, so ist ihr In- lässigen Submissionsabsprachen nach den Vor- krafttreten kartellrechtlich unproblematisch, wenn schriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbe- der aufstellende Hoheitsträger sie nur für seinen schränkungen verfolgen. Sie haben allerdings auch Bereich anwendet. Bei einer einheitlichen Anwen- darauf zu achten, daß öffentliche Auftraggeber ihre dung durch kommunale Gebietskörperschaften auf- Marktstellung — gerade bei den derzeit vorhande- grund von Empfehlungen stellt sich das Problem nen Haushaltsrestriktionen — nicht dazu benutzen, der Konkurrenz zwischen dem wettbewerbsrechtli- Baurisiken unangemessen auf die Auftragnehmer- chen Kartell- und Empfehlungsverbot und dem Ziel, seite zu verlagern. einheitliche Vergabe- und Vertragsmodalitäten zu haben. V. Um solche Zielkonflikte für die Praxis möglichst einzugrenzen, wird die Bundesregierung im Zusam- Zur Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende menwirken mit dem Bundeskartellamt alle Mög- Unternehmen hat der Bundesgerichtshof in seiner lichkeiten nutzen, um die wettbewerbliche Ausge- Entscheidung „gemeinsamer Anzeigenteil" vom wogenheit solcher Regelungen sicherzustellen und 9. November 1982 (WuW/E BGH 1965) klargestellt, Beschwerden bei ihrer Anwendung im Einzelfall daß auch nach der Neufassung durch die Vierte nachzugehen. Kartellgesetznovelle ein Ausbeutungsmißbrauch Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243 i. S. des § 22 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 GWB dann nicht vor- nachdrücklich, daß der selektive Vertrieb grund- liegt, wenn das Verhalten sachlich gerechtfertigt ist. sätzlich ein legitimes Absatzinstrument ist. Nur im Die Bundesregierung begrüßt diese Klarstellung Ausnahmefall, z. B., wenn marktmächtige Herstel- durch den Bundesgerichtshof. Der Mißbrauchsauf- ler durch kollektive Lieferverweigerung einzelne sicht kann in einer Wettbewerbswirtschaft nur der Märkte abschotten oder das Vertriebssystem als Charakter eines auf Ausnahmefälle beschränkten „Preisbindungs-Ersatz" mißbraucht wird, kann eine Hilfsinstruments zukommen. Sie ist nicht in der Lieferpflicht in Betracht kommen. Lage, die Steuerung der Märkte durch den Wettbe- werb zu ersetzen. Die Berücksichtigung sachlich In diesem Zusammenhang ist auf die differenzie- rechtfertigender Gründe für das Verhalten des rende und auf die Umstände des Einzelfalles auf Marktbeherrschers bedeutet nicht dessen Privile- der Grundlage einer wettbewerbsorientierten Ge- gierung gegenüber anderen Marktteilnehmern und samtabwägung abstellende Rechtsprechung des auch nicht eine Aushöhlung des für die Miß- Bundesgerichtshofes, wie sie sich in den letzten brauchsaufsicht grundsätzlich geltenden Wettbe- Jahren herausgebildet hat, hinzuweisen. Danach werbsmaßstabs. Vielmehr trägt eine Betrachtung, hat das Gericht § 26 Abs. 2 GWB einerseits mit der die auch die Situation des Marktbeherrschers unter gebotenen Konsequenz auf diskriminierende Prak- dem Gesichtspunkt rechtfertigender Gründe im tiken marktstarker Hersteller angewandt, anderer- Rahmen einer Interessenabwägung mit einbezieht, seits aber auch den Erfordernissen, die an ein funk- dem Umstand Rechnung, daß bei der Mißbrauchs- tionierendes Vertriebsbindungssystem zu stellen aufsicht auch ein auf dem Vergleichsmarktkonzept sind, Rechnung getragen. Insbesondere stellt diese beruhender Beurteilungsmaßstab als eine exogene Rechtsprechung des BGH klar, daß ein Nachfrager, Größe für die Bewertung von Unternehmensverhal- der einen Belieferungsanspruch nach § 26 Abs. 2 ten nur bedingt geeignet ist. Dies erfordert entspre- GWB geltend macht, grundsätzlich zunächst — also chende Zurückhaltung bei der Anwendung. vor der Belieferung — die sachlichen und personel- len Voraussetzungen schaffen muß, die die Einglie- Ob sich allerdings aus der Notwendigkeit zur Be- derung in das Vertriebssystem des Anbieters erfor- rücksichtigung der schutzwürdigen Interessen des dern. Das grundsätzliche Recht des Herstellers, ei- Marktbeherrschers zwingend ergibt, daß ein nicht gene Absatzstrategien zu entwickeln und diese mit im Wettbewerb gebildeter Preis wirtschaftlich ge- den Mitteln vertikaler Vertriebsbindungen durch- rechtfertigt ist - und deshalb nicht mißbräuchlich zusetzen, kommt auch in der Entscheidung des sein kann, wenn er die Selbstkosten des Marktbe- BGH vom 22. September 1981 (WuW/E BGH 1829 — herrschers als Anbieter nicht deckt (Kammerge- „Original-VW-Ersatzteile II") zum Ausdruck, in der richt, Beschluß vom 12. März 1982, WuW/E OLG das Gericht dem Interesse von VW an der Bindung 2617), wird von der Rechtsprechung bei Gelegenheit seiner Vertragshändler zur Verwendung von Origi- noch näher zu prüfen sein. Wettbewerbspolitisch er- nal-Ersatzteilen (aus Sicherheitsgründen) den Vor- schiene es jedenfalls bedenklich, wenn dem markt- rang vor dem Interesse der Identteile-Hersteller an beherrschenden Unternehmen auf diese Weise eine einer Belieferung der Vertragswerkstätten ein- dem marktwirtschaftlichen System fremde Kosten- räumt. deckungsgarantie eingeräumt würde. Eine andere Frage ist es, ob ein Unternehmen, das nicht in der VII. Lage ist, am Markt die Deckung seiner Kosten zu erzielen, im Einzelfall als marktbeherrschend quali- Der verschärfte Wettbewerbsdruck hat die Versu- fiziert werden kann. chung wachsen lassen, aggressive Wettbewerbs- praktiken einzusetzen. Dies stellt die Kartellbehör- VI. den bei der Sicherung des Leistungswettbewerbs vor besondere Anforderungen. Die Bundesregie- Die tiefgreifenden Strukturveränderungen im Ein- rung begrüßt es, daß sowohl das Bundeskartellamt zelhandel während der letzten Jahre haben den als auch die Bayerische Landeskartellbehörde erste mittelständischen Fachhandel vor die Aufgabe ge- Schritte unternommen haben, um die Anwendbar- stellt, sich durch besondere Anstrengungen im ver- keit des § 37 a Abs. 3 GWB auf Niedrigpreisstrate- schärften Wettbewerb zu behaupten. Das gilt auch gien marktstarker Anbieter näher auszuloten. für jene Markenartikel-Hersteller, denen nachfra- gemächtige neue Vertriebsformen gegenüberste- Über den gesetzlichen Rahmen hinaus ist in diesem hen. Die Wettbewerbspolitik hat darauf zu achten, Zusammenhang in Wirtschaftskreisen auch wieder daß die Realisierung von — zum Teil hart um- das Thema eines generellen Verbots des Verkaufs kämpften — Marktchancen das Ergebnis von Lei- unter Einstandspreise diskutiert worden. Gegen ein stung bleibt und nicht auf dem mißbräuchlichen derartiges Verbot bestehen nach Auffassung der Einsatz von Marktmacht beruht. Die ordnungspoli- Bundesregierung erhebliche ordnungs- und wettbe- tische Rolle des Staates kann jedoch nicht über die werbspolitische Bedenken. Mit ihm wäre nicht nur eines „Schiedsrichters" hinausgehen. Reglementie- eine Einschränkung der wettbewerblichen Hand- rende Eingriffe in den Wettbewerbsprozeß gilt es lungsfreiheit der Unternehmen verbunden, viel- daher zu vermeiden. Der Einsatz des einschneiden- mehr läge in einem generellen Verbot des Verkaufs den Instruments des Kontrahierungszwangs (§ 26 unter Einstandspreis zugleich eine marktwirt- Abs. 2 GWB) ist deshalb nur als ultima ratio im Ein- schaftswidrige Anerkennung des Prinzips der Ko- zelfall gerechtfertigt, denn im Prinzip ist ein Belie- sten als Leistungsmaßstab und damit ein Einstieg ferungszwang in einem marktwirtschaftlichen Sy- in die Preiskontrolle. Den Nachteil hätten gerade stem ein Fremdkörper. Die Bundesregierung betont die kleinen und mittleren Unternehmen, wenn sie Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
durch eine derartige Reglementierung gezwungen nach unterliegt eine Einkaufsgemeinschaft auch würden, ihre Verkaufspreise an solchen Einkaufs- dann dem Kartellverbot des § 1 GWB, wenn zwar preisen auszurichten, die ungünstiger sind als die keine rechtliche, aber doch eine faktisch-wirtschaft- Einkaufspreise ihrer großen Konkurrenten mit vor- liche Bezugsverpflichtung erkennbar ist. Dies ist teilhafteren Einkaufsbedingungen. In ihren negati- nach Auffassung des Kammergerichts dann der ven Wirkungen nicht zu unterschätzen wären auch Fall, wenn ohne die Bündelung der Nachfrage aller die Häufung von Verfahrensrisiken für die Unter- Kooperationsmitglieder die Gesamtabnahmemenge nehmen, die Entmutigung der Unternehmer und die nicht hoch genug wäre, um die erstrebte Konditio- damit verbundene generelle Minderung der Wettbe- nen-Vergünstigung zu erreichen. Das Kammerge- werbsintensität. Eine Bürokratisierung des Wettbe- richt betont in seiner Entscheidung zwar ausdrück- werbs wäre aber gerade in Zeiten ausgeprägten lich, daß sich die Frage nach dem wettbewerbs- strukturellen Wandels, der ein hohes Maß unter- beschränkenden Charakter von Kooperationen nehmerischer Flexibilität voraussetzt, besonders beim Einkauf nicht mit wettbewerbspolitischen problematisch. Die Bundesregierung beabsichtigt Nützlichkeitserwägungen beantworten lasse. Die daher nicht, dem Gedanken eines Per-se-Verbots gesamtwirtschaftlich willkommene Folge eines be- des Verkaufs unter Einstandspreis näherzutreten. stimmten Marktverhaltens habe bei der Prüfung Sie ist vielmehr der Auffassung, daß das geltende der Tatbestandsmäßigkeit des § 1 GWB außer Be- Recht ausreicht, um — insbesondere mit § 37 a tracht zu bleiben. Andererseits hat das Gericht die Abs. 3 GWB — machtbedingten Beeinträchtigungen vom Bundeskartellamt dargelegten Faktoren, die des Wettbewerbs entgegenwirken zu können. Auf- das Amt veranlaßt haben, nicht zugleich auch gegen gabe der Kartellbehörde ist es dabei, durch einen die genossenschaftlichen Zusammenschlüsse der dem Willen des Gesetzgebers entsprechenden ein- EDEKA und Rewe vorzugehen, als „jedenfalls ver- zelfallbezogenen Vollzug die Vorteile dieser Vor- tretbar" bezeichnet. Für eine differenzierende Be- schrift gegenüber einem Per-se-Verbot zu wahren. trachtung, die den wettbewerbspolitisch erwünsch- Die Bundesregierung verfolgt die verschiedenen ten gemeinschaftlichen Einkauf kleiner und mittle- Niedrigpreispraktiken im Lebensmittelhandel mit rer Unternehmen weiterhin ermöglicht, ist daher großer Aufmerksamkeit, um festzustellen, ob sich nach wie vor Raum. hier unangemessene Konzentrationsbewegungen ergeben. Die zwischenbetriebliche Zusammenarbeit insbe- sondere kleiner und mittlerer Unternehmen zum Auch der Eigeninitiative der Wirtschaft kommt bei Zwecke der Leistungssteigerung hat im Berichts- der Sicherung des Leitungswettbewerbs besondere zeitraum weiter an Bedeutung gewonnen. Die Zahl Bedeutung zu. Der Bundesregierung ist bekannt, der Unternehmen, die an Mittelstandskooperatio- daß z. Z. Überlegungen bestehen, die im Jahre 1975 nen nach § 5 b beteiligt sind, hat sich gegenüber den von Verbänden des Handels, des Handwerks und Jahren 1979/80 von mehr als 800 auf über 1150 der Industrie erarbeitete „Gemeinsame Erklärung erhöht. Auch die Zahl der legalisierten § 5 b-Kartelle zur Sicherung des Leistungswettbewerbs" fortzu- ist 1981/82 — wenn- auch nicht in demselben Aus- schreiben. Eine derartige Selbsthilfemaßnahme, die maß — angestiegen. Etwa die Hälfte aller legalisier- zu einer Flankierung der Bemühungen des Gesetz- ten Mittelstandskartelle entfällt allein auf den Be- gebers und der Kartellbehörden führen könnte, ist reich Steine und Erden, so daß anzunehmen ist, daß zu begrüßen und sollte zügig weiterverfolgt wer- Unternehmen anderer Branchen den vom Gesetz- den. geber zugelassenen und gewollten Spielraum bis- lang keineswegs ausgeschöpft haben. VIII. Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren die Die Bundesregierung bekräftigt ihre positive Hal- Grenzen kartellfreier Kooperation, insbesondere tung zu leistungssteigernden, mittelstandsfördern- beim Vertrieb, enger gezogen. In eingen Fällen, bei den Einkaufskooperationen. Der gemeinschaftliche denen es um die Verlängerung schon legalisierter Einkauf kann die Leistungs- und Wettbewerbsfä- Mittelstandskartelle bzw. neu angemeldeter Kar- higkeit kleiner und mittlerer Unternehmen durch telle ging, ist das Bundeskartellamt zu einer enge- Rationalisierung der Beschaffung und Erzielung ren Abgrenzung für kartellrechtlich zulässige Ko- günstiger Einkaufspreise und -konditionen bei grö- operationen gekommen. Betroffen waren aus- ßeren Abnahmemengen verbessern. Damit wird ge- schließlich Hersteller von homogenen Massengü- genüber den Großbetriebsformen des Handels ein tern. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesmini- „struktureller Nachteilsausgleich" zugunsten jener sterium für Wirtschaft ein Forschungsinstitut mit Unternehmen gewährt, die für sich allein keine für der Erstattung eines Gutachtens zum Thema „An- die Erzielung günstiger Einkaufsbedingungen aus- wendung und Ausnutzung der kartellrechtlichen reichende Nachfrage entfalten können. Allerdings Kooperationserleichterungen nach § 5 b GWB und ist die Grenze der wettbewerbspolitisch erwünsch- ihre Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation ten Einkaufskooperation dort erreicht, wo erhebli- kleiner und mittlerer Unternehmen" beauftragt. che Nachfragevolumina lediglich zum Zwecke Das Gutachten kommt auf der Grundlage einer em- machtbedingter Erzielung von Sonderkonditionen pirischen Analyse zu der Schlußfolgerung, daß die zu Lasten von Marktgegenseite und Konkurrenten Zulassungspraxis der Kartellbehörden flexibel und ohne echte Leistungssteigerung zusammengefaßt eher zu großzügig sei. Demgegenüber ist von ande- werden. In dieser Hinsicht kommt der „HFGE-Ent- rer Seite der Vorwurf einer zunehmend restriktiver scheidung" des Kammergerichts vom 16. Juni 1982 werdenden Haltung des Bundeskartellamtes gegen- (WuW/E OLG 2745) besondere Bedeutung zu. Da über Kooperationen erhoben worden. Das Bundes-
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243 ministerium für Wirtschaft ist der Frage auf der richt des Bundeskartellamtes 1979/80 (Bundestags- Grundlage eines Berichts des Bundeskartellamtes Drucksache 9/565, S. VI f.) hingewiesen. und unter Einschaltung der Landeskartellbehörden nachgegangen und dabei zu dem Ergebnis gelangt, Am 1. Juni 1982 sind mit dem Inkrafttreten der daß die Vollzugspraxis des Bundeskartellamtes mit Zweiten Preisfreigabeverordnung vom 12. Mai 1982 der Entwicklung der Rechtsprechung in Einklang (BGBl. I S. 617) im Strombereich mehrere Preisvor- steht und der generelle Vorwurf einer gegenüber schriften aufgehoben worden. Durch die Aufhebung Kooperationen unangemessen restriktiven Haltung dieser Regelungen, insbesondere der Preisstoppver- nicht gemacht werden kann. Die Bundesregierung ordnung von 1936, ist bei Elektrizität der Sonderab- hält es jedoch für erforderlich, daß bei der Prüfung nehmerbereich der staatlichen Preisaufsicht entzo- von Kooperationen pauschalisierende Ansätze ver- gen und uneingeschränkt der kartellrechtlichen mieden und alle in Betracht kommenden Umstände Mißbrauchsaufsicht unterstellt worden. Damit des Einzelfalls berücksichtigt werden. Nur mit ei- konnte zugleich eine bessere Abgrenzung der Be- ner solchen Einzelfallbetrachtung kann den gerade fugnisse der Preisbehörden und der Kartellbehör- im Kooperationsbereich sehr unterschiedlichen Ge- den erreicht werden. gebenheiten angemessen Rechnung getragen wer- den. XI. Die EG-Kommission hat im Berichtszeitraum ihre IX. Bemühungen fortgesetzt, durch Ausbau und Fort- Am 1. Januar 1982 ist die von der pharmazeutischen entwicklung der kartellrechtlichen Rahmenbedin- Industrie beschlossene weitere Einschränkung der gungen ein System des unverfälschten Wettbe- Abgabe von Arzneimittelmustern in Kraft getreten. werbs im gemeinsamen Markt zu sichern. Vor dem Es dürfen nunmehr nur noch vier statt bislang Hintergrund unterschiedlicher wettbewerbspoliti- sechs Musterpackungen je Anforderung an den scher Bewertungen haben die hierzu zwischen den Arzt abgegeben werden. Der Bundesminister für Mitgliedstaaten und der Kommission geführten Be- Wirtschaft hatte hierzu mit Verfügung vom ratungen allerdings in vielen Fällen noch nicht zu 31. März 1981 nach § 8 GWB die kartellrechtliche dem Konsens geführt, der nach Auffassung der Erlaubnis erteilt. Die Bundesregierung erwartet Bundesregierung für die Einbettung der europäi- von der pharmazeutischen Industrie eine konse- schen Wettbewerbspolitik in den allgemeinen Inte- quente Handhabung der Selbstbeschränkungsmaß- grationsprozeß wünschenswert und notwendig er- nahme, damit im Interesse der Arzneimittelsicher- scheint. Die Bundesregierung sieht in den Instru- heit wie auch der Kostendämpfung im Gesundheits- menten der europäischen Wettbewerbspolitik ein wesen eine deutliche Einschränkung der Musterab- unverzichtbares Mittel zur Sicherung und zum Aus- gabe erreicht wird. bau des gemeinsamen Marktes gegen wettbewerbs- verfälschende- Maßnahmen auf der Ebene der Un- X. ternehmen und wird entsprechende Vorschläge der Kommission zu dessen Festigung, mit denen den Die mit der Vierten GWB-Novelle in Kraft getrete- wirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung getra- nen Neuregelungen im kartellrechtlichen Ausnah- gen wird, weiterhin unterstützen oder konstruktiv mebereich Versorgungswirtschaft (§§ 103, 103 a begleiten. GWB) zielen darauf ab, das System der geschlosse- nen Versorgungsgebiete durch Verstärkung von Seit dem 1. Januar 1983 ist die Verordnung (EWG) Wettbewerbselementen aufzulockern und damit Nr. 3604/82 über die gruppenweise Freistellung von eine den jeweiligen versorgungswirtschaftlichen Spezialisierungsvereinbarungen vom EWG-Kartell- Erfordernissen entsprechende größtmögliche Flexi- verbot in Kraft. Mit dieser Verordnung werden im bilität sicherzustellen. Die Bundesregierung hält es wesentlichen die Grundsätze der vorangegangenen für erforderlich, daß die hierzu neugeschaffenen Verordnung übernommen und für fünfzehn Jahre gesetzlichen Instrumente von den Kartellbehörden verlängert. Erstmalig werden auch Spezialisie- voll angewandt werden. Die Verwaltungspraxis hat rungskooperationen im Rahmen von Gemein- allerdings noch nicht den Grad an Intensität er- schaftsunternehmen gruppenweise freigestellt, so reicht, der der Zielsetzung der Neuregelungen ent- daß nunmehr auch Vereinbarungen, in denen sich spräche. Zwar hat das Bundeskartellamt die wich- die Beteiligten verpflichten, bestimmte Erzeugnisse tige Frage der Behandlung von Verlängerungs- nur gemeinsam herzustellen oder herstellen zu las- klauseln in Altverträgen inzwischen vor den Bun- sen, zulässig sind. Die mit dieser Neuregelung ver- desgerichtshof gebracht. Die nicht minder klä- bundenen Erleichterungen der mittelständischen rungsbedürftige Problematik des sog. gespaltenen Kooperation, die auch nach Auffassung der EG- Wegebenutzungsrechts in Konzessionsverträgen, Kommission vielfach dem allgemeinen Interesse bei dem neben die Abrede eines auf 20 Jahre befri- der Gemeinschaft dient, werden von der Bundesre- steten ausschließlichen Wegebenutzungsrechts die gierung begrüßt. Vereinbarung eins darüber hinausgehenden einfa- chen Wegerechts tritt, ist bisher jedoch von keiner Angesichts der fortbestehenden Meinungsunter- Kartellbehörde zum Gegenstand einer Verfügung schiede zwischen Kommission und Mitgliedstaaten gemacht worden. Auf die Bedeutung der strikt zu über eine Nachfolgeregelung der Verordnung handhabenden Befristung der Gebietsschutzver- Nr. 67/67 über die Gruppenfreistellungen von Al- träge nach § 103 a GWB hat die Bundesregierung leinvertriebsvereinbarungen, die bis zum 31. De- bereits in ihrer Stellungnahme zum Tätigkeitsbe zember 1982 gültig war, hat die Kommission diese Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
Verordnung bis zum 30. Juni 1983 verlängert. Als gestaltung und Anwendung die effiziente Durchset- Nachfolgeregelung strebt die Kommission jeweils zung der mit ihr verfolgten wettbewerbspolitischen gesonderte Verordnungen für Alleinvertriebsve- Ziele sichergestellt sein muß. Die in den Ände- reinbarungen sowie für Alleinbezugsvereinbarun- rungsvorschlägen zum Ausdruck kommende Ab- gen zum Zwecke des Weiterverkaufs mit Sonderre- schwächung der wettbewerblichen Ausrichtung des gelungen für Bierlieferungs- und Tankstellenver- ursprünglichen Kommissionsvorschlags lassen träge an. Demgegenüber ist die Bundesregierung Zweifel berechtigt erscheinen, ob diese Grundvor- mit der Mehrheit der übrigen Mitgliedstaaten im aussetzung erfüllt werden kann. Die Kommission Rahmen der Anhörung des Beratenden Ausschus- beabsichtigt, sobald das Europäische Parlament zu ses für Kartell- und Monopolfragen für eine im we- dem geänderten Vorschlag eine Stellungnahme ab- sentlichen unveränderte Verlängerung der Verord- gegeben hat, den Rat aufzufordern, seine Arbeiten nung Nr. 67/67 eingetreten, die sich nach ihrer Auf- zur europäischen Fusionskontrolle wiederaufzu- fassung in der Praxis bewährt hat. Aus grundsätzli- nehmen. chen Erwägungen hat sie sich im übrigen insbeson- dere gegen die beabsichtigten Branchenregelungen Der Beratende Ausschuß für Kartell- und Monopol- im Rahmen einer gruppenweisen Freistellung von fragen hat die erste Anhörung zum von der Kom- Alleinbezugsvereinbarungen ausgesprochen, da mission vorgelegten Vorentwurf einer Gruppenfrei- derartige Branchenregelungen die Spielräume für stellung von selektiven Vertriebssystemen im Kfz- Vertragsgestaltungen in einer aus wettbewerbspoli- Sektor beendet. Die Bundesregierung begrüßt tischer Sicht unnötigen Weise einschränken und grundsätzlich die im Vorentwurf zum Ausdruck damit tendenziell sogar zu einer Erstarrung des kommende Einschätzung der Kommission, daß der Wettbewerbs führen können. Darüber hinaus hat selektive Vertrieb in diesem Sektor wettbewerbspo- die Bundesregierung gegenüber der Kommission litisch positiv zu werten ist und daher vom Kartell- unterstrichen, daß Regelungen, die das bewährte verbot des EWG-Vertrages freigestellt werden und gerade in mittelstandspolitischer Hinsicht kann. Allerdings wird bei den weiteren Beratungen wichtige Finanzierungs- und Absatzinstrument des darauf zu achten sein, daß die angestrebte Grup- Bierlieferungsvertrages zu Unrecht in Frage stel- penfreistellung nicht durch zu strenge Vorausset- len, nicht ihre Zustimmung finden werden. Die zungen dem selektiven Vertrieb in diesem Bereich Kommission hat angekündigt, daß die endgültige wirtschaftlich und rechtlich die Grundlage ent- Fassung der Nachfolgeregelung, deren Verabschie- zieht. dung in die alleinige Zuständigkeit und Verantwor- Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs tung der Kommission fällt, den Äußerungen der be- vom 8. Juni 1982 (RS 258/78 „Maissaatgut") sind troffenen Wirtschaftskreise sowie den Stellungnah- ausschließliche Lizenzen, ebenso wie dies seitens men der Mitgliedstaaten Rechnung tragen wird. der Bundesregierung stets betont worden ist, jeden- Die Kommission hat 1981 Verordnungsvorschläge falls nicht als per-se gegen das EWG-Kartellverbot zur Anwendung der Wettbewerbsregeln auf den verstoßend anzusehen. Die Kommission hat ihre Luft- bzw. Seeverkehr vorgelegt. Mit ihren mate- Absicht erklärt, ihren Entwurf einer Gruppenfrei- riell- und verfahrensrechtliche Vorschriften enthal- stellungsverordnung für Patentlizenvereinbarun- tenden Vorschlägen zielt die Kommission darauf gen im Lichte dieser Entscheidung des Gerichts- ab, eine Lücke zu schließen, da für diese Wirt- hofs zu überarbeiten. Im übrigen will sie allerdings schaftszweige noch keine Durchführungsvorschrif- an der Struktur und dem wesentlichen Inhalt ihres ten zur Anwendung der Wettbewerbsregeln erlas- bisherigen Entwurfs festhalten. Nach Auffassung sen worden sind. Während sich die in der Arbeits- der Bundesregierung ist fraglich, ob dies mit der gruppe des Rates geführten Erörterungen über den durch das „Maissaatgut"-Urteil eingeleiteten Recht- Vorschlag zum Luftverkehrsbereich noch im An- sprechung des Europäischen Gerichtshofes verein- fangsstadium befinden, haben sich die Beratungen bar ist. Es erscheint daher zweckmäßig, die Arbei- zum Seeverkehrsbereich auf die mit dem Vorschlag ten an der Gruppenfreistellungsverordnung so verbundenen Hauptprobleme konzentriert, ohne lange zurückzustellen, bis durch weitere gerichtli- daß hierzu bereits Einvernehmen erzielt worden ist. che Entscheidungen die noch bestehenden grund- Die Bundesregierung hat sich bei den Beratungen sätzlichen Zweifelsfragen geklärt sind. für Regelungen eingesetzt, die neben einer Stär- kung der Wettbewerbselemente auch den Beson- XII. derheiten dieser Verkehrsmärkte Rechnung tragen. Wie die von der Mehrheit der Mitgliedstaaten bis- Angesichts der zunehmenden Risiken für den her geltend gemachten Vorbehalte zeigen, scheint freien Welthandel aufgrund protektionistischer dies insbesondere hinsichtlich des Vorschlags für Tendenzen und des um sich greifenden Trends, den den Luftverkehr noch nicht in hinreichendem Maße internationalen Anpassungsproblemen mit wettbe- gelungen zu sein. werbsbeschränkenden Praktiken zu begegnen, kon- zentriert die Bundesregierung ihre Bemühungen Die geänderte Fassung des Vorschlags der Kom- auch weiterhin darauf, die Diskussion der damit mission für eine Verordnung über die Kontrolle von zusammenhängenden Wettbewerbsprobleme in den Unternehmenszusammenschlüssen vom Dezember Internationalen Organisationen zu intensivieren 1981 (Tätigkeitsbericht S. 99) ist vom Rat noch nicht und damit zu einer besseren Durchsetzung wettbe- behandelt worden. Die Bundesregierung hat stets werblicher Grundsätze auch im Bereich des inter- betont, die Einführung einer europäischen Fusions- nationalen Handels beizutragen. Die Bundesregie- kontrolle setzte zwingend voraus, daß bei ihrer Aus- rung begrüßt es insbesondere, daß der OECD-Mini-
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243 sterrat den Wettbewerbsausschuß der OECD beauf- dings darauf zu achten sein, daß sich die Modellge- tragt hat, die langfristigen Möglichkeiten einer Ver- setzgebung an den bewährten Grundsätzen des VN- besserung der internationalen Rahmenregelungen Wettbewerbskodexes orientiert und nicht zu wett- im Grenzbereich zwischen Wettbewerbs- und Han- bewerbsrechtlichen Überreglementierungen führt, delspolitik zu untersuchen. Dabei werden voraus- die die Wettbewerbsfreiheit eher lähmen als för- sichtlich Fragen der Exportkartelle, sog. freiweillige dern würden. Exportbeschränkungen mit und ohne staatliche Be- teiligung sowie protektionistische Ansätze im Vor- Die Arbeiten der VN-Konferenz . über einen Verhal- dergrund der Betrachtung stehen. tenskodex auf dem Gebiet des internationalen Technologietransfers sind im Rahmen eines Inte- Auf der Grundlage des VN-Kodexes über restriktive rimausschusses fortgeführt worden, ohne über die Geschäftspraktiken hat sich 1981 eine zwischen- wesentlichen noch offenen Fragen eine Einigung staatliche Sachverständigengruppe für wettbe- erzielen zu können. Insbesondere zum vorgesehe- werbsbeschränkende Geschäftspraktiken konstitu- nen Kapitel über „restriktive Lizenzpraktiken" sind iert, die sich u. a. auch mit der Ausarbeitung einer die Standpunkte zwischen den Regionalgruppen wettbewerblichen Mustergesetzgebung befaßt, die weiterhin in hohem Maße kontrovers. Inwieweit es vor allem für Entwicklungsländer von besonderer gelingen wird, einen Durchbruch auf der für Herbst Bedeutung ist. Die Bundesregierung sieht hierin 1983 vorgesehenen 5. Sitzung der VN-Konferenz zu eine gute Chance, dem Wettbewerbsgedanken welt- erreichen, muß nach dem bisherigen Verlauf der weit stärker Geltung zu verschaffen. Es wird aller Verhandlungen eher skeptisch beurteilt werden.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243
Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit in den Jahren 1981/1982 sowie über Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet (§ 50 GWB)
Inhaltsverzeichnis Seite
Erster Abschnitt
1. 25 Jahre Bundeskartellamt 5 2. Kartellverbot und Kooperation 7 3. Gesamtumsatzrabattkartelle 12 4. Ausfuhrkartelle 13 5. Verbot vertikaler Preisbindungen 13 6. Fusionskontrolle 15 7. Kontrolle wirtschaftlicher Machtstellungen 25 8. Probleme der Nachfragemacht und der Sicherung des Leistungswett- bewerbs 30 9. Konditionenempfehlungen, -kartelle 35 10. Unverbindliche Preisempfehlungen 37
Zweiter Abschnitt
Die Wettbewerbsbeschränkungen nach Wirtschaftsbereichen 38 Bergbauliche Erzeugnisse (21) 38 Mineralölerzeugnisse (22) 38 Steine und Erden, Asbestwaren, Schleifmittel (25) 43 Eisen und Stahl (27) 46 NE-Metalle und -Metallhalbzeug (28) 46 Gießereierzeugnisse (29) 47 Erzeugnisse der Ziehereien und Kaltwalzwerke und der Stahlverformung (30) 48 Stahlbauerzeugnisse und Schienenfahrzeuge (31) 48 Maschinenbauerzeugnisse (32) 49 Straßenfahrzeuge (33) 51 Elektrotechnische Erzeugnisse (36) 52 Feinmechanische und optische Instrumente, Uhren (37) 54 Eisen-, Blech- und Metallwaren (38) 55 Musikinstrumente, Spielwaren, Sportgeräte, Schmuck, belichtete Filme, Füllhalter (39) 57 Chemische Erzeugnisse (40) 57 Düngemittel, Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel (43) 58 Pharmazeutische Erzeugnisse (47) 58 Sonstige chemische Erzeugnisse (49) 60 Feinkeramische Erzeugnisse (51) 61 Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
Seite
Glas und Glaswaren (52) 62 Holzwaren (54) 62 Papier- und Pappewaren (56) 63 Kunststofferzeugnisse (58) 63 Gummiwaren (59) 64 Erzeugnisse der Ernährungsindustrie (68) 65 Tabakwaren (69) 70 Bauwirtschaft und Grundstückswesen (70) 71 Handel- und Handelshilfsgewerbe (71) 72 Kulturelle Leistungen (74) 75 Sonstige Dienstleistungen (76) 79 Geld-, Bank- und Börsenwesen (80) 80 Versicherungen (81) 83 Wasser- und Energieversorgung (82) 85
Dritter Abschnitt
Lizenzverträge 91
Vierter Abschnitt
Verfahrensfragen 94 -
Fünfter Abschnitt
Anwendung des EWG-Vertrages 98 Internationale Zusammenarbeit 104
Sechster Abschnitt
Weisungen, Zusagen, Verwaltungsmitteilungen, Tabellenteil und Geschäftsübersicht 106
Teil I Zusagen in Fusionskontrollverfahren 106
Teil II Tabellenteil zum Zweiten Abschnitt 109 Angezeigte Zusammenschlüsse nach § 23 seit 1973 (Tabelle 1) 109 Übersicht über die Verfahren nach § 24 (Tabelle 2) 110 Zahl der Anschlußfälle (§ 24 Abs. 8 Nr. 2) nach Umsätzen der Erwerber und Erworbenen in den Jahren 1981 und 1982 (Tabelle 3) 111 Nach § 23 angezeigte Unternehmenszusammenschlüsse nach Wirtschafts bereichen der beteiligten Unternehmen in den Jahren 1973 bis 1982 (Ta belle 4) 112 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243
Seite
Nach § 23 angezeigte Unternehmenszusammenschlüsse nach Wirtschafts- bereichen der beteiligten Unternehmen im Jahre 1981 (Tabelle 4 a) 114 Nach § 23 angezeigte Unternehmenszusammenschlüsse nach Wirtschafts- bereichen der beteiligten Unternehmen im Jahre 1982 (Tabelle 4 b) 116 Zahl der nach § 23 angezeigten Zusammenschlüsse nach Umsatzgrößen- klassen der erworbenen und der erwerbenden Unternehmen in den Jahren 1981 und 1982 (Tabelle 5) 118 Nach § 23 angezeigte Zusammenschlüsse nach Wirtschaftsbereichen und wirtschaftlicher Bedeutung in den Jahren 1973 bis 1982 (Tabelle 6) 119 Nach § 23 angezeigte Zusammenschlüsse nach Wirtschaftsbereichen und wirtschaftlicher Bedeutung im Jahre 1981 (Tabelle 6 a) 120 Nach § 23 angezeigte Zusammenschlüsse nach Wirtschaftsbereichen und wirtschaftlicher Bedeutung im Jahre 1982 (Tabelle 6 b) 121 Zahl der nach § 23 angezeigten Zusammenschlüsse nach Form des Zusam- menschlusses in den Jahren 1973 bis 1982 (Tabelle 7) 122 Zahl der nach § 23 angezeigten Zusammenschlüsse nach Art des Zusam- menschlusses in den Jahren 1973 bis 1982 (Tabelle 8) 122 Übersicht über die nach § 23 angezeigten Unternehmenszusammen- schlüsse nach Wirtschaftsbereichen (namentliche Nennung) 123
Teil III Geschäftsübersicht 194 Übersicht über die Anmeldungen und Anträge auf Erlaubnis von Kartellen nach den §§ 2 bis 7 beim Bundeskartellamt 195 Übersicht über die Verfahren aufgrund der §§ 2, 5, 5 a und 5 b vor den Lan- deskartellbehörden 197 Übersicht über Anmeldungen und Anträge auf Erlaubnis von Kartellen und in Kraft befindliche Kartelle nach Wirtschaftszweigen (außer Export- kartelle nach § 6 Abs. 1) 198 Lizenzverträge; Zusammenfassende Übersicht über Anträge nach § 20 Abs. 3 — auch in Verbindung mit § 21 — 222 Übersicht über die Bekanntmachungen von Anmeldungen nach § 38 Abs. 2 Nr. 2 (Normen- und Typenempfehlungen) 224 Übersicht über die Anträge auf Eintragung von Wettbewerbsregeln nach § 28 Abs. 3 243 Verfahren wegen Verdachts eines Mißbrauchs 250 Verfahren wegen Aufnahme in eine Wirtschafts- oder Berufsvereinigung . 253 Bußgeldverfahren wegen Verdachts eines Verstoßes gegen Verbote des GWB und Untersagungsverfahren nach § 37 a 256 Organisationsplan des Bundeskartellamtes 268 Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
Hinweise für den Leser Um dem Leser ein rasches Auffinden der Ausführungen zu den ein- zelnen Bestimmungen des Gesetzes zu ermöglichen, sind am Ende des Berichtes im Anschluß an den Sechsten Abschnitt ein Stichwort- verzeichnis, ein Paragraphennachweis und eine Fundstellenüber- sicht angefügt. Eine Statistik zur Fusionskontrolle enthalten die Ta- bellen 1 ff. (Sechster Abschnitt, Zweiter Teil). Die zahlenmäßige Ent- wicklung der Kartelle ist aus den Tabellen A und B, ihre Verteilung auf die Wirtschaftszweige und die Fundstellen der Bekanntmachun- gen im Bundesanzeiger aus der Tabelle C zu ersehen (Sechster Ab- schnitt, Dritter Teil). Eine Übersicht über die Lizenzverträge und Wettbewerbsregeln sowie über Zahl und Sachstand der Verwaltungs- und Bußgeldsachen enthalten die Tabellen E ff. (Sechster Abschnitt, Dritter Teil). Soweit im Bericht Paragaphen ohne Gesetzesnennung aufgeführt sind, beziehen sie sich auf das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschrän- kungen (GWB). Die Zitate WuW/E in dem Bericht beziehen sich auf die Entscheidungssammlung zum Kartellrecht der Zeitschrift „Wirt- schaft und Wettbewerb". Die Fundstellen der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes und der Oberlandesgerichte sind im Anschluß an den Paragraphennachweis aufgeführt. Die in dem Bericht aufgeführten vorhergehenden Tätigkeitsberichte des Bundeskartellamtes sind als folgende Bundestagsdrucksachen erschienen: Tätigkeitsbericht 1958: Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucksache 1000 Tätigkeitsbericht 1959: Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucksache 1795 Tätigkeitsbericht 1960: Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucksache 2734 Tätigkeitsbericht 1961: Deutscher Bundestag, Drucksache IV/378 Tätigkeitsbericht 1962: Deutscher Bundestag, Drucksache W/1220 Tätigkeitsbericht 1963: Deutscher Bundestag, Drucksache IV/2370 Tätigkeitsbericht 1964: Deutscher Bundestag, Drucksache W/3752 Tätigkeitsbericht 1965: Deutscher Bundestag, Drucksache V/530 Tätigkeitsbericht 1966: Deutscher Bundestag, Drucksache V/1950 Tätigkeitsbericht 1967: Deutscher Bundestag, Drucksache V/2841 Tätigkeitsbericht 1968: Deutscher Bundestag, Drucksache V/4236 Tätigkeitsbericht 1969: Deutscher Bundestag, Drucksache VI/950 Tätigkeitsbericht 1970: Deutscher Bundestag, Drucksache VI/2380 Tätigkeitsbericht 1971: Deutscher Bundestag, Drucksache VI/3570 Tätigkeitsbericht 1972: Deutscher Bundestag, Drucksache 7/986 Tätigkeitsbericht 1973: Deutscher Bundestag, Drucksache 7/2250 Tätigkeitsbericht 1974: Deutscher Bundestag, Drucksache 7/3791 Tätigkeitsbericht 1975: Deutscher Bundestag, Drucksache 7/5390 Tätigkeitsbericht 1976: Deutscher Bundestag, Drucksache 8/704 Tätigkeitsbericht 1977: Deutscher Bundestag, Drucksache 8/1925 Tätigkeitsbericht 1978: Deutscher Bundestag, Drucksache 8/2980 Tätigkeitsbericht 1979/80: Deutscher Bundestag, Drucksache 9/565. Die Tätigkeitsberichte 1958, 1959 und 1960 sind außerdem gesammelt als Heft 8 der Schriftenreihe Wirtschaft und Wettbewerb veröffent- licht worden. Bei den im Bericht nicht genannten Wirtschaftsbereichen war kein Anlaß gegeben zu berichten. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243
Erster Abschnitt Allgemeiner Überblick
1. 25 Jahre Bundeskartellamt
Am 1. Januar 1983 ist das Bundeskartellamt 25 Jahre alt ge- 25 Jahre worden. Mit den wirtschafts- und wettbewerbspolitischen Ent- Bundeskartellamt wicklungen der vergangenen Jahre haben sich auch die Tätig- keitsschwerpunkte des Bundeskartellamtes verändert. Zu Beginn seiner Tätigkeit hat das Bundeskartellamt vor allem Aufklärungsarbeit geleistet. Viele Unternehmer mußten von der Notwendigkeit eines Kartellverbots erst ebenso über- zeugt werden wie von den Vorteilen einer wettbewerblichen Steuerung der Wirtschaft. Das verlangte ein erhebliches Um- denken, denn Deutschland war bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges das klassische Land der Kartelle. Diese Aufgabe ist inzwischen erfüllt. Zwar gehört die Überwachung des Kar- tellverbots auch heute noch zu den zentralen Aufgaben der Kartellbehörden, über die Notwendigkeit des Kartellverbots besteht aber auch bei der Wirtschaft ein nahezu vollständiger Konsens.
Mit der zunehmenden Konzentration der deutschen Wirt- schaft wurde aber schon bald ein Geburtsfehler des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen spürbar. Das Kartellver- bot verhinderte zwar die Entstehung wettbewerbsbeschrän- kender wirtschaftlicher Macht durch Verträge und Vereinba- rungen, die nicht minder gefährliche Bildung wettbewerbsbe- schränkender wirtschaftlicher Macht durch die Unterneh- menskonzentration blieb aber völlig unkontrolliert, da das Ge- setz von 1958 keine Fusionskontrolle enthielt. Während Groß- unternehmen selbst im Falle der Marktbeherrschung nur ei- ner wenig effizienten Mißbrauchsaufsicht unterlagen, traf das strikte Kartellverbot insbesondere kleine und mittlere Unter- nehmen. Um deren Situation zu verbessern, mußte zunächst einer leistungssteigernden zwischenbetrieblichen Koopera- tion, die nicht die Beschränkung oder gar Eliminierung des Wettbewerbs zum Ziel hat, kartellrechtlich mehr Raum gege- ben werden. Ein erster Schritt in diese Richtung war die Kar- tellgesetznovelle von 1965, mit der für Spezialisierungskartelle ein erleichtertes Freistellungsverfahren eingeführt wurde. Heute enthält das Kartellgesetz einerseits eine breite Palette von Möglichkeiten zur Förderung der leistungssteigernden zwischenbetrieblichen Kooperation. Dies ist ein Teil des not- wendigen Ausgleichs für kleine und mittlere Unternehmen für ihre rein größenbedingten Nachteile im Wettbewerb mit Großunternehmen. Andererseits mußte aber auch verhindert werden, daß unter dem Vorwand der Rationalisierung bran- chenumfassende Kartelle unter Beteiligung von Großunter- nehmen neu entstehen oder fortgeführt werden. Das Bundes- kartellamt hat daher nach und nach entsprechende Kartell- Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
organisationen, die zum Teil über Jahrzehnte tätig waren, auf- gelöst.
Mit der Zweiten Kartellgesetznovelle im Jahre 1973 wurde dann die Ausgewogenheit des Kartellrechts insoweit herge- stellt, als zur Bekämpfung der Unternehmenskonzentration die Fusionskontrolle in das Gesetz eingefügt und die Miß- brauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen ver- schärft wurde. Um die Voraussetzungen für den Wettbewerb auf der Handelsstufe zu verbessern, wurde zudem die Preis- bindung der Zweiten Hand für Markenwaren abgeschafft, die bereits seit geraumer Zeit durch die Entwicklung der neuen großflächigen und preisaktiven Einzelhandelsformen stark unter Druck geraten war. In der Folgezeit hat das Bundeskartellamt die neuen kartell- rechtlichen Instrumente getestet und vor allem die Reich- weite der Fusionskontrolle ausgelotet, die durch die Dritte Kartellgesetznovelle von 1976 auch auf die Presse ausgedehnt worden ist. Die Fusionskontrolle steht inzwischen im Mittel- punkt der Tätigkeit des Bundeskartellamtes, denn Zusam- menschlüsse beeinflussen die Strukturen der Märkte für län- gere Zeiträume und damit die Voraussetzungen für den Wett- bewerb von morgen. Für die Öffentlichkeit stand allerdings Mitte der 70er Jahre die Mißbrauchsaufsicht über die Preise marktbeherrschender Unternehmen im Vordergrund des Interesses, da es in vielen Bereichen der Wirtschaft zu abrupten Preissteigerungen ge- kommen war. Mehrere Verfahren, von denen eines zu einer langjährigen gerichtlichen Auseinandersetzung geführt hat, haben die prinzipiellen Schwierigkeiten deutlich gemacht, die der direkten Preishöhenkontrolle in einer Marktwirtschaft im Wege stehen. Seit dem Ende der 70er Jahre hat die veränderte gesamtwirt- schaftliche Lage, die durch stagnierende Märkte, beschleunig- ten Strukturwandel und eine erhebliche strukturelle Arbeits- losigkeit gekennzeichnet ist, für eine erneute Akzentverlage- rung der Tätigkeit des Bundeskartellamtes gesorgt. Während die Preismißbrauchsaufsicht angesichts der konjunkturellen Entwicklung und einer erhöhten Wirksamkeit des Außenwett- bewerbs in den Hintergrund getreten ist, muß sich das Bun- deskartellamt vermehrt mit Problemen der Nachfragemacht und der Behinderung kleiner und mittlerer Unternehmen im Wettbewerb mit Großbetrieben beschäftigen. Die Vierte Kar- tellgesetznovelle von 1980 hat die dafür zur Verfügung stehen- den wettbewerbsrechtlichen Instrumente erweitert. Vor allem muß das Bundeskartellamt aber heute, wo vieles darauf hindeutet, daß die deutsche Wirtschaft am Beginn ei- ner Erholung steht, darüber wachen, daß der Markt als Pro- blemlösungssystem funktionsfähig bleibt und das „Entdek- kungsverfahren Wettbewerb" (v. Hayek) zum Nutzen aller die Produkte, Produktionsverfahren und Marktstrukturen von morgen entwickeln kann. Gefahren drohen diesem notwendi-
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243 gen Prozeß nicht nur durch Wettbewerbsbeschränkungen der Privatwirtschaft, sondern verstärkt auch durch den internatio- nalen Wettlauf protektionistischer Maßnahmen und Subven- tionen zur Erhaltung nicht mehr wettbewerbsfähiger Produk- tionsstrukturen.
2. Kartellverbot und Kooperation
Viele kleine und mittlere Unternehmen haben wegen ihrer oft Erste Erfahrungen unbedeutenden Stellung im Markt uneingeschränkt die Mög- mit der „Bagatellrichtlinie" lichkeit, miteinander zu kooperieren. Das Kartellverbot findet erst dann Anwendung, wenn vereinbarte Wettbewerbsbe- schränkungen geeignet sind, die Marktverhältnisse „spürbar" zu beeinflussen. Gerade kleinen und mittleren Unternehmen fehlen aber oft die notwendigen Informationen, um beurteilen zu können, ob ein Kooperationsvorhaben kartellfrei möglich ist oder wegen Überschreitung der „Spürbarkeitsgrenze" dem Kartellverbot unterliegt. Das Bundeskartellamt hat deshalb in Verwaltungsgrundsätzen verdeutlicht, in welchen Grenzen es bei leistungssteigernden Mittelstandskooperationen mit ge- ringer wettbewerbsbeschränkender Bedeutung von einer Ver- folgung möglicher Gesetzesverstöße absieht (Tätigkeitsbe- richt 1979/80 S. 7 f., 133 f.). Da solche Kooperationen aber nicht bei den Kartellbehörden angemeldet werden müssen, hat das Bundeskartellamt keinen Überblick, in welchem Umfang von den Möglichkeiten der Bagatellrichtlinie Gebrauch gemacht worden ist. Es hat zwar angeboten, im Interesse der Rechtssi- cherheit der kooperationswilligen Unternehmen deren Vorha- ben ohne besondere Förmlichkeiten im Hinblick auf ihre wett- bewerbsrechtliche Unbedenklichkeit zu prüfen, dieses Ange- bot ist aber nur in wenigen Fällen• genutzt worden. In allen geprüften Fällen konnte die kartellrechtliche Unbedenklich- keit bestätigt werden.
Die Zahl der nach § 5 b legalisierten Kooperationen hat sich § 5b im Berichtszeitraum auf 107 erhöht. Dies macht deutlich, daß diese Freistellungsmöglichkeit dem Kooperationsbedürfnis der mittelständischen Wirtschaft nach wie vor in besonderer Weise entspricht. An den bis Ende 1982 freigestellten Mittel- standskartellen sind insgesamt über 1 150 Unternehmen be- teiligt. Mehr als die Hälfte dieser Kooperationen findet sich im Bereich Steine und Erden. Die Bedeutung des § 5 b als Möglichkeit zur Legalisierung leistungssteigernder Koopera- tionen kleiner und mittlerer Unternehmen wird aber zuneh- mend auch in anderen Branchen erkannt. Eine Studie des Forschungsinstituts für Wirtschaftspolitik der Universität Mainz zum Thema „Anwendung und Ausnutzung der kartellrechtlichen Kooperationserleichterungen nach § 5 b und ihre Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation kleiner und mittlerer Unternehmen" hat ergeben, daß die Unterneh- men im Bereich Steine und Erden im Rahmen ihrer Koopera- tionen vor allem marktorientierte Ziele verfolgen, um den auf- grund der Homogenität der Produkte als ruinös angesehenen Wettbewerb zu vermindern und gemeinsam gegen Substitu- Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
tionskonkurrenz zu bestehen. Demgegenüber seien die Unter- nehmen der übrigen Wirtschaftszweige mehr aus innerbe- trieblichen Gründen zur Kooperation veranlaßt worden. Die Gutachter kommen insgesamt zu dem Ergebnis, daß die Kar- tellbehörden die Tatbestandsmerkmale des § 5 b großzügig und flexibel angewandt haben. Dies zeige sich insbesondere an einer verhältnismäßig weiten Abgrenzung des sachlich und räumlich relevanten Marktes sowie an der pauschalen Aus- nutzung der vom Ausschuß für Wirtschaft genannten Ober- grenze von 15 % Marktanteil für Kooperationen, die auch Preisregelungen enthalten.
Auch bei einer positiven Einstellung gegenüber Mittelstands- kartellen muß das Bundeskartellamt prüfen, wie sich freige- stellte Kooperationen im Zeitablauf entwickeln. Insbesondere auf Regionalmärkten können ausnahmsweise auch Koopera- tionen kleiner und mittlerer Unternehmen Marktpositionen erringen, die weit über die nach § 5 b zulässigen Grenzen hin- ausgehen und die Ausweichmöglichkeiten der Marktgegen- seite wesentlich beschränken. Aber selbst wenn eine Koopera- tion unterhalb der vom Ausschuß für Wirtschaft genannten Obergrenze von 15% Marktanteil bleibt, kann sie u. U. gegen- über Kartellaußenseitern eine überragende Marktstellung er- ringen und dadurch den Wettbewerb auf dem Markt wesent- lich beeinträchtigen. Problematisch sind Mittelstandskoopera- tionen schließlich auch dann, wenn mehrere Kooperations- gruppen z. B. mit Hilfe von Doppelmitgliedschaften, Kapital- beteiligungen oder Personalunion in den Geschäftsführungen direkt oder indirekt miteinander verflochten werden, so daß der zwischen den Gruppen bestehende Wettbewerb be- schränkt wird. Stellt sich heraus, daß ein legalisiertes Mittel- standskartell die Freistellungsvoraussetzungen wegen der in- zwischen am Markt erlangten Stellung nicht mehr erfüllt, müssen die beteiligten Unternehmen ihre Kartellvereinbarun- gen ändern oder die Kooperation aufgeben. So hat das Bun- deskartellamt u. a. Bedenken gegen die vor mehreren Jahren legalisierte Kooperation des Harzer Kieskontors erhoben. Diese Verkaufsgemeinschaft hatte in den letzten Jahren ihren mittelständischen Charakter dadurch verloren, daß die mei- sten Kartellmitglieder von großen Unternehmen übernom- men worden waren. Die Mitglieder der Kooperation haben inzwischen den Kartellvertrag gekündigt (Zweiter Abschnitt S. 44).
§ 5 Abs. 2 und 3 Um eine Verkrustung der Märkte durch branchenumfassende Kartelle zu verhindern, hat das Bundeskartellamt auch meh- rere nach § 5 Abs. 2 und 3 legalisierte Rationalisierungskar- telle überprüft. Mit Beschluß vom 12. November 1979 hatte das Bundeskartellamt erstmals die Verlängerung eines viele Jahr- zehnte tätigen Verkaufssyndikats für Naturstein abgelehnt (Tätigkeitsbericht 1979/80 S. 51). Diese Entscheidung ist jetzt vom Bundesgerichtshof bestätigt worden, der dabei klarge- stellt hat, daß ein nachgewiesener Rationalisierungserfolg bei jedem einzelnen Kartellmitglied eintreten muß. Diese Voraus- setzung war hier nicht mehr gegeben, weil drei ehemals selb- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243 ständige Kartellmitglieder inzwischen zu derselben Unterneh- mensgruppe gehören und dadurch auch allein in der Lage sind, ihre Produktion rationell zu steuern und zu vertreiben. Nach dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes hat ein weiteres Natursteinkartell auf einen Verlängerungsantrag verzichtet und seine Tätigkeit 1981 beendet (Zweiter Ab- schnitt S. 44). Einem dritten Natursteinkartell hat das Bundes- kartellamt aus den gleichen Gründen die Kartellerlaubnis über den 31. Dezember 1982 hinaus versagt.
Das Bundeskartellamt steht der mittelständischen Wirtschaft Beratung, nach wie vor auch zu informellen Gesprächen über Möglich- Sprechtage vor Ort keiten der zwischenbetrieblichen Kooperation sowie über alle sonstigen kartellrechtlich interessierenden Fragen zur Verfü- gung. Dazu dienen auch die „Sprechtage vor Ort", die das Bun- deskartellamt zusammen mit interessierten Industrie- und Handelskammern durchführt. An 40 derartigen Sprechtagen, die das Bundeskartellamt zusammen mit 48 Industrie- und Handelskammern veranstaltet hat, haben über 1 700 Unter- nehmen und Verbände teilgenommen. Dabei wurde in 300 Fäl- len von den Unternehmen die Möglichkeit genutzt, vertrauli- che Einzelgespräche zu führen. Das Ziel dieser Sprechtage, neben einer konkreten Beratung auch Mißtrauen gegenüber den Behörden abzubauen, ist erreicht worden. Eine große Zahl von Problemen konnte darüber hinaus ohne die Einleitung förmlicher Verfahren zügig gelöst werden.
Inzwischen haben mehrere Industrie- und Handelskammern das Bundeskartellamt gebeten, in einer „zweiten Runde" der Sprechtage die mit der Vierten Kartellgesetznovelle neu ge- schaffenen kartellrechtlichen Möglichkeiten zur Sicherung des Leistungswettbewerbs zu erläutern. Da inzwischen die ersten Erfahrungen vorliegen, steht das Bundeskartellamt in- teressierten Kammern und den von ihnen vertretenen Unter- nehmen hierfür zur Verfügung.
Mit Beschluß vom 16. Juni 1982 hat das Kammergericht die Einkaufs- HFGE-Entscheidung des Bundeskartellamts bestätigt, mit der kooperationen erstmals der gemeinsame Einkauf von vier großen Unterneh- men des Lebensmitteleinzelhandels untersagt worden war (Tätigkeitsbericht 1979/80 S. 36 f., 88). Damit sind weitere Fra- gen der kartellrechtlichen Beurteilung der Einkaufsvereini- gungen im Handel geklärt worden. Wegen der Vielfalt der tat- sächlichen und rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Ein- kaufskooperationen muß zwar jeweils auf den Einzelfall abge- stellt werden. Einkaufskooperationen unterliegen aber nach den Feststellungen des Kammergerichts jedenfalls dann dem Kartellverbot, wenn
— die vertragliche Zusammenarbeit so gestaltet ist, daß dau- erhaft mit einem hinreichenden Bezug jedes einzelnen Mitglieds über die Kooperation gerechnet werden kann; — das kollektive Nachfrageverhalten den auch unter Nach- fragern bestehenden Wettbewerb um die günstigsten Kon- ditionen beschränkt. Das sei jedenfalls dann der Fall, wenn Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
das einzelne Mitglied auch außerhalb der Einkaufskoope- ration selbständig einkaufen könnte; — das Zusammenwirken der Mitglieder ferner geeignet ist, die Marktposition der Lieferantenseite spürbar zu beein- trächtigen; dies sei abhängig von der „allgemeinen Markt- lage" sowie insbesondere von dem „gemeinsamen Abnah- mepotential" der Mitglieder.
Anknüpfend an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Falle „Zementverkaufsstelle Niedersachsen" (WuW/E BGH 1367) führt das Kammergericht aus, daß es für die Anwend- barkeit des Kartellverbots ausreicht, wenn die Vereinbarung auch ohne bindende Bezugsverpflichtung zum Zweck der Wettbewerbsbeschränkung abgeschlossen wird und die Ko- operationspartner den mit der Wettbewerbsbeschränkung be- zweckten Erfolg gemeinsam herbeiführen wollen. Die „Zwangsläufigkeit" kollektiven Handelns wird nach der Ent- scheidung des Kammergerichts bei Einkaufskooperationen in der Regel nur bei einer kleinen Zahl etwa gleichgroßer Koope- rationspartner gegeben sein. Das gemeinsame Ziel, günstigere Konditionen zu erreichen, sei dann nur durch einen weitge- henden Verzicht auf individuelle Einkaufsverhandlungen bei den betreffenden Produkten zu erreichen. Bei einer Beteili- gung von nur vier etwa gleichgroßen Mitgliedern führe schon das selbständige Vorgehen eines Mitglieds zu einer wesentli- chen Herabsetzung der Gesamtbezugsmenge und damit zu einer drastischen Reduzierung des Nutzens. Es bestehe daher ein vitales Interesse aller Mitglieder an einem geschlossenen Vorgehen. Eine entsprechende Notwendigkeit für einen ge- meinsamen Bezug bestehe dagegen bei Kooperationen mit weitaus größerer Mitgliederzahl nicht. Eine erfolgreiche Tä- tigkeit sei dort auch ohne den praktischen Verzicht der Mit- glieder auf eigenen Einkauf vorstellbar und keines der zahl- reichen angeschlossenen Mitglieder brauche zu befürchten, durch selbständige Einkäufe bei anderen Lieferanten das ge- samte Vertragswerk zu gefährden.
Zur Frage des Nachfragerwettbewerbs stellt das Kammerge- richt fest, bei einem Angebotsüberhang („Käufermarkt") erüb- rige sich zwar der Wettbewerb um die Ware, nicht jedoch um die Konditionen. Ebenso wie beim Anbieterwettbewerb werde der Verhaltensspielraum eines Nachfragers durch die 'Exi- stenz weiterer Nachfrager begrenzt. Ein Nachfrager könne daher sein Ziel, möglichst vorteilhaft einzukaufen, um so eher durchsetzen, als es dem Anbieter versagt sei, auf andere Nach- frager auszuweichen und diese bei den Preisverhandlungen gegeneinander auszuspielen. Wenn es daher einem Nachfra- ger gelinge, andere Nachfrager zu einem Verzicht auf eigen- ständigen Einkauf zu bewegen, so stärke er seine Position zu Lasten der Anbieterseite. Ein Nachfragerwettbewerb bestehe nur dann nicht, wenn die einzelnen Mitglieder der Koopera- tion zu individuellen Geschäftsabschlüssen mit den Anbietern mangels entsprechender Nachfragekapazitäten nicht in der Lage seien. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243
Für die Beurteilung, ob das Zusammenwirken der Nachfrager geeignet ist, die Marktposition der Anbieter spürbar zu beein- trächtigen, stellt das Kammergericht auf die „allgemeine Marktlage" und insbesondere auf das „Abnahmepotential" der Kooperationspartner ab. Im Fall HFGE liegen nach Ansicht des Kammergerichts diese Voaussetzungen „auf der Hand". Je geringer die Gesamtnachfrage sei, desto eher wirke sich das Ausscheiden auch kleinerer Abnehmer nachteilig für den An- bieter aus. In einer Käufermarktsituation wie im Lebensmit- telbereich könne schon der Ausfall eines nicht völlig unbedeu- tenden Abnehmers nicht ohne Schwierigkeiten durch Auswei- chen auf andere Abnehmer ausgeglichen werden. Bei einem Gesamteinkaufsvolumen der HFGE von ca. 5 Mrd DM betrage ihr Anteil an den Produktionsmengen der Lieferanten bis zu 5%. Diese Mengen seien nur schwer und jedenfalls nicht ohne besondere Preiszugeständnisse anderweitig abzusetzen. Die Entscheidung des Kammergerichts ist rechtskräftig.
Das Bundeskartellamt hat im Berichtszeitraum gegen mehr Baupreis- als 100 Unternehmen der Bauwirtschaft Ordnungswidrigkei- absprachen tenverfahren wegen verbotener Submissionsabsprachen ein- geleitet. Dies ist das zweite große Verfahren, das seit 1973 gegen Unternehmen dieser Branche geführt wird.
Die vom Bundeskartellamt und mehreren Landeskartellbe- hörden aufgrund zahlreicher Hinweise durchgeführten Er- mittlungen begründen den Verdacht, daß in verschiedenen Gebieten der Bundesrepublik Deutschland seit Jahren regionale und überregionale Absprachekreise die Auftrags- vergabe im Interesse der beteiligten Unternehmen gelenkt haben.
Vertreter der Bauwirtschaft erklären dies als Reaktion der Unternehmen auf die besonderen wettbewerblichen Rahmen- bedingungen, denen die Bauwirtschaft ausgesetzt ist. Im Ge- gensatz zu anderen Branchen habe die Bauwirtschaft keine Möglichkeit, Nachfrageschwankungen durch eine entspre- chende Lagerhaltung auszugleichen. Entlassungen und Neu- einstellungen als Mittel der Kapazitätsanpassung seien eben- falls nicht möglich. Die Unternehmen der Bauwirtschaft müß- ten daher ständig um Anschlußaufträge bemüht sein. Gerade die Bauwirtschaft sei aber einer extrem schwankenden Nach- frage ausgesetzt, da saisonale und konjunkturelle Nachfrage- bewegungen durch das prozyklische Investitionsverhalten der öffentlichen Hand so verstärkt würden, daß die Unternehmen versuchen müßten, die größten Schwankungen durch Abspra- chen wieder auszugleichen. Die öffentlichen Auftraggeber ver- stießen zudem gerade in Zeiten schlechter Baukonjunktur bei der Auftragsvergabe zunehmend gegen die Bestimmungen der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB), indem etwa Risiken VOB-widrig und in unangemessener Weise auf die Bauunternehmen überwälzt und die Bindungsfristen der Unternehmen an ihre Angebote unzumutbar verlängert wür- den. Hinzu komme, daß die Bauunternehmen ihre Leistungen im Gegensatz zu anderen Wirtschaftszweigen in einem für sie Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
völlig intransparenten Wettbewerb anbieten müßten, während die Vergabeseite die volle Marktübersicht habe. Das Bundeskartellamt verkennt nicht die Probleme, die mit der hohen Abhängigkeit der Bauwirtschaft von der öffentli- chen Hand verbunden sind. 40 % aller Aufträge im Bauhaupt- gewerbe kommen von der öffentlichen Hand; in der Bauin- dustrie sind es etwa 60 % und im Tiefbau nahezu 100 %. Es hat wiederholt darauf hingewiesen, daß die VOB von den öffentli- chen Auftraggebern und der Wirtschaft gemeinsam entwik- kelt worden ist, um einen Ausgleich der berechtigten Interes- sen von Auftraggebern und Auftragnehmern herbeizuführen. Sofern die öffentliche Hand gegen diese Bestimmungen ver- stößt, kann das ein Mißbrauch von Nachfragemacht sein. Der öffentliche Nachfrager ist jedoch nicht immer marktbeherr- schend oder marktstark, so daß in diesen Fällen eine Rechts- grundlage für das Eingreifen des Bundeskartellamtes nicht besteht. Darüber hinaus scheitert eine Aufklärung der Fälle häufig schon daran, daß sich die betroffenen Unternehmen aus Sorge vor Nachteilen bei der Auftragsvergabe scheuen, entsprechende Tatbestände dem Bundeskartellamt gerichts- verwertbar vorzutragen. Die Besonderheiten der Bauwirtschaft und das Nachfragever- halten der öffentlichen Hand können aber illegale Abspra- chen über die Verteilung ausgeschriebener Bauaufträge nicht rechtfertigen. Sie sind außerdem kein taugliches Instrument zur Verstetigung der Nachfrage und stets mit Absprachen über die Angebotspreise verbunden. Das laufende Verfahren des Bundeskartellamtes zeigt zudem, daß Submissionskartelle nicht nur „Kinder der Not" zum Ausgleich unvertretbarer Be- schäftigungseinbrüche sind. Absprachen sind vielmehr auch im Zeitraum bis 1980 getroffen worden, also gerade zur Zeit der Hochkonjunktur. Die Unterlagen zeigen zudem, daß auch Objekte von geringem Volumen abgesprochen wurden, die für die Kapazitätsauslastung der beteiligten Unternehmen völlig ohne Bedeutung waren.
3. Gesamtumsatzrabattkartelle Die vom Bundeskartellamt verfügte Unwirksamkeit der Ge- samtumsatzrabatt-Regelung des Rauchtabak-Kartells hat der Bundesgerichtshof mit Beschluß vom 18. Mai 1982 bestätigt (WuW/E BGH 1923). Damit bestanden Ende 1982 von den ursprünglich 15 Gesamtumsatzrabattkartellen nur noch die Kartelle für Schleifscheiben und Schleifkörper sowie für Ziga- retten. Die Beschwerden gegen die Unwirksamkeitserklärung dieser Kartelle sind inzwischen vom Kammergericht eben- falls zurückgewiesen worden. Nach § 3 sind nur solche Ra- batte regelbar, die auf die individuellen Lieferungen des ein- zelnen Kartellmitglieds an seine Abnehmer abstellen. Bei Ge- samtumsatzrabattkartellen wird dagegen die Rabatthöhe nicht nach der Abnahmeleistung des Kunden gegenüber dem einzelnen Lieferanten berechnet, sondern nach der Höhe der Gesamtbezüge des Abnehmers bei allen Lieferanten. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243
4. Ausfuhrkartelle
Ende 1982 waren beim Bundeskartellamt 52 Ausfuhrkartelle nach § 6 Abs. 1 angemeldet und drei Ausfuhrkartelle nach § 6 Abs. 2 erlaubt. Der jährliche Gesamtwert der kartellierten deutschen Exporte betrug nach den Berechnungen des Bun- deskartellamtes jährlich etwa 7 bis 8 Mrd DM; dies entspricht einem Anteil von nur etwa 2 % des Gesamtexports. Schwer- punkte der kartellierten Exporttätigkeit sind die Elektroindu- strie, die chemische Industrie, der Maschinenbau, die Ernäh- rungsindustrie sowie der Bereich Eisen und Stahl. Davon sind 49 ,,Altkartelle", die bereits vor der Neuregelung (Tätigkeitsbe- richt 1979/80 S. 15 ff.) gegründet worden waren. 30 Ausfuhr- kartelle haben rein nationale, 25 internationale Beteiligung. Bei den Neuanmeldungen hat das Bundeskartellamt im we- sentlichen die Freistellungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 ge- prüft. In einigen Fällen war die Frage problematisch, ob es für die Inlandsregelung auf den Sitz des Käufers oder das letzte Bestimmungsland der Ware ankommt. Nach Ansicht des Bun- deskartellamtes ist allein der Sitz der Käufer entscheidend. Soll die Kartellvereinbarung auf Kaufabschlüsse mit Abneh- mern angewandt werden, die ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland oder in anderen EG-Staaten haben, reicht eine Anmeldung nach § 6 Abs. 1 nicht aus, und zwar auch dann nicht, wenn die Ware letztlich für Drittländer bestimmt ist. Ausfuhrkartelle, die auf das Bestimmungsland abstellen wol- len, müssen eine Erlaubnis nach § 6 Abs. 2 bzw. eine Freistel- lung bei der EG-Kommission beantragen.
5. Verbot vertikaler Preisbindungen
Das Bundeskartellamt hat der Telefunken Fernseh- und Rundfunk GmbH untersagt, in ihren Vertriebsverträgen Ver- tragsbestimmungen zu verwenden, durch die jegliche Preisge- staltungsfreiheit der Händler ausgeschlossen wird (Zweiter Abschnitt S. 53). Diese Entscheidung ist vom Kammergericht mit Beschluß vom 5. August 1982 bestätigt worden. Damit sind wichtige Fragen zur Reichweite des Preisbindungsverbots des § 15 weiter geklärt worden. Die Entscheidung des Kammerge- richts ist aber noch nicht rechtskräftig. Telefunken hat im Jahre 1981 seinen Vertrieb so umgestellt, daß die Rundfunk- und Fernsehhändler jetzt als Kommis- sionsagenten des Herstellers tätig werden. Die dazu abge- schlossenen Einzelhandels-Partner-Verträge verpflichten die einzelnen Händler, nur die vom Hersteller bundesweit ein- heitlich festgesetzten Preise zu berechnen und keine Nach- lässe zu gewähren. Telefunken selbst hat sich verpflichtet, seine Erzeugnisse ausschließlich an entsprechend gebundene Einzelhandelspartner zu liefern. Nach Auffassung des Bun- deskartellamtes sind die Verkaufspreisregelungen der Einzel- handelspartnerverträge auch als Bestandteil von Kommis- sionsagenturverträgen nach § 15 nichtig. Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtsho- fes findet das Preisbindungsverbot — auch wenn der Wortlaut der Norm erfüllt ist — keine Anwendung, wenn die in § 15 geschützte Handlungsfreiheit des Absatzmittlers beim Weiter- verkauf der Ware fehlt, weil sie bereits von vornherein durch vorgegebene, von der Rechtsordnung anerkannte Rechtsbe- ziehungen mit dem Hersteller ausgeschlossen ist („aner- kannte institutionelle Gegebenheiten", BGH WuW/E BGH 1851, 1852 „Bundeswehrheime II" m. w. N.). Dies ist sowohl beim Handelsvertreterverhältnis als auch beim Kommissions- geschäft der Fall. Beide Rechtsinstitute sehen vor, daß der Geschäftsherr bzw. der Kommittent dem Absatzmittler Preis- weisungen erteilen darf, weil er bei typischer Ausgestaltung beider Rechtsinstitute auch das wirtschaftliche Risiko des Verkaufsgeschäftes trägt. Ein genereller Vorrang der Rechts- institute des Handelsrechts vor § 15 würde aber dem Sinn und Zweck dieser Norm widersprechen. § 15 dient nicht allein dem Schutz der Handlungsfreiheit der gebundenen Vertragspart- ner, sondern zugleich dem Schutz des Wettbewerbs und be- troffener Dritter. Wie der Bundesgerichtshof in einer neueren Entscheidung betont, hat der Gesetzgeber § 15 als Verbots- norm bewußt weit gefaßt (WuW/E BGH 1791 „Garant"). Nach Auffassung des Bundeskartellamtes können daher im Inter- esse des Wettbewerbs Beschränkungen im Rahmen aner- kannter Rechtsinstitute nur hingenommen werden, wenn es sich um typische Ausprägungen der Rechtsinstitute handelt und der Wettbewerb dadurch nur unerheblich beeinträchtigt wird. Das Telefunken-Partnersystem weicht in seinem Inhalt und Zweck in entscheidenden Punkten vom typischen Kommis- sionsagenturverhältnis ab und beeinträchtigt den Wettbewerb auf der Handelsstufe erheblich. Der gesetzliche Regeltyp der Verkaufskommission soll es dem Kommittenten ermöglichen, am Markt den „besten Preis" für seine Waren zu erzielen, indem er sich der Marktkenntnisse des Kommissionärs be- dient. Diesem Zweck dient das Telefunken-Partnersystem aber erkennbar nicht, denn der Preis ist dem Kommissionär fest vorgegeben. Auch der für das Kommissionsgeschäft typi- schen Interessenwahrungspflicht des Kommissionärs kann der Telefunken-Partner nicht nachkommen, denn die Ver- träge verpflichten ihn sogar, weiterhin als Eigenhändler für Konkurrenzerzeugnisse aufzutreten. Schließlich hat Telefun- ken auch auf das jeweilige Weisungsrecht gegenüber dem ein- zelnen Vertragspartner verzichtet, indem es sich verpflichtet, allen Einzelhandelspartnern dieselben Preisweisungen zu er- teilen. Die Telefunken-Partner-Verträge bewirken ein umfas- sendes, lückenloses System zum Vertrieb von Markenartikeln zu bundesweit einheitlichen Preisen. Sie beeinträchtigen da- mit den Wettbewerb auf der Handelsstufe in erheblichem Maße. Durch den Abschluß von rd. 7 500 gleichlautenden Ver- trägen mit im übrigen selbständigen Facheinzelhändlern er- zielt Telefunken ein Ergebnis, das wirtschaftlich in jeder Be- ziehung dem einer vertikalen Preisbindung entspricht, die seit der Zweiten Kartellgesetznovelle nicht mehr zulässig ist. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243
Das Kammergericht hat diese Auffassung des Bundeskartell- amtes bestätigt. Es weist darauf hin, daß bereits die amtliche Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen den Auftrag an die Rechtspre- chung enthält, Umgehungen des Preisbindungsverbots zu ver- hindern und betont, es widerspräche diesen Intentionen des Gesetzgebers, über den Umweg eines Kommissionsagentur- verhältnisses die beabsichtigte bundesweite lückenlose Preis- bindung zuzulassen.
6. Fusionskontrolle Statistische Im Berichtszeitraum 1981/82 sind 1 221 (1981: 618; 1982: 603) Übersicht Unternehmenszusammenschlüsse vollzogen und nach § 23 an- gezeigt worden. Damit ist die Zahl der Unternehmenszusam- menschlüsse nach dem Höchststand von 635 Zusammen- schlüssen im Jahre 1980 erstmalig leicht rückläufig. Von den 618 und 603 Zusammenschlüssen waren 254 + 336 = 590 zwingend oder freiwillig vor Vollzug ange- meldete und im Berichtszeitraum vollzogene Zusammenschlüsse, 150 + 138 = 288 nach Vollzug angezeigte kontrollpflichtige Zusammenschlüsse und 214 + 129 = 343 nicht kontrollpflichtige Zusammenschlüsse.
Stark zugenommen hat die Zahl der vor Vollzug angemelde- ten Zusammenschlüsse. Dies ist eine Folge der- mit der Vier- ten Kartellgesetznovelle erweiterten Anmeldepflicht, mit der die wettbewerbspolitisch besonders problematische Beteili- gung von Großunternehmen an Zusammenschlüssen besser erfaßt und die nachträgliche Auflösung bereits vollzogener Zusammenschlüsse vermieden werden sollte. Im Berichtszeit raum 1981/82 waren dadurch gegenüber der bisherigen Rege- lung 515 Zusammenschlüsse zusätzlich vor Vollzug anmel- depflichtig. Der Schwerpunkt der Fusionskontrolle hat sich damit eindeutig auf die präventive Fusionskontrolle verlagert, der über zwei Drittel aller Kontrollfälle unterlagen. 1979 be- trug dieser Anteil noch unter einem Viertel. Dagegen ist durch die Einschränkung der Anschlußklausel die Zahl der nicht kontrollpflichtigen Zusammenschlüsse deutlich zurückgegan- gen. Die Zahl der Anschlußfälle betrug in den Jahren 1981 und 1982 insgesamt 252 (160 und 92), ohne die Novellierung des Anschlußtatbestandes wären weitere 180 (91 und 89) Fälle nicht kontrollpflichtig gewesen. Folgende Unternehmen sind in den Jahren 1981 und 1982 besonders häufig als Erwerber an Zusammenschlüssen betei- ligt gewesen: Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
Zusammenschlüsse (davon Anschlüsse) 1981 1982 1981/82 1. Veba 26 (13) 19 (8) 45 (21) 2. BP 17 (15) 16 (10) 33 (25) 3. Rewe 13 (10) 19 (11) 32 (21) 4. Haniel 11 (5) 12 (8) 23 (13) 5. Ruhrkohle 14 (7) 8 (1) 22 (8) Thyssen 6 (2) 16 (1) 22 (3) 7. Werhahn 7 (1) 10 (2) 17 (3) DG-Bank 7 (1) 10 (—) 17 (1) 9. Coop 8 (1) 8 (—) 16 (1) 10. RWE 5 (1) 10 (1) 15 (2)
Neu in dieser Liste der besonders häufigen Erwerber sind die beiden Unternehmen des Lebensmittelhandels Rewe und Coop. In diesem Bereich vollzieht sich die Konzentration häu- fig in der Form der Übernahme einzelner Betriebsstätten. Die Fortschreibung der Liste der zehn häufigsten Erwerber seit Einführung der Fusionskontrolle zeigt folgendes Bild:
Zusammenschlüsse (davon Anschlüsse) 1973 bis 1982 1. Veba 215 (104) 2. BP 153 (121) 3. RWE 122 (57) 4. Haniel 86 (62) - 5. Shell 75 (68) 6. Ruhrkohle 69 (22) Thyssen 69 (19) 8. Salzgitter 59 (13) 9. Estel-Hoesch 58 (32) Dresdner Bank 58 (15)
Untersagungen Im Berichtszeitraum sind in formellen Verfahren insgesamt 13 Zusammenschlüsse untersagt worden (davon 11 im Jahr 1981 und 2 im Jahr 1982):
Zusammenschluß Zweiter Entscheidungsgründe (Kurzbezeichnung) Abschn. S.
1. Gruner & Jahr/ Entstehung und Verstärkung — Zeitverlag der marktbeherrschenden Stellung verschiedener Presse- organe 2. Rewe Zentral/ Verstärkung einer markt 68 Florimex beherrschenden Stellung auf dem Markt für Schnittblumen 3. Rheinmetall/ Verstärkung von marktbeherr 55 f. WMF schenden Stellungen auf den Märkten für Bestecke und Tafelgeräte aus rostfreiem Edelstahl und Großkaffee- maschinen Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243
Zusammenschluß Zweiter Entscheidungsgründe (Kurzbezeichnung) Abschn. S.
4. Krupp/Total Entstehung einer überragen- 56f. den Marktstellung auf dem Markt für stationäre Feuer- löschanlagen 5. Hussel/Mara Verstärkung einer markt- 60 beherrschenden Stellung auf dem Handelsmarkt für hoch- wertige Kosmetika und Parfums sowie als Nachfrager gegenüber Herstellern und Importeuren 6. IBH/Wibau Verstärkung einer überragen- 49 den Marktstellung bei Asphalt-Mischanlagen 7. Deutsche Luft- Verstärkung einer über- 73 hansa/f. i. r. s. t. ragenden Marktstellung bei Pauschaltouristikflügen 8. Deutsche Total/ Verstärkung eines markt- 41 Speier beherrschenden Oligopols auf dem Markt für leichtes Heizöl 9. Nordwest- Verstärkung einer überragen- 77 Zeitung/Ammer- den Marktstellung auf dem land Echo Markt für Abo-Tageszeitun- gen und auf dem Markt für Anzeigenblätter 10. Holtzbrinck/ Entstehung einer überragen- 77 f. Rowohlt den Marktstellung auf dem Markt für Taschenbücher 11. Burda/Springer Entstehung eines marktbeherr- 75 sehenden Oligopols auf dem Pressevertriebsmarkt sowie auf dem Anzeigen- und Tief druck- markt für Zeitschriften; Ver- stärkung einer marktbeherr- schenden Stellung auf den Le- sermärkten für Programmzeit- schriften, Kaufzeitungen und Sonntagszeitungen 12. Philip Morris/ Verstärkung der marktbeherr- 70 Rothmans sehenden Stellung eines Oligo- pols auf dem Zigarettenmarkt 13. Coop/Super- Entstehung einer markt- 67 f. magazin beherrschenden Stellung im Lebensmittelhandel
Damit sind seit Einführung der Fusionskontrolle bis Ende 1982 insgesamt 48 Zusammenschlüsse untersagt worden. 18 Untersagungen sind inzwischen rechtskräftig geworden; in vier Fällen ist das Auflösungsverfahren noch nicht abge- schlossen. In 14 Fällen sind Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfah- ren anhängig, in 12 Fällen ist die Untersagung des Bundeskar- tellamtes endgültig aufgehoben oder für erledigt erklärt wor- den. Für vier Zusammenschlüsse hat der Bundesminister für Wirtschaft eine Ministererlaubnis erteilt. Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
Im Jahre 1983 sind bis Ende Mai drei Zusammenschlüsse untersagt worden (Schaper/Böser Wolf; Oberbergische Asphaltmischwerke; Stadtwerke Bremen/Gasversorgung Wesermünde). Für die Effizienz der Fusionskontrolle von besonderer Bedeu- tung sind neben den untersagten Zusammenschlüssen auch diejenigen Fusionsvorhaben, die nach Erörterung mit dem Bundeskartellamt von den beteiligten Unternehmen wieder aufgegeben wurden, weil mit einer fusionsrechtlichen Frei- gabe nicht gerechnet werden konnte. Ihre Zahl ist von 61 (Ende 1980) auf 86 (Ende 1982) gestiegen. Zehn Zusammen- schlüsse sind nach Einwendungen des Bundeskartellamtes so reduziert worden, daß wettbewerbliche Bedenken nicht mehr bestanden. Darüber hinaus hat die Fusionskontrolle vorbeu- gende Wirkung, weil viele Zusammenschlußvorhaben allein durch die Existenz der Fusionskontrolle bereits in der Pla- nungsphase von den Unternehmen wieder aufgegeben wer- den, ohne daß sie dem Bundeskartellamt bekannt werden.
Entwicklung Rund ein Drittel (345) aller Zusammenschlüsse entfiel im Be in einzelnen Branchen richtszeitraum auf Beteiligungen an Handelsunternehmen. Zwar ist dieser Anteil gegenüber 1979/80 etwa gleichgeblie- ben, doch haben sich einzelne Handelssektoren sehr unter- schiedlich entwickelt. Nach Untersagung der Zusammen- schlüsse Texaco/Zerssen und Mobil Oil/Mertl ist die hohe Zahl der Serienaufkäufe im Brennstoffhandel deutlich zu- rückgegangen. Von den insgesamt noch 89 Zusammenschlüs- sen in diesem Bereich (1979/80: 143) unterlagen 65 nicht der Kontrollpflicht, weil die beteiligten großen -Unternehmen Brennstoffhändler mit weniger als 4 Mio. DM Umsatz erwor- ben hatten. Dies läßt erkennen, daß die Großunternehmen sich zumindest zur Zeit auf den kontrollfreien Erwerb von kleinen Unternehmen beschränken. Inzwischen hat das Kam- mergericht die Untersagung des Zusammenschlusses Texaco/ Zerssen aufgehoben. Sollte der Bundesgerichtshof diese Entscheidung bestätigen, ist nicht auszuschließen, daß sich die Konzentration im Brennstoffhandel wieder verschärft. Drastisch zugenommen hat die Fusionstätigkeit im Lebens- mittelhandel. Mit 87 Zusammenschlüssen hat sich die Zahl der Zusammenschlüsse im Lebensmittelhandel im Berichts- zeitraum 1981/82 gegenüber 1979/80 fast verdoppelt. Dabei wurde ein Umsatzpotential von über 6 Mrd DM erworben. Im Fall Coop/Supermagazin hat das Bundeskartellamt erstmalig ein Zusammenschlußvorhaben im Lebensmittelhandel unter- sagt (Zweiter Abschnitt S. 67 f.). Entscheidend war hierfür zum einen die von den Unternehmen nicht widerlegte Vermutung, daß durch den Zusammenschluß auf dem betroffenen Regio- nalmarkt ein marktbeherrschendes Oligopol von drei Unter- nehmen des Lebensmittelhandels mit über 50 % Marktanteil entsteht. Darüber hinaus würde auch die marktbeherrschende Stellung der Coop-Gruppe als Nachfrager nach Lebensmitteln verstärkt. Die Ermittlungen des Bundeskartellamtes haben Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243 ergeben, daß einige bundesweit tätige Handelsgruppen u. a. aufgrund ihres großen Nachfragevolumens eine überragende Bedeutung haben. Viele Hersteller von Lebensmitteln können auf deren Distributionsleistungen nicht verzichten, weil eine Verlagerung ihres Absatzes auf andere Abnehmer praktisch unmöglich ist. Diese großen Handelsunternehmen haben da- her bei Preis- und Konditionenverhandlungen vom Wettbe- werb nicht ausreichend kontrollierte überragende Verhaltens- spielräume und sind damit marktbeherrschend.
Ein weiterer Schwerpunkt der Fusionskontrolle war der Pres- sebereich. Von den rund 40 Pressefusionen des Berichtszeit- raumes 1981/82 entfielen wiederum eine Reihe auf Zusam- menschlüsse zwischen Zeitungsverlagen und lokalen Anzei- genblättern. Mit dem Zusammenschluß Nordwest-Zeitung/ Ammerland Echo ist ein weiterer Zusammenschluß dieser Art untersagt worden (Zweiter Abschnitt S. 77). Angesichts des bereits erreichten hohen Konzentrationsgrades auf den mei- sten regionalen und lokalen Pressemärkten wird das Bundes- kartellamt auch künftig gegen die Beseitigung des letzten Randwettbewerbs vorgehen. Der Bundesgerichtshof hat diese Untersagungspraxis des Amtes bisher in allen entschiedenen Fällen bestätigt. In seiner Entscheidung Münchener Wochen- blatt/Stadler & Faber (Zweiter Abschnitt S. 77) hat der Bun- desgerichtshof dabei festgestellt, daß Anzeigenblätter, die ei- nen redaktionellen Teil enthalten, Presseerzeugnisse sind, so daß die Anschlußklausel hier nicht gilt.
Besondere Bedeutung hatten im Berichtszeitraum die Unter- sagungsverfügungen Burda/Springer und Gruner- + Jahr/Zeit (Zweiter Abschnitt S. 75). Der Zusammenschluß Burda/Sprin- ger hätte zu einer erheblichen Verschlechterung der Wettbe- werbsbedingungen auf verschiedenen Märkten geführt. So wären auf dem Pressevertriebsmarkt, im Anzeigenbereich der Publikumszeitschriften und beim Tiefdruck marktbeherr- schende Oligopole entstanden. Bei Straßenverkaufs- und Sonntagszeitungen sowie bei Programmzeitschriften wäre darüber hinaus die überragende Marktstellung des Axel- Springer-Verlages verstärkt worden. Die Übernahme des Zeit- verlages durch Gruner +Jahr führt nach Auffassung des Bun- deskartellamtes zu einer .überragenden Marktstellung der „Zeit" bei politischen Wochenzeitungen sowie zu einer Ver- stärkung der Marktbeherrschung von Gruner + Jahr als An- bieter des „Stern" bei Publikumszeitschriften. Diese Untersa- gung ist jedoch vom Kammergericht aufgehoben worden. Da- gegen hat der Bundesgerichtshof die Untersagung der beab- sichtigten Fusion Springer/Münchener Merkur bestätigt. Er hat dabei festgestellt, daß die Bild-Zeitung auf dem Leser- markt für Kaufzeitungen marktbeherrschend ist und diese Marktstellung durch Verbesserungen ihrer Wettbewerbsposi- tion auf regionalen Teilmärkten verstärkt wird (Zweiter Ab- schnitt S. 75f.).
Von den 1 221 im Berichtszeitraum insgesamt angezeigten Zu Kontrolle von Auslandszusammen- sammenschlüssen waren 1053 Inlandszusammenschlüsse, schlüssen Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
d. h., das erworbene Unternehmen hatte seinen Sitz im Inland. Dabei waren in 315 Fällen ausländische Unternehmen direkt oder indirekt als Erwerber beteiligt. Bei 168 Zusammenschlüs- sen sind Unternehmen mit Sitz im Ausland erworben worden (Auslandszusammenschlüsse). Dabei sind deutsche Unterneh- men in 35 Fällen direkt und in 17 Fällen indirekt über auslän- dische Tochtergesellschaften als Erwerber aufgetreten.
Der deutschen Fusionskontrolle unterliegen auch alle Aus- landszusammenschlüsse, die sich unmittelbar auf die Wettbe- werbsverhältnisse im Inland auswirken. Dies hat der Bundes- gerichtshof (WuW/E BGH 1613 „Organische Pigmente") für die Anzeigepflicht bestätigt. Das gilt nach Auffassung des Bundeskartellamtes grundsätzlich auch für die Anmelde- pflicht nach § 24 a Abs. 1 Satz 2 und die Untersagungsbefugnis. Die Anwendung der Vorschriften der Fusionskontrolle auf Auslandszusammenschlüsse beruht auf dem völkerrechtlich anerkannten Auswirkungsprinzip. Einschränkungen können nur aus dem Verbot der Einmischung in die inneren Angele- genheiten anderer Staaten sowie aus dem völkerrechtlichen Mißbrauchsverbot ergeben.
Nach diesen Grundsätzen hat das Bundeskartellamt im Be- richtszeitraum den Zusammenschluß Philip Morris/Rothmans untersagt (Zweiter Abschnitt S. 70). Der Beteiligungserwerb erfolgte unmittelbar nur zwischen ausländischen Unterneh- men und ist auch im Ausland vollzogen worden. Beide Gesell- schaften haben jedoch Tochterunternehmen im Inland, die hier nach dem Zusammenschluß ihrer Muttergesellschaften keine unabhängigen Wettbewerber mehr sind.- Da der Zusam- menschluß dieser beiden inländischen Gesellschaften nach Auffassung des Bundeskartellamtes zur Verengung des marktbeherrschenden Oligopols auf dem deutschen Zigaret- tenmarkt und damit zu einer schwerwiegenden Verschlechte- rung der inländischen Wettbewerbsstruktur führt, hat es den Zusammenschluß Philip Morris/Rothmans insgesamt unter- sagt. Das Bundeskartellamt hat aber verfügt, daß sich die Auf- lösung des Zusammenschlusses nur auf die Beseitigung der Verstärkung der marktbeherrschenden Stellungen auf dem inländischen Zigarettenmarkt erstrecken muß.
Zusammenschluß Das Bundeskartellamt hat im Berichtszeitraum auch mehrere tatbestand wettbewerblich bedeutsame Beteiligungen geprüft, die knapp unterhalb der fusionsrechtlichen 25 %-Grenze lagen. Derartige Beteiligungen unterliegen der Fusionskontrolle, wenn der Er- werber durch zusätzliche Regelungen einen entscheidenden Einfluß auf das wettbewerbliche Verhalten des erworbenen Unternehmens erlangt. So gilt als Zusammenschluß auch der Erwerb von Anteilen, soweit der Erwerber durch Vertrag, Sat- zung, Geschäftsordnung oder Beschluß eine dem Minderheits- aktionär mit mehr als 25 % des stimmberechtigten Aktienkapi- tals vergleichbare Rechtsstellung erlangt. Darüber hinaus gilt als Zusammenschluß auch jede sonstige Verbindung, durch die Unternehmen allein oder gemeinschaftlich andere Unter- nehmen beherrschen können. Im Fall Metro/Kaufhof (Zweiter Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243
Abschnitt S. 72) hat das Amt ursprünglich den parallelen Er- werb von jeweils 24% des Grundkapitals des Kaufhofs durch die Metro und die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) als Zusammenschluß gewertet, weil sich die Metro zugunsten der SBG zu einer Renditegarantie und einer Entschädigung für mögliche Verluste bei einer Weiterveräußerung der von der SBG übernommenen Anteile verpflichtet hatte. Damit lag das wirtschaftliche Risiko der SBG-Beteiligung ausschließlich bei der Metro, der damit auch die von der SBG gehaltenen Anteile zuzurechnen waren (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2). Nachdem Metro und SBG diese Vereinbarungen aufgehoben hatten und wei- tere Ermittlungen den Verdacht von Zusatzabreden zwischen Metro und SBG nicht bestätigten, hat das Kammergericht den Zusammenschlußtatbestand verneint. Allein die Annahme, daß SBG mangels eines eigenen unternehmerischen Interes- ses am Kaufhof der Metro auch ohne rechtliche Absicherung die Stimmführerschaft überlassen würde, bietet nach der Auf- fassung des Kammergerichts keine gesicherte Einflußmög- lichkeit der Metro beim Kaufhof. Das Zusammenschlußver- fahren mußte daher vom Bundeskartellamt eingestellt wer- den. Inzwischen hat die Metro angemeldet, daß sie ihre Betei- ligung am Kaufhof auf 25% aufstocken will, so daß der Zusam- menschluß jetzt erneut geprüft wird. Für die Anwendung des mit der Vierten Kartellgesetznovelle eingeführten Umgehungstatbestands des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 kommt es entscheidend auf die mit dem Anteilserwerb erlangte Rechtsposition an. Nach Auffassung des Bundeskar- tellamtes umfaßt diese nicht nur die mit einer Sperrminorität verbundenen Sperrechte, wie sie z. B. bei einer Änderung der Satzung und der Kapitalausstattung gegeben sind, sondern auch die Einflußnahme auf die Geschäftspolitik durch Vertre- ter in den Leitungs- oder Aufsichtsorganen. Die Möglichkeit, dort ständig Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse zu nehmen und die eigenen Interessen unmittelbar in den Ent- scheidungsprozeß des anderen Unternehmens einbringen zu können, verschafft einen für den Umgehungstatbestand maß- geblichen Einfluß. Dies gilt insbesondere auch bei Beteiligun- gen an Gesellschaften, bei denen es die spezifisch aktienrecht- lichen Sperrmöglichkeiten nicht gibt. Nach der Untersagung des Zusammenschlusses Burda/Springer (Zweiter Abschnitt S. 75), hat das Bundeskartellamt unter diesen Gesichtspunk- ten auch die Beteiligung von Burda an Springer in Höhe von 24,9 % geprüft. Da die zwischen Burda und Springer geschlos- senen Verträge aber Burda keine über die Beteiligung von 24,9 % hinausgehenden rechtlichen Einflußmöglichkeiten bei Spinger verschaffen, lag kein Zusammenschlußtatbestand vor. In den Fällen Braun/Almo und VEW/Gelsenwasser (Zweiter Abschnitt S. 55 und S. 88) hat das Kammergericht — im Fall Braun/Almo mit Billigung des Bundesgerichtshofes im Rechtsbeschwerdeverfahren — die Untersagungen u. a. des- wegen aufgehoben . , weil die Minderheitsbeteiligung den Er- werbern trotz der bestehenden gesellschaftsrechtlichen Sperrechte keine wettbewerbsrelevante Einflußmöglichkeit eröffnet. Demgegenüber ist das Bundeskartellamt der Auffas- Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
sung, daß Minderheitsbeteiligungen an Wettbewerbern in der Regel wettbewerblich relevante Wirkungen entfalten. Denn nach aller wirtschaftlichen Erfahrung dienen Kapitalbeteili- gungen von Wettbewerbern untereinander dem Ziel, zumin- dest mitbestimmenden Einfluß auf das unternehmerische Verhalten zu nehmen. Es kann daher unterstellt werden, daß so verflochtene Unternehmen die jeweiligen Interessen wech- selseitig bei ihren unternehmerischen Entscheidungen auch ohne rechtlich gesicherte Durchsetzungsmöglichkeiten in Rechnung stellen. Dies ist nur bei reinen Finanzbeteiligungen ohne unternehmerische Interessen nicht zu erwarten. Zur Frage der gemeinsamen Beherrschung nach § 23 Abs. 2 Nr. 5 hat der Bundesgerichtshof im Fall Transportbeton Sau- erland (Zweiter Abschnitt S. 46) wie schon früher im Fall WAZ/Brost & Funke (Tätigkeitsbericht 1978 S. 83) bestätigt, daß sich schon aus der Interessengleichheit mehrerer Gesell- schafter eine gemeinsame Beherrschung ergeben kann. Vor- aussetzung dafür ist, „daß über die von Personengesellschaf- ten typische gemeinsame Interessenlage und Leitungsmacht hinaus weitere Umstände vorliegen, die eine gesicherte ein- heitliche Einflußnahme ' einer Gruppe der beteiligten Unter- nehmen oder der Gesamtheit derselben auf der Grundlage einer auf Dauer angelegten Interessengleichheit erwarten las- sen" (WuW/E BGH 1811). Zugleich hat der Bundesgerichtshof die vom Kammergericht vertretene Auffassung, allein die Möglichkeiten wechselnder Mehrheitsbildungen schließe eine gemeinsame Beherrschung aus, verworfen.
Marktbeherr Im Berichtszeitraum sind eine Reihe von Zusammenschlüs-- schungs sen geprüft worden, bei denen die mit der Vierten Kartell- ermutungen -v gesetznovelle neu eingeführten Marktbeherrschungsvermu- tungen erfüllt waren. Nach den Feststellungen des Bundes- kartellamtes waren die Untersagungsvoraussetzungen aber nur in wenigen Fällen erfüllt.
Die geringe praktische Bedeutung der Vermutungen beruht allein darauf, daß die Anwendung der Vermutungen bei der unveränderten Rechtsgrundlage für eine Untersagung rasch an ihre Grenze stößt. Nach der Entscheidung des Bundesge- richtshofs im Fall Klöckner/Becorit (WuW/E BGH 1749) ent- binden die Vermutungen das Bundeskartellamt nicht von ei- ner umfassenden Prüfung der Untersagungsvoraussetzungen. Nur für den Fall, daß nach dem Ergebnis dieser Prüfung die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung weder auszuschließen noch zu bejahen ist, kann eine Untersagung allein auf die Marktbeherrschungsvermutungen gestützt werden. Bisher hat das Bundeskartellamt nur im Fall Rewe/Florimex die Eindringensvermutung des § 23 a Abs. 1 Nr. 1 a herangezo- gen. Hier wurde die Vermutung, daß sich die überragende Marktstellung von Florimex auf dem süddeutschen Großhan- delsmarkt für Schnittblumen durch den Einstieg der Rewe Gruppe verstärkt, durch die erforderliche Prüfung aller rele- vanten Aspekte des Sachverhalts bestätigt (Zweiter Abschnitt Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243
S. 68). Das Kammergericht hat inzwischen die Beschwerde der Rewe-Gruppe zurückgewiesen.
Der Zielvorstellung des § 23 a Abs. 1 Nr. 1 b, die Verbindung von Marktbeherrschung und Ressourcenstärke besser zu er- fassen, hatte das Bundeskartellamt bereits bei der Untersa- gung des von der Vierten Kartellgesetznovelle vollzogenen Zusammenschlusses Rheinmetall/WMF Rechnung getragen (Zweiter Abschnitt S. 55). Die Finanzkraft von Rheinmetall führt nach Auffassung des Bundeskartellamtes zu einer Ver- stärkung der marktbeherrschenden Stellung von WMF auf dem Markt für Bestecke aus rostfreiem Edelstahl, obwohl Rheinmetall im wettbewerblichen Umfeld von WMF nicht tä- tig ist. Die größte Bedeutung für die Praxis hat bisher die qualifi- zierte Oligopolvermutung des § 23 a Abs. 2 erlangt. Danach gel- ten die führenden drei bzw. fünf Unternehmen eines Marktes als marktbeherrschend, wenn sie zusammen einen Marktan- teil von 50 % bzw. zwei Dritteln auf sich vereinigen. Das Bun- deskartellamt hat bisher drei Untersagungen auf diese Vor- schrift gestützt (Burda/Springer; Philip Morris/Rothmans; Coop/Supermagazin). In weitaus mehr Fällen konnten aller- dings die betroffenen Unternehmen die Oligopolvermutung widerlegen. Nach der Zielsetzung der Vierten Kartellgesetzno- velle, weitere Strukturverschlechterungen auf oligopolisti- schen Märkten zu verhindern, kommen für die Widerlegung der Vermutung nur strukturelle Kriterien in Betracht. Das tat- sächliche Wettbewerbsverhalten kann nur dann eine Widerle- gung begründen, wenn wesentlicher Wettbewerb festgestellt wird und dessen strukturelle Voraussetzungen sich weder durch den Zusammenschluß noch durch andere absehbare Entwicklungen nachhaltig ändern. Welche Bedeutung ein- zelne Strukturmerkmale für die Widerlegung haben, ist nur nach einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfal- les zu entscheiden. In der Praxis des Bundeskartellamtes ha- ben bisher vor allem niedrige Marktzutrittsschranken, poten- tieller Wettbewerb, besondere Absatzbedingungen, besondere Produktbeschaffenheit und Technologie sowie der Grad des Wachstums und der Innovation eine Rolle gespielt. Aufholfu- sionen können nur in Ausnahmefällen — etwa im Grenzbe- reich zur Einzelmarktbeherrschung — die Marktbeherr- schungsvermutungen widerlegen. Insbesondere bei Zusam- menschlüssen von zwei zur Oligopolgruppe gehörenden Un- ternehmen kann die Vermutung nicht mit dem Argument der Aufholfusion widerlegt werden, da sich in solchen Fällen stets das Oligopol weiter verengt. So waren in den Untersagungsfäl- len Burda/Springer und Philip Morris/Rothmans die beteilig- ten Unternehmen zwar nicht die Marktführer, gehörten aber jeweils zur Gruppe der drei bzw. fünf größten Anbieter. Im Fall Coop/Supermagazin (Zweiter Abschnitt S. 67f.) erreichten die drei regional führenden Anbieter durch den Zusammen- schluß mehr als 50 % Marktanteil, ohne daß ausreichende Wi- derlegungsgründe von den Unternehmen vorgetragen oder vom Bundeskartellamt ermittelt worden sind. Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
Neben der qualifizierten Oligopolvermutung bleibt der Oligo- poltatbestand des § 22 Abs. 2 auch für die Fusionskontrolle von Bedeutung. Die Beweislast für den Nachweis, daß wesent- licher Wettbewerb zwischen den Oligopolisten fehlt, liegt hier allerdings beim Bundeskartellamt. Im Fall Tonolli/Blei- und Silberhütte Braubach hat der Bundesgerichtshof die Aufhe- bung der Untersagungsverfügung des Amtes durch das Kam- mergericht mit der Begründung bestätigt, daß auf dem inlän- dischen Bleimarkt wesentlicher Wettbewerb herrscht. Dar- über hinaus hat er ausgeführt, daß bei fehlendem Preiswettbe- werb zwar aus der Summierung untergeordneter Wettbe- werbsformen auf wesentlichen Wettbewerb geschlossen wer- den kann. Er weist aber ausdrücklich darauf hin, daß in jedem Fall die wesentlichen Funktionen des Wettbewerbs erfüllt sein müssen und insbesondere auch der Preissetzungsspiel- raum der Unternehmen begrenzt sein muß.
Auflösung Zur Auflösung von rechtskräftig untersagten Zusammen- schlüssen führt das Bundeskartellamt drei Verfahren nach § 24 Abs. 6 durch, in einem weiteren ist die Auflösung derzeit aus tatsächlichen Gründen nicht möglich. Ziel der Auflösungs- verfahren ist die Beseitigung der durch den Zusammenschluß bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen. Im Fall Springer/ Elbe Wochenblatt (Zweiter Abschnitt S. 77) hat das Bundes- kartellamt das Ausscheiden des Axel-Springer-Verlags aus der Anzeigenblatt-Verlags-Gesellschaft angeordnet. Die vor- ausgegangenen Vertragsänderungen zur Auflösung des Zu- sammenschlusses hatten weder die Wettbewerbsbeschrän- kung beseitigt noch den Zustand vor dem Zusammenschluß wieder hergestellt. Das Kammergericht hat die Auflösungs- verfügung bestätigt und festgestellt, daß derartige Maßnah- men zulässig sind, solange die Verbindung der beteiligten Un- ternehmen zueinander noch einen der im Gesetz vorgesehe- nen Zusammenschlußtatbestände erfüllt. Die Auflösung könne sich auf die Verbindung insgesamt erstrecken und müsse hier nicht auf die 25% übersteigenden Anteile be- schränkt werden. Das Kammergericht hat ferner darauf hin- gewiesen, daß zur Beseitigung der Wettbewerbsbeschränkung ggf. auch der Veräußerer seine Anteile zurücknehmen müsse, wenn er dazu objektiv imstande sei (WuW/E OLG 2753). Im Auflösungsfall Alsen Breitenburg/Klöckner hat das Bun- deskartellamt die Übertragung des erworbenen Zementwer- kes auf einen Dritten gefordert, weil die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes durch Rückabwicklung mate- riell nichts an der fusionsbedingten Wettbewerbsbeschrän- kung ändern würde. Da aber trotz Einschaltung eines Unter- nehmensmaklers kein Erwerber gefunden werden konnte, ist das Verfahren bis auf weiteres ausgesetzt worden (Zweiter Abschnitt S. 46). Im Fall Thyssen/Hüller (Zweiter Abschnitt S. 49) hat das Bun- deskartellamt für die Entflechtung einen öffentlich-rechtli- chen Vertrag geschlossen. Dieser verpflichtet Thyssen, die von der Teilerlaubnis des Bundeswirtschaftsministers nicht erfaß- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243 ten 55 % der Geschäftsanteile von Hüller zu veräußern. Ge- schieht dies nicht bis Ende 1984, gehen diese Anteile auf einen nicht weisungsgebundenen Treuhänder über, der — nach be- stimmten Grundsätzen — mit der Veräußerung betraut ist und die zur Veräußerung erforderlichen Rechtsgeschäfte für Rechnung von Thyssen abschließen kann.
7. Kontrolle wi rtschaftlicher Machtstellungen
Das Bundeskartellamt hat im Berichtszeitraum 1981/82 seine Praxis fortgesetzt, sich bei der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen vor allem auf die Verfol- gung von Behinderungsmißbräuchen zu konzentrieren und die Preishöhenkontrolle auf Fälle deutlicher und nicht nur kurzfristiger Preismißbräuche zu beschränken (Tätigkeitsbe- richt 1979/80 S. 26 f.). Eine solche Akzentsetzung hat den Vor- teil, daß sie die Voraussetzungen für einen wirksamen Wettbe- werb fördert, denn die Unterbindung von Behinderungsprakti- ken schützt den Restwettbewerb auf dem beherrschten Markt. Eine Preishöhenkontrolle ist dagegen nur ein Kurieren an Symptomen, weil die Preissetzungsspielräume marktbeherr- schender Unternehmen häufig nur die Folge von Behinde- rungshandlungen sind. Hier führt somit die Beseitigung der wettbewerbsbeschränkenden Ursache auch zum Fortfall des Preismißbrauchs. Die relativ geringe Zahl von Preismißbrauchsverfahren, die das Bundeskartellamt neu eingeleitet hat, ist- jedoch nicht nur das Ergebnis bewußter ordnungspolitischer Zurückhaltung. Die rezessive Wirtschaftsentwicklung und der scharfe Außen- wettbewerb haben mit dazu beigetragen, daß auch Unterneh- men mit überragenden Marktstellungen kaum Möglichkeiten hatten, ihre Preisvorstellungen durchzusetzen. In den Fällen, in denen das Bundeskartellamt im Berichtszeitraum Preis mißbrauchsverfahren eingeleitet hat — bei pharmazeutischen Produkten und bei Mineralölerzeugnissen — weisen die Märkte Besonderheiten auf, die sie von anderen Produkt- märkten unterscheiden. Bei der pharmazeutischen Industrie liegen die Besonderheiten vor allem in der Dreiteilung der Medikamentennachfrage in verschreibende Ärzte, verbrau- chende Patienten und zahlende Krankenkassen. Trifft diese institutionelle Besonderheit auf eine hohe Konzentration des Angebots, sind die wesentlichen Voraussetzungen für Preis- wettbewerb nicht mehr gegeben.
Im Berichtszeitraum hat das Bundeskartellamt wegen miß- bräuchlich überhöhter Arzneimittelpreise zwei Verfahren ein- geleitet. Im ersten Fall waren davon die fünf führenden An- bieter des Blutgerinnungsstoffes „Faktor VIII" betroffen, die einen Marktanteil von rd. 85 % auf sich vereinigten (Zweiter Abschnitt S. 59). Die in der Bundesrepublik Deutschland ange- botenen Blutgerinnungspräparate stammen meist aus den USA und werden von den amerikanischen Herstellern über deutsche Tochterunternehmen vertrieben. Die hier geforder- Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
ten Preise betrugen allerdings etwa das Fünffache der Preise in den USA. Das Mißbrauchsverfahren konnte eingestellt wer- den, nachdem die Unternehmen während des Verfahrens ihre Preise drastisch gesenkt hatten.
Ein weiteres Mißbrauchsverfahren hat das Bundeskartellamt wegen der Preisforderung für ein Antidiabetikum eingeleitet (Zweiter Abschnitt S. 58f.). Das Präparat wird bereits seit 1969 angeboten und ist seit über zehn Jahren das umsatzstärkste deutsche Arzneimittel. Die beiden Herstellerfirmen erreichen damit einen Marktanteil von 75 %. Die reinen Herstellkosten des Präparates (ohne Vertriebs- und Forschungskosten) betra- gen etwa 10 % des Herstellerabgabepreises. Das Bundeskar- tellamt stützt in diesem Fall den Verdacht mißbräuchlich überhöhter Preise nicht auf einen Preisvergleich zwischen dem In- und Ausland, sondern auf die langjährige, auch unter den besonderen Bedingungen des Pharmamarktes wohl ganz ungewöhnliche Kosten-Erlösrelation. Das in § 22 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 genannte Vergleichsmarktkonzept ist nicht die einzige Möglichkeit, einen Preismißbrauch nachzuweisen. Vielmehr sind auch andere Verfahren zulässig, sofern sie mit hinreichender Sicherheit eine Überschreitung des wettbe- werbsanalogen Preises erkennen lassen. Um den Sachverhalt aufzuklären, hat das Bundeskartellamt gegen die betroffenen Herstellerfirmen einen inzwischen vom Kammergericht be- stätigten Auskunftsbeschluß erlassen. Die Besonderheiten der Mineralölindustrie sind ebenfalls struktureller Art. Die sieben größten Unternehmen haben bei sämtlichen Mineralölprodukten zusammen einen Marktanteil von ungefähr zwei Dritteln. Diese Marktstruktur hat zusam- men mit der sehr weitgehenden Homogenität der Produkte wiederholt den Einsatz der Preismißbrauchsaufsicht erfor- dert. So hat das Bundeskartellamt im Berichtszeitraum Preis- mißbrauchsverfahren gegen mehrere Mineralölgesellschaften als Betreiber von Bundesautobahntankstellen (BAT) eingelei- tet (Zweiter Abschnitt S. 40f.). Diese sind nach Auffassung des Bundeskartellamtes marktbeherrschend, da sie für den Strek- kenabschnitt zwischen zwei BAT keinem wesentlichen Wett- bewerb ausgesetzt sind. Nach dem schon seit Ende 1976 vom Bundeskartellamt praktizierten Mißbrauchsmaßstab sind die Preise für Vergaserkraftstoff an den BAT dann mißbräuch- lich, wenn der Preisabstand gegenüber der teuersten der fünf nächsterreichbaren Umlandtankstellen mehr als 2 Pf pro Li- ter beträgt. Bei diesem Vergleich wurden ausschließlich Be- dienungstankstellen berücksichtigt (Tätigkeitsbericht 1977 S. 50). Da Vergaserkraftstoff heute aber — von den BAT abge- sehen — überwiegend im Selbstbedienungsgeschäft abgesetzt wird, hat das Bundeskartellamt jetzt die Berechnung der Miß- brauchsgrenze geändert und auf den Durchschnittspreis der fünf nächsterreichbaren Straßentankstellen unter Einbezie- hung von SB-Tankstellen abgestellt, deren Preis dabei um den marktüblichen Bedienungszuschlag von 4 Pf pro Liter erhöht wird. Die übrigen Elemente des Mißbrauchsmaßstabs — ins- besondere der 2 Pf-Aufschlag u. a. für die strukturbedingt hö- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243 heyen Kosten der BAT — sind unverändert geblieben. Die auf dieser Grundlage erlassenen Mißbrauchsverfügungen hat das Kammergericht aufgehoben. Es läßt die Frage offen, ob eine BAT ein Streckenmonopol besitzt, vertritt aber die Ansicht, daß als Wettbewerbspreis im Rahmen des Vergleichsmarkt- konzepts immer nur ein Einzelpreis und nicht der Durch- schnittspreis in Frage komme. Demgegenüber vertritt das Bundeskartellamt die Auffassung, daß auf Märkten mit stän- dig wechselnden Tagespreisen, wie sie für Vergaserkraftstoffe charakteristisch sind, der Durchschnittspreis eine stabilere und somit geeignetere Vergleichsbasis abgibt als ein Einzel- preis, der nur sehr kurzfristig am Markt Bestand hat. Zur Klä rung dieser Grundsatzfrage hat das Bundeskartellamt Rechts- beschwerde eingelegt.
Ein weiteres Preismißbrauchsverfahren in diesem Bereich hatte das Bundeskartellamt wegen der seit Herbst 1981 von den Mineralölgesellschaften mit bundesweiten Tankstellen- netzen praktizierten regionalen und örtlichen Preisdifferen- zierung eingeleitet (Zweiter Abschnitt S. 40). Nach Auffassung des Bundeskartellamtes betreiben die Mineralölunternehmen eine Politik der extremen Preisspaltung, wobei sie ihre markt- beherrschende Stellung in Regionen ohne wesentlichen Wett- bewerb mißbräuchlich ausnutzen. Das Bundeskartellamt wollte diesen Sachverhalt mit Auskunftsbeschlüssen nach § 46 aufklären. Das Kammergericht hat jedoch das Bestehen eines dafür notwendigen Anfangsverdachts verneint und die Aus- kunftsbeschlüsse aufgehoben. Es hat dabei die Auffassung vertreten, daß die Überschreitung des wettbewerbsanalogen Preises dann nicht mißbräuchlich sei, wenn es- dafür eine wirt- schaftliche Rechtfertigung gebe. Von einem mißbräuchlichen Preisverhalten könne dann keine Rede sein, wenn ein Unter- nehmen Preise verlange, die unter seinen Selbstkosten liegen. Das Bundeskartellamt vertritt dagegen die Auffassung, daß wirksamer Wettbewerb keine Kostendeckungsgarantie kennt. Würde man marktbeherrschenden Unternehmen in Miß- brauchsverfahren Vollkostendeckung als Rechtfertigung zu- billigen, wäre das eine Privilegierung von Marktbeherr- schung. Da die Entscheidung des Kammergerichts im Aus- kunftsverfahren ergangen ist, hatte das Bundeskartellamt in diesem Verfahren keine Möglichkeit, diese Grundsatzfrage vom Bundesgerichtshof klären zu lassen. Außerdem hat sich das Preisniveau bei Vergaserkraftstoff inzwischen mehrfach erheblich geändert (Zweiter Abschnitt S. 40).
Die von den Mineralölgesellschaften betriebene Politik der Behinderungs- regionalen und lokalen Preisspaltung ist auch als Wettbewer- mißbrauch berbehinderung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verdrängung des mittelständischen Mineralölhandels von Be- deutung. Die Betreiber freier Tankstellen beziehen ihre Ver- gaserkraftstoffe heute überwiegend von den großen inländi- schen Mineralölgesellschaften. Zwar sind angesichts des Preisverfalls auf der Einzelhandelsstufe auch die Raffinerie- abgabepreise gesenkt worden, aber nicht in dem Maße, wie die Mineralölgesellschaften auf den umkämpften Märkten Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
ihre Preise an den Tankstellen gesenkt haben. Da der mittel- ständische Mineralölhandel nicht wie die großen Mineralölge- sellschaften die Möglichkeit hat, die in den Niedrigpreisgebie- ten erlittenen Verluste zumindest teilweise über die in Hoch- preisgebieten erzielten Erlöse auszugleichen, geriet der freie Handel in eine existenzbedrohende Schere aus niedrigen Ab- gabepreisen der konkurrierenden Mineralölgesellschaften an ihren Tankstellen und hohen Raffinerieabgabepreisen. Die vom Bundeskartellamt zur weiteren Aufklärung dieses Sach- verhalts erlassenen Auskunftsbeschlüsse hat das Kammerge- richt ebenfalls aufgehoben (Zweiter Abschnitt S. 40). Nach An- sicht des Kammergerichts fehlt der notwendige Anfangsver- dacht für die Begründung eines marktbeherrschenden Oligo- pols im Bereich der Mineralölindustrie, da die Preise der Mineralölprodukte damals trotz hoher Verluste bei der Rohöl- verarbeitung nicht unerheblich gesunken seien.
Schwerpunkt der Tätigkeit des Bundeskartellamtes gegen- über Behinderungsmißbräuchen war im Berichtszeitraum die Überprüfung von Vertriebssystemen, durch die marktmäch- tige Unternehmen eine Konzentration der Nachfrage auf ihr Gesamtsortiment anstreben. Ökonomische „Hebel" für eine solche Strategie sind Treuerabatte, periodenbezogene Um- satzrabatte, Umsatzsteigerungsrabatte sowie Rabatte und Boni, die nach den Gesamtbezügen der von einem Unterneh- men auf beherrschten und nicht beherrschten Märkten ange- botenen Erzeugnisse berechnet werden. Das Bundeskartell- amt greift hier ein, wenn das von marktmächtigen Unterneh- men praktizierte Verhalten geeignet ist, eine marktbeherr- schende Stellung abzusichern, -auszubauen oder auf andere Wirtschaftsstufen und Märkte auszudehnen und dadurch wettbewerbliche Marktstrukturen zu gefährden. Dabei kom- men nicht nur Verhaltensweisen in Betracht, die schon im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb unzu- lässig sind, sondern auch solche, die zur Behinderung von Wettbewerbern führen können, ohne etwa als Weitergabe ei- gener überlegener Leistungsfähigkeit sachlich gerechtfertigt zu sein.
Die gegen das Jahresbonussystem des größten inländischen Herstellers von Fertigfutter für Hunde und Katzen ergangene Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes, die vom Kammergericht im wesentlichen bestätigt wurde (Tätigkeits- bericht 1979/80 S. 29 ff.), ist inzwischen rechtskräftig gewor- den, weil das Unternehmen seine Rechtsbeschwerde zurück- genommen hat. Das Unternehmen hat inzwischen sein Jah- resbonussystem auf eine relativ kurze Referenzperiode von drei Monaten umgestellt. Aus dem Ausgang dieses Verfahrens darf jedoch nicht gefolgert werden, daß Rabatt- und Bonussy- steme mit solch kurzen Referenzperioden generell zulässig sind.
Zwei weitere Verfahren mit ähnlichen Sachverhalten konnten ohne förmliche Entscheidung abgeschlossen werden, weil die betroffenen Unternehmen den Beanstandungen des Bundes- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243 kartellamtes Rechnung getragen und ihre Rabatte und Bonus- systeme geändert haben. Der eine Fall betraf eine mißbräuch- liche Rabattkopplung beim Absatz von Kaffee und Tee durch ein marktbeherrschendes Unternehmen, der andere Fall ein Bonussystem, das für die Abnehmer eines besonders markt- starken Anbieters von Spiegelreflexkameras bei gleichzeiti- gem Bezug von Blitzgeräten und Stativen einen Zusatzbonus vorsah. Eine wettbewerbswidrige Bezugskonzentration kann sich auch dann ergeben, wenn ein Lieferant beim Absatz seiner Produkte seine starke Marktstellung als Nachfrager anderer Waren ausnutzt. So hat das Bundeskartellamt einer großen Molkerei untersagt, ihren genossenschaftlichen Mitgliedern einen Zuschlag auf den Milchankaufspreis zu gewähren, wenn sie bestimmte Mengen des von der Molkerei angebotenen Kälberaufzuchtmittels abnehmen (Zweiter Abschnitt S. 66f.). Durch diese einem Treuerabatt ähnliche Kopplungsmaß- nahme hat das Unternehmen seine marktbeherrschende Stel- lung bei der Rohmilchabnahme wettbewerbswidrig zum Nachteil seiner Wettbewerber bei Milchaustauschfuttermit- teln ausgeweitet.
Das Mißbrauchsverfahren des Bundeskartellamtes wegen der Ausschließlichkeitsbindung für VW-Ersatzteile (Tätigkeitsbe- richte 1978 S. 30 f., 55 ff.; 1979/80 S. 33, 59 f.) ist inzwischen durch den Bundesgerichtshof endgültig zugunsten des betrof- fenen Unternehmens entschieden worden (WuW/E BGH 1829 „Original-VW-Ersatzteile II" — Zweiter Abschnitt S. 52 f.). Der Bundesgerichtshof hat dabei die Auffassung des Bundeskar- tellamtes bestätigt, das § 26 Abs. 2 Satz 2 auch auf Behinde- rungen von Wettbewerbern anwendbar ist, wenn sich der Miß- brauch einer marktstarken Stellung gegenüber abhängigen Unternehmen über das Vertikalverhältnis hinaus auch auf das Wettbewerbsverhältnis zu Konkurrenten auswirkt. Die Ausschließlichkeitsbindung für die VW-Ersatzteile ist aber nach der Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht unbillig. Es bestehe ein enger Zusammenhang zwischen dem Neuwa- gengeschäft einerseits sowie Kundendienst und Ersatzteilge- schäft andererseits. Durch die von der Volkswagenwerke AG (VW) mit den VAG-Betrieben vereinbarten Bezugs- und Ver- wendungsbindungen sei VW in der Lage, mit einer qualitativ gleichmäßigen Ersatzteilversorgung bei Wartungs- und In- standsetzungsarbeiten in jedem beliebigen VAG-Betrieb zu werben und bei seinen Kunden ein entsprechendes Vertrauen zu begründen. Das Interesse von VW an der Ersatzteilbindung als Teil des Wettbewerbs beim Neuwagengeschäft hat nach Ansicht des Bundesgerichtshofs Vorrang gegenüber dem In- teresse der VAG-Betriebe an einer freien Wahl ihrer Beschaf- fungswege für Ersatzteile und dem Interesse der Teileherstel- ler an der freien Bestimmung ihrer Absatzwege. Das Bundes- kartellamt vertritt dagegen die Auffassung, daß die Individu- alinteressen der Beteiligten unter besonderer Berücksichti- gung des übergeordneten Ziels der Sicherung der Marktfrei- heit abzuwägen sind. Dabei sind für das Bundeskartellamt in Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
dem entschiedenen Fall die starken Marktschließungswirkun- gen der VW-Ersatzteilbindung besonders negativ. Das Bundeskartellamt hat im Berichtszeitraum § 26 Abs. 2 in weiteren Fällen gegen Behinderungen des freien Marktzu- gangs eingesetzt. So hat es den führenden drei Herstellern von Sanitärarmaturen, die einen Marktanteil von 56 % auf sich vereinigen, Vertriebsvereinbarungen untersagt, aufgrund derer nur solche Sanitärgroßhändler beliefert werden, die sich verpflichten, diese Erzeugnisse ausschließlich an Sanitärin- stallateure weiterzuliefern (Zweiter Abschnitt S. 37 f.). Diese Vertriebsvereinbarungen hindern nicht nur den Sanitärgroß- handel an der freien Entfaltung seiner Wettbewerbsmöglich- keiten, sie versperren auch jenen Formen des Sanitäreinzel- handels den Marktzugang, die nicht zugleich Handwerksbe- triebe sind. Diese Behinderung ist nach Auffassung des Bun- deskartellamtes unbillig, denn im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung gebührt dem übergeordneten, auf Marktöffnung gerichteten Interesse der Sanitärhändler Vor- rang gegenüber dem Vertriebsinteresse der Hersteller. Diese haben ihre Vertriebsvereinbarungen mit dem Argument der Markenpflege, der Sicherung eines fachgerechten Einbaus so- wie damit begründet, „Lockvogelangebote" durch preisaktive Handelsformen verhindern zu müssen. Die Unternehmen ha ben inzwischen Beschwerde beim Kammergericht eingelegt. Der Marktöffnung diente auch die Entscheidung des Bundes- kartellamtes im Fall START-Datentechnik. Darin ist diesem Unternehmen untersagt worden, IATA-Subagenten den Zu- gang zum START-Buchungssystem für Linienflüge zu verwei- - gern. Wegen der großen Bedeutung dieser neuen elektroni- schen Dienstleistung für die Wettbewerbsfähigkeit von Reise- büros sind die IATA-Subagenten von der START-Datentech- nik abhängig. Sub- und Vollagenten sind im Sinne des Diskri- minierungsverbotes gleichartige Unternehmen, da .sie beide das übliche Reisebürogeschäft betreiben. Ein schützenswertes Interesse der START-Datentechnik, IATA-Subagenten den Zugang zum START-System zu verweigern, war nicht erkenn- bar. Dieses Ziel wurde insbesondere von den IATA-Vollagen- ten verfolgt, welche in diesem Sinne ihren Einfluß im Benut- zerbeirat von START geltend gemacht haben. Sämtliche Sub- agenten haben Zugang zum START-System erhalten (Zweiter Abschnitt S. 73f.).
8. Probleme der Nachfragemacht und der Sicherung des Leistungswettbewerbs
Probleme der Nachfragemacht und der Sicherung des Lei- stungswettbewerbs bilden nach wie vor einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit des Bundeskartellamtes. Im Berichts- zeitraum 1981/82 sind ca. 70 Verfahren eingeleitet worden, die überwiegend Mißbräuche großer Handelsunternehmen zum Gegenstand hatten. Ein erheblicher Teil dieser Verfahren konnte ohne förmliche Untersagung abgeschlossen werden, Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243 weil die Unternehmen den Beanstandungen des Bundeskar- tellamtes Rechnung getragen haben. Dadurch konnte den von Mißbräuchen betroffenen Lieferanten oft schnell geholfen werden, ohne daß möglicherweise jahrelange Rechtsstreite geführt werden mußten.
Im Mittelpunkt der Mißbrauchsverfahren im Handel standen Nachfragemacht Forderungen marktstarker Unternehmen nach Eintrittsgel- Im Handel dern, Jubiläumszuwendungen sowie nach bevorzugter Be- handlung bei den Zahlungskonditionen. Ein nach dem Um- fang der Wettbewerbsbeschränkung besonders bedeutsames Verfahren hat das Bundeskartellamt gegen das führende deutsche Cash + Carry-Großhandelsunternehmen eingeleitet (Zweiter Abschnitt S. 72 f.). Dieses Unternehmen hat mit mehr als 900 Lieferanten von Nahrungs- und Genußmitteln Rabatte und Geldzahlungen als Preis für die Aufnahme in seine Liefe- rantenliste vereinbart. Nach Auffassung des Bundeskartell- amtes mißbraucht das Unternehmen seine marktbeherr- schende Stellung im Cash + Carry-Handel, wenn es als Nach- frager von Lebensmitteln die Aufnahme einer Geschäftsbezie- hung von der Zahlung von Eintrittsgeldern abhängig macht. Nach § 22 Abs. 4 können die Kartellbehörden Mißbräuche auch auf anderen als dem beherrschten Markt untersagen, sofern der Mißbrauch auf der Marktbeherrschung beruht. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt, denn zwischen der marktbeherrschenden Angebotsstellung auf dem Cash + Carry-Markt und der Nachfragemacht beim Ein- kauf von Nahrungs- und Genußmitteln besteht ein untrennba- rer Zusammenhang. Der Cash + Carry-Großhandel vermittelt als einzige Vertriebsform den Zugang zu bestimmten Abneh- mergruppen, die von anderen Vertriebsformen nicht beliefert werden. Das Unternehmen besitzt daher für die Hersteller von Nahrungs- und Genußmitteln eine für einen Teilbereich unverzichtbare Marktstellung. Durch die Forderung eines Eintrittsgeldes werden die Wettbewerbsmöglichkeiten der Lieferanten beeinträchtigt und der Marktzutritt für neue An- bieter erschwert. Diejenigen Lieferanten, die zur Zahlung der Eintrittsgelder nicht bereit sind, erleiden Wettbewerbsnach- teile. Darüber hinaus hat das marktbeherrschende Handels- unternehmen die Möglichkeit, die wettbewerbswidrig erziel- ten Einkaufsvorteile zur weiteren Absicherung seiner markt- beherrschenden Stellung im Cash + Carry-Geschäft einzuset- zen. Angesichts der Größe der geforderten Sonderkonditionen ist damit auch der Tatbestand der Wettbewerberbehinderung im Sinne von § 22 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 erfüllt. Das Bundeskar- tellamt hat das Unternehmen aufgefordert, die beanstandete Praxis aufzugeben. Um die Bildung von Nachfragemacht schon im Ansatz zu ver- hindern, widmen die Kartellbehörden der Gründung von Ein- kaufskartellen besondere Aufmerksamkeit. Im Fall HFGE konnte insoweit eine erste Klärung einiger Rechtsfragen er- zielt werden (vgl. oben S. 9 ff.). Danach sieht das Bundeskartellamt auch in der seit Mitte 1982 vereinbarten Zusammenarbeit verschiedener Großunter- Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
nehmen des Handels mit den Zentralen der Genossenschaften Edeka, Rewe und Coop bzw. den Abrechnungskontoren Selex, Tania und HKG eine möglicherweise unzulässige Bildung von Nachfragemacht. Der Beitritt der Großunternehmen zu den Zentralen und Kontoren dient dem gemeinsamen Zweck, die Einkaufskonditionen für die beteiligten Nachfrager zu verbes- sern. Der im Lebensmittelmarkt bestehende Nachfragerwett- bewerb um die Konditionen wird beschränkt, da die beteilig- ten Großunternehmen auch selbständige Konditionenver- handlungen mit den Lieferanten führen können. Die Zusam- menarbeit mit den Zentralen und Kontoren ist angesichts des nicht nur vorübergehenden Angebotsüberhangs und des Ab- nahmepotentials der Mitglieder geeignet, die Marktposition der Lieferanten erheblich zu beeinträchtigen. Das Bundeskar- tellamt hat daher in diesen Fällen Untersagungsverfahren nach § 37 a Abs. 1 i. V. m. § 1 eingeleitet. Die Zusammenarbeit der beteiligten Großunternehmen des Handels mit den Genos- senschaften und Kontoren ist darüber hinaus nach § 26 Abs. 3 bedenklich. Wegen ihrer hohen Umsätze und ihrer regionalen Marktbedeutung als Anbieter im Bereich der großflächigen Betriebsformen sind die beteiligten Großunternehmen mit ho- her Wahrscheinlichkeit Normadressaten des erweiterten Dis- kriminierungsverbots des § 26 Abs. 2 Satz 2. Für die Annahme, daß die mit der Zusammenarbeit angestrebten zusätzlichen Konditionen Vorzugsbedingungen im Sinne von § 26 Abs. 3 sind, spricht u. a., daß die Lieferanten bei Abnehmern dieser Größenordnung kein Interesse an der Übernahme der Haf- tung und des Zahlungsverkehrs durch Zentralen und Kontore und an deren Vermittlung von Verkaufsförderungsmaßnah- men haben. Diese Leistungen bedeuten für die Lieferanten zusätzliche Kosten in Form erheblicher Provisionszahlungen. Für die Mitglieder der beteiligten Einkaufsvereinigungen füh- ren diese Sonderzahlungen zu Einkaufsvorteilen in Form zu- sätzlicher Ausschüttungen ihrer Zentralen oder Kontore.
Nachfragemacht Bei den Klagen über Mißbräuche von Nachfragemacht der der öffentlichen öffentlichen Hand ist zu bedenken, daß auch für öffentliche Hand Nachfrager die Machtschwellen der §§ 22 und 26 Abs. 2 Satz 2 gelten. Wenn der öffentliche Nachfrager nicht marktbeherr- schend oder marktstark ist, entfällt die Normadressaten- schaft. VOL- und VOB-Verstöße entziehen sich in diesen Fäl- len der Eingriffsmöglichkeit des Bundeskartellamtes und kön- nen nur im Wege der Dienstaufsicht abgestellt werden.
Einen besonderen Problembereich innerhalb des Komplexes „Nachfragemacht der öffentlichen Hand" bildet der Zugang zum „Behördengeschäft". Leistungsfähige Unternehmen se- hen sich häufig zu Unrecht als Lieferanten ausgeschlossen, weil — entgegen den Grundsätzen der Verdingungsordnun- gen VOL und VOB — entweder keine öffentliche Ausschrei- bung vorgenommen wird oder aber der Leistungsbeschrei- bung Kriterien zugrunde gelegt werden, die den Kreis mögli- cher Lieferanten von vornherein in sachlich nicht gerechtfer- tigter Weise einschränken. Ähnliches gilt für beschränkte Ausschreibungen, bei denen häufig nur ein enger Kreis „eta- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243 blierter" Lieferanten angesprochen wird, so daß Außenste- hende keine Möglichkeiten haben, bei der Auftragsvergabe berücksichtigt zu werden. Zahlreiche Beschwerden richten sich auch gegen offensichtliche Verletzungen der Verdin- gungsordnung. Bei der Auftragsvergabe öffentlicher Auftrag- geber werden häufig die VOB und die VOL vertraglich abbe- dungen oder aber „besondere" oder „ergänzende" Geschäfts- bedingungen zugrunde gelegt, mit denen eine einseitige Risi- koverlagerung zu Lasten der Auftragnehmer erfolgt. Das Bun- deskartellamt hat mehrere Beschaffungsstellen der öffentli- chen Hand auf die Einhaltung der Verdingungsordnung hin- gewiesen. Zur Abwendung eines kartellbehördlichen Verfah- rens haben daraufhin mehrere Stellen die Zusicherung abge- geben, ihre Aufträge künftig der VOB bzw. VOL entsprechend zu vergeben und dies durch geeignete Maßnahmen sicherzu- stellen. Zwei wichtige Verfahren im öffentlichen Bereich betrafen die Deutsche Bundesbahn. Diese hat im „Kundenwert"-Verfahren (Tätigkeitsbericht 1979/80 S. 38) den Bedenken des Bundes- kartellamtes Rechnung getragen und Anfang 1983 neue „Richtlinien für die Zusammenarbeit zwischen den Vergabe- stellen für Leistungen und Lieferungen und dem Verkaufs- dienst" eingeführt. Die alten Richtlinien, die das Bundeskar- tellamt unter den Gesichtspunkten des Mißbrauchs von Nach- fragemacht und der Diskriminierung kleiner und mittlerer Unternehmen beanstandet hatte, sind damit gegenstandslos geworden. Die neuen Richtlinien zur Berücksichtigung des „Kundenwertes" bei der Auftragsvergabe finden jetzt generell keine Anwendung auf Unternehmen mit weniger als 65 Be- schäftigten oder 15 Mio. DM Umsatz sowie in Fällen, in denen die Deutsche Bundesbahn als Anbieter oder Nachfrager marktbeherrschend ist. Durch zahlreiche weitere Verbesse- rungen soll im übrigen eine ausgewogene und nicht diskrimi- nierende Auftragsvergabe erreicht werden. Das Bundeskar- tellamt wird die Auswirkungen der neuen Richtlinien auf die Vergabepraxis sorgfältig prüfen.
Ein zweites Verfahren hatte die „Poenale"-Regelung der Deut- schen Bundesbahn zum Gegenstand. Das Bundeskartellamt hatte 1978/79 gegen 33 Gleisbauunternehmen Geldbußen in Höhe von etwa 2 Mio. DM wegen Preisabsprachen bei Submis- sionen verhängt. Nach Rechtskraft der Bußgeldbescheide machte die Deutsche Bundesbahn wegen dieser Kartellab- sprachen bei den betroffenen Unternehmen Vertragsstrafen in Höhe von insgesamt etwa 1,5 Mio. DM geltend. Die Bundes- bahn stützte sich dabei auf Ziff. 9 ihrer „Bewerbungsbedin- gungen Bau", die als Allgemeine Geschäftsbedingungen von den Auftragnehmern der Deutschen Bundesbahn akzeptiert werden müssen. Danach gilt die Abgabe eines Angebots als Erklärung des Bieters, daß er sich nicht an Preisabsprachen über die ausgeschriebene Leistung beteiligt. Für den Fall, daß er sich doch an einer Absprache beteiligt, verpflichtet sich der Bieter, an die Deutsche Bundesbahn eine Vertragsstrafe in Höhe von 3 % seiner Angebotssumme zu zahlen; das gilt auch, Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
wenn er den Auftrag nicht erhält. Die Gleisbauunternehmen haben die Realisierung der Vertragsstrafe durch die Deutsche Bundesbahn als Mißbrauch von Nachfragemacht bezeichnet. Nach Auffassung des Bundeskartellamtes ist eine derartige Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen zwar grund- sätzlich zulässig, sie darf aber nicht über den zu erwartenden Schaden hinaus zu Einnahmen führen oder kleine und mitt- lere Unternehmen diskriminieren. Die Deutsche Bundesbahn hat den sich aus den Umständen des Einzelfalles ergebenden Bedenken des Bundeskartellamtes Rechnung getragen und die Vertragsansprüche nur entsprechend reduziert geltend ge- macht.
§ 37 a Abs. 3 Um unbilligen Behinderungen kleiner und mittlerer Wettbe- werber durch Konkurrenten, die über eine deutlich überle- gene Marktmacht verfügen, wirksamer als bisher begegnen zu können, hat der Gesetzgeber mit der Vierten Kartellgesetz- novelle § 37 a Abs. 3 in das Gesetz eingefügt. Diese Norm ist in der Öffentlichkeit verschiedentlich als allgemeines Mittel ge- gen selektive Niedrigpreisstrategien verstanden worden, die insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel verbreitet im Wettbewerb eingesetzt werden. Die Kartellbehörden des Bun- des und der Länder haben wegen derartiger Tatbestände bis- her aber nur sehr wenige Verfahren eingeleitet
Der Bundesgerichtshof hat Verkäufe unter Einstandspreis nach § 1 UWG für grundsätzlich zulässig erklärt. Wenn sich eine solche Praxis nicht gezielt gegen bestimmte Wettbewer- ber richtet, so sei sie erst dann unlauter, wenn dadurch allge- mein die Mitwettbewerber vom Markt verdrängt würden, oder wenn wegen der Nachahmungsgefahr durch die Wettbewer- ber eine gemeinschaftsschädliche Störung des Wettbewerbs zu befürchten sei (WuW/E BGH 1579). Der neugeschaffene § 37 a Abs. 3 geht insoweit über § 1 UWG hinaus, als Unterneh- men mit gegenüber ihren Wettbewerbern deutlich überlege- ner Marktmacht auch solche Verhaltensweisen untersagt wer- den können, die dem Absatzinteresse des relativ marktstar- ken Unternehmens dienen, ohne etwa als Weitergabe eigener innerbetrieblicher Leistungsfähigkeit sachlich gerechtfertigt zu sein. Derartige Praktiken sind aber nach § 37 a Abs. 3 nur dann unzulässig, wenn sie zu einer nachhaltigen Beeinträchti- gung der Wettbewerbsbedingungen auf dem relevanten Markt führen können.
Nach Auffassung des Bundeskartellamtes ist ein Verkauf un- ter Selbstkosten oder unter Einstandspreis dann unbillig, wenn Unternehmen nur durch Einsatz von Gewinnen aus an- deren Bereichen einen nicht unerheblichen Teil ihres Sorti- ments dauerhaft unter ihrem Einkaufspreis verkaufen und dadurch die Existenz kleiner und mittlerer Wettbewerber be- drohen, die aufgrund fehlender Ausgleichsmöglichkeit hierzu nicht in der Lage sind. Deswegen ist die im Handel allgemein übliche Mischkalkulation aber allein noch keine unbillige Be- hinderung. Die Grenze des Zulässigen ist erst dann über- schritten, wenn dauerhaft nicht nur einzelne, im Verhältnis Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243 zum Gesamtsortiment unbedeutende Waren, sondern erhebli- che Teile des Sortiments unter den eigenen Einkaufspreisen verkauft werden. Dieser Ansatz entspricht dem Grundgedan- ken des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, den Einsatz des Preises als zentralen Wettbewerbsparameter nicht grundsätzlich zu beschränken. Selbst eine solche Politik des systematischen Verkaufs unter Einkaufspreisen kann nur dann untersagt werden, wenn die dadurch verursachte Behin- derung kleiner und mittlerer Unternehmen den Wettbewerb auf dem Gesamtmarkt beeinträchtigt. § 37 a Abs. 3 bezweckt zwar einen verstärkten Schutz mittelständischer Unterneh- men gegenüber Verdrängungspraktiken von Großunterneh- men. Diese Norm zielt aber nicht auf einen Individualschutz, sondern auf die Sicherung des Wettbewerbs auf dem Gesamt- markt. Die Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen muß daher eine für den Wettbewerb auf dem Gesamtmarkt relevante Größe darstellen. Ihre Behinderung muß zudem ei- nen bestimmten Erheblichkeitsgrad erreichen, um dem ge- setzlichen Erfordernis einer nachhaltigen Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem Gesamtmarkt zu genügen. Der marktbezogenen Orientierung der Norm muß darüber hinaus in besonderer Weise Rechnung getragen werden, wenn das behindernde Großunternehmen sich mit Niedrigpreisen den Marktzutritt in einem neuen Bereich erst verschaffen will. Im Rahmen einer an der Offenhaltung der Märkte orientierten Interessenabwägung müssen Vorteile für den Wettbewerb auf dem Markt insgesamt gegen die Nachteile für die Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen abgewogen werden. Es ist aber grundsätzlich zulässig, daß neue Anbieter- von dem Mittel des Verkaufs unter Einkaufspreis Gebrauch machen, um auf dem Markt Fuß zu fassen. Das Bundeskartellamt hat nach diesen Grundsätzen im Be- richtszeitraum gegen drei auf dem Lebensmittelmarkt im Raum Bremen tätige Einzelhandelsunternehmen Verfahren nach § 37 a Abs. 3 eingeleitet (Zweiter Abschnitt S. 69). Die Unternehmen haben nach den Ermittlungen des Bundeskar- tellamtes in fünf Warenbereichen über eine längere Zeit eine große Zahl bekannter Markenartikel in ständig wechselnder Zusammensetzung bis zu 25 % unter dem eigenen Einkaufs- preis verkauft. Damit wurde ein erheblicher Teil des Umsat- zes in diesen Warenbereichen durch Verkäufe unter Einkaufs- preis erzielt. Das Bundeskartellamt hält dieses Vorgehen für eine unbillige Behinderung der kleinen und mittleren Wettbe- werber, denen es nicht möglich ist, auf die Niedrigpreisstrate- gie der Großunternehmen erfolgversprechend zu reagieren. Das Bundeskartellamt hat inzwischen gegen ein Unterneh- men eine Untersagungsverfügung erlassen, gegen die Be- schwerde eingelegt worden ist.
9. Konditionenempfehlungen, -kartelle
Der Bedarf der Wirtschaft an Konditionenempfehlungen scheint inzwischen weitgehend gedeckt zu sein. Im Berichts zeitraum 1981/82 sind nur noch 30 Empfehlungen neu ange- ,Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
meldet worden, darunter drei Empfehlungen von Einkaufs- konditionen. Das Bundeskartellamt hat im Berichtszeitraum erstmals ein- zelne empfohlene allgemeine Geschäftsbedingungen unter- sagt. Eine Klausel in den Bedingungen des Bundesverbandes Druck sah vor, daß die Kosten für die Ausarbeitung eines Angebots auch dann zu bezahlen sind, wenn der Auftrag nicht erteilt wird. Nach einer weiteren Klausel sollten auftragsbezo- gene Fertigungseinrichtungen wie z. B. Filme und Lithogra- phien nach der Abwicklung des Fertigungsauftrages im Ei- gentum der Druckerei verbleiben. Gegen die Untersagung der zweiten Klausel durch das Bundeskartellamt hat der Verband Beschwerde eingelegt, die inzwischen vom Kammergericht zurückgewiesen worden ist. Über die Rechtsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden. Alle übrigen Mißbrauchsverfahren, die unzulässige Preis- und Umsatzsteu- ergleitklauseln sowie Regelungen des Eigentumsvorbehaltes zum Gegenstand hatten, sind eingestellt worden, weil die Ver- bände entweder die beanstandeten Regelungen aufgegeben haben oder die Bedenken des Bundeskartellamtes ausräumen konnten. Das Bundeskartellamt ist nach wie vor der Auffassung, daß sich die Rechtsprechung zum AGB-Gesetz und die Miß- brauchsaufsicht nach § 38 Abs. 3 nicht auseinander entwickeln dürfen. Besondere Bedeutung hat die Entscheidung des Bun- desgerichtshofes vom 7. Oktober 1981 (VIII ZR 229/80), mit der Tagespreisklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 9 AGB-Gesetz für unwirksam erklärt worden sind. Der Bundesgerichtshof sieht den Sinn des Kontrollverfahrens nach §§ 13 ff. AGB-Gesetz darin, daß es den Kunden davor schützen solle, durch unwirksame allgemeine Geschäftsbedin- gungen von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten zu werden. Dasselbe Kriterium legt auch das Bundeskartellamt bei der Mißbrauchsaufsicht nach § 38 Abs. 3 zugrunde. Es teilt ferner die Auffassung des Bundesgerichtshofes, daß eine Rückführung allgemeiner Geschäftsbedingungen, die nach dem AGB-Gesetz unwirksam sind, auf einen zulässigen Inhalt nicht möglich ist (Urteil vom 17.5. 1982 — VII ZR 316/81). Eine mißbräuchliche Klausel ist insgesamt zu untersagen, es sei denn, ihr Wortlaut läßt ohne weiteres eine Trennung in einen mißbräuchlichen und einen mißbrauchsfreien Teil zu (Bun- desgerichtshof, Urteil vom 7. Oktober 1981 — VIII ZR 214/80). Schriftformklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen können geeignet sein, die Verwender und deren Geschäfts- partner über die Möglichkeit zu täuschen, individuellen, insbe- sondere mündlichen Vertragsabreden wirksam den Vorrang einzuräumen. Unter Berücksichtigung der zivilrechtlichen Rechtsprechung drängt das Bundeskartellamt deshalb auf die Streichung derartiger Klauseln in Konditionenempfehlun- gen.
Die Zahl der Konditionenkartelle hat sich im Berichtszeit- raum kaum verändert. Zwei Kartelle sind neu angemeldet worden und drei wurden beendet. Damit sind jetzt insgesamt Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243
52 Konditionenkartelle tätig. Ein großer Teil dieser Kartelle stammt aus der Zeit vor der Verabschiedung des AGB-Geset- zes im Jahre 1977. Das Bundeskartellamt wird diese Kartelle unter entsprechender Übertragung der für Konditionenemp- fehlungen entwickelten Verwaltungspraxis prüfen.
10. Unverbindliche Preisempfehlungen
Nach der Neufassung des § 38 a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 sind Preis- empfehlungen bereits dann mißbräuchlich, wenn der empfoh- lene Preis in einem wesentlichen Teil des Geltungsbereichs des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in einer Mehrzahl von Fällen die tatsächlich geforderten Preise erheb- lich übersteigt. Dadurch ist der Ermittlungsaufwand des Bun- deskartellamtes beim Mißbrauchsnachweis deutlich geringer geworden. Im Berichtszeitraum haben Ermittlungen des Bun- deskartellamtes ergeben, daß die Preisempfehlungen für Ten- nisschläger, für Keilriemen sowie für Alpinski und Skibindun- gen erheblich unterschritten worden sind (Zweiter Abschnitt S. 57). Die betroffenen Unternehmen haben inzwischen den Beanstandungen des Bundeskartellamtes Rechnung getragen und ihre Preisempfehlungen aufgegeben. Das Bundeskartell- amt hat ferner auch bei Personen- und Kombinationskraftwa- gen erhebliche Unterschreitungen der unverbindlichen Preis- empfehlungen festgestellt und deshalb die Hersteller und Im- porteure aufgefordert, ihre unverbindlichen Preisempfehlun- gen auf ein marktgerechtes Preisniveau zu senken (Zweiter Abschnitt S. 51 f.). Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode
Zweiter Abschnitt Die Wettbewerbsbeschränkungen nach Wirtschaftsbereichen
Bergbauliche Erzeugnisse (21) (Preussag), an der C. Deilmann AG, Bad Bentheim (Deilmann), nicht untersagt. Preussag ist weltweit 1. Steinkohle in der Gewinnung und Verarbeitung von Grundstof- fen (Metalle, Kohle, Erdöl, Erdgas, Chlor, Kohlen- Das Bundeskartellamt hat die Beteiligung der Rhei- säure), im Verkehrsbereich und Lagerwesen sowie nischen Braunkohlenwerke AG (Rheinbraun) — ei- im Feuerschutz und Tiefbau einschließlich des Was- ner Tochter der Rheinisch-Westfälischen Elektrizi- ser- und Rohrleitungsbaues tätig. Deilmann ist tätswerk AG (RWE) — an dem in Pittsbourgh/USA ebenfalls weltweit in der Exploration und Gewin- gelegenen Steinkohlevorkommen der Conoco-Toch- nung von Erdöl, Erdgas, Uran und Torf sowie in der ter Consolidation Coal Company nicht untersagt. Erbringung von Dienstleistungen im Bergbau, der Rheinbraun will ca. 1,2 Mio t Steinkohle abnehmen Mineralölwirtschaft und der Bauindustrie und auch und in der Bundesrepublik Deutschland und in an- in der Projektierung und dem Bau von Industriean- deren europäischen Ländern zur Produktion von lagen sowie im allgemeinen Maschinen- und Appa- Kohlestaub und als Kraftwerkskohle absetzen. Auf ratebau tätig. Die Tätigkeitsgebiete beider Unter- dem Markt für feste Brennstoffe erhöht sich durch nehmen überschneiden sich in einigen Bereichen den Zusammenschluß der Marktanteil von Rhein- oder ergänzen sich in vertikaler Hinsicht. Marktbe- braun. Es entsteht jedoch keine marktbeherr- herrschende Stellungen werden jedoch hierdurch schende Stellung. Auf dem Markt für Stromerzeu- weder entstehen noch verstärkt. gung wird die marktbeherrschende Stellung der RWE durch den verbesserten Zugang zum Beschaf- fungsmarkt verstärkt. Dieser Nachteil wird aber da- 3. Kali durch überwogen, daß die Importe von Rheinbraun die marktbeherrschende Stellung der Ruhrkohle Nach dem Ausscheiden der Kali-Chemie AG (KC) AG auf dem Steinkohle-Markt schwächt. aus dem Düngemittelgeschäft hat das Bundeskar- tellamt die Übernahme der Kali-Gruben Friedrichs 2. Erdöl und Erdgas hall und Sarstedt durch die Kali und Salz AG (K + S) nicht untersagt. Als Anbieter von Kalisalzen - Der Beitritt der Deutsche Texaco AG (DTA) zur hatte K + S mit einem Marktanteil von mehr als Erdgasgemeinschaft (GbR) und der Erwerb einer 90 % schon bisher eine marktbeherrschende Stel- Beteiligung an der Erdgas-Verkaufs-Gesellschaft lung. Durch die Übernahme der einzigen noch in mbH, Münster, (EVG) in Höhe von 4,9 % ist nicht der Bundesrepublik Deutschland vorhandenen wei- untersagt worden. Die Prüfung der eingereichten teren Kaliproduktionsstätte wird diese marktbe- Verträge hat ergeben, daß trotz der geringen Betei- herrschende Stellung verstärkt. Dies würde jedoch ligung Zusammenschlußtatbestände nach § 23 auch ohne die Übernahme der Grube Friedrichshall Abs. 2 Nr. 3 und 5 erfüllt sind. In der Erdgasgemein- eintreten, weil K + S nach der unvermeidbaren Still- schaft haben sich die erdgasfördernden Unterneh- legung dieses Bergwerks die erweiterten Abbau- men Deilmann, Deutsche BP, Deutsche Schacht- rechte erworben und von ihrem benachbarten Berg- bau- und Tiefbohrgesellschaft, Gewerkschaft Elwe- werk aus die dort verbliebenen Kalivorkommen ge- rath, Mobil Oil, Preussag und Wintershall mit dem nutzt hätte. Andere Erwerber kommen aus wirt- Ziel zusammengeschlossen, das im Vertragsgebiet schaftlichen Gründen nicht in Betracht. (norddeutscher Raum) gewonnene Erdgas der EVG zur Verfügung zu stellen. Die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung der EVG ist durch Mineralölerzeugnisse (22) den Beitritt von DTA jedoch nicht zu erwarten. Auf dem relevanten Markt der ersten Verteilerstufe für 1. Rohöl Erdgas besitzt die Ruhrgas AG eine überragende Marktstellung. Ihr Gasabsatz betrug 1981 mehr als Die von den extremen Rohölverteuerungen des Jah- das Siebenfache des Gasabsatzes der EVG, die den res 1979 ausgelösten globalen Anpassungsprozesse dritten Rang der inländischen Gasanbieter ein- haben sich im Berichtszeitraum 1981/82 auf allen nahm. DTA lag 1981 mit einem Anteil an der be- Ebenen fortgesetzt. Dem weltweit anhaltenden trieblichen Förderleistung von 1,01 % an sechster Rückgang der Ölnachfrage versuchte die OPEC mit Stelle der inländischen Erdgasförderer und wird Fördereinschränkungen, Quotenregelungen und re- EVG hiervon nur einen geringen Teil — soweit die- duzierten Aufschlägen auf den saudiarabischen ser im Vertragsgebiet liegt — zur Verfügung stel- Basispreis zu begegnen. Die inländische Mineralöl- len. industrie reagierte unter anderem mit Raffinerie- Das Bundeskartellamt hat den Erwerb einer Mehr stillegungen, Umschichtungen in der Ölversorgung heitsbeteiligung der Preussag AG, Hannover und Rationalisierungen im Vertrieb. Trotz der allge- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/243 meinen Schwäche auf den Rohölmärkten ist der leos de Venezuela S. A., Caracas, nicht untersagt. durchschnittliche Rohölpreis noch gestiegen. In der VEBA Oel bringt in das Gemeinschaftsunterneh- zweiten Hälfte der Berichtszeit bewirkten jedoch men die Mineralölverarbeitungsanlagen der Werks- spürbar gefallene Rohöl-Spotpreise nicht nur er- gruppe Ruhr (zunächst mit Ausnahme des im Bau heblich verminderte Vertragspreise bei Nicht- befindlichen Hydrocrackers) ein. Der Zusammen- OPEC-Mitgliedern, sondern vor allem stärkere schluß verstärkt die Stellung der VEBA Oel auf den Preisrückgänge auf den Spotmärkten für Produkte. Märkten für Mineralölprodukte im wesentlichen Dadurch hat die Struktur der deutschen Ölversor- dadurch, daß VEBA Oel einen gesellschaftlich abge- gung eine beträchtliche Verschiebung erfahren. sicherten Zugang zum Rohölbeschaffungsmarkt er- War 1981 der Rückgang der Rohölimporte um 18,8 % hält. Da das Bundeskartellamt weiterhin davon aus- vor allem einem forcierten Bestandsabbau in der geht, daß VEBA Oel Mitglied eines marktbeherr- Hochzinsphase zuzuschreiben, war, die Abnahme schenden Oligopols inländischer Raffineriegesell- um weitere 8,8 % im folgenden Jahr vornehmlich schaften auf dem Markt für leichtes Heizöl ist, be- der Zunahme preisgünstigerer Produktimporte um wirkt die Verstärkung der Marktstellung von VEBA 6,4 % zuzuschreiben. In derselben Periode brachte Oel damit auch eine Verstärkung des marktbeherr- der relative Preisvorteil des Nordseeöls gegenüber schenden Oligopols. Dies gilt auch dann, wenn trotz den meisten OPEC-Mitgliedern die Anrainerstaaten der bei der Fusionskontrolle gebotenen langfristi- Großbritannien, Norwegen und Dänemark mit gen Betrachtungsweise berücksichtigt wird, daß 24,2 % (1978: 9,5%) auf den ersten Rang unter den derzeit kein Mangel an Rohöl und erst recht nicht Rohöllieferländern. Auf der Absatzseite schwächte an Schwer- und Schwerstrohölen besteht. Eine Un- sich nach zwei Jahren beträchtlicher Einbußen tersagung des Zusammenschlusses kam aber trotz- (1980: 11,4 %, 1981: 10,1 %) 1982 die Dynamik des Ver- dem nicht in Betracht, da VEBA Oel nachgewiesen brauchsrückgangs mit insgesamt 4,5 % deutlich ab. hat, daß ohne die geplante Kooperation das Fortbe- Der Anteil des Mineralöls am Primärenergiever- stehen der VEBA Oel als Raffineriegesellschaft und brauch schrumpfte auf 44,2 % (1979: 50,7 %). In An- damit als maßgebender Anbieter auf dem Markt für passung an die größtenteils als endgültig betrachte- Mineralölprodukte ernsthaft gefährdet wäre. Als ten privaten und gewerblichen Bedarfseinschrän- gewichtiger war darüber hinaus — als mittelbare kungen, die in Verbindung mit temporär verstärk- Folge — eine mögliche spürbare Verschlechterung ten Produktimporten zu immer niedrigeren Ausla- der Wettbewerbsstrukturen im Chemiebereich zu stungsgraden im Raffineriebereich führten (1980: beurteilen. Die Konzernschwestergesellschaft der 64,4 %, 1981: 57,1 %, 1982: 56,9 %), wurde die noch 1978 VEBA Oel, die Chemische Werke Hüls AG (CWH), knapp 160 Mio Jahrestonnen betragende Destilla- die ca. 40 % der von ihr eingesetzten Chemieroh- tionskapazität durch Stillegungen ganzer Raffine- stoffe aus den Verarbeitungsanlagen der VEBA Oel rien oder Teilabschaltungen weiter abgebaut, und bezieht und mit dieser durch ein dichtes Chemie- zwar auf 118,9 Mio Jahrestonnen Anfang 1983. Die Pipelinenetz verbunden ist, hat sich seit der Über- zur Herstellung von Leichtölprodukten aus Rück- nahme der Mehrheit- durch die VEBA AG im Jahre ständen errichteten Zweitverarbeitungsanlagen wa- 1978 als Wettbewerber der führenden Chemie-Un- ren ständig ausgelastet; der Bestand wurde jährlich ternehmen Bayer, BASF und Hoechst an Bedeu- vergrößert. Ende 1982 erreichte die Durchsatzlei- tung gewonnen. Diese wettbewerblich positive Ent- stung ein Viertel der gesamten Destillationskapazi- wicklung würde gestoppt oder sogar rückgängig ge- tät (1978: 15%). Die durch Einsparungen, Substitu- macht, würde CWH die für einen Chemieproduzen- tion (Gas, Kohle, Strom) und Konjunkturschwäche ten vor allem aus Marketing- sowie Forschungs- verursachten Verbrauchsminderungen und die An- und Entwicklungsgesichtspunkten wichtige Anbin- passungsmaßnahmen der Mineralölindustrie sind dung an eine Raffineriegesellschaft verlieren. Dies mit Ausnahme von schwerem Heizöl (HS) in erster gilt um so mehr, als die genannten Wettbewerber Linie auf die auf relativ hohem Niveau verbliebe- gesellschaftsrechtliche Anbindungen an Raffinerie- nen Verbraucherpreise zurückzuführen. Zu diesem gesellschaften besitzen. Die Verwirklichung der Ko- Niveau trug der Kursverlust der D-Mark gegenüber operation mit der Petroleos de Venezuela S. A., die dem Dollar bei, der von knapp 2 DM zu Beginn der den Fortbestand der VEBA Oel als Raffineriegesell- Berichtsperiode in beiden Jahren zeitweise auf schaft sichert, trägt damit zur Erhaltung der CWH über 2,50 DM stieg und insgesamt fest blieb. Da- als „vierter Kraft" im Chemiebereich bei. durch wurden 1981 die in Dollar fakturierten Be- schaffungskosten für Rohöl überdurchschnittlich erhöht und 1982 unterproportional zur nominalen 2. Vergaser- und Dieselkraftstoffe Rohölpreissenkung verringert. Der durchschnittli- che Rohölgrenzwert stieg im ersten Berichtsjahr Bei Vergaserkraftstoffen (VK) ergaben geringere von 520 DM/t auf 612 DM/t nach einem zwischen- Fahrleistungen und die wachsende Nutzung benzin- zeitlichen Höchststand von 659 DM/t. Das ergibt sparender Fahrzeuge 1981 erstmals nach dem Zwei- gegenüber den Durchschnittsgrenzwerten von 1980 ten Weltkrieg mit minus 6,1 % einen rückläufigen eine Verteuerung um rund 14 Pf/l. Auf das gesamte Verbrauch, der allerdings im Jahre 1982 wieder um Jahr 1982 gerechnet fielen die Rohölpreise frei 2,1 % stieg. Bei Dieselkraftstoff (DK) hielt die Ab- deutsche Grenze lediglich um 2 DM/t. satzsteigerung in beiden Jahren an. 1981 betrug die Das Bundeskartellamt hat die Gründung eines pari- Zunahme 2 %; 1982 wurde mit einer weiteren Steige- tätischen Gemeinschaftsunternehmens, der Ruhr- rung um 1,4 % auf 13,4 Mio Tonnen der höchste je- oel GmbH, durch die VEBA Oel AG und die staatli- mals in der Bundesrepublik Deutschland erreichte che venezuelanische Mineralölgesellschaft Petro DK-Verbrauch registriert. Die DK-Tankstellen- Drucksache 10/243 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode preise haben in unterschiedlichem Ausmaß die Ver- mißbrauch) nach § 22 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 darstellt. änderungen bei VK mitgemacht. Zeitweise lagen sie Das Kammergericht hat das Bestehen eines An- über denen von Normalbenzin, am Ende der Be- fangsverdachts verneint und den Auskunftsbe- richtszeit jedoch wie bei VK durchschnittlich rund schluß aufgehoben. Unter Hinweis auf die Entschei- 22 Pf/1 über dem Stand zu Beginn. Beim Direktab- dungen Valium I und II (WuW/E BGH 1445, 1678) satz an Großverbraucher, die mit etwa vier Fünftel hat es den Standpunkt eingenommen, daß auch ein den weitaus größten Anteil am DK-Gesamtver- an sich nicht im Wettbewerb gebildeter Preis wirt- brauch haben, stiegen die Abgabepreise vor allem schaftlich gerechtfertigt ist und deshalb nicht miß- 1982 weniger stark als auf dem Tankstellensektor. bräuchlich sein kann, wenn er die Selbstkosten des Bei VK stiegen die Tankstellenpreise bis Septem- marktbeherrschenden Anbieters nicht deckt. Eine ber 1981 um rund 32 Pf/1, einschließlich der am solche Verlustsituation lag bei VK nach Überzeu- 1. April 1981 wirksam gewordenen Erhöhung der gung des Kammergerichts in dem der Entschei- Mineralölsteuer um 7 Pf/1 auf 51 Pf/l. Stark schwan- dung vorangegangenen Zeitraum vor. Da es sich um kende Importnotierungen ließen in den folgenden ein Vorverfahren handelte, war die Auffassung des Monaten die Tankstellenpreise stark fallen und ab Kammergerichts nicht in einem Rechtsbeschwerde- Mai 1982 in 15 Schüben erneut ansteigen. Insge- verfahren überprüfbar. samt gelang es jedoch nicht, das Tankstellenpreis- Das Bundeskartellamt und die Landeskartellbehör- niveau vom August 1981 wieder zu erreichen, weil den haben im Januar 1982 den Betreibern von Bun- vor allem gegen Ende 1982 gegenläufige Preisbewe- desautobahntankstellen (BAT) mitgeteilt, daß sie gungen in Gebieten mit hohem Verbrauchsanteil ihre bisherige Haltung in der Mißbrauchsaufsicht einsetzten. Dabei haben die Markengesellschaften über Vergaserkraftstoff-Preise an BAT (Tätigkeits- eine in diesem Ausmaß bisher nicht bekanntgewor- berichte 1977 S. 50, 1979/80 S. 46) nicht länger auf- dene Differenzierung der Tankstellenpreise nach rechterhalten können. Nach den Ende 1976 aufge- den regionalen oder örtlichen Wettbewerbsverhält- stellten Grundsätzen wurde ein Preis für Vergaser- nissen vorgenommen. In den Hochpreisgebieten kraftstoff an den BAT nicht beanstandet, wenn er wurden dabei die Verbraucher, in den Niedrigpreis- nicht höher als 2 Pf/1 gegenüber der teuersten Um- gebieten die unabhängigen Mineralölhändler be- land-Bedienungstankstelle lag. In der Zukunft soll nachteiligt, deren Einstandspreise nicht im selben Maßstab für mißbräuchliches Preisverhalten einer Umfang zurückgingen wie die Tankstellenpreise. BAT der durchschnittliche Preis der fünf von der Diese sind vom 10. September 1981 bis zum 10. Ja- BAT folgenden Autobahnausfahrt aus erreichbaren nuar 1982 in Gebieten mit wenig Wettbewerbsim- Straßentankstellen unter Einbeziehung vorhande- pulsen wie in der Zonenrandregion Hof oder auf ner SB-Tankstellen sein. Für die Berechnung des dem von Markengesellschaften beherrschten ge- Durchschnittspreises wird bei Einbeziehung von schlossenen Markt Berlin (West) nur um 11 bzw. SB-Tankstellen der marktübliche Bedienungsab- 15 Pf/1 gesunken. An Plätzen mit optimaler Ange- stand von 4 Pf/1 berücksichtigt. Auf den errechne- botsvielfalt und deshalb phasenweise intensivem ten Durchschnittspreis- wird wie bisher ein Auf- Wettbewerb, wo neben sämtlichen großen und fast schlag von bis zu 2 Pf/1 toleriert. Diese Toleranz- allen kleinen Markengesellschaften auch freie grenze soll u. a. auch dem Umstand Rechnung tra- Tankstellen sowie Stationen von Supermärkten gen, daß nicht jede, sondern nur eine wenigstens vertreten sind, fielen dagegen im selben Zeitraum spürbare Überschreitung eines wettbewerbsanalo die Tankstellenpreise um 21 bis 22 Pf/l. Selbst bei gen Vergleichsmarktpreises als mißbräuchlich an- Stationen derselben Marke waren bei gleicher gesehen werden kann. Ausschlaggebend für die Ab- Kraftstoffqualität und Angebotsart Preisunter- kehr von der alten Verwaltungspraxis ist das inzwi- schiede von über 10 Pf/1, in Einzelfällen bis 18 Pf/l, schen veränderte Nachfrageverhalten der Autofah- bekanntgeworden. Die extremen Preisspaltungen rer zugunsten der SB-Tankstellen. Außerdem wird ließen vermuten, daß nur die Niedrigpreisgebiete die Anknüpfung an den Vergleichspreis einer ein- das Wettbewerbspreisniveau wiederspiegeln und in zelnen, noch dazu der teuersten Umlandtankstelle den Hochpreisgebieten marktbeherrschende Stel- herkömmlicher Art (Bedienungstankstelle) den An- lungen ausgenutzt werden, da andernfalls die forderungen an das Vergleichsmarktkonzept nicht Preise dort nicht hätten durchgehalten werden kön- gerecht. Da die Mineralölgesellschaften — Raffine- nen. Um ein repräsentatives Bild zu erhalten, war riegesellschaften ebenso wie freie Handelsunter- den Unternehmen Aral, BP, Esso, Shell und Texaco nehmen — die neuen Verwaltungsgrundsätze nicht zunächst formlos, sodann durch Auskunftsbeschluß beachteten, haben das Bundeskartellamt sowie ei- nach § 46 i. V. m. § 22 Abs. 4 aufgegeben worden, die nige Landeskartellbehörden Preismißbrauchsver- Entwicklung der Tankstellenpreise an ausgewähl- fahren gegen BAT-Betreiber eingeleitet. In bisher ten Plätzen im Bundesgebiet und in Berlin (West) fünf Fällen betreffend die Deutsche Shell AG, die seit September 1981 darzustellen sowie die an ei- Esso AG, die Deutsche Fina GmbH, die Aral AG und nem bestimmten Tag im jeweiligen Netz verlangten die Bomin Mineralölgesellschaft mbH sind Miß- höchsten und niedrigsten Tankstellenpreise für brauchsverfügungen ergangen, nachdem Abwei- Normal- und Superkraftstoff anzugeben. Durch die chungen vom Umlanddurchschnittspreis bis zu Verwaltungsverfahren sollten zunächst nur Ver- 7,1 Pf/1 festgestellt worden waren. Gegen alle Verfü- breitung und Spannweite der Preisdifferenzierun- gungen ist von den Betroffenen Beschwerde einge- gen festgestellt und sodann geprüft werden, ob das legt worden. In den Verfahren gegen Esso, Shell Ausmaß der Abstufungen einen Mißbrauch markt- und Fina hat das Kammergericht die Verfügungen beherrschender Stellungen gegenüber Letztver- des Bundeskartellamtes inzwischen aufgehoben. In brauchern in Höchstpreisgebieten (Ausbeutungs den Entscheidungsgründen läßt das Kammerge-