Don Giovanni Montforthaus 19.+21.5.06 ��������������������������������������� ��������� ������ ����������������� ��� ����������������

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��������� ��������������� ���������������������� ������������������������������������������������ ��������������������������������������������� 3 Don Giovanni 19. + 21. Mai 2006 | 19.00 Uhr Montforthaus

Wolfgang Amadeus Mozart Georg Nigl Don Giovanni (1756–1791) Musikalische Leitung und Regie Svetlana Doneva Donna Anna Freo Majer Mitarbeit Regie Andreas Karasiak Don Ottavio Il dissoluto punito o sia Renato Uz Bühne Boris Petronje Commendatore Il Don Giovanni Petra Weikert Kostüme Arpiné Rahdjian Donna Elvira (Der bestrafte Wüstling oder Helga Utz Dramaturgie Tiziano Bracci Leporello Don Giovanni) Roland Edrich Licht Manfred Bittner Masetto Dramma giocoso in due atti KV 527 Walter Wimmer Technische Leitung Katharina Persicke Zerlina Libretto von Lorenzo Da Ponte Sybille Ridder, Annett Raditz Maske Prager Fassung 1787 Katrin Wolff Regieassistenz Balthasar-Neumann-Chor Gabi Bartels Kostümassistenz Balthasar-Neumann-Ensemble Helena Langewitz Kostümhospitanz Pause nach dem ersten Akt Gregory Fuller Inspizienz ca. 30 Minuten Isabelle Brock Lichtinspizienz Einführung Karin Dietrich Übertitelinspizienz Helga Utz Michael Behringer, Kasia Drogosz Montforthaus, Graf-Rudolf-Saal Korrepetition 19 und 21. Mai, jeweils 18.00 Uhr Michael Schetelich, Katharina Kierig Produktion

3 Balthasar-Neumann-Chor

Sopran Alt Bass

Heike Heilmann Sandrina Julie Comparini Donna Betta Ralf Ernst Bastiano Freundin Zerlinas dritte Ehefrau von Gazeno, Martin Backhaus Camino Stiefmutter Zerlinas zwei Freunde Masettos Sibylle Schaible Lisetta ehemalige Dienerin Donna Angela Froemer Gianotta Tobias Schlierf Ombrino Annas Freundin Zerlinas, war früher ursprünglich Fischer, mit Masetto zusammen nun Playboy und «Baywatcher» Johanna Spörk Tisbea Badende, eine frühere Mona Spägele Ximena «Bekannte» Don Giovannis Kellnerin, von Da Ponte um ihre Affäre mit Die hier aufgeführten Rollen Dorothee Wohlgemuth Don Giovanni gebracht sind zwar nicht in Da Pontes Chiarella Libretto, aber als fester Teil ältere Schwester Masettos, der Stofftradition in vielen noch immer unverheiratet Tenor anderen Don-Juan-Bearbei- tungen der Zeit zu finden. Mirko Heimerl Gazeno Zerlinas intriganter Vater

Tilman Kögel Tiburzio Barkeeper

Martin Post Masone Wirt, Kioskpächter

4 5 Balthasar-Neumann-Ensemble

Violine 1 Kontrabass Trompete Sebastian Hamann* Andrew Ackermann Thibaud Robinne Basma Abdel-Rahim Walter Bachkönig François Petit-Laurent Lisa Immer Monika Nußbächer Hammerflügel Posaune Verena Schoneweg Michael Behringer Matthias Sprinz Fabian Wettstein Cas Gevers Flöte Ralf Müller Violine 2 Marc Hantai Monika Bruggaier* Yifen Chen Pauke Mechthild Blaumer Maarten van der Valk Barbara Duven Oboe Thomas Fleck Emma Davislim Mandoline Verena Sommer Alessandro Piqué Jean-Paul Bazin

Viola Klarinette Friedemann Wollheim* Alexander Bader * = Stimmführer Valentina Cieslar Otto Kronthaler Claudia Hofert Dorle Sommer Fagott Carles Cristobal Violoncello Katrin Lazar Kamel Salah-Eldin* Melanie Beck Horn Gesine Queyras Franz Draxinger Thomas Hauschild

4 5 Die Handlung ganz Spanien, um ihn zu suchen. Doch Giovanni ist nicht von der gleichen Sehnsucht beseelt, kurzerhand schiebt er seinen Diener vor und Erster Akt ergreift die Flucht. Leporello scheint solche Situationen gewohnt zu sein; gekonnt demütigt Leporello wartet wieder einmal nächtens auf er Elvira, indem er ihr die lange Liste von seinen Herrn, dem er das lustvolle und bequeme Giovannis Eroberungen vorträgt. Seine Technik Leben neidet. Don Giovanni, immer auf der Jagd kenne sie ja, fügt er süffisant hinzu. nach Frauen, hatte es auf Donna Anna, die Tochter des alten Commendatore, abgesehen Auch Zerlina lässt sich von Giovanni beeindrucken. und ist in ihre Gemächer eingedrungen; Sie ist jung und hübsch und feiert in einer bunten Leporello steht Schmiere. Doch diesmal nimmt Gesellschaft Hochzeit; doch nur zu gern glaubt das Abenteuer ein böses Ende: Giovanni sie den Schmeicheleien Giovannis, ihr stünde stürzt aus dem Haus, verfolgt von Anna, die Besseres zu als das Leben einer einfachen Bäue- den Eindringling stellen will. Der Commendatore, rin, er werde dafür sorgen! Doch Elvira, auf der aufgeschreckt von ihren Hilferufen, fordert Suche nach ihm, durchkreuzt seinen Plan, indem den Unbekannten als Ehrenmann zum Duell. sie ihn als skrupellosen Verführer beschimpft. Giovanni will der Konfrontation ausweichen, Zerlina kommen nun doch Bedenken. doch der alte Mann besteht darauf und wird nach kurzem Kampf niedergestreckt. Unerkannt Anna und Ottavio versuchen, der Spur des Mör- kann Giovanni mit Leporello entkommen. ders zu folgen und bitten ausgerechnet Giovanni als Edelmann um dessen Mithilfe. Giovanni sagt Ottavio eilt zur Hilfe herbei, doch er kommt zu großmütig zu. Als aber Elvira hinzu kommt und spät. Die völlig verstörte Anna nimmt ihrem ihn erneut als gewissenlosen Wüstling beschul- Verlobten an der Leiche den Schwur ab, den Mord digt, wird es eng für ihn. Er stellt Elvira als ver- an ihrem geliebten Vater zu rächen. rückt hin und verzieht sich, so schnell es geht.

Giovanni hingegen hat sich rasch erholt. Plötzlich erinnert sich Anna: Kein anderer als Ihn beschäftigt eine melancholische Schönheit, dieser war der Unbekannte jener verhängnis- in der er aber alsbald seine Gemahlin Elvira vollen Nacht! Noch einmal steigen die Bilder des erkennen muß. Als er sie nach drei Tagen Ehe Mordes auf: Dramatisch erzählt sie Ottavio alle verlassen hatte, begab sie sich auf Reisen durch Einzelheiten der schrecklichen Begegnung. Er soll

6 7 von Giovanni das Blut des Vaters fordern. Durch die Tanzmusik gellen plötzlich Schreie: Doch restlos überzeugt ist Ottavio noch nicht. Zerlina ruft um Hilfe. Die Masken eilen hinzu, doch Giovanni gelingt es, den Verdacht auf Leporello hat, ganz im Sinne Giovannis, in der Leporello zu lenken. Zwar wird er von allen Zwischenzeit Elvira vorläufig unschädlich durchschaut, doch erhält der «Verbrecher» gemacht, indem er sie ausgesperrt hat, und gewissermaßen Aufschub. Nur einen kurzen: Masetto, den eifersüchtigen Bräutigam Zerlinas, Noch heute werde der Blitz der Rache auf sein abgelenkt. Aber es reicht ihm, er will sich von Haupt niederfahren. seinem Herrn lossagen, der das Leben eines Schurken führe. Doch als der ihn lobt und ihm sein Credo vorträgt, das darin besteht, «ohne Zweiter Akt Regeln» zu tanzen und die Mädchen zu ver- führen, geht er einträchtig mit ihm, um das Wieder will Leporello seinen Herrn verlassen, Fest vorzubereiten und zu genießen. doch vier Dublonen ändern seinen Sinn. Aller- dings unter einer Bedingung: Giovanni solle von Masetto macht Zerlina bittere Vorwürfe, doch es den Weibern lassen. Ungläubig lacht Giovanni: gelingt ihr, ihn zu besänftigen: Auch nicht ihre Leporello hat nichts verstanden, die Frauen seien Fingerspitze habe Giovanni berührt! Masetto für ihn wichtiger als die Luft zum Atmen. lässt sich beruhigen, aber als Giovanni zum Fest Und, übrigens, er habe einen neuen Plan: Elviras ruft, bemerkt er die Erregung und Angst Zerlinas. Kammermädchen wolle er verführen, allerdings Doch Masetto will die Wahrheit herausfinden. in Leporellos Kleidern, das mache sich besser. Giovanni betrachtet ihn einer Gegnerschaft als unwürdig und nötigt ihn zum Tanz. Elvira hält Zwiesprache mit ihrem Herzen: Immer noch regt sich ein Gefühl für den verbrecherischen Ottavio, Elvira und Anna haben sich mittlerweile Giovanni, der flugs Reue und Liebe heuchelt. zusammengetan, um Giovanni zu stellen. Nur zu gern glaubt sie ihm, und Leporello in Sie haben sich maskiert, und Leporello lädt sie Giovannis Kleidern zieht sie mit sich. Die Luft zum Fest, wo Giovanni, der sie nicht erkennt, ist rein für Giovannis süßes Ständchen, das dem sie mit den Worten willkommen heißt: Kammermädchen ins Herz dringen soll: «Es ist für alle offen. Es lebe die Freiheit!» Erhöre sie ihn nicht, gebe es nur den Tod.

6 7 Aber wieder kommt es anders: Masetto hat sich zu sprechen. Giovanni befiehlt dem angstbefalle- mit seinen Freunden vorgenommen, Giovanni nen Leporello, sie zum Nachtmahl einzuladen. einen Denkzettel zu verpassen. Dieser nützt seine Die Statue nimmt an. Verkleidung als Leporello, um mit Masetto scheinbar gemeinsame Sache gegen den Ottavio wird klar, dass Anna nicht so schnell «verfluchten Kavalier» zu machen. Er schickt in eine Ehe einwilligen wird. Sie kann an nichts die andern fort, ihn zu suchen, und der über- anderes denken als an den Tod ihres Vaters. tölpelte Masetto wird von Giovanni entwaffnet und verprügelt. Nun ist er doch sehr empfänglich Leporello bedient Giovanni beim Abendessen, für Zerlinas Tröstungen. nicht ohne sich auch einige köstliche Bissen zu gönnen. Elvira versucht ein letztes Mal, Giovanni Inzwischen ist Leporello Elviras Zärtlichkeits- zur Abkehr von seinem liederlichen Leben zu bedürfnis ausgeliefert, sie hält ihn immer noch bewegen. für Giovanni. Anna und Ottavio, dann auch Masetto und Zerlina hindern ihn an der Flucht Nun erscheint die Statue des Commendatore und und sind bereit, ihm den Todesstoß zu versetzen fordert Giovanni auf, zu bereuen. Doch Giovanni – da gibt er sich als Leporello zu erkennen. Doch sieht dazu keinen Anlaß und fürchtet sich auch es nützt ihm wenig, denn auch gegen Leporello vor der Hölle nicht. Er nimmt die Gegeneinladung liegt einiges vor: Er habe Masetto übel zugerich- der Statue an und schlägt ein. Das ist sein Tod. tet und Elvira betrogen, doch schließlich kann er sich verdrücken. Auch Ottavio ist nun von der Leporello berichtet verstört von Giovannis Ende. Schändlichkeit Giovannis überzeugt und will Anna vertröstet Ottavio um eine weiteres Jahr, «an zuständiger Stelle» um Hilfe bitten. Elvira geht ins Kloster, Zerlina und Masetto gehen nach Hause essen, und Leporello sucht Giovanni, auf der Flucht, weil wieder ein ge- sich im Wirtshaus einen neuen Herrn ... täuschtes Mädchen um Hilfe geschrien hat, klettert über eine Mauer und findet Leporello. Der lässt sich nur begrenzt von den neuesten Geschichten seines Gebieters aufheitern, aber Alles auf der Welt ist unbeständig, alles schwebt, bald gibt es sowieso etwas Aufregenderes: man muß das Fliegen lieben. Zufällig befindet man sich vor dem Grabmal Annibal de Lortigue, 1570–1640 des Commendatore, und die Statue beginnt

8 9 «Ihr führt das Leben eines Schurken» Anmerkungen zur Stoffgeschichte

Die Figur des Don Juan ist älter als ihre Stoff- geschichte; der Typus des skrupellosen, unwider- stehlichen Frauenverführers mit der ständigen Lust an der Eroberung existiert bereits in prä- donjuanesker Zeit – als Satyr und dionysischer Faun, als Bewohner der Städte Sodom und Gomorrha, als ewige Männerphantasie von «unendlicher Potenz ohne Konsequenz» (Jürgen Wertheimer). Don Juan ist so alt wie die Mensch- heit selbst und besitzt als Archetyp zeitlose Faszination. «Wie er ... so sind Tausende», heißt es in Molières Don-Juan-Komödie. Der beinahe vierhundert Jahre alte Don-Juan-Stoff ist einer der machtvollsten der Weltliteratur; er liegt in geschätzten dreitausend Versionen vor, hat es zu einigen Bibliographien und einem eigenen, voluminösen Wörterbuch gebracht (Pierre Brunel: Dictionnaire de Don Juan, Paris 1999).

Trotz der Heterogenität der Bearbeitungen, die den Stoff als geschlossenen Sinnzusammenhang in Frage zu stellen scheinen, bleibt ein sich immer wieder regenerierendes Grundmuster der Figur durch die Jahrhunderte erhalten: In Don Juan verbindet sich Lust an Sexualität und Leben mit Zerstörungstrieb und tiefer Lebensangst – Angst vor dem göttlichen Gericht, vor bürgerli- chen Moralkonventionen, vor den Frauen, vor der eigenen, inneren Natur. Innerhalb dieses

8 9 Rahmens entfaltet sich ein weites Spektrum von oder Playboy. Seinen Anfang nahm alles mit Projektionen und Deutungen: Don Juan erscheint Tirso de Molinas religiösem Drama El Burlador als verlorener Sünder (Molina), als Wüstling de Sevilla y Convidado de Piedra (erste bekannte (Da Ponte/Mozart), Intellektueller (Frisch), Aufführung 1613, Erstdruck 1630). Don Juan Zyniker (Molière, Balzac), Feudalist (Brecht), betrügt dort mit leeren Versprechungen eine Titan (Bloch), Idealsucher (Hoffmann, Grabbe, Frau nach der anderen; als er übermütig das von Horváth), Genie (Kierkegaard), absurder steinerne Standbild eines von ihm im Duell getö- (Camus) oder nationaler Held (Ortega y Gasset), teten Komturs zum Gastmahl einlädt, erscheint Dämon (Baudelaire, Verlaine, Rilke) oder Opfer dieses tatsächlich. Bei der Gegeneinladung (Shaw), als perverser Psychopath, verdeckter auf dem Friedhof trifft Don Juan die gerechte Homosexueller oder Sadist (Psychoanalyse, Strafe: indem er dem Standbild die Hand reicht, Sexualforschung), als Anti-Tristan, Bruder des verbrennt ihn ein höllisches Feuer. Faust oder des Jedermann, als Blaubart, Dandy

10 11 Bereits mit Molières fünfzig Jahre späterer nenten Erlösung des innerlich gespaltenen Bearbeitung zeigt sich die Tendenz des Stoffes bürgerlichen Helden führen – zu Reue, Umkehr zur Metamorphose, Negierung, Parodie, denn oder Verdrängung. Das späte 19. Jahrhundert der Franzose bildet den geistlosen spanischen entwirft einen von der Lust desillusionierten, Triebtäter um zu einem reflektierten, zynischen gealterten, von Skrupeln und Selbstekel geplagten Libertin. In deutschen Theatern, sogar im Pup- Don Juan und kreiert zugleich – im Fin-de-siècle – penspiel, war Don Juan fester Bestand des Re- das Modeideal des Donjuanismus als Lob der pertoires. Meist stand jedoch die moralische Untreue und des Dandytums. Die Don Juans des Belehrung anhand seiner vielen Untaten im 20. Jahrhunderts sind ihrer Verführerrolle über- Vordergrund. Das 19. Jahrhundert verleiht Don drüssig: Ödön von Horváths aus dem ersten Juan Seele, Gewissen und Intellekt, die immer Weltkrieg heimkehrender Don Juan sucht in allen stärker mit seinem inzwischen erotisch verfeiner- Frauen die verlassene Braut, Max Frischs Don ten Trieb in Konflikt geraten und zur weltimma- Juan liebt die Geometrie und nicht die Frauen.

10 11 Im Zeitalter totalisierter Sexualität schließlich Bei tieferer Betrachtung der Figuren allerdings scheint die traditionelle Erotomanie der Figur verschwimmen die Konturen und rutschen ins zu einem Ende gekommen; Peter Handke deutet unendlich Ferne: Juan, der Mörder, der Vergewal- in seiner Don-Juan-Erzählung des Jahres 2004 tiger, der Verbrecher aus sozialer Kälte – der die Sexualbegegnung als von Moral und Trieb steht uns fern. Das moralische Gegenreforma- befreites Energiegesetz ohne erkennbaren Sinn: tionsstück weisen wir von uns. Doch Mozarts «Pikante Einzelheiten waren nicht zu erzählen. Werk steht auf der Schneide. Zum einen scheinen Ja, es gab sie gar nicht.» die alten Typen noch durch – in Leporello der lis- tige, gleichzeitig tölpelhafte Diener der comme- Wenn wir uns Don Giovanni von Mozart/Da Ponte dia dell’arte, in Elvira die verführte Nonne, die ihr nähern, so sind wir zunächst fasziniert von der Heil nachmals in der Bigotterie sucht, in Ottavio Lebendigkeit der Figuren: Selbstverständlich und der Jurist, der vor einer edelmütigen Tat erst bei vertraut, wie von heute erscheinen uns die zuständiger Stelle nachfrägt, zum andern sind Szenen, in denen beispielsweise Zerlina ihren die Figuren beeindruckend individuell durch- eifersüchtigen Masetto besänftigt oder Donna psychologisiert. Einerseits erscheint Mozart der Elvira ihren treulosen Ehegatten anklagt. Jeder Juan-Tradition verpflichtet, in der die Bestrafung kennt das aus eigener bitterer oder lustiger des alle Gesetze mißachtenden Lüstlings im Erfahrung: Für die anderen haben wir weise Vordergrund steht, andererseits legt er die Lunte Ratschläge in Überfülle, die durchaus gut sind, der tiefenpsychologischen Figurendeutung, die aber für uns selbst sind wir blind und verkennen mit E. T. A. Hoffmanns romantisierender Analyse die simpelsten Situationen. Elvira rät erst Zerlina, zum ersten Mal eine Explosion herbeiführt und dann Anna ganz souverän, Abstand von dem die dann in den Überlegungen von Kierkegaard «Monster» zu halten, aber bei ihr selbst genügt und allen seinen interpretatorischen Nachfolgern ein halbes, deutlich geheucheltes «Ich bereue» weiterglüht. des Scharlatans, um alle Erkenntnis über Bord zu werfen und sich erneut der Hoffnung des Wenngleich viele literarische Figuren im Laufe Ewiggeliebtseins hinzugeben. Wer lacht nicht der Jahrhunderte ihre Gestalt wechseln und sich bei Giovannis Philosophie «Wer einer treu ist, in verschiedene Richtungen entwickeln, so ist tut den anderen Unrecht», wen erheitert nicht doch bei Juan auffällig, wie eng die Neufassun- Elviras Entsetzen angesichts der Liste der über gen mit der Identifikation des Deutenden mit 2000 Vorgängerinnen, wen beeindruckt nicht Juan korrelieren und die Figur durch diese Verein- die Eleganz von Giovannis Leichtigkeit? nahmung geschwächt wird. Diese Interpretatio-

12 13 12 13 nen beeinflussen unser Bild von Mozarts Don destruktiver Fremdkörper, der eine Brandspur Giovanni dahingehend, das wir das Brutale, durch die Gesellschaft zieht. Die Struktur ist das Verstörende und Zerstörende zugunsten archaisch: Ihn kaltzustellen erfordert Opfer wie einer heimeligeren Deutung («er taumelt von in einem Western, schuldige wie den unbeliebten einer Frau zur anderen, immer auf der Suche Komtur, unschuldige wie die wehrlose Donna nach der Richtigen») nicht mehr wahrnehmen. Anna oder die risikofreudige Zerlina, halbschuldi- ge wie die eitle Elvira, den gierigen Leporello oder Diese Inszenierung will herausarbeiten, was das den berechnenden Ottavio, aber Opfer allemal. «Neue» an Mozarts Interpretation war, was die Dass Mozart fraglos Partei ergreift für die Figur, Zeitgenossen irritiert haben mochte, denen die die er gerade beschreibt, und die Moral, nach Figur des großen Verführers vertraut war durch deren Gesetzen er sie gerade antreten lässt, mit die vielen hundert Versionen seit Tirso de Molina. dem ersten Ton wieder relativiert, das ist ein Der Stoff stellt mehr Fragen als er Antworten Wunder, das nachzuvollziehen wiederum nur gibt – so moralisch er sich gibt, lässt er doch die der Kunst zusteht. Frage offen, warum das «Böse» faszinierend und das «Gute» langweilig ist. Gerade die moralische Das ist eine der Unbegreiflichkeiten bei Mozart, Mehrdeutigkeit setzt die Fantasie in Lauf und das seine Linke nichts von dem Tun der Rechten gibt dem Zuschauer die Möglichkeit, Grenzen zu weiß, beschreibt er eben noch die tödliche Zu- überschreiten. Es kann aber nicht darum gehen, spitzung im Gefühlschaos von Donna Anna, eine historisch «richtige» Szenerie zu bilden, witzelt Leporello in der nächsten Sekunde über selbstverständlich erschafft Mozarts Musik aktu- den realen Tod des Komturs, sodass verschwimmt, elle Figuren. Der heutige Bezug von Mozarts was man eben für unumstößlich genommen hat. Musik ergibt sich quasi von selbst, indem ein Unvereinbare Haltungen stoßen aufeinander. heutiger Mensch sie hört. Unsere Aufführung Welch widersprüchlicher Kosmos steckt in den nimmt Mozarts Musik «beim Wort», belässt die Minuten der ersten Szene, die von der humorigen Figuren in ihrem Kontext und arbeitet die Aktio- Dienerklage in das tödliche Blutvergießen führt: nen auf der Bühne plastisch heraus, wie von Die nächtliche Stimmung, Auftritt und Charakte- Mozart beschrieben, wobei sich Heiterkeit und risierung von fünf Hauptfiguren, die soziale seelische Düsternis die Waage halten. Spannung des Dienerverhältnisses, die miss- glückte Liebesnacht, der Geschlechterkampf Die Feldkircher Produktion möchte Don Giovanni zwischen Anna und Giovanni, das Vater-Tochter- durchaus seine Gefährlichkeit lassen. Er ist ein Verhältnis, die Aktion des Duells, der Tod des

14 15 Komturs, die Flucht Giovannis, und das alles ohne Brüche, organisch führt eins ins andere, und schon nach dieser Szene wissen wir alles. Natürlich täuscht Mozart nur vor, uns alles zu erzählen, denn er benutzt unser Wissen nur, um uns tiefer und tiefer in die Widersprüchlich- keiten des Menschen zu lotsen, von denen seine Musik mehr weiß als sich beschreiben läßt.

Thomas Hengelbrock/Helga Utz

Ich kann dir meine Empfindung nicht erklären, es ist eine gewisse Leere – die mir halt wehe thut, – ein gewisses Sehnen, welches nie befriedigt wird, folglich nie aufhört – immer fortdauert, ja von tag zu tag wächst ... Mozart an Konstanze, 7. Juli 1791

14 15 Variationen Don Juan Dies sind meine Stunden, die Stunden der Nacht ... wichtige Fassungen des Stoffes Tirso de Molina vor Mozart/Da Ponte

vor 1613 Tirso de Molina El burlador de Sevilla Don Giovanni 1665 Molière Du weißt, dass Frauen mich auf den ersten Blick Dom Juan immer beeindruckt haben, und du weißt, dass ich 1734 Eustachio Bambini sie von Anfang an alle auf das Äußerste liebe, aber La pravità castigata du weißt auch, dass ich sterben würde, wenn ich 1738 Carlo Goldoni nicht oft wechselte. Il dissoluto ossia Don Giovanni Tenorio Francesco Gardi 1776 Vincenzo Righini Il convitato di pietra ossia Il dissoluto punito 1777 Giuseppe Calegaris Don Juan Il convitato di pietra, Venedig Was? willst du denn, dass man sich dauerhaft an 1783 Giacomo Tritto die erste Schöne bindet, die uns einnimmt, dass Il convitato di pietra, Neapel man sich ihretwegen aus der Gesellschaft zurück- 1784 Gioacchino Albertini zieht und für niemanden mehr Augen hat. [...] Il Don Giovanni, Venedig Nein, nein, die Beständigkeit taugt nur für Narren; 1787 Vincenzo Fabrizi alle Schönen haben das Recht, uns zu bezaubern, Il convitato di pietra, Rom und der Vorteil, dass die eine uns als erste begeg- 1787 Francesco Gardi net ist, darf doch nicht die anderen der gerechten Il nuovo convitato di pietra, Venedig Ansprüche berauben, die sie alle auf unser Herz 1787 Giovanni Bertati / Giuseppe Gazzaniga haben. Don Giovanni ossia Il convitato Molière di pietra, Venedig

16 17 Don Juan Don Carlos [...] die Heuchelei ist ein Laster, das in Mode ge- [...] wir sehen uns verpflichtet, mein Bruder und kommen ist, und alle Laster, die in Mode kommen, ich, wegen einer jener widrigen Angelegenheiten gelten als Tugenden. Die Gestalt des wohlanständi- zu Felde zu ziehen, die die Edelleute dazu zwingen, gen Mannes ist die beste aller Gestalten, die man sich selbst und ihr Geschlecht den strengen An- gegenwärtig spielen kann und die Berufung forderungen der Ehre zu opfern; denn schließlich zum Heuchler bietet wundersame Vorzüge. ist dabei der schönste Erfolg verderbenbringend; Es ist dies eine Kunst, deren Lügengebäude allzeit lässt man nicht das Leben, ist man gezwungen, hoch geachtet wird; und selbst wenn man dahinter das Königreich zu verlassen. Das ist es, worin ich kommt, unternimmt man nichts dagegen. den Stand eines Edelmannes verderblich finde, dass er sich auf alle Klugheit und Ehrbarkeit [...] seines Verhaltens ganz und gar nicht verlassen kann, dass er durch den Ehrenkodex zum Sklaven der Verfehlungen im Verhalten anderer wird, Don Juan und dass er mit ansehen muss, wie sein Leben, Hör zu. Wenn du mich weiter mit deinen törichten seine Muße und sein Vermögen von der Laune Moralpredigten behelligst, wenn du mir noch ein des erstbesten Hitzkopfes abhängen, dem es in einziges Wort davon sagst, werde ich jemanden den Sinn kommt, ihn so zu beleidigen, dass ein rufen, einen Ochsenziemer verlangen, dich von ehrenwerter Mann daran zugrunde gehen muss. dreien oder vieren festhalten lassen und dich mit tausend Hieben schinden. Verstehst du mich richtig? Molière

Scagnarelle Völlig richtig, gnädiger Herr, so richtig es nur geht. Ihr drückt Euch klar und deutlich aus; das ist das Gute an Euch, dass Ihr nicht versucht, Umschweife zu machen: Ihr sagt mit bewundernswerter Klarheit, wie es steht.

[...]

16 17 Donna Anna Scagnarelle Ich habe meine Meinung geändert. Ich will mich [...] doch vorsichtshalber sollst du ganz inter nos nicht mehr umbringen. Auf eine letzte Probe stelle wissen, dass du in Don Juan, meinem Herrn, den ich ihn heute Abend. Wenn er mir die Hand als größten Verbrecher vor dir hast, der je auf Erden Bräutigam nicht gibt, verabreiche ich ihm ein Gift, geweilt hat, einen Tollwütigen, einen Hund, einen und dann werde ich gehen. So werde ich heldenhaft Barbaren, einen Häretiker, der weder an den Him- mich selbst und meinen Vater rächen. mel glaubt (noch an Heilige, noch an Gott), noch an den Werwolf, der sein Leben wie ein wirklich Commendatore seelenloses Tier verbringt, als genusssüchtiges Meine teure Tochter, es ist nötig, vor dem Schicksal Epikuräerschwein, als wahrer Sardanapal, der ergeben die Stirn zu senken. allen (christlichen) Vorhaltungen, die man ihm machen kann, seine Ohren verschließt und alles, Donna Anna was wir glauben, für Unfug hält. Wir bestimmen unser Schicksal selbst. Der Himmel Molière pflegt nicht, den Willen der Sterblichen zu bezwingen.

Commendatore Man darf dem Vater nicht widersprechen. Ihr wer- Doña Elvira det die Braut des Don Ottavio sein. Wenn Euer Herz Seid nicht überrascht, Don Juan, mich zu dieser dem Bund nicht zustimmt, dann wird Euer Vater Stunde und in dieser Aufmachung zu sehen. Euch einwilligen lassen, oder Ihr werdet seine Liebe Ein zwingender Grund nötigt mich zu diesem zu harter Empörung und grausamem Hass verwan- Besuch, denn was ich Euch zu sagen habe, duldet delt sehen. Dein Schicksal hängt völlig von meinem nicht den geringsten Aufschub. Ich komme nicht Willen ab, wer dies bestreitet, ist nicht weiter meine hierher voll des Zorns, der vorhin aus mir heraus- Tochter. brach; im Vergleich zu heute morgen seht Ihr mich sehr verändert. Dies ist nicht mehr jene Doña Donna Anna Elvira, die heilige Eide gegen Euch schwor, und Mein Vater kann tun und lassen, was er will, deren erzürnte Seele nur Drohungen ausstieß aber ich werde nicht zu der verhassten Trauung und nach Rache schnaubte. Der Himmel hat aus die Hand reichen. meiner Seele all jene unwürdige Liebesglut verbannt, die ich für Euch fühlte, allen Aufruhr Francesco Gardi der Leidenschaften einer verbrecherischen

18 19 Verbindung, all jene schändlichen Verzückungen einer irdischen und gemeinen Liebe; er hat in meinem Herzen nur eine Flamme für Euch zurück- gelassen, die von jeder Anwandlung von Sinnlich- keit gereinigt ist, eine ganz geheiligte Zärtlichkeit, eine Liebe, die allem entsagt, die nicht für sich selbst handelt und sich nur um Euretwillen sorgt.

Molière

Elvira Tot ist in mir die Liebe, all mein Gefühl erloschen, eingekehrt ist nun der Friede in mein verwundetes Herz. Wenn Ihr das Leben ändert, bleib´ ich Euch ewig verbunden. Wie kurz sind beim Abschied die Stunden, bitter der Abschiedschmerz. Doch ihr höhnt und verspottet mich, verlacht mein Leiden; Ihr sucht Eure Grausamkeit an meiner Qual zu weiden. Doch nah ist der Donnerschlag, er trifft Euch ins Herz.

Elviras letzte Arie bei Bertati/Gazzaniga

Max Slevogt: Das Champagnerlied, 1902 Der portugiesische Sänger Francisco d‘Andrade war lange Zeit der führende Don Giovanni.

18 19 Si fractus inlabatur orbis, Inpavidum ferient ruinae. (Und wenn der Erdkreis krachend einstürzt, werden die Trümmer einen Furchtlosen treffen.) Quintus Horatius Flaccus, aus: Carmina Liber III 3

Mozart – Da Ponte 1786 feierte Mozart mit seinem Figaro einen überwältigenden Erfolg in Prag. Ein Jahr später kam von dem dortigen Impresario Bondini deshalb auch der Auftrag für eine zweite Oper, die Mozart und Da Ponte zusammen schreiben sollten. Letzterer schlug den Don-Juan-Stoff vor, angeregt durch die Oper von Gazzaniga und Bertati, die er wahrscheinlich in Venedig gesehen hatte, und die er als Grundlage für sein Libretto benutzte. Die Uraufführung konnte man im Gräflich Nostitzschen Nationaltheater in Prag am 29. Oktober 1787 erleben – wieder als großen Erfolg.

Lorenzo Da Ponte (1749–1838) Punktiertstich von M. Pekino Dramma giocoso – opera buffa Ausschließlich lustig geht es in Mozarts Don Giovanni nicht zu. Dennoch wurde das Stück von Mozart in sein Werkverzeichnis als opera buffa eingetragen, hingegen als dramma giocoso auf den Theaterzetteln und im Libretto angekündigt – vielleicht, weil es als ein «heiteres Drama» eben nicht nur Buffo-Elemente enthält (z. B. Verwechs- lungsspiele, Prügeleien und Leporello, den aus

20 21 der commedia dell´arte entliehenen, verfressenen Angsthasen), sondern sich auch bei der opera seria oder semiseria bedient (z. B. Racheschwüre; Figuren wie Donna Anna oder den Commendatore).

Musik – Bezüge In der psychologischen Dramaturgie, die auf die einzelnen Figuren maßgeschneidert ist, erinnert die Musik im Don Giovanni an Mozarts Figaro. Die Stimmung ist aber eine andere; kaum eine Opera buffa fängt so dunkel an. Bei aller Fortschrittlichkeit in Harmonie und Melodik (z. B. beim Commendatore: Non si pasce) verankert Mozart die Musik aber auch auf viel- fältige Weise in Gegenwart und Vergangenheit. So lässt er im Finale des ersten Aktes drei ver- schiedentaktige Tänze gleichzeitig erklingen (Deutscher Tanz, Menuetto, Kontratanz); Donna Anna nimmt die Musiksprache Gazzani- gas auf, manchmal scheint auch Scarlatti nicht weit. Diese Anspielungen können auch sehr deutlich werden – Leporello singt auf die Melodie von Figaros Arie Non piu andrai die Worte: «Questa poi la conosco purtroppo» («Das kommt mir nur allzu bekannt vor.») – für das damalige Publikum ein doppelter Witz: In Prag 1786 Mozart komponiert in Prag. und 1787 sang derselbe Sänger diese Rollen.

20 21 Die erste Seite von Mozarts Don-Giovanni-Autograph. Viele Jahre war das Original im Besitz der Sängerin Pauline Viardot-Garcia, die dafür extra einen Schrein herstellen ließ.

22 23 Prager Fassung – Wiener Fassung 1788, im Jahr nach der Uraufführung, sollte Don Giovanni auch in Wien auf die Bühne kommen. Hierzu wurde das Stück umgearbeitet und den neuen Sängern angepasst. So entfiel für Leporello und Don Ottavio je eine Arie (Ah pietà, signori miei und Il mio tesoro intanto); hinzu kam stattdessen eine Szene mit einem Duett Zerlina-Leporello (Per queste tue manine) und eine Arie für Donna Elvira (Mi tradì quell‘alma ingrata); Don Ottavio erhält im ersten Akt eine zusätzliche Arie (Dalla sua pace). Ob die gesamte Schlussszene in Wien überhaupt erklang, ist nicht sicher. Die meisten Inszenierungen verwenden heute eine Mischung aus Prager und Wiener Fassung.

Montags den 29ten wurde von der italienischen Operngesellschaft die mit Sehnsucht erwartete Oper des Meisters Mozard Don Giovanni oder das steinerne Gastmahl gegeben. Kenner und Tonkünstler sagen, daß zu Prag noch nicht ihres- gleichen aufgeführt worden. Hr. Mozard dirigierte

selbst, und als er ins Orchester trat, wurde ihm Dieser Mann ist kein Hitzkopf. ein dreymaliger Jubel gegeben, welches auch Dem ersten Wiener Don Ottavio, Francesco Morella, war «Il mio tesoro» zu hektisch; er scheiterte an den bei seinem Austritte aus demselben geschah. Kolloraturen und ließ sich „Dalla sua pace“ schreiben. Die Oper ist übrigens äußerst schwer zu exequiren, (Figurine von Petra Weikert) und jeder bewundert dem ungeachtet die gute Vorstellung derselben nach so kurzer Studienzeit. Aus den Provinzialnachrichten, Wien 10. November 1787

22 23 und Auftragskompositionen zur Uraufführung. Thomas Hengelbrock begann seine Karriere als Geiger. Wichtige künstlerische Impulse erhielt er von Witold Lutoslawski, Maurizio Kagel und Antal Dorati sowie durch seine Mitwirkung in Nikolaus Harnoncourts Concentus musicus. Das Freiburger Barockorchester, das er mitbegründe- te, spielte bis 1997 unter seiner Leitung; mit den Amsterdamer Bachsolisten arbeitete er von 1988 bis 1991, und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen wählte mit ihm 1995 erstmals einen festen künstlerischen Leiter. Als Dirigent folgt Thomas Hengelbrock den Einladungen zahlrei- cher renommierter Orchester und Opernhäuser. Von 2000 bis 2003 war er Musikdirektor der Volksoper Wien. Neben der musikalischen Leitung übernimmt er oftmals die szenische Thomas Hengelbrock machte sich als Entdecker Umsetzung seiner Projekte. Seit 2001 ist er in Vergessenheit geratener Werke und mit Neu- Künstlerischer Leiter des Feldkirch Festivals. interpretationen bekannten Repertoires einen Namen. Im Zentrum seiner Arbeit steht die inten- sive Auseinandersetzung mit einem Werk in sei- nem historischen Zusammenhang. Thomas Hen- gelbrock strebt – wie Balthasar Neumann mit der architektonischen Engführung von Bau, Malerei, Skulptur und Garten – eine Integration von Musik und anderen Künsten an. Er widmet sich nicht nur intensiv der Oper, sondern der Kombination unerwarteter und neuartiger Konzertprogramme sowie halbszenischer Projekte. Sein Repertoire umfasst das 16.–20. Jahrhundert, darüber hinaus bringt er zeitgenössische Werke zur Aufführung

24 25 Thomas Hengelbrock gründete den Balthasar- Neumann-Chor (1991) und das Balthasar- Neumann-Ensemble (1995) als zwei professionel- le Formationen aus Spitzenmusikern und jungen Gesangssolisten, die sich unter seiner künstleri- schen Leitung in den vergangenen Jahren einen exzellenten Ruf erworben haben. Das Repertoire reicht vom Frühbarock bis zur Moderne und folgt einer historisch informierten Aufführungspraxis auf dem jeweils angemessenen Instrumentari- um. Aus der engen und kontinuierlichen Zusam- menarbeit beider Ensembles entstehen unge- wöhnliche Konzertprogramme, halbszenische Projekte und Musiktheaterproduktionen. Der Schwerpunkt der Konzerttätigkeit liegt in der Aufführung selten gespielter, häufig nicht veröffentlichter Werke. In einer eigenen Konzer- treihe beim Südwestrundfunk führen sie den Hörer unter dem Motto Abenteuer Musik auf unbekannten musikalischen Pfaden durch das 17. und 18. Jahrhundert. So kamen Werke Aus der Notenbibliothek von J. S. Bach zur Aufführung, die einen Einblick in Bachs Auseinandersetzung mit den Werken seiner Zeit offenbarten. In dieser Reihe wurde auch Antonio Lottis bedeutendes Requiem F-Dur erstmals wieder aufgeführt, das in einer preis-gekrönten CD-Einspielung vorliegt.

Auf der Suche nach neuen Darstellungsformen konzipierte Thomas Hengelbrock für Ensemble und Chor szenische Projekte wie z. B. Italienische Karnevalsmusiken in Masken und Kostümen und

24 25 Metamorphosen der Melancholie, eine Hommage komposition von Johannes Harneit und ein an englische Musiker und Dichter des 17. Jahr- Melodram von Jan Müller Wieland uraufgeführt. hunderts, die die Mitglieder beider Ensembles 2005 gaben Balthasar-Neumann-Chor und nicht nur auf dem Terrain der musikalischen, -Ensemble unter Thomas Hengelbrock ihr Debut sondern auch der darstellerischen Interpretation an der Opéra National de Paris mit Glucks fordert. Gemeinsam mit dem Schauspieler Orpheus, in einer vertanzten Fassung und unter Graham F. Valentine präsentierten sie King der Regie von Pina Bausch. Bei dem diesjährigen Arthur mit der Musik von Henry Purcell und dem Benefizkonzert des deutschen Bundespräsiden- Drama von John Dryden in einer szenischen ten, das erstmals außerhalb Berlins stattfand, Realisation von Thomas Hengelbrock. Weitere spielten und sangen sie Bachs h-Moll Messe. Musiktheaterproduktionen führten die beiden Im Mozartjahr präsentieren sie neben Don Gio- Ensembles u. a. mit den Regisseuren Philippe vanni beim Feldkirch Festival Il re pastore bei den Arlaud und Achim Freyer zusammen. Mit letzte- Salzburger Festspielen sowie beim Musikfest rem feierten sie Erfolge u. a. mit Monteverdis Bremen und beim Beethovenfest Bonn – beide L’Orfeo bei den Wiener Festwochen sowie den Produktionen in der Regie von Thomas Hengel- Münchner Opernfestspielen und mit Joseph brock. Namenspatron beider Ensembles ist Haydns L’anima del filosofo bei den Schwetzinger Balthasar Neumann (1687–1753), der bedeu- Festspielen. Seit 1996 sind sie ständiger Gast bei tendste deutsche Architekt des Barock und den Schwetzinger Festspielen und zeigten dort Baumeister u. a. der Residenzen von Würzburg u. a. in Koproduktion mit der Staatsoper Unter und Schönbornslust sowie der Wallfahrtskirche den Linden Francesco Cavallis La Didone und Vierzehnheiligen. mit den Innsbrucker Festwochen die erstmalige Wiederaufführung von Giovanni Legrenzis La divisione del mondo. Zuletzt präsentierte das Ensemble dort Alessandro Scarlattis Telemaco in einer deutschen Erstaufführung. Seit 2001 sind sie ensembles in residence beim Feldkirch Festival, bei dem sie u. a. Monteverdis L’Orfeo, Schumanns Manfred und Beethovens Missa solemnis unter der Leitung von Thomas Hengelbrock aufführten. Das Balthasar-Neu- mann-Ensemble hat dort zudem eine Auftrags-

26 27 bei den Wiener Festwochen (Haydns L’anima del filosofo, Schuberts Alfonso und Estrella) und später bei der Grazer Styriarte (Offenbachs La Grande Duchesse de Gerolstein, Carmen). Es folgten Einladungen zu Ensembles der Origi- nalklang-Szene, u. a. von Christophe Coin, Thomas Hengelbrock, Jordi Savall sowie Giovanni Anzonini und Luca Pianca mit Il Giardino Armoni- co. Er wirkte als Interpret mozartscher Rollen an Bühnen in Frankreich, Deutschland, Schweiz, Italien und Österreich mit. Zu seinen wichtigsten Partien zählen Papageno, Don Alfonso (u. a. mit Thomas Hengelbrock bei den Sommerfestspielen Baden-Baden) und Don Giovanni (in der Inszenie- rung von Tobias Moretti 2002). Als Interpret zeit- genössischer Musik zählt er inzwischen zu den gefragtesten Sängern seines Fachs, was durch zahlreiche Ur- und Erstaufführungen dokumen- tiert wird, u. a. M. A. Turnages Greek (Jeunesse Festival), HK Grubers Gloria vom Jaxtberg (Wien modern), S. Sciarrinos Luci mie traditrici (Wiener Festwochen und Schwetzinger Festspie- Der in Wien geborene Georg Nigl ist einer der le), G. F. Haas’ Nacht und Die Schöne Wunde vielseitigsten Sänger der jüngeren Generation. (Bregenzer Festspiele), L. Berios Un re in ascolto Als ehemaliger Sopransolist der Wiener Sänger- (Grand Théâtre de Genève, W. Mitterers Massacre knaben in der Wiener Klassik zuhause, setzt er (Wiener Festwochen, H. Goebbels’ Landschaften sich intensiv mit der Interpretation sowohl alter mit entfernten Verwandten (Grand Théâtre de als auch neuer Musik auseinander. Seine außer- Genève, Berliner Festwochen, Holland Festival) ordentliche Begabung als Schauspieler führte ihn und O. Neuwirths Lost highway (steirischer noch während seiner Schulzeit an das Wiener herbst, Stadttheater Basel). Burgtheater. 1994 begann seine Zusammenar- beit mit Nikolaus Harnoncourt mit Aufführungen

26 27 Mit dem Lautenisten Luca Pianca und dem Pianis- ten Gerard Wyss gestaltete Georg Nigl Lieder- abende in Europa und den USA. Die schöne Mage- lone von Johannes Brahms führte er sowohl mit Sir Peter Ustinov als auch mit Anne Bennent auf. Großen Erfolg hatte er mit seiner eigenen Serie von Liederabenden am Wiener Konzerthaus, die den Spuren des Liedes durch fünf Jahrhunderte folgt. Zu den Höhepunkten der Saison 2005/2006 zählt bereits sein Debüt in der Titelpartie der neuen Oper Faustus von Pascal Dusapin an der Staatsoper Unter den Linden Berlin und am Opernhaus in Lyon (Regie: Peter Mussbach). Hinzu kommen u. a. Konzertauftritte an der Köl- ner Philharmonie, im Parco della Musica Rom, im Wiener Musikverein, bei den Bregenzer Festspie- len und den Klangspuren Schwaz, sowie für die kommende Saison Einladungen zu den Salzbur- ger Festspielen, dem Théâtre du Chatelet, der Opera de Lyon und dem Théâtre de la Monnaie.

Svetlana Doneva wurde in Bulgarien geboren und studierte an der Staatlichen Akademie für Musik in Sofia. Danach folgten Meisterkurse u.a. bei Raina Kabaivanska, Anita Cerquetti, Alberta Valentini und Giusi Devinu in Italien. 2002–2003 war sie Stipendiatin am Internationalen Opern- studio der Oper Zürich. Zunächst debütierte sie u. a. am Opernhaus Sofia als Gretel (Humper- dinck) und Gilda und in St. Zagora als Lucia (Donizetti), Mimi und Violetta. In der Saison 2002/03 war sie am Opernhaus Zürich als Cover

28 29 für Edita Gruberova in der Partie der Maria Stuarda in Donizettis gleichnamiger Oper en- gagiert. Im Mai 2003 gab sie ihr Rollendebüt am Opernhaus Zürich als Lady Billows in Brittens Albert Herring und als Anna Kennedy in Donizet- tis Maria Stuarda. Im September 2003 sang sie in Palma de Mallorca die Musetta in La Bohème sowie La Traviata in Barcelona. Als Traviata und Gilda (Rigoletto) gastierte sie auch in Rom. Als Lina in Verdis Stiffelio trat Svetlana Doneva in Biel und Solothurn auf, im Mai 2005 sang sie mit großem Erfolg die Traviata in Frankfurt und die Konstanze (Entführung aus dem Serail) in Aachen. Konzerte führten sie u. a. nach Spa- nien (Orffs Carmina Burana), Argentinien, Japan und Italien und mit der Graner Fest-Messe von Liszt nach Zürich und Basel. In der Tonhalle Zürich sang Svetlana Doneva das Requiem von Brahms. Künftige Pläne: Elisa in Il re pastore von Mozart unter Thomas Hengelbrock in Salzburg, Bremen und Bonn, Gilda in Rigoletto und La Travi- ata in Marseille, Donna Anna mit René Jacobs bei Andreas Karasiak studierte Gesang bei Claudia den Festspielen in Innsbruck, in Baden-Baden, Eder und Barockmusik bei René Jacobs und war Paris und Brüssel mit anschließender Einspielung Preisträger beim Bundeswettbewerb Gesang. Er für harmonia mundi, Traviata, Ginevra (Ariodante war am Nationaltheater Mannheim engagiert als von Händel) und Konstanze an der Opera Frank- Tamino, Ferrando, Belmonte, Jaquino, Alfred (Die furt, Konzerte mit Frank Martins Maria-Tryptichon Fledermaus), Schwan (Carmina Burana), Testo und dem Requiem von Mozart in Serbien, die (Combattimento di Tancredi e Clorinda) und Uriel Missa Solemnis in Basel, Haydns Solokantate (Die Schöpfung), gastierte in Stuttgart, Braun- Qual dubbio omai und die Harmonie-Messe in schweig, Oldenburg, Mainz, Kaiserslautern, Wies- Zürich sowie Konzerte mit Arien von Händel baden und Weimar und arbeitete mit Regisseu- mit dem Balthasar-Neumann-Ensemble. ren wie Katharina Thalbach und George Tabori.

28 29 2003 gab er sein Debut am Theater Basel unter K. Junghänel und als Bazzotto in Bendas Il buon marito in Bilbao unter M. Haselböck. Er konzer- tierte unter Frühbeck de Burgos, Weil, Bernius, Creed, Rilling, Max, Cambreling, Leonhardt, Koop- man, Herreweghe, Zinman u. v. a. sowie mit der Akademie für Alte Musik Berlin, Concerto Köln, dem Freiburger Barockorchester, dem Dresdner Kreuzchor, dem Thomanerchor Leipzig und dem Knabenchor Hannover. Dazu kommen Aufnah- men mit La Stagione Frankfurt, dem Orchestre des Champs Elysées, dem RIAS Kammerchor und dem Thomanerchor Leipzig. Er wirkte mit bei CD- Produktionen unter B. Weil (Glucks L’innocenza giustificata) und C. Spering (Weihnachtsoratorium von Cartellieri), sang mit dem Théâtre Royal de la Monnaie in Melbourne (Telemaco in Monteverdis Il ritorno d’Ulisse in patria) und die Rolle des Mar- co Orazio in Cimarosas Gli Orazi e i Curiazi bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen. Engage- ments der Saison 2005/06 beinhalten Konzerte und Aufnahmen mit und dem Amsterdam Baroque Orchestra, Scarlattis Weih- Boris Petronje wurde in Serbien geboren. Im Jahr nachtskantate Cinque profeti mit dem Deutschen 2002 schloss er sein Gesangsstudium bei Sinfonieorchester Berlin, Bachs Matthäuspassion Prof. Biserka Cvejic an der Hochschule für Musik, unter Michel Corboz und die Rolle des Agenore in Belgrad ab. Er ist mehrfacher Preisträger an Mozarts Il re pastore unter Thomas Hengelbrock bedeutenden Gesangswettbewerbe seiner bei den Salzburger Festpielen, dem Musikfest Heimat, errang beim Republikswettbewerb Bremen und dem Beethovenfest Bonn. in Belgrad den ersten Sonderpreis, beim Bundes- wettbewerb in Kotor den ersten Preis, einen Preis beim Wettbewerb des Sologesangs «Nikola Cvejic» sowie den Preis für die beste Interpretati-

30 31 on, zudem den Preis der Hochschule für Musik in Belgrad 2000/01 und den Preis für den aussichts- reichsten Opernsänger in der Saison 2001/02. Boris Petronje gewann auch das Preisstipendium des Fonds für Förderung der Vokalkunst bei Jugendlichen «Melania Bugarinovic» für die Jahre 1997, 1998 und 1999. Darüberhinaus trat er in vielen Konzerten, Musikfestspielen (BEMUS, NOMUS, BELEF, LEMEK, Mokranjac-Tage, u. a.) auf. Erste Berufserfahrung sammelte er im Opernhaus von Novi Sad seit 1997, wo er die Partien des Iwan (Die Fledermaus), des alten Zigeuners (Il Trovatore) und des Schließers (Tosca) verkörperte. 1999 wechselte Boris Petronje zum Opernhaus von Belgrad, wo er die Partien des Leone (Attila), des Oberpriesters (Nabucco), des Colline (La Bohème), des Mesner (Tosca), Sparafucile (Rigoletto) und Sarastro sang. 2003 besuchte er das Internationale Opernstudio am Opernhaus Zürich, wo er den Schließer (Tosca), einen Deputaten (Don Carlos), Sarastro, Macrobio in Rossinis La Pietra del Paragone und Billy (La Fanciulla del West) sang. Seit der Spielzeit Geboren in Wien, studierte Arpiné Rahdjian 2004/05 ist Boris Petronje am Luzerner Theater zunächst Veterinärmedizin, ehe sie sich für die engagiert, wo er in den Partien des Lautsprechers Sängerlaufbahn entschied. Sie schloss das Studi- in Viktor Ullmanns Der Kaiser von Atlantis, um am Konservatorium der Stadt Wien 2002 mit Fürst Basil Basilowitsch (Der Graf von Luxemburg), Auszeichnung ab. Weitere Impulse vermittelten Monterone (Rigoletto), Parson Alltalk und Simon ihr Meisterklassen bei Patricia Wise, Olivera Mil- in der schweizerischen Uraufführung von Scott jakovic, Walter Berry und Christa Ludwig. Seit Joplins Treemonisha, Don Basilio (Il Barbiere di 2004 arbeitet sie regelmäßig und intensiv mit Siviglia), Osmin (Entführung) und Fürst Gremin Mirella Freni. Im Juli 2002 gewann Arpiné Rahdji- (Eugen Onegin) zu hören ist. an beim Internationalen Hans-Gabor-Belvedere-

30 31 Wettbewerb nicht nur den 1. Preis in der Katego- rie Operette, sondern auch weitere Spezialpreise, den Preis für die beste österreichische Sängerin sowie den Preis für die beste Bühnenpräsenz. Erste Engagements erhielt die junge Sängerin beim Wiener Festival «Klangbogen», bei den Wiener Festwochen, im Theater an der Wien, im Wiener Konzerthaus, im Wiener Musikverein, am Stadttheater Klagenfurt, am Landestheater Salzburg, im Bregenzer Festspielhaus und in Cleveland mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra. Sie nahm an Tourneen nach Japan, in die Schweiz, in die Tschechische Republik und nach Kanada teil. Im Juni 2005 gab sie ihr Debüt bei der Styriarte in Graz als Micaëla in Bizets Carmen (Dirigent: Nikolaus Harnoncourt / Insze- nierung: Andrea Breth) und wurde von Publikum und Presse bejubelt. In dieser Spielzeit singt sie diese Partie auch an der Deutschen Staatsoper Unter den Linden in Berlin und in Hamburg. Tiziano Bracci schloss sein Studium an der Inter- Sie wird ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen nationalen Musikhochschule in Mailand ab und 2006 in Mozarts Il re pastore unter Thomas vervollständigt seine Ausbildung seit 2001 bei Hengelbrock und anschließenden Koproduktio- Aramayo Sandivari. 2004 war er an der Académie nen mit dem Musikfest Bremen und dem Europeenne de Musique in Aix-en-Provence, Beethovenfest in Bonn feiern. Arpiné Rahdjians wo er bei Rachel Yakar und Edda Moser studierte. Repertoire umfasst derzeit u. a. Fiordiligi Bei wichtigen internationalen Wettbewerben ge- (Così fan tutte), Contessa (Le nozze di Figaro), wann er z. B. den ersten Preis als Pietro Mongini Agathe (Der Freischütz), Gräfin Zedlau (Wiener in Ispra 2003, den dritten Preis beim Viotti-Wett- Blut), Annina (Eine Nacht in Venedig), Liù (Turan- bewerb in Vercelli 2004 und den ersten Preis dot) und Micaëla (Carmen). beim Spiros-Argiris-Wettbewerb in Sarzana 2005. Tiziano Bracci debütierte 2004 am Teatro Coccia in Novara als Timur in Puccinis Turandot; weitere

32 33 Engagements führten zur Zusammenarbeit mit dem Orchestra Cantelli in Mailand bei Cimarosas L‘impresario in angustie und zur Teilnahme an dem Projekt «La scuola all´opera» am Teatro Donizetti in Bergamo, wo er den Sulpizio in Donizettis La figlia del reggimento sang. Am Teatro Massimo Bellini in Catania übernahm er die Rolle des Uberto in Paisiellos La serva padrona und sang in Cherubinis Il giocatore. Er arbeitete mit dem Orchestra Sinfonica Giuseppe Verdi in Mailand bei Dallapiccolas Volo di notte zusam- men und war in Rossinis Petite Messe Solennelle beim Festival delle Nazioni in Città di Castello zu hören. Demnächst wird er am Teatro Verdi in Triest (Paisiellos Il mondo della luna) und am Teatro Bellini in Catania (als Masetto in Mozarts Don Giovanni) auf der Bühne stehen. Tiziano Bracci sang bereits unter Fabrizio Carminate, Romano Gandolfi, Kazushi Ono, Marcello Rota, Gianluca Martinenghi, Marco Zuccarini und Der Bassbariton Manfred Bittner wurde in Daniel Pacitti und ist auf der Weltersteinspielung Weißenburg (Bayern) geboren und erhielt seine von Antonio Giramos Partite sopra Fedele zu erste grundlegende musikalische Ausbildung bei hören. den Regensburger Domspatzen. Er studierte an der Hochschule für Musik und Theater München und besuchte als Stipendiat des Deutschen Bühnenvereins gleichzeitig die Bayerische Thea- terakademie «August Everding» und die dortige Opernschule. Anschließend absolvierte Manfred Bittner ein Meisterklassenstudium an der Musik- hochschule Stuttgart und besuchte neben seinem Studium Meisterkurse (u. a. bei Kammersänger Andreas Schmidt und Thomas Quasthoff). Derzeit

32 33 wird er von Stefan Haselhoff betreut. Das um- fangreiche, breitgefächerte Repertoire des Bass- baritons spannt einen Bogen von Werken des Mittelalters über Opern und Oratorien aus Barock, Klassik und Romantik bis hin zu Urauf- führungen zeitgenössischer Musik. Zahlreiche Rundfunk- und CD-Aufnahmen ergänzen seine künstlerische Tätigkeit. Konzertreisen führten ihn durch ganz Europa, nach Australien, Japan und Südostasien. Regelmäßig arbeitet er mit renommierten Ensembles wie L’arpa festan- te, dem Freiburger Barockconsort, dem Balthasar- Neumann-Chor und -Ensemble, Concerto Köln und der Hamburger Camerata sowie mit Dirigen- ten wie Thomas Hengelbrock, Philippe Herreweg- he, René Jacobs, Frieder Bernius, Winfried Toll und Stephen Stubbs zusammen. Manfred Bittner gastierte unter anderem bei der Biennale für Neue Musik München, den Wiener Festwochen, den Berliner Festspielen und dem Europäischen Musikfest Stuttgart

Katharina Persicke wurde in Göttingen geboren. Nach anfänglichen Gesangsstudien bei Walker Wyatt (Kassel) und Prof. Renate Faltin (Berlin) begann sie 1998 ihre Hochschulausbil- dung im Hauptfach Gesang. Bis 2003 studierte sie erfolgreich an der Hochschule für Musik «Carl Maria von Weber» in Dresden bei Prof. Christian Elßner. Ab dem Wintersemester 2003/04 wechselte sie zu der Freiburger Hoch- schule für Musik für ein Aufbaustudium zur

34 35 Gesangssolistin in der Klasse von Prof. Dorothea Wirtz, welches sie im Herbst 2005 mit Auszeich- nung abschloss. Katharina Persicke nahm an Meisterkursen bei und Peter Schreier teil. Von 2001 bis 2003 war sie Gast des Ensembles der Sächsischen Staatsoper Dresden in der Produktion Die lustigen Nibelungen von Oskar Straus. Danach folgte ein Gastvertrag am Stadttheater Freiburg in Gaetano Donizettis L´Elisir d’amore als Gianetta. Mit dieser Partie gastierte sie erneut im vergangenen Herbst am Oldenburgischen Staatstheater. 2003 war Katharina Persicke Finalistin des Dvorak-Liedˇ - wettbewerbes in Karlovy Vary (Karlsbad). Sie ist gefragte Solistin in den Bereichen Kirchenmusik (Hugo-Distler-Chor, Singakademie Dresden, Deutsch-Französischer Chor Freiburg, Philharmo- nisches Orchester Teplice, u. v. m.), Operette und Kammermusik (zahlreiche Liederabende in Neben seinem Studium der Allgemeinen und Ver- Dresden, Freiburg, Kassel und Umgebung). gleichenden Literaturwissenschaft an der FU Ber- Sie war Solistin des Sorbischen Künstlerbundes lin arbeitete Freo Majer als Dramaturg für freie in der Konzertreihe «Gazˇ wetsyk ˇ ˇ dujo psez ˇ pola» Opernproduktionen und Festivals. Hinzu kamen («Wenn der Wind über die Felder weht»). Es Aufträge für Übersetzungen und Recherchen, u. erfolgten mehrere Rundfunkproduktionen des a. für Random House. In seinem anschließenden SFB und RBB. Die Gächinger Kantorei Stuttgart Regiestudium an der Hochschule für Musik unter der Leitung von Helmut Rilling lädt sie zur «Hanns Eisler» in Berlin belegte er im Nebenfach regelmäßigen Zusammenarbeit ein. Jazzgesang. Er war freier Mitarbeiter bei DoRo Produktion Wien/Berlin und besuchte Meister- kurse bei Ruth Berghaus, Peter Konwitschny, Wil- ly Decker und Christine Mielitz. Er war persönli- cher Assistent und Hospitant bei Ruth Berghaus und Joachim Herz (u. a. an der Hamburgischen

34 35 Staatsoper, am Staatstheater Stuttgart, an der Oper Leipzig und am Teatro Comunale di Bolo- gna). Während seiner Arbeit als Spielleiter am Bremer Theater war er Assistent u. a. bei Christof Loy, Alfred Kirchner, Konstanze Lauterbach und Hans Kresnik sowie Teilnehmer am Internationa- len Forum Junger Bühnenangehöriger. Seit 2004 arbeitet er als freier Regisseur. Zu seinen Insze- nierungen zählen: Brechts Hauspostille am Berli- ner Ensemble, Der Zar läßt sich photographieren/ Der Diktator von Weill und Krenek beim Kurt- Weill-Fest Dessau und Horrible Fax von Andreas Gryphius am Staatstheater Kassel. Am Bremer Theater zeichnete er verantwortlich für Jacques Offenbachs Abendwind, Karl Valentins Der Regen, die Fliege, Mariechen, Brittens The Rape of Lucre- tia und Solaris von Michael Obst. Für Leuchtende Liebe, Lachender Tod, eine Filmproduktion von arte, inszenierte er Szenen aus Richard Wagners Ring des Nibelungen. Zu seinen jüngsten Produk- tionen zählen Janaceks Das schlaue Füchslein und Mozarts Zauberflöte am Theater Kiel sowie Lort- Der gebürtige Salzburger Renato Uz studierte zings Wildschütz am Theater Heidelberg. Bühne und Kostümbild am Mozarteum. Nach Stationen in Berlin, Bochum und Frankfurt wech- selte er 1985 als Assistent an das Staatstheater Stuttgart, wo er u. a. unter Ivan Nagel, Rolf Glit- tenberg und Anna Viebrock arbeitete. Seit 1987 ist er als Bühnen- und Kostümbildner sowie als Schauspieler freiberuflich tätig. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit Kurt Palm, für den er u. a. die Ausstattung für Johann Strauss’ Fledermaus in Dublin und Carl Maria

36 37 von Webers Freischütz in Linz sowie für verschie- dene Stücke von Flann O’Brien entwarf. Deswei- teren zeichnete er für die Ausstattung der legen- dären Nette Leit Show von Hermes Phettberg und Kurt Palm verantwortlich. In den letzten Jah- ren widmete er sich verstärkt dem Musiktheater, wo er u. a. ’ Ariadne auf Naxos und Kurt Weills Mahagonny ausstattete.

In Wilhelmshaven geboren, begann Petra Weikert bereits während ihres Studiums in Berlin als Bühnen- und Kostümbildnerin an verschiedenen Off-Theatern und freien Bühnen zu arbeiten. Seit 1993 ist sie als Assistentin und Mitarbeiterin von Achim Freyer an internationalen renommier- ten Opernhäusern tätig (Tristan und Isolde in Brüssel, Alceste bei den Wiener Festwochen,

36 37 Iphigenie an der Opèra de la Bastille Paris, h-Moll-Messe bei den Schwetzinger Festspielen, Salome und Verdis Messa da Requiem an der Deutschen Oper Berlin, La Damnation de Faust in Warschau und Los Angeles u. a.) Seit 1996 ist Petra Weikert als Technische Produktionsleiterin der Schwetzinger Festspiele tätig. 1997 hatte sie die technische Produktionsleitung des Regensburger Kultursommers inne. Als Bühnen- und Kostümbildnerin arbeitete sie für mehrere internationale Theater- und Musikfestivals sowie für das Staatstheater Cottbus, das Theater Görlitz, das Stadttheater Bautzen und die Musik- akademie Rheinsberg. Ihre Produktion Festa teat- rale (Dirigent: Thomas Hengelbrock), in der sie neben der Ausstattung auch die Regie übernom- men hatte, wurde 1999 von ZDF und 3Sat aufge- zeichnet und u. a. bei ARTE gesendet. Zur Zeit arbeitet Petra Weikert als Bühnen- und Kostüm- bildnerin an einer szenischen Version der Brockes-Passion von Georg Friedrich Händel (Philharmonie Berlin, Frankfurt/Oder).

Bildnachweise

Katrin Heyer Probenfotos Stefan Korn Thomas Hengelbrock Telemach Wiesinger Ensembles F. Messner-Rast Georg Nigl

38 Wir danken ...

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38 The Secret Agent Altes Hallenbad 20.5.06 3 The Secret Agent Uraufführung Musiktheater von Simon Wills nach Joseph Conrad 20. Mai 2006 | 19.00 Uhr Altes Hallenbad

Simon Wills Libretto, Komposition, Daisy Jopling Violine The Secret Agent ist eine Auftrags- Musikalische Leitung Daniela Ivanova Viola komposition des Feldkirch Festivals. Katrin Hiller Regie Orlando Jopling Violoncello Irfan Önürmen Bühnenbild Katy Gainham Flöte Harry Lifschitz Licht Peter Furniss Klarinette Einführung Hugh Webb Harfe Simon Wills im Gespräch Peter Kajlinger Charles Verloc Wolfgang Lindner Schlagwerk mit Michael Schetelich Barbara Ostertag Winnie Verloc Altes Hallenbad, OG Rafael Vazquez Inspector Heat 18.00 Uhr Bernhard Landauer Professor Yehuda Almagor Stevie

3 Alle Skizzen in diesem Heft sind originale Entwürfe von Irfan Önürmen für diese Produktion.

4 The Secret Agent The Street We want activity. Charles – tief gedemütigt von seinen Auftrag- The Merry Prologue gebern – hadert mit dem Befehl, die Greenwich- I have many many names. Sternwarte in die Luft zu jagen – doch leider braucht er das Geld. Der Professor fängt ihn ab The Verlocs’ Home und bietet ihm seine Unterstützung an. What is going on in your head? Winnie Verloc beobachtet ihren Bruder Stevie, Round and round and round. während der – wie jeden Tag – Kreise zeichnet. Stevie hat Vorahnungen und versucht, sie zu artikulieren. Aber er kann es nicht. I hate your secrets. Charles Verloc, ihr Ehemann, kommt deprimiert aus dem Geschäft. Winnie beklagt sich über seinen The Professor’s Parlour Umgang und die Heimlichkeiten ihr gegenüber Blow them apart. Der Professor bastelt in größter Lust die Bombe I must be careful. und überzeugt Charles davon, sie von Stevie Inspektor Heat stattet den Verlocs einen ziemlich platzieren zu lassen. beunruhigenden Besuch ab. Charles verlässt das Haus und geht zu einem obskuren politischen What are you about you weasel? Treffen. Inspektor Heat – offensichtlich alle bespitzelnd – versucht, den Professor unter Druck zu setzen, When the wind blows what will you do? aber leider entpuppt er sich als potentieller Allein mit Winnie, versucht Heat sie zu verführen Selbstmordattentäter. – ganz besonders erfolglos. Stevie geht mit einem Messer auf ihn los – niemand wird verletzt. The Verlocs’ Home He is a good man. – I have no choice. Three islands in the same sea. Nachdem Heat sie allein gelassen hat, Charles hat seinen Mantel Stevie geschenkt, Win- versucht Winnie, Stevie zu beruhigen. nie näht ihre Adresse ein, damit er nicht verloren Währenddessen erhält Charles einen neuen geht auf seiner Reise an die See. Sie ahnt nicht, (geheimen) Auftrag. dass er dort niemals ankommen wird.

4 5 plötzlich ist dann das Tor zur Geisteskrankheit aufgestoßen – da fallen dann natürlich wichtige Entscheidungen. Rainald Goetz

6 7 Public House Trust me, I’m a policeman. Do you remember the trees? Winnie lässt sich auf Heat ein, bevor er den Charles erklärt Stevie eindringlich, was er zu tun toten Charles Verloc entdeckt. Er verlässt sie, hat und worauf er achten muss – der Professor, um angeblich die gemeinsame Flucht verkleidet als Prostituierte, versucht ihn abzu- vorzubereiten. lenken. Poor Tom’s a cold. Der Professor warnt Winnie vor Heat. Greenwich Die Bombe explodiert, Stevie stirbt. He was beautiful and he loved me. Winnie, in großer Trauer, geht in den Tod.

The Morgue He never knew what hit him. Finale Inspektor Heat findet die Überreste des Mantels Oh yes, it is a game. Half understood. und schließt daraus, dass Charles das Attentat verübt hat und tot ist.

The Verlocs’ Home I don’t like your song. Heat besucht Winnie, um ihr von dem Anschlag zu berichten – und möglicherweise direkt die Lücke zu füllen.

It couldn’t be helped. Charles kehrt zurück und versucht sich bei Winnie zu entschuldigen. Zu spät – in ihrer Trauer um ihren Bruder ersticht sie ihn.

6 7 One cannot make an omelet without breaking eggs ... But it is amazing how many eggs one can break without making a decent omelet. Charles Issawi

8 9 Jetzt folgt dem Sommer unserer Bitterkeit Schädelbasislektion 1 der Sommer unsrer Macht, die Sonne Yorks. Die Wolken alle, die einst hießen Tod, Was du bist steht am Rand sind längst begraben schon im Meeresschoß: Anatomischer Tafeln. Auf unsrer Stirn der Lorbeerkranz des Siegs, Dem Skelett an der Wand ein Denkmal unsrer Macht der Waffenberg Was von Seele zu schwafeln und unser Kriegsgeheul Triumphgeschrei. Liegt gerad so verquer Der Marsch der Krieger weicht dem Tänzerschritt: Wie im Rachen der Zeit Der Krieg streicht sich, statt auf stahlgezäumtem (Kleinhirn hin, Stammhirn her) Pferd die Seelen unsrer Feinde zu erschrecken, Diese Scheiß Sterblichkeit. sehr elegant ins Zimmer einer Dame: Dort spielt er Laute, ach, verführerisch. Durs Grünbein Doch ich, nicht ausgestattet mit solch Tricks nicht sehr geübt im Kokettiern für Spiegel; ich, roh gehauen, fein geschnitten nicht, unfähig, Huren tänzelnd zu hofieren, ich, dem das gute Gleichmaß grob verkürzt, den die Natur um Schönheit hart betrog, halbfertig ausgestoßen vor der Zeit, schnell abgenabelt in die Atemwelt, ein Auswurf, hinkend und so schief gebaut, daß Köter kläffen, hink ich dran vorbei, ja, ich kann diesem Friedenstralala kein Spaß entreißen, meinen Tag zu fülln, als in der Sonne meinen Schatten sehn, und breitzureden meinen Krüppelleib. Weil ich den Liebhaber nicht spielen kann, die Tage voll Geschwätz mir kürzend so, hab ich beschlossen, hier den Dreckskerl aufzuführn, zu hassen all die Scherze dieser Zeit: Monolog des Gloster aus Shakespeares Richard III.

8 9 «Once the rockets are up, who cares where they come down That‘s not my department,» says Wernher von Braun. Tom Lehrer

10 11 How To Kill

Under the parabola of a ball, The revolutionary can have no friendship or a child turning into a man, attachment, except for those who have proved by I looked into the air too long. their actions that they, like him, are dedicated to The ball fell in my hand, it sang revolution. The degree of friendship, devotion in the closed fist: Open Open and obligation toward such a comrade is deter- Behold a gift designed to kill. mined solely by the degree of his usefulness to the cause of total revolutionary destruction. Now in my dial of glass appears the soldier who is going to die. Sergei Nechayev He smiles, and moves about in ways his mother knows, habits of his. The wires touch his face: I cry NOW. Death, like a familiar, hears This is the way the world ends This is the way the world ends and look, has made a man of dust This is the way the world ends of a man of flesh. This sorcery Not with a bang but a whimper. I do. Being damned, I am amused to see the centre of love diffused TS Eliot, in: The Hollow Men and the wave of love travel into vacancy. How easy it is to make a ghost.

The weightless mosquito touches her tiny shadow on the stone, and with how like, how infinite a lightness, man and shadow meet. They fuse. A shadow is a man when the mosquito death approaches.

Keith Douglas

10 11 Mr Verloc extended as much recognition to Stevie as a man not particularly fond of animals may give to his wife´s beloved cat Joseph Conrad, in: The Secret Agent

12 13 Wie war es WIRKLICH? fehlt hier auch jeder politische Diskurs, der diesen Von Bomben, Kreisen und Männern im Krieg Namen wert wäre: Es ist eine häusliche Tragödie, von Simon Wills und die Figuren sind hauptsächlich wie wir, einfache und unvollkommene Leute, die zerstört werden durch ihren Mangel an Einfühlung, Es widerstrebt uns zu glauben, dass große Mangel an Kommunikation, Mangel an Liebe. Ereignisse simple Gründe haben können; noch Es konnte nicht anders sein: Der Fanatiker, weniger können wir akzeptieren, dass große der denkt, man könne in den Himmel kommen, Untaten das Werk der Schwachen oder Dummen wenn man die Hölle auf Erden erzeugt, steht sind. Dennoch lehrt die Geschichte, dass in vielen außerhalb meines Vorstellungsvermögens. Ich Fällen das Böse nicht nur banal, sondern zweck- kann versuchen, mir den Weg einer einfachen, los ist. Ich bin mir sicher, dass heute wieder ungebildeten, jungen Person vom normalen irgendwo auf der Welt ein armer Teufel zum Leben zu jener Vernichtung vorzustellen, deren Opfer einer Zufallsbombe wird. Genauso sicher Zeuge ich vor all den Jahren war; und dies war bin ich mir, dass nichts Wertvolles durch das so der Punkt, an dem ich meine Bearbeitung von verursachte Leid erreicht wird. Vor vielen Jahren Joseph Conrads Roman begann. habe ich es knapp verpasst, von Terroristen in die Luft gejagt zu werden. Eine Bombe war vor einem Emotionale Reise und Konfrontation sind das Theater deponiert, zwei irische Nationalisten eigentliche Geschäft der Oper. Als ich ein Kind hofften, das Publikum beim Heimweg zu töten. war, trieb ich die Erwachsenen zur Verzweiflung Es wäre eine nutzlose Barbarei gewesen, hätten mit meiner immer wiederkehrenden Frage: sie Erfolg gehabt; die Bombe ging jedoch zu früh «Wie war es wirklich?» Das mache ich immer los und vernichtete sie beide. Ich war nah genug, noch. Es ist das wichtigste, was ein Komponist um die Erschütterung zu spüren und den Blitz fragen kann. Man kann nur ziemlich wenige zu sehen, aber es hat mich nichts getroffen, Ereignisse in einem Musikdrama unterbringen, zumindest nicht meinen Körper. Später erfuhr und der Prozess muss einen scharfen und engen ich, dass einer der Toten ein Kind von achtzehn Fokus auf die Erfahrung der Situation auf der Jahren war. The Secret Agent handelt nicht von Bühne haben: Musik handelt von Sachen, diesen Bombenattentätern, oder irgendeiner die zu genau für Worte sind, und Komplexität anderen anarchistischen Bewegung. Es gibt hier entspricht oft einer Verwässerung. keinen Nechayev, noch weniger einen Osama bin Laden oder einen Donald Rumsfeld. In der Tat

12 13 Aus diesem Grund war Conrads Roman keine offensichtliche Wahl. Es ist ein trauriges Werk und war nie besonders populär. Es ist komplex, hat viele nur kurz auftretende Charaktere – selten gut beim genauen Blick durch das Opernglas –, und ein großer Teil des Buches besteht aus der Beschreibung der polizeilichen Ermittlung. Der herausforderndste Aspekt des Librettos war jedenfalls nicht die Weitschweifigkeit der Erzählung. Seine Form ist sehr literarisch und besetzt von innerem Dialog, aber die zentrale Katastrophe hat einen hinreichend opernhaften Charakter. Nein, was mich mich am meisten beschäftigte, war die Tatsache, dass zwei wichti- ge Figuren schweigen – weil sie Abtraktionen sind. Diese stellen «The Great Game» dar – wie Realpolitik im England des 19. Jahrhunderts genannt wurde – und sexuelle Veleugnung, anderen Umständen ein anständiges Leben hät- die überall im Buch schmerzend aufschreit. Es ist te, und ich bin mir nicht sicher, ob dies auch für eine schreckliche Logik hinter Winnies Vernich- die Vorlage zutrifft. Der Professor hat sich von tung ihres Ehemannes als Erwiderung auf die einer widerlichen Nummer zu einer Art diabolus Nachfrage nach körperlicher Bequemlichkeit. ex machina entwickelt – mit etwas mehr von einem Sparafucile. Im Buch ist Winnie unbe- Realpolitik und Polizeiermittlung wurden bald wusst, emotional verschlossen und in irgendeiner als Ablenkungen von dem Hauptantrieb der Weise verletzt. Dieser Aspekt ihres Charakters Geschichte erkannt. Andere Lösungen wurden wurde in meiner Version beibehalten, indem ich während des Eindampfens der ca. dreißig Charak- sie im ersten Teil weitgehend schweigen lasse. tere der Geschichte auf lediglich fünf gefunden. Still aber anwesend ist sie und findet ihre Stim- Ich machte einige beträchtliche Änderungen, me erst vollständig, wenn die Vernichtung schon am wenigsten jedoch bei Verloc selbst: Er ist im Gange ist. Chief Inspector Heat ist weitgehend etwas leichter, komischer und sympatischer meine eigene Erfindung. Im Buch ist er ein geworden. Man könnte glauben, dass er unter methodischer, schwerfälliger, ziemlich uninspi-

14 15 rierter Mann mit einer gewissen Integrität. Libretto mit der emotionalen Genauigkeit, In der Oper ist er ein kleiner Dämon, besessen die ich fordere, unmöglich gewesen. Aber ich von Macht, ein unmoralischer Maulheld, der sei- denke, Hitchcocks Worte taugen für die Oper ne Menschenkenntnis missbraucht. Diese Verän- wie für den Film, wenn der Komponist seine derung war nötig, um die dramatische Spannung Arbeit gut macht. zu erhöhen und mir eine weitere Dimension für den musikalischen Wortschatz zur Verfügung zu Die Sorgfalt, mit der das Libretto gebaut wurde, stellen. Andere finden ihren Weg in die orche- bürdete der Musik formale Genauigkeit auf. stralen Strukturen oder auf die Bühne. Der Terro- Meine Komponisteninstinkte sind barock, womit ristenboss Mr Vladimir (der nie zu sehen ist) hat ich meine, dass ich es vorziehe, eine deutliche ein Leitmotiv und wird ausführlich in Verlocs Struktur vorzugeben, in der die eher ausdrucks- esprit d’escalier zitiert. vollen Elemente der Musik freies Spiel haben. Hieraus entspringt ganz selbstverständlich, Ich habe nie daran gedacht, einen Vokalpart für dass jede der zwanzig kurzen Szenen der Oper Stevie zu schreiben. Nach der Tat weiß ich nun, aus einem Tanz oder einer anderen barocken dass diese instinktive Entscheidung richtig war. Form dieser Art besteht – ein Kanontrio, die Eine der Ironien unserer Version – bei Conrad Sarabande des Professors, Heats Menuett. nicht vorhanden – ist, dass der am offensicht- Während der Proben wies jemand darauf hin, lichsten beschädigte Charakter tatsächlich jener wieviele Wiegenlieder in dem Stück sind – eine mit dem größten emotionalen Einblick ist. Tatsache, die ich etwas beunruhigend fand. Alfred Hitchcock (der einen ziemlich erfolglosen Es verwundert vielleicht nicht, dass ein Kompo- Film aus dieser Geschichte gemacht hat) sagte nist, der in der englischen Songtradition verwur- die berühmten Worte: Im Kino erzählen die Bilder zelt ist, so viele Arien einbaut. Die Oper teilt sich die Geschichte. Dialog ist nicht mehr als Athmos- ganz natürlich in Nummern auf, aber es gibt phäre. Ein wichtiger Rat für den Drehbuchschrei- auch eine übergeornete Form, die die mehr als ber: Ersetze «Bilder» durch «Musik» und es wird 3500 Takte zusammenhält. ebenso wahr für den Librettisten. Aus diesem Grund denke ich nicht, dass es wesentlich ist, In beiden Versionen der Geschichte zeichnet dass das Libretto auf Englisch ist. Deutsch ist Stevie wie besessen Kreise (und wir sollten nicht für mich eine spät erworbene Viertsprache, vergessen, dass Dante die Hölle in Kreisen dar- und obwohl ich es verstehe, tue ich es doch nicht stellt.). Musikalisch gesehen haben wir es auch in den Nuancen; sicherlich wäre für mich ein mit einer Kreisform zu tun. Es handelt sich, mit

14 15 Abweichungen, um eine symphonische Entwick- lung, deren Wiederholungen sich einem Palin- drom nähern. Ich liebe Puzzles und Symbole in der Musik; es sind hervorragende Diener, aber arm- selige Meister, und es besteht immer die Gefahr, dass ein Leitmotiv für jedes Ereignis und jede Idee pedantisch wirkt. Ich war sehr standhaft, und obwohl es Leitmotive gibt, sind sie nur von geringer Anzahl und dreistem Charakter. Manche beschreiben Physisches. Charles Verloc hat eine schwermütige kleine Weise, und die Melodie, die Winnie zu den Worten «Oh Stevie, whatever shall I do with you» singt, bleibt an dem armen Jungen das ganz Stück hindurch hängen. Aber meist sind die Motive abstrakt. In dem Quartet for Two Voices hat Winnie die Stelle «he is a good man, Stevie», die oft wiederkehrt, normalerweise bei Gespött. Eine gleitende, aufsteigende Akkord- fortschreitung, hauptsächlich verknüpft mit Verrat, wurde schamlos aus Die Brück am Tay (Ich komm vom Meer) entnommen, und ich hof- fe, das Feldkirch Festival wird mir dieses kleine Auto-Plagiat vergeben. Sogar das Motiv der «tickenden Bombe», zuerst im Prolog zu hören, hat eine weitergehende Bedeutung, und als die Arbeit voranging, merkte ich, dass es überall dort in die Musik kriecht, wo ein Charakter sich gefühlsmäßig versteift, wo Mitgefühl ausbleibt. Es ist nicht überraschend, dass man es oft in Anwesenheit des Professors hört.

16 17 Letztendlich sind es dennoch der Weg und das Gefühl, die zählen, nicht die Gedanken, durch die sie strukturiert sind. Das Jahr, das ich mit dem Schreiben dieses Stückes verbrachte, ist turbu- lent gewesen; das Leben mit diesen Figuren in diesem moralischen Universum war nicht immer einfach, und die Tatsache, dass ich gerade die Musik für die Bombenbauarie des Professors am 7. Juli schrieb, als die echten Bomben in London losgingen, hat mich aufs Äußerste bestürzt. Zu meiner großen Überraschung stelle ich fest, Hunger auf eine weitere Oper zu haben; und ich habe auch schon eine Geschichte dafür, die auf- kam, als ich sah, wie die Bühne für The Secret The world is full of harmless people. Agent Gestalt annahm. Am Ende dieses Prozesses Were we to admit it habe ich nun einen schärferen Blick des Mitleids What need would there be for policemen? auf unsere gegenseitigen Brutalitäten, aber ich begreife immer noch nicht, warum unsere politischen Führer, unserer heutigen Mr Vladi- mirs, uns so inbrünstig überzeugen sollten, dass wir im Krieg mit einer solchen Schimäre wie dem Terrorismus sind. Denn es ist, in den Worten des Professors, «keine Armee, sondern jemand Verkleidetes neben dir – ich könnte es sein.» Wie Clemenceau beobachtete: «Krieg ist zu wich- tig, um ihn den Generälen zu überlassen.» Seine Prämisse war falsch (obwohl der Krieg sicherlich zu wichtig ist, um ihn den Politikern zu überlassen.) Krieg, so wie er ist, wird den Kleinen überlassen, den namenlose Geschöpfen, von denen Chief Inspector Heat singt:

16 17 How many friendships have you known formed upon principles of virtue? Most friendships are formed by caprice or by chance, mere confederacies in vice or leagues in folly. Samuel Johnson

18 19 II. Meditation Ich bin Ophelia. Die der Fluss nicht behalten hat. Die Frau am Strick Die Frau mit den aufgeschnit- Vergrab dein Gesicht in den Händen. tenen Pulsadern Die Frau mit der Überdosis AUF Presse sie fest gegen Wangen und Stirn. DEN LIPPEN SCHNEE Die Frau mit dem Kopf im Laß kein Licht mehr durch die Finger. Gasherd. Gestern habe ich aufgehört mich zu Richte dich ein in den eigenen Vier Wänden töten. Ich bin allein mit meinen Brüsten meinen Aus Jochbein, Schädel und Gehirn. Schenkeln meinem Schoß. Ich zertrümmre die Bleib so, der Kopf ist kein Zwinger. Werkzeuge meiner Gefangenschaft, den Stuhl, Kein Boden fängt auf und kein Dach. den Tisch, das Bett. Ich zerstöre das Schlachtfeld Oben sind, unten, rechts und links, Worte. das mein Heim war. Ich reiße die Türen auf, Keins triffts ins Schwarze wie Ach. damit der Wind herein kann und der Schrei der Vergiß, wo dich nichts kennt, die Orte, Welt. Ich zerschlage das Fenster. Mit meinen blu- Meeresbucht, Stadtrand und Wald. tenden Händen zerreiße ich die Fotografien der Träum nicht, es sei denn vom Ende. Männer die ich geliebt habe und die mich Zwischen Himmel und Erde, kein Spalt gebraucht haben auf dem Bett auf dem Tisch auf Ist da, für dich kein Halt im Gelände, dem Stuhl auf dem Boden. Ich lege Feuer an mein Nur Raum, der dich auslöscht, nur Zeit. Gefängnis. Ich werfe meine Kleider in das Feuer. Versuche dich nicht zu erinnern. Ich grabe die Uhr aus meiner Brust die mein Herz Öffne die Augen, öffne sie weit. war. Ich gehe auf die Straße, gekleidet in mein Was siehst du jetzt, wenn du dich drehst? Blut. Ist das die Dunkelheit im Innern? Ist das die Nacht, in die du gehst? Heiner Müller

Durs Grünbein

18 19 Depend upon it, sir, when a man knows he is to be hanged in a fortnight, it concentrates his mind wonderfully. Samuel Johnson

20 21 Grausamer Selbstmord eines alten Manns in Innsbruck. Chen Kaige (Chinesische Legende) . . . Ursache ungeklärt . . . Vielleicht aus Einsamkeit, Wie ein Experte glaubt, aus depressivem Frauenhaß, Vor langer Zeit badeten zwei himmlische Prinzen in einer Wolke. Hat letzten Donnerstag ein kinderloser Witwer Plötzlich fielen sie auf die Erde hinab. Die weibliche Belegschaft einer Wäscherei schockiert. Der Kaiser sandte seine Soldaten aus, Daß Alter kaum vor Perversionen schützt, beweist seinen Söhnen die Augen zu schließen. Er wollte vermeiden, dass sie das Böse auf Die eisige Gelassenheit, mit der der Mann am Morgen Erden sähen. Zur Tat schritt. Einen welken Rosenstrauß im Arm, Betrat er das Geschäft, rief noch «Grüß Gott» und bat Den Soldaten gelang es nicht, die Prinzen unter den Menschen zu finden. Um ein Glas Wasser für die Herztabletten. Kaum allein Sie schlossen die Augen aller auf Erden. Verschwand er still im Nebenraum und legte seinen Kopf Zwischen die Rollen einer Wäschemangel. Das Geräusch

Beschrieb ein Zeuge als das Knirschen einer Autopresse, Sämtliche Wände bis zum zweiten Stock durchdringend.

Durs Grünbein

20 21 Moral ganz was schwieriges hochinteressant eigentlich noch nicht richtig gelöst Rainald Goetz

22 23 Simon Wills führt ein erstaunlich vielfältiges zu weiteren Aufführungen führte. In der Woche kreatives Leben Er ist Dirigent, Komponist, Autor der Uraufführung von Bruck erlebte das Chelten- und Filmproduzent. Seine weitreichenden Aktivi- ham International Festival auch die Premiere von täten haben ihn in 46 Länder und auf jeden Moro Lasso – songs for unseen singer. Das Jahr Kontinent geführt. Sein Kompositionsstil ist 2004 endete mit einem Höhepunkt, der Auffüh- hochindividuell, wobei er bewusst außerhalb rung von Prelude and Fugue about Quem Pastores der modischen und dabei abgeschiedenen Main- Laudavere durch die Berliner Philharmoniker. stream-Avantgarde bleibt. Er ist geprägt von 2005 bestimmten zwei Werke die Kompositions- einem begeisterten Glauben an Klarheit und der arbeit: Sinfonietta for Strings wurde auf Wunsch Idee, dass ernsthafte, intellektuell entschiedene von Thomas Hengelbrock für die Südamerikatour Musik nicht auf eine undurchsichtige Sprache des Balthasar-Neumann-Ensembles geschrieben. oder gekünstelte Schwierigkeiten angewiesen Es ist ein neoklassisches Werk mit einem ganz sein darf. Dieser Zugang des Komponisten führt bewusst fröhlichen Chrakter und so in starkem zu kraftvollen gestalterischen Spannungen in Kontrast zu der Hauptaufgabe dieses Jahres: seinem Werk: Streng disziplinierte klassische The Secret Agent. Techniken, ein hochentwickelter Sinn für Melancholie und Zartheit, ausgeglichen durch die Wie viele Komponisten kam Simon Wills ans Faszination an der ironischen und herben Seite Dirigentenpult, damit seine Musik aufgeführt des Lebens. Vielleicht sind seine größten Erfolge werden konnte. Dies begann mit einem raffinier- deshalb im Musiktheater zu finden: Jiggery Pokery, ten Konzert, das er für Christian Lindberg eine moderne «Jonsonian Masque» war ein Skan- geschrieben hatte und dessen Uraufführung er dalerfolg bei der Premiere in London 1999, und in Stockholm leitete. Kurz danach fand er sich mit das widersprüchliche A Day Close to Summer, einem Dirigentenstab neben Gidon Kremer bei geschrieben für das Baden-Badener Festspielhaus der Royal Festival Hall in London und bei Laurie 2003, sorgte für eine ausgedehnte Debatte. Andersons Meltdown Festival. Er dirigierte auch Die Musik wurde hoch gelobt. 2004 komponierte das Chamber Orchestra of Europe bei seiner eige- Simon Wills Die Brück am Tay, eine «Oper ohne nen Ouverture Fourscore. Diese Seite seines Orchester» für das Feldkirch Festival. In dieser Schaffens ist in letzter Zeit stetig gewachsen: theatralischen Version von Fontanes Gedicht Im letzten Jahr dirigierte er in Texas sein theatra- werden Sänger und Instrumentalsolisten hinter, lisches A Breach of the Peace. Er fühlt eine beson- über und zwischen den Zuhörern verteilt. Es war dere Nähe zu Schostakowitsch, Haydn und Kurt beim Publikum und bei der Kritik ein Erfolg, was Weill, und seine beängstigenden Fähigkeiten

22 23 YOU SHOULD LIMIT THE NUMBER OF TIMES YOU ACT AGAINST YOUR NATURE. LIKE SLEEPING WITH PEOPLE YOU HATE. IT‘S INTERESTING TO TEST YOUR CAPABILITIES FOR A WHIILE BUT TOO MUCH WILL CAUSE DAMAGE. Jenny Holzer

24 25 als Orchesterleiter sorgen immer wieder für Deutschen Grammophon Gesellschaft benötigt Kommentare. Er hat eine ganze Reihe von wurden. Abbado leitete das Chamber Orchestra Ensembles in Großbritannien, Europa und den of Europe und der Film gewann einen Emmy. USA geleitet, z. B. im November 2005 das Zyprische In diesem Jahr hat Simon Wills bereits ein Staatsorchester auf Malta bei einem für ihn typi- Hornkonzert für Tim Jones (London Symphony schen, gemischten Programm (Haydn, Copland, Orchestra) fertiggestellt, erhielt von der Holst Zelenka und C.P.E. Bach). Foundation einen Auftrag für ein Streichsextett Simon Wills plante ursprünglich eine Karriere als und wird ein Gesangszyklus für Sopran und Lautenist, kehrte jedoch nach einer schweren Orchester beginnen: Songs of Meeting and Handverletzung zur Posaune zurück und begann Farewell. Für den Sommer hofft er, die Arbeit zu komponieren. Da er einsah, dass ein guter an seiner dritten Symphonie aufnehmen zu Komponist vor allem ein praktischer Musiker können – und vielleicht ein bisschen auszuruhen. sein muss, vermied er eine akademische Ausbil- dung. Er studierte Wirtschaftsgeschichte und lernte sein Musikhandwerk von innen, viele Jahre Katrin Hiller wurde in der Nähe von Hannover als erster Posaunist in führenden Orchestern, geboren. Sie studierte Soziologie und Germanis- z. B. am Teatro Massimo in Palermo und beim tik in Hamburg, 1995–1999 Regie an der Folk- London Symphony Orchestra. Während dieser wang-Hochschule in Essen. In dieser Zeit insze- Zeit arbeitete er eng mit Leonard Bernstein, nierte sie u. a. Das kunstseidene Mädchen von Georg Solti, Claudio Abbado, Seiji Ozawa und Irmgard Keun und Was ihr wollt von William eigentlich jedem bedeutenden Dirigenten Shakespeare. Im Musiktheater arbeitete sie mit zusammen. Dies führte auch zu Kontakten mit den Regisseuren Nicholas Broadhurst und Brian vielen zeitgenössischen Komponisten: u. a. Harrison Michaels zusammen, u. a. bei den Schlossfest- Birtwistle, John Adams, Peter Eötvös, George spielen Schwetzingen, und inszenierte sowohl Benjamin und Gyorgy Ligeti. 1985 wurde er von Liedprogramme als auch Niccolo Piccinnis Peter Maxwell Davies in dessen Ensemble «The La Pescatrice, Frau Luna von Paul Lincke und Fires of London» eingeladen. Von 1992 bis 1997 Brundibár von Hans Krasá in Mühlheim/Ruhr. war er erster Posaunist des Chamber Orchestra of 1996 erhielt sie den Folkwang-Preis für darstel- Europe. Claudio Abbado ermunterte ihn bei sei- lende Kunst. In der Folge assistierte Katrin Hiller ner Kompositionsarbeit und fragte ihn, ob er nicht am Burgtheater Wien bei Andrea Breth, Sven-Eric eine Orchesterversion von einigen Prokofiew- Bechtolf, Karin Beier und Declan Donellan und Stücken machen können, die für einen Film der inszenierte dort 2000 Gier von Sarah Kane im

24 25 SOME DAYS YOU WAKE AND IMMEDIATELY START TO WORRY. NOTHING IN PARTICULAR IS WRONG, IT‘S JUST THE SUSPICION THAT FORCES ARE ALIGNING QUIETLY AND THERE WILL BE TROUBLE. Jenny Holzer

26 27 Vestibül. Seitdem ist sie regelmäßig auch als schule in Stockholm. Erste Auftritte erfolgten am Produktionsleiterin tätig, u. a. bei den Salzburger dortigen Opernstudio als Dr. Blind, Alidoro und Festspielen, arbeitete als Co-Regisseurin mit Dancairo. Am Königlichen Hoftheater sang er Dimiter Gottscheff zusammen (Salome von Oscar 1989 den Leporello in Don Giovanni und Moralès Wilde, Burgtheater 2004), und nahm zweimal als in Carmen. Ferner gastierte er in der Titelpartie Regisseurin an den Autorenwerkstatttagen am von Mozarts Schauspieldirektor, als Papageno, Burgtheater Wien teil. 2005 folgten die Inszenie- Leporello und als Figaro am Confidencen in rung von Der Menschenfeind von Molière im Stockholm sowie in der Titelrolle von Salieris Theater im Palais in Graz sowie die Projektarbeit Falstaff am Drottningholmer Hoftheater. Lieber 99 falsche Tode als zwei Stunden falsches Er gastiert regelmäßig in Stockholm und anderen Leben am Theater Neumarkt in Zürich, zuletzt skandinavischen Opernhäusern sowie an ver- inszenierte Katrin Hiller Das Geheimnis der Irma schiedenen Theatern in Deutschland. Als Kon- Vep von Charles Ludlam am Volkstheater Wien. zertsänger widmet er sich besonders Werken schwedischer Komponisten, hat aber auch die Zyklen von Franz Schubert, Robert Schumann, Irfan Önürmen zählt zu den interessantesten Johannes Brahms, Hugo Wolf und Gustav Mahler türkischen Künstlern der jüngeren Generation. mit großem Erfolg aufgeführt. 1958 in Bursa geboren, studierte er Malerei an der Mimar Sinan Universität in Nese. Seit 1985 stellt er in Istanbul, Ankara sowie in Frankfurt, Barbara Ostertag wurde in Freiburg im Breisgau München und Wien aus. Seine oft schemenhaf- geboren. Dort studierte sie zunächst Musik- ten, an die Malerei von Francis Bacon erinnern- wissenschaft und anschließend Gesang. den Bilder greifen häufig Alltagsthemen seiner Dabei wurde sie unter anderem von Heidemarie Umwelt auf. In letzter Zeit beschäftigte er sich Tiemann und Gerd Heinz betreut. Sie wirkte bei unter Einbeziehung textiler Werkstoffe verstärkt vielen Lied- und Opernproduktionen mit und war mit Rauminstallationen. Irfan Önürmen lebt und bereits während ihrer Ausbildung als Gast am arbeitet in Istanbul. Freiburger Theater tätig. Meisterkurse bei Kurt Moll, Anna Reynolds und Eugen Rabine runden ihre Ausbildung ab. Ihre sängerische Tätigkeit Peter Kajlinger war von 1999 bis 2002 Ensemble- umfasst gleichermaßen die Bereiche Oper, mitglied der Staatsoper Stuttgart. Seine Aus- Oratorium und Lied. 2002 war sie in der Schau- bildung erhielt er an der Königlichen Opern- spielproduktion Doktor Faustus am Freiburger

26 27 WHEN YOU EXPECT FAIR PLAY YOU CREATE AN INFECTIOUS BUBBLE OF MADNESS AROUND YOU Jenny Holzer

28 29 Theater zu sehen. 2003⁄04 wirkte sie bei den viel- Alter Musik reizt ihn auch besonders die Inter- beachteten Produktionen King Arthur und Meta- pretation von Literatur, die für einen Counter- morphosen der Melancholie unter der Leitung von tenor eher ungewöhnlich ist. So sang er u. a. Thomas Hengelbrock als Solistin mit. Im Bereich Schuberts Schöne Müllerin und Winterreise, den Oratorium gilt ihre Aufmerksamkeit besonders Krämerspiegel von R. Strauss, Mozarts Requiem, den Werken des Barock und der Klassik. Darüber L. Bernsteins Chichester Psalms oder die Three hinaus hat sie sich aber auch als Interpretin der Latin Prayers von G. Scelsi. Opernproduktionen Neuen Musik bekannt gemacht und u. a. mit dem unter Regisseuren wie Ph. Arlaud, N. Brieger, Dirigenten Walter Nußbaum und verschiedenen N. Broadhurst, B. Fassbaender, A. Freyer und Komponisten direkt zusammengearbeitet. H. Kupfer führten ihn an die Berliner Staatsoper, zu den Bregenzer Festspielen, ans Essener Aalto- Theater, die Oper Frankfurt, zu den Händel-Fest- Der gebürtige Spanier Rafael Vazquez studierte spielen in Halle, den Innsbrucker Festwochen, erst Rechtswissenschaft und arbeitete als den Schwetzinger Festspielen sowie an die Anwalt, bevor er sich der Musik widmete – er Wiener Staatsoper und Volksoper. Mit großer studierte Gesang in Spanien und Italien sowie an Leidenschaft verkörperte er u. a. den Fjodor in der Guildhall School of Music in London u. a. Mussorgskys Boris Godunow, den Oberon in bei Susan McCulloch, Graham Clark und Jose B. Brittens A Midsummer Night’s Dream, den Jimenez, bevor er 2005 am Studio der Flämischen Tolomeo in Händels Giulio Cesare und die Sorcer- Oper in Gent aufgenommen wurde. Er sang bis- ess in Purcells Dido and Aeneas. Seine musikali- her in Produktionen der Guildhall School, sowie schen Partner waren das Amsterdam Baroque in Newcastle, im South Bank Centre sowie an der Orchestra, Ton Koopman, René Clemencic, Royal Opera Covent Garden. Cantus Cölln, Diego Fasolis, das Freiburger Barockorchester, Thomas Hengelbrock, René Jacobs, The King’s Consort, Bernhard Kontarsky, Der Altist Bernhard Landauer ist gebürtiger Inns- Oni Wytars, Erwin Ortner, das Ensemble Unicorn brucker und lebt in Salzburg. Nach ersten Kon- und Dominique Visse mit dem Ensemble zert- und Bühnenerfahrungen als Sopransolist «Clément Janequin». Seit 1998 unterrichtet der Wiltener Sängerknaben (Innsbruck) studierte Bernhard Landauer an der Abteilung für Alte er an der Wiener Musikhochschule Gesang bei Musik des Konservatoriums der Stadt Wien. Helene Karusso und und bei Karl- Heinz Jarius in Frankfurt. Neben der Aufführung

28 29 BODIES LIE IN THE BRIGHT GRASS AND SOME ARE MURDERED AND SOME ARE PICKNICKING. Jenny Holzer

30 31 Yehuda Almagor wurde 1959 in Haifa geboren ihre Kenntnisse der «African Drums» zu erwei- und lebt heute in Arnsberg. Er studierte Schau- tern. Sie spielte in London in vielen verschiede- spiel und Theater an der Universität in Tel Aviv nen Kammermusikgruppen (z. B. Capricorn, und war an den renommierten Theatern Khan in Endymion, Matrix Ensemble) wie auch in der Jerusalem und Cameri in Tel Aviv engagiert. westafrikanischen Band «Dunni» und dem Cham- Außerdem war er als Dozent für Schauspiel an ber Orchestra of Europe. Sie war Konzertmeiste- der School For Visual Theatre in Jerusalem tätig, rin bei einer Gesamtaufnahme von Griegs Wer- die neben traditionellem Schauspiel besondere ken für Streichorchester, und 1993 nahm sie Neil Schwerpunkte auf Bühnenbild, Tanz und Bewe- Gardners October für Violine und Orchester auf. gung, Arbeit mit Figuren und Masken sowie 1994 kam sie nach Wien, um bei Boris Kuschnir alternative Theaterformen legt. Seit Anfang Violine zu studieren. Sie trat unter anderem mit der neunziger Jahre lebt und arbeitet Yehuda dem Wiener Kammerorchester und der Camerata Almagor in Israel und Deutschland, wo er 1991 Academia Salzburg auf und war Konzertmeiste- gemeinsam mit Ulla Almagor das Teatron rin bei der «Reihe», dem Ensemble des 20. Jahr- Theater in Arnsberg gründete, das bei Festivals hunderts, und dem Ensemble Modern in Frank- in Europa und den USA gastiert und Veranstalter furt. Im Mai 2003 wirkte sie als Konzertmeisterin des «Festivals der leisen Töne» ist. Mit der in der Oper Massacre von Wolfgang Mitterer bei Produktion Der Zwerg, wurde Almagor zu zahlrei- den Wiener Festwochen mit. Sie ist Teil des chen internationalen Festivals eingeladen. Streichtrios Triology, mit welchem sie die CDs Seine Arbeit umfasst Arbeiten u. a. für das Festi- Triology plays Ennio Morricone, Who Killed the val «Theaterformen», die Expo in Hannover und Viola Player? und Around the World in 77 minutes das Schauspielhaus Wien. einspielte. Zudem nahm sie That’s All Daisy Needs mit Wolfgang Muthspiel auf. Mit Triology spielte sie Tourneen auf der ganzen Welt, und zuletzt Daisy Jopling wurde in England geboren. Im arrangierte sie Hans Zimmers Filmscore für Jim Alter von 14 Jahren spielte sie ihr Konzertdebüt Brooks Film Spanglish und spielte ihn in Holly- in der Royal Albert Hall in London. Sie studierte wood ein. Im Mai 2005 gab Triology ein Konzert am Royal College of Music bei Itzhak Rashkovsky gemeinsam mit Bobby Mc Ferrin in Mexico. Sie und an der Guildhall School of Music and Drama schrieb die Musik für die Dokumentation Wien, bei David Takeno. In Transsilvanien arbeitete sie Gesicht einer Stadt; sie ist eine gefragte Solistin mit traditionellen ungarischen Volksmusikgeigern, bei diversen Filmmusikaufnahmen, und 2001 und in Ghana verbrachte sie drei Monate, um hatte sie einen Soloauftritt mit eigenen Werken

30 31 THE BEGINNING OF THE WAR WILL BE SECRET. Jenny Holzer

32 bei der Eröffnung des Wiener Stadtfestes sowie Wyn Davies an der Scottish Opera und arbeitete beim Donau-Festival. 2005 spielte sie im Duett mit Andre Previn bei A Streetcar Named Desire mit Omara Portuondo bei der Eröffnung der zusammen. Er ist musikalischer Leiter der Stanley Wiener Festwochen. Hall Opera, an der er Cosi fan tutte, Figaro, Don Pasquale, Falstaff sowie die erste professionelle Produktion in englischer Sprache von Rossinis Die Bratschistin Daniela Ivanova studierte in Sofia früher komischer Oper La Pietra del Paragone an der Musikakademie «Pantscho Vladigerov» dirigierte. Zudem gründete er die innovative und ging aus zahlreichen Musikwettbewerben Company Tête à Tête, die Die Fledermaus auf die als Preisträgerin hervor. 1999 begann sie ihr Bühne brachte und Vivaldis verloren geglaubter Studium an der Wiener Universität für Musik und Oper Orlando finto pazzo, deren Manuskript Bill ist seither bei renommierten Veranstaltungen Bankes-Jones in Turin gefunden hat, zur moder- als Solistin, Orchestermusikerin und Kammer- nen Weltpremiere verhalf. Unter seinen Plänen musikerin aufgetreten. für die Zukunft sind weitere Aufnahmen mit dem English Chamber Orchestra und Aufführungen von L´Italiana in algeri und vom Rosenkavalier an Nach seinem Abschluss im Fach Musik an der der Stanley Hall Opera. Cambridge University studierte Orlando Jopling bei Sir Colin Davis und George Hurst am RAM und bei Diego Masson in Dartington. Bei William Katy Gainham studierte bei Kathryn Lukas and Pleeth und Steven Isserlis wimete er sich geziel- Edward Beckett and der Guildhall School of Music ter dem Cellostudium. Seine Karriere führte ihn & Drama, gewann den Laurie Kennedy Memorial als Cellisten zum London Symphony Orchestra, Prize und den Philip Jones Woodwind Prize. Nach dem Orchestra of the Age of Enlightenment und ihrem Abschluss war sie «Countess of Munster»- mehereren Ensembles in Wien und Schweden. Stipendiatin und viele Jahre Mitglied von Live Am National Opera Studio gewann er das erste Music. Sie unternahm mehrere Reisen nach Süd- Leonard Hancock Scholarship und stand seitdem afrika und gab dort Workshops in Townships und am Pult verschiedener Ensembles: English Cham- in Schulen auf dem Land. Diese Arbeit beschreibt ber Orchestra, London Mozart Players. Er dirigier- sie in ihrem Kapitel in dem Buch «The Reflective te Figaro für die Savoy Opera, The Merry Widow Conservatoire» (Ashgate, 2005). für die Carl Rosa Company und La Scala di Seta Sie arbeitete außerdem in pädagogischen Projek- für die Independent Opera. Er war Assistent von ten für das Royal Opera House, ENO Baylis und

32 33 THE BREAKDOWN COMES WHEN YOU STOP CONTROLLING YOURSELF AND WANT THE RELEASE OF A BLOOBATH. Jenny Holzer

35 die English Touring Opera, sowohl in Großbritan- Contemporary Music in Baku (Azerbaijan), nien als auch in Italien. Sie veröffentlichte Fach- Jerusalem’s Classical Winter und gab zwei artikel über Atmung und Flötenspiel. Ihre Begeis- Konzert in New York. Als Mitglied des European terung für das Thema war so groß, dass sie dafür Wind Octet tourte er durch Europa. Er ist begeis- den Kilimandscharo bestiegt und höhenkrank terter Anhänger zeitgenössischer Musik und wurde. Sie hat einen Masterabschluss in Musiker- arbeitete mit einigen der darin führenden ziehung und Internationaler Entwicklung und Ensembles zusammen: Lontano, Okeanos, unterrichtet nun auch selbst. Sie gab Soloabende Chroma, New Music Players, Uroboros Ensemble in Großbritannien, Estland, Italien und Südafrika und Vallaeys Ensemble. Peter Furniss spielte eine sowie Konzerte mit dem Feinstein Ensemble. CD mit Kammermusik von Mendelssohn ein Auf Aufnahmen spielt sie u. a. den Altflötenpart (gemeinsam mit Dimitri Ashkenazy und Karl in Taverners Mary of Egypt bei der Aldeburgh Andreas Kolly), eine CD mit amerikanischer Musik Festival Opera. Sie ist Mitglied der English gemeinsam mit David Leiher Jones, u. a. mit Touring Opera seit 1995 und spielt in vielen Weltersteinspielungen von Werken von Richard Ensembles für zeitgenössische Musik und Kam- Dudas und Michael Kaulkin und Stücken von mermusik wie dem Composers’ Ensemble, Bernstein, James Cohn, Victor Babin and Robert Lontano, Almeida Opera, Music Projects London, Muczynski. Er ist Mitglied von Impropera, «der Birmingham Contemporary Music Group, Jane’s Welt einziger (und also auch bester) improvisie- Minstrels und der Premiere Crew, sowie in füh- render Operntruppe», die bereits komplett spon- renden Orchestern wie dem City of Birmingham tane Opernaufführungen bei Festivals in ganz Symphony Orchestra, Royal Philharmonic Orches- Europa und bei den World Impro Games in tra, Birmingham Royal Ballet und dem Orchestra Helsinki gegeben hat. Peter Furniss lehrt seit 15 of the Age of Enlightenment und unzähligen Jahren und ist zunehmend eingebunden als Kom- weiteren. ponist und Dirigent in einer Reihe innovativer Projekte. 2005 leitete er eine Aufführung seiner Farmyard Suite in der Norwich Cathedral mit Als Solist und Kammermusiker trat Peter Furniss dem DaCapo Chamber Orchestra and 720 Schul- in Großbritannien, Europa und Israel auf, u. a. kindern aus Norfolk. Er spielt regelmäßig als Gast mit Soloabenden in der Bridgewater Hall in Man- bei britischen Orchestern, u. a. bei der BBC Sym- chester und in Londons Purcell Room im Rahmen phony, dem Scottish Chamber Orchestra und der Park Lane Group Series. Er spielte bei vielen dem Royal Philharmonic Orchestra, aber auch Festivals, z. B. Vale of Glamorgan, 1st Festival of in vielen Ensembles für Kammermusik und zeit-

35 IF YOU HAD BEHAVED NICELY THE COMMUNISTS WOULDN‘T EXIST. Jenny Holzer

36 37 genössische Musik und natürlich auch mit sei- sowie die Fantasy Sonata von Arnold Bax , nem eigenen Vallaeys Ensemble. Er nahm teil an Kammermusik von Villa-Lobos und das komplette vielen Uraufführungen, u. a. mit Solowerken von Sonatenwerk für Violine und Harfe von Louis Richard Dudas, Michael Kaulkin und Raul Roth- Spohr. Er komponierte zudem eine Show für blatt (Version für Soloklarinette des Trios für Kinder, basierend auf Hans Christian Andersens Cello, Socken und Unterwäsche), sowie Werken Schneekönigin. von Robin Holloway, Thomas Ades, Mark-Anthony Turnage, Elliott Carter, John Adams, Magnus Lindberg, Peter Eötvös, Simon Bainbridge, Wolfgang Lindner erfuhr seine musikalische Aus- Peter Maxwell Davies, Diana Burrell, Paul Clark bildung am Mozarteum in Salzburg und an der und anderen. Musikhochschule in München (mit Meisterklas- sendiplom bei Prof. Karl Peinkofer). Zusätzlich studierte er Komposition bei Wilhelm Killmayer Hugh Webb ist erster Harfenist des Philharmonia und Herbert Willi. Er spielte an der Staatsoper Orchestra und gastierte in dieser Funktion auch München, im Symphonieorchester des Bayeri- in allen führenden britschen Symphonieorches- schen Rundfunks, im Staatsorchester St. Gallen, tern, sowohl bei Konzerten als auch bei Einspie- im Symphonieorchester Vorarlberg, war Pauker lungen. im Kammerorchester Arpeggione und zehn Jahre Er arbeitet sehr viel im Bereich der zeitgenössi- Mitglied des «österreichischen Ensembles für schen Musik; Komponisten wie Javier Alvarez, neue Musik». Er betätigt sich als Jazzvibraphonist Robert Keeley, Paul Archbold und Ian Dearden und in vielen kammermusikalischen Ensembles, haben Solowerke für ihn geschrieben, u. a. mit nahm Teil an CD-Einspielungen und zahlreichen Unterstützung des Arts Council. Er spielte mit Tourneen im In- und Ausland, war 1. Preisträger Ensembles wie: Lontano, Music Projects London, beim ORF Salzburg für Interpretation neuer Avanti, Endymion Ensemble, Critical Band, Lon- Musik und Gründer von «VorAllPercussion». don Sinfonietta, Matrix und The Composers’ Zur Zeit unterichtet er am Vorarlberger Landes- Ensemble. Soloabende gab er beim Huddersfield konservatorium und ist vor allem als Komponist Festival, beim Glasgow Computer Music Festival, tätig. Zu seine Werken gehören: Beziehungswesen beim Almeida Festival and an vielen Hochschulen für Saxophon und Klavier, 5 Annäherungen für und Universitäten. Jüngste Einspielungen umfas- Klavier Solo, 3 Lieder (Einwärts geworfen) nach sen das Konzert für Flöte, Oboe und Harfe (mit Texten von Josef Hofman und ein Konzert für dem Academy of St. Martin’s Chamber Ensemble) Vibraphon und Streichorchester.

36 37 Textauszüge

Rainald Goetz: Festung, Katarakt, Frankfurt a. M. 1993.

Chinesische Legende aus dem Film Die Weis- sagung (Life on a string), China, BRD, GB 1991, zitiert nach: Michael Lukas Moeller: Der Krieg, die Lust, der Frieden, die Macht, Reinbek bei Hamburg 1992.

Jenny Holzer: Texte aus dem Katalog Jenny Holzer, Kuratorin Diane Waidman, New York 1989.

Durs Grünbein: Grausamer Selbstmord aus: Die teuren Toten, 33 Epitaphe, Frankfurt a. M. 1994. – Schädelbasislektion 1 aus: Von der üblen Seite, Gedichte 1985–1991, Frankfurt a. M. 1994. – Trio für ein distanziertes Auge / III. Meditation aus: Nach den Satiren, Frankfurt a. M. 1999.

Heiner Müller: Hamletmaschine/Ophelia aus: Theater heute, Dezember 1977.

William Shakespeare: Richard III., aus dem Englischen von Thomas Brasch, Frankfurt 1986.

38 39 Wir danken ...

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���������������� ����������� ������������������������������� ����������������������������������� ������ ��������������������� ������������� ������� ��������� ��� ��������� ������ ������������������ �������������� ����������� ��������������� ������� �������� ��� ���������� ������ ������������������

���������������� ��������������������� � ���������������� � �������������� ������������������������������������������������� ������������� ��� �� �������������� ��� �� ���������������������������������������������� �������������������������������������������� 3 Orchesterkonzert I: Anfang und Ende 25. Mai 2006 | 19.00 Uhr Montforthaus

Wolgang Amadeus Mozart Sinfonie C-Dur «Jupiter» KV 551 Martin Fröst Klarinette (1756–1791) Allegro vivace Feldkirch-Festival-Orchester Andante cantabile Trevor Pinnock Leitung Sinfonie Es-Dur KV 16 Menuetto: Allegretto – Trio Molto Allegro Molto allegro Andante Presto Einführung Klarinettenkonzert A-Dur KV 622 Trevor Pinnock und Martin Fröst im Allegro Gespräch mit Thomas Hengelbrock Adagio Montforthaus, Graf-Rudolf-Saal Rondeau: Allegro 18.00 Uhr

– Pause –

3 Feldkirch-Festival-Orchester

Violine 1 Violoncello Trompete Gernot Süßmuth* Reinhard Latzko* Paolo Bacchin Gregor Dierck Maria Grün Christian Gruber Philip Goody Davit Melkonian Elfa Rún Kristinsdottir David Pennetzdorfer Pauke Anna Melkonian Michael Peternek Wolfgang Lindner Petra Schwieger Lotta Suvanto Kontrabass Monika Tarcsay Francisco Obieta* * Stimmführer Markus Ess Violine 2 Stefan Preyer Monika Nußbächer* Walter Singer Johannes Fleischmann Christina Gallati Flöte Katarina Giegling Karlheinz Schütz Sarah Marie Immer Christine Brandauer Christina Oberhuber Veronika Spalt Oboe Angelika Treml Thomas Höniger Wolfgang Plank Viola Wolfgang Rings* Fagott Peter Andritsch Allen Smith Katharina Hage Bernd Krabatsch Sonja Schindele Dorle Sommer Horn Friedemann Wollheim Franz Draxinger Manchev Veselin

4 5 Anfang und Ende oder: Vom Wunderkind zum Spätwerkmythos

Mozart hätte sich wohl nicht als Komponist von Sinfonien bezeichnet. Er verstand sich in erster Linie als Vertreter der Oper als der Gattung mit dem höchsten Prestige. Daneben kannte man Mozart in Wien vor allem als Klaviervirtuosen und Solisten seiner eigenen Klavierkonzerte, außerdem als Komponisten von gedruckt vor- liegender Kammermusik. Von seinen Sinfonien gingen zu Lebzeiten nur drei in Druck; dabei hatte Mozart schon als 17-Jähriger nicht weniger als 30 Exemplare dieser Gattung vorzuweisen: Stücke, von denen man weder einen hohen ästhetischen Anspruch noch formale Einzigartig- keit erwartete, sondern vor allem gepflegte Unterhaltung – und dass sie bei der «Plauderey» nicht störten. Mozart hat dieses bescheidene Soll stets übererfüllt. Den Erwartungen von Auftraggebern und Publikum zu entsprechen, genügte ihm nicht; nach Möglichkeit wollte er sie übertreffen. Seine Produktion richtete sich nach der Auftragslage bzw. dem jeweiligen Tagesbedarf, und so entstanden seine Sinfonien oft als Gelegenheitswerke – aber im besten Sinn des Wortes.

Eine erste Gelegenheit ergab sich in London, wo Leopold Mozart 1764 mit seinen Wunderkindern Marianne («Nannerl») und Wolfgang auf ihrer Jean Baptiste Delafosse: Leopold Mozart mit Tochter und Sohn in Paris (1763) dreieinhalbjährigen Europareise Station machte.

4 5 Für das Reisegeld und den Lebensunterhalt Aus dieser ersten bekannten Orchesterpartitur sorgten die Auftritte der musizierenden Kinder, Mozarts lässt sich ersehen, wie unfassbar viel die u. a. mit verbundenen Augen oder auf mit der gerade achtjährige Wolfgang bereits gelernt Tüchern verdeckten Tasten spielten. Im Sommer hatte. Zwar muten die einzelnen Sätze mit ihren 1764 aber wurde Leopold Mozart krank, und zwar zahlreichen Wiederholungen und locker gereihten «auf den Tod», wie sich Nannerl später erinnerte. Einzelgliedern ein wenig wie ein Puzzle an, Für vier Wochen musste der Rummel um die und die Architektur wirkt manchmal wie aus Kinder ruhen; jegliches Klavierspiel war streng dem Baukasten; doch das Gesamtbild überzeugt, untersagt. Wolfgang vertrieb sich die Zeit daher und das Gebäude hält. Wenn auch noch kein mit Komponieren. Das Ergebnis war die Sinfonie Geniestreich, so ist diese Sinfonie doch ein Es-Dur KV 16, allerdings nicht «mit allen Instru- effektvolles Schaustück, das durchaus souverän menten, Trompeten und Pauken» – hier hat sich wirkt – übrigens ganz im Gegensatz zum zuge- Nannerl im Rückblick wohl getäuscht, denn vor hörigen Manuskript. An ihm ist zweifelsfrei ab- dem Klang der Trompete sollte sich ihr kleiner zulesen, dass Wolfgang noch nicht allzu geübt Bruder noch einige Jahre sehr fürchten. im Umgang mit Tinte und Gänsekiel gewesen Besetzung und Umfang der Sinfonie entsprechen sein kann. Leopold hat nachträglich einige vielmehr den Londoner Gepflogenheiten; in den Korrekturen angebracht; über die Schulter drei Sätzen wirken neben Streichern nur Oboen geschaut hat er seinem Sohn beim Komponieren und Hörner mit. «Ermahne mich, daß ich dem aber sicherlich nicht – sonst hätte er ihm wohl als Waldhorn etwas zu thun gebe», soll Wolfgang erstes eine ordentlich zugeschnittene Feder in zu seiner Schwester gesagt haben. Man hat die Hand gedrückt. diese Äußerung mit dem langsamen Mittelsatz in Verbindung gebracht, wo nach einigen Takten im Horn das aus dem Finale der Jupiter-Sinfonie bekannte Vierton-Motiv erscheint; doch dazu später.

Jupiter-Sinfonie, Beginn des Hauptthemas (T. 1ff., Vl. I)

6 7 Eine Seite aus der Sinfonie Es-Dur KV 16 (Andante)

6 7 Wie Mozarts Manuskript zum Klarinetten- Europatournee zu verschwinden. Mozarts Frau konzert A-Dur KV 622 aussah, wissen wir Constanze, anderthalb Monate später bereits nicht; dass es verschollen ist, hat – wie Witwe, hat weder Geld noch Autograph jemals so vieles an diesem Konzert – mit dem wiedergesehen; letzteres hat der Virtuose ver- Klarinettisten Anton Stadler zu tun. mutlich unterwegs verpfänden müssen. Vermutlich hat Stadler das Stück bei Mozart in Auftrag gegeben, wenn Andererseits hätte es ohne Anton Stadler dieses es nicht gar ein Freundschafts- Konzert überhaupt nicht gegeben (ebenso wie dienst seines Logen- und die zahlreichen anderen Werke und Partien für Kegelbruders war. Lukrativ Klarinette oder Bassetthorn aus Mozarts Wiener war das Werk für Mozart Zeit). Mozarts Solokompositionen waren stets jedenfalls nicht; vielmehr von der Vorstellung konkreter Interpreten und scheint ihm durch Stadler ihrer Instrumente inspiriert, ja geradezu auf sogar finanzieller Schaden diese zugeschnitten «wie ein gutgemachts kleid». entstanden zu sein: Zur Und Stadlers Klarinette war ein sehr spezielles Prager Uraufführung am Modell: Unten verfügte es über ein zusätzliches, 16. Oktober 1791 fuhr nach vorne abgewinkeltes Rohrstück, wodurch der Solist mit von sich der Tonumfang in der Tiefe um eine Terz Mozart geliehenem erweitern ließ. Dieses Zwischending von Klari- Reisegeld (er stand bei nette und Bassetthorn – heute «Bassettklarinet- ihm ohnehin schon te» genannt – erwies sich allerdings bald als hoch in der Kreide), Sackgasse in der rasanten Entwicklung dieser um anschließend Instrumentenfamilie. Bereits in den frühesten mit dem Konzert Drucken des Mozart-Konzerts (ca. 1801) ist die auf eine mehr- Solostimme stets für normale A-Klarinette jährige umgearbeitet; wie sie im Original ausgesehen hat, kann man zwar an einigen Stellen erschlie- Bassettklarinette in A ßen, oft aber nur vermuten – Gewissheit wird es von Rudolf Tutz, erst geben, wenn das Autograph wieder auf- versuchte Rekonstruktion von Stadlers Instrument taucht.

8 9 Um noch ausgiebiger mit dem Wechsel zwischen der in Trugschlüssen und Pausen ausläuft, den so unterschiedlichen Klangfarben der bevor im Schlussakkord die Klarinette alleine Klarinette spielen zu können, machte Mozart übrigbleibt. natürlich von den zusätzlichen tiefen Tönen des sogenannten Chalumeau-Registers Gebrauch; Kompositorische Zurücknahme, charakterliche die schrille oberste Oktave des Clarin-Registers Einheitlichkeit und die auch in einen sehr («Clarinette» = «kleine, hohe Trompete») hat er fröhlichen Ländler eingestreuten Moll-Episoden dagegen weitgehend vermieden. So manche werden gern mit dem einerseits abgeklärten, Sprünge müssen wegen der fehlenden Töne auf andererseits wehmütigen Stil eines «Spätwerks» der A-Klarinette eine Oktave kleiner ausfallen, identifiziert, zumal es sich ja tatsächlich um ganze Phrasen mitunter eine Oktave höher eines der letzten Werke Mozarts handelt. gespielt werden. Nahezu unverändert erhalten Dabei geht es Mozart im Klarinettenkonzert um bleibt hingegen der intime, warme Charakter vor nichts anders als die optimale Präsentationsform allem der mittleren Lage. Dem Musikschriftsteller für das gewählte Instrument (denn darum ging und Mozart-Zeitgenossen C. F. D. Schubart es ihm im Konzert letztlich immer). An seine erschien ihr süßer Klang als Ausdruck «in Liebe Frau schreibt er, das Schlussrondo habe er bei zerflossenen Gefühls – so ganz der Ton des «schwarzem koffé» und «einer herrlichen Pfeiffe empfindsamen Herzens». Vor allem der kantable toback» instrumentiert; für den gerade 35-Jähri- Mittelsatz des Klarinettenkonzerts ist ganz gen dürfte wohl nichts ferner gelegen haben als von diesem speziellen Timbre geprägt. (Und die Vermutung, er werde ein paar Wochen später zielsicher verwässert heute die Werbeindustrie einem «hitzigen Frieselfieber» erliegen. seine emotionale Tiefe – u. a. für Bierreklame.)

Auch sonst setzt Mozart immer wieder auf kammermusikalische Intimität, und durchweg verlangt er eine eher verhaltene Virtuosität, keine Tour de force. Eine ausgedehnte Solo- kadenz ist nicht vorgesehen, trotz zahlreicher Fermaten in allen Sätzen – sie bilden immer wieder Punkte der Ruhe, manchmal auch der Ratlosigkeit und Wehmut. Exemplarisch hierfür kann wiederum der langsame Satz gelten,

8 9 Zwei Seiten (August 1788) aus Mozarts «Verzeichnüß aller meiner Werke»

10 11 Wie schon der Beiname «Jupiter» nahelegt, ist Joseph Haydns «Pariser Sinfonien» in zwei Dreier- auch die mythenumwittert, und in der Tat gibt gruppen erschienen, die ersten drei ebenfalls in Mozarts letzte Sinfonie einige Rätsel auf. Zusam- den Tonarten C-Dur, g-Moll und Es-Dur. Wollte men mit zwei Schwesterwerken (Es-Dur KV 543 Mozart den Werken seines hochgeschätzten und g-Moll KV 550) wurde sie im Sommer 1788 Freundes eine kreative Antwort entgegensetzen, komponiert, die ganze Trias innerhalb von nur so wie er schon 1785 mit seinen «Haydn-Quartet- acht Wochen – angesichts der Komplexität jeder ten» dem Vorbild gehuldigt und es zugleich zu einzelnen Sinfonie eine unglaubliche Leistung. überbieten versucht hatte? Das jedenfalls würde Um so merkwürdiger, dass weder ein äußerer den Kompendium-Charakter der drei Sinfonien Entstehungsanlass erkennbar noch eine Auffüh- erklären: Umgeben von einem Rahmen aus der rung zu Mozarts Lebzeiten nachzuweisen ist. langsamen Einleitung der Es-Dur-Sinfonie und Wurden diese Werke als persönlicher Abschluss der Coda der Jupiter-Sinfonie mit der berühmten mit der Gattung und unüberbietbarer Gipfel- Schlussfuge, entfaltet sich ein prächtiges Kalei- punkt konzipiert, als Kompositionen doskop von Charakteren und kompositorischen für eine reifere Nachwelt? Dieser romantischen Möglichkeiten – die Trias als Mozarts musikali- Legende vom verkannten Genie steht eine viel sche Visitenkarte. erforschte und doch nur ansatzweise rekonstru- ierte Wirklichkeit gegenüber. Die Ideenfülle allein der C-Dur-Sinfonie scheint unermesslich. Auch für subtile Scherze ist Mozart 1788 war Mozart aus dem Wiener Zentrum in die hier zu haben: In den ersten Satz etwa integriert Vorstadt umgezogen – um in Ruhe arbeiten zu er als überzähliges Thema eine kurz zuvor kom- können, aber auch aus Geldnot. Unter diesen ponierte Arienmelodie für eine Opera buffa (Text: Umständen wird er kaum gleich drei groß ange- «Ihr seid ein bisschen einfältig, mein lieber Pom- legte Werke ohne jede Aussicht auf Ertrag kom- peo») – und bestreitet mit ihr gleich die halbe poniert haben. In der g-Moll-Sinfonie hat Mozart Durchführung. nachträglich Klarinettenstimmen ergänzt; so etwas tut man nicht für die Schublade, wohl aber für ein bevorstehendes Konzert, bei dem befreundete Klarinettisten mitwirken. Vieles spricht zudem dafür, dass Mozart auf eine Druck- legung seiner Sinfonien beim Verleger Artaria Melodie aus Mozarts Bass-Arietta spekulierte. Dort waren ein halbes Jahr zuvor «Un bacio di mano» KV 541

10 11 Im dritten Satz lässt er die Bläser mit ihrem Solo- auftritt zu früh, nämlich schon im Menuettteil einsetzen; das eigentlich dafür vorgesehene Trio Jupiter-Sinfonie, Beginn des Hauptthemas (T. 1ff., Vl. I) wirkt daraufhin eher wie ein Echo, nimmt aber seinerseits wiederum im zweiten Teil das Haupt- motiv des Schlusssatzes vorweg.

Jupiter-Sinfonie, Fortführung des Hauptsatzes (T. 20ff., tutti) Mit diesen vier Anfangstönen des Finales zitiert Mozart nun nicht etwa seine erste Sinfonie; dass sie auch dort (und beileibe nicht nur dort) vor- kommen, ist nur ein Zufall – wenn auch ein schö-

Jupiter-Sinfonie, Überleitung zum Seitensatz (T. 56ff., Vl. I) ner. Stattdessen greift Mozart mit ihnen einen Cantus firmus aus dem «Gradus ad Parnassum» von Johann Joseph Fux auf, einer berühmten Kontrapunktlehre, mit der er auch seine Wiener Schüler unterrichtete. Folgerichtig präsentiert das Finale einen ganzen Katalog kontrapunkti- scher Techniken. Konzipiert ist es vom Ende her: Fünf Themen werden hier übereinander Jupiter-Sinfonie, Seitensatz mit Gegenstimme geschichtet und frei zwischen Ober- und Unter- (T. 74ff., Vl. I, Ob., Fg.) stimmen verschoben, ohne dass dabei Quintpar- allelen oder andere satztechnische Fehler passie- ren – ein Fugato im fünffachen Kontrapunkt.

Jupiter-Sinfonie, Ausschnitt aus der Coda (T. 388ff., Streicher)

12 13 Eine Seite aus der Sinfonie C-Dur KV 551 (Finale)

12 13 Aus diesem Material gewinnt Mozart dann auch die vorangehenden Teile eines regulären Sonaten- satzes, in dem es mitunter ebenso kontrapunk- tisch zugeht. Nie aber wirkt diese kleine «Kunst der Fuge» angestrengt, alles geht wie von selbst in einer Sphäre majestätischen Glanzes auf; insofern erscheint der später in London aufge- kommene Beiname «Jupiter» glücklich gewählt.

In der Rückschau sieht dies wie der krönende Abschluss eines sinfonischen Œuvres, wie ein unüberbietbarer kompositorischer Endpunkt aus – kaum auszudenken, wie Mozart danach noch weitere Sinfonien hätte schreiben können. Doch sicherlich wäre es bei nächster Gelegenheit dazu gekommen, zumal sich die Gattung gerade vom Stigma der Unterhaltungsmusik zu emanzi- pieren begann. Und Mozart hätte die Erwartun- gen wohl wieder übertroffen.

Christian Schaper

Mozart. Silberstiftzeichung von Johanna Dorothea Stock (1789)

14 15 Trevor Pinnock erhielt seinen ersten Musikunter- richt als Chorknabe an der Kathedrale von Canterbury. Von 1964-67 studierte er am Royal Collage of Music in London Orgel und Cembalo. Gemeinsam mit dem von ihm 1973 gegründeten und 30 Jahre lang von ihm geleiteten Ensemble The English Concert setzte er vor allem im Barock- und Klassikrepertoire neue Maßstäbe. Trevor Pinnock ist weltweit als führende Persön- lichkeit auf dem Gebiet der historischen Auf- führungspraxis bekannt. Darüber hinaus leitete er als Gastdirigent Orchester in der ganzen Welt, u. a. mehrfach die Deutsche Kammerphilharmo- nie Bremen und das Freiburger Barockorchester sowie das Gewandhaus Orchester Leipzig und die Wiener Philharmoniker. 1990 dirigierte er die New Yorker Classical Band und leitet seit 1991 das National Arts Centre Orchestra Ottawa. Neben den Werken der Alten Musik spielte er u. a. auch Musik von Manuel de Falla, Roberto Gerhard und Frank Martin ein. Die Times nannte Pinnock «the complete musician».

14 15 Der junge schwedische Klarinettist Martin Fröst hat im Sturm die internationale Musikszene erobert. Seit er 1997 den Nippon Music Award gewann, ist er als Solist mit bedeutenden Orches- tern (u. a. Philharmonia Orchestra, BBC Symphony Orchestra, Chamber Orchestra of Europe) und auf den renommiertesten Bühnen aufgetreten. Als Kammermusikpartner arbeitete er u. a. mit Bar- bara Hendricks, Leif Ove Andsnes, Lars Anders Tomter sowie Christian Tetzlaff zusammen. Beim Feldkirch Festival begeisterte er 2002 gemeinsam mit Tanja Tetzlaff in Messiaens Quatuor pour la Fin du Temps sowie 2004 in Debussys Première rapsodie. In vielen seiner Solokonzerte kombiniert er das klassische Repertoire mit zeitgenössischen Werken sowie choreographischen und mimi- schen Elementen. Frösts Vielseitigkeit inspirierte bereits mehrere zeitgenössische Komponisten, u. a. Karin Rehnqvistin und Krzysztof Penderecki, dessen neues Konzert für fünf Klarinetten er zur Uraufführung brachte. Für seine Leistung in der Oper Der Rattenfänger an der Hildesheimer Oper kürte die Zeitschrift «Opernwelt» Martin Fröst zum Interpreten des Jahres; 2003 wurde er zudem mit dem ersten Borletti-Buitoni Trust Award ausgezeichnet. Zwei seiner CD-Aufnah- men wurden für den Grammy nominiert. Begeisterte Aufnahme fanden seine jüngsten Einspielungen mit Werken von Schumann sowie Mozarts Klarinettenkonzert und -quintett.

16 17 Das Feldkirch-Festival-Orchester Konzertmeister ist in diesem Jahr Gernot Süß- Die jeweils an ihrem Instrument Besten zusam- muth, ehemaliges Mitglied des Petersen-Quar- menzuführen, herausragende Nachwuchskünst- tetts und nunmehr Konzertmeister der Staats- ler und Musiker, die eigene Konzerte beim kapelle Weimar und Professor an der dortigen Feldkirch Festival gestalten, mit Spitzenmusikern Musikhochschule; als Solocellist konnte der lang- aus Vorarlberg und renommierten Solisten und jährige Solocellist des SWR-Sinfonieorchesters Musikern aus führenden Orchestern Europas und jetzige Professor der Wiener Musikuniversi- zum gemeinsamen Musizieren zu bringen: tät Reinhard Latzko gewonnen werden. Neben Das war die Idee, die 2005 hinter der Gründung den Dozenten des Landeskonservatoriums Feld- des Feldkirch-Festival-Orchesters stand. Auf kirch Francisco Obieta, Allen Smith und Wolfgang Initiative von Thomas Hengelbrock bildete sich Lindner als drei führenden Vertretern Vorarlbergs so ein Klangkörper, der gleichzeitig zentrale spielen zudem mit: der Soloflötist der Wiener Anliegen des Feldkirch Festivals erfüllt: Dem Symphoniker, der Solooboist des Radio-Sympho- Festival ein eigenes Orchester zu geben, dem nieorchesters Wien, Musiker der Staatsoper Publikum dabei eine herausragende musikalische Berlin, des Symphonieorchesters des Bayerischen Qualität zu garantieren und vor allem Nach- Rundfunks, des Chamber Orchestra of Europe, wuchsförderung in ihrer schönsten Form – dem des Mahler Chamber Orchestra, der Bamberger aktiven Konzertieren – zu betreiben. Symphoniker, des Balthasar-Neumann-Ensembles und einiger führender Kammerorchester. Die jungen Künstler konnten auch international große Erfolge in Konzerten und Wettbewerben Der Kontinuität der Besetzung – ein Großteil der erzielen, sei es solistisch oder in Ensembles. Musiker war bereits im letzten Jahr dabei – steht Unter ihnen sind Studenten des Landeskonser- bewusst ein anregender Wechsel in der Leitung vatoriums für Vorarlberg, der Musikuniversität gegenüber: Für das erste Konzert 2005 konnte Wien, des Wiener Jeunesse Orchesters, des mit John Axelrod einer der führenden Vertreter Attersee Institutes, der Orchesterakademie der der Neuen Musik gewonnen werden; in diesem Münchner Philharmoniker und der Musikhoch- Jahr werden Trevor Pinnock, einer der ganz schule Freiburg. Im Feldkirch-Festival-Orchesters Großen der Alten Musik, und Thomas Hengel- treffen sie nun auf etablierte Profis, diese Jahr brock, der künstlerische Leiter des Festivals, vor allem aus Italien, Österreich und Deutsch- am Pult stehen. land.

16 17 Feldkirch-Festival-Orchester 2005

18 Wir danken ...

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Land Vorarlberg - Abteilung Kultur Sparkasse Feldkirch Feldkircher Anzeiger

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Herausgeber Quellen Feldkirch-Festival Die Texte sind Original- Feldkircher Werbe- und beiträge der Autoren. Tourismus Ges.m.b.H. Änderungen vorbehalten! Geschäftsführung: Michael Schetelich Festivalbüro: Palais Liechtenstein Redaktion Schlossergasse 8, A-6800 Feldkirch BIK: Jens Berger T +43 5522-82943, F +43 5522-83166 Gestaltung [email protected] Stecher id www.feldkirchfestival.at Druck Hämmerle Druck Feldkirch Festival 2007 Impressum

Himmel und Hölle Herausgeber Notenausgabe 7.–17. Juni Feldkirch-Festival Leihmaterial Bärenreiter Feldkircher Werbe- und Alkor-Edition Kassel Tourismus Ges.m.b.H. Quellen Geschäftsführung: Die Texte sind Original- Roland Loacker beiträge der Autoren. Redaktion Änderungen vorbehalten! Büro für Internationale Kulturprojekte: Jens Berger Festivalbüro: Palais Liechtenstein Gestaltung Schlossergasse 8, A-6800 Feldkirch Stecher id T +43 5522-82943, F +43 5522-83166 Druck [email protected] Hämmerle Druck www.feldkirchfestival.at Nachtmusik: Recital Festsaal Konservatorium 27.5.06 �����������������������������������������������������������������

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���������������� ��������������������� � ���������������� � �������������� ������������������������������������������������� ������������� ��� �� �������������� ��� �� ���������������������������������������������� �������������������������������������������� 3 Nachtmusik: Recital 27. Mai 2006 | 19.00 Uhr Festsaal Konservatorium

Wolfgang Amadeus Mozart Franz Schubert Trio Wanderer (1756–1791) (1797–1828) Jean-Marc Phillips-Varjabedian Violine Raphaël Pidoux Violoncello Trio in B-Dur KV 502 Klaviertrio in Es-Dur D 929 / op. 100 Vincent Coq Klavier Allegro Allegro Larghetto Andante con moto Allegretto Scherzando – Allegro moderato Allegro moderato Einführung Anna Mika Thierry Escaich Vortragssaal im Konservatorium (geb. 1964) 18.00 Uhr

Trio «Lettres mêlées» Modéré Modéré Très vif

– Pause –

3 Früchte langer und mühsamer Arbeit zeigen die Ambivalenz musikalischer Vorbilder auf. Wecken diese einerseits den Drang zur «Du hast keinen Begriff davon, wie es unser- Schaffung eigener Werke, können sie sich ande- einem zu Mute ist, wenn er immer so einen rerseits aber auch, wird ihr Einfluss übergroß, Riesen hinter sich marschieren hört», klagte als hemmend erweisen. Vielfach reicht es dann Johannes Brahms (1833–97) Anfang der 1870er nur noch zu epigonalen musikalischen Schöpfun- Jahre dem Dirigenten Hermann Levi. Mit dem gen. Nur wenigen Komponisten gelingt es, aus Riesen war Ludwig van Beethoven gemeint. einer solchen Schaffenskrise gestärkt hervor- Dessen symphonisches Schaffen wurde im zugehen und durch die intensive Auseinander- 19. Jahrhundert als derart maßstabsetzend emp- setzung mit dem Vorbild zu einer eigenen funden, dass sich von diesem Vorbild mancher stilistischen Position zu gelangen. Die Werke kompositorische Nachfolger entmutigen ließ. des heutigen Abends sind jeweils Ergebnisse So behauptete auch Brahms immer wieder, dass eines solchen künstlerischen Reifungsprozesses, er selbst nie eine Symphonie schreiben wolle. der jedoch bei jedem der Komponisten unter- Entgegen solcher Bekundungen aber beschäftigte schiedlich verlief. ihn tatsächlich schon seit Mitte der 1850er Jahre die Idee eines eigenen großen symphonischen Für das kammermusikalische Schaffen von Werkes. Doch es sollte bis 1877 dauern, bis nach Wolfgang Amadeus Mozart und damit auch das langem kompositorischem Ringen eine erste Trio in B-Dur (KV 502) ist der Einfluss Joseph Symphonie des nunmehr 44-Jährigen erschien. Haydns (1732–1809) von kaum zu unterschätzen- Mit ihr gelang es Brahms, aus dem Schatten des der Bedeutung. Haydn hatte mit seinen Aufsehen «Riesen» herauszutreten. erregenden Streichquartetten op. 20 (1772) und Ähnlich schwer wie Brahms tat sich Claude op. 33 (1782) der Gattung wesentliche neue Debussy (1862–1918) bei der Komposition seiner Impulse verliehen. Neu und unerhört war, Oper Pelléas und Mélisande. Immer wieder fürch- dass der Komponist an die Stelle einer bisher tete er während des Entstehungsprozesses eine weitgehend homophonen Satztechnik eine zu große stilistische Nähe zu seinem großen Vor- musikalische Textur treten ließ, bei der die vier bild Richard Wagner, von dessen Tristan er tief Instrumente zu gleichberechtigten Trägern geprägt war. Acht Jahre sollte es dauern, bis musikalischer Gedanken wurden. Aus einer Debussys Oper nach unzähligen Umarbeitungen rokokohaften musikalischen «conversation endlich im Jahre 1902 zur Uraufführung kam. galante et amusante» wurde so das Ideal Beispiele wie diese ließen sich viele finden. Sie klassischer Kammermusik, das Goethe in seinem

4 5 berühmten Brief an Carl Friedrich Zelter anschau- lich mit den Worten beschrieb, beim Streich- quartett sei es, als höre man «vier vernünftige Leute sich unter einander unterhalten». Zum charakteristischen kompositorischen Mittel wurden für Haydn dabei zum einen die Verwen- dung barocker Kontrapunktik, zum anderen das Prinzip einer konsequenten thematischen Verarbeitung musikalischen Materials im Wechselspiel aller beteiligten Instrumente.

Wie viele seiner Zeitgenossen war Mozart von Haydns neuer Satztechnik fasziniert. Wahr- scheinlich schon 1781 hatten sich beide Kompo- nisten auch persönlich in Wien kennen gelernt; schließlich nahmen beide mehrfach musizierend an Quartettabenden teil. Bei diesen Gelegen- heiten mag sich auch die Möglichkeit des Mei- nungsaustausches über kompositionstechnische Fragen ergeben haben, doch ist über die Intensi- tät ihres Verhältnisses nichts genaues bekannt. Auf jeden Fall aber fühlte sich Mozart herausge- fordert, mit Haydns Streichquartetten zu wett- eifern. So verfasste er in den Jahren 1782–85 selbst einen Zyklus von Quartetten, in denen er Al mio caro Amico – Titelblatt der Joseph Haydn gewidme- ten Streichquartette Mozarts sich die Haydnsche Satztechnik aneignete.

4 5 Die Arbeit daran muss ihm außerordentlich musikalischen Geschehens. Im Dialog mit dem schwer gefallen sein. Mozart selbst bezeichnete Klavier wird es durchgeführt und, aufgelöst in seine Quartette als «Früchte langer und mühsa- Sechzehntelketten, weiterverarbeitet. Doch auch mer Arbeit», was die vielen Korrekturen in den die Cellostimme gewinnt im Laufe des Satzes an Autographen sowie die zahlreichen Entwürfe und Eigenständigkeit und Prägnanz, etwa wenn sie Fragmente jener Jahre bestätigen. Doch war sich im Wechselspiel mit der Violine das Hauptthema Mozart der Qualität seiner Werke bewusst, denn des Satzes anstimmt. Dass Mozart auch in die- er scheute sich nicht, diese seinem Vorbild Haydn sem Werk von seinem Vorbild Haydn profitierte, zu widmen. Haydn wiederum äußerte bei einem bedeutet jedoch nicht, dass er etwa angefangen der gemeinsamen Quartettabende im Jahre 1785 hätte, in dessen Stil zu komponieren; vielmehr gegenüber Mozarts Vater: «ich sage ihnen vor machte er sich nur die strukturbildenden Prinzi- gott, als ein ehrlicher Mann, ihr Sohn ist der pien seines Kollegen zu Nutze. Fritz Hennenberg größte Componist, den ich von Person und den hat in diesem Zusammenhang formuliert, Nahmen nach kenne; er hat geschmack und über «der Blick auf den anderen» habe dabei geholfen, das die größte Compositionswissenschaft.» «das Eigene zu entdecken». Als typisch Mozartisch Die neu gewonnenen satztechnischen Möglich- kann etwa das unvermittelte Eintreten eines keiten übertrug Mozart schließlich auf andere neuen Themas zu Beginn der Durchführung des kammermusikalische Gattungen, so auch auf ersten Satzes gelten, ebenso die langen kantablen das 1785 komponierte Klaviertrio KV 502. Melodiebögen des zweiten Satzes. Im finalen Wenngleich weniger kühn angewandt als in den Allegretto dann findet wieder die Haydnsche Streichquartetten, wird doch das stilistisch Neue Satztechnik Anwendung, etwa wenn sich die darin vor dem Hintergrund des frühen Mozart- drei Instrumente das erfrischende Hauptthema schen Divertimento à 3 (KV 254) ersichtlich: gegenseitig zuspielen. In jenem hatte er die Rolle des Cellos noch im Sinne barocker Generalbassmusik unterordnend Über den Anlass der Entstehung von Mozarts Trio auf die Unterstützung des Klavierbasses ist nichts konkretes bekannt. Allerdings gehört es beschränkt. In KV 502 nun zeigt sich der Einfluss zu den wenigen Kompositionen des Salzburgers, Haydns gleich zu Beginn des ersten Satzes: die überhaupt zu dessen Lebzeiten gedruckt wur- Ein kurzes Doppelschlag-Motiv, mit dem die den. Das Werk beeinflusste nun in umgekehrter Violine bei ihrem ersten Einsatz dem Haupt- Richtung wiederum die späten Trio-Kompositio- thema des Klaviers antwortet, rückt bereits nen Joseph Haydns. Die Kompositionen Haydns nach wenigen Takten in den Mittelpunkt des und Mozarts hatten schließlich zur Folge, dass

6 7 Ausschnitt aus einem Brief Leopold Mozarts an seine Tochter vom 14. Februar 1785. Darin zitiert er die Aussage Haydns über Mozart: «ich sage ihnen vor gott, als ein ehrlicher Mann, ihr Sohn ist der größte Componist, den ich von Person und den Nahmen nach kenne; er hat geschmack und über das die größte Compositionswissenschaft.»

das Klaviertrio als kammermusikalische Gattung die von Beethoven zur Vollendung gebrachte der Klassik fest etabliert war. Für Ludwig van formale Gestaltung des Sonatensatzes durch Beethoven hatte diese Besetzung dann bereits einen neuartigen strukturellen Aufbau zu über- eine so grundlegende Bedeutung, dass er mit ihr winden. sein Opus 1 bestritt. Beethoven, der selbst eine Reihe bedeutender Klaviertrios schrieb, wurde In seinem Klaviertrio Es-Dur (D 929 / op. 100) hat schließlich für die nachfolgende Komponistenge- der Komponist für dieses Problem eine Lösung neration nicht nur auf dem Feld der Symphonie gefunden. Das Werk wurde, wie Arnold Feil for- zum beispiellosen Vorbild, sondern auch in der muliert hat, «das letzte Stück Wegs im Zeitalter Kammermusik. Beethovens, ein erstes daraus hinaus». Zwar Unter diesem Vorbild litt besonders auch Franz entspricht das Trio in seiner viersätzigen Anlage Schubert. Bekannt ist sein Ausspruch, er hoffe, grundsätzlich dem für Beethoven typischen «heimlich im Stillen» noch etwas aus sich Aufbau. Dabei folgt auf einen Sonatensatz ein machen zu können, «aber wer vermag nach Beet- langsamer, melodisch geprägter zweiter Satz, hoven noch etwas zu machen?» Die Vielzahl von dem sich ein tänzerisches Scherzo und ein Werkfragmenten zeugt von dessen lebenslanger virtuoses rondoartiges Finale anschließt. Doch Unsicherheit, jenseits von seinem großen Vorbild wie Schubert die einzelnen Sätze konkret musika- einen eigenen kompositorischen Stil zu entwi- lisch gestaltet, ist neu. An Beethovenschen ckeln. So sind schon allein zwei seiner vier Dimensionen gemessen erscheinen sie formal Klaviertrios Fragmente geblieben. Zur zentralen stark ausgeweitet, sodass sie bisweilen den Cha- Herausforderung wurde dabei für Schubert, rakter einer musikalischen Fantasie annehmen.

6 7 Um nun aber trotz der strukturellen wie zeitli- chen Ausdehnung die innere Kontingenz des Werkes nicht zu gefährden, verbindet Schubert die einzelnen Sätze thematisch miteinander. Am deutlichsten wird dies im Zusammenhang mit dem trauermarschartigen Hauptthema des langsamen Satzes. Dieses zitiert der Komponist im Finalsatz zweimal im Cello, wobei er es vom ursprünglichen ruhigen 2/4-Takt in einen musikalisch flüssigeren 6/8-Verlauf integriert. Bei dem Thema, das als Schlüssel zu einem tieferen Verständnis des gesamten Werkes an- gesehen werden kann, handelt es sich um das schwedische Volkslied «Se solen sjunker» («Sieh die Sonne sinken»). Doch auch andere themati- sche Verbindungen gewährleisten den inneren Zusammenhalt des umfangreichen Werkes. So erklingt in allen vier Sätzen ein aus pochenden Tonrepetitionen bestehendes musikalisches Motiv, das sein erstes Auftreten als zweites Thema des Eingangssatzes hat. Im Scherzo erscheint es überdies sogar, durch die voraus- gehende Zäsur einer Generalpause deutlich hervorgehoben, im selben charakteristischen Rhythmus wie im ersten Satz.

Mit dem Vorbild Beethoven sind schließlich auch die Umstände der Uraufführung des Trios ver- bunden. Diese fand am 26. März 1828, auf den Tag ein Jahr nach Beethovens Tod, als erstes und Karikatur «Die Feier von Schubert‘s 100. Geburtstag» (Ausschnitt). Erst im Himmel wird Schubert die einziges großes öffentliches Konzert des Kompo- erhoffte Anerkennung als Komponist zuteil nisten mit ausschließlich eigenen Werken statt. (v.l.n.r.: Haydn, Beethoven, Mozart, Schubert).

8 9 Doch wenn das Konzert auch beim Publikum zu Escaich mit für deren Stil jeweils typischen Struk- einem großen Erfolg wurde und Schubert darauf- turprinzipien. hin von der Leipziger Allgemeinen Musikalische Im ersten, Johannes Brahms gewidmeten Satz ist Zeitung in die Nähe Beethovens gerückt wurde, dies das Schwanken zwischen binärem und ter- hielt sich die mediale Aufmerksamkeit doch närem Rhythmus, aus dem sich eine charakteris- letztlich in Grenzen. Diese war im Frühjahr 1828 tische Instabilität ergibt. Escaich selbst äußert durch die spektakulären Auftritte Niccolò Pagani- zu diesem Satz: «Es sind düsterlyrische Walzer- nis in Wien weitgehend absorbiert, sodass fetzen, die sich gegen steifere und hartnäckigere Schubert auch dieses Werk letztlich nicht die – Elemente durchzusetzen versuchen»; ein Kon- lebenslang erhoffte – ganz große öffentliche trast, aus dem sich der «Eindruck von sich über- Anerkennung einbrachte. Immerhin aber bewirk- lagernden Tempi und manchmal sogar Musiken» te der Erfolg des Konzertes, dass das Trio als ein- ergebe. Im zweiten Satz greift Escaich in Anleh- ziges von Schuberts Kammermusikwerken noch nung an Johann Sebastian Bach auf die Tradition zu Lebzeiten des Komponisten gedruckt wurde. des kanonischen Satzes zurück. Cantusartige Figuren kehren dabei, entwickelt in verschiede- Einen anderen Weg der Auseinandersetzung mit nen sich überlagernden Geschwindigkeitsschich- den musikalischen Vorbildern wählt der französi- ten, wieder. Der dritte Satz wiederum, eine Refe- sche Komponist Thierry Escaich (geb. 1964) in renz an Béla Bartók, ist geprägt von prägnanten, seinen «Lettres Mêlées» («Vermischten Briefe») bisweilen jazzartigen Rhythmen. Am Schluss des aus dem Jahr 2003: In diesem Werk macht der Werkes konfrontiert Escaich dann das harmoni- renommierte Organist und Professor für Kompo- sche, thematische und rhythmische Material aller sition am Pariser Conservatoire National Supéri- Sätze des Triptychons auf virtuose Weise mit- eur de Musique seine künstlerischen Einflüsse einander. Lässt er eines seiner musikalischen explizit zum Thema. Es handelt sich dabei um Vorbilder am Ende die Oberhand gewinnen? eine musikalische Hommage an die Komponisten Der Komponist selbst dazu: «Die Verflechtung Brahms, Bach und Bartok. Jedem dieser Vorbilder all dieser Elemente [...] reicht bis zum unaufhörli- ist einer der drei Sätze gewidmet. Entsprechend chen Gegeneinanderprallen der verschiedenen der Vorstellung geschriebener Briefe wird das Themen und sogar zu deren vollen Integration». melodische und harmonische Material jeweils Das Werk ist dem Trio Wanderer gewidmet, von aus Anagrammen der Komponistennamen gebil- dem es am 27. März 2003 in Paris uraufgeführt det. Statt auf direkte musikalische Zitate der drei wurde. verehrten Komponisten zurückzugreifen, arbeitet Fabian Bien

8 9 Die Mitglieder des Trio Wanderer haben sich die- Trios von Beethoven im Herkulessaal in München. sen Namen nicht ohne Grund gewählt, sondern Das 1998 von der Zeitschrift The Strad als «Wan- zu Schuberts Ehren und aufgrund ihrer Geistes- dering Stars» ausgezeichnete Trio Wanderer tritt verwandtschaft mit der deutschen Romantik. seither auf den großen Podien der Welt auf: Das Thema des «umherziehenden Wanderers» Philharmonie Berlin, Théâtre des Champs Elysées ist eines ihrer Leitmotive und als Anspielung auf in Paris, Library of Congress in Washington, Scala das Leben eines Musikers zu verstehen, voll von in Mailand, Wigmore Hall in London, Kioi Hall in «Reisen in sein Inneres» oder: im Rhythmus Tokyo sowie bei bedeutenden Festivals: Schles- unablässiger Tourneen. Die jungen französischen wig-Holstein, Rheingau, Roque d‘Anthéron, Musiker treibt zudem ihr Forschergeist auf die Stresa, Osaka, Salzburg. Es spielte u. a. mit musikalische Reise durch die Jahrhunderte – von Paul Meyer, Sir Yehudi Menuhin, Christopher Haydn bis Ravel und Copland. Hogwood, Charles Dutoit oder James Conlon, und Aber die Gemeinsamkeit mit dem zurückgezogen es wurde von berühmten Orchestern begleitet: lebenden Held der Romantik hört hier auf. der Philharmonie von Radio France, dem Radio- Zum einen treten die drei Musiker selten alleine Sinfonieorchester Berlin, der Sinfonia Varsovia auf, denn ihre Freundschaft ist das A und O ihrer und dem Gürzenich-Orchester Köln. Darbietung: Ein Spiel mit außergewöhnlicher Neben zahlreichen Rundfunk- und CD-Aufnah- Sensibilität und fast telepatischer Harmonie. men der Trios von Mendelssohn, Dvorák und Zum anderen haben die drei Wanderer nichts Smetana für Sony Classical hat das Trio Wande- vom Unglück des romantischen Helden geerbt: rer 1999 eine neue Zusammenarbeit mit Harmo- Von der Kritik bereits bei ihren ersten Vorstellun- nia Mundi begonnen – mit den Trios von Chaus- gen gekrönt, wurden sie seither pausenlos mit son und Ravel, gefolgt von einer Aufzeichnung Lobeshymnen überhäuft. sämtlicher Trios von Schubert, dem Tripelkonzert Nach Studien an der nationalen Musikhochschule von Beethoven, den letzten Trios von Hadyn, den von Paris ergänzte das Trio seine Ausbildung bei Quintetten von Schubert und Hummel, den Trios János Starker, György Sebök, Dorothy Delay und von Schostakowitsch sowie den beiden Tripel- Menahem Pressler, sowie bei den Mitgliedern des konzerte von Martinu. Das Trio Wanderer wurde Amadeus-Quartetts. Es gewann große internatio- von der Unternehmensstiftung Accenture nale Wettbewerbe wie die Fischoff Chamber als Patenkind gewählt und erhielt 2000 den Music Competition und den ARD-Wettbewerb «Victoires de la Musique» als beste Kammer- in München und begann seine internationale musikgruppe des Jahres. Karriere mit der vollständigen Aufführung aller

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���������������� ��������������������� � ���������������� � �������������� ������������������������������������������������� ������������� ��� �� �������������� ��� �� ���������������������������������������������� �������������������������������������������� 3 Orchesterkonzert II: Requiem 28. Mai 2006 | 19.00 Uhr Montforthaus

Dmitri Schostakowitsch Wolfgang Amadeus Mozart Heike Heilmann Sopran (1906–1975) (1756–1791) Truike van der Poel Mezzosopran Kammersymphonie op. 110 a Requiem d-Moll KV 626 Hans Jörg Mammel Tenor (= Streichquartett Nr. 8 op. 110, Introitus: Requiem Marek Rzepka Bass für Streichorchester bearbeitet Kyrie von Rudolf Barschai) Sequenz: Dies irae Balthasar-Neumann-Chor Largo Tuba mirum Feldkirch-Festival-Orchester Allegro molto Rex tremendae Thomas Hengelbrock Leitung Allegretto Recordare Largo Confutatis Largo Lacrymosa Offertorium: Domine Jesu Einführung – Pause – Hostias Thomas Seedorf Sanctus Montforthaus, Graf-Rudolf-Saal Benedictus 18.00 Uhr Agnus Dei Communio: Lux aeterna

3 Balthasar-Neumann-Chor

Sopran Bass Tanya Aspelmeier Manfred Bittner Anja Bittner Ralf Ernst Heike Heilmann Tobias Müller-Kopp Christine Oswald Michael Pannes Katia Plaschka Marek Rzepka Sibylle Schaible Tobias Schlierf Mona Spägele Andreas Werner Johanna Spörk Dorothee Wohlgemuth Einstudierung Detlef Bratschke Alt Julie Comparini Anne Desler Angela Froemer Dominika Hirschler Susanne Jäckh Susan Marquardt Susanne Otto Truike van der Poel

Tenor Rolf Ehlers Nils Giebelhausen Tilman Kögel Hans Jörg Mammel Holger Nithack Martin Post Victor Schiering

4 5 Feldkirch-Festival-Orchester

Violine 1 Violoncello Orgel Gernot Süßmuth* Reinhard Latzko* Johannes Hämmerle Gregor Dierck Maria Grün Philip Goody Davit Melkonian Pauke Elfa Rún Kristinsdottir David Pennetzdorfer Wolfgang Lindner Anna Melkonian Michael Peternek Petra Schwieger Lotta Suvanto Kontrabass * Stimmführer Monika Tarcsay Francisco Obieta* Markus Ess Violine 2 Stefan Preyer Monika Nußbächer* Walter Singer Johannes Fleischmann Christina Gallati Bassetthorn Katarina Giegling Otto Kronthaler Sarah Marie Immer Sebastian Kürzel Christina Oberhuber Veronika Spalt Fagott Angelika Treml Veit Scholz Maurizio Barigione Viola Wolfgang Rings* Trompete Peter Andritsch Paolo Bacchin Katharina Hage Christian Gruber Claudia Hofert Sonja Schindele Posaune Dorle Sommer Matthias Sprinz Henning Wiegräbe Ralf Müller

4 5 Dieses Foto von Schostakowitsch entstand vermutlich 1962 in der Künstlergarderobe des Großen Saales in Moskau am Tag der Uraufführung seiner 13. Symphonie.

6 7 Musik des Gedenkens von Schostakowitsch chronischen Geldnot seiner letzten Lebens- und Mozart jahre kaum ausreichend erklären. Und dass die Kirchenmusik «sein Lieblingsfach» gewesen sei, «Am Tage seines Todes ließ er sich die Partitur wie Mozarts erster Biograph Niemetschek an sein Bette bringen. ‚Hab ich es nicht vorherge- behauptet, ist wohl eine postume Übertreibung sagt, daß ich dieß Requiem für mich schreibe?’ zu Verklärungszwecken. Allerdings hatte sich so sprach er, und sah noch einmal das Ganze mit Mozart gegen Ende seines Lebens wieder ver- nassen Augen aufmerksam durch.» stärkt der Sakralkunst zugewandt, seit Mai 1791 (Franz Niemetschek: W. A. Mozarts Leben, 1808) machte er sich sogar Hoffnungen auf die Dom- kapellmeisterstelle an St. Stephan. Messen und «Ich dachte darüber nach, daß, sollte ich irgend- andere kirchenmusikalische Werke hatte er wann einmal sterben, kaum jemand ein Werk schon zuhauf komponiert, ein Requiem aber schreiben wird, das meinem Andenken gewidmet noch nicht; und so ist sein gegenüber seiner ist. Deshalb habe ich beschlossen, selbst etwas Der- Frau Konstanze geäußertes «Verlangen sich in artiges zu schreiben. Man könnte auf seinen Ein- dieser Gattung auch einmal zu versuchen» band auch schreiben: ‚Gewidmet dem Andenken auch als Hinweis darauf zu verstehen, dass er des Komponisten dieses Quartetts.’» seinen Fundus eigener geistlicher Werke um (Dmitri Schostakowitsch an Issak Glikman, ein wichtiges Stück zu ergänzen gedachte. 17.2.1969) Im Gegensatz zu Mozart, dem gläubigen Chris- ten, war Schostakowitsch überzeugter Atheist, Es ist der Gedanke an den eigenen Tod, der zwei und ein katholisches Totenamt zu schreiben wäre so unterschiedliche Werke wie das Requiem ihm nie in den Sinn gekommen. Er war davon von Mozart und das Achte Streichquartett von überzeugt, dass nicht die Seele des Künstlers, Schostakowitsch miteinander verbindet. Dabei sondern nur sein Werk weiterlebt. Als das Achte scheinen auf den ersten Blick Welten zwischen Streichquartett im Sommer 1960 entstand, ihnen zu liegen: Mozarts Totenmesse entstand befand sich Schostakowitsch in einem Zustand als Auftragswerk für einen anonymen Musik- zwischen Tod und Leben: Im November 1959 hat- liebhaber, der sich später als Graf Franz Walsegg- te man eine unheilbare Rückenmarkserkrankung Stuppach erwies und gern Kompositionen ande- bei ihm festgestellt, von der er sich existenziell rer als die eigenen ausgab. Dass Mozart diesen zutiefst bedroht fühlte – 15 Jahre lang, bis zu sei- Auftrag überhaupt annahm, lässt sich mit der nem Tod im Jahr 1975, sollte sie ihn noch quälen.

6 7 Die Wirkung der erschütternden Diagnose wurde Schon mit den ersten Tönen schreibt sich durch den erzwungenen Eintritt in die KPdSU Schostakowitsch buchstäblich in sein Werk ein: im Frühjahr 1960 noch verstärkt; Schostako- Die Tonfolge D-Es-C-H, die das Cello anstimmt, witsch fühlte sich seelisch hingerichtet. Offiziell ist ein musikalisches Monogramm für Dmitri ist das Achte Streichquartett, parteikonform, SCHostakowitsch. Dieses Motiv durchzieht das «Dem Gedenken der Opfer von Faschismus und ganze Werk und erlebt dabei mehrere Metamor- Krieg» gewidmet, doch eigentlich ist es ein Werk, phosen: Wie ein Bachsches Fugenthema erklingt das Schostakowitsch für und über sich selbst es in den langsamen Rahmensätzen des fünf- geschrieben hat – womit er der gedruckten Wid- teiligen Quartetts, wie ein dramatischer Appell mung im übrigen durchaus nicht widerspricht, im heftigen zweiten Satz, im dritten wird es zum war er selbst doch eines der prominentesten grotesken Tanz verzerrt, nur in Andeutungen Opfer des stalinistischen Totalitarismus. erscheint es schließlich am Ende des vierten Satzes. Doch nicht nur durch seinen in Musik ver- wandelten Namen ist Schostakowitsch als Person in seinem Streichquartett präsent, sondern auch durch Zitate aus eigenen Werken, die zentrale Wendepunkte seines Lebens als Mensch und Künstler markieren.

Mit der Ersten Symphonie, deren Eingangstakte zu Beginn des ersten Quartettssatzes zitiert werden, schloss Schostakowitsch sein Studium am Leningrader Konservatorium ab und errang zugleich seinen ersten großen Erfolg. Die Fünfte Symphonie, die gleichfalls im ersten Satz an- klingt, war Schostakowitschs Reaktion auf die vernichtende und zeitweise sogar lebensbe- drohende Kritik, die von höchster Stelle an seiner Oper Lady Macbeth von Mzensk geübt worden war. Die vermeintliche Unterordnung des Künst- lers unter die Ideale des Sozialistischen Realis- Die erste Seite des Streichquartetts Nr. 8 op 110 von D. Schostakowitsch. mus, als die dieses Werk oft missverstanden

8 9 wurde, hat Schostakowitsch in vielen seiner Werke konterkariert, so etwa im Zweiten Klavier- trio, das deutliche Anleihen bei jüdischer Musik machte – in der Stalinära, in der Sympathie mit den Juden kaum weniger lebensgefährlich war als im Deutschen Reich, ein Akt des Widerstands, den Schostakowitsch geheim halten musste. Das Zitat aus dem Finale dieses Klaviertrios im zweiten Satz des Quartetts ist der ekstatische Höhepunkt des ganzen Werks.

Sowohl das DSCH-Motiv wie die Zitate treten nicht als Fremdkörper hervor, sondern sind ein- geschmolzen in die Musiksprache des Werks, Der Dirigent und Bratschist Rudolf Barschai (geboren 1924) war ein langjähriger Freund von Schostakowitsch. die von dem komplexen Mit- und Ineinander ver- Seine Bearbeitung des Achten Streichquartetts ist von schiedener Stilschichten geprägt ist. Der Beginn diesem noch persönlich autorisiert worden. evoziert Erinnerungen an Bachs Fugen im alten Stil, die Schostakowitsch seiner Tonsprache anverwandelt. Der zweite Satz steht für eine andere Seite von Schostakowitschs Musik, Anders als Schostakowitsch, der das Streich- jene gesteigerte Expressivität, die aus geradezu quartett zu seinem eigenen Gedenken nicht nur aggressiver Motorik erwächst. Schostakowitschs vollenden, sondern ihm noch sieben weitere Neigung zum Grotesken entspringt der dritte bedeutende Quartette folgen lassen konnte, war Satz, während der vierte Satz, dem ein russisches es Mozart nicht vergönnt sein Requiem fertigzu- Revolutionslied zugrunde liegt, zum letzten Satz stellen. Als er in der Nacht zum 5. Dezember 1791 überleitet. Dass Schostakowitsch am Ende auf starb, lag nur der Eingangssatz fertig instrumen- den Anfang des Werks zurückgreift, ist ein auch tiert vor, von einigen anderen Sätzen waren äußerlich leicht wahrnehmbarer Hinweis auf die zumindest die Vokal- und einige Instrumental- wunderbare Geschlossenheit des Quartetts. stimmen notiert, doch sind Sanctus, Agnus Dei Nicht nur in ihr manifestiert sich jene komposito- und Communio unvertont geblieben. Da es sich rische Meisterschaft, die Schostakowitsch als bei dem Requiem um eine einträgliche Auftrags- sein wichtigstes Vermächtnis verstand. komposition handelte, sorgte Mozarts Witwe

8 9 Die erste Seite von Mozarts Requiem-Handschrift.

10 11 dafür, dass das Werk vollendet wurde. Nachdem Mozart» sogar als Werk, «das den neuen Kirchen- Mozarts Schüler Franz Jacob Freystädtler und komponisten als Muster gelten kann.» Joseph Eybler ihre Ergänzungsversuche nach kurzer Zeit abgebrochen hatten, übernahm mit Spätere Generationen sahen in Mozart vor allem Franz Xaver Süßmayr ein weiterer Mozart-Schüler den Klassiker, Hoffmann hingegen galt er als diese heikle Aufgabe. In seiner Vervollständigung romantischer Komponist, in dessen Musik und wurde Mozarts Requiem berühmt und trotz vor allem im Don Giovanni und im Requiem er offenkundiger Mängel wie der bisweilen unge- den Geist seiner Epoche wiedererkannte – und schickten Instrumentation oder der seltsamen das mit Recht, stellt Mozarts Opus ultimum doch Tonartendisposition der von ihm stammenden weniger den krönenden Abschluss der klassischen Teile ist Süßmayrs Fassung Mozart näher als alle Tradition als vielmehr einen nach vorn sich öff- späteren Komplettierungsversuche. Diese zeigen nenden stilistischen Neuanfang dar. In keinem zwar zum Teil größere Einsicht in Mozarts stilisti- Takt seiner Totenmesse erinnert Mozart an den sche Besonderheiten, können sich aber – anders Stil seiner frühen Messen, auch das Experimen- als Süßmayr – nicht auf die persönliche Ausein- tieren mit Elementen barocker Sakralmusik, andersetzung mit dem Komponisten über das das für die gleichfalls Fragment gebliebene große zu vollendende Werk (wie immer diese auch c-Moll-Messe KV 427 so typisch ist, erscheint hier ausgesehen haben mag) stützen. verwoben in eine ganz individuelle Musiksprache, die retrospektiv und neuartig zugleich ist. Als Mozarts Requiem im Jahr 1800 bei Breitkopf Vieles verweist zurück auf die von Hoffmann und & Härtel im Erstdruck erschien, wusste fast nie- vielen anderen Autoren immer wieder als beson- mand, dass die Totenmesse in der vorliegenden ders würdig charakterisierte Kirchenmusik älterer Gestalt gar nicht von Mozart stammte. Erst eini- Zeit, der Gebrauch des gregorianischen «Tonus ge Jahre später entbrannte ein heftiger Streit peregrinus» zu den Worten «Lux aeterna luceat über die Authentizität des Werks, dessen Sieges- eis» im Introitus ebenso wie das erste Thema der zug davon aber nicht aufzuhalten war. Das Kyrie-Fuge, mit dem Mozart einen u. a. über «furchtbarerhabene Requiem» (Niemetschek) Händel vermittelten Topos aufgriff. Das Neue wurde zum geradezu kultisch verehrten Ver- zeigt sich vor allem in drei Momenten: Mozart mächtnis des Komponisten. In seiner 1814 bemüht sich – anders als in der von virtuosen veröffentlichten Artikelserie über Alte und neue Solo- und Ensemblesätzen geprägten c-Moll- Kirchenmusik pries E. T. A. Hoffmann «das tiefe, Messe – um einen genuinen Kirchenstil und überschwenglich herrliche ‚Requiem’ von vermeidet jede Nähe zur Musiksprache der Oper.

10 11 Die vier Solisten stellen sich im Tuba mirum zwar einzeln vor, vereinigen sich fortan aber fast aus- nahmslos in dichten Ensemblesätzen. Das Vokale dominiert, auch in den Chorsätzen, das Orchester tritt begleitend in den Hintergrund – und erfüllt dennoch eine wichtige Aufgabe: Die Instrumente geben dem Gesang eine spezifische Färbung. Es ist nicht zuletzt das dunkel-warme Timbre der Bassetthörner und Posaunen, das Partien wie dem einleitenden Requiem aeternam oder dem Oro supplex-Abschnitt im Confutatis ihre unerhörte Eindringlichkeit verleiht.

Erst seit einigen Jahren ist bekannt, dass Mozart sein Requiem tatsächlich für sich selbst kompo- niert hat. Nach dem Bericht der in Wien hand- schriftlich verbreiteten Zeitung Der heimliche Botschafter hatten Emanuel Schikaneder und andere Freunde und Kollegen am 10. Dezember 1791 ein Seelenamt für Mozart abhalten lassen,

«wobey das Requiem, welches er in seiner letzten Auch Fragment geblieben: Mozart am Cembalo. Krankheit komponirt hatte, exequirt wurde.» Das Bild begann sein Schwager Joseph Lange ca. 1789. Mozarts Frau berichtete später, von allen Porträts Mehr als der Introitus dürfte bei dieser Gelegen- sei dieses das authentischste. heit wohl nicht erklungen sein, doch dieser enthielt die wohl wichtigste Botschaft an den Verstorbenen: «Requiem aeternam dona eis Domine». Thomas Seedorf

12 13 Thomas Hengelbrock machte sich als Entdecker Umsetzung seiner Projekte. Seit 2001 ist er in Vergessenheit geratener Werke und mit Neu- Künstlerischer Leiter des Feldkirch Festivals. interpretationen bekannten Repertoires einen Namen. Im Zentrum seiner Arbeit steht die inten- Thomas Hengelbrock gründete mit dem sive Auseinandersetzung mit einem Werk in sei- Balthasar-Neumann-Chor 1991 eine professio- nem historischen Zusammenhang. Thomas Hen- nelle Formation aus jungen Solisten. Im Mittel- gelbrock strebt – wie Balthasar Neumann mit der punkt steht die Musik des 16.–18. Jahrhunderts, architektonischen Engführung von Bau, Malerei, doch führt die musikalische Arbeit auch zur Skulptur und Garten – eine Integration von Musik Auseinandersetzung mit zeitgenössischen und anderen Künsten an. Er widmet sich nicht Werken, z. B. auf der musikalischen Zeitreise nur intensiv der Oper, sondern der Kombination Vermächtnisse, bei der Werke von Perotin unerwarteter und neuartiger Konzertprogramme bis zu György Ligeti zu Gehör kommen. Unbe- sowie halbszenischer Projekte. Sein Repertoire kannte Kirchenmusik und die italienische Chor- umfasst das 16.–20. Jahrhundert, darüber hinaus musik sind dem Chor ein besonderes Anliegen. bringt er zeitgenössische Werke zur Aufführung In Musiktheaterproduktionen und szenischen und Auftragskompositionen zur Uraufführung. Projekten mit dem Balthasar-Neumann- Thomas Hengelbrock begann seine Karriere als Ensemble zeigt sich das außergewöhnliche Geiger. Wichtige künstlerische Impulse erhielt er schauspielerische Talent der einzelnen Chormit- von Witold Lutoslawski,\ Maurizio Kagel und glieder. Höhepunkte waren die szenischen Auf- Antal Dorati sowie durch seine Mitwirkung in führungen Italienische Karnevalsmusiken in Mas- Nikolaus Harnoncourts Concentus musicus. Das ken und Kostümen sowie Metamorphosen der Freiburger Barockorchester, das er mitbegründe- Melancholie, eine Hommage an englische Künst- te, spielte bis 1997 unter seiner Leitung; mit den ler des 17. Jahrhunderts, und King Arthur (Henry Amsterdamer Bachsolisten arbeitete er von 1988 Prucell und John Dryden). 1992 feierte der Chor bis 1991, und die Deutsche Kammerphilharmonie seinen ersten internationalen Erfolg in Utrecht Bremen wählte mit ihm 1995 erstmals einen mit Purcells Dido and Aeneas mit dem Freiburger festen künstlerischen Leiter. Als Dirigent folgt Barockorchester. Auf die Konzerte beim Resonan- Thomas Hengelbrock den Einladungen zahlrei- zen-Festival in Wien 1993 folgten bald Einladun- cher renommierter Orchester und Opernhäuser. gen zu bedeutenden Festspielen, u. a. nach Paris, Von 2000 bis 2003 war er Musikdirektor der Prag, Jerusalem, Wroclaw\ und zum Schleswig- Volksoper Wien. Neben der musikalischen Holstein-Musik-Festival. Leitung übernimmt er oftmals die szenische

12 13 In Zusammenarbeit mit dem Regisseur Achim sind Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble Freyer entstand 1996 für die Schwetzinger Fest- «ensembles in residence» beim Feldkirch Festival, spiele und die Oper Bonn eine szenische Auffüh- wo sie 2002 Monteverdis L’Orfeo und Schu- rung von Bachs h-Moll-Messe, die 2002 eine kon- manns Manfred unter der Leitung von Thomas zertante Wiederaufnahme fand. Die Solopartien Hengelbrock, 2003 Beethovens Missa solemnis wurden hierbei aus dem Chor besetzt, der das und Händels Messias aufführten. Im Festspiel- Werk auswendig sang. Die Presse lobte das haus Baden-Baden waren sie mit Purcells Dido stimmliche Potential des Chores und seine and Aeneas in der Regie von Tatjana Gürbaca und »Transparenz, Klarheit und leuchtende Spirituali- unter der Leitung von Thomas Hengelbrock zu tät, die kaum zu überbieten sein dürfte“ (Mann- hören und zu sehen. Mit Klaus Maria Brandauer heimer Morgen). und Thomas Hengelbrock waren sie mit einem Großen Anklang fanden die beiden Freyer-Insze- besonderen Weihnachtsprogramm zu hören. nierungen: Claudio Monteverdis L’ Orfeo bei den 2004 gingen sie u. a. mit romantischer Chormusik Wiener Festwochen sowie den Münchner Opern- auf Europatournee. Im April 2006 gestalteten sie festspielen und Joseph Haydns L’ Anima del Filo- das Benefizkonzert des Bundespräsidenten mit sofo bei den Schwetzinger Festspielen. Seit 1998 Bachs h-Moll-Messe. führt der Südwestrundfunk mit Balthasar-Neu- Namenspatron des Ensembles ist Balthasar Neu- mann-Chor und -Ensemble eine eigene Konzer- mann (1687–1753), der bedeutendste deutsche treihe unter dem Motto «Abenteuer Musik» Architekt des Barock und u. a. Baumeister der durch. Unbekanntere Werke wie z. B. die Missa Residenzen von Würzburg und Schönbornslust superba von Johann Kaspar Kerll oder die Missa sowie der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen. sapientiae von Antonio Lotti wurden hier dem Publikum vorgestellt. In dieser Reihe wurde auch Antonio Lottis Requiem in F-Dur erstmals wieder aufgeführt, das inzwischen als preisgekrönte CD vorliegt. Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble gastier- ten 2001 mit Haydns Schöpfung auf den bekann- ten Festivals und spielten das Werk auf CD (bmg) ein. Mit Monteverdis Marienvesper wurde der Chor als ein Ensemble virtuoser Gesangsolisten auf mehreren Europatournee gefeiert. Seit 2001

14 15 Das Feldkirch-Festival-Orchester Konzertmeister ist in diesem Jahr Gernot Süß- Die jeweils an ihrem Instrument Besten zusam- muth, ehemaliges Mitglied des Petersen-Quar- menzuführen, herausragende Nachwuchskünst- tetts und nunmehr Konzertmeister der Staats- ler und Musiker, die eigene Konzerte beim kapelle Weimar und Professor an der dortigen Feldkirch Festival gestalten, mit Spitzenmusikern Musikhochschule; als Solocellist konnte der lang- aus Vorarlberg und renommierten Solisten und jährige Solocellist des SWR-Sinfonieorchesters Musikern aus führenden Orchestern Europas und jetzige Professor der Wiener Musikuniversi- zum gemeinsamen Musizieren zu bringen: tät Reinhard Latzko gewonnen werden. Neben Das war die Idee, die 2005 hinter der Gründung den Dozenten des Landeskonservatoriums Feld- des Feldkirch-Festival-Orchesters stand. Auf kirch Francisco Obieta, Allen Smith und Wolfgang Initiative von Thomas Hengelbrock bildete sich Lindner als drei führenden Vertretern Vorarlbergs so ein Klangkörper, der gleichzeitig zentrale spielen zudem mit: der Soloflötist der Wiener Anliegen des Feldkirch Festivals erfüllt: Dem Symphoniker, der Solooboist des Radio-Sympho- Festival ein eigenes Orchester zu geben, dem nieorchesters Wien, Musiker der Staatsoper Publikum dabei eine herausragende musikalische Berlin, des Symphonieorchesters des Bayerischen Qualität zu garantieren und vor allem Nach- Rundfunks, des Chamber Orchestra of Europe, wuchsförderung in ihrer schönsten Form – dem des Mahler Chamber Orchestra, der Bamberger aktiven Konzertieren – zu betreiben. Symphoniker, des Balthasar-Neumann-Ensembles und einiger führender Kammerorchester. Die jungen Künstler konnten auch international große Erfolge in Konzerten und Wettbewerben Der Kontinuität der Besetzung – ein Großteil der erzielen, sei es solistisch oder in Ensembles. Musiker war bereits im letzten Jahr dabei – steht Unter ihnen sind Studenten des Landeskonser- bewusst ein anregender Wechsel in der Leitung vatoriums für Vorarlberg, der Musikuniversität gegenüber: Für das erste Konzert 2005 konnte Wien, des Wiener Jeunesse Orchesters, des mit John Axelrod einer der führenden Vertreter Attersee Institutes, der Orchesterakademie der der Neuen Musik gewonnen werden; in diesem Münchner Philharmoniker und der Musikhoch- Jahr werden Trevor Pinnock, einer der ganz schule Freiburg. Im Feldkirch-Festival-Orchesters Großen der Alten Musik, und Thomas Hengel- treffen sie nun auf etablierte Profis, vor allem brock, der künstlerische Leiter des Festivals, aus Italien, Österreich und Deutschland. am Pult stehen.

14 15 Heike Heilmann stammt aus Wangen im Allgäu Truike van der Poel studierte zunächst Altphilolo- und erhielt an der JMS Württembergisches gie, später Gesang in Den Haag und Chorleitung Allgäu und der Musikschule Ravensburg ihre in Rotterdam. Bis 2001 war sie Lehrbeauftragte erste musikalische Ausbildung bei Elisabeth für Chorleitung an der Musikhochschule Hannover. Daiker. Sie gewann mehrfach den Ersten und Seit 1999 ist sie Schülerin von Michaela Krämer. Zweiten Bundespreis beim Wettbewerb Jugend Ihr solistisches Repertoire reicht vom frühen musiziert. Nach dem Abitur studierte sie Gesang Barock über klassische Liederabende, Berlioz, an der Staatlichen Hochschule für Musik Freiburg Mahler, Schönberg, Bartók und Wolpe bis zu Kam- im Breisgau, unter anderem bei Prof. Markus mermusik von Ustwolskaja, Ligeti, Spahlinger und Goritzki. Im Oktober 2002 begann sie ein Auf- Lachenmann. Neben dem barocken und klassi- baustudium mit Schwerpunkt Lied/Oratorium schen Oratorienfach profilierte sie sich in der zeit- bei Prof. Heidrun Kordes an der Hochschule für genössischen Musik – etwa mit einer Hauptrolle Darstellende Kunst und Musik in Frankfurt am in Carola Bauckholts Kammeroper Stachel der Main. Seit Oktober 2003 ist sie dort auch Mit- Empfindlichkeit oder in C. J. Walters Angst und glied der Opernklasse und wirkte unter anderem Ahnung. Auch Werke von Steffen Schleiermacher, als Blondchen in Mozarts Entführung aus dem Salvatore Sciarrino und Erik Oña brachte sie zur Serail und als Sophie Scholl in Die Weiße Rose von Uraufführung. Sie trat als Solistin auf in Nonos Il Udo Zimmermann mit. Neben ihrer regen solisti- Canto Sospeso, mit dem Thürmchen Ensemble beim schen Tätigkeit ist Heike Heilmann auch Mitglied Warschauer Herbst 2005 und mit dem Deutschen in professionellen Ensembles, wie dem Balthasar- Kammerchor in Heinz Holligers Dunkle Spiegel. Neumann-Chor unter der Leitung von Thomas Mit der Schola Heidelberg sang sie in zahlreichen Hengelbrock. In der Spielzeit 2004/05 war Heike Uraufführungen, Rundfunk- und CD-Aufnahmen, Heilmann als Gast in mehreren Produktionen an mit dem Balthasar-Neumann-Chor u. a. beim der Oper Frankfurt engagiert. Bologna Festival, beim Bremer Musikfest und in der Kölner Philharmonie. Sie arbeitete mit dem Ensemble TrioLog, mit dem Kölner Violenconsort, dem Ensemble Resonanz, dem Schlagquartett Köln, dem Ensemble Avantgarde (Leipzig) und dem Ensemble L’ Itinéraire (Paris) zusammen. Neue CDs von ihr enthalten Werke von Erik Oña, Thomas Stiegler sowie eine Ersteinspielung dreier Lieder von René Leibowitz mit dem ensemble ais- thesis.

16 17 Hans Jörg Mammel erhielt ersten Gesangsunter- Marek Rzepka wurde in Mikolow (Polen) geboren. richt in seiner Geburtsstadt Stuttgart bei den Der gelernte Bergmann gewann 1989 beim Hymnus-Chorknaben. Er studierte Rechtswissen- Kolobrzeg-Festival den ersten Preis und begann schaften in Freiburg und anschließend Gesang darauf seine Gesangsausbildung in Krakau bei bei Werner Hollweg und Ingeborg Most. Er absol- Adam Szybowski. 1993 wechselte er an die Dres- vierte Meisterkurse bei Barbara Schlick, Elisabeth dner Musikhochschule und setzte sein Studium Schwarzkopf und James Wagner sowie bei Rein- bei Christian Elßner fort, das er 1998 mit Aus- hard Goebel für historische Aufführungspraxis zeichnung abschloss. Er setzte seine Studien bei und sang bei bedeutenden Festivals in Utrecht, Hans-Joachim Beyer fort, besuchte Meisterkurse Schwetzingen, Schleswig-Holstein, Jerusalem, bei Brigitte Fassbaender, Teresa Zylis-Gara, Peter Breslau, Brügge und Wien. Mit Thomas Hengel- Schreier, Thomas Quasthoff und Charles Spencer brock, Sigiswald Kuijken, Ivan Fischer, Hans Zen- und arbeitet zur Zeit mit Rudolf Piernay. Sein der, Philippe Herreweghe und Ivor Bolton wuchs Repertoire reicht von historischen bis zu zeitge- eine wegweisende Zusammenarbeit. Er sang mit nössischen Kompositionen. So sang er Mozarts großem Erfolg den Orfeo (Monteverdi) in Island. Requiem in der Krakauer Philharmonie, die Matt- Gastverträge führten ihn an die Städtischen Büh- häus-Passion von J. S. Bach mit dem Dresdner nen Freiburg und die Staatsoper «Unter den Lin- Kreuzchor, Maurizo Kagels Oper Aus Deutschland, den» in Berlin. Er sang bei den Münchner Opern- konzertierte mit H. Rilling, A. Parrott, Steven Stubbs festspielen und bei den Wiener Festwochen. und Eduardo López Banzo, sowie regelmäßig mit Außerdem gilt sein Interesse neben den großen dem Balthasar-Neumann-Ensemble unter T. Hen- Liederzyklen der Romantik besonders den Kom- gelbrock, u. a. als Rafael in der Schöpfung von ponisten der zweiten Berliner Liederschule. Haydn und als Caronte in Monteverdis Orfeo. In Liederabenden stellt er dem Publikum unbe- Er gastierte bei zahlreichen Festspielen (u. a. 2005 kannte Werke z. B. von Zelter, Reichardt, Johann beim Boston Early Music Festival), gab Liederaben- Abraham Peter Schulz oder Robert Franz vor. de in Dresden, Freiburg, Hamburg, Krakau, Wien Viele dieser Werke spielte er auch auf CD ein. und Leipzig und wirkte bei CD-Produktionen und Große Aufmerksamkeit erregte er durch seine Rundfunkaufnahmen mit. 2001 erhielt er einen Interpretation von Franz Schuberts schöner Lehrauftrag für Gesang an der Leipziger Musik- Müllerin in der Fassung für Tenor und Gitarre, hochschule. 2004 debütierte er am Théâtre La die ebenfalls als CD vorliegt. Monnaie in Brüssel in Monteverdis Il Ritorno D’Ulisse in Patria mit anschließenden Aufführun- gen in Frankreich, Luxemburg, New York und beim Melbourne Festival.

16 17 Die letzte Seite von Mozarts Requiem-Handschrift. Auf der Weltausstellung in Brüssel 1958 riss ein Unbekannter die rechte untere Ecke ab – mitsamt Mozarts vermeintlich letzten Worten: «Quam olim da capo».

18 Wir danken ...

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