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Kleinere Städte und Gemeinden

Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“ Impressum

Herausgeber Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) Referat SW I 7 · 11055 E-Mail: [email protected] · Internet: www.bmub.bund.de

Redaktion BMUB, Referat SW I 7 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Referat I 1

Bearbeitung Bundestransferstelle Kleinere Städte und Gemeinden Plan und Praxis GbR Manteuffelstraße 111 · 10997 Berlin

Laura Hammler Katharina Janke Christian Kloss Holger Pietschmann Henning Rohwedder

Gestaltung Jakob Köhler, Plan und Praxis GbR, Berlin

Druck medialis Offsetdruck GmbH, Berlin

Bildnachweise Titelseite: Plan und Praxis () | Seite 5: Bundesregierung/Steins | Seite 10: Göran Gnaudschun | Seite 55, 69 (oben): Schober Architekten | Seite 68 ( und unten): Leerstandsoffensive | Alle weiteren Abbildungen: Plan und Praxis

Stand Dezember 2014

1. Auflage 2.000 Exemplare

Download dieser Publikation www.bmub.bund.de

Hinweis Diese Publikation ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Gedruckt auf Recyclingpapier. Inhalt

Vorwort ...... 5 Kurzfassung ...... 6 Abstract ...... 12

1 Das Städtebauförderprogramm Kleinere Städte und Gemeinden . . . .14 1.1 Programmstrategie ...... 14 1.2 Programmumsetzung in den Ländern...... 20 1.3 Das Programm in Zahlen ...... 24

2 Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden ...... 34 2.1 Interkommunale Aufgabe Daseinsvorsorge ...... 36 2.2 Lebenswerte Stadt- und Ortskerne ...... 53 2.3 Aktivierung, Beteiligung und überörtliche Kommunikation . . . 64

3 Erfahrungen und Perspektiven der Programmumsetzung ...... 73

4 Verzeichnisse ...... 78 4.1 Abbildungsverzeichnis ...... 78 4.2 Tabellenverzeichnis ...... 78 4.3 Quellenverzeichnis ...... 78 4.4 Weiterführende Literatur ...... 79

Inhalt 3

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser, insbesondere in ländlichen, dünn besiedelten Ge- bieten sind kleinere Städte und Gemeinden wichtige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zentren zur Sicherung der Daseinsvorsorge. Hier werden elemen- tare zentrale Versorgungsfunktionen für die Gemein- den und dörflich geprägten Orte im Umland erfüllt.

Durch die Folgen des demografischen und wirtschaft- lichen Wandels, durch Arbeitsplatzverluste, Ab- wanderung und Alterung der Bevölkerung, wird die Sicherung der Daseinsvorsorge in diesen Regionen zu einer immer größeren Herausforderung. In vielen kleineren Städten und Gemeinden können die Ein- viele innovative Projekte umgesetzt werden konnten. richtungen der Daseinsvorsorge aufgrund sich verän- Eine von Bund, Ländern und kommunalen Spitzen- dernder Nachfragestrukturen nicht mehr dauerhaft verbänden erarbeitete Programmstrategie dient dabei gewährleistet werden. Bundesregierung und Bundes- allen Beteiligten als Orientierung bei der Umsetzung länder wollen deshalb die betroffenen Klein- und des Programms. Vielerorts konnten neue, zukunfts- Mittelstädte stärken und als Ankerpunkte für die trächtige Entwicklungsprozesse angestoßen werden. Zukunft handlungsfähiger machen. Dafür haben wir Insbesondere die interkommunalen Kooperationen bereits im Jahr 2010 das Städtebauförderungspro- tragen zu einem effektiven Einsatz der vorhandenen gramm „Kleinere Städte und Gemeinden – überört- Ressourcen bei und ermöglichen, gemeinsam vonein- liche Zusammenarbeit und Netzwerke“ gestartet. ander zu lernen.

Das Programm ist ein Kernelement der „Initiative Die zahlreichen guten Praxisbeispiele in diesem Ländliche Infrastruktur“ des Bundesministeriums ersten Statusbericht zeigen, dass die begonnene für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Entwicklung zielführend ist und dass das Programm (BMUB). Es unterstützt die Kommunen darin, ihre wirkt. Unser Ziel bleibt die Stärkung des ländlichen zentralen Versorgungsfunktionen dauerhaft, bedarfs- Raums. Deshalb werden wir auch weiterhin unser gerecht und auf hohem Niveau für die Bevölkerung Städtebauförderungsprogramm „Kleinere Städte und der gesamten Region zu sichern und zu stärken. Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Schwerpunktmäßig unterstützt werden aktive Ko- Netzwerke“ erfolgreich umsetzen. operationen der Kommunen untereinander sowie Investitionen zum Erhalt und zur Entwicklung der kommunalen Infrastruktur.

Nach vier Jahren Programmumsetzung lässt sich Dr. Barbara Hendricks festhalten, dass durch gute überörtliche Entwick- Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau lungskonzepte und durch das Engagement vor Ort und Reaktorsicherheit

Vorwort 5 Kurzfassung

Bund und Länder haben 2010 das Programm „Kleinere Programmstrategie Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“ eingeführt. Es richtet sich vor allem an Die gemeinsam von Bund, Ländern und kommunalen kleinere Städte und Gemeinden in ländlichen Räumen Spitzenverbänden entwickelte Programmstrategie fasst und unterstützt diese bei der Bewältigung der Heraus- die Ausgangslage, Ziele und Förderinhalte des Städte- forderungen des demografischen und wirtschaftlichen bauförderprogramms „Kleinere Städte und Gemeinden Wandels. Das Programm stößt bundesweit auf breite – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke" zu- Resonanz: Insgesamt werden derzeit 327 Maßnahmen sammen und dient allen Beteiligten und Interessierten gefördert (Stand Programmjahr 2013). Mehr als 890 als Orientierung für die Vorbereitung und Umsetzung Städte und Gemeinden arbeiten im Programm inter- der Maßnahmen vor Ort. Mit dem Städtebauförderpro- kommunal zusammen setzen Maßnahmen auf gramm unterstützen Bund und Länder „insbesondere Gemeindeebene um. Im Programmjahr 2014 stellt der kleinere Städte und Gemeinden in dünn besiedelten, Bund Finanzhilfen in Höhe von rund 70 Millionen ländlichen, von Abwanderung bedrohten und / oder zur Verfügung (Verpflichtungsrahmen). Damit wurden vom demografischen Wandel betroffenen Räumen. die Bundesmittel gegenüber 2013 mit rund 55 Millio- Ziel ist, sie als wirtschaftliche, soziale und kulturelle nen Euro und den vorangegangenen Programmjahren Ankerpunkte im ländlichen Raum zukunftsfähig zu deutlich angehoben. machen und ihre zentralörtlichen Versorgungsfunktio- nen dauerhaft, in angemessener Form und auf hohem Mit der Städtebauförderung unterstützen Bund und Niveau für die Bevölkerung der Städte und Umland- Länder die Kommunen darin, eine integrierte und gemeinden zu sichern. Dies stärkt langfristig die nachhaltige Stadtentwicklung umzusetzen. Integriert Lebensqualität und Attraktivität dieser Kommunen im Handeln heißt, Maßnahmen und Ressourcen mit ländlich geprägten Einzugsbereich.“ fachübergreifender Perspektive räumlich, zeitlich und inhaltlich sinnvoll zu bündeln. Dabei trägt die Einbin- Das Programm setzt daher auf drei Strategien: dung von Akteuren aus verschiedenen Bereichen und 1. Kräfte bündeln, überörtlich kooperieren Ebenen zum Erfolg einer Maßnahme bei. Gemeinsam 2. Infrastruktur anpassen – Daseinsvorsorge langfristig mit allen relevanten Akteuren entstehen Strategien für sichern eine nachhaltige Entwicklung der Regionen und ihrer 3. Integriert handeln, finanzieren und fördern Städte und Gemeinden, so dass die lokalen Potenziale aktiviert werden können. Die Programmumsetzung in den Programmkom- munen wird durch bewährte Steuerungsinstrumente unterstützt: Das integrierte überörtliche Entwicklungs- konzept bildet die Grundlage, um gemeinsame Ziele zu formulieren und Maßnahmen in den beteiligten Städ- ten und Gemeinden abzustimmen. Im Gegensatz zu Konzepten in den anderen Städtebauförderprogram- men sind sie gemeindeübergreifend zu erstellen und das Ergebnis überörtlicher und ressortübergreifender Abstimmungsprozesse. Vor dem Hintergrund knapper personeller und finanzieller Ressourcen in kleineren Städten und Gemeinden kann für die Programmum- setzung vor Ort ein Kooperationsmanagement hilfreich sein. Ein fachlich qualifiziertes Kooperationsmanage- ment unterstützt die Beteiligten bei der überörtlichen Zusammenarbeit und Koordinierung von Maßnahmen. Es kann auch Aufgaben der Außendarstellung wahr- nehmen. Wie in allen Städtebauförderprogrammen haben die Kommunen zudem die Möglichkeit, einen Interkommunales Bürgerzentrum Hofheimer Land, Bayern Verfügungsfonds einzurichten. Als finanzielles Anreiz-

6 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm instrument kann er genutzt werden, um Mitwirkungs- bereitschaft an den Entwicklungsprozessen anzusto- ßen und private Mittel einzubinden.

Zur Vorbereitung städtebaulicher Gesamtmaßnah- men fördern Bund und Länder die Erarbeitung und Fortschreibung interkommunal beziehungsweise überörtlich abgestimmter, integrierter Entwicklungs- konzepte. Hierzu gehören auch die Analyse der Aus- gangssituation, Sanierungskonzepte zur Anpassung ausgewählter zentraler Infrastruktureinrichtungen, die Bildung strategischer Netzwerke zur interkom- munalen Kooperation und Maßnahmen zur Aktivie- rung des bürgerschaftlichen Engagements und der Neu gestalteter Schulsportplatz in Finsterwalde, , stärkt Öffentlichkeitsarbeit. Die Kommunen können in den den Schulstandort und die Vereine in der Sängerstadtregion Fördergebieten auf Grundlage der vorbereitenden Maßnahmen die Finanzhilfen des Programms ins- besondere für Investitionen zur Umstrukturierung gestärkt und die Daseinsvorsorge gesichert werden. und bedarfsgerechten Anpassung der städtebaulichen Ansätze zur Bündelung zeigen sich unter anderem in Infrastruktur einsetzen. der Zusammenarbeit der Programmkommunen in Netzwerken oder in der arbeitsteiligen Bereitstellung Durch die Finanzhilfen werden entsprechend der öffentlicher Leistungen der Daseinsvorsorge. Ebenso Programmstrategie in erster Linie Kleinstädte und ist es möglich, Mittel aus dem Programm mit anderen Landstädte unterstützt. Die Verteilung der Fördermittel Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten des Bundes, in den Bundesländern spiegelt die unterschiedlichen der Länder, der Europäischen Union oder von privater kommunalen Strukturen wider. Fast die Hälfte (46 Seite zu bündeln. Prozent) der geförderten Kommunen liegt in länd- lichen Regionen. Bei den Fördergebieten handelt es Die Zusammenarbeit der Kommunen gewinnt zuneh- sich häufig um Gebiete in Innenstadt- beziehungs- mend an Bedeutung: 56 Prozent der Maßnahmen wird weise Ortskernlage mit überwiegender Mischnutzung. in interkommunaler Kooperation umgesetzt. Bei knapp Es überwiegen Gebiete mit gemischter Bebauung zwei Dritteln handelt es sich um Kooperationen mit beziehungsweise Bebauung vor 1949. Eine Vielzahl zwei bis fünf beteiligten Kommunen, ein Drittel wird in der Fördergebiete befindet sich somit in historischen Kooperationen mit fünf und mehr beteiligten Kommu- Stadt- und Ortskernen. Die Stärkung der Zentren in nen umgesetzt. den kleineren Städten und Gemeinden geht einher mit ihrer Stärkung als Wohnstandort. Integrierte Entwicklungskonzepte sind eine gute Grundlage, um unterschiedliche Förderansätze und Potenziale bündeln Ressourcen zu bündeln und tragfähige Strukturen aufzubauen. Das integrierte Konzept kann als überge- Eine Option, den Herausforderungen des demografi- ordnetes Planungs- und Steuerungsinstrument für die schen und wirtschaftlichen Wandels zu begegnen, Entwicklung einer Region dienen. Vielerorts dienen besteht in der Bündelung von Potenzialen. Kleinere integrierte überörtliche Entwicklungskonzepte oder Städte und Gemeinden verfügen häufig nur über ein regionale Entwicklungskonzepte als „Überbau“ für gewisses Maß an personellen und finanziellen Res- unterschiedliche Förderprogramme, Handlungsfel- sourcen. Vor diesem Hintergrund gilt es, diese stärker der und Maßnahmen. Auf der Projektebene kommen unter anderem durch überörtliche Zusammenarbeit häufig Mittel aus verschiedenen Fördertöpfen zusam- zu bündeln. Hierdurch soll gewährleistet werden, men. Dabei gilt es, auch private Mittel einzubeziehen dass auch künftig in kleineren Städten und Gemein- und die Folgekosten von Investitionen nicht aus den den Lebensqualität erhalten, lokale Wirtschaftskraft Augen zu verlieren.

Kurzfassung 7 Interkommunal beziehungsweise überörtlich zu- sammenarbeitende Kommunen werden vorrangig gefördert: Mehr als die Hälfte der Länder setzen den Zusammenschluss zu einer interkommunalen Koope- ration für die Aufnahme in das Programm zwingend voraus. Die Erarbeitung oder Fortschreibung inte- grierter Entwicklungskonzepte ist in allen Ländern Fördervoraussetzung. Sie sind damit die zentrale Handlungsgrundlage für die Programmumsetzung auf kommunaler Ebene.

Viele Programmkommunen wurden oder werden auch mit Mitteln aus EU-Programmen für die länd- liche Entwicklung unterstützt. In diesem Kontext sind bereits interkommunale Kooperationen und integ- rierte überörtliche Konzepte entstanden, die eine gute Basis für die Umsetzung von Maßnahmen im Städte- bauförderprogramm „Kleinere Städte und Gemein- Ausbau der Alten Mälzerei in Treben, Thüringen, zum Bürgerhaus den“ bilden.

Verantwortliche aus Programmkommunen betonen, Programmumsetzung in den Ländern wie wichtig der Erfahrungsaustausch und spezifi- sche Informations- und Beratungsangebote sind, um Wie bei allen Bund-Länder-Programmen der Städ- konkrete Fragen der Programmumsetzung zu lösen, tebauförderung obliegt die Durchführungsver- Probleme zu bewältigen und Impulse für den Entwick- antwortung des Programms „Kleinere Städte und lungsprozess zu erhalten. Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“ den Ländern. Grundlage hierfür ist die Über die aufgeführten Ansätze hinaus wurden in jeweilige Förderrichtlinie, in der die Förderfähigkeit einigen Ländern auf die Städtebauförderprogram- von Maßnahmen und Vorhaben, Förderschwer- me zugeschnittene Handreichungen erarbeitet, punkte und spezifische Auswahlkriterien benannt programmspezifische Leitfäden oder Publikationen werden. Je nach deren Ausgestaltung werden bei der liegen aber bislang noch nicht vor. Jedoch werden die Umsetzung des Programms eigene Akzente gesetzt. Programmkommunen bei der Umsetzung des Städte- Die unterschiedlichen Handlungsansätze und bereits bauförderprogramms durch bereits vorhandene, in erreichten Ergebnisse bergen ein großes Lern- und anderen Kontexten entstandene Informationsan- Innovationspotenzial, von dem die Programmverant- gebote (zum Beispiel zur interkommunalen Zusam- wortlichen des Bundes, der Länder und der Pro- menarbeit oder zur Sicherung der Daseinsvorsorge) grammkommunen profitieren können. und themenspezifische Veranstaltungen zusätzlich unterstützt. Mit voranschreitender Programmlaufzeit sind die Themen demografischer Wandel, Daseinsvorsorge In mehr als der Hälfte der beteiligten Städte und und überörtliche Zusammenarbeit zunehmend in den Gemeinden ist die Bevölkerung rückläufig. Einige Vordergrund gerückt. Von der Förderung profitieren Länder haben auch stabile und wachsende Kommu- in einigen Ländern insbesondere Kommunen, die nen in das Programm „Kleinere Städte und Gemein- bislang keine Mittel der Städtebauförderung erhalten den“ aufgenommen. Gerade in diesen Ländern gilt haben. In anderen Ländern werden vorrangig Kom- es das Programm noch weiter zu schärfen, indem die munen aufgenommen, die bereits Mittel der Städte- besonders vom demografischen Wandel betroffenen bauförderung erhalten oder in denen die Förderung Kommunen stärker als bislang in das Programm ein- ausgelaufen ist. gebunden werden.

8 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Integrierter Handlungsansatz Lösungsansätze zur Sicherung der Daseinsvorsorge, schafft Interessensausgleich und eine Neupositio- Die spezifischen Merkmale integrierter Entwicklungs- nierung in der Region, erhöht die Wirksamkeit und konzepte im Städtebauförderprogramm „Kleinere Außenwahrnehmung durch gemeinsames Auftreten Städte und Gemeinden“ liegen im überörtlichen und aktiviert damit die Potenziale in den Kommunen Handlungsansatz und der zukunftsfähigen Entwick- und in der Region. In interkommunaler Zusammen- lung der städtebaulichen Infrastruktur. Der über- arbeit können Maßnahmen finanziert werden, die eine örtliche integrierte Handlungsansatz zur Sicherung Kommune allein nicht bewältigen könnte. der Daseinsvorsorge erfordert eine umfassende und systematische Auseinandersetzung mit den aktuellen Die interkommunalen Kooperationen im Städtebau- und prognostizierten demografischen und wirt- förderprogramm befinden sich auf unterschiedlichen schaftsstrukturellen Entwicklungen im Kooperations- Entwicklungsstufen und unterscheiden sich in der raum. Darauf aufbauend sind gemeinsame Ziele und Organisationsform, Größe und Ausrichtung teilwei- Projekte festzulegen. se stark voneinander. Die Praxis zeigt, dass Arbeiten auf Augenhöhe, Vertrauen, Erkennen des Mehrwerts Die Erstellung eines überörtlich abgestimmten, integ- der Kooperation und nicht zuletzt ein gemeinsames rierten Entwicklungskonzeptes ist eine große Heraus- Raumverständnis Rahmenbedingungen für den Erfolg forderung für die Kommunen, wie die Erfahrungen der der Zusammenarbeit sind. Dem Aushandeln von ge- bisherigen Programmumsetzung zeigen. Dies spiegelt meinsamen Zielen und Handlungsfeldern und die Eini- sich auch darin wider, dass noch nicht in allen Koope- gung auf den formalen Rahmen der Zusammenarbeit rationen beziehungsweise Kooperationsräumen über- sollte viel Raum und Bedeutung zugestanden werden. örtlich abgestimmte integrierte Entwicklungskonzepte Befördert wird eine interkommunale Kooperation, fertig gestellt wurden. wenn private Akteure einschließlich Bürgerschaft und Zivilgesellschaft einbezogen werden – insbesondere Interkommunale Aufgabe Daseinsvorsorge zur Umsetzung konkreter Projekte. Viele Kooperatio- nen beauftragen ein externes Büro mit dem Koopera- Eine besondere Anforderung des Programms tionsmanagement, das die Beteiligten vor Ort bei der „Kleinere Städte und Gemeinden“ an die beteiligten überörtlichen Zusammenarbeit, Koordinierung von Kommunen besteht in der Verbindung von Städte- Maßnahmen und in der Außendarstellung unterstützt. bauförderung, Daseinsvorsorge und interkommu- Dieser Ansatz kann durch vielfältige Finanzierungsmo- naler Zusammenarbeit. Der demografische Wandel delle der Maßnahmen und unterschiedlich ausgestalte- und die eingeschränkten finanziellen Handlungs- spielräume der Kommunen verstärken das überört- liche Abstimmungserfordernis. Die neue Qualität der interkommunalen Zusammenarbeit, die durch das Städtebauförderprogramm angestoßen wird, liegt dabei in der Ausrichtung auf das Handlungsfeld der Daseinsvorsorge, die in Arbeitsteilung gesichert werden soll.

Die Neuausrichtung des Infrastrukturangebots birgt die Chance, qualitative Verbesserungen zu erreichen. Dies erhöht die Akzeptanz der Umstrukturierungen in der Bevölkerung und sichert die Attraktivität der kleineren Städte und Gemeinden. Die Anpassung der Infrastruktur gelingt dann, wenn sektorales Denken und Planen überwunden wird. Interkommunale Zu- sammenarbeit schafft hier Bewusstsein für überört- Rathaus, Dorfgemeinschaftshaus, Gasthof und Lebensmittelmarkt liche Stärken und Schwächen, setzt Impulse für neue zentral am Marktplatz in Rügheim, Bayern

Kurzfassung 9 te Formen des Kooperationsmanagements unterstützt sung städtebaulicher Infrastruktur durch Bündelung werden. Die Stärkung der regionalen Identität steht von Einrichtungen in den Stadtzentren und Ortsker- dabei in der Regel im Vordergrund. nen kann entscheidende Impulse zur Sicherung der Daseinsvorsorge sowie zur Steigerung der Lebens- und Auch das Thema Innenentwicklung ist vielerorts Teil Wohnqualität auslösen. Durch passgenaue Formen der der interkommunalen Zusammenarbeit. Die überört- privat-öffentlichen Zusammenarbeit eröffnet sich den liche Abstimmung der kommunalen Entwicklungs- Städten und Gemeinden auch die Chance, neue An- potenziale ist eine wichtige Grundvoraussetzung für sätze und Strategien für die Wiederinwertsetzung von eine tragfähige Innenentwicklung in den einzelnen Immobilien zu entwickeln. Städten und Gemeinden. Aktivierung, Beteiligung und überörtliche Lebenswerte Stadt- und Ortskerne Kommunikation

Innenentwicklung ist ein langfristiger Prozess, der eine Überörtliche Kommunikation schafft ein gemeinsames konsequente Ausrichtung der Stadtentwicklung auf Bewusstsein für Probleme und Potenziale in den betei- die bestehenden Stadt- und Ortskerne voraussetzt. Vor ligten Kommunen. Eine zielgerichtete Kommunikation allem dort, wo die Einwohnerzahl sinkt, ist der Hand- nach innen und nach außen bereits von Anfang an ist lungsbedarf in den Ortskernen durch zunehmenden eine Grundvoraussetzung für den Erfolg von inter- Leerstand sichtbar. Mit dem überörtlichen integrierten kommunalen Kooperationen und die Sicherung der städtebaulichen Entwicklungskonzept, Leerstandserhe- Daseinsvorsorge. bungen und Flächenmanagement stehen den Kommu- nen bewährte Instrumente für die Innenentwicklung Demografischer und struktureller Wandel, die Siche- zur Verfügung. rung von Infrastruktureinrichtungen oder Visionen für die Entwicklung der Städte und Gemeinden sind Interkommunale Zusammenarbeit unterstützt die auf den ersten Blick schwer zu vermitteln. Eine auf Innenentwicklung, wenn sich die Gemeinden auf formale Beteiligungsverfahren beschränkte Partizipa- dieses grundlegende gemeinsame Entwicklungsprinzip tion reicht hierfür nicht aus. Trotz der Herausforde- verständigen und dadurch die Konkurrenz um neue rungen bei der überörtlichen Kommunikation gibt es Wohn- und Gewerbegebiete vermindert wird. Das Zu- in vielen Programmkommunen erfolgreiche Beteili- sammenspiel aus Innenentwicklung und der Anpas- gungsverfahren und gelungene Öffentlichkeitsarbeit. Die Beteiligung an Entscheidungs- und Entwicklungs- prozessen findet dabei nicht nur auf der kommunalen Ebene in Form der „klassischen“ Bürgerbeteiligung statt, sondern umfasst zusätzlich die Aktivierung regionaler Netzwerke und Akteure sowie die enge Ein- bindung der Ortsvorsteher.

Die Erfahrungen aus der Programmumsetzung zeigen, dass überörtliche Beteiligungsprozesse dann gelingen, wenn sie als Doppelstrategie angelegt sind: Auf der einen Seite Informationsveranstaltungen und Öffent- lichkeitsarbeit im gesamten Kooperationsraum und auf der anderen Seite die konkrete Beteiligung im Rahmen der Erstellung von überörtlichen integrierten Konzep- ten und der Umsetzung von Maßnahmen vor Ort.

Grundsätzlich gilt, die Bewohnerinnen und Bewoh- ner als Expertinnen und Experten vor Ort ernst zu Schulkinder in , -Vorpommern nehmen. Es zeigt sich, dass bei der Anpassung und

10 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Entwicklung der Infrastruktur ein früher Einbezug wichtig ist. In ländlich geprägten Kommunen sind mehr als ein Drittel der Bewohnerinnen und Bewoh- ner bürgerschaftlich in Gruppen engagiert. Zur Akzep- tanz trägt auch bei, wenn es gelingt, bei der Anpassung von Einrichtungen Angebote insgesamt qualitativ zu verbessern.

Kooperations- oder Regionalmanager können zur Ko- ordinierung der Maßnahmen beitragen, eine „Über- koordinierung“ gilt es jedoch zu vermeiden. Für eine erfolgreiche Kommunikation ist eine Person wichtig, bei der die inhaltlichen und organisatorischen Fäden zusammen laufen, die die Netzwerkbildung vorantreibt und für ein gutes Kommunikationsklima zwischen den Akteuren sorgt. Gemeindehaus in , -Württemberg Erfahrungen und Perspektiven der Programmumsetzung

In der kurzen Programmlaufzeit hat sich das Förder- ansätze zur Sicherung der Daseinsvorsorge intensiv in programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ schon der kommunalen Praxis zu verankern. Ebenso gilt es, als erfolgreiches Instrument für die Entwicklung klei- den interkommunalen Kooperationsansatz innerhalb nerer Städte und Gemeinden in ländlichen Räumen des Programms weiter auszubauen. Hierbei kommt etabliert. Das gesamte Spektrum an Förderoptionen, dem Erfahrungsaustausch über neue Partnerschafts- die das Programm anbietet, wird abgedeckt, wobei und Kommunikationsansätze, Methoden der überört- es unterschiedliche Schwerpunktsetzungen in den lichen Beteiligung sowie Prozessen zur Erarbeitung Ländern gibt. In der Programmbegleitung ist deutlich überörtlicher integrierter Entwicklungskonzepte eine geworden, dass das Städtebauförderprogramm den besondere Relevanz zu. spezifischen Anforderungen vor Ort gerecht wird. Es kann festgestellt werden, dass sich die Umsetzung in Mit der Bündelung von Förderansätzen ist ein ho- den ersten vier Jahren zunehmend an der Programm- her Koordinierungsaufwand auf kommunaler Ebene strategie orientiert, die Ausrichtung auf die Pro- verbunden, der insbesondere kleinere Gemeinden grammziele aber noch geschärft werden kann. Dies aufgrund der knappen personellen Kapazitäten oftmals lässt vermuten, dass sich das Profil des Programms überfordert. Im weiteren Programmverlauf gilt es zukünftig auch weiter durchsetzen wird. Entschei- insbesondere auf Länderebene die Bündelung und dend sind aber eine aktive Begleitung des Programms ressortübergreifende Finanzierung zu unterstützen. durch die Länder und die Vermittlung der Ziele des Programms. Bund und Länder begreifen das Programm als ler- nend. Deshalb ist der Erfahrungsaustausch wichtig. Gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kom- Zu diesem soll auch der vorliegende Statusbericht bei- munen ist es, die Potenziale des Programms kontinu- tragen. Die vorgestellten Handlungs- und Lösungsan- ierlich zu kommunizieren, umgesetzte Maßnahmen in satze aus der Praxis verdeutlichen, wie die Potenziale der Öffentlichkeit bekannt zu machen und die Förder- vor Ort aktiviert werden können. ■

Kurzfassung 11 Abstract

In 2010, the German Federal Government and the preparing and implementing the measures and may federal states launched the joint urban develop- be used as a rating scale for the achievement of objec- ment promotion programme “Kleinere Städte und tives. Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke” (small cities and – supra- The transfer of information and know-how done by regional cooperation and networks). Thus for the the national transfer agency includes the collection, last three years, the municipalities have been able preparation and transfer of information and know- to make use of a programme tailored to cater to the how, expert advice and profiling of the programme. needs of rural areas under the impact of demographic The transfer agency regularly organizes workshops and structural changes. The programme is part of the and conferences concerning relevant topics, provides “Initiative Ländliche Infrastruktur“ (initiative for rural information on an internet platform and writes status infrastructure) of the Federal Ministry for the Envi- and expert reports. Travelling the programme mu- ronment, Nature Conservation, Building and Nuclear nicipalities and cooperations, frequent talks to local Safety that combines a multitude of measures to sup- and federal states representatives and short surveys port rural areas. Its objectives are to point out future complete the work of the agency. perspectives and innovative strategies to maintain quality of life in rural areas, especially those who suf- The federal states implement the programmes ob- fer from decreasing population and migration. jectives. They support mainly intermunicipal coop- erations. The development and update of integrated With the programme “small cities and municipalities – concepts is a condition for financial support. supra-regional cooperation and networks” the German Federal Government and the federal states want to Many approaches in rural areas base upon EU promo- support small cities and as supply centres within tion (ELER/Leader, ILE, EFRE). Many places developed rural areas. The programme connects this support with in this context intermunicipal cooperations and inte- incentives for intermunicipal coordination. It aims at grated concepts as a basis for the implementation of supporting the economic, social and cultural centres measures in the programme “small cities and munici- in rural areas to strengthen them for future challenges. palities”. Within the short runtime of the programme Their functions are to be ensured on high level for the its relevance as special instrument for rural and population of the cities and surrounding towns. sparsely populated areas mainly revealed.

During the first three years the programme for small The overview of measures shows that the whole cities and municipalities has gained nationwide rel- spectrum of options offered by the programme is evance. Until 2013 there were 327 measures with 989 covered. Nevertheless there are differences between participating municipalities receiving financial grants. the federal states in the emphasis of implementation. Since 2011 the intensive transfer of information and The rural and sparsely populated areas are not struc- know-how among the stakeholders has been supported turally homogeneous and therefore have different by a national transfer agency (Bundestransferstelle). requirements on the supply with Services of general The financial support for the Centre Programme pro- interest. Vice versa the programme offers a useful vided by the Federal Government increased continu- approach to cope with the specific local challenges. ously since 2010 (18 million Euro). 2014 the Federal In the field of implementing the programme there Government provides a total of 70 million euro, being is a significant difference between the western and supplemented by financial aids of the states and the eastern federal states. Eastern at first has to municipalities. cope with already decreased population and its con- sequences. Whereas the western The Federal Ministry, the federal states and the as- are confronted with beginning demographic changes, sociations of local authorities intensively discussed especially regarding an increasing number of people the starting situation and the objectives and possible over 65 years and a decrease in the number of chil- instruments for implementing the Programme. The dren and teenagers, which require an adjustment of resulting programme strategy offers orientation for the infrastructure.

12 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Different fields of action can be derived for the imple- Inner-development mentation of the objectives of the programme. They are related to specific challenges: The principle “inner-development before outer- development (Innenentwicklung vor Außenentwick- Intermunicipal cooperation and networks lung)” is a basis for sustainable spatial development. Strengthening inner cities by concentrating func- The cooperation differs between the municipalities tions and revitalizing public space serve this princi- concerning the objectives: Either it aims at concentrat- ple. Especially in sparsely populated areas being af- ing functions in a central available for the fected by demographic and structural change, lively area or it aims at spreading functions over the area. cores with mixed functions have high relevance for the identification of the population. Intermunicipal cooperations in the programme have different levels of development and strongly differ The municipalities follow different strategies for the concerning form, dimension and aims. Often the pro- revitalization of centres, supported by intermunicipal gramme serves the specification of existing coopera- cooperation, common land management and integrat- tions and the continuation of strategic approaches in ed concepts aiming on inner-development. other contexts. (e.g. ELER/Leader or other federal states programmes) Instruments

Communication, intermunicipal participation and public Basis for deriving and defining measures is the relations intermunicipal integrated concept. In contrast to concepts in other urban development programmes, The organisation of the common infrastructure and they have to be developed intermunicipally regard- the consideration of the needs of all stakeholders ing territory and institutions. They are a result of require including all relevant actors in developing intermunicipal coordination. concepts and implementing measures. Combining different promotion approaches is a known To create awareness for the necessary adaptations of instrument within the urban development promo- infrastructures to the demographic and structural tion. In the context with the new programme and in change is a special challenge for politics as well as for combination with means of promotion approaches the administration. in rural areas (e.g. EU promotion approaches) it gains more significance. Differing programme structures, Infrastructure and Services of general interest terms and conditions as well as interdisciplinary action challenge local actors. The programme supports municipalities to adapt their infrastructure to changing demands on the A cooperation management is able to support smaller basis of common coordination and division of func- cities and municipalities in the implementation proc- tions. Central parts of the Services of general inter- ess, especially in case of short human resources. est are education, local supply, public transport and mobility, health, social and technical infrastructure. To sum up, the Programme for small cities and All topics have in common that especially in rural ar- municipalities gained relevance in the framework of eas the catchment areas of single institutions crosses the national urban development promotion pro- the territories of municipalities and the future needs grammes. For many participating municipalities the cannot be planned on local level. To plan, supply and first stage of implementation (2010 to 2013) implied guarantee these infrastructures demands inter- the formation of intermunicipal cooperations and municipal coordination. The demographic change the formulation and coordination of supra-regional increased this demand. The municipalities’ financial integrated concepts as a basis for future measures scope of action asks increasingly for intermunicipal for the common supply with Services of general coordination. interest. ■

Abstract 13 1 Das Städtebauförderprogramm Kleinere Städte und Gemeinden

Das Programm „Kleinere Städte und Gemeinden – Im Jahr 2010 hat das Bundesbauministerium die „Ini- überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“ ist in tiative Ländliche Infrastruktur“ ins Leben gerufen. Sie der Programmfamilie der Städtebauförderung das bündelt eine Vielzahl von Maßnahmen des Ministe- jüngste Programm. 2010 haben Bund und Länder das riums für eine Stärkung der ländlichen Räume. Neben Programm eingeführt, das sich vor allem an kleinere dem Städtebauförderprogramm „Kleinere Städte Städte und Gemeinden im ländlichen Raum richtet und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und und diese bei der Bewältigung der Herausforderungen Netzwerke“ umfasste die Initiative unter anderem den des demografischen und wirtschaftlichen Wandels Wettbewerb „Menschen und Erfolge“ (www.men- unterstützen soll. Der vorliegende Statusbericht gibt schenunderfolge.de) sowie das Modellvorhaben der einen Überblick über Programminhalte, -gestaltung Raumordnung „Aktionsprogramm regionale Daseins- und -umsetzung in den Ländern sowie in den Pro- vorsorge“ (www.regionale-daseinsvorsorge.de). grammkommunen. Um die Entwicklungschancen von Städten und Ge- Besonders in den Anfangsjahren eines neu aufgelegten meinden im ländlichen Raum weiter zu verbessern, Städtebauförderprogramms ist es wichtig, voneinander wird das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, zu lernen. Eine Erkenntnis der ersten Jahre lässt sich unter Bau und Reaktorsicherheit die „Initiative Ländliche In- dem Leitmotiv „Potenziale aktivieren“ zusammenfassen. frastruktur“ weiterentwickeln. Die Städtebauförderung Anhand von Praxisbeispielen aus den Bundesländern wird als Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und zeigt sich die große Vielfalt an Lösungsansätzen und Pro- Kommunen deutlich gestärkt. jektideen, mit denen die Handelnden vor Ort den Heraus- forderungen des demografischen Wandels begegnen. Mit dem Wettbewerb „Menschen und Erfolge“ werden auch in 2014 wertvolle Lösungsansätze zur Sicherung Die Städtebauförderung ist ein bewährtes Instrument, der Infrastruktur in ländlichen Regionen ausgezeich- um Städte und Gemeinden in ihrer Entwicklung zu net und einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. unterstützen. Das Städtebauförderprogramm „Kleinere Stadtentwicklung und bürgerschaftliches Engagement Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit in ländlichen Regionen erhalten damit als Handlungs- und Netzwerke“ wendet sich an kleinere Städte, die als schwerpunkte der „Initiative Ländliche Infrastruktur“ wichtige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zentren besondere Aufmerksamkeit. gestärkt werden. Bund und Länder fördern mit dem Programm die aktive interkommunale beziehungs- Die Zwischenergebnisse und umgesetzten Projekte der weise überörtliche Zusammenarbeit, insbesondere bei Initiative bieten Anregungen und Hilfestellung, wie der Anpassung und arbeitsteiligen Gewährleistung der mit den Auswirkungen des demografischen Wandels in öffentlichen Daseinsvorsorge. ländlichen Räumen umgegangen werden kann. ■

1.1 Programmstrategie

Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände Ziele, Handlungsbereiche und Instrumente haben vor Beginn des Städtebauförderprogramms dessen Ziele, Inhalte und Rahmenbedingungen für Mit dem Städtebauförderprogramm unterstützen die Umsetzung diskutiert. Als Ergebnis wurde eine Bund und Länder „insbesondere kleinere Städte und Programmstrategie entwickelt. Sie fasst die Ausgangs- Gemeinden in dünn besiedelten, ländlichen, von Ab- lage, Ziele und Förderinhalte des Städtebauförder- wanderung bedrohten und/oder vom demografischen programms „Kleinere Städte und Gemeinden – über- Wandel betroffenen Räumen. Ziel ist, sie als wirt- örtliche Zusammenarbeit und Netzwerke" zusammen schaftliche, soziale und kulturelle Ankerpunkte im und dient allen Beteiligten und Interessierten als ländlichen Raum zukunftsfähig zu machen und ihre Orientierung für die Vorbereitung und Umsetzung zentralörtlichen Versorgungsfunktionen dauerhaft, der Maßnahmen vor Ort. in angemessener Form und auf hohem Niveau für die

14 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Bevölkerung der Städte und Umlandgemeinden zu sichern. Dies stärkt langfristig die Lebensqualität und Attraktivität dieser Kommunen im ländlich geprägten Einzugsbereich.“1

Das Programm ist gekennzeichnet durch die folgenden Leitziele:

1. Kräfte bündeln, überörtlich kooperieren • Stärkung der zentralörtlichen Funktionen durch Bündelung von Kräften und Ressourcen, • Stärkung der Zusammenarbeit von Städten und Gemeinden bei der Sicherung der Daseinsvorsorge, • Stärkung der Partnerschaft zwischen Stadt und Umland. „Gemeinsam eine lebenswerte und lebendige Stadt gestalten“ ist das Leitbild der Stadt , Sachsen-Anhalt 2. Infrastruktur anpassen – Daseinsvorsorge langfristig sichern • Arbeitsteilige Anpassung und Erbringung der städ- Die drei Handlungsbereiche sind miteinander verbun- tebaulichen Infrastruktur der Daseinsvorsorge, den. Die Programmbegleitung zeigt, dass die Maßnah- • Gewährleistung eines kostensparenden, bedarfs- men vor Ort meist alle Handlungsbereiche abdecken, gerechten, sozialverträglichen und langfristig auch wenn Schwerpunkte in der Umsetzung gesetzt gesicherten Angebots der Daseinsvorsorge, werden. Zur Programmumsetzung stehen den Pro- • Stärkung der kleineren Städte und Gemeinden als grammkommunen folgende drei zentrale Steuerungs- wirtschaftliche, soziale, kulturelle Kristallisations- instrumente zur Verfügung, die im Zusammenhang punkte und Ankerpunkte in der Region, mit den oben genannten Handlungsbereichen genannt • Beseitigung städtebaulicher Missstände. und beschrieben werden:

3. Integriert handeln, finanzieren und fördern Das integrierte überörtliche Entwicklungskonzept bil- • Erstellung integrierter Entwicklungskonzepte det die Grundlage für die Formulierung gemeinsamer unter Beteiligung der Öffentlichkeit, Ziele und die Herleitung und Festlegung von Maßnah- • Bündelung der Städtebauförderungsmittel aus men. Im Gegensatz zu Konzepten in den anderen Städ- dem Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ tebauförderprogrammen sind sie sowohl räumlich als mit weiteren Finanzierungsmöglichkeiten (Bund, auch institutionell gemeindeübergreifend zu erstellen Länder, Europäische Union, Private). und das Ergebnis überörtlicher und ressortübergreifen- der Abstimmungsprozesse (vergleiche Kapitel 2). Die inhaltliche Ausgestaltung des Programms erfolgt in drei Handlungsbereichen. Die Kapitel 2.1, 2.2 und Vor dem Hintergrund knapper personeller und finan- 2.3 beschreiben diese Handlungsbereiche und sind mit zieller Ressourcen in kleineren Städten und Gemein- Beispielen aus der Praxis untersetzt: den kann für die Programmumsetzung vor Ort ein • Interkommunale Aufgabe Daseinsvorsorge Kooperationsmanagement hilfreich sein. Ein fachlich • Lebenswerte Stadt- und Ortskerne qualifiziertes Kooperationsmanagement unterstützt die • Aktivierung, Beteiligung und überörtliche Kommu- Beteiligten bei der überörtlichen Zusammenarbeit und nikation Koordinierung von Maßnahmen. Es kann auch Auf- gaben der Außendarstellung wahrnehmen (vergleiche Kapitel 2.1).

1 BMVBS (Hrsg.): Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke. Programmstrategie zum Städtebauförder- programm, Berlin 2013, S. 5.

Das Städtebauförderprogramm Kleinere Städte und Gemeinden 15 Stadt- Ortsentwicklung und über die Sicherstellung einer bedarfsgerechten, langfristigen Daseinsvorsor- ge für sich und ihr Umland. Darüber hinaus können weitere Förder- und Finanzierungsansätze für die Maßnahmen koordiniert und gebündelt werden (zum Beispiel europäische Förderprogramme oder Fördermittel aus anderen Ministerien auf Bundes- und Landesebene).

Zur Vorbereitung städtebaulicher Gesamtmaßnahmen werden dabei insbesondere gefördert: • die Ermittlung der Nachfrageentwicklung und An- passungsbedarfe: Abschätzung der quantitativen und qualitativen Entwicklung der Infrastruktur- auslastung, Bestandserfassung, Bedarfsanalysen zur Identifizierung des Anpassungsbedarfs der Einrich- tungen in den betroffenen Kommunen, • Sanierungskonzepte zur Anpassung ausgewählter Herbstlicher Zinzendorfplatz in , Sachsen zentraler Infrastruktureinrichtungen mit langfristig tragfähigen Maßnahmevorschlägen für den zukünf- tigen Bedarf, Wie in allen Städtebauförderprogrammen haben die • Strategische Netzwerke zur interkommunalen Ko- Kommunen zudem die Möglichkeit, einen regiona- operation für die gemeinsame Sicherung sozialer len Verfügungsfonds einzurichten. Als finanzielles Angebote, Anreizinstrument kann er genutzt werden, um Mit- • Investitionsbegleitende Maßnahmen zur Aktivie- wirkungsbereitschaft an den Entwicklungsprozessen rung des bürgerschaftlichen Engagements und für anzustoßen und private Mittel einzubinden (verglei- die Öffentlichkeitsarbeit: Maßnahmen zur Informa- che Kapitel 2.3). tion, Einbindung und Beteiligung der Öffentlichkeit, um möglichst frühzeitig Akzeptanz für die not- Fördergegenstände2 wendige Anpassung des Infrastrukturangebotes an veränderte Nachfragestrukturen zu schaffen, Die Städte und Gemeinden können die Finanzhilfen • Begleitung der Entscheidungsfindung und Kon- des Bundes und der Länder zur Vorbereitung und zeptentwicklung zur Förderung der überörtlichen Durchführung städtebaulicher Gesamtmaßnahmen, Kooperation und zur Vorbereitung der städtebau- insbesondere für Investitionen zur Anpassung der städ- lichen Gesamtmaßnahmen durch Moderations- tebaulichen Infrastruktur und damit zur Beseitigung leistungen. städtebaulicher Missstände, einsetzen. Die Kommunen können in den Fördergebieten auf Zur Vorbereitung städtebaulicher Gesamtmaßnah- Grundlage der vorbereitenden Maßnahmen die Fi- men fördern Bund und Länder die Erarbeitung und nanzhilfen des Programms insbesondere für Investi- Fortschreibung interkommunal beziehungsweise tionen zur Umstrukturierung und kostensparsamen überörtlich abgestimmter, integrierter Entwick- Anpassung der städtebaulichen Infrastruktur einset- lungskonzepte. Mehrere Städte und Gemeinden oder zen. Diese können beispielsweise sein: Gemeinden mit ihren Gemeindeteilen verständigen • bedarfsgerechte bauliche Anpassung und Sanierung sich in diesem überörtlich verbindlichen Konzept von Gebäuden öffentlicher, sozialer oder kultureller über gemeinsame Strategien und Maßnahmen der Einrichtungen der Versorgungsinfrastruktur für

2 Vgl. BMVBS (Hrsg.): Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke. Programmstrategie zum Städtebauför- derprogramm, Berlin 2013, S. 15 ff.

16 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm eine gemeinsame effizientere Nutzung durch die be- aufzubauen. Die Erfahrungen zeigen, dass es sinn- teiligten Kommunen beziehungsweise Ortsteile, voll ist, schon bei der Definition der räumlichen und • Sanierung und bedarfsorientierter Umbau ste- inhaltlichen Förderschwerpunkte mögliche Bünde- hender Gebäude, zum Beispiel als flexibel nutzbare lungsaspekte zu prüfen und damit zum Bestandteil Multifunktionshäuser für wohnortnahe Versor- des Konzeptes zu machen. Das integrierte Konzept gungsleistungen, kann als übergeordnetes Planungs- und Steuerungs- • Verfügungsfonds (zum Beispiel zur Förderung priva- instrument für die Entwicklung einer Region dienen. ten und bürgerschaftlichen Engagements). Vielerorts dienen integrierte überörtliche Entwick- lungskonzepte oder regionale Entwicklungskonzepte Potenziale bündeln als „Überbau“ für unterschiedliche Förderprogramme, Handlungsfelder und Maßnahmen. Auf der Projekt- Eine Option, den Herausforderungen des demo- ebene kommen Mittel aus verschiedenen Förder- grafischen Wandels zu begegnen, besteht in der töpfen zusammen. Dabei gilt es, auch private Mittel Bündelung von Potenzialen. Kleinere Städte und einzubeziehen und die Folgekosten von Investitionen Gemeinden verfügen häufig nur über ein gewisses nicht aus den Augen zu verlieren. Maß an personellen und finanziellen Ressourcen. Vor diesem Hintergrund gilt es, diese stärker unter Viele kleinere Städte und Gemeinden im ländlichen anderem durch überörtliche Zusammenarbeit zu Raum profitieren bereits seit langem von Förder- bündeln. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass mitteln der Städtebauförderung, der Dorferneuerung auch künftig in kleineren Städte und Gemeinden und EU-Fördermitteln, ohne dass diese bislang mit- Lebensqualität erhalten, lokale Wirtschaftskraft einander verbunden oder strategisch aufeinander ab- gestärkt und die Daseinsvorsorge gesichert werden. gestimmt . Durch seine Ausrichtung kann sich Ansätze zur Bündelung zeigen sich unter anderem in das Städtebauförderprogramm „Kleinere Städte und der Zusammenarbeit der Programmkommunen in Gemeinden“ zu einem Leitprogramm zur Koordinie- Netzwerken oder in der arbeitsteiligen Bereitstellung rung und Bündelung von unterschiedlichen Mitteln öffentlicher Leistungen der Daseinsvorsorge. Ebenso und Förderansätzen profilieren. In Frage kommt ist es möglich, Mittel aus dem Programm mit anderen hierbei insbesondere die Verknüpfung von Mitteln Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten des Bundes, aus der Städtebauförderung mit Finanzhilfen für die der Länder, der Europäischen Union oder von privater Entwicklung ländlicher Räume, wie zum Beispiel im Seite zu bündeln. Rahmen der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE) und von LEADER. Bereits in der Vergangen- Das Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ bie- heit haben die EU-Förderansätze für den ländlichen tet durch seine Schwerpunktsetzung im Bereich der Raum dazu beigetragen, integrierte Ansätze hinsicht- Daseinsvorsorge und Infrastrukturanpassung zusätz- lich überörtlicher Zusammenarbeit und der Bewusst- liches Potenzial zur Bündelung von Ressourcen. Ins- seinsbildung für den demografischen Wandel zu besondere die Verschneidung mit weiteren Themen- verfolgen. feldern der städtischen und ländlichen Entwicklung, wie zum Beispiel der Einsatz erneuerbarer Energien Chancen und Herausforderungen für die Entwicklung in oder Anpassungen an den Klimawandel, ermöglicht kleineren Städten und Gemeinden Lösungsansätze für die Entwicklung der Programm- kommunen. Um die Aufgaben im Zusammenhang Kleinere Städte und Gemeinden finden sich in ländli- mit der bedarfsgerechten Anpassung der öffentlichen chen wie in städtischen Räumen, ihre Funktionen sind Infrastruktur an die sich verändernde Nachfrage zu vielfältig. Sie sind attraktive Orte zum Wohnen, Leben, bewältigen, ist es erforderlich die Kräfte vor Ort zu Arbeiten und Erholen und erfüllen mit ihrem Infra- bündeln. strukturangebot elementare zentralörtliche Versor- gungsfunktionen für die Gemeinden und dörflich ge- Integrierte Entwicklungskonzepte sind eine gute prägten Orte im Umland. Oftmals stehen bei kleineren Grundlage, um unterschiedliche Förderansätze und Städten und Gemeinden Schrumpfung und Wachstum, Ressourcen zu bündeln und tragfähige Strukturen Vitalität und Niedergang direkt nebeneinander.

Das Städtebauförderprogramm Kleinere Städte und Gemeinden 17 stärkeren sozialen Zusammenhalt. Auch die Zufrie- denheit mit Wohnung, Wohnumfeld und der eigenen Kommune ist mindestens gleich hoch oder sogar höher als in größeren Städten – trotz eines geringeren Angebots in Bezug auf Bildung, Kultur, medizinische Versorgung oder Warenangebot.“4

In ländlichen Räumen sind für die regionale Identi- tätsbildung Baukultur und gewachsene städtebauliche Strukturen, bürgerschaftliches Engagement und ge- sellschaftlicher Zusammenhalt von großer Bedeutung. Die Siedlungsform kleinerer Städte und Gemeinden ermöglicht es, in nachbarschaftlicher Gemeinschaft gewachsene, traditionelle Elemente von Lebensquali- tät mit den gewandelten Ansprüchen und Anforde- rungen an den Einzelnen zu verbinden.5 Das Leben in ländlichen Räumen ist oftmals von mehr Selbst- organisation und ehrenamtlichem bürgerschaftlichen Engagement geprägt als in urbanen Räumen. Das Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger, die Arbeit von Vereinen, Kirchen und informellen Zusammen- schlüssen bietet ein großes Potenzial für die Umset- zung der Maßnahmen im Städtebauförderprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden“.

Auch aus der Nähe zur Natur und der Bedeutung für die Naherholung ergeben sich für kleinere Städte und Gemeinden Chancen für ihre Entwicklung: Arbeits- plätze im Bereich Tourismus und die Bedeutung als Städtebauförderung in Bayern und Nordrhein-Westfalen weicher Standortfaktor im Wettbewerb um Einwoh- nerinnen und Einwohner und Unternehmen sind hier zu nennen. Wie eine Bevölkerungsumfrage des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Jahr Die Lebensqualität ist in vielen ländlichen Regionen 2010 verdeutlicht, entspricht für die meisten Men- durch die Folgen des demografischen und wirtschaft- schen, die in kleineren Städten und Gemeinden leben, lichen Wandels gefährdet. Vor allem kleinere und das Lebensumfeld ihren Vorstellungen: „Unter dem mittlere Kommunen in dünn besiedelten, ländlichen Aspekt von Lebensqualität3 betrachtet, bieten ländlich Räumen haben mit abnehmenden Geburtenraten, der geprägte Kommunen ihrer Bevölkerung (...) das, was Abwanderung junger Menschen aufgrund fehlender sie dort sucht: Naturnähe, gute Nachbarschaft und Ausbildungs- und Arbeitsplätze und der Zunahme des

3 Der schwer zu fassende Begriff der „Lebensqualität“ wird in diesem Zusammenhang verstanden als ein „Synonym für subjektive Wahr- nehmungen der Menschen hinsichtlich ihrer Stellung im Leben, gründend auf Kultur und Wertesystem ihrer Zeit und ihrer Region. Sie wird durch zahlreiche Faktoren beeinflusst: durch materiellen Wohlstand und sozialen Status genauso wie durch Gesundheit, Bildung, Berufs- und Lebenschancen oder soziale Netzwerke und Umwelt.“ (BBSR (Hrsg.): Lebensqualität in kleinen Städten und Landgemeinden. BBSR-Be- richte KOMPAKT, 5/2011, S. 1). 4 BBSR (Hrsg.): Lebensqualität in kleinen Städten und Landgemeinden. BBSR-Berichte KOMPAKT, 5/2011, S. 15. 5 Vgl. Wüstenrot Stiftung (Hrsg.): Land und Leute. Bildung, Kunst und Kultur in kleinen Gemeinden – Schlüsselfaktoren für die zukünftige Ent- wicklung! , 2012, S. 13.

18 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Seniorenanteils in der verbleibenden Bevölkerung zu Wege zu den verbleibenden Infrastruktureinrichtun- kämpfen. Diese Trends verlaufen in Städten und Ge- gen schränken vor allem ältere und nicht motorisierte meinden einer Region nicht immer parallel, sondern Menschen in ihrer Lebensqualität deutlich ein. zum Teil sogar gegenläufig. Bevölkerungswachstum in einer Stadt stehen Stagnation beziehungsweise Die Anpassung der Infrastruktur und die damit ver- Schrumpfung in Nachbargemeinden gegenüber. Diese bundenen städtebaulichen Herausforderungen können zum Teil gegensätzlichen Bedingungen erschweren viele Kommunen nicht mehr alleine bewältigen.6 Um kommunales beziehungsweise gemeinsames Handeln. die Kommunen in ihrer Entwicklung zu unterstützen, Der Wettbewerb zwischen den Kommunen um Ein- haben Bund und Länder 2010 das Städtebauförderpro- wohner und Unternehmen verstärkt diese Entwick- gramm "Kleinere Städte und Gemeinden" gestartet. lung zusätzlich. Informations- und Erfahrungsaustausch Ein Bevölkerungsrückgang führt unweigerlich zu einer reduzierten Nachfrage nach Leistungen der Da- Im November 2011 wurde zur Begleitung und Betreu- seinsvorsorge. Eine sinkende Nachfrage zieht mittel- ung des Bund-Länder-Programms „Kleinere Städte bis langfristig Tragfähigkeitsprobleme nach sich. Die und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und öffentliche Hand wird gezwungen, das kommunale Netzwerke“ eine Bundestransferstelle eingerichtet. Die Angebot nicht ausgelasteter Einrichtungen an die ge- Transferstelle arbeitet im Auftrag des Bundesminis- änderte Nachfrage anzupassen. Auch private Dienst- teriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor- leister der Daseinsvorsorge müssen auf sinkende sicherheit (BMUB) und des Bundesinstituts für Bau-, Einnahmen reagieren. Der Anpassungsbedarf von Da- Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für seinsvorsorgeangeboten betrifft nicht nur Räume mit Bauwesen und Raumordnung (BBR) und versteht sich schrumpfender Bevölkerung, sondern zum Teil auch als programmspezifisches Kompetenzzentrum. Sie stagnierende oder prosperierende Regionen, in denen stellt ihre Informationen einer breiten Öffentlichkeit mittelfristig noch ein Einwohnerzuwachs zu erwarten zur Verfügung. Damit verbunden sind zwei zentrale ist. In vielen kleineren Städten und Gemeinden gehen Aufgabenfelder: der Ausbau und die Reduktion von Infrastruktur- • Gewährleistung und aktive Unterstützung eines angeboten teilweise Hand in Hand, weil sich auf der kontinuierlichen Informationsflusses und Wissens- einen Seite der Anteil der Älteren erhöht und auf der transfers zwischen den unterschiedlichen Akteuren anderen Seite der Anteil der Kinder, Jugendlichen und auf kommunaler Ebene sowie auf Landes- und Bun- jungen Erwerbstätigen abnimmt. Dieses Nebenein- desebene, die an der Entwicklung kleinerer Städte ander von gleichzeitigem Abbau, Umbau und Ausbau und Gemeinden beteiligt sind. belastet die kommunalen Haushalte zusätzlich. • Erfassung und Vermittlung des Sachstandes der Programmumsetzung sowie guter Lösungsansätze. Viele Städte und Gemeinden sehen keine andere Mög- Dazu gehört auch die Darstellung von Handlungs- lichkeit als die Schließung der Einrichtungen. Werden ansätzen und Hemmnissen in der Bereitstellung der öffentliche und private Infrastrukturangebote aus öffentlichen Daseinsvorsorge, der Bündelung ver- Kostengründen reduziert, hat das unmittelbare Folgen schiedener Förderansätze sowie der überörtlichen für die Stadt- beziehungsweise Ortsentwicklung, für Zusammenarbeit als Grundlage für Empfehlungen die lokale Wirtschaft und für die Versorgung der Be- und als Instrument der Politikberatung. völkerung. Erhebliche Funktionsverluste (zum Beispiel durch Gebäudeleerstände und Brachflächen) sowie Die Bundestransferstelle trägt als vermittelnde Instanz der Wegfall wichtiger Bezugspunkte des öffentlichen zur Qualifizierung der Programmumsetzung der Lebens gefährden die städtebaulichen Strukturen in Programmkommunen bei und steht Interessierten für den betroffenen Kommunen sowie deren Attraktivität Fragen und einen offenen Informationsaustausch zur als Wohnort und Wirtschaftsstandort. Deutlich längere Verfügung.

6 Vgl. BMVBS (Hrsg.): Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke. Programmstrategie zum Städtebau- förderprogramm, Berlin 2013.

Das Städtebauförderprogramm Kleinere Städte und Gemeinden 19 Internetportal www.städtebauförderung.info – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“. Die Transferveranstaltungen thematisieren unter anderem Zentrales Medium für Erfahrungsaustausch Fragen zur Programmgestaltung sowie die Übertrag- und Wissenstransfer ist das Internetportal barkeit von Lösungsansätzen und Anpassungsstrate- www.städtebauförderung.info, auf dem unter anderem gien. Dabei steht der Dialog zwischen den beteiligten aktuelle Hintergrundinformationen zum Programm, Akteuren von Bund, Ländern, Kommunen und aus der Ergebnisse aus der Forschung, gute Beispiele der Planungspraxis im Mittelpunkt. Programmumsetzung, eine Literaturübersicht und ein Veranstaltungskalender bereit gestellt werden. Herausgabe von Veröffentlichungen

Wissenstransfer durch Veranstaltungen Ergänzt wird das Angebot der Bundestransferstelle durch Veröffentlichungen. Dies sind beispielsweise Eine wichtige Rolle bei der Informationsvermittlung Auswertungen und Dokumentationen von Veran- spielt die Durchführung von Transferwerkstätten zu staltungen, die Erstellung von Arbeitshilfen und die ausgewählten Schwerpunktthemen des Städtebau- regelmäßige Herausgabe von Statusberichten zur Um- förderprogramms „Kleinere Städte und Gemeinden setzung des Programms. ■

1.2 Programmumsetzung in den Ländern

Wie bei allen Programmen der Städtebauförderung übrigen zwei Drittel werden von Land und Kommune obliegt die Durchführungsverantwortung des Pro- bereitgestellt. gramms „Kleinere Städte und Gemeinden – überört- liche Zusammenarbeit und Netzwerke“ den Ländern. Die Stadtstaaten Berlin, und kön- Grundlage hierfür ist die jeweilige Förderrichtlinie, nen die auf sie entfallenen Finanzhilfen für Gesamt- in der die Förderfähigkeit von Maßnahmen und maßnahmen in anderen Programmen der Städtebau- Vorhaben, Förderschwerpunkte und spezifische Aus- förderung nutzen. nimmt bislang nicht am wahlkriterien benannt werden. Je nach ihrer Ausge- Programm teil. staltung werden bei der Umsetzung des Programms eigene Akzente gesetzt. Dies hat eine große Vielfalt Die Länder setzen sich dafür ein, ihren Programm- der Programmumsetzung zur Folge. Die unterschied- kommunen die Programmziele zu vermitteln. Mit lichen Handlungsansätze und bereits erreichten voranschreitender Programmlaufzeit sind die The- Ergebnisse bergen ein großes Lern- und Innovations- men demografischer Wandel, Daseinsvorsorge und potenzial, von dem die Programmverantwortlichen überörtliche Zusammenarbeit zunehmend in den des Bundes, der Länder und der Programmkommu- Vordergrund gerückt. Als Auswahlkriterien für die nen profitieren können.7 Aufnahme in das Städtebauförderprogramm dienen die Einwohnerzahl und die Zentrenfunktion sowie Die Verteilung der Bundesmittel auf die Länder er- problemorientierte Strukturdaten und Raumkate- folgt auf Basis eines in der Verwaltungsvereinbarung gorien (periphere Lage, Wirtschaftskraft oder demo- Städtebauförderung jährlich festgelegten, problem- grafische Entwicklung). Von der Förderung profitieren orientierten Verteilungsschlüssels. Die Finanzierung in einigen Ländern insbesondere Kommunen, die der Maßnahmen erfolgt als Gemeinschaftsleistung von bislang keine Mittel der Städtebauförderung erhalten Bund, Ländern und Kommunen. Der Bund beteiligt haben. In anderen Ländern werden vorrangig Kom- sich an der Finanzierung der Maßnahmen grundsätz- munen aufgenommen, die bereits Mittel der Städte- lich mit einem Drittel der förderfähigen Kosten. Die bauförderung erhalten oder in denen die Förderung

7 Die relevanten förderrechtlichen Bestimmungen finden sich als Ergänzungen in den jeweiligen Städtebauförderrichtlinien wieder oder wur- den als eigenständige Richtlinien für das Programm neu beschlossen.

20 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm ausgelaufen ist (zum Beispiel nach Ende des Städte- bauförderprogramms Sanierungs- und Entwicklungs- maßnahmen).

Interkommunal beziehungsweise überörtlich zu- sammenarbeitende Kommunen werden vorrangig gefördert: Mehr als die Hälfte der Länder setzen den Zusammenschluss zu einer interkommunalen Ko- operation für die Aufnahme in das Programm voraus. Es werden sowohl bereits bestehende Kooperationen aufgenommen als auch Zusammenschlüsse, die im Kontext des Städtebauförderprogramms entstehen. Die überörtliche Zusammenarbeit umfasst sowohl gemeindeübergreifende Handlungsansätze als auch die intrakommunale Zusammenarbeit. Letztere zielt auf eine verstärkte Abstimmung der Gemeindeent- Auch Glückstadt in Schleswig- erstellte ein Zukunftskonzept wicklung zwischen den Ortsteilen und wird vor allem Daseinsvorsorge in den Programmkommunen der Länder , Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt verfolgt. Hier gibt es zum Teil flächengroße Gemeinden mit Viele Programmkommunen wurden oder werden vielen Ortsteilen, die durch Gemeindegebietsrefor- auch mit Mitteln aus EU-Programmen für die länd- men zusammengeschlossen wurden. Mit Hilfe des liche Entwicklung unterstützt. In diesem Kontext sind Programms werden Prozesse initiiert, mit denen die bereits interkommunale Kooperationen und integ- zukünftige Entwicklung der Gemeinde gesteuert und rierte überörtliche Konzepte entstanden, die eine gute abgestimmtes Handeln zwischen den Ortsteilen ge- Basis für die Umsetzung von Maßnahmen im Städte- fördert wird. In Schleswig-Holstein stehen Stadt-Um- bauförderprogramm „Kleinere Städte und Gemein- land-Kooperationen im Mittelpunkt, in Brandenburg den“ bilden. Daran anknüpfend wird in den Ländern werden vorrangig Kooperationen der Mittelzentren für das Städtebauförderprogramm eine Fokussierung mit den Gemeinden im jeweiligen Mittelbereich in beziehungsweise Fortschreibung der integrierten das Programm aufgenommen. Konzepte gefördert. Hierbei stehen, gemäß der in der Programmstrategie verankerten Ziele, städtebauli- Die Erarbeitung oder Fortschreibung integrierter Ent- che Themen und die Sicherung der Daseinsvorsorge wicklungskonzepte ist in allen Ländern Fördervoraus- im Vordergrund. So werden zum Beispiel in Bayern setzung. Sie sind damit die zentrale Handlungsgrund- Daseinsvorsorgestrategien zur Ergänzung bestehen- lage für die Programmumsetzung auf kommunaler der integrierter ländlicher Entwicklungskonzepte Ebene. Die Erstellung integrierter Entwicklungskon- erarbeitet. zepte wird in einigen Ländern durch die Erarbeitung sektoraler Konzepte begleitet. Beispielsweise wurden Durch die Förderung der Erarbeitung von Strategien, in Schleswig-Holstein in den ersten Jahren der Pro- die explizit auf die Sicherung der Daseinsvorsorge in grammumsetzung für die Kooperationsräume ver- interkommunaler Zusammenarbeit ausgerichtet sind, schiedene konzeptionelle Vorarbeiten getätigt. Im Auf- wie zum Beispiel in Brandenburg, Niedersachsen trag des Landes erfolgte die Erstellung kleinräumiger und Schleswig-Holstein, wird eine Umsetzung des Bevölkerungsprognosen als Grundlage für das jeweilige Programms entsprechend seiner Ziele gestärkt. In „Zukunftskonzept Daseinsvorsorge“. In ausgewählten den drei genannten und weiteren Ländern existieren Programmkommunen erfolgte zudem parallel die wettbewerbsorientierte oder zweistufige Auswahl- Erarbeitung regionaler Wohnungsmarktkonzepte. Die prozesse und Konzepterarbeitungsphasen. Dadurch aufgestellten konzeptionellen Vorarbeiten bieten kann eine hohe Qualität der konzeptionellen und eine fundierte Grundlage für die Ableitung von Förder- inhaltlichen Grundlagen in den Programmkommu- gebieten und konkreten Maßnahmen. nen gesichert werden.

Das Städtebauförderprogramm Kleinere Städte und Gemeinden 21 im Fokus. Die Kerne sollen als Ankerpunkte in der Region gestärkt werden, in denen bedarfsgerechte An- gebote der Daseinsvorsorge bereit gehalten werden. Hierbei ist zu beobachten, dass sowohl umfassende Erneuerungsmaßnahmen als auch gezielt einzelne Infrastrukturprojekte mit überörtlicher Bedeutung gefördert werden.

Verantwortliche aus Programmkommunen betonen, wie wichtig der Erfahrungsaustausch und spezifi- sche Informations- und Beratungsangebote sind, um konkrete Fragen der Programmumsetzung zu lösen, Probleme zu bewältigen und Impulse für den Ent- wicklungsprozess zu erhalten. Schleswig-Holstein ist bislang das einzige Land, in dem programmspezifische Netzwerktreffen auf Länderebene stattfinden. Auf Die Gestaltung des öffentlichen Raumes in Burgbrohl, Rheinland- Einladung des zuständigen Innenministeriums fand Pfalz, stärkt auch die Zentrumsfunktion im Frühjahr 2014 das erste Treffen in einer Programm- kommune statt. Die Netzwerktreffen bieten ein Forum für den Austausch von Fragen und Erfahrungen zur Auch im Land Rheinland-Pfalz startete Ende 2013 ein Programmumsetzung zwischen den Programmkom- Teilnahmewettbewerb für das Städtebauförderpro- munen und mit dem Landesministerium und werden gramm „Kleinere Städte und Gemeinden“. Das Land durch eine Gebietsbesichtigung abgerundet. weitet damit das Programm aus und öffnet es auch für kooperationsbereite Gemeinden, die bislang noch Im Freistaat Bayern stehen zur Unterstützung der nicht zur Förderkulisse der Städtebauförderung ge- Programmkommunen neben Publikationen zur hört haben. Bewerben können sich Grundzentren mit interkommunalen Zusammenarbeit, zum Leerstands- mindestens 1.000 Einwohnern, die sich als regionale und Flächenmanagement Beispiele aus der Praxis Mittelpunkte mit ihrem Umland abstimmen oder in auf den Seiten des Bayerischen Staatsministeriums Kooperationsverbünden von bis zu drei Städten be- des Innern, für Bau und Verkehr zur Verfügung. Die ziehungsweise größeren Gemeinden mit überörtlichen Betreuung der Programmkommunen liegt in der Versorgungsfunktionen zusammenarbeiten (vergleiche Verantwortung der Bezirksregierungen, die als Be- www.isim.rlp.de/staedte-und-gemeinden/staedtebauli- willigungsbehörden auch den Erfahrungsaustausch che-erneuerung/laendliche-zentren, Zugriff: Mai 2014). unterstützen. So gibt es zum Beispiel in jedem Regie- rungsbezirk Ansprechpartner für Fragen der inter- In Sachsen-Anhalt werden seit 2012 in einem mo- kommunalen Zusammenarbeit. Sie informieren und dellhaften, von Forschungsinstitutionen begleiteten beraten Kommunen, begleiten diese bei Rechtsfragen Prozess integrierte gemeindliche Entwicklungskon- und fachlichen Fördermöglichkeiten auf dem Weg zur zepte in ausgewählten Kommunen erarbeitet. An Entscheidung. Darüber hinaus informieren sie über dem Vorhaben sind das für die Städtebauförderung mögliche Risiken von Kooperationsprojekten, zeigen zuständige Ministerium für Landesentwicklung und Lösungsmöglichkeiten auf und stellen Kontakte zu Verkehr und das für die Dorferneuerung zuständige anderen Fachleuten her (vergleiche www.stmi.bayern. Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt beteiligt de/buw/staedtebaufoerderung, Zugriff: Mai 2014). (vergleiche www.demografie.sachsen-anhalt.de/pro- jekte-in-sachsen-anhalt/integrierte-gemeindliche- Eine länderspezifische Besonderheit in Nordrhein- entwicklungskonzepte-igek/, Zugriff: Mai 2014). Westfalen ist die Einbindung des Städtebauförder- programms Kleinere Städte und Gemeinden in die In der Umsetzung vor Ort steht oftmals die Zentren- REGIONALEN. Das Land hat 1997 mit den soge- entwicklung der kleineren Städte und Gemeinden nannten REGIONALEN ein besonderes Struktur-

22 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm programm eingeführt. Die REGIONALEN bündeln die strukturpolitischen Aktivitäten verschiedener Ressorts der Landesregierung und die bestehenden Förderprogramme in einem bestimmten Zeitraum in ausgewählten Regionen. Die Federführung liegt beim Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Die REGIONALEN werden zudem durch eine Agentur begleitet. Sie fungiert unter anderem als koordinie- rende Schnittstelle zu den fördermittelgebenden Ressorts der Landesregierung und weiteren Partnern und unterstützt die Programmkommunen bei der Bündelung von Fördermitteln und der Organisation von Prozessen. Die REGIONALE bietet im Turnus von drei Jahren einer ausgewählten Region die Möglich- keit, Entwicklungsstrategien umzusetzen und sich zu präsentieren. Die Grundschule in , Mecklenburg-Vorpommern, wird umfassend saniert und umgebaut Das Strukturprogramm versteht sich gleichermaßen als Leistungsschau der Region und als regionaler Lernprozess. In diesem Rahmen werden Projek- förderprogrammübergreifenden Konzepten teil- te mit hohem Qualitäts- und Modellanspruch in räumliche Handlungskonzepte mit konkreten Maß- einem Qualifizierungsprozess organisiert. Die zer- nahmen für das Städtebauförderprogramm ab. Die tifizierten Projekte werden aus den bestehenden Erarbeitungsprozesse der Konzepte werden durch Förderprogrammen prioritär gefördert. Aufgrund breite Beteiligungsverfahren begleitet (vergleiche des Qualifizierungsschubs der REGIONALE und www.saarland.de/stadt_land.htm, Zugriff: Mai 2014). der konsequent verfolgten Mittelkonzentration können in einem kurzen Zeitraum ausgewählte Über die aufgeführten Ansätze hinaus wurden in wei- Schlüsselmaßnahmen finanziert und damit ent- teren Ländern auf die Städtebauförderprogramme zu- scheidende Entwicklungsimpulse ausgelöst werden. geschnittene Handreichungen erarbeitet, programm- (vergleiche www.mbwsv.nrw.de/stadtentwicklung/ spezifische Leitfäden oder Publikationen liegen aber regionale_zusammenarbeit, Zugriff: Mai 2014). bislang in keinem der Länder vor. Jedoch werden die Programmkommunen bei der Umsetzung des Städte- Im Saarland existiert seit 2008 ein Leitfaden zur bauförderprogramms durch bereits vorhandene, in Erarbeitung integrierter Gemeindeentwicklungs- anderen Kontexten entstandene Informationsan- konzepte. Mittlerweile liegt für alle saarländischen gebote (zum Beispiel zur Dorferneuerung, Sicherung Programmkommunen ein solches Konzept vor. Die der Daseinsvorsorge oder interkommunaler Zusam- Programmkommunen leiten im Rahmen des Städ- menarbeit) und themenspezifische Veranstaltungen tebauförderprogramms aus diesen themen- und zusätzlich unterstützt. ■

Das Städtebauförderprogramm Kleinere Städte und Gemeinden 23 1.3 Das Programm in Zahlen

→ Das Programm stößt bundesweit auf breite Reso- →→ Die Zusammenarbeit der Kommunen gewinnt zuneh- nanz: Insgesamt werden derzeit 327 Maßnahmen mend an Bedeutung: 56 Prozent der Maßnahmen wird gefördert (Stand Programmjahr 2013). Mehr als 890 in interkommunaler Kooperation umgesetzt. Bei knapp Städte und Gemeinden arbeiten im Programm inter- zwei Dritteln handelt es sich um Kooperationen mit kommunal zusammen oder setzen Maßnahmen auf zwei bis fünf beteiligten Kommunen, ein Drittel wird in Gemeindeebene um. Im ersten Programmjahr 2010 Kooperationen mit fünf und mehr beteiligten Kommu- wurden 76 Maßnahmen in 164 Städten und Gemein- nen umgesetzt. den gefördert. → Bei den Fördergebieten handelt es sich häufig um Ge- → Durch die Finanzhilfen werden entsprechend der Pro- biete in Innenstadt- beziehungsweise Ortskernlage mit grammstrategie in erster Linie Kleinstädte und Land- überwiegender Mischnutzung. Beim Baualter überwiegt städte unterstützt. Die Verteilung der Fördermittel gemischte Bebauung beziehungsweise Bebauung vor in den Bundesländern spiegelt die unterschiedlichen 1949. Eine Vielzahl der Fördergebiete befindet sich so- kommunalen Strukturen wider. Fast die Hälfte (46 Pro- mit in historischen Stadt- und Ortskernen. Die Stärkung zent) der geförderten Kommunen liegt in ländlichen der Zentren in den kleineren Städten und Gemeinden Regionen. geht einher mit ihrer Stärkung als Wohnstandort.

→→ Im Programmjahr 2014 stellt der Bund Finanzhilfen →→ Mehr als die Hälfte der beteiligten Städte und Gemein- in Höhe von rund 70 Millionen Euro zur Verfügung den schrumpft. Einige Länder haben auch stabile und (Verpflichtungsrahmen). Damit wurden die Bundes- wachsende Kommunen in das Programm „Kleinere mittel gegenüber 2013 mit rund 55 Millionen Euro Städte und Gemeinden“ aufgenommen. Gerade in und den vorangegangenen Programmjahren deutlich diesen Ländern gilt es das Programm noch weiter zu angehoben. schärfen, indem die besonders vom demografischen Wandel betroffenen Kommunen stärker als bislang in das Programm eingebunden werden.

Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Höhe Grundlage sind die Daten zur Städtebauförderung des und Verteilung der Bundesfinanzhilfen im Programm BMUB und der laufenden Raumbeobachtung des BBSR. "Kleinere Städte und Gemeinden" sowie die geför- Die Auswertung der Daten aus der laufenden Raumbe- derten Gesamtmaßnahmen in den Ländern. Ebenso obachtung zeigt die Lage, Struktur und Charakteristika beschreiben die nachfolgenden Abschnitte die Lage der Programmkommunen. In den jährlich auszufüllen- und Charakteristik der Programmkommunen sowie den Begleitinformationen geben die Programmkommu- die räumliche Schwerpunktsetzung bei der Auswahl nen unter anderem Informationen über Art und Lage der Fördergebiete im Programm. sowie Nutzungs- und Bebauungsstruktur ihrer Förder- gebiete. So entsteht eine Übersicht, welche siedlungs- strukturellen Schwerpunkte vor Ort gesetzt werden.8

8 Zum Verständnis der Abbildungen in diesem Kapitel ist eine kurze Erklärung der Herkunft der Datensätze erforderlich. Die Förderdaten aus dem Bundesprogramm liegen zu 327 Maßnahmen und 989 beteiligten Kommunen (Stand 2013) vor. Die Auswertung der Begleitinformatio- nen basiert auf Datensätzen zu 297 Gesamtmaßnahmen (zum Teil interkommunale Kooperationen), an denen 959 Kommunen mit insgesamt 773 Fördergebieten beteiligt sind (Stand 2013). In den Daten der Begleitinformationen sind einzelne beteiligte Kommunen, die an mehreren Gesamtmaßnahmen beteiligt sind, mehrfach aufgeführt, da sie entsprechend mehr als eine Begleitinformation ausgefüllt haben. Außerdem liegen für einige Gesamtmaßnahmen mehrere Förderanträge vor, sodass in den Begleitinformationen doppelte Datensätze vorliegen. Dem gegenüber sind im Datensatz des BBSR zur laufenden Raumbeobachtung die beteiligten Kommunen nur einmal aufgeführt, entsprechend liegt die Grundgesamtheit der beteiligten Kommunen hier bei 807. Die Grundgesamtheit ist jeweils im Titel der Tabellen und Abbildungen genannt, die Herkunft der Daten jeweils in der Quellenangabe unter den Tabellen und Abbildungen.

24 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Abbildung 1: Verteilung der Bundesfinanzhilfen auf die Länder Abbildung 2: Anzahl und Größe der Kooperationsräume9 nach gemäß VV Städtebauförderung (in Tausend Euro im Programmjahr) Ländern und gesamt (n=256)

100%

30.000 80%

60% 20.000 40%

10.000 20%

0% 0 BW BY BE BB HB HH HE MV NI NW RP SL SN ST SH TH Kooperationsraum mit mehr als 5 beteiligten Kommunen 2013 2012 2011 2010 Kooperationsraum mit 2 bis 5 beteiligten Kommunen Kooperationsraum mit einer Kommune

Quelle: eigene Darstellung auf Basis der Verwaltungsvereinbarungen Städtebauförderung 2010-2013 Quelle: eigene Darstellung auf Basis der Begleitinformationen 2013

Höhe und Verteilung der Finanzhilfen Zahl der Gesamtmaßnahmen

Im Programmjahr 2013 stellte der Bund Finanzhilfen Seit Beginn des Programms hat sich die Zahl der in Höhe von rund 55 Millionen Euro zur Verfügung geförderten Maßnahmen und der am Programm (Verpflichtungsrahmen). Damit wurden die Bundes- beteiligten und kooperierenden Kommunen deut- finanzhilfen angesichts der zum Teil großen Heraus- lich erhöht. Im ersten Programmjahr 2010 wurden forderungen kleinerer Städte und Gemeinden in 76 Maßnahmen mit 204 beteiligten Kommunen in ländlichen Räumen gegenüber den Programmjahren das Programm aufgenommen. Nach vierjähriger 2012 mit rund 44,3 Millionen Euro, 2011 mit rund 35 Programmlaufzeit werden bundesweit 327 Maß- Millionen Euro und 2010 mit rund 18 Millionen Euro nahmen gefördert (Programmjahr 2013). Mehr als deutlich angehoben. 980 Kommunen sind mit eigenen Fördergebieten oder im Rahmen interkommunaler Kooperationen Der Bund beteiligt sich an der Finanzierung der an der Umsetzung beteiligt. Abbildung 3 zeigt die Maßnahmen mit einem Drittel. Die anderen zwei am Programm beteiligten Städte und Gemeinden im Drittel bringen Land und Gemeinde auf. In einer Programmjahr 2013. gemeinsamen Verwaltungsvereinbarung (VV) Städte- bauförderung regeln Bund und Länder jährlich die Einen Überblick über die Anzahl der geförderten Voraussetzungen zur Aufnahme von Maßnahmen Maßnahmen und Kommunen in den vier Programm- in das Städtebauförderprogramm und die Gewäh- jahren nach Ländern gibt die Tabelle 1. rung von Finanzhilfen. Einzelheiten werden in den Förderrichtlinien der Länder geregelt. Zusammen mit In den meisten Ländern ist der Zusammenschluss zu der Programmstrategie sind sie die Grundlage für die einer interkommunalen Kooperation eine Vorausset- Programmumsetzung. zung für die Aufnahme in das Programm. Abbildung 2

9 Als Kooperationsraum wird ein Raum verstanden, in dem mehrere Kommunen im Rahmen des Städtebauförderprogramms „Kleinere Städte und Gemeinden“ miteinander kooperieren. Die Daten basieren auf den Angaben aus den Begleitinformationen, aus denen die doppelte Nennung herausgefiltert wurde, um die Anzahl der tatsächlich existierenden Kooperationsräume zu ermitteln. Ebenfalls wurden einzelne beteiligte Kommunen berücksichtigt, die an mehr als einem Kooperationsraum beteiligt sind. Aufgrund der Beschaffenheit der Datensätze ist eine Zusammenführung der einzelnen Datensätze und eine Auswertung auf Basis der Kooperationsräume jedoch nicht möglich.

Das Städtebauförderprogramm Kleinere Städte und Gemeinden 25 Abbildung 3: Städte und Gemeinden im Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ (2013)

DK

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! ### ### !! ## # ! !!#! !! # ! ! !! # ! # !#!! ! # ! # # !!# # # ! ##!!!! # ###### # # # # # #### ## # ### Hamburg ! ## # ! # ## # " # ! # # ! ### # # ! " ## ! " ! ! ! # ## # # ! # ### # # ! # Bremen ! ##" # ### # # ## ## ! # #### # ## # ##### # # ## # # PL ## # # # # ! ! ! ## ## ## # # ### # # ## ### ## ##### #### ! ## ### ### # ## # ! ! ### ### ### Berlin # # ### # ! ### # # " ! Hannover ## # ! ! # # ##### NL # ## # # # " # # # # ! " # ## # ### ## ###### # # " ! # # #### ## #### # # # ##### # # " ###### # # ! # # ##### # # " ## # # ! " # # ## ! # " # #"# # # # # ! " # # # # ## ! # ! # "# /S.# ! # # ! " " # # # # ! " # ! ! # ## # " " # ! ! ! Düsseldorf # " ! ! !! ! # # # # # # #"# "# " ! # " " #" " " # ## # !! # ! # #" # # !!!! # # #!! # " ! ! ! ## ! ! ! # Köln ! ! ! ! ! # # # # !! # # # ! # ! !# # #" ### ! # ! # # ! # # ! !!!! ! #! # ## !!#! # !# # # ! ! # ! # #! ### BE # # # ##! # # # ! # #!!! # !!# ! ! ! ! ! !! # ! # # #!! !!#! ! ! ! ! ! ##! ! # /M. ##! ! !! ! ## ! ! ! CZ ! # # ! !#! ! #! !! # # !!# # ! ## !# # ! !#### # LU # !## ## ## !! # #! ! # ! ! # ! ! ! # #! # # ! # ! ! ! ! ! Nürnberg ! ! # # ## ! ! !! ## # # ! # ### ! ! # ## # Saarbrücken # ! !! ! ! ! # !# " !! ! ! ! !! # ! # !!! ! # !!! # ! # ! !! !! ! !#! FR ! !!! ! # " ! ! #! # # ! # # #!! " !! # #! ! # ! #" ## ! ### ! "# # # # ## !!! #! ! !!# # #! #!!!!! !!# # " #! ! !! ! ! ! ## ## # # # AT ! # ! # # München ##!! ! i.Br.# ## #" # ! ## # !! # # ! # "# ! # ! # !#! # CH !# 100 km © BBSR Bonn 2014

Stadt-/Gemeindetyp

" Mittelstadt Großstadtregionen # Kleinstadt Gebiete außerhalb von Großstadtregionen ! Landgemeinde ! !! interkommunale Maßnahme

Datenbasis: Städtebauförderungsdatenbank des BBSR, Stand Mai 2014; Geometrische Grundlage: BKG, Gemeinden, 31.12.2012; Bearbeitung: Th. Wagener Quelle: Städtebauförderungsdatenbank des BBSR, bearbeitet

26 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Tabelle 1: Anzahl der geförderten Gesamtmaßnahmen nach Ländern in den Jahren 2010 bis 2013

Land 2010 2011 2012 2013 Gesamt Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl geförderte geförderte geförderte Ruhende Ruhende Ruhende Gesamtzahl geförderte Maßnahmen Maßnahmen Maßnahmen Maßnah- Maßnah- Maßnah- der Maß- Maßnah- ( ) = davon ( ) = davon ( ) = davon men men men nahmen men neue Maß- neue Maß- neue Maß- nahmen nahmen nahmen Baden-Württemberg 7 15 (8) 0 31 (31) 15 36 (3) 13 49 Bayern 25 41 (18) 0 52 (17) 5 68 (16) 7 75 Brandenburg 8 5 (0) 3 8 (1) 1 9 (0) 0 9 Mecklenburg- 1 3 (3) 1 4 (3) 3 6 (5) 6 12 Vorpommern Niedersachsen 0 20 (20) 0 15 (9) 14 24 (14) 19 43 Nordrhein-Westfalen 9 13 (8) 4 29 (18) 6 30 (13) 18 48 Rheinland-Pfalz 4 8 (4) 0 13 (5) 0 13 (2) 2 15 Saarland 2 4 (2) 0 3 (0) 1 4 (0) 0 4 Sachsen 2 5 (4) 1 6 (2) 2 10 (3) 1 11 Sachsen-Anhalt 10 3 (2) 9 13 (9) 8 14 (7) 14 28 Schleswig-Holstein 3 7 (4) 0 4 (0) 3 5 (0) 2 7 Thüringen 5 7 (5) 3 8 (5) 7 13 (12) 13 26

Gesamt 76 131 (78) 21 194 (100) 59 232 (75) 95 327

Quelle: eigene Darstellung auf Basis der Förderdaten des Bundesprogramms 2013 des Städtebauförderprogramms „Kleinere Städte und Gemeinden“10

zeigt, dass circa ein Drittel der 256 Kooperationsräu- Lage und Größe der Programmkommunen me aus zwei bis fünf beteiligten Kommunen bestehen. Größere Kooperationen mit fünf und mehr Kommu- Insgesamt betrachtet sind 95 Prozent der an der Pro- nen sind in einem Fünftel der Kooperationsräume zu grammumsetzung beteiligten Kommunen Kleinstädte finden. 44 Prozent der Kooperationsräume bestehen (63,9 Prozent) und Landgemeinden (31,1 Prozent). nur aus einer Kommune, wobei die überörtliche Ab- Nur knapp 5 Prozent der beteiligten Kommunen sind stimmung hier in der Regel zwischen den Ortsteilen Mittelstädte. Die Verteilung der Fördermittel auf diese oder mit den Umlandgemeinden stattfindet. drei Stadt- und Gemeindetypen unterscheidet sich zwischen den Bundesländern. In den Ländern mit Die Verteilung unterscheidet sich in den einzelnen dem höchsten Anteil an Kleinstädten und Landstäd- Bundesländern entsprechend ihrer unterschiedlichen ten ist ihr Anteil bei den Programmkommunen auch Gemeindestrukturen. Denn auch bei einer einzelnen entsprechend hoch. Kommune kann es sich um einen Kooperationsraum handeln, da viele Kommunen über zahlreiche Orts- Die Bundesländer Brandenburg, Bayern, Schleswig- teile verfügen oder als Verbandsgemeinde, Verwal- Holstein und Thüringen weisen bei den beteiligten tungsgemeinschaft oder Einheitsgemeinde mit vielen Kommunen im Programm ein ähnliches Bild mit Verwaltungseinheiten organisiert sind. hohem Anteil an Landstädten (> 50 Prozent), relativ

10 BMUB (Hrsg.): Bundesprogramm Kleinere Städte und Gemeinden 2013, verfügbar unter www.staedtebaufoerderung.info/StBauF/DE/ Programm/StaedteGemeinden/Foerderung/foerderung_node.html, Zugriff: 27.05.2014.

Das Städtebauförderprogramm Kleinere Städte und Gemeinden 27 Abbildung 4: Stadt- und Gemeindetyp der beteiligten Kommunen Abbildung 5: Siedlungsstruktureller Regionstyp der beteiligten nach Ländern und gesamt (n=807) Kommunen nach Ländern und gesamt (n=807)

100% 100%

80% 80%

60% 60%

40% 40%

20% 20%

0% 0% BB BW BY MV NI NW RP SH SL SN ST TH ∑ BB BW BY MV NI NW RP SH SL SN ST TH ∑

Mittelstadt Größere Kleinstadt Städtische Regionen Kleine Kleinstadt Landstadt Regionen mit Verstädterungsansätzen Ländliche Regionen

Quelle: eigene Darstellung auf Basis der laufenden Raumbeobachtung des BBSR (Stand 2013)

Quelle: eigene Darstellung auf Basis der laufenden Raumbeobachtung des BBSR, Siedlungsstruktureller Regionstyp (Stand 2013)

vielen kleinen Kleinstädten und nur wenigen grö- siedlungsstrukturellen Regionstyps in Abbildung 5 ßeren Kleinstädten und Mittelstädten auf. Kleinere zeigt, dass mit insgesamt 377 beteiligten Kommunen Kleinstädte dominieren in Rheinland-Pfalz (100 Pro- circa 47 Prozent in ländlichen Regionen liegen. Circa zent), Niedersachsen (90 Prozent) und Sachsen-Anhalt 42 Prozent befinden sich in Regionen mit Verstäd- (75 Prozent). Aber auch in Mecklenburg-Vorpommern terungsansätzen und circa 11 Prozent in städtischen wurde ein überdurchschnittlich hoher Anteil dieses Regionen. Die Zuordnung einer Programmkommune Stadttyps in das Programm aufgenommen. zu Regionen mit Verstädterungsansätzen oder städ- tischen Regionen schließt jedoch nicht aus, dass in In Nordrhein-Westfalen werden überwiegend diesen Regionen kleinräumige Unterschiede bestehen, größere Kleinstädte und Mittelstädte im Programm die auch nicht verdichtete Bereiche umfassen. gefördert. Auch im Saarland, Brandenburg, Baden- Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Schles- Brandenburg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern wig-Holstein und Sachsen-Anhalt sind größere und Sachsen-Anhalt fördern anteilsmäßig die Kleinstädte mit Anteilen über 10 Prozent vertreten. meisten Kommunen in ländlichen Regionen, gefolgt Ausschließlich Kleinstädte (kleine und größere Klein- von Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen städte) sind in den Ländern Saarland und Rhein- und Thüringen. Nordrhein-Westfalen mit seiner land-Pfalz sowie größtenteils in Niedersachsen und flächenhaft dicht besiedelten Struktur hat die größte Sachsen-Anhalt vertreten. Anzahl an Programmkommunen in Regionen mit Verstädterungsansätzen und städtischen Regionen. Neben dem Stadt- und Gemeindetyp gibt der sied- Ländliche Regionen sind hier, wie auch in Baden- lungsstrukturelle Regionstyp der Programmkom- Württemberg und im Saarland, nicht vertreten. Das munen Auskunft über den Einsatz des Städtebau- Saarland fördert nur in städtischen Regionen, wobei förderprogramms. Die Kriterien zur Beschreibung für dieses Bundesland alle Regionen als städtische der Siedlungsstruktur sind der Bevölkerungsanteil Region ausgewiesen sind. Städtische Regionen sind in Groß- und Mittelstädten, das Vorhandensein und hingegen in Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und die Größe einer Großstadt, die Einwohnerdichte Thüringen im Programm nicht vertreten, ebenso in der Raumordnungsregion, mit und ohne Berück- Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. In den sichtigung der Großstädte. Die Auswertung des beiden letztgenannten Ländern konzentriert sich die

28 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Förderung ausschließlich auf Kommunen in länd- Abbildung 6: Entwicklungstrends der beteiligten Kommunen nach lichen Regionen Ländern und gesamt (n=807)* 100% Entwicklungsperspektiven der Programmkommunen 80% Das Programm zielt auf die Unterstützung der Kom- 60% munen, die von Bevölkerungsrückgang, demografi- schem und wirtschaftlichem Strukturwandel beson- 40% ders betroffen sind. In den neuen Ländern geht es bei der Programmumsetzung stärker als in den westdeut- 20% schen Kommunen darum, mit bereits erfolgten und 0% anhaltenden Bevölkerungsverlusten und seinen Folgen BB BW BY MV NI NW RP SH SL SN ST TH ∑ umzugehen. Den in den ostdeutschen Bundesländern überwiegenden negativen Entwicklungen sowohl stark schrumpfend schrumpfend hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung als auch stabil hinsichtlich des Wanderungssaldos stehen sehr viel wachsend stark wachsend differenziertere Entwicklungen in den westdeutschen Bundesländern gegenüber. * betrachtete Strukturdaten: Bevölkerungsentwicklung 2006-2011; Gesamtwanderungssaldo 2009/10/11; Arbeitsplatzentwicklung 2006-2011; Arbeitslosenquote 2010/11; Realsteuerkraft 2010/11; Kaufkraft 2010 Abbildung 7 des BBSR zeigt anhand der sechs Struk- Klassendefinition nach der Häufigkeit von Werten der nach ihrem Rang gereihten turindikatoren Bevölkerungsentwicklung, Gesamt- Strukturindikatoren im untersten (<20 Prozent aller Werte) und obersten (>20 Prozent aller Werte) Quintil wanderungssaldo, Arbeitsplatzentwicklung, Arbeits- Stark schrumpfend: 4-6 Indikatoren im untersten Quintil Schrumpfend: 1-3 Indikatoren im untersten Quintil losenquote, Realsteuerkraft und Kaufkraft, wie sich Stabil: keine Indikatoren im untersten oder obersten Quintil Wachstum und Schrumpfung im Raum bündeln. Wachsend: 1-3 Indikatoren im obersten Quintil Stark wachsend: 4-6 Indikatoren im obersten Quintil Daraus wird der Entwicklungstrend einer Kommu- Quelle: eigene Darstellung auf Basis der laufenden Raumbeobachtung des BBSR (Stand 2013) ne abgeleitet. Dabei geht das BBSR davon aus, dass Schrumpfung beziehungsweise Wachstum einen mehrdimensionalen, zirkulären Prozess darstellt.11 Hälfte. Stark schrumpfende Kommunen liegen fast Während in den neuen Bundesländern bis auf wenige ausschließlich in den neuen Bundesländern und nur Ausnahmen (insbesondere Großstädte und ihr Um- vereinzelt in Bayern, Niedersachsen und Nordrhein- land) die Städte und Gemeinden in den oben genann- Westfalen. Circa 14 Prozent der Programmkommu- ten sechs Bereichen tendenziell schrumpfen oder so- nen weisen (aktuell) eine stabile, circa 32 Prozent gar stark schrumpfen, sind die Städte und Gemeinden eine wachsende und 2 Prozent eine stark wachsende in den alten Bundesländern eher stabil und wachsend. Entwicklung auf. Stark schrumpfende Städte und Gemeinden sind nur vereinzelt in den alten Bundesländern vertreten, Dass auch stabile und wachsende Kommunen in das so in Teilen Niedersachsens, Nordrhein-Westfalens, Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ auf- von Rheinland-Pfalz, in Nordhessen und im Osten genommen wurden, kann auf den ersten Blick als Bayerns. Widerspruch zu den Zielen des Programms gesehen werden. Zu beachten ist jedoch, dass sich innerhalb Abbildung 6 zeigt die Entwicklungstrends der am der Kommunen beziehungsweise der Kooperations- Städtebauförderprogramm beteiligten Kommunen. räume die teilräumlichen Entwicklungsperspektiven Deutlich wird, dass die westdeutschen Kommunen stark unterscheiden können: Auch wenn die Pro- im Programm weniger schrumpfen als die ost- grammkommune, deren Entwicklungsperspektive in deutschen Kommunen. Von den 667 Städten und der laufenden Raumbeobachtung erfasst wurde, ins- Gemeinden schrumpfen insgesamt mehr als die gesamt positive Trends ausweist, so können Teilräume

11 Vgl. Erläuterungen des BBSR zu wachsenden und schrumpfenden Gemeinden in Deutschland (www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/ Raumbeobachtung/Raumabgrenzungen/Wachs_Schrumpf_gem/Wachs_Schrumpf_Gemeinden_node.html, Zugriff am 20.08.2013).

Das Städtebauförderprogramm Kleinere Städte und Gemeinden 29 Abbildung 7: Wachsende und schrumpfende Städte und Gemeinden in Deutschland (2013)

DK

Kiel

Rostock

Hamburg Schwerin

Bremen

PL

Berlin Hannover NL Potsdam Magdeburg

Bielefeld

Cottbus Essen Dortmund Halle/S.

Düsseldorf Kassel Leipzig Erfurt Köln Dresden Chemnitz Bonn

BE

Frankfurt/M. Wiesbaden CZ

Mainz LU

Mannheim Nürnberg Saarbrücken

FR Stuttgart

Ulm

München AT Freiburg i.Br.

CH

100 km © BBSR Bonn 2014

Wachsende und schrumpfende Städte und Gemeinden Relatives, am bundesweiten Trend gemessenes Wachstum/Schrumpfung: Stadt- und Gemeindetyp Lage stark wachsend Großstädte sehr zentral wachsend Mittelstädte zentral stabil Größere Kleinstädte peripher schrumpfend Kleine Kleinstädte sehr peripher stark schrumpfend Landgemeinden

Betrachtete Entwicklungsindikatoren: Bevölkerungsentwicklung 2007-2012, durchschnittliches Wanderungssaldo der Jahre 2008-2012, Entwicklung der Erwerbsfähigen 2007-2012, Beschäftigtenentwicklung 2007-2012, Entwicklung der Arbeitslosenquote 2006/7-2011/12, Entwicklung der Gewerbesteuer 2006/7-2011/12 Klassendefinition nach der Häufigkeit von Werten der gerangreihten Strukturindikatoren im untersten (<20% aller Werte) und obersten (>20% aller Werte) Quintil stark schrumpfend: 3-6 Indikatoren im untersten Quintil, schrumpfend: 1-2 Indikatoren im untersten Quintil, stabil: keine Indikatoren im untersten oder obersten Quintil, wachsend: 1-2 Indikatoren im obersten Quintil, stark wachsend: 3-6 Indikatoren im obersten Quintil Datenbasis: Laufende Raumbeobachtung des BBSR; Geometrische Grundlage: BKG, Einheitsgemeinden und Gemeindeverbände, 31.12.2012; Bearbeitung: A. Milbert

Quelle: Laufende Raumbeobachtung des BBSR, bearbeitet.

30 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm dieser Gemeinden durchaus von deutlich ungünstige- Abbildung 8: Anzahl der über 65-Jährigen pro 100 unter 18-Jährige in ren demografischen Strukturen und Entwicklungen den Programmkommunen nach Bundesländern und gesamt (n=807) betroffen sein. Einwohnerzuwachs in einer Stadt und 200 Stagnation beziehungsweise Verlust in benachbarten 150 Orten beziehungsweise Teilräumen vollziehen sich in den Regionen oftmals nebeneinander. 100 50 Ebenso verlaufen wirtschaftliche Entwicklungstrends 0 TH ST BB MV SN SL SH ∑ NI RP NW BY in den Städten und Gemeinden nicht linear. Dies be- BW trifft insbesondere große Gemeinden oder Gemeinde- in Programmkommunen im Bundesland verbände, wie die Samtgemeinden in Niedersachsen, die Verbandsgemeinden in Rheinland-Pfalz und auch Quelle: eigene Darstellung auf Basis der laufenden Raumbeobachtung des BBSR. (Stand 2013) großflächige Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Die Daten der Raumbeobachtung, die den Aussagen zu den Entwicklungstrends zugrunde liegen, können das entwickeln. Abbildung 8 zeigt die Anzahl der über kleinteilige Nebeneinander von teilweise erheblichen 65-Jährigen pro 100 unter 18-Jährige in den Pro- Unterschieden in den Entwicklungstrends innerhalb grammkommunen nach Bundesländern im Ver- der Kommunen jedoch nicht widerspiegeln, da sie gleich zum jeweiligen Landesdurchschnitt. Es zeigt nicht ausreichend kleinräumig erhoben werden. sich, dass in den Ländern Sachsen-Anhalt, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Zudem wird auch in stagnierenden oder prosperie- Baden-Württemberg die Alterung im Landesdurch- renden Regionen, in denen mittelfristig noch ein schnitt stärker ausgeprägt ist als in den Programm- Einwohnerzuwachs erwartet wird, Handlungsbedarf kommunen. aufgrund demografischer Entwicklungen, zum Bei- spiel durch eine absehbare Veränderung der Bevölke- Im Vergleich zwischen den Bundesländern ergibt rungsstruktur oder ein steigendes Durchschnittsalter, sich bezogen auf die Anzahl der über 65-Jährigen pro benannt. In vielen Räumen gehen Ausbau und Reduk- 100 unter 18-Jährige in den Programmkommunen tion von Daseinsvorsorgeangeboten Hand in Hand, folgendes Bild: In den ostdeutschen Programmkom- weil sich gleichzeitig der Anteil der Älteren erhöht munen, insbesondere Thüringen, ist im Vergleich und der Anteil der Kinder, Jugendlichen und jungen zu den westdeutschen Kommunen das Niveau der Erwerbstätigen abnimmt. Alterung stärker ausgeprägt. So leben in den geförder- ten Kommunen in Thüringen, Brandenburg, Sachsen, Dennoch gibt es in den Ländern, die in Einzelfällen Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern circa auch stark wachsende Kommunen fördern (insbeson- doppelt so viele Alte wie Junge. In Rheinland-Pfalz, dere in Baden-Württemberg und Bayern) den Hand- Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfa- lungsspielraum, die Mittel stärker entsprechend der len ist das Niveau der Alterung (derzeit noch) weniger Programmstrategie einzusetzen. Das sollten in erster stark ausgeprägt. Die Programmkommunen mit rück- Linie Kommunen in ländlich geprägten Räumen sein, läufiger Bevölkerungszahl sind stärker von Alterung die von starkem Einwohnerrückgang und Veränderun- geprägt. In den Programmkommunen, die eine demo- gen in der Bevölkerungsstruktur betroffen sind und die grafisch und strukturell ungünstige Entwicklungsper- Tragfähigkeit der Infrastruktur öffentlicher Daseins- spektive aufweisen, stellt sich auch die Altersstruktur vorsorge in bisheriger Form oft nicht mehr aufrecht- ungünstig dar. erhalten können. Fördergebiete in den Programmkommunen Altersstruktur Die Festlegung der Fördergebiete stellt eine Heraus- Neben der Bevölkerungsentwicklung kann auch forderung für die interkommunale Zusammenarbeit die Veränderung der Altersstruktur entscheidend dar. Sie ist jedoch zwingend erforderlich, da die Mit- sein, um die kommunale Infrastruktur passgenau zu tel der Städtebauförderung nur in zuvor abgegrenz-

Das Städtebauförderprogramm Kleinere Städte und Gemeinden 31 Abbildung 9: Lage der Fördergebiete in den beteiligten Kommunen Die Übersetzung der gemeinsam erarbeiteten Stra- mit Fördergebiet (n=773) tegien in konkret verortete Maßnahmen und die Entscheidung über die Festlegung der Fördergebiete ist ein wichtiger Meilenstein für die interkommunale 318 Zusammenarbeit, bei dem sich die Handlungsfähig- keit, Abstimmungs- und Kompromissbereitschaft 46 Innenstadt / Ortskern und das gemeinsame Agieren der verschiedenen 21 innenstadtnahes Gebiet 54 Kommunen in den Kooperationsräumen beweisen Stadt- /Ortsrand muss. 334 Ortskern eines Ortsteils mehrere Lagetypen Entsprechend der Begleitinformationen 2013 haben 773 Städte und Gemeinden im Programm ein Förder- Quelle: eigene Darstellung auf Basis der Begleitinformationen 2013 gebiet abgegrenzt beziehungsweise bereiten eine solche Abgrenzung vor. ten Fördergebieten eingesetzt werden dürfen. Hier Art der Fördergebiete werden die Investitionen gebündelt. Die Festlegung des gesamten Gemeindegebiets als Fördergebiet ist In 422 von 773 Programmkommunen mit Fördergebiet laut Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung waren im Jahr 2013 die für eine Fördergebietsabgren- nicht zulässig. zung erforderlichen Beschlüsse noch in Vorbereitung. In 219 Programmkommunen wurden vorbereitende Die Gemeinden können entweder per Beschluss des Untersuchungen durchgeführt, 190 haben ein Sanie- Gemeindeparlaments eine förmliche Abgrenzung des rungsgebiet beschlossen. Die Möglichkeit, per einfa- Gebietes beziehungsweise der Gebiete vornehmen chen Beschluss ein Gebiet festzulegen, nutzten bis 2013 oder die Instrumente des besonderen Städtebaurech- 100 Kommunen. tes anwenden: • Festlegung als Untersuchungsgebiet gemäß §141 Lage der Fördergebiete BauGB, • Festlegung als Sanierungsgebiet gemäß § 142 Die Auswertung der Daten zu den Fördergebieten in BauGB (im vereinfachten oder umfassenden Ver- Abbildung 9 zeigt die große Bedeutung von Maßnah- fahren), men der Innenentwicklung und Stärkung von Stadt- • Festlegung als städtebaulicher Entwicklungsbereich und Ortskernen im Programm. 334 Fördergebiete, gemäß § 165 BauGB, also circa 43 Prozent, liegen in Innenstädten bezie- • Festlegung als Maßnahmegebiet nach § 171 b (Stadt- hungsweise Ortskernen und 54, also circa 7 Prozent, umbau) oder § 171 e BauGB (Soziale Stadt) sowie in Ortskernen von Ortsteilen. Mehr als ein Drittel (318 • Festlegung als Erhaltungsgebiet gemäß § 172 beziehungsweise circa 41 Prozent) der Fördergebiete BauGB. vereinen mehrere Lagetypen. 46 Fördergebiete, also circa 6 Prozent, liegen ausschließlich in innenstadt- Die Ausweisung eines Gebietes im Umfeld einer nahen Gebieten und nur 21 in Stadtrand- beziehungs- Schlüsselmaßnahme kann einen Impuls setzen, weise Ortsrandlage. um städtebauliche Missstände zu beheben und ein Gebiet umfassend zu stärken. Grundlage für die Fest- Nutzungs- und Bebauungsstruktur der Fördergebiete12 legung der Gebiete sind die gemeinsam erarbeiteten Ziele, Strategien und räumlichen Schwerpunktset- Entsprechend der Lage der Gebiete stellt sich die zungen im überörtlichen integrierten Entwicklungs- Nutzungsstruktur dar (vergleiche Abbildung 10): Bei konzept. zwei Dritteln (496 beziehungsweise 64 Prozent) der

12 Aufgrund der Beschaffenheit der Datengrundlage sind einzelne Fördergebiete doppelt berücksichtigt. Dies führt zu einer leichten Verzerrung der Daten. Die grundsätzliche Aussage der Auswertung ist dadurch jedoch nicht beeinflusst.

32 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Abbildung 10: Nutzungsstruktur in den Kommunen mit Abbildung 11: Alter der Bebauung in den Fördergebieten nach Fördergebiet nach Bundesländern und gesamt (n=773) Bundesländern und gesamt (n=773)

100% 100%

80% 80%

60% 60%

40% 40%

20% 20%

0% 0% BB BW BY MV NI NW RP SH SL SN ST TH ∑ BB BW BY MV NI NW RP SH SL SN ST TH ∑

überwiegend Wohnen bis vor 1919 1919 bis vor 1949 überwiegend gewerbliche Nutzung 1949 bis vor 1970 1970 bis vor 1990 überwiegend öffentliche Nutzung ab 1990 Gemischte Bebauung überwiegend Mischnutzung überwiegend Brache Quelle: eigene Darstellung auf Basis der Begleitinformationen 2013

Quelle: eigene Darstellung auf Basis der Begleitinformationen 2013

Fördergebiete handelt es sich um Gebiete mit über- Die Ausführungen zu Lage, Struktur und Charakteristi- wiegender Mischnutzung. In 28 Prozent der Gebiete ka der Programmkommunen zeigen, dass überwiegend bildet die Wohnnutzung den Schwerpunkt (218 Ge- die in der Programmstrategie genannten – vorrangig biete). Die öffentliche Nutzung überwiegt bei 27 Ge- zu fördernden – Räume („in ländlichen, dünn besie- bieten (davon elf in Nordrhein-Westfalen). 21 Gebiete delten, von Abwanderung und dem demografischen sind durch überwiegend städtebauliche Brachflächen Wandel betroffenen Räumen“) bei der Programmum- gekennzeichnet, von denen knapp die Hälfte (zehn) in setzung in den Ländern erreicht werden. Einige Länder Niedersachsen vorzufinden ist. Einzig in Nordrhein- nehmen dennoch auch Kommunen in das Städtebau- Westfalen gibt es elf Fördergebiete mit überwiegend förderprogramm auf, die einen wachsenden bis stark gewerblicher Nutzung. wachsenden Entwicklungstrend aufweisen.

Die Auswertung der Begleitinformationen zeigt die Unterschiede bezüglich der Ausrichtung beziehungs- Bedeutung des Erhalts historischer Bausubstanz in der weise Schwerpunktsetzung in einzelnen Ländern sind Programmumsetzung (vergleiche Abbildung 11). erkennbar, so dass sich kein einheitliches Gesamtbild für alle Programmkommunen ergibt. Dies liegt unter Circa 61 Prozent (475 Fördergebiete) weisen eine anderem daran, dass die ländlichen, dünn besiedel- gemischte Bebauung hinsichtlich des Baualters auf. ten Räume in Deutschland keine homogene Einheit In knapp einem Drittel der Fördergebiete (rd. 28 Pro- bilden, sondern strukturelle Unterschiede aufweisen, zent) überwiegt eine Bebauung von vor 1949. Nur die aus denen sich unterschiedliche Anforderungen an Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfa- die Ausgestaltung der Daseinsvorsorge ergeben. Im len weisen Fördergebiete auf, in denen die Bebauung Umkehrschluss lässt sich daraus folgern, dass das von 1949 bis 1990 über dem Durchschnittswert von Programm einen guten Ansatz bildet, um den spezifi- 11 Prozent liegt. schen Anforderungen vor Ort gerecht zu werden. ■

Das Städtebauförderprogramm Kleinere Städte und Gemeinden 33 2 Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden

Bund und Länder fördern mit der Städtebauförderung aktuellen und prognostizierten demografischen und die integrierte Entwicklung in den Städten und Ge- wirtschaftsstrukturellen Entwicklungen im Koopera- meinden. Integriert Handeln heißt, Maßnahmen und tionsraum. Darauf aufbauend sind gemeinsame Ziele Ressourcen mit fachübergreifender Perspektive räum- und Projekte festzulegen. lich, zeitlich und inhaltlich sinnvoll zu bündeln. Dabei trägt die Einbindung von Akteuren aus verschiedenen Die Konzepte entfalten dann eine hohe Steuerungswir- Bereichen und Ebenen zum Erfolg einer Maßnahme kung, wenn sie folgende Aspekte beinhalten:14 bei.13 Gemeinsam mit allen relevanten Akteuren kann • Räumliches Leitbild der zukünftigen Arbeitsteilung: eine Strategie für eine nachhaltige Entwicklung der Skizzierung eines räumlichen Leitbildes, das den Region und ihrer Städte und Gemeinden erarbeitet einzelnen Orten zukünftige Funktionen oder Ent- und die lokalen Potenziale aktiviert werden. wicklungsszenarien zuweist. • Inhaltliche und räumliche Schwerpunktsetzung: Der integrierte Handlungsansatz im Programm Die kleineren Städte und Gemeinden stehen vor „Kleinere Städte und Gemeinden“ umfasst sowohl die vielfältigen Anpassungsaufgaben. Um die Umsetz- aktive Zusammenarbeit der Kommunen als auch die barkeit der Konzepte zu gewährleisten, ist eine gemeinsame Sicherung der Daseinsvorsorge und die Prioritätensetzung erforderlich, nicht zuletzt vor Stärkung lebenswerter Stadt- und Ortskerne. Akti- dem Hintergrund personeller und finanzieller Res- vierung, Beteiligung und überörtliche Kommunika- sourcen. Die Prioritäten sind sowohl inhaltlich im tion sind hierbei wesentliche Erfolgsfaktoren. Diese Hinblick auf Handlungsfelder und Einzelmaßnah- Handlungsbereiche werden in den folgenden Kapiteln men als auch räumlich zu setzen. Räumlich, weil beschrieben. Beispiele aus der Praxis illustrieren die die Städtebauförderung nur in einem abgegrenzten Umsetzung der Handlungsbereiche vor Ort. Grund- und durch die Gemeinde beschlossenen Förderge- lage für die Aktivierung der Vor-Ort-Potenziale sowie biet zur Anwendung kommen kann. die Programmumsetzung ist das integrierte Entwick- lungskonzept. Die Erstellung eines überörtlich abgestimmten, integ- rierten Entwicklungskonzeptes ist eine große Heraus- Instrument der Programmumsetzung: Integrierte forderung für die Kommunen, wie die Erfahrungen der Entwicklungskonzepte bisherigen Programmumsetzung zeigen. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass noch nicht in allen Koope- Die spezifischen Merkmale integrierter Entwicklungs- rationen beziehungsweise Kooperationsräumen über- konzepte im Städtebauförderprogramm „Kleinere örtlich abgestimmte integrierte Entwicklungskonzepte Städte und Gemeinden“ liegen im überörtlichen Hand- fertig gestellt wurden. lungsansatz und der zukunftsfähigen Entwicklung der städtebauliche Infrastruktur. Sie schaffen die Grund- Der Vorteil einer überörtlich abgestimmten integrier- lage für ten Entwicklungsplanung besteht darin, dass sich die • die Bündelung von Ressourcen durch Kooperationen, beteiligten Kommunen auf eine gemeinsame Strategie • die gemeinsame Festlegung von Entwicklungszielen, verständigen, von der alle Partner mittel- bis langfris- • gemeinsame Vorhaben und abgestimmtes Handeln tig profitieren. Integrierte Konzepte werden somit als zur Sicherung der Daseinsvorsorge, Instrument eingesetzt, interkommunal abgestimmte • die Neuausrichtung von Infrastrukturangeboten Kooperationsvereinbarungen und erarbeitete Ziele sowie und Maßnahmen räumlich und zeitlich zu verorten • die Zusammenarbeit in Netzwerken. und aufeinander abzustimmen beziehungsweise mit- einander zu verknüpfen. Dies gilt für alle Formen von Der überörtliche integrierte Handlungsansatz zur Kooperationen, aber besonders für Kooperationen Sicherung der Daseinsvorsorge erfordert eine umfas- von großer räumlicher Ausdehnung. Durch über- sende und systematische Auseinandersetzung mit den örtlich abgestimmte integrierte Konzepte gewinnen

13 Vgl. BMVBS (Hrsg.): Integrierte Stadtentwicklung als Erfolgsbedingung einer nachhaltigen Stadt, Berlin, 2007, S. 15. 14 Vgl. BMVBS/BBSR (Hrsg.): Städtebauförderung in Klein- und Mittelstädten in ländlichen, dünn besiedelten Räumen. Studie, 2011, S. 47.

34 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm interkommunale Kooperationen an Verbindlichkeit, Entwicklungsstruktur, die im Rahmen des Aktionspro- Kommunen werden handlungsfähig(er).15 gramms regionale Daseinsvorsorge ausgearbeitet wurde. (vergleiche www.regionale-daseinsvorsorge.de) Ziel dieser Konzepte ist eine verbindliche Einigung der Partner über gemeinsame Ziele und künftige Schwer- Ein Beispiel, wie in einer Gesamtmaßnahme Erkennt- punkte sowie konkrete Maßnahmen zum Beispiel im nisse und Grundlagen aus verschiedenen Programmen Bereich der Infrastrukturplanung. Hier können unter aufgenommen und fortgeschrieben werden, ist die anderem Festlegungen zur Funktionsteilung oder zur Gesamtmaßnahme „Zentrum Niesky“ in Sachsen. Die Konzentration von Einrichtungen (zum Beispiel hin- Fördermaßnahme ist eingebettet in die regionalen sichtlich Bedarf, Organisation, Kosten, Management) Entwicklungsstrategien. Ein überörtliches integriertes getroffen werden. Hierfür sind die Infrastrukturnach- Entwicklungskonzept verbindet die verschiedenen frage zentraler Nutzergruppen zu ermitteln, Erreich- inhaltlichen und fördertechnischen Ansätze mitein- barkeitsanalysen zu erstellen sowie der Anpassungs- ander. Es enthält Schnittstellen mit dem Regionalplan bedarf bei öffentlichen und privaten Einrichtungen der sowie den Strukturen und der Regionalstrategie der Daseinsvorsorge festzustellen. Auf dieser Grundlage ILE-Region „Östliche Oberlausitz“. können auch alternative Organisationsformen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit beim Angebot so- Erkenntnisse aus dem Modellvorhaben der Raumord- wie Mechanismen für einen Nutzen-Lasten-Ausgleich nung und Landesentwicklung „Modellregion Ober- geprüft werden. lausitz-Niederschlesien“ und eines gesamtstädtischen integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts Von zentraler Bedeutung bei der Erstellung von inte- von 2002 (Städtebauförderprogramm Städtebauliche grierten Konzepten ist eine zielgerichtete Datenerfas- Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen) sowie ge- sung und -aufbereitung. Diese dienen als Grundlage samtstädtische Ziele und Maßnahmen zur Klimaanpas- für die Erstellung von Prognosen und Szenarien, die sung (Qualitätsmanagement European Energy Award) wiederum eine wichtige Entscheidungs- und Legiti- sind eingeflossen. Zudem finden sich die Maßnahmen mationsgrundlage zur Anpassung der Infrastruktur- im Programm in einer großen Breite an Handlungsfel- ausstattung bilden. Insbesondere bei Standortfragen dern wieder, so im Bereich öffentliche Einrichtungen/ im Bereich der Infrastrukturplanung ist zunehmend Infrastruktur, Wohnen, öffentlicher Raum, Bildung, eine überörtliche Betrachtung erforderlich, da gerade Sport, Gesundheit, Kultur und Stadtbaukultur. in kleineren Gemeinden keine Grundversorgung mehr gewährleistet werden kann. Auch die Gesamtmaßnahme im Saarland ist ein gutes Beispiel für den integrierten Handlungs- Nicht immer ist eine komplette Neuaufstellung von ansatz: Auf Basis eines integrierten Gemeindeent- integrierten Konzepten erforderlich. In vielen Koope- wicklungskonzeptes (GeKo) wird die Fördermaßnahme rationsräumen werden bestehende Konzepte fortge- umgesetzt. Es enthält eine ausführliche Analyse der schrieben. Meist handelt es sich hierbei um integrierte demografischen Rahmenbedingungen und ihrer ländliche Entwicklungskonzepte (ILEK) oder Regionale Auswirkungen auf die Stadtentwicklung. Als zentrale Entwicklungskonzepte (REK). Die spezifische Schwer- Handlungsfelder werden Städtebau und Wohnen / punktsetzung des Städtebauförderprogramms auf die Soziale und bildungsbezogene Infrastruktur / Wirt- Sicherung der Daseinsvorsorge und die Ausrichtung auf schaft / Technische Infrastruktur, Verkehr, Umwelt städtebauliche Gesamtmaßnahmen zur Erhaltung und und Energie benannt. Das GeKo enthält zudem ein Entwicklung der kommunalen Infrastruktur ist hierbei räumliches Entwicklungskonzept für die Gemeinde. Als die programmatische Orientierung, die zu einer Spezifi- räumliche Schwerpunktbereiche werden die drei Orts- zierung und Konkretisierung der bestehenden Konzepte kerne der Gemeindebezirke definiert, die aufgewertet im Rahmen der Fortschreibung führt. Anwendung findet und attraktiviert werden sollen. Ziel ist die Stärkung hierbei in einer Reihe von Kooperationen eine regionale der Funktionsvielfalt im Zentrum Quierschied und die

15 Vgl. BMVBS (Hrsg.): Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke. Programmstrategie zum Städtebau- förderprogramm, Berlin 2013.

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 35 Sicherung der Nahversorgung in Göttelborn und Fisch- Städtebauförderprogramms eingesetzt werden. In den bach-Camphausen. Aus dem GeKo wurden dann zwei Erarbeitungsprozess der drei Entwicklungskonzepte teilräumliche Entwicklungskonzepte (TeKo) für die wurden Bürgerinnen und Bürger und weitere wichti- Ortsmitten von Quierschied und Göttelborn abgeleitet. ge Akteure intensiv eingebunden und die Planungen Sie konkretisieren und ergänzen die Maßnahmenvor- diskutiert. Auch Politik und Verwaltung arbeiten eng schläge des GeKo und sind die Grundlage für die Ab- zusammen, wodurch abgestimmtes und zielorientier- grenzung von Fördergebieten, in denen die Mittel des tes Handeln gewährleistet wird. ■

2.1 Interkommunale Aufgabe Daseinsvorsorge

→→ Eine besondere Anforderung des Programms „Kleinere → Die interkommunalen Kooperationen im Städtebau- Städte und Gemeinden“ an die beteiligten Kommunen förderprogramm befinden sich auf unterschiedlichen besteht in der Verbindung von Städtebauförderung, Da- Entwicklungsstufen und unterscheiden sich in der seinsvorsorge und interkommunaler Zusammenarbeit. Organisationsform, Größe und Ausrichtung teilweise stark voneinander. → Der demografische Wandel und die eingeschränkten finanziellen Handlungsspielräume der Kommunen ver- → In interkommunaler Zusammenarbeit können Maß- stärken das überörtliche Abstimmungserfordernis. nahmen finanziert werden, die eine Kommune allein nicht bewältigen könnte. →→ Die neue Qualität der interkommunalen Zusammen- arbeit, die durch das Städtebauförderprogramm ange- → Unerlässliche Rahmenbedingungen für die Zusam- stoßen wird, liegt in der Ausrichtung auf das Hand- menarbeit sind Augenhöhe, Vertrauen, Erkennen von lungsfeld der Daseinsvorsorge, die in Arbeitsteilung Mehrwert und nicht zuletzt ein gemeinsames Raum- gesichert werden soll. verständnis. Dem Aushandeln von gemeinsamen Zielen und Handlungsfeldern und die Einigung auf → Die Neuausrichtung des Infrastrukturangebots birgt den formalen Rahmen der Zusammenarbeit sollte viel die Chance, qualitative Verbesserungen zu erreichen. Raum und Bedeutung zugestanden werden. Dies erhöht die Akzeptanz der Umstrukturierungen in der Bevölkerung und sichert die Attraktivität der → Viele Kooperationen beauftragen ein externes Büro kleineren Städte und Gemeinden. Die Anpassung der mit dem Kooperationsmanagement, das die Beteilig- Infrastruktur gelingt dann, wenn sektorales Denken ten vor Ort bei der überörtlichen Zusammenarbeit, und Planen überwunden wird. Koordinierung von Maßnahmen und in der Außendar- stellung unterstützt. →→ Interkommunale Zusammenarbeit schafft Bewusst- sein für überörtliche Stärken und Schwächen, setzt →→ Befördert wird eine interkommunale Kooperation, Impulse für neue Lösungsansätze zur Sicherung der wenn private Akteure einschließlich Bürgerschaft und Daseinsvorsorge, schafft Interessensausgleich und Zivilgesellschaft einbezogen werden – insbesondere eine Neupositionierung in der Region, erhöht die Wirk- zur Umsetzung konkreter Projekte. samkeit und Außenwahrnehmung durch gemeinsames Auftreten und aktiviert damit die Potenziale in den → Das Thema Innenentwicklung ist Teil der interkom- Kommunen und in der Region. munalen Zusammenarbeit. Hier bestehen vielfältige Finanzierungsmodelle der Maßnahmen und unter- schiedlich ausgestaltete Formen des Kooperations- managements. Die Stärkung der regionalen Identität steht dabei oft im Vordergrund.

36 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Die Sicherung der Daseinsvorsorge verbunden mit der also die Zahl der Infrastruktureinrichtungen der Anpassung und zukunftsfähigen Entwicklung der städ- Grundversorgung je 100 Quadratkilometer, in vielen tebaulichen Infrastruktur ist ein zentrales Handlungs- dieser Regionen unterdurchschnittlich. Besonders feld des Städtebauförderprogramms. Die Angebote stark ist die unterdurchschnittliche Infrastruktur- der Daseinsvorsorge und kommunale Infrastrukturen ausstattung in den sehr gering verdichteten Ländern (wie Schulen, Kindergärten, Kultur, Gesundheitsver- Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und dem sorgung) bestimmen maßgeblich die Rahmenbedin- nördlichen Sachsen-Anhalt ausgeprägt. Die unzu- gungen für die Lebensqualität und Zukunftschancen reichende Auslastung ist mit relativ höheren Kosten der Menschen in ländlichen Regionen. Lebensqualität verbunden. Rückläufige Einwohnerzahlen und eine und Daseinsvorsorge bedingen sich gegenseitig. Die zunehmende Alterung erfordern eine Anpassung und Infrastrukturangebote haben auch als harte Standort- Reduktion der Infrastruktureinrichtungen, um die be- faktoren wesentlichen Einfluss auf die wirtschaftliche stehenden Angebote an die neuen Bedarfe anzupassen Entwicklung einer Region.16 und Überkapazitäten, vor allem vor dem Hintergrund angespannter kommunaler Haushalte, abzubauen.17 Zentralörtliche Funktionen können, insbesondere in Kommunen, die vom demografischen Wandel und Die Infrastrukturplanung ist eine komplexe Aufgabe. von Abwanderung betroffen sind, nur durch Bünde- Es müssen sowohl kurzfristige Bedarfe berücksichtigt, lung der Kräfte und Ressourcen dauerhaft gehalten als auch langfristige Entwicklungen mit abgedeckt und gestärkt werden. Hierfür ist bei der Gestaltung werden. Für die beteiligten Kommunen bietet sich der Angebote der Daseinsvorsorge eine Koopera- ein strategischer Planungshorizont von mindestens tion der Städte und Gemeinden erforderlich. Inter- 20 Jahren an. In Schrumpfungsregionen steigen die kommunale Kooperationen gehören vielerorts zum Kosten der Aufrechterhaltung heutiger Standards be- Verwaltungsalltag. Die Zusammenarbeit erfolgt in ziehungsweise der Erhalt von Standorten. Erforderlich unterschiedlichen Bereichen. Die neue Qualität der sind beispielsweise Anpassungsstrategien, die bei rück- interkommunalen Zusammenarbeit, die durch das läufigen Kinder- und Schülerzahlen weiterhin eine Städtebauförderprogramm angestoßen wird, liegt in angemessene Versorgung garantieren und bei einer der Ausrichtung auf das Handlungsfeld der Daseins- steigenden Anzahl der über 65-Jährigen zusätzliche vorsorge, die in Arbeitsteilung gesichert werden soll. Infrastrukturangebote (zum Beispiel im Bereich Pflege Wichtige Grundlage dafür sind interkommunale und Betreuung) ermöglichen. beziehungsweise überörtlich abgestimmte integrierte Entwicklungskonzepte zur Infrastrukturentwicklung Infrastruktur als Standortfaktor (vergleiche Kapitel 2). Umstrukturierung oder Reduzierung von Infra- Handlungsbedarf im Bereich der Infrastrukturversorgung struktureinrichtungen lassen sich mit einer Aufwer- tung der verbleibenden Standorte verbinden. Durch Schon heute sind Kommunen in circa zwei Drittel der intelligente Organisations- und Raumlösungen sowie Gesamtfläche Deutschlands spürbar von Alterung und die Bündelung von Funktionen können Angebote Bevölkerungsrückgang betroffen (vergleiche Abbil- geschaffen werden, die eine qualitative Verbesserung dung 12). Dieser Trend wird sich in Zukunft verstär- darstellen und langfristig tragfähig sind. Vielerorts ist ken. Daraus ergibt sich ein großer Handlungsbedarf die Umstrukturierung von Infrastruktureinrichtungen im Bereich der Infrastrukturversorgung. Besonders ein Impuls für eine architektonische und bauliche stark sind weite Teile der neuen Bundesländer (mit Aufwertung des Stadt- und Ortsbildes. Die Neuaus- Ausnahme und seines Umlands) und Regionen richtung des Infrastrukturangebots birgt also auch die im Norden und Osten Bayerns hiervon gekennzeich- Chance, qualitative Verbesserung zu erreichen. Dies net. Gleichzeitig ist oftmals die Infrastrukturdichte, erhöht die Akzeptanz der Umstrukturierungen in der

16 Vgl. BMVBS (Hrsg.): Regionale Daseinsvorsorgeplanung. Ein Leitfaden zur Anpassung der öffentlichen Daseinsvorsorge an den demographi- schen Wandel, Werkstatt: Praxis Heft 64, 2010, S. 13. 17 Vgl. BMVBS/BBSR (Hrsg.): Regionalstrategie Daseinsvorsorge. Denkanstöße für die Praxis, 2011, S. 6.

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 37 Abbildung 12: Demografisch bedingter Handlungsbedarf im Bereich der Infrastrukturversorgung

DK

Kiel

Hamburg Schwerin

Bremen

PL

Berlin Hannover NL Potsdam

Magdeburg

Düsseldorf Dresden Erfurt

BE

Wiesbaden CZ

Mainz LU

Saarbrücken

FR Stuttgart

München

AT

CH 100 km © BBSR Bonn 2012

Betroffenheit von Alterung und Bevölkerungsrückgang Infrastrukturdichte (Anzahl der Infrastruktureinrichtungen der Grundversorgung je 100 km²) gering mittel stark unterdurchschnittlich hoch unterdurchschnittlich

Die Bewertung erfolgt anhand eines Index der sich aus folgenden Indikatoren zusammensetzt: Bevölkerungsdichte und -verteilung, gegenwärtige und künftige Abnahme der Bevölkerung sowie gegenwärtige und künftige demographisch bedingte Änderung altersspezischer Nachfrage nach sozialer Infrastruktur Infrastruktureinrichtungen der Grundversorgung: Postlialen, Banken, Sparkassen, Ärzte, Apotheken, Drogerien, Optiker, Schulen, Öff. Bibliotheken, Bäckereien, Metzgereien, Einzelhandel

Datenbasis: Laufende Raumbeobachtung des BBSR, BBSR-Bevölkerungsprognose 2005-2030/bbw; Geometrische Grundlage: BKG, BBSR-Mittelbereiche, 31.12.2009 Quelle: Laufende Raumbeobachtung des BBSR, bearbeitet

38 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Bevölkerung und sichert die Attraktivität der kleineren Die Sicherung der Daseinsvorsorge und die Stärkung Städte und Gemeinden. des sozialen Zusammenhalts stehen für die fünf Ge- meinden der Kreuzbergallianz im Vordergrund. Nach Die Ausstattung und Erreichbarkeit von qualitativ Aufnahme in das Städtebauförderprogramm „Kleinere hochwertiger sozialer Infrastruktur insbesondere Städte und Gemeinden“ wurde das bestehende Integ- im Bereich Bildung und Kinderbetreuung wird zu- rierte Ländliche Entwicklungskonzept (ILEK) um das nehmend als wichtiger Standortfaktor für Familien Kapitel „Öffentliche Daseinsvorsorge“ ergänzt. Dazu wahrgenommen. Viele Kommunen konzentrieren hat die Kreuzbergallianz die Erarbeitung einer regiona- sich darauf, die weichen – sozialen und kulturellen – len Strategie zur Daseinsvorsorge in Auftrag gegeben Standortfaktoren zu stärken. Weite Schulwege oder sowie ein Flächenmanagementsystem aufgebaut. Nicht eine unzureichende medizinische Versorgung lassen nur die interkommunale Abstimmung über die Bünde- die Attraktivität ländlicher Räume sinken. Ein unzu- lung sozialer Infrastruktureinrichtungen wird dadurch reichendes Angebot kann Abwanderungstendenzen konkretisiert, sondern es werden auch Baulandaus- verstärken beziehungsweise die Neuansiedlung von Be- weisungen gesteuert und damit die Innenentwicklung wohnerinnen und Bewohnern behindern. In den nie- gestärkt. dersächsischen Gemeinden Emmerthal und ist beispielsweise geplant, leer stehende Schulgebäude Die Sicherung der Daseinsvorsorge als interkommunale durch Kindertagesstätten zu nutzen. Zu diesem Zweck Aufgabe verstehen werden peripher gelegene kleinere Kinderbetreuungs- einrichtungen geschlossen und an den neuen Stand- Der kommunalen Ebene kommt als Träger der Infra- orten gebündelt. In den neuen Räumen können das strukturen bei der Sicherung der Daseinsvorsorge eine pädagogische Angebot verbessert und die Nachfrage große Bedeutung zu. Sie ist es auch, die die erforder- nach verlängerten Öffnungszeiten erfüllt werden. Die lichen Anpassungen der Infrastruktureinrichtungen Kleinstadt in Sachsen-Anhalt verbindet mit verantworten muss. Dies gilt auch für die Leistungen, der Gesamtmaßnahme „Stadtbildung und Bildungs- die nicht direkt in der Verantwortung der Städte, stadt“ die städtebauliche Aufwertung des Stadtkerns Gemeinden und Kreise liegen. Hier sollte die öffent- mit Maßnahmen zum Ausbau und Sicherung von An- liche Verwaltung Koordinierungs-, Anreiz- und/oder geboten für Bildung und Betreuung. Kontrollfunktionen übernehmen und damit steuernd auf die Entwicklungen einwirken.18 Ein gutes und Die Erfahrungen bei den Projekten zur Sicherung der vertrauensvolles Zusammenspiel von öffentlicher Daseinsvorsorge zeigen, wie sektorales Denken und Verwaltung, privaten Einrichtungen und Bürgerschaft Planen überwunden werden kann. Für eine sach- ist dabei entscheidend, da sich die Aufgabenverteilung gerechte, zeitgemäße Infrastrukturplanung müssen beziehungsweise -wahrnehmung zunehmend wandelt: Akteure unterschiedlicher Fachplanungen und Die öffentliche Hand als Gewährleister der Daseinsvor- -disziplinen zusammengebracht werden. Voraus- sorge, private Dienstleister als Bereitsteller der Daseins- setzung für eine erfolgreiche Infrastrukturanpassung vorsorge und die Bürgerinnen und Bürger als aktive ist zudem, dass Bedarfe erkannt und kommuniziert Mitgestalter – und nicht nur Profiteure – der Daseins- werden. Hierfür sind detaillierte Analysen und Da- vorsorge. seinsvorsorgestrategien eine wichtige Grundlage. Auf diesem Weg können zukünftige Bedarfe und Hand- Insbesondere in ländlichen Räumen geht der Einzugs- lungsansätze gemeinsam erarbeitet und tragfähige bereich einzelner Einrichtungen der Daseinsvorsorge Lösungen zur Sicherung der Daseinsvorsorge, zum über die Gemeindegrenzen hinaus beziehungsweise Beispiel durch die Bündelung von Einrichtungen, lässt sich die zukünftige Ausstattung nicht auf lokaler entwickelt werden. Ebene abschließend planen. Mit dem Städtebau- förderprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden“ Wie dies gelingen kann, zeigt zum Beispiel die Da- können die Kommunen Städtebauförderung und seinsvorsorgestrategie der Kreuzbergallianz (Bayern). Daseinsvorsorge nun besser verbinden sowie die

18 Vgl. BMVBS/BBSR (Hrsg.): Regionalstrategie Daseinsvorsorge. Denkanstöße für die Praxis, 2011, S. 6.

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 39 Städtebauförderung interkommunal ausrichten. Das nahmen und unterschiedlich ausgestaltete Formen des Programm fördert Maßnahmen, die dazu beitragen, Kooperationsmanagements. Die Stärkung der regiona- auf der Grundlage einer gemeinsamen Abstimmung len Identität steht dabei oft im Vordergrund. und eines integrierten Entwicklungskonzeptes die Infrastruktureinrichtungen arbeitsteilig überörtlich Interkommunale Zusammenarbeit aktiviert vielfäl- umzustrukturieren und städtebauliche Missstände zu tige Potenziale. An erster Stelle ist die Schaffung von beseitigen. Durch die Bündelung von Einrichtungen, Bewusstsein für überörtliche Stärken und Schwächen ihren barrierefreien Umbau und die Bildung neuer zu nennen, gleich gefolgt von Impulsen für neue Lö- Trägerschaften wird die Infrastruktur an die verän- sungsansätze zur Sicherung der Daseinsvorsorge unter derten Bedarfe angepasst. Insbesondere in den länd- Schrumpfungsbedingungen. Zudem führt interkom- lichen, dünn besiedelten Räumen wird dadurch sicher munale Zusammenarbeit zu einem Interessensaus- gestellt, dass bezüglich Dichte, Qualität und Vielfalt gleich und weg vom Kirchturmdenken einzelner Kom- ein bedarfsgerechtes, effektiveres und effizienteres munen. Interkommunale Zusammenarbeit ermöglicht Angebot öffentlicher und privater Dienstleistungen eine Neupositionierung der Kooperation in der Region gewährleistet wird und zukünftig kostenintensive und erhöht die Wirksamkeit und Außenwahrnehmung Doppelstrukturen vermieden werden können.19 Ziel durch das gemeinsame Auftreten benachbarter Kom- ist die Sicherung und Stabilisierung qualitativ hoch- munen. Damit einher geht auch ein erweitertes neues wertiger und an die örtlichen Bedürfnisse angepasster Raumverständnis. Durch die interkommunale Zusam- Infrastruktureinrichtungen, um auf diese Weise die menarbeit gelingt es den Kommunen die Finanzkraft Städte und Gemeinden in ländlichen Räumen attrak- unterschiedlicher Ebenen und Ressorts zu bündeln, tiv zu gestalten. Durch eine Arbeitsteilung können um Maßnahmen zur Sicherung der Daseinsvorsorge Angebote der Daseinsvorsorge sowohl kostensparend zu finanzieren, die durch eine Kommune allein nicht und bedarfsgerecht als auch langfristig und sozial- umgesetzt werden können. verträglich gewährleistet werden. Besonders deutlich wird dies bei Krankenhaus- oder Schulstandorten. Die Auch in anderen Städtebauförderprogrammen, insbe- Planung, Bereitstellung und Gewährleistung dieser sondere im Stadtumbau West (seit 2004), werden inter- Infrastrukturen erforderte schon immer eine über- kommunale Kooperationen gefördert. Im Jahr 2008 gab örtliche Abstimmung. Der demografische Wandel ver- es im Rahmen der Städtebauförderung interkommuna- stärkt das Abstimmungserfordernis. Ebenso erfordern le Kooperationen in vier Bundesländern, insbesondere die eingeschränkten finanziellen Handlungsspielräu- zwischen kleinen Kommunen im ländlich geprägten me der Kommunen zunehmend ein gemeindeüber- Raum. Die interkommunale Zusammenarbeit zielt hier greifendes Handeln. in erster Linie auf die Anpassung des Wirtschaftsstand- ortes und das gemeinsame Verwaltungshandeln ab.20 Ausgangslage, Entstehungsprozess und Erfolgsfaktoren Die Anpassung sozialer und technischer Infrastruktur interkommunaler Kooperationen und des Wohnstandortes stehen weniger im Vorder- grund.21 Genau auf diese Bereiche zielt das Programm In der Vergangenheit haben formelle Regelungen der „Kleinere Städte und Gemeinden“ und stellt somit eine Kooperationen großen Raum eingenommen, wobei Innovation der interkommunalen Kooperationen in oftmals das konkrete Handeln der Kommunen in den der Städtebauförderung dar. Hintergrund gerät. Bei einem Blick auf die Programm- umsetzung der ersten drei Jahre zeigt sich zudem, dass Alle Formen der Zusammenarbeit zwischen kom- sich das Thema Innenentwicklung als Teil der inter- munalen Gebietskörperschaften (Städte, Gemeinden, kommunalen Zusammenarbeit ausgeweitet hat. Hier Gemeindeverbände, Landkreise) und räumlich verbun- bestehen vielfältige Finanzierungsmodelle der Maß- denen Akteuren gelten als interkommunale Koopera-

19 Vgl. BMVBS (Hrsg.): Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke. Programmstrategie zum Städtebau- förderprogramm, Berlin 2013. 20 Vgl. BMVBS/BBR (Hrsg.): Stadtumbau West – Eine Zwischenbilanz, Statusbericht. Berlin 2010, S. 53-64. 21 Bundestransferstelle Stadtumbau West: Interkommunale Kooperation im Stadtumbau West, Auswertungspapier, , 2009.

40 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm tionen, wenn sie ein gemeinsames Interesse verfolgen, das von überörtlicher Bedeutung ist.22

Die Bildung einer interkommunalen Kooperation ist ein komplexer und für die handelnden Akteure vor Ort herausfordernder Prozess. Finanzielle Förderung und Wettbewerbe schaffen hierfür Anreize. Die Aussicht auf „gemeinsame“ Fördermittel ist oftmals hilfreich bei der ersten Annäherung und Abstimmung. Eine personelle Betreuung durch das Land unterstützt die Etablierung und Verstetigung der Verbünde.

Programmkommunen in interkommunalen Koope- rationen berichten, dass zu Beginn der Zusammen- arbeit die Erkenntnis stehen muss, dass Probleme nicht allein zu lösen sind. Für die Zusammenarbeit ist eine Zukunftsorientierung entscheidend, die Partner der Ko- operation müssen schnell konkret werden und die Zu- Grundriss des interkommunalen Bürgerzentrums der Allianz sammenarbeit muss insbesondere auf der Handlungs- Hofheimer Land in Hofheim, Bayern ebene funktionieren. Auch der Transfer von ist notwendig. Als wichtiges Ziel bei der interkommunalen Kooperation werden auch Einsparmöglichkeiten ge- arbeit ab. Das Aushandeln von gemeinsamen Zielen und nannt.23 Die Gründe für das Zustandekommen von Handlungsfeldern und die Einigung auf den formalen interkommunalen Kooperationen sind vielfältig. Rahmen der Zusammenarbeit bilden die Grundlage für Nachvollziehbare rationale Gründe für eine Koopera- die Konzipierung und Umsetzung der Gesamtmaßnah- tion sind ein vergleichbarer Leidensdruck aufgrund men im Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ unzureichender kommunaler Leistungsfähigkeit oder und entscheiden über ihr Gelingen. Dem Prozess der auch die Erkenntnis, dass die Vorteile einer Kooperation Konstituierung einer Zusammenarbeit sollte deshalb in der Regel größer sind als ihre Nachteile. Als wesent- viel Raum und Bedeutung zugestanden werden. licher und gleichzeitig fragiler Arbeitsschritt wird die Anbahnung der Kooperation gesehen. Hier kann Klare Zuständigkeiten und Verbindlichkeit sind Vor- vorrangig durch „Köpfe“, das heißt Personen mit hoher aussetzung für eine funktionierende Kooperation und Anerkennung über Ortsgrenzen hinweg, der Weg für die tragfähige Arbeitsorganisation. Die Kommunikation interkommunale Zusammenarbeit bereitet werden. der Akteure untereinander nimmt eine Schlüsselposi- tion ein. Wichtig ist, dass der Kreis der Beteiligten pro- Als unerlässliche Rahmenbedingungen für die Zusam- blemadäquat ist und die Ziele und Aufgaben realistisch menarbeit nennen Programmkommunen Augenhöhe, und überschaubar sind. Ansonsten besteht die Gefahr Vertrauen, Erkennen von Mehrwert und nicht zuletzt einer inhaltlichen und organisatorischen Überforde- ein gemeinsames Raumverständnis. Die frühzeitige rung. Die Einbindung von Personen aus der Politik, Umsetzung gemeinsamer, gegebenenfalls auch kleine- der Verwaltung und Fachkreisen ist hilfreich, um das rer Projekte ist eine wichtige Unterstützung für eine Kooperationsvorhaben mit einem hohen Stellenwert vertrauensvolle Zusammenarbeit. zu versehen und den politischen Rückhalt zu sichern. Erfolg und die Kraft einer interkommunalen Koopera- Eine Vielzahl an Faktoren macht den Erfolg einer inter- tion hängen eng mit der Legitimation nach innen und kommunalen Kooperation aus. Er hängt vor allem von außen zusammen und benötigen ein transparentes und den Akteuren vor Ort und ihrem Willen zur Zusammen- offenes Vorgehen.

22 BMVBS/BBR (Hrsg.): Kooperation zentraler Orte in schrumpfenden Regionen. Werkstatt: Praxis Heft 53, Bonn 2008, S. 12. 23 Vgl. Dokumentation der vierten Transferwerkstatt in und , Südwestfalen, am 14./15. Oktober 2013.

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 41 bekannt. Verbindliche, straffe Strukturen geben Si- cherheit und können zu sehr starken Konstruktionen führen. Durch zu hohe Hürden bezüglich Strukturen und Anforderungen kann es aber auch passieren, dass relevante Akteure eventuell keinen Einstieg in die Ko- operation finden.

Aus Sicht einiger Programmkommunen ist es güns- tiger, dass Kommunen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht gleich sondern gegebenenfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt aktiv werden, besser von Beginn an in die Kooperation eingebunden sind, als dass eine Kommune zu einem späteren Zeitpunkt in eine bestehende Struktur integriert werden muss. In der konkreten Umsetzungsphase sollte eine formelle Bekenntnis zur interkommunalen Zusammenarbeit Verbindlichkeit in der Kooperation bestehen. Bezüg- lich der Organisationsformen bietet es sich an, an bestehende Strukturen anzuknüpfen: Vorläufer einer Organisationsformen interkommunaler Kooperationen formellen interkommunalen Kooperation sind oft- mals informelle Organisationsformen wie Netzwerke Welche Organisationsform für eine interkommunale oder Städtenetze. So ist im Fall und Witt- Kooperation jeweils geeignet ist, hängt von vielen stock/Dosse in Brandenburg das Städtenetz verschiedenen Faktoren ab: Aufgaben, Ziele und in Brandenburg die Grundlage für die interkommu- Schwerpunkte der Zusammenarbeit, die Größe der nale Zusammenarbeit. Kommunen, der gewünschte Grad der Zusammen- arbeit, die finanziellen und personellen Ressourcen, Unter privatrechtlichen Formen lassen sich die Ge- die Sicherung eines Lasten-Nutzen-Ausgleichs, vor- sellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und der handene Verwaltungsstrukturen, politische Schwer- eingetragene Verein (e. V.) als Möglichkeit nennen. punktsetzung und die Kooperationsbereitschaft der Voraussetzung für die privatrechtliche Organisa- relevanten Akteure. Den Kommunen stehen dabei tionsform ist, dass die anstehenden Aufgaben nicht eine Vielzahl an Organisations- und Rechtsformen für oder unzureichend in öffentlich-rechtlicher Form zu die interkommunale Zusammenarbeit zur Verfügung. erfüllen sind. Diese lassen sich in privatrechtliche, öffentlich-recht- liche und informelle Organisationsformen aufteilen. Die ausgehandelten Ziele und Aufgabenfelder werden Öffentlich-rechtliche Formen lassen sich in aufga- vielerorts in Verträgen fixiert. Grundlage des Koope- benspezifische und räumliche Organisationsformen rationsmodells im Mittelbereich Pritzwalk-/ unterscheiden. Dosse in Brandenburg bilden beispielsweise der Ko- operationsvertrag zur Bildung einer „Verantwortungs- Für die überörtliche Zusammenarbeit in einer inter- gemeinschaft zur Wahrnehmung der mittelzentralen kommunalen Kooperation sind ein Kooperationsver- Funktionen und Aufgaben Pritzwalk-Wittstock/ trag, ein Steuerungsgremium und ein Kooperationsma- Dosse“ (2007) und der öffentlich-rechtliche Vertrag nagement (siehe folgender Abschnitt zum Instrument zur Bildung der kommunalen Arbeitsgemeinschaft Kooperationsmanagement) erforderlich.24 „Kooperation Wachstumskern Autobahndreieck Wittstock/Dosse“ (2011). In diesen Verträgen haben Zur Wahl der Organisationsstrukturen sind aus der die Kommunen vereinbart, wie Aufgaben bei der Begleitforschung unterschiedliche Auffassungen Entwicklung eines starken Mittelzentrums und eines

24 Vgl. Andreas Raab: Räumliche Entwicklungen interkommunal steuern. Interkommunale Kooperation – ein bedarfsgerechtes Steuerungsinst- rument für räumliche Entwicklungen auf kleinräumiger Ebene. Stuttgart 2011, S. 167-176.

42 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm zusammenhängenden Wirtschaftsstandortes gemein- Instrument, das im Städtebauförderprogramm sam und unter Einbeziehung des Vereins „Wachs- „Kleinere Städte und Gemeinden“ gefördert werden tumskern Autobahndreieck Wittstock/Dosse e. V.“ kann. Die Kommunen gehen hier unterschiedliche wahrzunehmen sind. Wege: Neben der Einrichtung einer gemeinsamen Geschäftsstelle oder einer rotierenden Federführung Einen Schritt weiter sind die kooperierenden Gemein- der Gemeinden besteht die Möglichkeit der Beauftra- den im kommunalen Netzwerk der Samtgemeinden gung eines externen Büros. Zu den Aufgabenfeldern „Heemsen – Liebenau – Marklohe – “ gegan- zählen die Erarbeitung des überörtlichen integrierten gen. Sie haben sich in der Gadesbündener Erklärung Entwicklungskonzepts, die Prozesssteuerung und die einen Verhaltenskodex auferlegt. Auch das Beispiel Öffentlichkeitsarbeit. Dazu gehört die Entwicklung der Kooperation in Mittelbereich - von Leitbildern und Zielen, Vernetzung der Akteure, (Brandenburg) zeigt, wie vor Ort individuelle Instru- Abstimmung mit Dritten, Zusammenarbeit mit der mente entwickelt werden, um gemeinsam Projekte Presse, gemeinsame Beantragung und Einwerbung umzusetzen. Hier wurde ein Kooperationsfonds von Fördermitteln und Erstellung von Gutachten eingerichtet, mit dem die Umsetzung von Projekten sowie die kommunale Beratung im gesamten Prozess im Städtebauförderprogramm „Kleinere Städte und von der Vorbereitung der Aufnahme in das Pro- Gemeinden“ unterstützt wird. gramm bis hin zum Abschluss und zur Abrechnung der Gesamtmaßnahme. Die spezifischen Anforderun- Instrument der Programmumsetzung: gen an ein Kooperationsmanagement leiten sich aus Kooperationsmanagement den Aufgaben vor Ort ab.

Neben den formalen Anforderungen ist entschei- Um zu gewährleisten, dass ein Interessensausgleich dend, die lokalen Gegebenheiten bei der Aufstellung zwischen allen beteiligten Kommunen stattfindet, und Arbeit der interkommunalen Kooperationen zu richten viele Kooperationen entsprechende Gremien berücksichtigen. Auf der interkommunalen Ebene für die Begleitung der Zusammenarbeit ein: In den müssen teilweise Konkurrenz zwischen den Kommu- Kooperationsräumen in Südwestfalen, Oben an der nen, Interessensgegensätze und Unklarheiten über Volme und LenneSchiene, ist das Kooperationsma- Entscheidungskompetenzen überwunden werden. nagement komplex. Die interkommunale Koopera- Bei den Akteuren gilt es, Vertrauen aufzubauen, Kom- tion LenneSchiene, bestehend aus acht Kommunen munikations- und Informationsdefizite abzubauen, in drei Landkreisen, hat es sich zum Ziel gesetzt, die Unterschiede und selektive Problemwahrnehmungen „LenneSchiene“ wieder zu einer lebendigen Achse sowie institutionelle Bindungen zu beachten. Auch werden zu lassen, um sowohl für die Bewohner als Befindlichkeiten von Einzelpersonen oder lokalen auch für Besucher und Touristen neue Anziehungs- Akteursgruppen können von Bedeutung sein. In die- kraft zu erzeugen. sem komplexen Gefüge kann eine neutrale, erfahrene und fachliche Moderation, die von allen Akteuren Die ersten Ideen wurden in gemeinsamen Sitzungen akzeptiert wird, dazu beitragen, die Zusammen- und einer Projektwerkstatt vertieft und zu einem arbeit zu koordinieren, Ergebnisse zu sichern und Rahmenkonzept weiter entwickelt. Zusätzlich zum weiterzuentwickeln sowie die Kommunikation und extern beauftragten Kooperationsmanagement wurde Motivation der verschiedenen Kooperationspartner eine Lenkungsgruppe eingerichtet, die sich aus den aufrechtzuerhalten.25 Stadtplanern der beteiligten Kommunen, die von ihren Bürgermeistern mit den erforderlichen Kompetenzen Durch ein Kooperationsmanagement wird der ausgestattet wurden, einem Vertreter der Südwest- Aufbau einer interkommunalen Zusammenarbeit falen Agentur und den beauftragten Planungsbüros begleitet und der Arbeitsprozess unterstützt. Hier- zusammensetzt. Entscheidungen trifft das Bürgermeis- bei handelt es sich um ein programmspezifisches tergremium, zusätzlich finden gemeinsame Ratssit-

25 Vgl. Andreas Raab: Räumliche Entwicklungen interkommunal steuern. Interkommunale Kooperation – ein bedarfsgerechtes Steuerungsinst- rument für räumliche Entwicklungen auf kleinräumiger Ebene. Stuttgart 2011, S. 44f.

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 43 zungen aller Kommunen als Beschlussgremium statt. lung erfolgt meist eine thematische Profilierung und Die kontinuierliche Arbeit in der Lenkungsgruppe der Qualifizierung hinsichtlich der Sicherung der Daseins- „LenneSchiene“ hat die Wahrnehmung von gemeinsa- vorsorge und interkommunaler Funktionsteilung. men Stärken und Schwächen verbessert und darüber Dies sind vielversprechende Ansätze für die weitere hinaus die Augen für die Potenziale einer regionalen Programmlaufzeit. Deutlich wird, dass die inhaltliche Entwicklung geöffnet. und organisatorische Ausrichtung des Programms vor Ort den Bedürfnissen entspricht. Insbesondere bei neu Im Kooperationsraum Oben an der Volme ist das Ko- eingerichteten Kooperationen muss sich die Zusam- operationsmanagement in externe Moderation und menarbeit allerdings erst festigen. Öffentlichkeitsarbeit sowie eine Lenkungsgruppe bestehend aus Vertretern der Bezirksregierung, des Befördert wird eine interkommunale Kooperation, Landes, der Fachplaner, der Bürgermeister, der Süd- wenn öffentliche und private Akteure einbezogen wer- westfalenagentur und dem Landkreis aufgeteilt. den – insbesondere zur Umsetzung konkreter Projekte. Ein Beispiel im Städtebauförderprogramm „Kleinere Aktuelle Schwerpunkte aus der Programmumsetzung Städte und Gemeinden“ hierfür ist die interkommu- – interkommunale Kooperationen und gemeinsame nale Kooperation Ilzer Land e. V. in Bayern, die sich Daseinsvorsorge durch einen breiten Handlungs- und Akteursansatz auszeichnet. Intensiv wird mit den zuständigen Ämtern Vor Ort zeichnen sich bei den Programmkommunen für ländliche Entwicklung und Städtebauförderung verschiedene Ausrichtungen in der interkommunalen zusammengearbeitet. Als wichtiger Akteur werden Zusammenarbeit ab: Die Kooperationen in Branden- auch regionale Banken angesehen und in den Entwick- sind beispielsweise auf die gemeinsame Stärkung lungsprozess eingebunden. Ähnlich breit aufgestellt ist des jeweiligen Mittelzentrums beziehungsweise Mit- das Akteursnetzwerk im Kooperationsraum „Südliches telzentrums in Funktionsteilung ausgerichtet (so zum Paderborner Land“ in Nordrhein-Westfalen. Beispiel im Mittelzentrum in Funktionsteilung Witt- stock/Dosse und Pritzwalk). Diese Stadt-Umland-Part- Im Bereich der gemeinsamen Sicherung der Daseins- nerschaften unterscheiden sich von solchen Koopera- vorsorge zeigen sich vielfältige Handlungsansätze. tionen, die weniger auf die gemeinsame Stärkung eines Dabei spielen Innenentwicklung und Anpassung Ortes konzentriert sind. Bei ihnen steht die Koordina- städtebaulicher Infrastruktur durch Bündelung von tion und Abstimmung von Gesamtmaßnahmen in den Einrichtungen in den Stadtzentren und Ortskernen Mitgliedsgemeinden der Kooperation im Mittelpunkt, zusammen. Viele Programmkommunen bündeln um eine stärker arbeitsteilige Entwicklung zu erreichen Infrastruktureinrichtungen auch im Umfeld von beziehungsweise die Stärken der jeweiligen Kommune Verkehrsknotenpunkten, oftmals an Bahnhöfen. zu nutzen. Diese Form der Zusammenarbeit ist bei den Hierdurch wird eine Erreichbarkeit der Einrichtungen Kooperationen im Städtebauförderprogramm häufiger auch für das Umland gesichert, die dazu beiträgt, den anzutreffen (wie beispielsweise in der Gesamtmaßnah- Auslastungsgrad zu erhöhen. Den Bahnhöfen kommt me Leerstandsoffensive in Bayern oder der Kooperati- zudem als orts- und stadtbildprägenden Gebäuden on der Samtgemeinden Liebenau, Heemsen, Marklohe eine wichtige Bedeutung zu. Durch ihre Sanierung und Steimbke in Niedersachsen). und die Bündelung von Einrichtungen in den Bau- werken werden gut erreichbare Infrastrukturangebote Die interkommunalen Kooperationen im Städtebau- geschaffen. In der Gesamtmaßnahme „Oben an der förderprogramm befinden sich auf unterschiedlichen Volme“ wird die Reaktivierung der Volmetal-Bahn Entwicklungsstufen und unterscheiden sich in der mit der Aufwertung der Bahnhofsumfelder in den Ko- Organisationsform, Größe und Ausrichtung teilweise operationsgemeinden verbunden, wodurch Impulse stark voneinander. Oftmals dient das Programm der für die angrenzenden Zentrenbereiche angestoßen Konkretisierung von bestehenden Kooperationen und werden. Auch in der interkommunalen Kooperation der Weiterführung von strategischen Ansätzen aus Gransee/Zehdenick im Norden wird anderen Förderkontexten (zum Beispiel ELER/Leader ein Schwerpunkt auf die Aufwertung der Bahnhö- oder Landesprogramme). Mit dieser Weiterentwick- fe mit den angeschlossenen Busbahnhöfen gelegt.

44 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Im Mittelbereich Pritzwalk-Wittstock/Dosse soll in Wittstock/Dosse ein leer stehendes Bahnhofsgebäude zu einem Ärztehaus umgenutzt werden, das durch seine Lage für Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs in einem großen Einzugsbereich gut zu erreichen ist. In der Kooperationsgemeinde Pritzwalk wurde der noch in Nutzung befindliche Bahnhof in Teilen für eine Polizeiwache und das Ordnungsamt mit einem Bürgerbüro umgebaut.

Die Brandenburger Kooperation „AG Niederer Fläming“ im Mittelbereich Jüterbog setzt bei der Umsetzung von Maßnahmen auf die Konzentration und Stärkung von Daseinsvorsorgeeinrichtungen in Verbindung mit einem Mobilitätskonzept. Durch das Konzept wird eine bessere Erreichbarkeit der Ortsteile gewährleistet, wobei die Mobilitätsanfor- derungen von älteren Menschen berücksichtigt und bessere Verbindungen für Pendler geschaffen werden. Markt in /Mark, Brandenburg Mit der Maßnahme „Campus der Generationen“ soll am Standort einer Schule bis 2017 ein Mehrgene- rationenhaus entstehen, welches unterschiedliche In der Programmkommune Deusmauer, einem Stadt- Angebote zur Daseinsvorsorge an einem Ort bündelt. teil von (Gesamtmaßnahme „NeuLand – Ge- Neben der Schulnutzung sollen hier Betreuungsange- meinsam innen stark!“ in Bayern), wurde beispielsweise bote für Jung und Alt, aber auch Dienstleistungen der die leer stehende Dorfschule im Ortskern zu einem Kommune und Räumlichkeiten für die ärztliche Ver- Dorfladen mit Café umgenutzt. Auch das Umfeld wird sorgung und Nahversorgung untergebracht werden. umgestaltet und damit die Ortsmitte als Versorgungs- Bereits vorhandene Angebote wie (Schul-)Speisung, und Treffpunkt insgesamt aufgewertet. In Altendorf Schulbibliothek, Sporthalle oder Computerkabinett (Bayern), eine Kooperationsgemeinde der „Leerstands- sollen hier in Zukunft generationsübergreifend ge- offensive“, wird ebenfalls ein Dorfladen geschaffen. Ein nutzt werden. leer stehendes Sparkassengebäude im Zentrum wird hierfür derzeit umgebaut. Für die Akteure vor Ort, gerade in kleinen Ortschaf- ten, ist die Sicherung der Nahversorgung in den Orts- Die Dorfläden werden oftmals genossenschaftlich von von großer Bedeutung. Anders als bei den Ein- der Bewohnerschaft getragen. Die in kleinen Städten richtungen der öffentlichen Infrastruktur sind hier und Gemeinden meist stark ausgeprägte Bereitschaft, die direkten Einflussmöglichkeiten der öffentlichen sich für die Gemeinschaft zu engagieren, bietet hierfür Hand gering. Eine Chance sind sog. Dorfläden. Neben ein großes Potenzial. Das Städtebauförderprogramm einem Lebensmittelangebot für den täglichen Bedarf „Kleinere Städte und Gemeinde“ kann ergänzend befinden sich in den Dorfläden meist auch Dienstleis- genutzt werden, um die Sanierung und den Umbau tungsangebote und Bürgertreffs. Die Läden bieten den der Gebäude zu unterstützen. Die Realisierung eines Dörfern und ihrer Bevölkerung verschiedene Vorteile: Dorfladens erfordert kooperatives Handeln zwischen Kurze Einkaufswege, Vermarktung von regionalen Bewohnerinnen und Bewohnern, regionalen Unter- Produkten, Verbesserung des Dienstleistungsangebots nehmen und der Verwaltung und kann Impulsgeber und eine Belebung des Ortskerns. Es wird ein Treff- sein, Engagement für den Gemeindeentwicklungspro- punkt geschaffen, der die sozialen Netzwerke in der zess und Interesse für die Fragen der Daseinsvorsorge Dorfgemeinschaft stärkt. zu wecken. ■

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 45 Mittelbereich Pritzwalk-Wittstock/Dosse (Brandenburg) Daseinsvorsorge durch interkommunales Handeln sichern

Angesichts der Folgen des demografischen Wandels arbeiten die branden- burgischen Städte Pritzwalk und Wittstock/Dosse eng zusammen. Sie kooperieren seit 2007 auf Basis eines Vertrages und bilden seit 2009 ein Mittelzentrum in Funktionsteilung. Darüber hinaus sind die Gemeinden und das Meyenburg Teil der Kooperation.

Trotz schwieriger Ausgangsbedingungen gelingt es erfolgreich, Projekte zur Sicherung der Daseinsvorsorge umzusetzen und damit zur Sicherung der Lebensqualität beizutragen. Grundlage ist die „Integrierte Konzeption zur Wahrnehmung der mittelzentralen Funktionen und Aufgaben“. Das Konzept wurde im Rahmen eines Pilotprojektes der „Nationalen Stadtent- wicklungspolitik“ erarbeitet. Die daraus abgeleiteten Maßnahmen werden mit Hilfe des Städtebauförderprogramms "Kleinere Städte und Gemein- den" realisiert. Hierbei stehen Vorhaben zur Aufwertung bestehender sozialer Infrastrukturen und zur Umnutzung denkmalgeschützter Bau- werke für Bildungs- und Kultureinrichtungen im Fokus. Zudem wird die Kooperation zwischen verschiedenen Akteursgruppen im Mittelbereich ausgebaut. Die Weiterentwicklung des seit 2007 bestehenden Koopera- tionsvertrages im Jahr 2011 zeigt, dass die Kooperation ausgebaut und intensiviert wird. Hervorzuheben ist der Einbezug privater Akteure durch den Verein „Wachstumskern Autobahndreieck Wittstock/Dosse“, in dem über 30 regionale Unternehmen vertreten sind. Neben den kommunalen Vertragspartnern ist auch der private Verein Teil der Kooperation, um öffentliche und private Kapazitäten und Interessen zu bündeln. Ein Ko- operationsrat, bestehend aus Vertretern der kooperierenden Gemeinden und dem Vorsitzenden des Vereins „Wachstumskern Autobahndreieck Wittstock/Dosse e. V.“, ist das zentrale Gremium der Zusammenarbeit. Es berät die Beantragung und Verteilung von Fördermitteln, die Durchfüh- rung gemeinsamer Projekte und die Koordinierung kommunaler Einzel- maßnahmen.

Mit der Gründung der Arbeitsgemeinschaft wurden unter anderem besse- re Voraussetzungen für die Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Rathaus-Vorplatz in Wittstock/Dosse, Sicherung der Daseinsvorsorge geschaffen sowie die Akquisition und das Quandtsche Tuchfabrik in Pritzwalk, Management von Fördermitteln erleichtert. Bahnhofsgebäude in Wittstock/Dosse

Zur Verstetigung der Gesamtmaßnahme wurde zudem ein internes Ko- operationsmanagement innerhalb der Verwaltung eingerichtet, um den Kooperationsprozess in den lokalen Verwaltungsstrukturen zu verankern. Mit Aufnahme in das Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ im Jahr 2010 hat die Kooperation zudem ein externes Management beauf- tragt. Es ist neben der Koordinierung der Gesamtmaßnahme mit Modera- tionsprozessen, Bürgerbeteiligung, Öffentlichkeitsarbeit, der Vorbereitung und Durchführung von Projekten sowie der Betreuung des Verwaltungs- vorgangs beauftragt.

Quellen: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort

46 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Kooperation Heemsen-Liebenau-Marklohe-Steimbke (Niedersachsen) Überörtliche Zusammenarbeit für eine abgestimmte Entwicklung der kommunalen Infrastruktur

Heemsen, Liebenau, Marklohe und Steimbke, vier niedersächsische Samt- gemeinden zwischen Hannover und Bremen, arbeiten eng zusammen, um die Daseinsvorsorge im Angesicht des wirtschaftsstrukturellen und demografischen Wandels in der Region zu sichern. Die interkommunale Zusammenarbeit wird durch die Aufnahme in das Städtebauförderpro- gramm „Kleinere Städte und Gemeinden“ intensiviert. Im Mittelpunkt der ersten Förderphase (2011-2013) stand die Erstellung des interkommuna- len integrierten Entwicklungskonzeptes, das im Jahr 2014 fertig gestellt wurde. In der Kooperation haben die Themen Schul- und Bildungsversor- gung, Familienversorgung und -betreuung und Seniorenversorgung die oberste Priorität.

Die interkommunale Zusammenarbeit ist gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Verbindlichkeit und einen kontinuierlichen Arbeits- und Abstimmungsprozess. Eine differenzierte Organisationsstruktur legt Verantwortlichkeiten fest. Eine Steuerungsgruppe bestehend aus den Bürgermeistern der vier Samtgemeinden, politischen Vertreterinnen und Vertretern und dem Landkreis stellt die „Entscheidungsebene“ dar. Auf der „operativen Arbeitsebene“ sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bauverwaltungen und externe Planungsbüros für die inhaltliche und organisatorische Koordination der interkommunalen Zusammenarbeit zuständig. Auf der kooperativen Arbeitsebene sind vier Arbeitsgruppen zu den Themen „Familie und Bildung“, „Gesundheit und Senioren“, „Wirt- schaft, Daten und Verkehr“ sowie „Mobilität und Einkaufen“ aktiv.

Die vierte Arbeitsebene umfasst die Entwicklung und Umsetzung von Einzelvorhaben. Als verbindliche Grundlage der Zusammenarbeit zur Erstellung des Konzeptes dient eine sogenannte Startvereinbarung. Diese benennt die Handlungsfelder der Daseinsvorsorge, denen im Diskussions- prozess eine hohe Priorität zugewiesen wurde. In ihr werden die Ziele, Zuständigkeiten und der Zeitplan verbindlich festgelegt. Sie enthält auch die „Gadesbündener Erklärung“. Hierbei handelt es sich um einen von den vier Partnern unterzeichneten „Verhaltenskodex“. In der Erklärung wer- den neben den grundlegenden inhaltlichen Zielen der Kooperation auch Stadtzentrum Liebenaus, ehemalige Vereinbarungen zum Umgang miteinander getroffen, zum Beispiel die Schule in Marklohe vor dem Umbau zur Kinderbetreuungseinrichtung, Gebäude des gegenseitige Respektierung als gleichwertige Partner. Die Kooperations- Heimatvereins in Liebenau partner belegen mit ihrem Bekenntnis zu den Inhalten und Vorgaben der Startvereinbarung ihren Willen zur überörtlichen Zusammenarbeit und schaffen eine verbindliche Grundlage für den gemeinsamen Entwick- lungsprozess.

Quelle: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort, Interkommunales integriertes Entwicklungs- und Handlungskonzept (IEK) – Startvereinbarung der Samtgemeinden Heemsen, Liebenau, Marklohe, Steimbke

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 47 und (Niedersachsen) Bündelung sozialer Infrastruktur zur Stärkung der Zentren

Amelinghausen und Ilmenau, zwei Samtgemeinden in Niedersachsen, umfassen zwölf Ortsgemeinden, in denen insgesamt circa 18.500 Ein- wohner wohnen (Stand 2012). Als interkommunale Kooperation wollen sie die Versorgungsfunktion erhalten und die soziale Infrastruktur an die veränderten demografischen Entwicklungen anpassen. Ihr oberstes Ziel ist die nachhaltige Sicherung und der Erhalt der Ortschaften als Lebens- und Arbeitsraum.

Seit der Aufnahme in das Städtebauförderprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden“ im Jahr 2011 stand die Erstellung des überörtlichen integ- rierten Entwicklungskonzeptes im Mittelpunkt der Arbeit. Dazu richteten die Samtgemeinden eine Lenkungsgruppe ein und führten eine erste Bür- gerversammlung durch. Der Bestandsaufnahme der Flächennutzungen und vorhandenen Daseinsvorsorgeeinrichtungen folgte die Erarbeitung von Leitbildern und Oberzielen sowie Handlungsfeldern, Prioritäten und Einzelmaßnahmen für die zukünftige Entwicklung des Kooperationsrau- mes. Alle Schritte wurden intensiv durch die Lenkungsgruppe begleitet und der Öffentlichkeit vorgestellt. Ende 2014 soll das Entwicklungskon- zept beschlossen werden.

Parallel zur Erstellung des Konzeptes begann die Realisierung von drei Schlüsselprojekten als vorgezogene Maßnahmen:

Mit der Sanierung und Aktivierung der leer stehenden ehemaligen Schulräume in Amelinghausen und der gestalterischen Aufwertung der umliegenden Flächen entstehen multifunktionale Räume. In Nachbar- schaft mit einem , einer Kinderkrippe und der Grundschu- le werden weitere soziale und kulturelle Einrichtungen in dem Zentrum gebündelt. Die angrenzenden Freiflächen werden in die Gesamtanlage integriert und in einen Mehrgenerationenpark für alle Nutzergruppen umgestaltet. Bis 2016 dauern die Arbeiten an.

Die Sanierung und Umnutzung eines Jugendzentrums in Nachbarschaft Schulgebäude in Amelinghausen vor zur Grundschule in Melbeck, einem Ortsteil der Ilmen- dem Umbau und der Umgestaltung zu , ist eine weitere wichtige Schlüsselmaßnahme. Das Jugendzentrum einem Familien- und Sozialzentrum, Jugendzentrum in Melbeck vor dem soll mit neuen Nutzungen ergänzt werden: Familienserviceangebote, Umbau, leer stehendes Stallgebäude vor eine Mehrgenerationenbegegnungsstätte und individuelle Förderan- dem Um- und Ausbau für eine Bibliothek gebote für Kinder und Jugendliche. Das leer stehende Stallgebäude und ein Archiv befindet sich auf dem Gelände der Grundschule Melbeck in unmittel- barer Nachbarschaft zu einem Kindergarten und dem oben genannten Jugendzentrum. Mit dem Erhalt der historischen Bausubstanz soll das Gebäude für eine Bibliothek und ein Archiv nutzbar gemacht werden.

Quellen: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort

48 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Arbeitsgemeinschaft Niederer Fläming (Brandenburg) Gelungenes Zusammenspiel von Anpassung und qualitativer Verbesserung der Infrastruktur

Die Stadt Jüterbog, das Amt Dahme/Mark und die Gemeinde Niederer Fläming im Mittelbereich Jüterbog setzen sich seit 2010 als „Arbeits- gemeinschaft Niederer Fläming“ für die Sicherung der Daseinsvorsorge im Mittelbereich Jüterbog ein. Gemeinsam wollen sie ihre Region an die alternde Bevölkerung anpassen und gleichzeitig junge Menschen und Familien anziehen. Die Prognosen weisen einen deutlichen Bevölke- rungsrückgang auf (27 Prozent bis 2030), einen ansteigenden Anteil der älteren Menschen (18 Prozent) und einen Rückgang der unter 65-jährigen (43 Prozent). Im Jahr 2012 stellte die Arbeitsgemeinschaft ein überört- liches integriertes Entwicklungskonzept auf, das Maßnahmen in den Be- reichen Bildung, Lebensqualität, Mobilität, technische Infrastruktur und Wirtschaft umfasst.

Von besonderer Bedeutung ist der Bereich Bildung, der die Gemeinden vor allem für junge Familien attraktiver machen soll. Die Arbeitsgemein- schaft saniert und sichert die noch vorhandenen Schulstandorte im Mit- telbereich. 2012 wurde bereits eine Grundschule in Dahme energetisch saniert. Das Projekt „Campus der Generationen“ in Werbig, einem Ortsteil der Gemeinde Niederer Fläming, steht beispielhaft für das Zusammen- spiel von Anpassung und qualitativer Verbesserung der Infrastruktur.

Ein durch rückläufige Schülerzahlen unterausgelasteter Schulstandort wird zu einem multifunktionalen Treffpunkt für mehrere Generationen um- und ausgebaut. Ziel ist es, durch die Zusammenlegung verschiedener sozialer Infrastrukturleistungen an einem Ort eine Qualitätssteigerung zu erreichen. Neben den Unterrichtsräumen der Grundschule werden die Gemeindeverwaltung, lokale Vereine, eine Bibliothek und ein Kindergar- ten das Gebäude nutzen. Geschaffen werden zudem eine Tagespflegestelle für Senioren und eine Kantine mit Bistro und kleinem Lebensmittelge- schäft. Gemeinsam setzen die kooperierenden Gemeinden ein Mobilitäts- konzept um, wobei der Campus zu einem regionalen Mobilitätsknoten und damit auch für die Menschen aus den beteiligten Kooperationsge- meinden gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar wird. Die Grundschule in Werbig vor dem Quellen: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort Umbau, Blick auf den Rathausturm Dahme/Mark und der Rundweg entlang der Stadtmauer in Dahme

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 49 (Mecklenburg-Vorpommern) DA!SEIN! – Leben im ländlichen Raum: Ein Quartier für Kunst und Kultur

Im Stadtzentrum von Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) entsteht ein neues Kulturquartier. Hierzu wird das historische Postgebäude saniert und mit einem Neubau erweitert. In dem Komplex werden die Stadtbib- liothek, das Karbe-Wagner-Archiv sowie das Museum der Stadt Neustre- litz zusammengeführt, ergänzt durch die Bibliothek der Stiftung Meck- lenburg und das Neustrelitzer Theaterarchiv. Durch die Bündelung der Einrichtungen an einem Standort kann das kulturelle Angebot langfristig gesichert und der Tourismus in der Region gestärkt werden.

Das Kulturquartier ist ein gemeinsam getragenes Pilotprojekt der inter- kommunalen Kooperation „DA!SEIN!- Leben im ländlichen Raum in der Mecklenburgischen Seenplatte“, der die Städte Neustrelitz, , Penzlin sowie die Gemeinde Feldberger Seenlandschaft angehören. Der Kooperationsraum ist überwiegend ländlich geprägt und durch eine ge- ringe Bevölkerungs- und Siedlungsdichte (65 Einwohner pro Quadratki- lometer), eine sinkende Bevölkerungszahl sowie eine große Entfernung zu Agglomerationsräumen und Metropolregionen gekennzeichnet. Im Jahr 2011 unterzeichneten die vier Kommunen einen Kooperationsvertrag zur Förderung der überörtlichen Zusammenarbeit.

Die Gemeinden legen in ihrer Zusammenarbeit einen Schwerpunkt auf die Handlungsfelder Kultur und Tourismus. Zur Umsetzung der Gesamt- maßnahme sind weitere Projekte in Burg Stargard, Penzlin sowie der Feldberger Seenlandschaft geplant.

Die Kooperation ist durch eine intensive Fördermittelbündelung gekenn- zeichnet, die unter anderem EU-Mittel für die Tourismusförderung be- inhaltet. Die Kräfte und Ressourcen werden derzeit auf das Kulturquartier als gemeinsam getragenem Pilotprojekt konzentriert. So ist es möglich, ein großes Vorhaben zu realisieren, das Ausstrahlungskraft entfalten kann und als kultureller Anker in der Region fungiert.

Quellen: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort Blick auf den Marktplatz in Neustrelitz, altes Postgebäude im zukünftigen Kulturquartier, Eingang zur Stadtbibliothek

50 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Gröningen (Sachsen-Anhalt) Innenentwicklung und Stärkung des Bildungsstandortes in einem

„Stadtbildung und Bildungsstadt“ – die Bezeichnung verdeutlicht das Leitbild und Ziel der Gesamtmaßnahme in der ländlich geprägten Klein- stadt in der Magdeburger Börde: Die Stadt Gröningen will einen stabilen Stadtkern mit hoher Wohnqualität schaffen und gleichzeitig ihre Funk- tion als überörtlicher Bildungsstandort sichern und erweitern. Dafür werden seit Aufnahme in das Programm „Kleinere Städte und Gemeinde“ im Jahr 2011 Maßnahmen sowohl für die Innenentwicklung als auch für die Sicherung der Daseinsvorsorge, insbesondere im Bereich Bildung, ge- fördert. Anlass hierfür sind die rückläufigen Bevölkerungszahlen, die zur Ausdünnung von Infrastruktureinrichtungen und teilweise Schließung von Schulen führten.

In einer „Lokalen Aktionsgruppe“ zusammen mit der Stadt Oschers- leben wurden bereits die Schwerpunkte der Entwicklung erarbeitet und die Maßnahmen im Programm „Kleinere Städte und Gemeinden" vor- bereitet. Schlüsselmaßnahme zur Sicherung der überörtlichen Bildungs- funktion von Gröningen ist die Neugestaltung des Schulhofes, der Abriss leer stehender Nebengebäude und der Ausbau fehlender Rettungswege eines historischen Schulgebäudes, das derzeit an einen privaten Bil- dungsträger vermietet wird und zukünftig die staatliche Grundschule beherbergen wird.

Der private Bildungsträger plant, bis 2016 die Schaffung eines Campus mit einer Wirtschaftsakademie, einer Sekundarschule und benachbartem Kindergarten. Hierzu wird die staatliche Grundschule an den oben ge- nannten Schulstandort verlagert, um Räume für die Sekundarschule nahe der Wirtschaftsakademie zur Verfügung zu stellen. Dieses Gebäude beher- bergt neben den Schulklassen ein Internat, eine Aula sowie zwei Küchen und hat damit eine besondere Bedeutung für die Daseinsvorsorge.

Die Grundschule verfügt dann an ihrem neuen Standort über zentral gelegene räumliche Kapazitäten für einen zweizügigen Betrieb. Um den Stadtkern zu stabilisieren und als Wohnort attraktiv zu machen, ist zudem Schulhof in Gröningen vor der die Wiederbelebung des brachliegenden, ehemals als Pferdehof genutzten Umgestaltung, Bücherei der Grundschule, die Kindertagesstätte vor der Sanierung „Edelhofs“ geplant.

Quellen: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 51 Mittelbereich Zehdenick-Gransee (Brandenburg) Maßnahmen gemeinsam finanzieren mit dem Kooperationsfonds

Im Landkreis im Land Brandenburg befindet sich die inter- kommunale Kooperation der Gemeinden Zehdenick, Gransee und Fürstenberg/. Gransee und Zehdenick bilden seit 2007 ein Mit- telzentrum in Funktionsteilung. Bis ins Jahr 2030 wird ein deutlicher Bevölkerungsrückgang von bis zu 25 Prozent gegenüber dem Jahr 2008 prognostiziert. In den vergangenen Jahren hat die Zusammenarbeit schon einiges bewirkt: Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wurden Funktionen der Daseinsvorsorge in den Kernstädten konzentriert und die Verteilung der Funktionen zwischen den Städten abgestimmt.

Zehdenick und Gransee unterzeichneten 2007 einen „Kooperationsver- trag über die Funktionswahrnehmung eines Mittelzentrums in Funk- tionsteilung“. Bemerkenswert ist die 2009 gegründete Regionale Entwick- lungsgesellschaft in Oberhavel-Nord (REGiO-Nord) mbH. Sie übernimmt für das Mittelzentrum Gransee und Zehdenick unter Einbeziehung von Fürstenberg/Havel Aufgaben in den Bereichen Kooperations- und Regio- nalmanagement, Standortmarketing sowie Wirtschafts- und Tourismus- förderung. Die Gemeinden Gransee, Zehdenick und Fürstenberg/Havel sind jeweils zu einem Drittel an der Regionalen Entwicklungsgesellschaft beteiligt.

Das 2011 im Rahmen des Programms „Kleinere Städte und Gemeinden“ gemeinsam erstellte Integrierte Entwicklungskonzept trifft Aussagen zu den Funktionen der Daseinsvorsorge der drei Kommunen: Während Gransee mit dem größten Anteil an Industriebetrieben wichtiger Indus- triestandort ist und mit Krankenhaus, Schulen und Bußgeldstelle über überregionale öffentliche Einrichtungen verfügt, bildet Fürstenberg einen touristischen Schwerpunkt. Zehdenick ist Sitz des Amtsgerichtes, Dienstleistungs- und Einzelhandelsstandort und verfügt über zahlreiche kulturelle Einrichtungen. Um das Netz zwischen den Städten zu stabili- sieren und die Funktionsteilung dauerhaft aufrecht zu erhalten, sollen die Stadteingänge aufgewertet und die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr gestärkt werden. Eine Besonderheit der Programm- Geplanter Busbahnhof in Zehdenick, umsetzung ist der Kooperationsfonds, in den die Gemeinden der Koope- Bahnhofsgebäude in Fürstenberg und in ration Mittel für gemeinsame Projekte einzahlen. Hier wird er eingesetzt, Gransee (2013) um damit den kommunalen Eigenanteil für Maßnahmen im Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ zu finanzieren.

Quelle: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort durch die Bundestransferstelle

52 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm 2.2 Lebenswerte Stadt- und Ortskerne

→→ Innenentwicklung ist ein langfristiger Prozess, der → Das Zusammenspiel aus Innenentwicklung und der eine konsequente Ausrichtung der Entwicklungs- Anpassung städtebaulicher Infrastruktur durch Bünde- politik auf die bestehenden Kerne voraussetzt. Vor lung von Einrichtungen in den Stadtzentren und Orts- allem dort, wo die Einwohnerzahl sinkt, ist der Hand- kernen kann entscheidende Impulse zur Sicherung der lungsbedarf in den Ortskernen durch zunehmenden Daseinsvorsorge sowie zur Steigerung der Lebens- und Leerstand sichtbar. Wohnqualität auslösen.

→ Mit dem überörtlichen integrierten städtebaulichen → Privat-öffentliche Zusammenarbeit eröffnet den Entwicklungskonzept, Leerstandserhebungen und Kommunen auch die Chance, neue Ansätze und Stra- Flächenmanagement stehen den Kommunen Instru- tegien für die Wiederinwertsetzung von Immobilien mente für die Innenentwicklung zur Verfügung. zu entwickeln.

→→ Interkommunale Zusammenarbeit unterstützt die Innenentwicklung, wenn sich die Gemeinden auf dieses grundlegende gemeinsame Entwicklungs- prinzip verständigen und dadurch die Konkurrenz um Neubaugebiete und Gewerbeflächen vermindert wird.

Der wirtschaftliche Strukturwandel, die demografi- öffentlichen Raum beeinträchtigt. Ein zusätzliches sche Entwicklung und ein allgemeiner Wertewandel Problem kann vielerorts die Dominanz des Verkehrs führen in vielen kleinen Städten und Gemeinden zu sein. Es gilt, durch eine Besinnung auf die Potenziale einem schleichenden Verlust der Funktionsvielfalt der Innenentwicklung eine nachhaltige Siedlungsent- in den Kernen. Diese Vielfalt ist aber die Vorausset- wicklung anzustoßen. zung für deren Attraktivität. Das gilt sowohl dort, wo die Bevölkerungszahl steigt oder stabil ist als auch In vielen Programmkommunen und Kooperationen dort, wo sie sinkt. Sinkt die Bevölkerungszahl führen ist Innenentwicklung und die damit verbundene Aus- Abwanderung, Alterung, zunehmender Gebäude- einandersetzung mit dem Bestand ein Handlungsfeld leerstand und die Aufgabe von Nahversorgungs- und von großer Bedeutung. Sie ist die programmatische Infrastruktureinrichtungen schnell zu einer man- Orientierung und Zielstellung für den gemeinsamen gelnden Funktionsvielfalt und einem Vitalitätsverlust. Entwicklungsprozess. Durch die Konzentration von Die Stärkung der Nutzungsvielfalt ist maßgeblich für Nutzungen und die Aufwertung der öffentlichen die Sicherung der Lebensqualität und die Vitalität der Räume in den Innenstädten und Ortskernen wird die Innenstädte.26 Funktionsvielfalt erhöht und der Wohn- und Wirt- schaftsstandort gestärkt. Vor allem dort, wo die Einwohnerzahl sinkt, ist der Handlungsbedarf in den Ortskernen durch Leerstand Interkommunale Zusammenarbeit unterstützt die In- sichtbar. Zunehmend stehen Wohn- und Geschäfts- nenentwicklung, wenn sich die Gemeinden auf dieses gebäude leer, darunter viele historische Gebäude grundlegende gemeinsame Entwicklungsprinzip ver- mit Denkmalwert. Das Ortsbild wird durch einen ständigen und dadurch die Konkurrenz um Neubau- hohen Sanierungsbedarf an den Bauwerken und im gebiete und Gewerbeflächen vermindert wird.

26 Vgl. Bayerisches Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten (Hrsg.): Ländliche Entwicklung in Bayern, Aktionsprogramm Dorf vital, Innenentwicklung in der Dorferneuerung, Materialien zur Ländlichen Entwicklung, 2006, S. 2.

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 53 Abbildung 13: Bausteine der Innenentwicklung im Städtebauförderprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden“

Überörtliche Abstimmung und Zusammenarbeit

Infrastrukturerfassung Flächenmanagement- mit Auslastungsgrad Politischer Wille system

überörtliches Lebenswerte integriertes Stadt- und Ortskerne Brach„ächen- und Entwicklungskonzept und Sicherung Leerstandserfassung der Daseinsvorsorge

Einbezug von fundierte Unternehmen Bürgerbeteiligung Datengrundlagen und Prognosen

Quelle: eigene Darstellung

Bausteine der Innenentwicklung Wichtiges Instrument ist das integrierte Entwicklungs- konzept. Es beschreibt die Strategien und Maßnahmen Voraussetzung ist vor allem der politische Wille, denn zur Innenentwicklung und Revitalisierung der Ortsker- Innenentwicklung ist ein langfristiger Prozess, der ne und definiert die räumlichen Schwerpunktbereiche eine konsequente Ausrichtung der Entwicklungs- (vergleiche Abbildung 13). Durch die Festlegung von politik auf die bestehenden Kerne voraussetzt. Hierfür Fördergebieten in den Ortskernen wird die Vorausset- sind vorausschauendes Handeln und Durchhaltever- zung geschaffen, Investitionen im Sinne der Innen- mögen wichtig. Ebenso wichtig ist die Einbeziehung entwicklung hier zu bündeln und Förderanreize zu der Bewohnerinnen und Bewohner, der privaten schaffen. Das überörtliche Konzept schafft damit die Eigentümerinnen und Eigentümer und sonstiger Voraussetzung, die strategische Ausrichtung auf die Akteure der Privatwirtschaft in den Entwicklungs- Innenentwicklung verbindlich festzulegen und räum- prozess. Erforderlich sind zudem sowohl ein Problem- lich darzustellen. bewusstsein der handelnden Akteure und der Öffent- lichkeit als auch verlässliche Informationen über die Eine Leerstandserhebung und die Erstellung eines aktuelle Situation und die Entwicklungstrends.27 Flächenmanagementsystems sind weitere Instrumen- te, innerörtliche Flächenpotenziale zu erfassen und Mit Maßnahmen der Innenentwicklung eröffnen sich zu bewerten. Entscheidend, neben der Erhebung des Möglichkeiten, Funktionen zu konzentrieren und aktuellen Leerstands, ist die Abschätzung des zukünf- damit historische Ortskerne zu erhalten. Zur Stärkung tigen Leerstands. Das ausgewiesene, aber bislang nicht der Innenentwicklung sind verschiedene Ansätze hilf- genutzte Bauland ist in die Erhebung einzubeziehen. In reich, die individuell vor Ort miteinander kombiniert der Kooperation „Kreuzbergallianz“ ist zum Beispiel im werden können.28 Rahmen der Erstellung eines Flächenmanagementsys-

27 Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Herausforde- rungen und Entwicklungschancen für Dorfkerne und Ortsmitten in Nordrhein-Westfalen. Eine Hilfestellung für die Akteure vor Ort, 2012, 15. 28 Vgl. Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg (Hrsg.): Bausteine erfolgreicher Innenentwicklung. Empfehlungen aus der kommunalen Praxis. Publikation im Rahmen des Projektes „Flächen gewinnen in Baden-Württemberg – Flächenmobilisierung in der Innenentwicklung“, Stuttgart 2009.

54 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm tems eine Eigentümerbefragung durchgeführt worden. Auf diesem Wege konnte die aktuelle Leerstandsquote erhoben aber auch in Erfahrung gebracht werden, wel- che Eigentümer Umbau und Sanierungsbedarf an ihren Gebäuden für notwendig erachten beziehungsweise einen Verkauf der Immobilie planen.

Wird mit der Einrichtung eines Flächenmanagement- systems die Erfassung der Infrastruktureinrichtungen und eine Abschätzung zukünftiger Bedarfe verbunden, können Umnutzungspotenziale von leer stehenden Immobilien durch die Bündelung von Einrichtun- gen in den Ortskernen und Stadtzentren identifiziert werden.

Programmumsetzung: Innenentwicklung und Anpassung städtebaulicher Infrastruktur

Vor allem das Zusammenspiel aus Innenentwicklung und der Anpassung städtebaulicher Infrastruktur durch Bündelung von Einrichtungen in den Stadt- zentren und Ortskernen kann entscheidende Impulse Sensibilisierung für die Innenentwicklung durch gemeinsame zur Sicherung der Daseinsvorsorge sowie zur Steige- Stadtspaziergänge im Neumarkter Land, Bayern rung der Lebens- und Wohnqualität auslösen. Gerade in Kleinstädten ist oftmals auch in den Stadt- und Ortskernen alters- und familiengerechtes Wohnen des demografischen und wirtschaftsstrukturellen und Leben mit entsprechender Infrastruktur möglich. Wandels abzumildern. Als konzeptionelle Grundlage In der Kooperation „NeuLand – Gemeinsam innen dient ein im Jahr 2011 erarbeitetes interkommunal stark“ (Bayern) wird zum Beispiel aktives Flächenma- und interdisziplinär ausgerichtetes städtebauliches nagement betrieben. Durch den An- und Verkauf von Entwicklungskonzept. Ein besonderer Schwerpunkt Schlüsselgrundstücken eröffnen sich die Kommunen liegt dabei auf der Entwicklung und Stärkung der Handlungsoptionen. Ortskerne, die als funktionale und Identität stiftende Zentren gesichert und aufgewertet werden sollen. Insbesondere die Umgestaltung von Marktplätzen und Bereits umgesetzt oder begonnen wurde die Aufwer- die Schaffung von Aufenthaltsqualität kann die Anzie- tung der Marktplätze von , Schönburg und hungskraft und Verweildauer erhöhen und damit die . Durch die Förderung von privaten Inves- Treffpunktfunktion verbessern, was zur Stärkung des titionen in leer stehende Bausubstanz soll die Nut- sozialen Zusammenhalts in der Gemeinde beitragen zungsvielfalt und Attraktivität der Ortskerne gesteigert kann. werden. Beispielhaft wird ein leer stehendes, denkmal- geschütztes Gebäude im Zentrum von Perlesreut, die Die Kooperation „Ilzer Land“ verdeutlicht eindrucks- sog. „Bauhütte Ilzer Land“, saniert. Im Sommer 2013 voll, welche Erfolge bei der Revitalisierung der Orts- wurde der Baubeginn gefeiert. Sie dient der Anschau- kerne erzielt werden können, wenn der Schwerpunkt ung und Information sanierungswilliger Bauherren – konsequent auf die Innenentwicklung gelegt wird. hier wird Innenentwicklung zukünftig begreifbar. 2005 haben sich neun Gemeinden in den Landkreisen und Freyung-Grafenau im südlichen Bayern Eine der Kernaufgaben ist die Vermarktung der zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist es, die Lebens- und Leerstände, um Interessenten für die Revitalisierung Arbeitsbedingungen in der ländlich geprägten Region zu gewinnen. Die Gemeinden im Ilzer Land haben zu erhalten und weiter zu entwickeln sowie die Folgen deshalb eine enge Kooperation mit regionalen Banken

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 55 und historischen Bebauung identifizieren sich die Bewohnerinnen und Bewohner mit den Kernberei- chen.29 Dies ist ein großes Potenzial, um sie mit in den Entwicklungsprozess einzubeziehen und Engagement zu wecken. Gemeinsam in partnerschaftlicher Zusam- menarbeit können Lösungsansätze für leer stehende Gebäude erarbeitet und umgesetzt werden, um die Stadt- und Ortskerne lebenswert zu gestalten und ihre Funktionsvielfalt zu sichern.

Die Hofheimer Allianz in Unterfranken hat im Pro- gramm „Kleinere Städte und Gemeinden“ ein ehema- liges und denkmalgeschütztes Rentamt im Zentrum der Stadt Hofheim zu einem interkommunalen Die Domänenburg in Aerzen, Niedersachsen, führt viele Nutzungen Bürgerzentrum umgebaut. Es ist nicht nur zentraler unter einem Dach zusammen Anlaufpunkt für die Bürgerinnen und Bürger zu allen Themen der Allianz, sondern auch Sitz des Allianz- Managements und fasst weitere Nutzungen wie den aufgebaut. Gemeinsam mit einem Koordinator für das Sitz des Kultur- und Seniorenbüros, die Tourismus- Handlungsfeld Innenentwicklung können mögliche zentrale, eine Bücherei, einen modern ausgestatteten Investoren dadurch umfassend über Finanzierungs- Konferenzraum sowie einen Ausstellungsraum zur Al- und Fördermodelle beraten werden. Dieser Ansatz lianz in der angrenzenden Remise unter einem Dach privat-öffentlicher Kooperation eröffnet die Chance, zusammen. In Rügheim (Ortsteil von Hofheim) wurde neue Ansätze und Strategien für die Wiederinwertset- zudem das ehemals leer stehende, historische Schul- zung von Immobilien zu entwickeln. haus zu einem Dorfgemeinschaftshaus umgebaut, in ist der Umbau des Pfarrhauses zu einem Die Konzentration auf die gewachsenen Ortskerne Dorfgemeinschaftshaus geplant und eine Verbindung erfordert eine Auseinandersetzung mit historischer, mit den benachbarten Einrichtungen (Kindergarten, zum Teil denkmalgeschützter Bausubstanz. Eine He- Pfarrzentrum) vorgesehen. rausforderung in vielen Programmkommunen, auch vor dem Hintergrund knapper öffentlicher Haushalte, Die Konzentration von Funktionen in den Stadt- und ist die Identifizierung von geeigneten Nutzungsmög- Ortskernen durch dezentrale Konzentration trägt dazu lichkeiten für leer stehende Bauwerke. Oftmals ist der bei, unnötige Wege zu vermeiden. Dies gewinnt ange- Sanierungsbedarf hoch. Hinzu kommen gegebenen- sichts steigender Mobilitätskosten an Bedeutung. Kurze falls Anforderungen des Denkmalschutzes bei Umbau Wege zu Einrichtungen der Daseinsvorsorge ermög- und Renovierung. Es sind aber gerade denkmal- lichen dem steigenden Anteil älterer Menschen mit geschützte, geschichtsträchtige Bauwerke, die einen eingeschränkter Mobilität eine selbstständige Lebens- wichtigen Beitrag für ein unverwechselbares Ortsbild führung. Durch eine kleinräumige Konzentration der und die Bewahrung der lokalen Bautradition leisten. Funktionen kann die Schaffung gleichwertiger Lebens- Aufgrund ihrer individuellen, gewachsenen Struktur bedingungen in allen Teilräumen erzielt werden. ■

29 Vgl. Bayerisches Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten (Hrsg.): Ländliche Entwicklung in Bayern, Aktionsprogramm Dorf vital, Innenentwicklung in der Dorferneuerung, Materialien zur Ländlichen Entwicklung, 2006, S. 17.

56 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Hofheimer Allianz (Bayern) Konsequente Innenentwicklung zur Sicherung lebenswerter Orts- und Gemeindezentren

Die Förderung der Innenentwicklung zur Sicherung lebenswerter Orts- und Gemeindezentren ist das zentrale Anliegen der Hofheimer Allianz in Unterfranken. Sieben Gemeinden mit 53 Ortsteilen haben sich im Jahr 2008 im Rahmen eines Programms zur Förderung der Bausubstanz zu- sammengetan. Seither hat sich die Allianz zu einer Partnerschaft weiter- entwickelt, in der die beteiligten Gemeinden in einem kooperativen und von Konsens geprägten Arbeitsprozess erfolgreich Strategien zur Siche- rung der Lebensqualität entwickeln und gemeinsam umsetzen. So konn- ten beispielsweise über 150 Leerstände in den beteiligten Gemeinden und Ortsteilen beseitigt und 19 gemeindliche Ortskernprojekte durchgeführt werden. Eine Lenkungsgruppe begleitet die Arbeit der interkommunalen Kooperation. Sie trifft sich regelmäßig und setzt sich aus den Bürger- meistern der Allianzgemeinden, Verwaltungsangestellten, dem LEADER- Management Hasberge, einem Vertreter der Regierung von Unterfranken (Städtebauförderung) sowie einem Vertreter aus dem Amt für Ländliche Entwicklung Unterfranken zusammen. Ein Allianzmanager bündelt und koordiniert die Aktivitäten und Prozesse vor Ort.

Eine abgeschlossene Maßnahme der Allianz im Programm „Kleinere Städte und Gemeinden" ist der Umbau und Ausbau des ehemaligen Finanzamtes der Stadt Hofheim in ein interkommunales Bürgerzen- trum. Als ein zentraler Anlaufpunkt für die Bürgerinnen und Bürger zu allen Themen der Allianz befindet sich nicht nur der Sitz des Alli- anz-Managements in dem Gebäude, sondern auch eine Vielzahl von Beratungseinrichtungen zu den Themen Daseinsvorsorge, Bauen und Siedlungsentwicklung. Das Bürgerzentrum beherbergt zudem den Sitz des Kultur- und Seniorenbüros, die Tourismuszentrale, eine Bücherei, einen modern ausgestatteten Konferenzraum sowie einen Ausstellungs- raum zur Allianz in der angrenzenden Remise. Für die Zusammenle- gung, Sanierung und den Umbau eines Hallenbades mit angrenzendem Freibad lobte die Allianz einen Architektenwettbewerb aus. Der Entwurf für das neue Schwimmbad sieht einen neuen Eingangsbereich vor, der Baubeginn ist für 2015 geplant. Das Projekt ist durch einen gemein- schaftlichen Charakter geprägt. So haben sich alle Kommunen des Dachlandschaft der Stadt Hofheim, Kooperationsraumes in einer gemeinsamen Erklärung dazu verpflichtet, Eingangstor des interkommunalen Bürgerzentrums in Hofheim, saniertes und das Hallenbad finanziell zu unterstützen und es so langfristig betreiben zum Dorfgemeinschaftshaus umgebautes zu können. Schulhaus in Rügheim

Ein drittes Leitprojekt ist das dezentrale Bürgerhäuser-System. Dabei werden leer stehende Objekte in den Ortsteilen des Kooperations- raums zu multifunktionalen Bürgerhäusern umgebaut. In Rügheim (Ortsteil von Hofheim) wurde beispielsweise das ehemalige Schulhaus umgebaut, in Riedbach ist der Umbau des Pfarrhauses zu einem Dorf- gemeinschaftshaus geplant und eine Verbindung mit den benachbarten Einrichtungen (Kindergarten, Pfarrzentrum) vorgesehen.

Quellen: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 57 Ilzer Land (Bayern) Entwicklung und Stärkung der Ortskerne durch eine konsequente Innenentwicklung

Historische Ortskerne neu zu beleben und sie wieder zum Gemeinde- mittelpunkt zu machen – dieser herausfordernden Aufgabe stellt sich die Kooperation Ilzer Land. 2005 haben sich neun Gemeinden in den Land- kreisen Passau und Freyung-Grafenau im südlichen Bayern zusammenge- schlossen. Ziel ist es, die Lebens- und Arbeitsbedingungen in der ländlich geprägten Region zu erhalten und weiter zu entwickeln sowie die Folgen des demografischen und wirtschaftsstrukturellen Wandels abzumil- dern. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung und Stärkung der Ortskerne, die durch eine konsequente Innenentwicklung in ihrer Bedeutung als funktionale und Identität stiftende Zentren gesichert und aufgewertet werden sollen. Als konzeptionelle Grundlage dient ein im Jahr 2011 erarbeitetes interkommunal und interdisziplinär ausgerich- tetes städtebauliches Entwicklungskonzept.

Die Aufwertung des städtebaulichen Umfelds in den Zentren wird als not- wendige Voraussetzung für private Investitionen begriffen. Die baulichen Maßnahmen werden interkommunal abgestimmt. Bereits umgesetzt oder begonnen wurde die Aufwertung der Marktplätze von Perlesreut, Schön- burg und Hutthurm. Durch die Förderung von privaten Investitionen in leer stehende Bausubstanz soll die Nutzungsvielfalt und Attraktivität der Ortskerne gesteigert werden. Als eine der zentralen Maßnahmen wird derzeit ein gemeindeübergreifendes Netzwerk aufgebaut, das ein umfang- reiches Beratungsangebot für private Sanierungswillige anbieten wird. Bereits aktiv ist ein interkommunaler Koordinator für Innenentwicklung. Er vermittelt gezielt technisches Wissen sowie Kontakte zu Finanzie- rungs- und Fördermöglichkeiten in Kooperation mit örtlichen Banken an Interessierte. Die Bereitschaft zur Sanierung eines historischen Gebäudes in einem der Ortskerne wird damit gesteigert. Die Anschubfinanzierung erfolgte mit Mitteln der Städtebauförderung. Als zukünftige Anlaufstel- le für den Koordinator für Innenentwicklung wird beispielhaft ein leer stehendes, denkmalgeschütztes Haus im Zentrum von Perlesreut saniert, die sogenannte „Bauhütte Ilzer Land“. Sie dient der Anschauung und Information sanierungswilliger Bauherren – hier wird Innenentwicklung Ortskern Schönberg, Zustand der begreifbar. Bürgerinnen und Bürger und Interessierte haben die Möglich- Bauhütte in Perlesreut vor Beginn der keit, bereits die Baustelle zu besichtigen. Sanierungsarbeiten, Ortskern Perlesreut

Eine der Kernaufgaben ist die Vermarktung der Leerstände, um Inter- essenten für die Revitalisierung zu gewinnen. Die Gemeinden im Ilzer Land haben deshalb eine erfolgreiche Kooperation mit regionalen Banken aufgebaut. Gemeinsam mit dem Koordinator für das Handlungsfeld Innenentwicklung können mögliche Investoren dadurch umfassend über Finanzierungs- und Fördermodelle beraten werden. Dieser Ansatz privat- öffentlicher Kooperation eröffnet die Chance, neue Ansätze und Strate- gien für die Wiederinwertsetzung von Immobilien zu entwickeln.

Quelle: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort durch die Bundestransferstelle, Internetauftritt Ilzer Land e. V. (www.ilzerland.info), Vortrag Manfred Eibl im Rahmen der Transferwerkstatt im März 2012

58 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Gemeinde Quierschied (Saarland) Städtebauliche Aufwertung und Anpassung der Infrastruktur greifen ineinander

Stärkung der Ortskerne durch Innenentwicklung – das ist das Leitprinzip der Gemeinde Quierschied bei der Umsetzung des Programms. Grundlage ist ein integriertes Gemeindeentwicklungskonzept aus dem Jahr 2011, aus dem für die Ortsmitten von Quierschied und Göttelborn teilräum- liche Handlungskonzepte mit konkreten Maßnahmen abgeleitet wurden. Hohen Stellenwert im Gemeindeentwicklungsprozess hat die Beteiligung der Öffentlichkeit.

Das Grundzentrum nördlich von Saarbrücken hat circa 13.400 Einwohner und besteht aus den Gemeindebezirken Quierschied, -Cam- phausen und Göttelborn. Die Gemeinde befindet sich im Strukturwandel und hat mit den Auswirkungen der Schließung mehrerer Bergwerken zu kämpfen.

Aufgrund seiner Funktion als Versorgungszentrum wird die zentrale städ- tebauliche Maßnahme im Kern des Ortsteils Quierschied umgesetzt. Auf dem ehemaligen, seit mehreren Jahren brachliegenden Standort des Rat- hauses entsteht das „Haus der Kulturen“, ein Veranstaltungs- und Kultur- zentrum mit überörtlicher Bedeutung. Mit dem Neubau wird eine umfas- sende Neugestaltung der angrenzenden Platz- und Freiräume verbunden und die Ortsmitte als lebendiges, funktionsgemischtes Zentrum gestärkt. Neben der intensiven Einbindung der Öffentlichkeit ist das durchgeführte Wettbewerbsverfahren zur Erstellung anspruchsvoller städtebaulicher Entwürfe für das Haus der Kulturen vorbildhaft und leistet einen wichti- gen Beitrag zur Baukultur.

Zur Attraktiverung des Zentrums tragen auch die vielfältigen Maßnah- men des Leerstandsmanagements sowie die Ansiedlung der Gemeinde- bücherei in einem leer stehenden Supermarkt bei. Die Aufenthaltsqualität in der Ortsmitte verbesserte sich durch die generationengerechte Um- gestaltung der Grünfläche Eisenberg, die ein Treffpunkt unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen geworden ist.

Auch im Gemeindebesitz Göttelborn wird eine zentral gelegene Brachflä- Die Marienstraße Quierschied, che aktiviert. Auf ihr befindet sich die Festhalle eines geschlossenen Berg- generationengerechter Park Eisengraben, Rathausplatz mit Brachfläche in der werks. Sie wird saniert und für medizinische Angebote, betreutes Wohnen Ortsmitte Quierschied – zukünftiger und Gastronomie umgebaut. Die Freiflächen werden aufgewertet und ein Standort des Hauses der Kulturen neuer Dorfplatz gestaltet. In Verbindung mit ergänzenden Neubauten für Wohnen, Nahversorgung und Dienstleistungen entsteht eine funktions- gemischte, Identität stiftende Dorfmitte.

Quellen: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 59 Colditz (Sachsen) Neue Nutzungen in alten Gebäuden im Zentrum

Die sächsische Kleinstadt Colditz (knapp 9.000 Einwohner) verfolgt das Ziel, durch eine konsequente Innenentwicklung den Stadtkern zu beleben und zu stabilisieren. Die Stadt ist von Bevölkerungsrückgang und Alte- rung betroffen, was eine veränderte Nachfrage an die öffentliche Da- seinsvorsorge und den Wohnraum hat und eine zielgerichtete Anpassung der Infrastruktureinrichtungen erfordert. Einen wichtigen Beitrag leistet hierbei die Konzentration und Aufwertung von Einrichtungen der Da- seinsvorsorge im Rahmen des Programms „Kleinere Städte und Gemein- den", um den Stadtkern als überörtliches Versorgungszentrum zu stärken.

Leer stehender und sanierungsbedürftiger Gebäudebestand in der denkmalgeschützten Altstadt wird für neue Nutzungen modernisiert, das innerstädtische Wohnen gestärkt und öffentliche Infrastruktureinrich- tungen im Stadtkern konzentriert, beziehungsweise aufgewertet. Um die Erreichbarkeit des Zentrums zu sichern, werden Kleinbusse eingesetzt, die die Ortsteile mit dem Stadtkern verbinden.

Zu den Schlüsselmaßnahmen zählt die Bildungs- und Begegnungsstätte Colditz. Sie beherbergt Kindertagesstätte, Schulhort, Turnhalle und eine neu eingerichtete Bibliothek und ist damit eine zentrale Einrichtung der Daseinsvorsorge für die Stadt und ihre Ortsteile. Die Modernisierung und der Ausbau wurden schon größtenteils realisiert und mit Mitteln des Programms „Kleinere Städte und Gemeinden" unterstützt. Im Stadtkern wird ein leer stehendes, von Abriss bedrohtes Gebäudeensemble von einem privaten Investor saniert und umgebaut. In den denkmalgeschütz- ten Bauten entstehen ein medizinisches Zentrum und altengerechte Wohnungen. Auch das Rathaus von Colditz soll energetisch saniert und umgebaut werden, um die bislang im Stadtgebiet verteilten Verwaltungs- einrichtungen zu konzentrieren und eine zentrale Anlaufstelle für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Unter dem Dach des Rathauses ent- steht zudem ein Saal für Veranstaltungen und Sitzungen.

In Colditz werden zudem die Erfordernisse des Klimaschutzes bei den Umbau zu generationenrechtem Wohnen, Sanierungsmaßnahmen an Gemeindebedarfseinrichtungen besonders Bushaltestelle vor der Schule, ehemaliges berücksichtigt und großer Wert auf die energetische Erneuerung gelegt. Schulungszentrum der Porzellanfabrik nach dem Umbau zu Hort, Kita, Turnhalle Dafür wurde unter anderem ein Konzept zur Schaffung eines Nahwärme- und Bibliothek netzes auf Basis regenerativer Energien erstellt.

Quellen: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort

60 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Oben an der Volme (Nordrhein-Westfalen) Mittelbündelung und Aktivierung der Stadtzentren im Rahmen der REGIONALE Südwestfalen

Die Volme, ein Nebenfluss der , verbindet die Städte Meinerzhagen, , Halver und die Gemeinde Schalksmühle. Die vier nordrhein- westfälischen Kommunen haben sich zusammengefunden, um in der Region Oberes Volmetal in Südwestfalen eine nachhaltige Entwicklung anzustoßen. Die Region ist zwar wirtschaftlich stabil, hat aber einen Bevöl- kerungsrückgang zu verzeichnen. Das Projekt „Oben an der Volme“ ist Teil des nordrhein-westfälischen Strukturprogramms REGIONALE Südwest- falen 2013. Die Maßnahmen im Rahmen des Städtebauförderprogramms „Kleinere Städte und Gemeinden“ werden durch zahlreiche weitere Maß- nahmen flankiert, die die Entwicklung der Region insgesamt befördern. Die Bündelung von privaten und öffentlichen Mitteln funktioniert in der Region erfolgreich. Das gesamte Maßnahmenprogramm umfasst ein Investitionsvolumen von 60 Millionen Euro, das durch den abgestimmten Einsatz von Förderinstrumenten in den Kommunen (Städtebauförderung, Förderung des Radwegebaus, Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur) sowie mit Hilfe privater Investitionen (zum Beispiel Reaktivierung der Volmetalbahn durch die AG) umgesetzt wird.

Zwischen den Gemeinden besteht bereits eine Kooperation, die im Rahmen der REGIONALE 2013 und des Programms „Kleinere Städte und Gemeinden“ intensiviert und ausgeweitet wurde. Durch städtebauliche Maßnahmen werden die Stadtzentren aktiviert und die Lebensqualität in der Region gestärkt. Städtebauliche Missstände in den Versorgungsberei- chen sowie eine unzureichende städtebauliche Einbindung von einzelnen Verkehrsknotenpunkten werden ebenso wie strukturelle Mängel, zum Beispiel die fehlende Vernetzung der Einzelhandelsstandorte, behoben. Grundlage hierfür ist das „Regionale integrierte Entwicklungs- und Hand- lungskonzept Oben an der Volme“ (RIEHK).

Das RIEHK stellt insgesamt elf Leitprojekte heraus. Neben den Projek- ten, die sich durch eine besondere regionale Bedeutung auszeichnen (zum Beispiel Reaktivierung der Volmetalbahn, Bau des Volmeradweges, Revitalisierung der Volme), sollen die Stadtzentren beziehungsweise Ortskerne in Meinerzhagen, Halver und Schalksmühle sowie der Stadtteil Busbahnhof Meinerzhagen, Sanierung des Kierspe-Bahnhof so aktiviert werden, dass sie zukünftig die räumlichen „Kulturhauses“ in Halver, Renaturierung der Volme und Umgestaltung einer Brache und wirtschaftlichen Kristallisationspunkte für die Region bilden. Durch zu einem Park mit Bühne für kulturelle städtebauliche Maßnahmen werden die Zentren gestärkt, Wohngebiete Veranstaltungen mit der Innenstadt verbunden, die Aufenthaltsqualität gesteigert und das Erscheinungsbild aufgewertet.

Auf der Basis des RIEHK wurden für die Zentren der vier Kommunen in- tegrierte Handlungskonzepte erstellt, in denen die Maßnahmen konkreti- siert und mit örtlich wichtigen (Teil-) Projekten verknüpft werden.

Quellen: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort, „Regionales integriertes Entwicklungs- und Handlungskonzept Oben an der Volme“ (RIEHK), Internetauftritt des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein- Westfalen (www.mbwsv.nrw.de)

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 61 Stadtkern (Rheinland-Pfalz) Aufwertung des Stadtkerns zur Stärkung der Zentrumsfunktion

Die Stadt Rennerod ist Verwaltungszentrum der gleichnamigen Verbands- gemeinde im in Rheinland-Pfalz. In dem Grundzentrum leben 3.817 Einwohner (Stand: 2012). Die Verbandsgemeinde will die Stadt Rennerod als Versorgungszentrum stärken und dort eine attraktive Stadt- mitte schaffen. Die Stadt fördert mit dem Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ Maßnahmen zur Neugestaltung und Stabilisierung des Stadtkerns von Rennerod. Dies haben die Ortsgemeinden der Verbands- gemeinde in einem überörtlich integrierten Entwicklungskonzept im Jahr 2013 abgestimmt.

Die Stadt Rennerod soll als Grundzentrum mit besonderer Bedeutung für die umliegenden Gemeinden durch Innenentwicklung gestärkt werden. Neben dem allgemein hohen Verkehrsaufkommen wegen ihrer Versor- gungsfunktion ist die Innenstadt Rennerods durch eine Bundesstraße geteilt. Dadurch ist kein zusammenhängendes Zentrum erkennbar. Seit der Aufnahme in das Programm „Kleinere Städte und Gemeinde“ wer- den Maßnahmen zur Neugestaltung und Aufwertung des Stadtzentrums gefördert. Im Mittelpunkt steht die Umgestaltung des zentralen Hubertu- splatzes.

In Kooperation mit dem Bistum Limburg wurde auf dem Hubertusplatz ein neues Pfarrhaus errichtet, das gleichzeitig Veranstaltungsort der Ge- meinde ist und eine öffentliche Toilette bereit hält. Der Neubau wurde im Rahmen eines studentischen Wettbewerbes entworfen. Der Hubertusplatz und das Pfarrhaus wurden im Sommer 2012 feierlich eingeweiht. Weiter geplant ist die Modernisierung und Instandsetzung von öffentlichen und privaten Gebäuden im Umfeld des neu geschaffenen Stadtplatzes.

Eine wichtige Maßnahme ist die vorgesehene denkmalgerechte Sanie- rung und Umnutzung einer alten Schmiede am Hubertusplatz zu einer Museumsschmiede. Auf der Fläche des ehemaligen Pfarrhauses entsteht derzeit ein neuer Parkplatz im Zentrum der Stadt. Hierdurch gestaltet sich nicht nur der Stadtraum attraktiver für Bewohner und Gäste der Stadt, Neubau des Pfarrheims auf dem sondern es wurde auch eine neue zentrumsnahe Versammlungs- und Hubertusplatz, Rathaus der Veranstaltungsfläche mit entsprechenden Räumlichkeiten geschaffen. Verbandsgemeinde, Zugang zum Hubertusplatz von Osten Quellen: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort

62 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Niesky – Zentrum West (Sachsen) Ganzheitliche Anpassungsstrategie mit Schwerpunkt Wohnen, Sport und Baukultur

Ein Beispiel, wie in einer Gesamtmaßnahme Erkenntnisse und Grundla- gen aus verschiedenen Programmen aufgenommen und fortgeschrieben werden, ist die Gesamtmaßnahme „Zentrum Niesky“ in Sachsen. Die Stadt Niesky hat es sich zum Ziel gesetzt, die Entwicklungsfähigkeit ihres Zen- trums nachhaltig zu sichern. Die rückgehenden Geburtenzahlen und die Abwanderung junger Menschen erfordern die bedarfsgerechte Anpassung von Infrastruktureinrichtungen. Die Stadt will nicht nur auf die ver- ändernden Rahmenbedingungen reagieren, sondern mit vorbeugenden Maßnahmen den Entwicklungen entgegen wirken. Die Fördermaßnahme ist eingebettet in die regionalen Entwicklungsstrategien und verbindet in einem überörtlichen integrierten Entwicklungskonzept die verschiede- nen inhaltlichen und fördertechnischen Ansätze miteinander. Es ent- hält Schnittstellen mit dem Regionalplan und der Regionalstrategie der ILE-Region „Östliche Oberlausitz“. Erkenntnisse aus dem Modellvorhaben der Raumordnung „Modellregion Oberlausitz-Niederschlesien“ und eines gesamtstädtischen integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts von 2002 (Städtebauförderprogramm Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen) sowie gesamtstädtische Ziele und Maß- nahmen zur Klimaanpassung (Qualitätsmanagement European Energy Award) sind eingeflossen. Zudem finden sich die Maßnahmen im Pro- gramm in einer großen Breite an Handlungsfeldern wieder, so im Bereich öffentliche Einrichtungen/Infrastruktur, Wohnen, öffentlicher Raum, Bildung, Sport, Gesundheit, Kultur und Stadtbaukultur.

Die Modernisierung und Instandsetzung eines gründerzeitlichen Wohn- gebäudes im Zentrum der Stadt, verbunden mit der Schaffung von alten- gerechtem Wohnraum, ist eine wichtige Maßnahme, die im Rahmen des Programms „Kleinere Städte und Gemeinden“ anteilig gefördert wurde und für die Stärkung des Zentrums als Wohnstandort beiträgt. Die Ge- meinnützige Wohnungsgesellschaft Niesky mbH hat mit Unterstützung des Förderprogramms Aufzugsanlagen in das hundert Jahre alte Gebäude eingebaut, Notrufsysteme und alle weiteren für Senioren notwendige technische Anlagen installiert. Das barrierefreie Wohngebäude wurde im März 2013 eröffnet. Um die Infrastruktur und die überörtliche Versor- Konrad-Wachsmann-Haus, Eisstadion gungsfunktion Nieskys langfristig zu sichern, sollen die Sporthalle und und Sportplatz mit St. Josef Kirche im Hintergrund der Sportplatz in der Konrad-Wachsmann-Straße sowie das Eisstadion mit seiner regionalen Bedeutung für die Nachwuchsarbeit modernisiert und instand gesetzt werden. Die Sporthalle wurde 2013 energetisch saniert. Mit der denkmalgerechten Sanierung des stadtbildprägenden Holzfertigbaus der St. Josef Kirche und der Modernisierung des Konrad- Wachsmann-Hauses, das zugleich zu einem Informationszentrum für Holzbau und einem Veranstaltungsort und Anschauungsobjekt zur Sanie- rung von Holzfertigbauten ausgebaut wird, fördert Niesky die regionale Baukultur.

Quellen: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 63 2.3 Aktivierung, Beteiligung und überörtliche Kommunikation

→→ Überörtliche Kommunikation schafft ein gemeinsames →→ Die Erfahrungen aus der Programmumsetzung Bewusstsein für Probleme und Potenziale in den betei- zeigen, dass überörtliche Beteiligungsprozesse dann ligten Kommunen. Eine zielgerichtete Kommunikation gelingen, wenn sie als Doppelstrategie angelegt sind: nach innen und nach außen bereits von Anfang an ist Auf der einen Seite Informationsveranstaltungen eine Grundvoraussetzung für den Erfolg von inter- und Öffentlichkeitsarbeit im gesamten Koopera- kommunalen Kooperationen und die Sicherung der tionsraum und auf der anderen Seite die konkrete Daseinsvorsorge. Beteiligung im Rahmen der Erstellung von überört- lichen integrierten Konzepten. → Demografischer und struktureller Wandel, Daseinsvor- sorge oder integrierte Entwicklungskonzepte sind auf → Grundsätzlich gilt, die Bewohnerinnen und Bewohner den ersten Blick schwer zu vermitteln. Eine auf formale als Expertinnen und Experten vor Ort ernst zu nehmen. Beteiligungsverfahren beschränkte Partizipation reicht Es zeigt sich, dass bei der Anpassung und Entwicklung hierfür nicht aus. Trotz der Herausforderungen bei der der Infrastruktur ein früher Einbezug wichtig ist. In überörtlichen Kommunikation gibt es in vielen Pro- ländlich geprägten Kommunen sind mehr als ein Drit- grammkommunen erfolgreiche Beteiligungsverfahren tel der Bewohnerinnen und Bewohner bürgerschaftlich und gelungene Öffentlichkeitsarbeit. in Gruppen engagiert. Zur Akzeptanz trägt auch bei, wenn es gelingt, bei der Anpassung von Einrichtungen → Die Beteiligung an Entscheidungs- und Entwicklungs- Angebote insgesamt qualitativ zu verbessern. prozessen findet nicht nur auf der kommunalen Ebene in Form der „klassischen“ Bürgerbeteiligung statt, →→ Kooperations- oder Regionalmanager können zur Ko- sondern umfasst zusätzlich die Aktivierung regionaler ordinierung der Maßnahmen beitragen, eine „Über- Netzwerke und Akteure sowie die enge Einbindung der koordinierung“ gilt es jedoch zu vermeiden. Für eine Ortsvorsteher. erfolgreiche Kommunikation ist eine Person wichtig, bei der die inhaltlichen und organisatorischen Fäden zusammen laufen, die die Netzwerkbildung vorantreibt und für ein gutes Kommunikationsklima zwischen den Akteuren sorgt.

Partnerschaftliches Handeln von Politik, Verwal- Herausforderungen verbunden. Sie liegen zum einen tung und der Bevölkerung vor Ort ist entscheidend in der Komplexität der Themen. Demografischer und für eine erfolgreiche Umsetzung der Maßnahmen struktureller Wandel, überörtliche Daseinsvorsorge im Programm. Kommunikation über die Stadt- und oder integrierte Entwicklungskonzepte sind schwer zu Gemeindegrenzen hinweg schärft das Verständnis vermittelnde Inhalte. Formale Beteiligungsverfahren für die Chancen und Probleme der beteiligten Kom- reichen hierfür nicht aus. munen und Akteure. Das Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ fördert deshalb die Erarbeitung von Die jeweiligen Maßnahmen und Projekte müssen Strategien, mit deren Hilfe in der Bevölkerung ein Be- transparent und verständlich sein und offen kommu- wusstsein für die Potenziale und Sorgen und Nöte der niziert werden. Es bedarf einer zielgerichteten Kom- Nachbargemeinden und der Region aufgebaut werden munikation mit den Bewohnerinnen und Bewohnern kann. Gemeinsam kann eine Perspektive für die Region damit es gelingt, sie für diese Themen zu sensibilisie- entwickelt werden: Mehr Lebensqualität und eine stär- ren, Beteiligung anzuregen und Zusammenhänge zu kere Wirtschaftskraft. verdeutlichen. Es empfiehlt sich, von Anfang an private Akteure, Vertreter der lokalen Wirtschaft, des Bildungs- Für die Akteure im Städtebauförderprogramm sind mit wesens, der Vereine und engagierte Bürgerinnen und der Öffentlichkeitsarbeit und Beteiligung verschiedene Bürger an dem Planungsprozess zu beteiligen. Ziel ist,

64 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Abbildung 14: Dimensionen der Kommunikation in überörtlicher Zusammenarbeit

Kommunikation | Beteiligung | Öffentlichkeitsarbeit

raumspezisch themenspezisch akteursspezisch

Innerhalb der Innenentwicklung Verwaltung/Politik Kommune Wirtschaftliche Entwicklung Vereine/Initiativen überörtlich Daseinsvorsorge Unternehmen überregional weitere Bewohnerschaft

weitere

Quelle: eigene Darstellung

Bewusstsein für die Potenziale und Schwierigkeiten „Außen“ muss offen und gleichberechtigt stattfinden. im Kooperationsraum zu entwickeln, um gemeinsam Vor allem bei kleineren Gemeinden ist die direkte An- handlungsfähig zu werden. sprache unterschiedlicher Zielgruppen (zum Beispiel Jugendliche, ältere Menschen und Familien) wichtig, Eine Besonderheit ist der überörtliche Handlungs- um Vertrauen zu schaffen. Die verständliche Darstel- ansatz. Die überörtliche Perspektive ist erforderlich, lung von Fakten, beispielsweise der Daseinsvorsorge, um die Daseinsvorsorge und damit die Lebensqualität muss an der Lebenswirklichkeit vor Ort erfolgen. in kleineren Städten und Gemeinden in ländlichen Räumen zu sichern. Nur in überörtlicher Abstimmung Es ist zudem erforderlich, auf unterschiedlichen und in einvernehmlicher Arbeitsteilung kann dies Ebenen – kommunal, interkommunal und regional gelingen – eine Herausforderung insbesondere für die – zu kommunizieren und zu interagieren (vergleiche Akteure in Politik und Verwaltung. Hier bedarf es einer Abbildung 14). Die Beteiligung an Entscheidungs- und Strategie, wie über Gemeindegrenzen hinweg Themen Entwicklungsprozessen findet also nicht nur auf der vermittelt werden können, um Bewusstsein für die kommunalen Ebene in Form der „klassischen“ Bür- Nachbargemeinde und die Region herzustellen. Durch gerbeteiligung statt, sondern umfasst zusätzlich die die überörtliche Perspektive ist zudem der Kreis der Mitwirkung einzelner Ressorts auf Landesebene, die Akteure ungewöhnlich groß. Aktivierung regionaler Netzwerke und Akteure sowie die enge Einbindung der Ortsvorsteher als wichtige Kommunikation als Erfolgsbedingung interkommunaler Kommunikatoren. Kooperationen Die Kommunikation und Beteiligung im Programm Eine zielgerichtete Kommunikation nach innen und „Kleinere Städte und Gemeinden“ ist eine komple- nach außen bereits von Anfang an ist eine Grund- xe Aufgabe für kleinere Städte und Gemeinden, die voraussetzung für den Erfolg von interkommunalen oftmals nur über knappe finanzielle und personelle Kooperationen. Die Kommunikation nach „Innen“, Ressourcen verfügen. In ländlich geprägten Kommu- also auf Ebene der Verwaltung, erfordert eingespielte nen sind aber mehr als ein Drittel der Bewohnerinnen Routinen und Arbeitsstrukturen. Regelmäßige Abstim- und Bewohner bürgerschaftlich in Gruppen engagiert. mungsrunden von Amtsleitern und Bürgermeistern Dies ist ein deutlich höherer Anteil als in Groß- und sind etablierte Formate. Die Kommunikation nach Mittelstädten. Im Zuge der Entwicklungsprozesse gilt

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 65 es, dieses Potenzial zu nutzen und damit die eigenen entwickeln. Auf der anderen Seite kann die konkrete Stärken zu aktivieren – auch wenn es um die Gewähr- Beteiligung eher im Rahmen der Erstellung von über- leistung der Daseinsvorsorge geht.30 örtlichen integrierten Konzepten und der Durch- führung konkreter Maßnahmen, zum Beispiel in Das Städtebauförderprogramm bietet durch seine Bürgerforen und durch Mitarbeit in Arbeitsgruppen, Instrumente Unterstützung bei der Initiierung und auf der kommunalen Ebene erfolgen. Wichtig ist, die Verstetigung von Kommunikationsstrukturen. Hierzu regionalen Besonderheiten und spezifischen Aus- zählt das Kooperationsmanagement (vergleiche gangslagen bei Ansprache der Akteure und Wahl der Kapitel 2.1), das in den meisten Ländern mit Mitteln Beteiligungsform zu berücksichtigen. Für ein transpa- des Bund-Länder-Programms gefördert werden kann. rentes, für die Bürgerinnen und Bürger nachvollzieh- Für eine erfolgreiche Kommunikation ist eine Person bares Verfahren, leiten sich die Handlungsfelder in wichtig, bei der die inhaltlichen und organisatori- den einzelnen Kommunen aus den gemeinsam fest- schen Fäden zusammen laufen, die die Netzwerkbil- gelegten Themenbereichen für die interkommunale dung vorantreibt und für ein gutes Kommunikations- Zusammenarbeit ab. So erfolgt eine Verknüpfung der klima zwischen den Akteuren sorgt. Hierfür kommen unterschiedlichen räumlichen Ebenen. zum Beispiel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kommunalen Verwaltung in Frage, da sie in den In vielen Programmkommunen gibt es erfolgreiche lokalen Strukturen verankert sind. Viele kleine Städte Beteiligungsverfahren und gelungene Öffentlichkeits- und Gemeinden beauftragen Externe mit dem Ko- arbeit. Hierzu zählt die Kooperation „NeuLand – Ge- operationsmanagement, der Öffentlichkeitsarbeit und meinsam innen stark“, wo durch eine breit angelegte der Kommunikation, da ihre personellen Ressourcen Öffentlichkeitsarbeit Bewusstsein für die Potenziale häufig nicht ausreichen. Kooperations- oder Regional- und Herausforderungen in der Region geschaffen manager können zur Koordinierung zwischen den wird. Dies gelingt durch Stadtrundgänge, Häuserfahr- räumlichen Ebenen, zur dauerhaften Kommunikation ten und anschauliche Diskussionsveranstaltungen. der Kommunen und der Stärkung von Netzwerken Auch in der bayerischen Kooperation Brückenland beitragen, eine „Überkoordinierung“ gilt es jedoch Bayern – Böhmen ist es im Rahmen der „Leerstands- zu vermeiden. Weiterhin förderfähig sind vielfältige offensive“ durch kreative Maßnahmen und den Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit, zum Beispiel direkten Einbezug der Menschen vor Ort gelungen, die Durchführung von Informations- und Beteili- das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken, für den gungsveranstaltungen, die Aktivierung bürgerschaft- zunehmenden Leerstand in den Städten und Gemein- lichen Engagements, die Herausgabe von Publikatio- den zu sensibilisieren und Maßnahmen zu ergreifen, nen und das Einrichten einer Internetseite. In vielen um die Ortskerne aufzuwerten. Programmkommunen werden diese Instrumente in Kombination angewendet, um die Akteure auf unter- Bei der Anpassung der Infrastruktur ist ein früher schiedlichen Wegen anzusprechen. Einbezug der Öffentlichkeit bei konkreten Standort- entscheidungen wichtig, um Akzeptanz für schwie- Aktuelle Schwerpunkte aus der Programmumsetzung – rige Entscheidungen, zum Beispiel die Schließung Überörtliche Beteiligung und Zusammenlegung von Kindertagesstätten zu erreichen. Grundsätzlich gilt, die Bewohnerinnen Die Erfahrungen aus der Programmumsetzung und Bewohner als Experten vor Ort ernst zu neh- zeigen, dass überörtliche Beteiligungsprozesse dann men. Transparente und verlässliche Aussagen über gelingen, wenn sie als Doppelstrategie angelegt sind: die zukünftige Gemeindeentwicklung und die damit Auf der einen Seite Informationsveranstaltungen und eventuell verbundene Zusammenlegung von Infra- Öffentlichkeitsarbeit im gesamten Kooperationsraum, struktureinrichtungen sind wichtig, um nachvoll- um Bewusstsein für die Nachbargemeinden und ziehbare Entscheidungen zu treffen. Voraussetzung gemeinsamen Herausforderungen in der Region zu sind fundierte Datengrundlagen und Prognosen, die

30 Vgl. BBSR (Hrsg.): Landleben – Landlust? BBSR-Berichte KOMPAKT, 10/2010, S. 13.

66 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Auskunft über die Bevölkerungsentwicklung, Zahl der Schulkinder und Auslastung von Infrastruktur- einrichtungen et cetera geben. Zur Akzeptanz trägt auch bei, wenn es gelingt, Angebote insgesamt qua- litativ zu verbessern, zum Beispiel durch verlängerte Öffnungszeiten, zusätzliche Sprechstunden, neue pädagogische Angebote oder moderne Räumlichkei- ten am neuen Standort.

Instrument der Programmumsetzung: Verfügungsfonds

Im Jahr 2008 wurde das Angebot zur Einrichtung von Verfügungsfonds als Instrument zur privat-öf- fentlichen Kooperation in allen Programmen der Städtebauförderung geschaffen. Das Instrument steht Eine Ausstellung zur Kooperation „Oben an der Volme“ in auch den Kommunen im Städtebauförderprogramm Südwestfalen ist Teil der umfangreichen Öffentlichkeitsarbeit „Kleinere Städte und Gemeinden“ zur Verfügung. Mit einem Verfügungsfonds wird die partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Stadt- und Gemeindeent- gleichen Betrag aus dem Etat der Städtebauförderung wicklung angeregt. Er ermöglicht die Aktivierung (Bund, Land, Kommune) bezuschusst. von lokalem Engagement und privaten finanziellen Ressourcen für den Erhalt und die Entwicklung von Der private Anteil des Verfügungsfonds kann von Stadt- und Ortskernen auch in überörtlichen Ko- Akteuren der lokalen Wirtschaft, Grundstücks- und operationen. Programmkommunen können mit dem Immobilieneigentümern, Immobilien- und Standort- Verfügungsfonds Kooperationen der verschiedensten gemeinschaften, Vereinen oder engagierten Privatper- Akteure fördern und die Selbstorganisation der pri- sonen akquiriert und auch für nicht-investive Maßnah- vaten Partner unterstützen. Das Instrument ermög- men eingesetzt werden. licht den flexiblen und lokal angepassten Einsatz von Mitteln der Städtebauförderung in „eigene“ Projekte Über die Verwendung der Gelder aus dem Fonds ent- in den Programmgebieten. scheidet ein lokales Gremium in Eigenregie. Grund- lage ist das abgestimmte integrierte Entwicklungs- Grundlage für die Einrichtung des Verfügungsfonds konzept. Örtlichen Akteurszusammenschlüssen wird ist die Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung, somit die Verwendung der Gelder innerhalb eines Artikel 10. Jede Gemeinde, die Mittel aus der Städte- bestimmten Rahmens freigestellt. bauförderung des Bundes und der Länder erhält, kann einen Verfügungsfonds einrichten. Der Gesamtetat Aufgrund der kurzen Laufzeit wurden bisher im des Verfügungsfonds wird von der Gemeinde jährlich Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ nur festgelegt. sehr wenige Verfügungsfonds eingerichtet. Bislang wurden nach Kenntnisstand der Bundestransferstelle Der Fonds finanziert sich in der Regel zu mindestens in nordrhein-westfälischen Programmkommunen, 50 Prozent aus privaten Mitteln und wird zu gleichen , und , Verfügungsfonds ge- Teilen aus Mitteln der Städtebauförderung kofinanziert. schaffen. Weitere Programmkommunen sind dabei, Das bedeutet: Jeder Euro, der aus privatem Vermögen die für dieses Instrument erforderlichen Strukturen in den Verfügungsfonds eingezahlt wird, wird mit dem aufzubauen. ■

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 67 Brückenland Bayern-Böhmen (Bayern) Leerstandsoffensive – Innovativ gegen Leerstand

Die Leerstandsoffensive ist ein gemeinsames Projekt der Gemeinden Altendorf, Markt , , , Schwarzach bei , , , (bis 2012), , Markt und der Städte Oberviechtach und Schönsee. Das Kooperationsprojekt „Leerstandsoffensive“ ist aus einer seit 2002 bestehenden regionalen Zusammenarbeit hervorgegangen. Seit 2009 setzen sich die Kommunen verstärkt mit dem Thema Leerstand auseinander. Hierzu wurde 2010 das gemeinsame Kooperationsprojekt "Leerstandsoffensive" gestartet, das im Städtebauförderprogramm "Kleinere Städte und Gemeinden" unterstützt wird. Die Maßnahme wird durch ein Kooperationsmanagement begleitet.

Mit der Leerstandsoffensive verfolgen die Kooperationspartner das Ziel, durch einen partizipativen Ansatz und eine umfangreiche Öffentlich- keitsarbeit ein Bewusstsein für die Leerstandsproblematik zu schaffen. Und dies gelingt ihnen mit großem Erfolg! Die Kooperation beauftrag- te ein Projektteam unterschiedlicher Disziplinen mit der Erarbeitung innovativer Strategien für den Umgang mit leer stehender Bausubstanz in Verbindung mit einer funktionalen Stärkung der Ortskerne. Innerhalb von zehn Monaten erarbeitete das Team Strategien zur Bewusstseins- bildung für die Leerstandsproblematik und Konzepte für die Revitalisie- rung von Bauwerken und die Sicherung der Daseinsvorsorge. Innerhalb kurzer Zeit entstand eine Vielzahl an Projekten, Maßnahmen und Ideen, die zu einer Aufbruchsstimmung auch in der Bevölkerung führten. Die Sicht von außen und die kreative Arbeitsweise ermöglichten die Bewusst- seinsbildung für die Auswirkungen des demografischen Wandels und die Entwicklung der Region.

Im Jahr 2012 startete die Umsetzung erster Maßnahmen. 2013 erstellten die Kommunen gemeinsam eine „Charta zur gemeinsamen Entwick- lung“, die die Inhalte der gemeinsamen Arbeit aufzeigt. In November 2013 besprachen die Stadt-, Markt- und Gemeinderäte der Kommunen eine Neustrukturierung der Kooperation. Die Rechtsform einer Arbeits- gemeinschaft (ArGe) wurde als passende, neue Organisationsstruktur Das Banner mit dem Logo der vorgeschlagen. Ein integriertes ländliches Entwicklungskonzept ist in Leerstandsoffensive ist gut sichtbar im Vorbereitung. Zudem sollen weitere Kooperationsbereiche und Umset- Kooperationsraum, „Wander-L“ als Hinweis auf Leerstand vor dem Schlossbauernhof, zungsmaßnahmen identifiziert und vorbereitet werden. Beteiligung der Öffentlichkeit: Arbeitsgruppensitzung Quellen: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort

68 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm NeuLand – Gemeinsam innen stark (Bayern) Strategischer Zwischenerwerb zur Förderung der Innenentwicklung

Im Jahr 2010 schlossen sich 16 Städte, Gemeinden und Ortsteile aus dem Landkreis in der Oberpfalz zu einer interkommunalen Ko- operation zusammen. Übergreifendes Ziel der Zusammenarbeit ist die Stärkung der Ortskerne als lebendige Zentren durch Innenentwicklung. Es werden Strategien und Handlungsempfehlungen zum zukunftsorien- tierten Umgang mit Gebäudeleerstand und vorhandenen Baulandreser- ven entwickelt und Modellprojekte umgesetzt. Bestehender und drohen- der Gebäudeleerstand sollen so reduziert und neue Flächenausweisungen beschränkt werden. Die historische Bausubstanz und das kulturelle Erbe werden bewahrt und Arbeitsplätze in den Kommunen erhalten und ge- schaffen.

Durch öffentlichkeitswirksame Impulsprojekte werden private Inves- titionen angestoßen. Hervorzuheben ist dabei die aktive Flächenpolitik der Kommunen. Sie verschaffen sich durch den Zwischenerwerb einen großen Handlungsspielraum, um gezielt Grundstücke an Investoren und Privatinteressenten zu veräußern. Der Zwischenerwerb ermöglicht es zu- dem, parzellenübergreifende Planungen umsetzen zu können. In Velburg werden zum Beispiel mehrere kleinere Grundstücke an der Stadtmauer durch die Stadt erworben, um auf der Fläche altersgerechten Wohnraum errichten zu lassen.

Eine intensive Öffentlichkeitsarbeit und die aktive Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern sensibilisiert zudem für den demografischen Wandel und den Leerstand. Hierzu werden unterschiedliche Formate durchgeführt: Bei sogenannten „Häuserfahrten“ werden Interessierte durch sanierte, ehemals leer stehende Gebäude geführt und auf bisherige Erfolge hingewiesen. Auf diesen Exkursionen werden gute Beispiele für sanierte historische Bausubstanz, erfolgte Umnutzungen und gelungene Umbauten vorgestellt. Im Rahmen der „DenkFabriken“ entwickeln Bürge- rinnen und Bürger mit Akteuren aus den Gemeinden und der Wirtschaft Ideen für gemeinschaftliche Wohnmodelle und alternative Konzepte für Umnutzungen. Außerdem dienen die DenkFabriken als Forum für die Vernetzung von Bürgerschaft, Investoren, Bauunternehmern, Architekten Impression eines Stadtspaziergangs und Vertretern von Banken und Sparkassen. im Neumarkter Land, in Deusmauer wird die leer stehende Schule zum Dorfladen, Umnutzung des historischen Quellen: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort Scheunengebäudes zum „Kulturstadl“ in Velburg

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 69 Südliches Paderborner Land (Nordrhein-Westfalen) Kommunikation und Abstimmung in einem überörtlichen Akteursnetzwerk

Die Kooperation „Südliches Paderborner Land“ in Nordrhein-Westfalen ist geprägt durch ein dichtes Netzwerk an Akteuren. Die Städte Bad Wün- nenberg, Büren, Lichtenau und sowie die Gemeinde bilden den Kooperationsraum. Darüber hinaus sind Unternehmen und regionale Banken, Initiativen und Vereine sowie Politik und Verwaltung intensiv in die Stärkung der Region eingebunden.

Die fünf Kommunen im Südlichen Paderborner Land haben sich bereits im Rahmen der Erstellung eines gebietsbezogenen, integrierten Ent- wicklungskonzeptes im Jahr 2005 (EU-Förderung/LEADER) sowie dem Modellprojekt „Nachhaltiges Kommunales Flächenmanagement“ (2008 bis 2010) der EU-Förderung (seit 2002) mit der Siedlungsentwicklung und dem Umgang mit den Folgen des demografischen Wandels auseinander- gesetzt. Mit der Aufnahme in das Städtebauförderprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden“ führt der Kooperationsraum diese Zusammen- arbeit fort und setzt regional angepasste Strategien um.

Auf der lokalen Ebene der Entwicklungsgebiete konnte bei der Beteili- gung an der Erstellung des integrierten Konzeptes für das Städtebauför- derprogramm auf bestehende Initiativen, Dorf- und Vereinsgemeinschaf- ten sowie Arbeitsgruppen zurückgegriffen werden. In Borchen wurden beispielsweise einige der benannten Maßnahmen bereits im Rahmen des dortigen Agenda21-Prozesses und LEADER entwickelt. In Lichtenau gibt es seit 2007 eine Zukunftskonferenz mit mehreren thematischen Arbeits- kreisen, die bereits viele Ideen zusammengetragen haben, die in das integ- rierte Handlungskonzept aufgenommen werden konnten. In den Städten Bad Wünnenberg, Büren und Salzkotten arbeiten mehrere Dorfgemein- schaften vereinsübergreifend in Arbeitsgruppen an der zukunftsfähigen Entwicklung ihrer Orte. Darüber hinaus wurde die Bevölkerung im Zuge der Konzepterarbeitung durch Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerversamm- lungen informiert und beteiligt. Thematische Arbeitsgruppen wurden nach Bedarf in den Untersuchungsgebieten gebildet.

Ufergestaltung am Paddelteich Mit dem Kooperationsmanagement im Südlichen Paderborner Land im Naherholungsgebiet Aatal in ist das Regionalmanagement beauftragt. Dieses wurde im Kontext der Bad Wünnenberg, Zukünftiger Mehrgenerationenpark an der Sauer LEADER-Förderung bereits 2002 eingerichtet. Mit dem Städtebauförde- in Lichtenau, Zukünftiger Standort der rungsprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden“ hat sich das Aufga- Freizeitanlage „Jugend aktiv“ in Borchen benspektrum des Regionalmanagements erweitert. Die ersten investiven Maßnahmen konnten erfolgreich umgesetzt werden.

Quellen: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort

70 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm (Schleswig-Holstein) Bürgernahe Strategieentwicklung

Im Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ entwickelt die Kreisstadt Ratzeburg auf Grundlage eines Zukunftskonzepts gemeinsam mit ihren Umlandgemeinden Strategien und Maßnahmen, um sich an die verän- derten demografischen und wirtschaftlichen Strukturen anzupassen. Im Mittelpunkt steht die Aufwertung und bedarfsgerechte Anpassung der sozialen und technischen Infrastruktur sowie eine stärkere Koordination zwischen den Trägern der Daseinsvorsorge.

Das Zukunftskonzept Daseinsvorsorge umfasst neben der Stadt Ratzeburg insgesamt 16 der 25 Gemeinden des Amtes Lauenburgische Seen. Parallel dazu wurde ein Wohnraumkonzept unter Beteiligung der Nachbarge- meinden erstellt. Intensiv und frühzeitig wurden die Akteure bei der Er- stellung des Zukunftskonzepts Daseinsvorsorge beteiligt. Das Konzept mit dem Titel „Stadt und Land auf Kurs 2025“ wurde in einem zweistufigen Verfahren erarbeitet. In der ersten Phase erfolgte eine Analyse der An- gebots- und Nachfragesituation in den Handlungsfeldern: „Sport, Freizeit und Erholung“, „Familien“, „Gesundheit und Pflege“, „Bürgerschaftliches Engagement“, „Mobilität und Erreichbarkeit“, „Generationsübergreifende Wohnqualitäten“ und „Kultur und Bildung“. In der zweiten Phase wurden für jedes Handlungsfeld Entwicklungsziele festgelegt und daraus kon- krete Projekte und Handlungsempfehlungen abgeleitet. Schon bei der Auswahl der Handlungsfelder und relevanten Infrastrukturbereiche ist eine Befragung der Träger der Infrastruktur in Ratzeburg und im Umland erfolgt. Bürgerinnen und Bürger aus der gesamten Region konnten an der Befragung über ein internetbasiertes „Feedbackportal“ teilnehmen.

Die Entwicklung der Anpassungsstrategien erfolgte in Arbeitsgruppen von Vertretern der Gemeinden und lokalen Experten. Eine Lenkungs- gruppe, bestehend aus Vertretern der Verwaltung der Stadt Ratzeburg und des Amtes Lauenburgische Seen sowie den Bürgermeistern der Gemein- den und Vertretern der Politik, begleitete den gesamten Erstellungspro- zess. Erfolgreich war auch die „Zukunftswerkstatt Daseinsvorsorge“, die im Januar 2014 stattfand. Zweihundert Bürgerinnen und Bürger besuch- ten die Veranstaltung, in der sie sich über das Zukunftskonzept infor- Ernst-Barlach-Schule, Schwimmbad „Aqua mierten und ihre Prioritäten bei den Handlungsfeldern definierten. Die Siwa“ am Ufer des Küchensees, Ratzeburg ist wichtiges Versorgungszentrum in der Ergebnisse wurden in das Zukunftskonzept aufgenommen. Diese Zusam- Region menarbeit und Einbeziehung der unterschiedlichen Akteure, insbesonde- re der Bürgerinnen und Bürger, schon in der Anfangsphase ermöglichte eine differenzierte Analyse der relevanten Handlungsfelder, die zu einer problemorientierten und vor allem bürgernahen Strategieentwicklung führte.

Quellen: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort

Potenziale aktivieren in kleineren Städten und Gemeinden 71 LenneSchiene (Nordrhein-Westfalen) Integriert Planen und Handeln auf allen Ebenen

Innerhalb des nordrhein-westfälischen Strukturförderprogramms RE- GIONALE 2013 „Südwestfalen“ nimmt das Projekt der „LenneSchiene“, das sich auf 85 Kilometer Länge erstreckt, eine besondere Stellung ein. Entlang der Lenne, der B 236 und der Ruhr-Sieg-Strecke liegen wie an einer Perlenkette aufgereiht acht Kommunen aus drei Kreisen. Die gegen- seitige Unterstützung der Kommunen über die Kreisgrenzen hinweg stellt eine besondere Herausforderung dieses Projektes dar. Die Kooperation verfolgt mit dem Projekt „LenneSchiene“ die Strategie, die Lenne wieder als Fluss erlebbar zu machen und städtebaulich näher in die Städte und Gemeinden am Fluss zu holen sowie die Verkehrsbelastungen zu reduzie- ren. Im Rahmen der REGIONALE 2013 bündelt die Kooperation ver- schiedene Förderansätze, um diese Aufgabe zu bewältigen. Im Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ werden Maßnahmen in fünf Förderge- bieten umgesetzt. Gemeinsames Ziel der „LenneSchiene“ ist es, durch die Zusammenarbeit und abgestimmtes Handeln die Potenziale der Region zu nutzen.

Die Projektfamilien und Einzelprojekte der „LenneSchiene“ im Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ sind in bestehende Planungen und Prozesse integriert. Dies sind beispielsweise die Modernisierungsoffensive der Deutschen Bahn, Projekte im Städtebauförderprogramm Stadtumbau West, der Gewässerumbau nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie und auch laufende Projekte der Regionale 2013 wie zum Beispiel „Wasser- Eisen-Land“ (Ceciliaschacht, -Meggen) oder „Energie-Pfad“ (Lenneroute).

Schlanke Planungs- und Entscheidungsstrukturen begleiten das Projekt: Eine zentrale Lenkungsgruppe bestehend aus den Stadtplanern der acht beteiligten Kommunen, die von ihren Bürgermeistern mit den erforder- lichen Kompetenzen ausgestattet wurden, einem Vertreter der Südwest- falen Agentur und den beauftragten Planungsbüros plant und koordiniert die Umsetzung. Arbeitsgruppen zu Spezialthemen wurden gebildet und bei Bedarf kommunale beziehungsweise externe Fachleute hinzugezogen. Umgestaltetes Lenneufer, Fußgängerzone Die Lenkungsgruppe tagt mindestens einmal monatlich. Entscheidungen und Innenstadtimpression in der trifft das Bürgermeistergremium, das zwei- bis dreimal im Jahr zusam- LenneSchiene men kommt. Ein- bis zweimal pro Jahr findet eine gemeinsame Ratssit- zung aller acht Kommunen als Beschlussgremium statt.

Die kontinuierliche Arbeit in der Lenkungsgruppe der „LenneSchiene“ hat die Wahrnehmung von gemeinsamen Stärken und Schwächen verbessert und darüber hinaus die Augen für die Potenziale einer regionalen Ent- wicklung geöffnet. Über die laufenden Informationen der Bürgermeister sowie der Räte und betroffenen Ausschüsse sind die Ergebnisse des Pro- jekts weiter in die Entscheiderebene vermittelt worden.

Quellen: Bereisung der Gesamtmaßnahme und Gespräche vor Ort

72 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm 3 Erfahrungen und Perspektiven der Programmumsetzung

Mit dem Städtebauförderprogramm unterstützen den Kommunen und in der Region ist in der Städte- Bund und Länder kleinere Städte und Gemeinden, die bauförderung neu. in dünn besiedelten, ländlichen, von Abwanderung bedrohten und/oder vom demografischen Wandel be- Die Vielfalt der ländlichen Räume und ihrer jeweili- sonders betroffenen Räumen liegen. Das Städtebauför- gen Ausgangsbedingungen erzeugt auch eine Vielfalt derprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden“ richtet in der Programmumsetzung. Dennoch lässt sich bei sich insbesondere an Kommunen, die Kooperationen allen geförderten Kooperationsräumen ein Verlauf der mit Nachbargemeinden eingehen und gemeinsame Programmumsetzung nachvollziehen, der mit einer Strategien zur Sicherung der Infrastruktur und Lebens- politischen Willensbekundung zur Kooperation in qualität umsetzen. der Daseinsvorsorge beginnt. Abbildung 15 zeigt die Phasen, die die Programmkommunen im Verlauf der Um den Transformationsprozessen in diesen Räu- Programmumsetzung in der Regel durchlaufen. men zu begegnen, geht die Städtebauförderung neue Wege. Für die Zielgruppe der kleineren Städte und Wie in allen Programmen braucht es Zeit, bis die Gemeinden sind damit in der Regel verschiedene Programmumsetzung vor Ort auch bauliche Wirkung Herausforderungen verbunden. Im Gegensatz zu entfaltet. Derzeit steht in vielen Städten und Gemein- den anderen Bund-Länder-Programmen der Städte- den die konzeptionelle Vorbereitung und Grundla- bauförderung liegt die Besonderheit des Programms generstellung im Vordergrund. Dies kommt ihnen in darin, dass die Unterstützung der Kommunen nicht Zukunft zu Gute, da sie die Mittel gezielt einsetzen und nur wie bisher lokal, sondern explizit überörtlich an- strategisch Maßnahmen umsetzen können. Gleichwohl gelegt ist. Die aktive Unterstützung interkommunaler konnten vielerorts erste impulsgebende Maßnahmen Kooperationen zur Sicherung der Daseinsvorsorge in umgesetzt werden.

Abbildung 15: Verlauf der Programmumsetzung „Kleinere Städte und Gemeinden“ in den Programmkommunen

Politische Willensbekundung zur Kooperationsraum/ Bestehende oder Kooperation in der Programmkommunen neue Kooperationen Daseinsvorsorge Findungsphase

Überörtliches integriertes Öffentlichkeitsarbeit & Entwicklungskonzept & Fortschreibung oder Bürgerbeteiligung Handlungsfelder Neuaufstellung der Daseinsvorsorge

Neuabgrenzung Konzeptphase Beschlussfassungen Abgrenzung von und/oder Überlagerung der Gemeinde(n) Fördergebieten mit bestehenden Fördergebieten

Finanzierung Bündelung von (Kleinere Städte und Vorbereitung und Ressourcen, Gemeinden, weitere Umsetzung von Einrichtungen und phase Fördertöpfe) Einzelmaßnahmen Finanzmitteln Umsetzungs-

Quelle: eigene Darstellung

Erfahrungen und Perspektiven der Programmumsetzung 73 Die Umsetzung der Maßnahmen vor Ort erfordert so- täten innerhalb des jeweiligen Kooperationsraums. wohl eine gute überörtliche Zusammenarbeit als auch Kleinere Städte und Gemeinden haben zudem eine die aktive Mitarbeit und Einbeziehung der Bevölke- Vorreiterfunktion in interkommunaler Kooperation rung. Die in ländlichen Räumen bestehenden tragfähi- gegenüber größeren Städten. gen sozialen Netzwerke unterstützen diesen Ansatz. In der kurzen Programmlaufzeit hat sich das Förder- Insbesondere Kommunen, die auf bestehende Koope- programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ schon als rationen aufbauen konnten, befinden sich aktuell viel- erfolgreiches Instrument für die Entwicklung klei- fach in der Umsetzung erster Maßnahmen und Projek- nerer Städte und Gemeinden in ländlichen Räumen te. Deutlich wird aber auch, dass zu ambitionierte und etabliert. Das gesamte Spektrum an Förderoptionen, zu große Maßnahmen die Akteure vor Ort überfordern die das Programm anbietet, wobei es unterschiedliche können. Die Grenzen der Leistungsfähigkeit zeigen Schwerpunktsetzungen in den Ländern gibt. In der sich vorrangig bei der Bereitstellung der kommunalen Programmbegleitung ist deutlich geworden, dass das Eigenmittel und im Management der Maßnahmen. Städtebauförderprogramm den spezifischen Anforde- Deshalb sollte insbesondere bei schwächeren Gemein- rungen vor Ort gerecht wird. den darauf geachtet werden, dass die Maßnahmen die Leistungsfähigkeit der vorhandenen Ressourcen nicht Aktuell erscheint die Ausrichtung der Programmum- übersteigen. setzung auf die Programmziele noch verbesserungs- würdig, wobei nicht außer Acht gelassen werden darf, Profil des Förderprogramms das es sich um ein junges, anspruchsvolles Programm handelt. Es kann festgestellt werden, dass sich die Die Profilbildung im Programm „Kleinere Städte und Umsetzung zunehmend an der Programmstrategie Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und orientiert. Dies lässt vermuten, dass sich das Profil des Netzwerke“ schreitet voran. Sie benötigt aufgrund Programms zukünftig auch weiter durchsetzen wird. der räumlichen Disparitäten, der überörtlichen Ab- Entscheidend sind aber eine Begleitung des Pro- stimmung sowie der unterschiedlichen finanziellen gramms durch die Länder und die aktive Vermittlung und rechtlichen Rahmenbedingungen Zeit. Bund und der Ziele des Programms. Länder haben die Programmstrategie in Zusammen- arbeit mit den Ländern erarbeitet, die den Rahmen Auswahl der Programmkommunen in den Ländern setzt. Die Länder sind für die Auswahl der zu fördernden Grundsätzlich ermöglicht das Städtebauförderpro- Kommunen verantwortlich. Noch werden nicht gramm die strategische Ausrichtung der Programm- überall die Kommunen aufgenommen, die laut kommunen auf eine nachhaltige Anpassung der Programmstrategie eine Unterstützung erfahren Infrastruktur an die Herausforderungen des demo- müssten. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Auf der grafischen Wandels. Durch die Stärkung der Klein- Ebene der Länder bestehen erhebliche Disparitäten städte als "Anker im Raum" werden die Qualitäten der bezüglich der Bedarfe in den kleineren Städten und ländlichen Räume gesichert. Eine Stabilisierung dieser Gemeinden. Es ist aber erkennbar, dass zunehmend Orte, die eine Versorgungsfunktion für ihr Umfeld Kommunen, die besonders vom demografischen Wan- erfüllen und als Standorte zum Wohnen und Arbeiten del betroffen sind, in das Programm „Kleinere Städte dienen, wird erreicht. In der Programmumsetzung und Gemeinden“ aufgenommen werden. Weiterhin vor Ort gelingt es zunehmend, integrierte Strategien ist die Auswahl der Programmkommunen auch sehr umzusetzen und Förderprogramme zu kombinieren. stark von dem Engagement und den Möglichkeiten Das Städtebauförderprogramm trägt somit dazu bei, der Mittelempfänger abhängig. Fehlende Kenntnis Förderansätze für ganzheitliche Lösungen in den über das Programm, das Fehlen von Kooperations- ländlichen Räumen zu bündeln. partnern und nicht zuletzt die begrenzte Fähigkeit, den kommunalen Eigenanteil aufzubringen, können Darüber hinaus bestärkt das Städtebauförderpro- der Aufnahme einer Kommune/Maßnahme in das gramm die gemeinschaftliche Entwicklung der Quali- Programm entgegenstehen.

74 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Unterschiedliche Raum- und Verwaltungsstrukturen in den Ländern erfordern einen differenzierten Umgang mit interkommunalen Kooperationen. Zum Beispiel sorgt die Aufnahme von Kommunen aus Ämtern, Samtgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften für einen sachgerechten überörtlichen Arbeitsansatz. Diese Vorgehensweise ist im Sinne des Programms. Gleiches gilt auch für Gemeinden mit vielen Ortsteilen, die zum Teil eine erhebliche räumliche Ausdehnung aufweisen und häufig auf Gebietsreformen zurückgehen. Hier wird durch das Programm die Zusammenarbeit zwischen den Ortsteilen gestärkt und der Impuls für eine unter den Ortsteilen abgestimmte Entwicklungsstrategie gegeben. Dies kann das zum Teil noch bestehende Konkurrenzdenken abbauen – insbesondere dort, wo die Gemeinden im Zuge einer Gebietsreform zusammen- Erfahrungsaustausch im Rahmen der Transferwerkstatt in gefasst wurden. Das Programm kann wichtige Impulse Bischofsheim an der Rhön, Mitglied der Kreuzbergallianz in Bayern setzen, um ein gemeinsames Bewusstsein zu schaffen und eine gemeinsame Entwicklungsperspektive für die Gemeinden zu entwickeln. Dennoch gilt es, die inter- den Erfahrungen der Transferstellenarbeit wird deut- kommunalen Kooperationen weiter zu stärken, um lich, dass erfolgreiche Arbeit häufig auf verhältnismä- zukunftsfähige Gemeindeentwicklungen zu fördern ßig wenigen formalen Regeln und einer Kooperation und unnötige, kostenintensive und nicht zukunfts- auf Augenhöhe aufbaut. Wichtig ist auch, dass die fähige Entscheidungen und/oder Doppelstrukturen zu Kooperation nicht nur auf der Ebene der Bürgermeis- vermeiden. terinnen und Bürgermeister erfolgt. Auch die Zusam- menarbeit der Räte und der zuständigen Fachverwal- Insgesamt zeigt sich in der Mehrzahl der Länder, dass tungen sind ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. das Portfolio der Programmkommunen aus den oben genannten Gründen nicht vollumfänglich dem Anfor- Sicherung und zukunftsfähige Entwicklung der derungsprofil aus der Programmstrategie entspricht, Infrastruktur was aber auch aufgrund der inhaltlichen Breite des Programms und der strukturellen und räumlichen Dis- Entscheidend ist, die Angebote und Strukturen der paritäten nicht einfach ist. öffentlichen Daseinsvorsorge an die veränderten Rahmenbedingungen sachgerecht anzupassen um Interkommunale Zusammenarbeit auf diesem Wege die Attraktivität der Städte und Ge- meinden zu erhalten und die Lebensqualität für die Interkommunale Kooperationen brauchen Zeit, um Bevölkerung zu sichern. Dies gelingt, wenn die Um- sich zu etablieren und sich auf neue Ziele und Schwer- strukturierung und Reduzierung von Infrastruktur- punkte des Programms auszurichten. Dauerhaft einrichtungen verbunden wird mit einer sachgerech- tragfähig sind interkommunale Kooperationen, wenn ten Aufwertung der verbleibenden Standorte. Durch sie von den Akteuren vor Ort gelebt werden, wie das intelligente Organisations- und Raumlösungen sowie bei über einen längeren Zeitraum gewachsenen Ko- die Bündelung von Funktionen können Angebote ge- operationen häufig der Fall ist. Für Kooperationen, die schaffen werden, die eine qualitative und quantitative mit der Aufnahme in das Städtebauförderprogramm Verbesserung darstellen und langfristig tragfähig sind. erst initiiert wurden, ist es besonders wichtig, dass sie Vielerorts ist die Umstrukturierung von Infrastruk- schnell eine tragfähige Vertrauensbasis und Arbeits- tureinrichtungen Anlass für eine architektonische struktur aufbauen. Verschiedene Kooperationen haben und bauliche Aufwertung. Hiervon geht ein wichtiger bereits gezeigt, dass auch ein Impuls von außen zu Impuls zur Aufwertung des Stadt- und Ortsbildes aus. einem erfolgreichen Projektverlauf führen kann. Aus Die Neuausrichtung des Infrastrukturangebots birgt

Erfahrungen und Perspektiven der Programmumsetzung 75 also auch die Chance, qualitative Verbesserungen Beitrag. Auch in diesem Zusammenhang ist es wich- zu erreichen. Dies erhöht die Akzeptanz der Um- tig, dass die Länder den Erfahrungsaustausch unter- strukturierungen in der Bevölkerung und sichert die stützen. Attraktivität der kleineren Städte und Gemeinden. Das Zusammenspiel aus Innenentwicklung und Verfügungsfonds spielen in der Umsetzung des der Anpassung städtebaulicher Infrastruktur durch Programms bisher eine untergeordnete Rolle. Voraus- Bündelung von Einrichtungen in den Stadtzentren setzung für die erfolgreiche Etablierung eines Ver- und Ortskernen kann also entscheidende Impulse zur fügungsfonds ist das Vorhandensein einer stabilen Sicherung der Daseinsvorsorge sowie zur Steigerung Arbeitskonstellation. Grundsätzlich besteht insbeson- der Lebens- und Wohnqualität auslösen. dere in ländlichen Räumen in der Regel eine große Verbundenheit mit der eigenen Stadt oder Gemeinde. Auch in diesem Handlungsfeld sind die zu erken- Die relevanten Akteure kennen sich persönlich, so dass nenden Ansätze erfolgsversprechend. Es muss jedoch die Bereitschaft, private Mittel für öffentliche / ge- sichergestellt werden, dass hier praktikable und auch sellschaftliche Aufgaben zur Verfügung zu stellen, gut dauerhaft nachhaltig angelegte Strukturen entstehen. ausgeprägt ist. Allerdings sollte die Einrichtung eines Verfügungsfonds zunächst auf lokaler Ebene erfolgen. Instrumente der Programmumsetzung Die Anwendung im überörtlichen Kontext erfordert stabile Strukturen und ein langfristiges Denken. Auch Die Programmkommunen setzen die ihnen zur Ver- im Bereich der Verfügungsfonds gilt, dass eine Unter- fügung stehenden Instrumente zur Umsetzung des stützung durch die Länder mit Veranstaltungen und Programms unterschiedlich ein. Üblicherweise sind Arbeitshilfen wichtig wäre. Das Land NRW hat hier integrierte Entwicklungskonzepte in den Gesamt- aktuell mit der Bereitstellung einer programmüber- maßnahmen erarbeitet worden, beziehungsweise greifenden Arbeitshilfe zu Verfügungsfonds ein gutes werden in der Regel im ersten Förderjahr fertigge- Zeichen gesetzt. stellt. Gleichwohl ist das spezielle Anforderungsprofil im Rahmen des Programms nicht immer ablesbar. Mittelbündelung Auch wenn die Förderrichtlinien der Länder entspre- chende Hinweise auf die Ausgestaltung der Konzepte Das Programm „Kleinere Städte und Gemeinden geben, sind die Kommunen vor Ort vor dem jeweili- – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“ gen finanziellen und personellen Hintergrund nicht unterstützt eine erfolgreiche Bündelung von Mitteln immer in der Lage diese überörtlichen integrierten aus unterschiedlichen Förderquellen und unter- städtebaulichen Konzepte entsprechend zu erstellen. schiedlichen Ebenen und fachlichen Zuständigkei- Hier wäre insbesondere in den Ländern, die in ihren ten. Das Aufgabenfeld des Programms bewegt sich Förderrichtlinien wenig differenzierte Aussagen zur in der Schnittstelle zwischen Stadtentwicklung und Erarbeitung von Konzepten treffen, die Bereitstellung Daseinsvorsorge. Durch die Koordinierung ver- geeigneter Arbeitshilfen oder eines Leitfadens sehr schiedener Finanzmittelquellen, wie der fachlichen hilfreich. Zuständigkeiten des Bundes und der Länder werden bereits in vielen Projekten Mittel erfolgreich gebün- Wie ein Kooperations- oder Prozessmanagement delt. Beispiele sind hier die Fördermittelverteilung im Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ der Regierungen in Bayern und der Arbeitsansatz der definiert und welche Aufgaben zu leisten sind, ist REGIONALEN in Nordrhein-Westfalen. Die Koopera- auch abhängig von der jeweiligen Situation vor Ort. tionen werden in allen Phasen der Programmumset- Auch hier gilt, dass ein geeigneter Unterstützungs- zung durch die Regierungen beraten, auf deren Ebene rahmen für die Programmkommunen gewährleistet auch die Koordination der Bündelung mit Mitteln werden sollte, um eine erfolgreiche Umsetzung des anderer Ressorts erfolgt. Allerdings ist auffällig, dass Programms zu sichern und bewährte Ansätze im in mehreren Ländern eine Bündelung über Ressort- Bereich des Kooperations- und Prozessmanagements grenzen hinweg nicht immer den Bedürfnissen vor zugänglich zu machen. Hier ist ein Austausch der Ort entsprechend erfolgt. Deshalb sollte mit Beginn Programmkommunen untereinander ein wichtiger der neuen EU- Förderperiode eine intensive Abstim-

76 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm mung unter anderem mit der ländlichen Entwicklung Im weiteren Programmverlauf wird sich zeigen, wie erfolgen. Dies beinhaltet auch eine Verbesserung der die Kommunen ihrer Verantwortung für die Gewähr- Abstimmung mit den relevanten Fachressorts auf leistung der Daseinsvorsorge nachkommen können Bundes- und Landesebene. und wie das Programm sie hierbei unterstützen kann. Erste innovative Ansätze sind erkennbar. Die Bundes- Mit Hilfe der integrierten Konzepte leistet das Pro- transferstelle wird hier weitere gute Beispiele auf ihrer gramm einen wichtigen Beitrag für eine effiziente Internetseite veröffentlichen, um den Austausch zu Förderpolitik und die Zusammenarbeit der Ressorts befördern. auf unterschiedlichen Ebenen (Bund, Land, Kom- mune). Nicht selten wird auf kommunaler Ebene als Die Umsetzung der Maßnahmen vor Ort erfordert so- große Hürde für die Umsetzung integrierter Konzepte wohl eine gute überörtliche Zusammenarbeit als auch allerdings darauf hingewiesen, dass die zuständigen die aktive Mitarbeit und Einbeziehung der Bevölke- Fachressorts auf übergeordneter Ebene noch immer zu rung. Die in ländlichen Räumen bestehenden vielerorts wenig auf die Bündelung von Förderansätzen achten. tragfähigen sozialen Netzwerke unterstützen diesen Ansatz. Es gilt weiter zu beobachten, in welcher Weise Mit der Bündelung verbunden ist ein hoher Koordinie- bürgerschaftliches Engagement zur erfolgreichen Um- rungsaufwand auf kommunaler Ebene, mit dem sich setzung dieser Maßnahmen beitragen kann und wie es insbesondere kleinere Gemeinden aufgrund der knap- sich verstetigen lässt. pen personellen Kapazitäten überfordert sehen. Auch wenn sich Methoden und Programme unterschied- Ein weiteres, zukünftig zunehmend wichtiges Thema licher Ressorts und Ebenen annähern, wie die Deutsche im Programmzusammenhang ist die Nachnutzung Vernetzungsstelle ländliche Räume beobachtet, gilt es, von ortsbildprägenden Immobilien, wie ehemaligen weiter Widersprüche zwischen den unterschiedlichen Schulgebäuden, Verwaltungsgebäuden oder Wirt- Anforderungen der Programme abzubauen. schaftsgebäuden. Es stellt sich vielerorts die Frage, wie mit den Auswirkungen des Leerstands umgegangen Perspektiven werden kann.

Nach vier Jahren zeigt sich im Städtebauförderpro- Mit der Bündelung von Förderansätzen ist ein hoher gramm „Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Koordinierungsaufwand auf kommunaler Ebene ver- Zusammenarbeit und Netzwerke“, dass die Ziele der bunden, mit dem sich insbesondere kleinere Gemein- Programmstrategie vielerorts umgesetzt werden und den aufgrund der knappen personellen Kapazitäten Impulse für den Umgang mit dem demografischen und überfordert sehen. Im weiteren Programmverlauf gilt strukturellen Wandel setzen. Gemeinsame Aufgabe von es insbesondere auf Länderebene die Bündelung und Bund, Ländern und Kommunen ist es, die Potenziale ressortübergreifende Finanzierung aktiv zu unterstüt- des Programms kontinuierlich zu kommunizieren, zen und zu erleichtern. umgesetzte Maßnahmen in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und die Förderansätze zur Sicherung der Bund und Länder begreifen das Programm als ler- Daseinsvorsorge intensiv in der kommunalen Praxis nend. Deshalb ist der Erfahrungsaustausch wichtig. zu verankern. Ebenso gilt es, den interkommunalen Zu diesem trägt auch der vorliegende Statusbericht Kooperationsansatz innerhalb des Programms weiter bei. Die erlebbaren Erfolge in der interkommuna- auszubauen. Hierbei kommt dem Erfahrungsaustausch len Zusammenarbeit und die vielerorts gelungene über neue Partnerschafts- und Kommunikationsan- Anpassung von Einrichtungen der Daseinsvorsorge sätze, Methoden der überörtlichen Beteiligung sowie dokumentieren die Wirkungsweise des Programms Prozessen zur Erarbeitung überörtlicher integrierter „Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zu- Konzepte eine besondere Relevanz zu. sammenarbeit und Netzwerke“. ■

Erfahrungen und Perspektiven der Programmumsetzung 77 4 Verzeichnisse

4.1 Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Verteilung der Bundesfinanzhilfen auf die Länder gemäß VV Städtebauförderung 25 Abbildung 2: Anzahl und Größe der Kooperationsräume nach Ländern und gesamt 25 Abbildung 3: Städte und Gemeinden im Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ 26 Abbildung 4: Stadt- und Gemeindetyp der beteiligten Kommunen nach Ländern und gesamt 28 Abbildung 5: Siedlungsstruktureller Regionstyp der beteiligten Kommunen nach Ländern und gesamt 28 Abbildung 6: Entwicklungstrends der beteiligten Kommunen nach Ländern und gesamt 29 Abbildung 7: Wachsende und schrumpfende Städte und Gemeinden in Deutschland 30 Abbildung 8: Anzahl der über 65-Jährigen pro 100 unter 18-Jährige in den Programmkommunen nach Bundesländern und gesamt 31 Abbildung 9: Lage der Fördergebiete in den beteiligten Kommunen mit Fördergebiet 32 Abbildung 10: Nutzungsstruktur in den Kommunen mit Fördergebiet nach Bundesländern und gesamt 33 Abbildung 11: Alter der Bebauung in den Fördergebieten nach Bundesländern und gesamt 33 Abbildung 12: Demografisch bedingter Handlungsbedarf im Bereich der Infrastrukturversorgung 38 Abbildung 13: Bausteine der Innenentwicklung im Städtebauförderprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden“ 54 Abbildung 14: Dimensionen der Kommunikation in überörtlicher Zusammenarbeit 65 Abbildung 15: Verlauf der Programmumsetzung „Kleinere Städte und Gemeinden“ in den Programmkommunen 73

4.2 Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Anzahl der geförderten Gesamtmaßnahmen nach Ländern in den Jahren 2010 bis 2013 27

4.3 Quellenverzeichnis

Bayerisches Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten (Hrsg ): Ländliche Entwicklung in Bayern, Aktionspro- gramm Dorf vital, Innenentwicklung in der Dorferneuerung, Materialien zur Ländlichen Entwicklung, 2006 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg ): Landleben – Landlust? BBSR-Berichte KOMPAKT, 10/2010 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg ): Lebensqualität in kleinen Städten und Landgemeinden BBSR-Berichte KOMPAKT, 5/2011 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (Hrsg ): Bundesprogramm Kleinere Städte und Gemeinden 2013, verfügbar unter www staedtebaufoerderung info/StBauF/DE/Programm/StaedteGemeinden/Foer- derung/foerderung_node html, Zugriff: 27 05 2014 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg ): Integrierte Stadtentwicklung als Erfolgsbedingung einer nachhaltigen Stadt, Berlin, 2007 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg ): Regionale Daseinsvorsorgeplanung Ein Leitfaden zur Anpassung der öffentlichen Daseinsvorsorge an den demographischen Wandel, Werkstatt: Praxis Heft 64, 2010 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg ): Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zu- sammenarbeit und Netzwerke Programmstrategie zum Städtebauförderprogramm, Berlin 2013 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung/Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg ): Koope- ration zentraler Orte in schrumpfenden Regionen Werkstatt: Praxis Heft 53, Bonn 2008 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung/Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.): Stadt- umbau West – Eine Zwischenbilanz, Statusbericht. Berlin 2010

78 Kleinere Städte und Gemeinden Erster Statusbericht zum Städtebauförderprogramm Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung/Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg ): Regionalstrategie Daseinsvorsorge Denkanstöße für die Praxis, 2011 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung/Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg ): Städtebauförderung in Klein- und Mittelstädten in ländlichen, dünn besiedelten Räumen Studie, 2011 Bundestransferstelle Kleinere Städte und Gemeinden: Dokumentation der vierten Transferwerkstatt in Meinerzhagen und Halver, Südwestfalen, am 14 /15 Oktober 2013 Bundestransferstelle Stadtumbau West: Interkommunale Kooperation im Stadtumbau West, Auswertungspapier, Olden- burg, 2009 Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg ): Herausforderungen und Entwicklungschancen für Dorfkerne und Ortsmitten in Nordrhein-Westfalen Eine Hilfestellung für die Akteure vor Ort, 2012 Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg (Hrsg ): Bausteine erfolgreicher Innenentwicklung Empfehlungen aus der kommunalen Praxis Publikation im Rahmen des Projektes „Flächen gewinnen in Baden-Württemberg – Flächenmobili- sierung in der Innenentwicklung“, Stuttgart 2009 Raab, Andreas: Räumliche Entwicklungen interkommunal steuern Interkommunale Kooperation – ein bedarfsgerechtes Steuerungsinstrument für räumliche Entwicklungen auf kleinräumiger Ebene Stuttgart 2011 Wüstenrot Stiftung (Hrsg.): Land und Leute. Bildung, Kunst und Kultur in kleinen Gemeinden – Schlüsselfaktoren für die zukünftige Entwicklung! Ludwigsburg, 2012

4.4 Weiterführende Literatur

Beauftragter der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer (Hrsg ):Daseinsvorsorge im demografischen Wandel zu- kunftsfähig gestalten – Handlungskonzept zur Sicherung der privaten und öffentlichen Infrastruktur in vom demografi- schen Wandel besonders betroffenen ländlichen Räumen, Berlin 2011 Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung/Deutsche Vernetzungsstelle Ländliche Räume (Hrsg ): DVS-Förder- handbuch für den ländlichen Raum Was gibt es noch außer ELER? EU- und Bundesprogramme für den ländlichen Raum Bonn 2010 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg ): Klein- und Mittelstädte in Deutschland – eine Bestandsauf- nahme Analysen Bau Stadt Raum, Band 10, Bonn, 2012 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg ): Vielfalt des demografischen Wandels Eine Herausforderung für Stadt und Land, BBSR-Online-Publikation, Nr 06/2010, Bonn 2010 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (Hrsg ): Kleinere Städte und Gemeinden – über- örtliche Zusammenarbeit und Netzwerke Potenziale aktivieren, Berlin 2014 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (Hrsg ): Städtebauförderung 2014 Anwender- hinweise zu den Förderprogrammen, Berlin 2014 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (Hrsg ): Städtebauförderung 2014 Bürgerinfor- mation, Berlin 2014 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg ): Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zu- sammenarbeit und Netzwerke Programmstrategie zum Städtebauförderungsprogramm, Berlin 2013 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg ): Region schafft Zukunft – Ländliche Infrastruktur aktiv gestalten, Berlin 2012 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung/Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg ): Regionalplanerische Handlungsansätze zur Gewährleistung der öffentlichen Daseinsvorsorge, BBSR-Online-Publika- tion, Nr 32/2009, Berlin, Bonn 2009 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung/Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg.): Regionalstrategie Daseinsvorsorge – Denkanstöße für die Praxis, Berlin, Bonn 2011.

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