Marokkoexkursion 2015 Prof. Dr. Rainer Luick & Prof. Dr. Heidi Megerle

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Referate zur Marokko-Exkursion 2015

Redaktionell zusammengestellt von

Otto Betz Jonathan Friedrich Julian Sander

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Referate

1. Die Geschichte Marokkos bis zur Unabhängigkeit 1956 Seite 3 2. Die jüngere Geschichte mit einem Fokus auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen seit der Unabhängigkeit Seite 11 3. Geographische Grundlagen I: Klima, Geologie, Böden, Landnutzungen Seite 31 4. Geographische Grundlagen II: Biome / Ökosysteme und ihre Verbreitung Seite 41 5. Die Kultur der Berber in Nordafrika - mit speziellem Fokus auf Marokko (Geschichte, Kultur inkl. Sprache, Schrift, Architektur usw., Demographie, Einbindung in die arabische Gesellschaft) Seite 50 6. Geschichte und Kultur von Marrakech Seite 64 7. Die aktuelle politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche Situation im Maghreb und mögliche Auswirkungen auf Europa Seite 73 8. Der Islam und seine spezifische Form in Marokko / Hatte der „Arabische Frühling auch Auswirkungen auf Marokko? Seite 86 9. Natur- und Umweltschutz in Marokko (u.a. Schutzgebiete, IBA, Ramsar) Seite 99 10. Lehmarchitektur aus der Tradition in die Zukunft inkl. Geschichte der Kasbahs, Ksour etc. Seite 111 11. Oasenwirtschaft (u.a. Geschichte, Typen, Nutzungssysteme, Zukunft) Seite 120 12. Wüstenökologie – Anpassungen an Extrembedingungen (Typologie, Standortsbedingungen, Ökosysteme, Fauna, Flora) Seite 126 13. Hydrologie und Wasserwirtschaft im Maghreb (aktuelle Situation, zukünftige Entwicklungen) Seite 141 14. Der Klimawandel und seine spezifischen Auswirkungen auf Nordafrika / Maghreb / Marokko Seite 154 15. Die Formen und Auswirkungen des Tourismus in Marokko Seite 159

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Die Geschichte Marokkos bis zur Unabhängigkeit 1956 von Lena Feig und Julia Gugel

Inhalt: 1 Frühgeschichte 1.1 Vor einer Million Jahre 1.2 17.000-8.000 v. Chr. 1.3 8.000-3.000 v. Chr. 1.4 Ab 1.000 v. Chr. 2 Phönizier und Karthager 2.1 Ab 600 v. Chr. 3 Römischer Einfluss 3.1 Römischer Klientelstaat 3.2 Römische Provinz 4 Vandalenreich 5 Ostrom-Byzanz und Berberreich 6 Islamisierung 7 Berberreiche 8 Fatimiden 9 Almoraviden 10 Almohaden 11 Meriniden 12 Wattasiden 13 Saadier 14 Alaouiten 15 Zunehmender europäischer Einfluss im 18. und 19. Jahrhundert 15.1 Französisch-Marokkanischer Krieg 1844 15.2 Aufteilung zwischen Frankreich und Spanien 15.3 Erste Aufstände der Bevölkerung 15.4 Unabhängigkeitsbewegung 15.5 Unabhängigkeit 16. Quellenverzeichnis

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1. Frühgeschichte 1.1. Vor einer Million Jahre Die ältesten Funde von Werkzeugen sind circa eine Million Jahre alt. 400.000-600.000 Jahre alt sind die ältesten menschliche Überreste, die gefunden wurden. Danach folg- ten komplexere Werkzeuge.

1.2. 17.000-8.000 v. Chr. Die urzeitlichen Menschen werden langsam sesshaft. Sie beginnen Ackerbau und Viehhaltung zu betreiben, hierbei sollte man wissen, dass die Temperatur mindestens 10 °C niedriger war, und es mehr Niederschlag gab. Diese Umstände lassen sich auf die Eiszeit zurückführen. Damals fingen sie an, erste Werkzeuge aus Knochentechniken, als auch Keramiken herzustellen. Außerdem gibt es Funde von Malereien aus dieser Zeit. Typisch für diese Zeit ist eine rituelle Entfernung der Schneidezähne.

1.3. 8.000-3.000 v. Chr. Das Land ist jetzt stark durch sogenannte Berber besiedelt. Der Name Berber leitet sich von dem lateinischen Wort barbari ab und bedeutet „die nicht Latein sprechen“. Ab 5.000 v. Chr. beginnt die langsame Austrocknung der Region, was eine Umsiedlung der Menschen nach sich zieht. Die Ziele dabei waren vor allem Oasen und Berge.

1.4. Ab 1.000 v. Chr. Phönizier gründen Siedlungen in Nordafrika. Dazu gehört zum Beispiel Karthago, im heutigen Tunesien. Der Handel mit Spanien mit Silber und Zinn wird aufgenommen.

2. Phönizier und Karthager 2.1. Ab 600 v. Chr. Karthago hat sich zur dominierenden Handelsmetropole entwickelt. Sie expandieren und übernehmen die Kontrolle über die phönizischen Stützpunkte am Atlantik und er- schließen das Hinterland. 508, 348 und 279 vor Christus werden jeweils Verträge mit Rom geschlossen, die immer friedlich sind. 264 -241 gibt es einen Krieg mit Rom, woraufhin diese die Iberische Halbinsel und die numidische Küste einnehmen.

3. Römischer Einfluss 3.1. Römischer Klientelstaat 33 v. Chr. wird Mauretanien testamentarisch an Rom vermacht. Das Gebiet wird besetzt und somit römisches Protektorat.

3.2. Römische Provinz Ab 42 n. Chr. wird Marokko in zwei Provinzen aufgeteilt, mit den Hauptstädten Caesa- rea und Volubilis. In diesem Zuge wird ein Grenzwall (Limes) zum Schutz gegen die angrenzenden Berberstämme in der Sahara und im Gebirge errichtet. Die Berber wurden während der römischen Herrschaft systematisch unterdrückt und benachteiligt.Das Christentum erhält durch die Römer Einzug in der Gesellschaft. Um 280 n. Chr. muss Volubilis wegen Angriffen von lokalen Stämmen aufgegeben wer- den.

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4. Vandalenreich Um 429 n. Chr. fallen die Vandalen in die römischen Provinzen ein, woraufhin 435 ein Vertrag mit Rom geschlossen wird, in dem sie die Gebiete den Vandalen überlassen. 439 erobern die Vandalen unter Bruch des Vertrages Karthago. Das Vandalenreich existierte bis 535 n. Chr., als Berber und andere Stämme die Van- dalen besiegen.

Abbildung 1: Ausdehnung des Vandalenreiches in pink http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Marokkos #/media/File:Vandal_alan_kingdom_526.png

5. Ostrom-Byzanz und Berberreich Nach Vertreibung der Vandalen gründen sich zwei neue Reiche. An der Küste entsteht Ostrom-Byzanz unter den Römern. Im Hinterland dagegen gründen die Berber eigen- ständige Reiche. 701 n. Chr. wird das gesamte Gebiet durch die Araber eingenommen.

6. Islamisierung Die Islamisierung beginnt nach der Eroberung durch die Araber. Bisher lebten in dem Gebiet vor allem Christen und Juden. Diesen wird der islamische Glaube aufgezwun- gen. Nach viel Widerstand konvertieren die Berber zum Islam. Eine kulturelle Anerkennung gab es nicht, sondern nur Verachtung von Seiten der Araber. Grund hierfür waren vor Allem die fehlenden Arabisch Kenntnisse, wodurch sie von den Arabern für unzivilisiert gehalten wurden. Charidschiten fordern die Gleichberechtigung aller Muslime, sie glauben nicht, dass der Herrscher vom Propheten Mohammed abstammen muss. Es gab mehrere Aufstände von Seiten der Charidschiten, die alle von den Arabern nie- dergeschlagen wurden.

7. Berberreiche 789 gründet Idris I einen eigenständigen islamischen Staat. Er war Schiit und floh vor den Sunniten, die ihn verfolgten. Kriege zwischen den Stämmen zerreißen das Land wieder.

8. Fatimiden Die Fatimiden ergreifen 968 die Macht. Sie erobern ganz Nordafrika, wobei ihr Schwer- punkt auf Ägypten mit Kairo liegt. 1016 gibt es Aufstände der Berber gegen die regie- renden Fatimiden, woraufhin die verbündeten arabischen Beduinen einfallen (1051 und

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1052). Dies führt zur Niederschlagung der Berberaufstände. Durch die dadurch entste- henden Flüchtlings- und Bevölkerungsströme gibt es eine intensivierte Arabisierung und Islamisierung. Davor wurde arabisch nur am Hof gesprochen.

9. Almoraviden Die Almoraviden gründen 1070 Marrakesch und übernehmen 1082 die Herrschaft über Marokko. Marrakesch wird zur Hauptstadt ernannt. Das Reich schloss Andalusien mit ein. 1143 muss Andalusien aufgegeben werden.

Abbildung 2: Ausdehnung der Almoraviden in rot http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Marokk os#/media/File:Empire_almoravide.PNG

Abbildung 3: Ausdehnung der Almohaden zu verschiedenen Zeiten http://de.wikipedia.org/wiki/Geschi chte_Marokkos#/media/File:Almo had_Expansion.png

10. Almohaden Das Volk der Almohaden ist eine religiöse Gruppe aus acht Stämmen. Almohaden be- deutet „Einheitsbekenner“, da sie an eine absolute Einheit Gottes glauben. Sie fordern eine Rückkehr zum Koran und zu den Traditionen, außerdem sind sie gegen die wörtli- che Auslegung des Korans. Die rigorose Auslegung des Korans wendet sich auch ge- gen Muslime, die nicht korantreu genug handeln. In einem heiligen Krieg erobern sie 1146 Marrakesch, worauf 1149 die gesamte Dynastie folgt.

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Nach ihrem Sieg vollzogen sie eine rituelle Säuberung bei der es 32.000 Tote gab. 1235 verloren sie das Gebiet an die Berberstämme.

11. Meriniden Die Meriniden herrschten ab 1248 über Marokko, aber auch über Tunesien und Algeri- en. In Marokko war ihre Hauptstadt Fès. Nach und nach verloren sie erst die Herrschaft über Tunesien und dann auch über Al- gerien.

Abbildung 4: Ausdehnung der Meriniden zu verschie- denen Zeiten http://de.wikipedia.org/wiki/ Geschichte_Marokkos#/me dia/File:Empire_m%C3%A9 rinide_-_XIVe.PNG

12. Wattasiden Die Wattasiden, zunächst Regenten der Meriniden, übernahmen in den

Abbildung 5: Ausdehnung der Wattasiden zu verschiedenen Zeiten http://de.wikipedia.org/wiki/Geschich te_Marokkos#/media/File:Wattasids _-_Simplified_map.PNG

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1420er Jahren die Macht in Marokko. Im 15. und 16. Jahrhundert gerieten sie zuneh- mend in die Konflikte zwischen der Großmacht Spanien auf der iberischen Halbinsel und dem osmanischen Reich auf der östlichen Seite Marokkos. Die Großmächte be- kämpften sich vor allem auf dem Mittelmeer und so bildete sich um Marokko eine Zone, in der sich ihre Konflikte mit religiösen und lokalen Konflikten mischten. Die Gesellschaft und die Wirtschaft wurden auf diesen Kampf ausgerichtet und lieferten Ressourcen zu heiligen Kriegen auf beiden Seiten.

Zugleich machten sich Portugal und Spanien Konkurrenz im Handel und besetzten da- bei zahlreiche Stützpunkte entlang der Küste, während die Osmanen ihre Macht bis nach Algerien ausdehnten. Zu dieser Zeit herrschten die Wattasiden in Marokko, welche jedoch durch diese Ereig- nisse sehr an Macht verloren. Weder war ihre Autorität gegenüber den Beduinen- und Berberstämmen ausreichend, noch konnten sie die Eroberung der Hafenstädte am Atlantik durch die Portugiesen ver- hindern. Mit Portugal musste schließlich sogar ein Waffenstillstand über zwanzig Jahre geschlossen werden, nachdem diese Tanger erobert hatten. Durch dieses Ereignis verloren die Wattasiden in weiten Kreisen der Bevölkerung ern- orm an Ansehen. Zu dieser Zeit bauten die Saadier einen eigenen Machtbereich zum Kampf gegen die Portugiesen auf. Durch große Unterstützung der Bevölkerung konnten sie teilweise die Portugiesen zurückdrängen und vor allem 1549 die Wattasiden in Fès stürzen.

13. Saadier

Abbildung 6: Ausdehnung der Saadier in rot http://de.wikipedia.org/wiki/Geschich te_Marokkos#/media/File:Maroc_- _fin_XVIe_si%C3%A8cle.PNG

Die Saadier behaupteten sich nicht nur gegen die Portugiesen, sondern vor allem gegen das Osmanische Reich. Dadurch wurde Marokko zu einer Regionalmacht, deren Einfluss weit über die Sahara hinausreichte. Zu dieser Zeit führten Zwangsbekeh- rungen der kastilischen Regierung auf dem spanischen Festland dazu, dass zahlreiche nicht konversions- willige Juden in Marokko Zuflucht suchten.

Nachdem die Saadier Marokko von den Portugiesen befreit hatten versuchten sie mit neuen Handelsabkommen den Gegensatz zwischen dem spanischen Weltreich und den protestantischen Staaten auszunutzen, aber auch der Transsaharahandel wurde

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate gefördert. Um daraus höhere Gewinne ziehen zu können bringen die Saadier die Salzminen von Taghaza an sich und erobern die Handelszentren Gao und Timbuktu. In dieser Zeit wurde der Aufbau einer Armee organisiert, die Verwaltung und die Staats- finanzen wurden saniert und Wissenschaft und Kultur wurden gefördert. Nach dem Tod des Machthabers der Saadier im Jahr 1603 brachen mangels Thronfol- geregelungen Machtkämpfe aus. In Fès und Marrakesch setzten sich zwei Linien der Saadier durch. Während dieser Zeit nahm Marokko viele der Morisken auf, die aus Spanien vertrieben worden waren. Teile von ihnen siedelten sich in Salé an, wo sie zwi- schen 1603 und 1668 ein unabhängiges Korsarenreich gründeten. 1626 ging Fès an die Dila-Bruderschaft verloren und 1659 eroberten die Alaouiten Marrakesch und beende- ten die Herrschaft der Saadier.

14. Alaouiten Das Herrschaftsgebiet der Alaouiten erstreckte sich zunächst nur über Südmarokko, nach der Einnahme von Marrakesch begann aber der Kampf gegen die Dila- Bruderschaft, die Nordmarokko unterworfen hatte. Nach entscheidenden Siegen in Me- knes und Fès wurde die Herrschaft der Alaouiten allgemein anerkannt und auch Salé wurde 1668 dem Reich der Alaouiten einverleibt. Unter den Alaouiten wurde das Militärwesen neu strukturiert und ein Heer aus sudane- sischen Sklaven geschaffen. Die Staatseinnahmen aus dem Handel mit Westeuropa ermöglichten eine umfangreiche Bautätigkeit. Städte wurden befestigt und die Haupt- stadt wurde von Fès nach Meknès verlagert. Die Dynastie der Alaouiten regiert noch heute im Königreich Marokko.

15. Zunehmender europäischer Einfluss im 18. und 19. Jahrhundert 15.1. Französisch-Marokkanischer Krieg 1844 Nachdem Frankreich Algerien erobert hatte, versuchte es seinen Einfluss auch auf Ma- rokko weiter auszubreiten. Dadurch kam es 1843/44 zum Krieg zwischen Marokko und Frankreich. Dieser endete 1844 mit der Niederlage der marokkanischen Truppen. Ma- rokko musste somit der Festlegung der Grenze zu Algerien zustimmen und wurde nach dem Krieg zum Streitpunkt der miteinander konkurrierenden europäischen Mächte. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurden Teile von Marokko von Spaniern (1860, Te- touan) und Franzosen (1907, ) besetzt.

15.2. Aufteilung zwischen Frankreich und Spanien Eine Einigung der konkurrierenden europäischen Mächte wurde 1909 erzielt. Mit dem Vertrag von Fès vom 30. März 1912 wurde Marokko in mehrere Zonen aufgeteilt: Der größte Teil wurde zur französischen Kolonie Französisch-Marokko. Mulai Yusuf wurde zum Sultan ernannt, wenngleich die politischen Entscheidungen von der Kolonialverwal- tung getroffen wurden. Hauptstadt wurde , dorthin musste der bisher in Marra- kesch residierende Sultan seine Residenz verlegen. Im Ersten Weltkrieg kämpften ins- gesamt 40.000 Marokkaner auf französischer Seite. Spanien erhielt das Rif-Gebirge und die Provinz Ifni im Süden Marokkos als Protektorat.

15.3. Erste Aufstände der Bevölkerung Nach dem Ersten Weltkrieg kam es zu diversen Aufständen der Berber gegen die Be- satzungsmächte. Unter der Führung von Abd al-Karim brach 1921 in der spanischen Zone der Aufstand der Rif-Kabylen aus. Der Aufstand erfasste auch die französische

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Protektoratszone. Erst 1926 gelang es Frankreich und Spanien gemeinsam, den Auf- stand niederzuschlagen. Unter Sultan Mohammed V, der im zweiten Weltkrieg Frank- reich unterstütze, konnte die arabisch-nationalistische Unabhängigkeitsbewegung an Einfluss gewinnen. 1944 wurde deshalb die „Partei der Unabhängigkeit“ gegründet, die starken Zulauf hatte.

15.4. Unabhängigkeitsbewegung Aufgrund der wachsenden Unabhängigkeitsbestrebungen der Bevölkerung kam es An- fang der 50er Jahre zu wachsenden Spannungen zwischen dem Sultan und der franzö- sischen Protektoratsverwaltung. Die Franzosen verbannten Sultan Mohammed V des- halb nach Madagaskar und ersetzen ihn durch seinen Onkel Muhammed Mulay-ibn- Arafah. Daraufhin wurde das Land von einer Welle nationaler Empörung gegen die Pro- tektoratsmächte erfasst. Dies führte dazu, dass Spanien und Frankreich ihre Herrschaft nicht mehr aufrechterhalten konnten. Muhammed V konnte daraufhin nach Marokko zurückkehren.

15.5. Unabhängigkeit Am 18.11.1956 erlangte Marokko die volle Unabhängigkeit von Frankreich und Spani- en, wobei vier Enklaven aber in spanischem Besitz blieben. Rabat-Sale wurde zur Hauptstadt des neuen Königreiches und im August 1957 wurde Muhammad V offiziell König von Marokko.

16. Quellenverzeichnis „Alles über Marokko“, unter: http://allesuebermarokko.com/info/geschichte/ (abgerufen am 15.03.2015)

„Geschichte Marokkos“, unter: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Geschichte_Marokkos&oldid=146884052 (abgerufen am 19.10.2015)

„Länder-Lexikon“, unter: http://www.laender-lexikon.de/Marokko_%28Geschichte%29 (abgerufen am 15.03.2015)

SABRA, MARTINA: „Besonderheiten der Landesgeschichte“, unter: http://liportal.giz.de/marokko/geschichte-staat/ abgerufen (abgerufen am 15.03.2015)

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Die jüngere Geschichte Marokkos mit einem Fokus auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen seit der Unabhängigkeit 1956 von Otto Betz und Werner Gabriel

Inhalt: 1. Kenndaten 2. Geschichte der Unabhängigkeit 3. Jüngere Geschichte 3.1. Der Westsahara-Konflikt 3.2. Terroranschläge und Arabischer Frühling 4. Wirtschaftliche Entwicklungen 4.1. SWOT-Analyse 4.2. Außenhandel 5. Gesellschaftliche Entwicklungen 5.1. Größe, Altersstruktur und Verteilung 5.2. Soziale Lage 5.3. Ethnische Zugehörigkeit 5.4. Sprachen 5.5. Religionen und Religiosität 5.6. Geschlechterverhältnisse 5.7. Ehe und Familie 5.8. Bildung und Bildungssystem 5.9. Gesundheitswesen 5.10. Migration und Flucht 5.11. Kultur und Künste 6. Quellenverzeichnis

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1. Kenndaten Flagge

Ländername Königreich Marokko

Hauptstadt Rabat (Agglomeration 1,6 Mio. Einwohner)

Größe des Landes 459.000 qkm (D zum Vergleich: 357.000qkm)

Bevölkerung 33 Mio. (D zum Vergleich: 80 Mio)

Durchschnittsalter 27 Jahre (D zum Vergleich: 46 Jahre)

Bevölkerungswachstum 1,2 % (D zum Vergleich: 0,2%)

Sprachen Amtssprache: Arabisch, Tamazight Geschäftssprache: Französisch Religionen 98% sunnitischer Islam 1% Christentum 0,2% Judentum Regierungsform Konstitutionelle Monarchie (zentrale Vorrechte des Kö- nigs) Parlament  Chambre des Représentants (395 Sitze, Präsident: , Rassemblement National des Indépendants (RNI), seit April 2014  Chambre des Conseillers (270 Sitze, Präsident: , PAM) Verwaltungsstruktur 16 Regionen untergliedert in 61 Provinzen (einschließ- lich des völkerrechtlich umstrittenen Gebiets der West- sahara) Staatsoberhaupt König Mohammed VI (seit 1999)

BIP 104 Mrd. USD (D zum Vergleich: 3636 Mrd. USD)

BIP pro Kopf 3.160 USD (D zum Vergleich: 45.000 USD)

Währung Dirham (1Euro = ca. 10,6 Dirham (03/2015))

Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01- nodes_Uebersichtsseiten/Marokko_node.html

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2. Geschichte der Unabhängigkeit Unter Sultan Abd el-Aziz (1894-1908) traten die Unabhängigkeitsbestrebungen der Berberstämme wieder in den Vordergrund. Mit dem so genannten Kongo-Kongress am Anfang des 19. Jahrhunderts begann dann die europäische Aufteilungspolitik hinsicht- lich Afrikas. 1906 wurde durch Deutschlands wirtschaftliche Ambitionen in Marokko (Mannesmann) die Unantastbarkeit des Landes in der Konferenz von AIgeciras festge- legt. Doch schon ein Jahr darauf provozierten die Franzosen in Marokko Unruhen, de- nen sie dann durch die Entsendung eines Expeditionskorps entgegentraten. Die Städte Casablanca, Agadir, Rabat, Safi und Essaouira wurden besetzt. 1911 rief der durch die Berber in Fes eingeschlossene Nachfolger Abd el Aziz', Sultan Abd el-Hafiz, die Franzosen zu Hilfe, die daraufhin Mitte des Jahres in Fes einmar- schierten. Auch das "Unternehmen Panthersprung" (das Erscheinen des deutschen Kanonenbootes "Panther" vor Agadir) konnte die Schutzherrschaft Frankreichs über Marokko nicht verhindern. Am 30. März 1912 wurde fast ganz Marokko (der nördlichste Teil war von Spanien kontrolliert) zum französischen Protektorat. Während des Zweiten Weltkrieges versuchte König Mohamed Ben Youssef (Mohamed V), 1927 zum Sultan ernannt, die marokkanischen Juden vor dem französischen Vichy- Regime zu schützen. 1944 wurde das Manifest der Unabhängigkeit verkündet, für das sich Mohamed V eingesetzt hatte. Sultan Mohammed V wurde 1953 nach Madagaskar verbannt, kehrte 1955 zurück und befreite schon ein Jahr später das Land. So wurde er zum Symbol der Unabhängigkeit Marokkos. Nach dem Tod vom Sultan Mohammed V folgte sein Sohn Moulay Hassan, der am 3. März 1961 gekrönt wurde. Da Hassan bis zum Jahre 1999 an der Macht war, prägte seine Politik Marokko in besonderem Maße. 1975 wurde zu einem entscheidenden Jahr durch den „grünen Marsch“, der das marokkanische Volk friedlich hinter seinem König vereinte, um die Provinzen in der Sahara an das Königreich anzuschließen. Die Herr- schaft Hassan II hat das starke Wirtschaftswachstum und die regionale und territoriale Stabilität fortgesetzt. Nach dem Tod seiner Majestät König Hassan II am 23. Juli 1999, gestaltet sein Sohn, König Mohammed VI, das Marokko der Zukunft.

3. Jüngere Geschichte König Mohammed VI leitete Reformen ein, die aber die starke Stellung des Königs in der Politik nicht berührten. Hingegen rückten die Rechte der Frauen in den Mittelpunkt und zwar sowohl im Ehe-, als auch im Erb- und Scheidungsrecht. Ab 2002 regierte eine Mitte-Rechts-Koalition, die das System der Monarchie im Gegen- satz zur Opposition unterstützte und eine Verfassungsreform ablehnte. Wirtschaftspoli- tisch verfolgte sie einen Privatisierungskurs, sowie eine Deregulierung des Bildungs- und Gesundheitswesens, was dazu führte, dass es in Marokko heute bei Schulen und Krankenhäusern sowohl staatliche, als auch private Einrichtungen gibt, wobei die Priva- ten sehr viel bessere/europäische Standards haben. Jedoch können sich diese Einrich- tungen nur Ausländer und die marokkanische Elite leisten. Unübersehbar sind die positiven Veränderungen in Marokko. König Mohamed VI hat in positivem Sinne insbesondere die Initiierung demokratischer Veränderungen und de- mokratischer Konsolidierung veranlasst. Demokratische Reformen und die demokratische Transformation Marokkos stärken Stabilität und Sicherheit. Der Fortschritt in Marokko inspiriert die Reformer und fungiert als Katalysator für Demokratie und Menschenrechte in der gesamten Region. Marokko

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate ist sowohl für afrikanische als auch für arabische Staaten ein Vorbild, wobei es auch hin und wieder Berichte über beispielsweise Folter oder eingeschränkte Pressefreiheit gibt. Marokko hat in den letzten Jahren viel erreicht. Viele Reformen wurden bisher umge- setzt, von denen einige vor wenigen Jahren noch so gut wie undenkbar gewesen wä- ren: Man denke nur an die grundlegende Reform des Familienrechts, Einleitung födera- tiver Strukturen für das gesamte Königreich sowie an den Autonomielösungsvorschlag für die Region Westsahara (siehe unten). Letzteres ist ein anschauliches Beispiel für diese positiven Veränderungen und Um- wandlungen. Zuletzt rief Marokko den Autonomieplan mit dem Ziel ins Leben, eine fried- liche und dauerhafte Lösung der Region zu festigen. Diese wichtige Initiative spricht für den Willen Marokkos, nach fundierter Stabilität im gesamten Maghreb zu streben. Die Autonomielösung tritt für Reformen in der Verwaltung und Sozialstruktur, für die Partizipation der Bevölkerung an Entscheidungsprozessen und für eine regionale und lokale Strukturierung ein.

3.1. Der Westsahara-Konflikt 1976 entließ Spanien seine Provinz Spanisch-Sahara (Westsahara) in die Unabhängig- keit. Marokko und Mauretanien teilten das Land daraufhin unter sich auf. Die Frente Polisario (Volksbefreiungsbewegung der Westsahara) erhob Anspruch auf die Unab- hängigkeit des Gebietes. Es folgten Kampfhandlungen zwischen der marokkanischen Armee und Einheiten der Frente Polisario. Marokko besetzte daraufhin das gesamte Territorium der Westsahara. Im August 1988 stimmte Marokko wie auch die Polisario dem Westsahara-Plan den Vereinigten Nationen zu. Dieser sah einen Waffenstillstand, sowie die Durchführung einer Volksabstimmung über das künftige Schicksal des okkupierten Territoriums vor. Der Waffenstillstand wurde 1991 vereinbart. Die Volksabstimmung wurde aber bis zum heutigen Tag nicht durchgeführt, da beide Seiten keine Einigung über die genaue Zahl der Stimmberechtigten erzielen konnten. Unterdessen betreibt Marokko eine umfassen- de Besiedlungspolitik in der Westsahara. Bei der umstrittenen Volksabstimmung geht es darum, dass die Frente Polisario erwar- tet, dass nur die ursprünglichen Bewohner der Westsahara über die Autonomie ab- stimmen.Marokko fordert, alle Bewohner der Westsahara sollten an der Abstimmung Teil nehmen (auch die neu zugewanderten marokkanischen Siedler), womit klar sein dürfte, dass die Abstimmung wohl zu Gunsten eines Anschlusses an Marokko ausge- hen würde.

Quelle: http://www.dw.de /image/0,,166307 77_303,00.jpg

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Die Grafik zeigt alle im Westsahara-Konflikt beteiligten Staaten. In Algerien leben bis heute zahlreiche Flüchtlinge aus der Westsahara, die bei der Besetzung durch die ma- rokkanische Armee flohen. Sie leben seit mehreren Jahrzehnten in Flüchtlingscamps in der Wüste. Im Osten der Westsahara verläuft ein Grenzwall, der durch die marokkani- sche Armee bewacht wird und der den besetzten Teil des Landes von einem schmalem Streifen trennt, der von der Frente Polisario kontrolliert wird. Dieser von der Polisario kontrollierte Streifen wird „Freie Zone“ genannt. Im Streit um die Anerkennung der Frente Polisario als legitime Vertretung der Bevölke- rung der Westsahara, trat Marokko aus Protest aus der Afrikanischen Union aus und ist heut der einzige afrikanische Staat, der nicht Mitglied in der afrikanischen Union ist. Es ist davon auszugehen, dass Marokkos Interessen in der Westsahara in erster Linie auf die großen Phosphor-Vorkommen zurück zu führen sind. Marokko ist weltweit größ- ter Phosphor-Exporteur. Außerdem werden unter der Westsahara große Erdöl und Erd- gasvorkommen vermutet.

3.2. Terroranschläge und Arabischer Frühling Zwischen den Jahren 2003 und 2011 kam es in Marokko zu mehreren Terroranschlä- gen vor allem in den Städten Casablanca und Marrakesch. Ziele waren dabei in erster Linien jüdische Einrichtungen, sowie Plätze des „Westlichen Lebensstils“. 2011 kam es auf dem Djema el-Fna in Marrakesch zu einem Anschlag auf ein bei Tou- risten beliebten Cafe. Dabei kamen auch mehrere europäische Touristen ums Leben. Im Dezember 2011 begann der so genannte „Arabischer Frühling“ in Tunesien, der auch an Marokko nicht spurlos vorbei ging: Es gab mehrere Demonstrationen mit aller- dings nur wenigen 1000 Teilnehmern in den großen Städten für neue Verfassung und gegen Folter sowie Korruption (z.B. im Gesundheitsbereich). Damit beteiligten sich im Vergleich zu den anderen arabischen Staaten eher wenige Demonstranten an den De- monstrationen. Es ging dabei auch weniger blutig zu. Als Reaktion trat der König kurz nach Aufflammen der Proteste bei einer Fernsehan- sprache auf. Dabei kündigte er weitere Demokratisierungsreformen, sowie eine unab- hängigere Regierung und Justiz an. Wenige Monate später stimmten die Marokkaner über eine neue Verfassung ab in der auch die Berbersprache zur 2. Amtssprache erhoben wurde. In Marokko spricht man somit von der so genannten „Sanften Revolution“ im Vergleich zu den blutigen Entwicklungen in vielen anderen arabischen Staaten.

4. Wirtschaftliche Entwicklungen Nach der Unabhängigkeit im Jahre 1956 hat sich Marokko für eine liberale, breit gefä- cherte und nach außen gerichtete Wirtschaft entschieden. Parallel zu den innerhalb von wenigen Jahren im Bereich der öffentlichen Freiheiten, der Demokratie, der Förderung der Frauenrechte, der Justiz und der Menschenrechte erreichten Fortschritte hat Marokko eine große Umsetzung seiner Wirtschaft in Richtung Liberalisierung in Gang gesetzt, um die Eingliederung des Landes in einen breiten Frei- handelsraum und in einen globalisierten Markt zu beschleunigen. Marokko ist für die EU von großer strategischer Wichtigkeit. Erstens, weil Marokko ein Land mit europäischer Perspektive ist und des Weiteren, weil Marokko aus Sicht der Energieversorgung ein großes Land von wachsender (geo-) strategischer Wichtigkeit und ein Land von unbestrittener wirtschaftlicher und natürlich auch politscher Bedeu- tung ist.

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Marokko investiert in die Eingliederung seines Infrastrukturnetzes in die transeuropäi- sche und transmediterrane Transport-, Energie- und Telekommunikationsvernetzung (Beschleunigung der Autobahnprogramme, Ausbau der Eisenbahngleise, Erweiterung und der Modernisierung der Häfen, der Flughäfen, der Telekommunikation und des Stromnetzes), sowie in den Ausbau der touristischen Potentiale (Ziel: 10 Millionen Tou- risten). Die marokkanische Regierung verfolgt entschlossen den Prozess der Privatisierung, Entmonopolisierung und Erschließung von neuen wettbewerbsfähigen Wirtschaftssekto- ren, insbesondere in der Telekommunikation, der Produktion und Verteilung von Strom, bzw. Erdöl und Erdgas, des Luft- und Seeverkehrs, bzw. der Flughafen- und Hafenver- waltung. Marokko verbessert ständig das Unternehmens- und Handelsumfeldes, die Erleichte- rung der Investitionsumsetzung und das Investorenangebot sowie wettbewerbsfähigere Bedingungen in Bezug auf das institutionelle und juristische Umfeld. Auf multilateraler Ebene haben die Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) und die Unterzeichnung der GATT-Abkommen von 1994 in Marrakesch und weiterer Ab- kommen in Marokko stattgefunden, die die Grundpfeiler der Regeln und Prinzipien des Welthandels ausmachen. Marokko hat auch zahlreiche Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union, der Türkei, den USA und im Rahmen des vierseitigen Abkommens in Agadir mit den arabi- schen Ländern des südlichen Mittelmeers abgeschlossen. Inzwischen ist Marokko dabei, die Zielsetzungen all dieser Freihandelsabkommen zu verwirklichen, die Wettbewerbsfähigkeit der Landeswirtschaft zu verstärken und Marok- ko als attraktive und leistungsfähige regionale Investitions-, Produktions- und Aus- tauschdrehscheibe des maghrebinischen und mediterranen Raums und der afrikani- schen Sub-Sahara-Länder aufzurichten.

BIP in Mrd. USD BIP pro Einwohner in USD

Staatschuldung in % zum BIP Arbeitslosenrate in %

Quelle: http://www.indexmundi.com/

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4.1. SWOT-Analyse

Quelle: http://marokko.ahk.de/fileadmin/ahk_marokko/Dokumente/Marktinformationen/pub-marokko-im- fokus-1.pdf

4.2. Außenhandel Exportquote (Exporte/BIP in %) : 2010: 19,6 2011: 21,8 2012: 22,3

Einfuhrgüter (% der Gesamteinfuhr): Ausfuhrgüter (% der Gesamtausfuhr): Erdöl 20,5 Chem. Erzg. 20,3 Nahrungsmittel 10,5 Textilien/Bekleidung 16,7 Chem. Erzg. 9,2 Nahrungsmittel 16,5 Maschinen 9,0 Rohstoffe 11,6 Kfz und Teile 7,2 Elektrotechnik 10,2 Sonstige 43,6 Sonstige 24,7

Quelle: http://heilbronn.ihk.de/ximages/1425827_wirtschaft.pdf

5. Gesellschaftlicher Entwicklungen

5.1. Größe, Altersstruktur und Verteilung Derzeit leben in Marokko schätzungsweise rund 32 Millionen Menschen. Diese Zahl ist eine Hochrechnung. Beim letzten nationalen Zensus im Jahr 2004 lag die Bewohner- zahl bei 28,5 Millionen. Seit 1956 hat die Bevölkerung Marokko sich nahezu verdrei- facht. Aktuell hat die Zuwachsrate sich verlangsamt. Mittelfristig wird die Zahl der Ein- wohner voraussichtlich stagnieren.

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Rund zwei Drittel der Einwohner Marokkos wohnen in Städten, davon mehr als die Hälf- te in den städtischen Großräumen Casablanca-Mohammedia und Rabat-Salé, sowie in Tanger, Marrakesch, Meknes, Fes und Oujda. Ein Drittel aller Marokkaner leben in Dör- fern und Kleinstädten. Noch in den 1960er Jahren war die Proportion exakt andersher- um, damals lebten zwei Drittel der Marokkaner auf dem Land. Das Verhältnis Stadt- Land hat sich damit binnen vier Jahrzehnten ins Gegenteil verkehrt. Dieser Trend zur Landflucht hat sich verlangsamt, er ist aber nicht gestoppt. Extreme Trockenperioden, ungleiche Grundbesitzverhältnisse (größter einzelner Grundbesitzer ist der König), Ar- mut, schlechte Bildungschancen und mangelnde medizinische Versorgung haben zu einem wahren Exodus in die marokkanischen Großstädte geführt. Oftmals endete die Landflucht in den Slumgürteln von Casablanca, Sale, Meknes oder Tanger. Trotz der Verstädterung hegen viele Marokkaner nach wie vor eine innige Beziehung zum Dorf ihrer Familie, dem „Bled“. Die sogenannten Moussems, mehrtägige kirmesar- tige Volksfeste, die meist einem Lokalheiligen gewidmet sind, werden besonders gern für einen Abstecher zur Oma oder Tante auf dem Dorf genutzt. Die Marokkaner sind im Durchschnitt recht jung (27 Jahre, zum Vergleich das Durch- schnittsalter in Deutschland: 44 Jahre). Die meisten marokkanischen Ehepaare be- kommen aber immer weniger Kinder, in den Städten oft nur noch zwei. Das Bevölke- rungswachstum ist deshalb stark rückläufig und dürfte mittelfristig stagnieren. Gleichzei- tig steigt die Lebenserwartung. Die Marokkaner werden heute im Durchschnitt weit über siebzig Jahre alt. Der demographische Wandel und die zu erwartende Alterung be- schäftigt bereits die Renten-Experten in Marokko.

5.2. Soziale Lage Die Arbeitslosigkeit liegt in Marokko offiziell bei 10 %. Arbeitslosenhilfe gibt es nicht. Aber auch für die Marokkaner, die Arbeit haben, ist die reale wirtschaftliche und soziale Lage oft sehr schwierig. Millionen Marokkaner können von ihrer Arbeit nicht leben, da oft der staatlich festgesetzte Mindestlohn von 5-6 € / Tag nicht erzielt wird. Rund eine Million Marokkaner müssen umgerechnet mit weniger als einem US-Dollar am Tag aus- kommen. Und auch diejenigen, die genug zu essen und ein Dach über dem Kopf ha- ben, verdienen oft zu wenig, um dringend notwendige Dinge wie zum Beispiel den Zahnarzt zu bezahlen. Ein Indiz für die soziale Krise sind die Überweisungen der im Ausland lebenden Marokkaner: allein in 2012 waren es über 5 Milliarden Euro. Ein gro- ßer Teil dieses Geldes wird für Konsumgüter des täglichen Bedarfs ausgegeben. Dem steht der unbeschreibliche Reichtum des Königshauses gegenüber. König Mo- hammed VI. ist laut Forbes der siebtreichste Monarch der Welt. Seit er 1999 den Thron übernahm, soll er sein privates Vermögen mindestens verfünffacht haben. Mit geschätzten 2,5 Milliarden US-Dollar liegt »M 6« mittlerweile vor den Herrschern von Ölländern wie Qatar oder Kuwait. Vom Königshaus dominierte Holdings wie ONA, SNI, SIGER und kontrollieren Rohstoffe, Banken, Versicherungen, Lebensmit- tel- und Bauindustrie sowie den Sektor der erneuerbaren Energien. Marokko ist somit geprägt von extremen sozialen Ungleichheiten und einem politischen System, das Partizipation nur in sehr engen Grenzen zulässt. Feudale Denkweisen und Gesellschaftsstrukturen sind immer noch verbreitet und gewinnen im Licht neoliberaler Wirtschaftspolitiken eher noch an Bedeutung. Seit Jahrzehnten gibt es in Marokko im- mer wieder Proteste gegen das marode Bildungssystem, gegen Arbeitslosigkeit, Armut und mangelnde Zukunftsperspektiven.

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5.3. Ethnische Zugehörigkeit Juden, Christen und Muslime; Phönizier, Römer, Vandalen, Andalusier, Europäer und die Nachkommen der Harratin (schwarze Sklaven aus Mauretanien): In Marokko haben viele Völker, Kulturen und Religionen ihre Spuren hinterlassen. Schätzungsweise 30-35 Prozent der Bevölkerung haben arabische Vorfahren (Eroberer oder Einwanderer). Etwa 55-60 Prozent sind Amazigh/Imazighen (Masiren, Berber). Die Masiren waren die Ureinwohner Nordafrikas, ihre Siedlungsgebiete erstreckten sich im Altertum von Ägypten bis auf die Kanarischen Inseln. Die Berber selbst nennen sich Imazighen (Masiren), auf Deutsch „freie Menschen“. Während der islamisch-arabischen Eroberung des heutigen marokkanischen Staatsge- bietes im 7./8. Jahrhundert nahmen viele Berberstämme zwar den Islam als neue Reli- gion an, doch sie wehrten sich gegen das politische Diktat aus Damaskus und gegen die erzwungene Arabisierung. Zum Schutz vor Angriffen zogen die Berber sich teilweise in schwer zugängliche Bergregionen des Hohen und Mittleren Atlas zurück. Der Gegensatz zwischen arabischer und masirischer Bevölkerung spielte in der marok- kanischen Geschichte immer wieder eine Rolle. In letzter Instanz ging es jedoch meis- tens nicht um ethnische Fragen, sondern um Macht und Ressourcen. Die (arabisch- stämmige) Dynastie der Alawiten band die Berberstämme unter anderem durch Ehe- schließungen mit Töchtern einflussreicher Stammesführer ein, oder indem Kinder der Stämme an den Hof geholt wurden, die als eine Art Faustpfand dienten, um Verschwö- rungen zu verhindern. Während des Protektorats (1912-1956) versuchte die Kolonialmacht Frankreich, berbe- rische und arabische Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen - im Sinne des Divide et Impera, "Teile und Herrsche" (z.B. der "Dahir berbère" von 1930). Wäh- rend der Herrschaft von Hassan II. (1962-1999) wurden die masirische Sprache und Kultur in der Öffentlichkeit marginalisiert. Tamazight durfte in der Schule weder benutzt noch unterrichtet werden, im staatlichen Fernsehen gab es lediglich ein winziges Zeit- fenster mit Nachrichten in Tamazight. Gegen diese Ausblendung der masirischen Iden- tität formierte sich schon früh Widerstand - die Berberorganisation AMREC wurde 1967 gegründet - doch das Thema war noch tabu. Erst unter dem Eindruck des "printemps kabyle" (Algerien 1980) erstarkte die masirische Kulturbewegung in Marokko. Im August 1991 erschien die "Charta von Agadir" Ein halbes Dutzend berberistische Organisatio- nen und Individuen, darunter AMREC und Tamaynut forderten darin die Anerkennung der masirischen Sprache in Schule, Alltag und Medien. Im Jahr 1994 wurden einige ma- rokkanische Berberisten verhaftet, als sie in dem Ort Goulmime Transparente mit Slo- gans in der masirischen Schrift Tifinagh hochhielten. Im Juli 2001 hielt König Mohammed VI. eine wegweisende Thronrede, in der er die masirische Kultur und Sprache als wesentlichen Bestandteil der marokkanischen Identi- tät anerkannte und ankündigte, dass Tamazight in Zukunft Unterrichtsfach an marokka- nischen Schulen sein würde. Im Herbst desselben Jahres wurde durch ein königliches Dekret das IRCAM (Institut Royal pour la Culture Amazighe) ins Leben gerufen.

5.4. Sprachen Herausforderung: Vielsprachigkeit: Die Sprachen Marokkos verdienen ein eigenes Kapitel. Durchschnittliche marokkani- sche Kinder wachsen heute mit mindestens drei Sprachen auf: Arabisch, Französisch und Darija, das strak von den Berbersprachen beeinflusste Maghreb-Arabisch. Schät- zungsweise 40% der Marokkaner wachsen zusätzlich mit einer der Berbersprachen als

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Muttersprache auf. Dazu kommt in einigen Regionen noch Spanisch. Marokkos Viel- sprachigkeit ist ein immenser kultureller Reichtum, aber auch eine Herausforderung, sowohl für Bildungspolitiker als auch für Eltern. Sie stehen zunehmend vor der Frage, ob ihre Kinder nun Tamazight lernen sollen oder doch lieber Englisch oder beides. Die folgenden Ausführungen basieren teilweise auf dem Buch "Le drame linguistique maro- cain" von dem marokkanischen Literaturwissenschaftler Fouad Laroui. Es bietet eine zugleich strukturierte und detailreiche Einführung in die Thematik. Gemäß der Verfassung ist Arabisch die offizielle Staatssprache Marokkos. Französisch hat diesen offiziellen Status nicht. Es ist aber faktisch ebenso wichtig wie Arabisch, wenn auch in anderen Bereichen. Französisch ist in Marokko unabdingbar, wenn man eine gute Position in der Wirtschaft oder in der Verwaltung erlangen möchte. Für den sozialen Aufstieg weniger relevant ist das Masirische (Tamazight, Amazigh, Berberisch). Es wird in der neuen Verfassung als EINE offizielle Sprache bezeichnet.

Modernes Standardarabisch (Fussha): Das moderne Standardarabisch basiert auf der Sprache des Korans. Seit dem 19. Jahrhundert wurde die arabische Hochsprache von arabischen Gelehrten vor allem aus dem Libanon und Ägypten modernisiert. In Marokko wird Hocharabisch heute in der Schule, in der Administration, in religiösen Kontexten und teilweise in den Medien und in der Literatur benutzt. Da Arabisch aus Sicht der Muslime die Sprache der Offenba- rung ist, besitzt die arabische Hochsprache einen sehr hohen Stellenwert. Dennoch ha- ben viele Marokkaner in der Praxis eher durchschnittliche Kenntnisse des Hocharabi- schen.

Maghrebinisches Umgangsarabisch (Darija): Die Umgangssprache nahezu aller Marokkaner/innen ist das sogenannte Maghrebara- bisch, das auch Darija genannt wird und das in verschiedenen Dialekten auch in Libyen, Tunesien und Algerien gesprochen wird. Darija beruht auf einer arabischen Grundstruk- tur, mit lexikalischen und grammatischen Entlehnungen aus dem Masirischen und mit vielen Lehnwörtern aus dem Französischen und Spanischen (simana = Woche; cusina = Küche; plasa = Sitzplatz im Bus). Darija ist keine Schriftsprache. Es wird aber in der Werbung gelegentlich sowohl in arabischer als auch in lateinischer Umschrift genutzt.

Tamazight (Berberisch): Marokko ist in Nordafrika gegenwärtig der Staat mit der größten berberophonen Bevöl- kerung. Nach einer Schätzung des Pariser Forschungsinstitutes INALCO sprechen oder verstehen 57 Prozent der Marokkaner neben der marokkanisch-arabischen Umgangs- sprache einen der Dialekte des Tamazight. Die Sprachkompetenz variiert allerdings erheblich; immer mehr Marokkaner können die Sprache der Eltern und Großeltern zwar verstehen, aber selbst nicht sprechen. Das erklärt, warum manche Statistiken die Zahl der berberophonen Marokkaner eher bei rund 40 Prozent veranschlagen. Unter dem Strich sind in Marokko im Vergleich zu anderen Ländern Nordafrikas sehr viele Menschen berberophon. Die arabische Umgangssprache Marokkos (Darija) ist besonders stark vom berberischen Substrat geprägt, was sich in der Phonetik, im Wort- schatz und sogar in grammatischen Strukturen bemerkbar macht. Die masirischen Dialekte in Marokko unterscheiden sich regional. Man unterscheidet drei Sprachräume: Im Südwesten sprechen die Menschen Tachelhit, im Hohen und mittleren Atlas Tamazight und im Rif-Gebirge, das „Rif-Amazigh“ oder Tarifit.

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Um Tamazight an Schulen unterrichten zu können, haben marokkanische Sprachwis- senschaftler eine Standardversion entwickelt, die Elemente der drei Sprachräume auf- nimmt, wobei das Tamazight des Mittleren Atlas und der Region um Marrakesch maß- geblich ist. Seit einigen Jahren ist Tamazight in Marokko theoretisch ein Schulfach. Die Sprache ist jedoch nicht obligatorisch und das Unterrichtsangebot ist bei weitem nicht flächendeckend. Zudem gibt es starke Kritik an den Methoden und an der Ausbildung der Sprachlehre.

5.5. Religionen und Religiosität Islam: Über 99 Prozent der Marokkanerinnen und Marokkaner sind sunnitische Muslime. Ma- rokko folgt offiziell der malikitischen Rechtsschule, was vor allem Konsequenzen für die Ausgestaltung des konfessionell gespaltenen Personenstandsrechts (Familienrechts) hat. Das neue marokkanische Personenstands- und Familienrecht von 2004 basiert jedoch nicht ausschließlich auf der malikitischen Rechtsauffassung, sondern integriert auch Elemente anderer Rechtsschulen, die als liberaler gelten, wie die hanafitische Rechtsschule.

Religionszugehörigkeit: Über 99 Prozent der Wohnbevölkerung sind sunnitische Muslime. Etwa 0,01-0,02 Pro- zent sind jüdischen Glaubens (ca. 3000 Menschen). Ca. 0,1 Prozent gehören christli- chen Konfessionen an, davon sind ca. 24.000 römisch-katholisch. Detaillierte Informati- onen zu Religionen und Religiosität finden Sie im Kapitel gleichen Namens auf dieser Seite.

Religiöse Institutionen: In Marokko sind Staat und Religion nicht getrennt. Der König ist laut Verfassung "Amir Al-Mu'minin" (Befehlshaber der Gläubigen) und damit höchste religiöse Autorität. Der religiöse Sektor stellt ein zentrales politisches Handlungsfeld dar. Das Ministerium für religiöse Stiftungen (Habous, auch: Awqaaf) und islamische Ange- legenheiten beaufsichtigt unter anderem die Moscheen und die staatlichen religiösen Bildungseinrichtungen. Das kodifizierte islamische Recht (Personenstandsrecht) und allgemeine Religionswis- senschaften werden an staatlichen Hochschulen (z.B. Marrakesch) unterrichtet. Für die Ausbildung islamischer Theolog/innen und Rechtswissenschaftler (´Aalim, pl. ´Ulamaa) sorgt unter anderem die staatliche religiöse Hochschule Dar Al Hadith Al Hassaniya (Rabat, seit 2010 im Vorort Hay Riyad).

Religion und Identität: Der Islam ist in Marokko seit jeher ein wichtiger Bestandteil der Identität. Seit einigen Jahren ist bei Akademikerinnen und gebildeten Frauen der Mittelschicht eine bewusste Hinwendung zum Islam und eine weibliche Neuinterpretation religiöser Inhalte zu be- obachten.

Volksreligion und Mystik: Volksreligion, Mystik und der Glaube an magische Kräfte sind in Marokko sehr ausge- prägt. Laut Umfragen glauben zwei Drittel aller 16- bis 29-Jährigen an die Existenz von Geistern. Eine zentrale Vorstellung ist die "Baraka", der göttliche Segen. Menschen

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate können "Baraka" haben, aber auch Gegenstände, Pflanzen, Tiere, oder bestimmte Substanzen. Viele Marokkaner gehen bei körperlichen oder seelischen Beschwerden nicht zum Arzt, sondern zu einem Heiler („Fkih“) oder einer Heilerin („Shaouafa“). Die- sen wird neben den heilenden Kräften auch die Fähigkeit zugeschrieben, in die Zukunft sehen zu können. Pülverchen, Koranverse und Beschwörungsformeln auf Papierröll- chen sowie alle Arten von Talismanen sollen gegen Liebeskummer, Kopfschmerzen und Prüfungsangst helfen. Bei Besessenheit oder Attacken durch sogenannten „bösen Blick“ befragen die Heiler ihren „Dschinn“. Das ist ihr persönlicher Geist, den sie in Trance kontaktieren und der ihnen aus der anderen Welt mitteilt, wie die Anliegen der Klienten zu lösen sind.

Judentum: Die Zahl der jüdischen Marokkaner ist von knapp 200.000 im Jahr 1956 (Unabhängig- keit Marokkos) auf schätzungsweise 3000 gesunken. Die massenhafte Abwanderung der marokkanischen Juden war nicht das Ergebnis von Antisemitismus, sondern eine Folge des Palästinakonfliktes und der Abwerbung durch Israels Auslandsgeheimdienst in den 1950er und 1960er Jahren. Die jüdische Gemeinde ist in Marokko heute klein, aber im öffentlichen Leben nach wie vor sehr präsent. Viele Mitglieder zählen zur wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Elite des Landes. In Bezug auf Personenstands- und Erbangelegenheiten haben Juden in Marokko eigene Richter. Die Siedlungsgeschichte der Juden in Marokko beginnt bereits zur Zeit der Römer, im zweiten Jahrhundert vor Christus. Nach der Vertreibung aus Al-Andalus im Jahr 1492 kamen schätzungsweise 200.000 Juden aus Spanien nach Nordafrika. In Marokko ge- nossen die Sepharden, wie die Flüchtlinge in Anlehnung an die hebräische Bezeich- nung für die iberische Halbinsel genannt wurden, den Status der Dhimma, Schutzbefoh- lene des Sultans. Sie lebten in jüdischen Vierteln, den so genannten Mellahs. In Fes zeugt heute der imposante und gut erhaltene jüdische Friedhof von den alten Tagen friedlicher Koexistenz. Während des Zweiten Weltkrieges weigerte sich der damalige Sultan und spätere König Mohammed V., die marokkanischen Juden an die Nazis auszuliefern. Er wurde dafür posthum vom Staat Israel als ein "Gerechter" gewürdigt. 2003 verübten Extremisten in Casablanca insgesamt fünf Bombenattentate, unter an- derem gezielt gegen jüdische Einrichtungen. König Mohammad VI. bekräftigte damals die historische Pflicht des marokkanischen Königshauses, die Juden zu schützen. Gegenwärtig befindet sich die größte jüdische Gemeinde Marokkos in Casablanca. Die rund 3.000 Mitglieder unterhalten eigene Schulen, Buchhandlungen, koschere Super- märkte und Restaurants, von denen sich viele im zentralen Stadtviertel „Gauthier“ be- finden. In ganz Marokko gibt es gegenwärtig etwa 30 Synagogen. Viele marokkanische Juden stehen Israel wegen seiner Expansions - und Siedlungs- bestrebungen sehr kritisch gegenüber.

Christentum: In Marokko leben schätzungsweise 30 000 Christen (0,1 % der Bewohner). 24.000 rö- misch katholische Christen sind in rund 40 Gemeinden organisiert, die zu den Erzbis- tümern Rabat und Tanger gehören. Weitere sechstausend Christen sind russisch- orthodox oder protestantisch. In Marokko (wie im ganzen Maghreb) gibt es heute keine traditionelle christliche Bevölkerung mehr, obwohl der Kirchenvater Augustin aus der

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Region stammte (Tipasa, heutiges Algerien). In Marokko sind Christen heute haupt- sächlich Ausländer: darunter Arbeitsmigranten und Expats aus aller Welt Flüchtlinge aus Schwarzafrika oder Europäer, die nach dem Ende der Kolonialzeit in Marokko ge- blieben sind bzw. deren Nachfahren. Es gibt über 30 Kirchen in Marokko, allerdings ist das Läuten von Kirchenglocken untersagt. Einige Kirchen wurden in Kulturzentren um- gewandelt (Casablanca). Konversion vom Islam zum Christentum ist in Marokko verbo- ten, auch Mission oder das Verteilen von Bibeln stehen unter Strafe. Die Zahl der zum Christentum konvertierten Marokkaner ist daher unbekannt.

5.6. Geschlechterverhältnisse Bei der Diskriminierung von Mädchen und Frauen schneidet Marokko im weltweiten Vergleich schlecht ab. Im Jahr 2012 landete Marokko beim jährlichen Gender-Ranking des Weltwirtschaftsforums von Davos auf Platz 129 von 135. Maßgeblich für die schlechte Platzierung waren die Diskriminierung marokkanischer Mädchen und Frauen in den Bereichen Bildung und politische Partizipation sowie die hohe Armutsquote von Frauen in Marokko. Die extreme rechtliche und soziale Benachteiligung von Frauen geht mit zunehmender ehelicher und familiärer Gewalt einher. Aber es gibt auch positive Entwicklungen. Seit 2007 liegt eine nationale Gender- Strategie vor, die Form eines Gender-Aktionsplans laufend fortgeschrieben wird. 2009 beschlossen die politischen Parteien eine Ethik-Charta, die die Festlegung von Frauen- quoten auf Parteiebene beinhaltet. Für die Zusammensetzung der nationalen Volksvertretung gilt seit 2007 eine Frauen- quote. Die Zahl der Frauen im marokkanischen Parlament ist dadurch von ehemals zwei auf mittlerweile über 60 weibliche Abgeordnete gestiegen. Ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur formalen Gleichberechtigung war die Aufhebung aller Vorbe- halte in Bezug auf die Konvention zur Elimination aller Formen von Diskriminierung ge- gen Frauen (CEDAW). Marokko war das erste Land der MENA-Region, das sich zu diesem Schritt entschloss. Hervorzuheben sind auch die Bemühungen des marokkani- schen Staates bei der Bekämpfung genderbasierter Gewalt. Unter der aktuellen islamis- tischen Frauenministerin sind diese Bemühungen allerdings ins Stocken gekommen.

Rechtslage: Das extrem konservative, Frauen und Mädchen stark diskriminierende marokkanische Familienrecht (mudawwana) hatte in seiner alten Form seit dem Jahr 1956/1957 gegol- ten. Seit Ende der 1950er Jahre hatten linke und säkulare politische Kräfte immer wie- der nach einer Abschaffung der mudawwana bzw. nach Reformen gerufen. König Hassan II. (1962-1999) hatte jedoch nur winzige kosmetische Änderungen zugelassen. Seit Ende der 1990er Jahre und vor allem seit dem Jahr 2000 machte die marokkani- sche Frauenbewegung zunehmend Druck gegen die frauenfeindlichen Gesetze. Die Reform des Personenstandsrechts (Familienrechtsreform) im Jahr 2004 hat die rechtli- che Situation von Mädchen und Frauen zumindest auf dem Papier verbessert, beson- ders in folgenden Punkten: 1. Abschaffung des Prinzips: "Gehorsam im Tausch gegen Versorgung", statt dessen sind Frauen und Männer gleichberechtigt für die Familie verantwortlich 2. Einführung der gerichtlichen Ehescheidung 3. Abschaffung der einseitigen Verstoßung durch den Ehemann, Einführung des Zerrüt- tungsprinzips, relativ weitgehende Gleichstellung von Männern und Frauen im Scheidungsrecht.

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4. Abschaffung des Zwangs zur ehelichen Vormundschaft. Eine Frau im ehefähigen Alter kann den Ehevertrag selbst unterzeichnen, sofern sie das wünscht. Die Option, einen männlichen Vormund (wali) einzuschalten, bleibt aber bestehen. Von einer wirklichen rechtlichen und sozialen Gleichstellung sind Frauen und Männer in Marokko aber noch weit entfernt. In der marokkanischen Gesellschaft dominieren wei- terhin patriarchale Einstellungen und diskriminierende Verhaltensweisen. Viele der ehr- geizigen Gesetzesreformen werden bislang nur partiell umgesetzt. So wird das Min- destheiratsalter oftmals durch Ausnahmegenehmigungen umgangen. Auch das Recht auf Abtreibung wird Marokkos Frauen bislang verwehrt, selbst bei Vergewaltigung und eindeutiger medizinischer Indikation ist ein Schwangerschaftsabbruch bislang strikt ver- boten. Den Frauen und den behandelnden Ärzten drohen hohe Strafen. Opfer dieser Rechtsprechung sind vor allem Frauen, die sich Bestechungsgelder und hohe Kosten für illegale Abtreibungen nicht leisten können.

Frauenrechte und zivile Gesellschaft: Seit Mitte der 1980er Jahre sind in Marokko immer mehr Nichtregierungsorganisationen entstanden, die sich gleichzeitig für Demokratie und für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern einsetzen. Die bekanntesten dieser NRO sind aus den Frauen- gruppen linker Parteien hervorgegangen. Diese ehemaligen Parteigruppen haben im Lauf der Jahrzehnte durchweg ein eigenes, feministisches Profil gewonnen. Die poli- tisch einflussreichsten dieser NRO sind die Association Democratique des Femmes Marocaines (ADFM), die Federation de la Ligue Democratique pour la Défense des Droits des Femmes (FLDDF), die AMDF (Association Marocaine des Droits des Fem- mes) und die UAF (Union de L'Action Féminine). Neben den politisch verankerten Frauenrechte-NRO gibt es zahlreiche parteiübergreifende, thematisch arbeitende Frau- eninitiativen, die sich punktuell zu Aktionsgruppen oder längerfristig zu Netzwerken zu- sammengeschlossen haben, so zum Beispiel die Beratungsstelle für weibliche Opfer sexistischer Gewalt in Casablanca und das Netzwerk ANARUZ gegen genderbasierte Gewalt. Eine feministische Zeitschrift gibt es in Marokko zurzeit nicht. Das Hochglanz- magazin Femmes du Maroc, das auf Französisch erscheint, berichtet aber regelmäßig über feministische Themen und stellt erfolgreiche Frauen vor.

5.7. Ehe und Familie Die Familie ist in Marokko nach wie vor Dreh- und Angelpunkt des sozialen Lebens. Man verbringt viel Zeit zuhause und man rückt gern nah zusammen, vor allem beim gemeinsamen Essen am runden Tisch und beim abendlichen Fernsehen. Mittelklasse- familien haben neben dem repräsentativen Salon oft noch einen kleineren Raum mit niedrigem Esstisch und Kanapees, wo man es sich bei Minztee zum Klönen und Fern- sehen gemütlich macht. Mit der "Familie" assoziiert man in Marokko emotionale Gebor- genheit, ein Gefühl der Zugehörigkeit und ökonomische Sicherheit. Die Idealvorstellungen von Ehe und Familie sind in Marokko konservativ geprägt. Fak- tisch erlebt die Familie als Institution jedoch einen tiefgreifenden Wandel. Großfamilien mit dem Vater als Hauptverdiener findet man fast nur noch auf dem Land oder in peri- urbanem Umfeld. Die Zahl kinderreicher Familien ist insgesamt spürbar gesunken. Das durchschnittliche Heiratsalter ist stark gestiegen (Frauen ca. 27 Jahre, Männer ca. 30 Jahre). Die Zahl der Geburten pro Frau hat sich seit Beginn der 1970er Jahre im natio- nalen Durchschnitt halbiert. Vor allem in den Großstädten setzt sich immer stärker die Kleinfamilie mit zwei Kindern durch. Damit einher geht ein Wandel der Rollenbilder. Die

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate traditionelle Rollenverteilung, bei der der Mann den Lebensunterhalt verdient und die Frau zum Gehorsam gezwungen ist, wird zwar von vielen immer noch zum Ideal stili- siert und religiös verbrämt. Doch die Tatsache, dass in vielen Familien die Frauen ge- nauso viel oder sogar mehr zum Familienunterhalt beitragen als die Männer, führt zu einer Aushöhlung der überkommenen Rollenbilder.

5.8. Bildung und Bildungssystem Schulsystem: Kinder von 6 bis 15 Jahren sind in Marokko theoretisch schulpflichtig. Heutzutage wer- den die meisten Kinder in Marokko eingeschult. Doch das allgemeine Bildungsniveau ist niedrig. Der Unterricht an öffentlichen Schulen ist kostenlos. Lehrkräfte werden im regi- onalen Vergleich relativ gut bezahlt, so dass sich das Problem der erzwungenen Nach- hilfestunden nicht ganz so stark stellt wie in einigen anderen Ländern der MENA- Region. Die materielle Ausstattung vor allem der Grundschulen in Marokko ist schlecht und viele Stunden fallen ersatzlos aus. Das marokkanische Schulsystem ist dreigliedrig: Die Grundschule umfasst sechs Jahre (CEP, Certificat d’Etudes Primaires). Danach folgt das dreijährige Collège (BEC, Brevet d’Enseignement Collégial). Anschließend folgt das Abitur am Lycée (BAC) oder eine Schule für Berufsbildung. Traditionell besuchten marokkanische Kinder ab dem fünften Lebensjahr die Koranschule (Kuttab, Fkih). Dort lernten sie hauptsächlich Lesen, Schreiben, Rechnen und den Koran. Heute spielen diese Schulen nur noch eine unter- geordnete Rolle. Manche Eltern schicken ihre Kinder aus religiösen Gründen zusätzlich zur Koranschule. Eine formelle Vorschule besuchen in Marokko weniger als 10% aller Kinder. Viele Kin- der werden mangels Vorschulen bereits mit fünf Jahren eingeschult, was in den ersten Klassen zu hohen Wiederholungsraten führt (13%). Insgesamt besuchen knapp 3,9 Mil- lionen Kinder Grundschulen, rund 1,5 Millionen Kinder Mittelschulen. Rund 750.000 Ju- gendliche besuchen Gymnasien.

Berufliche Bildung: Die berufliche Bildung ist in Marokko teils stark verschult, teils werden junge Leute "on the job" angelernt. Bildungsgänge, die Theorie und Praxis im Betrieb verbinden ("duales System") werden noch wenig angeboten.

Hochschulen: Für die Hochschulen ist ein eigenes Ministerium zuständig. Nur ein geringer Teil der Schüler schafft in Marokko das Abitur und den Sprung an eine Hochschule. In 2012 wa- ren insgesamt gut 330.000 Studierende in Marokko eingeschrieben. Insgesamt gibt es in Marokko 15 staatliche Universitäten (davon eine theologische Hochschule, die Qara- ouiyine in Fes) Diese sind jedoch nicht sehr prestigeträchtig - im Gegensatz zu den "Grandes Ecoles" für Wirtschaft und technologische Berufe. Wer in Marokko beruflich aufsteigen möchte, absolviert ein Studium an der Ingenieurschule Ecole Mohammadia in Rabat-Agdal, an der halbprivaten, sehr teuren Akhawayn-Universität in Ifrane oder an einer angesehen Hochschule im Ausland. Sowohl die Universitäten als auch die „Gran- des Ecoles“ in Marokko bilden anwendungsbezogen aus, Forschung spielt bislang eine sehr geringe Rolle, Marokko will seine Aktivitäten in diesem Bereich aber verstärken.

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Öffentliches Bildungssystem in der Krise, Trend zur Privatisierung: Viele Marokkaner beklagen sich über die schlechte Qualität des Bildungssystems - eine Kritik, die internationale Akteure wie z.B. die UNESCO teilen. Als wichtigste Problem- punkte werden immer wieder genannt: Schlechte finanzielle und materielle Ausstattung; Korruption; hohe Fehlquote der Lehrenden; Unterschiedliche Sprachkenntnisse der Kinder; Niedriges inhaltliches Niveau; Überfüllte Klassen (bis zu 50 Kinder pro Klasse in staatlichen Schulen); Gewalt im Unterricht; Weite Entfernung Schule-Wohnort; Schlech- te Vorbereitung auf das Berufsleben. Durchschnittlich 45% der Marokkaner (Männer: 31%, Frauen: 57 %) über 15 Jahre sind Analphabeten. 13% aller Kinder wiederholen mindestens einmal das Schuljahr. Jedes fünfte Kind verlässt laut offiziellen Angaben die Schule nach der sechsten Klasse, wobei viele Schulabbrüche nicht registriert werden. Nur 13% der Schulkinder erreichen das Abitur. (Deutschland: 43%). Angesichts des Versagens der staatlichen Schulen geht der Trend zur Privatschule. Im Jahr 2010 besuchten 10 Prozent aller Grundschüler Privat- schulen - doppelt so viele wie 2002. Auch im Sekundarbereich nimmt die Privatisierung zu. Auffallend ist die Gender-Kluft: Ab Klasse 7 gehen mehr Jungen als Mädchen zur Schule. Die Zulassung zum Abitur schaffen jedoch mehr Mädchen als Jungen - in allen Fachbereichen einschließlich Technik und Wissenschaft.

Bildungs-Reformansätze – staatlich: Die Entscheidungsträger in Marokko sind sich der miserablen Qualität des Bildungssek- tors und der damit einhergehenden Risiken bewusst. In den letzten Jahren wurden eini- ge Reformversuche gestartet: Einführung des Tamazight als Unterrichtsfach an ausge- wählten Schulen (2003); Schaffung des Conseil Supérieur de l‘Enseignement für die Evaluierung des Bildungssektors, Verbesserung der Qualität, Schaffung autonomer Fortbildungsinstitute für Lehrkräfte an Schulen (2006); Reformprogramm Najah für die Grund- und Mittelschule (2008); Neues staatliches Alphabetisierungsprogramm für Er- wachsene (2010).

Bildungs-Reformansätze – nichtstaatlich: Eines der größten Probleme des marokkanischen Bildungssektors ist die hohe Schul- abbruchquote. Um den betroffenen Kindern den Wiedereinstieg zu ermöglichen, rücken sogenannte "nonformellle" Bildungsangebote immer mehr in den Fokus. Verschiedene Organisationen der zivilen Gesellschaft wie zum Beispiel die Stiftung Zakoura Educati- on machen jungen Schulabbrecher/innen zielgruppenorientierte, maßgeschneiderte Lehrangebote, die auf die jeweiligen Bedürfnisse der Kinder und ihrer Familien zuge- schnitten sind. Teil des Erfolgsrezeptes sind kleine Klassen, dichte Betreuung der Leh- renden und der Kinder, kürzere Schultage und verbesserte Didaktik.

5.9. Gesundheitswesen Der Staat kümmert sich in Marokko insgesamt zwar um die Gesundheitsversorgung, wenn auch nicht auf europäischen Niveau. Die medizinische Grundversorgung ist zwar kostenlos, aber die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen sind meist überlaufen. Wer es sich leisten kann, nimmt private Ärzte und Kliniken in Anspruch. Manche engagierte Ärzte spenden einen Teil ihrer Arbeitszeit und bieten kostenlose Sprechstunden oder Behandlungen für Arme an. Viele Moscheegemeinden leisten auf diese Weise nicht nur karitative Arbeit, sondern rekrutieren auch neue Mitglieder.

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Das Budget des marokkanischen Gesundheitsministeriums beträgt rund 5% des Staatshaushaltes. Es gibt insgesamt rund 140 öffentliche Krankenhäuser und rund 2600 Gesundheitszentren (Basisgesundheitsdienste). In einigen Bereichen konnte Marokko in den vergangenen Jahrzehnten Verbesserungen erzielen. So wurden durch spezielle Mutter-Kind-Programme mehr Kinder geimpft und Polio sowie Pocken nahezu ausgerot- tet. Die Mütter- und Kindersterblichkeit sind gesunken. Insgesamt wird das medizinische Versorgungsangebot dem Bedarf der Bevölkerung aber bei weitem nicht gerecht. Jahr für Jahr sterben in Marokko zehntausende Menschen an Krankheiten, von denen sie mit wenig Geld geheilt werden könnten. Doch den Armen fehlt das Geld für die Bera- tung und die Medikamente. Die meisten Marokkaner müssen für ihre Gesundheit komplett allein vorsorgen. Nur wer einen formellen Arbeitsvertrag hat, ist krankenversichert, wobei die meisten wichtigen Leistungen trotz Versicherung aus eigener Tasche bezahlt werden müssen. Der Ge- sundheitssektor gilt in Marokko zudem als extrem korruptionsanfällig. Der marokkani- sche Zweig von Transparency International hat aufgedeckt, dass viele Krankenhausan- gestellte und Ärzte nur gegen zusätzliche "Bezahlung" aktiv werden.

5.10. Migration und Flucht Marokkanerinnen und Marokkaner im Ausland: Marokko ist ein Auswanderungsland. Rund 10% der Bevölkerung leben in der Emigrati- on. Das politische und wirtschaftliche Potential der Auslandsmarokkaner („Les MRE“, Marocains Résidant à l’Étranger) wird von der marokkanischen Regierung als bedeut- sam eingeschätzt. Das zeigt sich unter anderem daran, dass gleich mehrere staatliche und quasi-staatliche Institutionen mit Angelegenheiten der Auslandsmarokkaner befasst sind, wobei die Arbeitsteilung nicht klar ist und ein Teil der Marokkaner diese Institutio- nen tendenziell als Instrumente der Kontrolle und Zensur wahrnimmt. Neben dem Minis- terium für MRE gibt es eine Stiftung unter dem Namen des verstorbenen Königs Hassan II. und - seit 2007 - den Rat für Auslandsmarokkaner CCME, der direkt der Auf- sicht von König Mohammed VI. untersteht. Die Rolle des CCME ist umstritten. Die Rücküberweisungen der Auslandsmarokkaner liegen laut Informationen des Emigrati- onsministeriums bei rund 5 Milliarden Euro pro Jahr und bilden eine Säule der marok- kanischen Wirtschaft. Aktuell leben laut IOM-Schätzung rund 3,3 Millionen Migrant/innen mit marokkanischem Hintergrund in der Emigration, davon rund 85% in Westeuropa. Während früher die meisten nach Frankreich, Belgien und in die Niederlande auswanderten, ist seit den 1990er Jahren auch Spanien ein wichtiges Zielland geworden. Im außereuropäischen Ausland hat sich vor allem das frankophone Kanada zu einer Destination entwickelt. Dort leben mittlerweile mindestens 60.000 Migranten mit marokkanischem Hintergrund. Genaue Angaben über die Zahl der MRE in den Staaten der EU sind schwierig, da die verfügbaren Statistiken nicht immer exakt angeben, ob sie von Marokkanern mit EU- Aufenthaltsberechtigung sprechen oder von Marokkanern, die eine EU- Staatsbürgerschaft angenommen haben. Nach aktuellen Schätzungen ist die Verteilung wie folgt: Frankreich 1,1 Mio. Spanien 700.000 Belgien 400.000 Italien 350.000 Niederlande 300.000 Deutschland 120.000 Großbritannien 30.000

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Flüchtlinge in Marokko: Die Zahl der in Marokko lebenden Migranten aus Ländern südlich der Sahara hat in den letzten Jahren zugenommen. Manche kommen aus beruflichen Gründen oder zum Stu- dieren und haben Erfolg. Die meisten aber sind unfreiwillig in Marokko. Rund 5.000 bis 10.000 sogenannte afrikanische „Transitmigranten“ sollen derzeit in Städten wie Rabat und Casablanca leben. haben einen offiziellen Status als Flüchtlinge. Doch auch inter- national anerkannte Flüchtlinge werden in Marokko nur geduldet. Sie bekommen keine Arbeitserlaubnis, keine staatliche Unterstützung, dürfen keine öffentlichen Universitäten oder Krankenhäuser aufsuchen. Die Gründe für diese Benachteiligung sind im marok- kanischen Flüchtlingsrecht, aber auch in den Politiken der Europäischen Union zu su- chen. Zwar hat Marokko die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen unterzeich- net. Doch es gibt kein Asyl- oder Flüchtlingsgesetz, geschweige denn die notwendigen behördlichen Einrichtungen, um Asylanträge bearbeiten zu können. Asylbewerber müs- sen einen Antrag über den UNHCR stellen, der in Rabat seinen Sitz hat. Die Lebensbe- dingungen der Flüchtlinge haben sich in den letzten Jahren immer weiter verschlechtert. Die marokkanische Regierung argumentiert, dass afrikanische Flüchtlinge rechtlich in erster Linie als illegale Einwanderer in Marokko gelten müssten, da sie auf Ihrer Reise die Gelegenheit gehabt hätten, in anderen afrikanischen Ländern Asyl zu beantragen. Außerdem wollten die Migranten eigentlich nicht in Marokko bleiben, sondern nach Eu- ropa weiterreisen.

Grenzzaun an den spanischen Exkla- ven Quelle: Bild Grenzzaun: http://www.dw.de/image/0, ,16823928_303,00.jpg

Niederbrennen der Zelte der Migran- ten Quelle: Bild Notunterkünfte:

http://data6.blog.de/media/765/5176765_ 2fd6de5eb3_m.jpeg

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5.11. Kultur und Künste Literatur: Viele erstklassige Literaten aus Marokko sind ins Deutsche übersetzt. Zu den profilier- testen Romanautoren zählen Mahi Binebine und Youssouf Amine Elalamy, die in ihren Büchern brisante aktuelle Themen wie den Islamismus und die klandestine Migration verarbeiten. Als Kandidat für den Literaturnobelpreis gilt der Romancier Tahar Ben Jelloun (*1944), der unter anderem die Romane „Zurückkehren“, (Berlin 2010) und „Mit gesenktem Blick“ (Reinbek 1994) verfasst hat. Weitere Klassiker sind Driss Chraibi (1926-2007) Autor von amüsanten Krimis wie „Inspektor Ali im Trinity College“ (Zürich 2002) und der arabischsprachige Schriftsteller Mohammed Choukri (1935-2003), Autor von „Das nack- te Brot“ (München 1996). Die jüngere marokkanische Geschichte und den Umgang mit Homosexualität in Marokko bearbeitet der schwule marokkanische Romancier Abdellah Taia in seinem Roman „Le Jour du Roi“ (Paris 2010). Die kulturelle Vielfalt und die besondere Spiritualität Marokkos haben auch Generatio- nen ausländischer Literaten inspiriert. Einen ausgezeichneten Einstieg bietet der legen- däre Sammelband „Tanger-Telegramm“. Zum Themenfeld Frauen, Islam und Moderne hat die Soziologin Fatima Mernissi (*1940) ebenso informative wie unterhaltsame Essays verfasst. „Geschlecht, Ideologie, Islam“ (München 1998) und „Der Harem in uns“ (Autobiografie, Freiburg 2005) sind zu- dem Standardwerke der Gender-Forschung. Über ein wenig bekanntes, aber ungeheuer spannendes Kapitel der deutsch- maghrebinischen Nachkriegsgeschichte informiert das Buch „Flaneur zwischen Orient und Okzident“ (Mainz 2002) Der deutsche Journalist Mourad Kusserow erzählt darin, wie er in den 1950er Jahren von Nordmarokko bei einem Rückholdienst für deutsche Fremdenlegionäre aus Algerien mitarbeitete.

Musik: Marokko verfügt über eine sehr reiche, vielfältige Musikszene, die sich aus arabischen, afrikanischen und berberischen Traditionen speist und sich gleichzeitig an der globalen Musikszene orientiert. Das Gnawa-Festival in Essaouira, das Festival der sakralen Mu- siken in Fes; der Boulevard des Jeunes Musiciens und das Jazz-Festival in Tanger haben sich in den vergangenen Jahren zu festen Größen in der internationalen Mu- sikszene entwickelt und dazu beigetragen, dass marokkanische MusikerInnen über die Landesgrenzen hinaus international bekannt wurden. Ins Gerede gekommen ist das ambitionierte Festival - nicht nur wegen eines tragischen Unfalls, bei dem 2009 insgesamt 11 Menschen getötet und weitere verletzt wurden, sondern auch we- gen Korruptionsvorwürfen, wegen der enormen Kosten für den Steuerzahler und wegen der teuren Eintrittskarten, die für viele Fans in den letzten Jahren nicht erschwinglich waren.

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6. Quellenverzeichnis FILALI, FOUAD: „Rechtstellung der marokkanischen Frau“, unter: http://www.marokko.com/index.php/wissenswertes/politik-und-recht/51-rechtsstellung-der- marokkanischen-frau (abgerufen am 10.02.2015) FISCHER, SEBASTIAN: „Marokko Länderinformation“, unter: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01- Nodes_Uebersichtsseiten/Marokko_node.html (abgerufen am 09.03.2015) GAEDE, PETER-MATTHIAS (2007): GEO Themenlexikon, Artikel „Marokko“, Mannheim GÖBEL, ALEXANDER: „Flüchtlingslager in Marokko“, unter: http://www.tagesschau.de/ausland/marokko-fluechtlinge100.html (abgerufen am 10.03.2015) NAJJAR, FAUSI: „Marokko im Fokus“, unter: http://marokko.ahk.de/fileadmin/ahk_marokko/Dokumente/Marktinformationen/pub-marokko-im- fokus-1.pdf (abgerufen am 10.03.2015) SABRA, MARTINA: „Marokko – Die Bevölkerung im Überblick“, unter: http://liportal.giz.de/marokko/gesellschaft/ (abgerufen am 09.03.2015)

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Geographische Grundlagen I: Klima, Geologie, Böden, Landnutzung von Nicola Dangel und Freia Burkhardt

Inhalt: 1. Allgemeine Informationen zur Lage 2. Klima 2.1 Temperaturen 2.2 Niederschläge 2.3 Schnee 2.4 Sonnenschein 2.5 Harmattan 2.6 Beispiel Marrakesch 2.7 Geologie 2.8 Gebirge 2.9 Die Küste 2.10 Wüste 2.11 Ebenen 3. Flächenverteilung 4. Geographie und Landnutzung Abbildung 6 Vegetationszonen (Weltkarte.com 2015) 5. Landwirtschaft 5.1 Gesellschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft 5.2 Struktur der Landwirtschaftlichen Betriebe: 5.3 Agrar- und Ernährungswirtschaft (GEFA 2010): Programm “Plan Maroc Vert“ 5.4 Bewässerung in der Landwirtschaft 6. Boden 6.1 Bodenschätze Marokkos 7. Quellenverzeichnis

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1. Allgemeine Informationen zur Lage Das Land Marokko befindet sich im Nord-Westen Afrikas und erstreckt sich über eine Fläche von 458.730 km². Das umstrittene Gebiet der Westsahara ist hierbei nicht einbe- rechnet. Im Osten grenzt Marokko an Algerien, im Süden an Mauretanien, im Norden an das Mittelmeer und im Westen an den Atlantischen Ozean. Marokko ist nur durch die Straße von Gibraltar von Spanien getrennt. Die Gesamtbevölkerung Marokkos beträgt ca. 34 Millionen Einwohner und die Haupt- stadt ist Rabat, mit 1,8 Millionen Einwohnern. Das Land ist in 16 Regionen und 65 Pro- vinzen unterteilt. (Doss 2015).

Abbildung 1: Karte Marokko; Quelle: http://www.cosmic- hochzeitsreisen.de

2. Klima Marokko erstreckt sich über mehrere Klimazonen. Der Nordwesten ist mediterran- atlantisch beeinflusst, wohingegen der Südosten und Süden saharisch-kontinental be- einflusst ist. Das Atlasgebirge bildet eine eigene Klimazone und eine Art Klimagrenze. Es trennt den mediterran geprägten Nordwesten des Landes von der Wüstenregion südlich der Berge. Hier herrscht ein raues Gebirgsklima vor. Im Nordwesten Marokkos, also an den Küsten und in großen Teilen der atlantischen Hochebene, gibt es trockene, heiße Sommer. Die Winter hingegen sind mild und reich an Niederschlägen. In der Regel schneit es nicht. Im Sommerhalbjahr sorgt ein Hoch- druckeinfluss für ein ruhiges und trockenes Wetter, wohingegen im Winterhalbjahr at- lantische Tiefs für unbeständiges Wetter im Norden Marokkos verantwortlich sind. Am Atlantik sorgt der kalte Kanarenstrom für gemäßigte Sommertemperaturen. Je weiter man sich landeinwärts bewegt, desto mehr nimmt der mildernde Einfluss des Atlantischen Ozeans ab und es herrscht ein typisches, trockenheißes Wüstenklima. Dies bringt große tages- und jahreszeitliche Temperaturschwankungen mit sich. Oft sind die Winter aufgrund von kalten Winden von den Bergen überraschend kalt. Je süd- licher man kommt, desto trockener wird es. Südlich des Atlasgebirges trifft man auf die Randgebiete der Sahara. In dieser Region fallen nur wenige Niederschläge und somit ist es hier äußerst trocken und sehr heiß. (Henss 2014)

2.1. Temperaturen Die Temperaturen im Land sind von der Entfernung zum Meer, der Höhenlage, sowie der Nähe zu den heißen Winden aus der Sahara abhängig. Im Juli/August ist es am wärmsten, im Januar am kältesten. Die Sommer sind an den Küsten mäßig warm, im Juni bis September betragen die Tageshöchsttemperaturen im Durchschnitt 24-27°C. In

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate den Nächten kühlt es bis auf 16°C ab. Landeinwärts steigen die Temperaturen schnell an, es werden oft Temperaturen bis zu 36°C erreicht. In der Wüste gibt es regelmäßig Höchsttemperaturen von 40°C. Durch heiße Winde aus der Sahara können 45°C und mehr erreicht werden. In den Bergen hingegen ist das Klima gemäßigter. Die Bergluft ist klar und trocken und die Temperaturen sinken in der Nacht bis auf 11°C ab. Tags- über sind in mittleren Lagen (ca. 1500 m) 30-38 °C üblich. Im Winter betragen die Temperaturen zur Mittagszeit 15-18°C. An der südlichen Atlan- tikküste werden Höchsttemperaturen von 20-22°C erreicht. Die Winternächte sind an der Küste besonders mild, die Temperaturen betragen meist mehr als 10°C. In der Wüste gibt es nachts Minustemperaturen und vor allem im Gebirge oberhalb von 1500 m wird es sehr kalt. Hier steigen die Temperaturen tagsüber kaum über 10°C. (Henss 2014)

2.2. Niederschläge Im Sommer, von Juni bis August, regnet es kaum. Es herrscht eine Zeit der Dürre. Zwi- schen Oktober und April regnet es am meisten. Im Norden und im Atlasgebirge kommt es aufgrund von Tiefdruckgebieten zu heftigen Niederschlägen und Gewittern. Das feuchteste und fruchtbarste Gebiet ist im Norden Marokkos, zwischen Tanger und Me- knes. Richtung Süden wird es trockener und Niederschläge werden seltener, vor allem in den Randgebieten der Sahara. Das östliche und südliche Marokko leidet unter stän- diger Dürre. Oft gibt es jahrelange Trockenzeiten. Im Gegensatz dazu gibt es im Atlas- gebirge regelmäßig starke Niederschläge und Gewitter. (Henss 2014)

2.3. Schnee In Gebieten über 1000 m herrschen im Winter Bedingungen, wie wir sie bei uns kennen. Im Durchschnitt gibt es hier an 10 Tagen im Jahr eine geschlossene Schneedecke. Auch in den Städten Fés und Meknès, welche ca. 600 m hoch liegen schneit es fast jeden Winter. An den Küsten schneit es hingegen sehr selten. In Gipfelregionen des Atlasgebirges herrscht von Oktober bis Februar tiefster Winter (siehe Abbildung 2), wel- cher teilweise starke Schneestürme mit sich bringt. (Henss 2014)

Abbildung 2: Atlas-Gebirge; Quel- le: http://www.travel4news.at

2.4. Sonnenschein Marokko ist ein sehr sonniges Land, es gibt landesweit etwa 3000 Sonnenstunden im Jahr. Um das in eine Relation zu bringen: In Stuttgart scheint die Sonne nur 1720 Stun- den im Jahr. Die südliche Atlantikküste schneidet hierbei besonders gut ab, der Norden eher schlechter. (Henss 2014)

2.5. Harmattan Der Harmattan (auch Chergui oder Sarat) ist ein heißer Wind, welcher von der Sahara zu den Küsten weht. Im Juli und August entwickelt sich ein Hitzetief über der westlichen

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Sahara, weshalb der Harmattan zu dieser Zeit besonders stark ist und häufig große Sandmengen durch das Land transportiert. Erreicht der Harmattan das Meer kühlt er schnell ab und nimmt Feuchtigkeit auf, sodass es an den Küsten nebelig wird. Da der Harmattan ein sehr trockener Wind ist, besteht die Gefahr der Austrocknung der Vege- tation. Deshalb und aufgrund der Schmirgelwirkung des transportierten Sandes hat der Harmattan eine devastierende Wirkung. (Henss 2014)

2.6. Beispiel Marrakesch Marrakesch liegt am Fuße des Atlasgebirges. Die Einflüsse des Atlantischen Ozeans sind hier abgeschwächt, es herrscht ein gemäßigtes Klima. Es ist allerdings wegen sei- ner Lage im Landesinneren vor allem in den Sommermonaten wesentlich wärmer als im Norden Marokkos und den Küstenregionen des Landes. Das ganze Jahr über weht ein leichter Wind vom Atlantischen Ozean. Es kann im Sommer bis zu 45 °C warm werden, wohingegen die Temperaturen im Winter um den Gefrierpunkt liegen können, meist aber so um die 12 bis 17°C betragen (siehe Tabelle 1). Es gibt also milde Winter, viele Sonnenstunden und heiße Sommer, die aber durch die trockene Luft erträglich werden. Zu den hohen Temperaturen kommt oft noch ein heißer Wüstenwind, der „Schirokko“. Niederschläge gibt es kaum (250 mm pro Jahr), allerdings bringen Steigungsregen an der Westseite des Gebirges bis zu 1000 mm Niederschlag pro Jahr. Steigungsregen entstehen, wenn feuchte Luft durch Wind am Atlasgebirge aufsteigt, mit zunehmender Höhe abkühlt und schließlich ebenfalls am Gebirge abregnet. Über 1000 m Höhe fällt der Steigungsregen in den Wintermonaten meist als Schnee. (Klimatabelle 2015)

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

Max. Temperatur °C 19 21 24 25 29 33 37 37 32 28 23 20

ø Temperatur °C 12 15 15 17 22 26 29 29 25 21 17 14

Min. Temperatur °C 6 8 11 12 15 18 21 21 18 15 10 8

Regentage 6 6 7 6 3 2 2 2 3 6 6 9

Niederschlagsmenge (mm) 24 29 25 35 9 3 11 3 10 21 24 24

Sonnenstunden (h/d) 6 7 8 9 11 11 12 10 8 8 6 6

Luftfeuchtigkeit (%) 51 51 52 51 45 41 34 32 46 45 48 46

Tabelle 1: Klimatabelle Marrakesch; Quelle: http://www.klimatabelle.info

2.7. Geologie Marokkos Landschaft ist durch eine große Vielfalt gekennzeichnet. Das Königreich be- inhaltet lange Küsten, Gebirge, Wüsten, Steppen, Hochebenen und fruchtbare Täler. Zwischen der Atlantikküste, dem Atlasgebirge und dem Rifgebirge liegt das fruchtbarste Gebiet Marokkos, die sogenannte Meseta. (Henss 2014) 2.8. Gebirge In Marokko gibt es den Mittleren, sowie den Hohen Atlas. Der Atlas entstand, wie die Alpen, durch eine Kollision zwischen der afrikanischen und der europäischen Platte. Zusätzlich zum Atlasgebirge gibt es in Marokko noch das im Norden gelegene Rifgebir- ge und den Antiatlas im Süden, welcher nicht Teil des Atlas ist, sondern schon früher entstand. (Neukirchen 2007). Der Antiatlas gehört geologisch zur afrikanischen Platte, 34

HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate wohingegen die anderen Atlasgebirge der europäischen Platte angehören. Die Hänge des Antiatlas sind sehr steil und sind durch tiefe Täler gekennzeichnet. Auf 1800 m gibt es eine Hochebene, welcher der größte Teil des Gebirges angehört. Das Rifgebirge ist der nördlichste Teil des Atlasgebirges und ist ungefähr 300 km lang. Der höchste Gipfel wird Tidiquin genannt und liegt 2448 m über dem Meeresspiegel. Im Südosten des Rifgebirges schließt sich der Mittlere Atlas an. Zwischen beiden Gebirgen liegt nur das Tal des Oued Inaouene. Der höchste Gipfel des Mittleren Atlas ist der Jbe Bou Naceur mit 3340 m. Für den mittleren und westlichen Teil des Gebirges sind Hoch- ebenen auf ca. 2000 m Höhe charakteristisch. Die Westseite des Mittleren Atlas ist das niederschlagsreichste Gebiet Marokkos. Hier werden viele Flüsse und Stauseen ge- speist. Der Mittlere Atlas ist bis auf 2500 m über dem Meeresspiegel bewaldet. Leider ist der Waldbestand aufgrund von Brandrodung, Holznutzung als Brennmaterial und der Gewinnung des Gerbereirohstoffs Tannin gefährdet. Hinzu kommen regenarme Jahr und starke Beweidung durch Ziegen und Schafe. (Henss 2014) Den Mittleren Atlas und den Hohen Atlas trennt das Flusstal Oued el Abid. Der Hohe Altas erstreckt sich über eine Strecke von 700 km in südwestlicher Richtung bis zur At- lantikküste. Im westlichen Teil befinden sich auf 1000 m Hochebenen. Eine stattliche Höhe von 4165 m erreicht der Jbel Toubkal, der höchste Gipfel des Gebirges. Der Hohe Atlas speist den Drâa, Dadès und Sous, welche die wichtigsten Flüsse Marokkos sind. (Henss 2014)

Abbildung 3: Gebirge Marokkos; Quelle: http://www.der.com

2.9. Die Küste Marokkos Küste ist etwa 3446 km lang, was dem Land einen großen geographischen Vorteil im Vergleich zu vielen anderen Ländern Afrikas verschafft. Die Küste setzt sich aus der Mittelmeerküste im Norden (512 km) und der Atlantkküste im Westen (2934 km) zusammen. Diese unterscheiden sich stark in ihrem Erscheinungsbild, denn die Mittelmeerküste ist meist steil und felsig mit vielen Buchten und die Altantikküste ist flach, mit starkem Sandtransport. Aufgrund dessen eignet sich die Atlantikküste relativ schlecht für Häfen, ist aber bei Strandurlaubern beliebter. (Doss 2015)

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Abbildung 4: Kamele in der Sahara; Quelle: http://www.welt.de

2.10. Wüste Die Sahara durchläuft den Süden Marokkos und wird im Norden durch den Hohen Atlas und den Antiatlas begrenzt. Die Wüste besteht hier aus Ebenen und Höhen zwischen 600 und 1000 m, durch welche ab und zu wasserlose Täler führen. An Flusstälern finden sich große, karge Felsen. Sanddünen findet man in Marokko eher selten. (Henss 2014)

2.11. Ebenen Bei den Städten Rabat und Fès befindet sich die etwa 60 km breite Küstenmeseta auf einer Höhe von ca 450 m, welche im Osten in die auf 600 m gelegene Zentralmeseta übergeht, die bis zum Fuß des Atlasgebirges reicht. Sie besteht aus unterschiedlichsten Gesteinen, die großen Einfuss auf die Bodenqualität haben. In der Nähe von Marrakesch liegen auf 600 bis 800 m Höhe geologische Sedimente, die Phosphat enthalten, welches für die marokkanische Wirtschaft sehr wertvoll ist (Dünger). Bei Agadir und den Ausläufern des Hohen Atlas befindet sich die Soussebene, welche viele schöne Landschaften zu bieten hat und an deren Küste der kühle Kanarenstrom vorbei fließt. Auf der östlichen Seite des Atlas breitet sich die ostmarokkanische Hochlandsteppe aus, welche sich noch weit nach Algerien erstreckt und auf 700-1000 m ü. NN liegt. Hier findet man Salzseen, welche Schott genannt werden. Darauf beruht auch die Namensgebung des Hochplateaus, welches „Hochland der Schotts genannt wird“. (Henss 2014)

3. Flächenverteilung Bei einer Gesamtfläche von 44,655 ha sind 68,1 % landwirtschaftliche Nutzflächen. 5,15 ha sind Waldflächen und 9,08 ha sind sonstige Flächen. (Knoema 2012) Mehr als die Hälfte des fruchtbaren Bodens in Marokko dient dem Getreideanbau, eine Produktion mit konstanter Steigerung. (Novarseio 2006) Salzgewinnung beschränkt sich auf die Atlantikküste rund um Casablanca und stellt neben der Landwirtschaft eine große Bedeutung für die marokkanische Wirtschaft dar. (Novarseio 2006)

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4. Geographie und Landnutzung Die zum Atlantik gelegene fruchtbare Meseta findet man im Norden des Landes, einge- schlossen von dem Rifgebirge und dem Atlas. Dieses Gebiet ist besonders fruchtbar, da der Atlas, wie schon erwähnt, als Wetter und Wasserscheide wirkt und gute Bedin- gungen für die Landwirtschaft schafft. Die transmontanen Gebiete des Landes findet man auf der südöstlichen Seite des Atlas. Diese nehmen etwa die Hälfte der Landesflä- che ein, sind jedoch wirtschaftlich von geringerer Bedeutung. (Henss 2014) Der nordwestliche Teil des Rifgebirges ist relativ regenreich und verfügt über eine medi- terrane Pflanzenvegetation: typisch sind große Bergwälder mit immergrünen Laubbäu- men, der charakteristischen Atlaszeder, der Marokkotanne, sowie der Marokkanischen Sternkiefer. (Henss 2014) Im mittleren Teil des Rifgebirges findet man ausgedehnte Cannabispflanzungen, sowie große Korkeichenbestände welche wirtschaftlich von großer Bedeutung sind. (Henss 2014). Marokko ist einer der größten Korkeichenproduzenten weltweit. Der Korkeichen- bestand macht etwa 10 % der gesamten Waldfläche aus. (Marokko.Info 2015) Im Rif lassen sich die jahrhundertlangen Abholzungen und die bis heute andauernden Brandrodungen erkennen. Das Gebirgsinnere ist schroff und kaum erschlossen. Die Landwirtschaftliche Nutzung führt zu einer fast gänzlichen Verdrängung des Waldes auf 1500m. Darüber findet man Busch-und Halfagraßsteppen. (Henss 2014). Die marokkanische Landnutzung findet je nach Klimazone unterschiedlich statt. Dabei kann man zwischen fünf Gebieten unterscheiden: 1) Trockene und halbtrockene Gebiete des nördlichen Atlantiks. 2) Orientales Klima im Osten des Atlas Gebirges 3) Wüste entlang der Grenze zu Algerien im Süden (Sahara) 4) halbtrockene Region im Westen des Atlas (z.B. Tadla, Tensif) 5) westlich/nordwestlich des Atlas feuchteste Region mit besonders reichhaltigen Böden

Abbildung 5: Vegetationszonen (Weltkarte.com 2015)

Gebirgszonen: Regenreich Geschlossene Waldstücke mit Aleppokiefern, Thujen, Stein-und Korkeichen. Küstenzonen: wegen der Abholzung der Bäume besteht die vorhandene Mittel-

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate meervegetation nur noch aus Pistazien, Zwergpalmen, Baumheiden sowie Wacholder- heiden und Erdbeersträuchern. Im Süden findet man auch Jujuben und Arganien. Steppen: Außerhalb des Atlasgebirges gibt es vorwiegend Büschelgräser, sowie Dor- nensträucher und Halfagras in Trocken- und Hochsteppen. In den Oasen findet man zahlreiche Dattelpalmen, deren Früchte auch exportiert werden. (Marokko.Info 2015)

Abbildung 6: Oase; Quelle: http://www.marokko-holidays.com

5. Landwirtschaft 5.1. Gesellschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft 18 Millionen Einwohner Marokkos zählen zur Landbevölkerung. Davon arbeiten 80 % im Agrarsektor. Von den 9,5 Mio. ha landwirtschaftlich genutzter Fläche werden jedoch nur 2,5 Mio. als „günstig“ eigestuft. (z.B. wegen zu geringer Niederschläge und ungüns- tiger Bodenverhältnissen). Vor allem die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe liegen zu 70 % in Gebieten mit schwierigen Bodenverhältnissen und unregelmäßigem Niederschlag. Der Verdienst der Kleinbauern liegt knapp über der Armutsgrenze und führt oft zu Landarmut und Land- flucht. (GEFA 2010).

5.2. Struktur der Landwirtschaftlichen Betriebe: Es gibt rund 1,5 Mio. landwirtschaftliche Betriebe in Marokko, wobei der Großteil davon kleinbäuerlich sind (etwa 75%). Landwirtschaft wird häufig neben anderen Aktivitäten zum Lebensunterhalt betrieben. Viele der kleinbäuerlichen Betriebe sind daher in Kooperationen eingeschlossen, um bessere Produktionsergebnisse bis hin zur Kommerzialisierung zu erreichen (GEFA 2010).

5.3. Agrar- und Ernährungswirtschaft (GEFA 2010): Programm “Plan Maroc Vert“ Der Agrarsektor ist mit 15% Anteil am BIP der wichtigste Wirtschaftssektor des Landes. Der Sektor leidet jedoch unter großen Schwankungen aufgrund der großen Abhängig- keit von unregelmäßigen Niederschlägen. Außerdem sind von den 9,5 Mio. ha Anbau- fläche lediglich 1,4 Mio. mit Bewässerungsanlagen ausgestattet. der Großteil der meist kleinbäuerlichen Betriebe arbeitet traditionell und wenig effizient. Im Jahr 2008 fanden zum ersten Mal landwirtschaftliche Tagungen in Marokko statt.

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Hier wurde der „Plan Maroc Vert“ vorgestellt, der den Agrarbereich als prinzipiellen Mo- tor des nationalen Wirtschaftswachstums für die Zukunft darstellt. (GEFA 2010) Bis 2020 sollen 13 Milliarden Euro investiert werden, ein BIP von 10 Mrd. Euro erreicht werden und neue Arbeitsplätze im Agrarsektor geschaffen werden. Mit Hilfe von“ Plan Maroc Vert“ will die Regierung den Agrarsektor in Marokko zur treibenden Wirtschafts- kraft machen. - Der Getreideausbau soll bis 2020 zurückgebaut werden, bei gleichzeitigem Anstieg der Produktion. Derzeit dominiert der Getreideanbau flächenmäßig mit 55%. - Der Einsatz von zertifiziertem Saatgut soll gesteigert werden. - Der Ausbau von Oliven, Zitrusfrüchten und Gemüseplantagen sowie die Expor- torientierung soll gefördert werden. - Die Fleischproduktion soll weiter ausgebaut werden. Derzeit machen tierische Produkte etwa 1/3 der Wirtschaftsleistung aus. Gezüchtet werden vor allem Geflü- gel, Rind, Schafe und Ziegen. (Bundesminesterium für Ernährung 2013) (GEFA 2010). - Bis 2020 soll die Milchproduktion von 2 auf 5 Mio. Tonnen im Jahr steigen, denn derzeit herrscht ein stetiger Nachfrageüberhang. - Der Biologische Landbau soll weiterhin an Bedeutung gewinnen. Derzeit sind etwa 625 000 ha Bioanbau, wobei 2/3 davon an Arganbäumen anfallen, welche nicht kul- tiviert sind. (Bundesminesterium für Ernährung 2013)

Die wichtigsten Nutzpflanzen Marokkos sind Getreidearten (vor allem Weizen und Gerste, daneben auch Hirse, Mais und Reis), Zitrusfrüchte, Öl-, Mandel-, Walnuss-, Feigen- und Arganienbaum sowie Dattelpalme, Zuckerrohr und Zuckerrübe, Wein- trauben, Kartoffel und Baumwolle. Außerdem werden fast alle in gemäßigten und subtropischen Gebieten vorkommenden Gemüse und Obstsorten angebaut. (Henss 2014) Die wichtigsten Agrarexportgüter Marokkos sind Zitrusfrüchte, Meeresfrüchte, sonstiges Obst und Gemüse und Mineralien (kein Agrarprodukt). Der Export von konservierten Gemüse- und Fruchtdosen spielt dabei ebenfalls eine wesentliche Rolle. Etwa Zwei Drittel der Wirtschaftsleistung stammen aus dem Subsektor Tierproduktion, ein Drittel leistet die Pflanzenproduktion. Im Export der Zitrusfrüchte steht Marokko derzeit weltweit auf Platz 2. Größter Abneh- mer der Exportware ist mit 75% die EU. (GEFA 2010)

5.4. Bewässerung in der Landwirtschaft Die bisherige Ausstattung mit Bewässerungsanlagen kann die Ernte nicht sicherstellen. 90% der Bewässerung erfolgt traditionellerweise, z.B. durch Quanate, und nur rund 10 % mit modernen Methoden wie z.B. Tröpfchenbewässerung. Ziel ist es die Tröpfchen- bewässerung bis 2020 auf das Vierfache auszubauen. 2010 wurden auf nur etwa 20% der bewirtschafteten Flächen moderne Produktionsverfahren verwendet. Die restlichen 80% waren bäuerliche Kleinbetriebe, die traditionell unter oft ungünstigen Anbaubedin- gungen arbeiten. (GEFA 2010) Probleme des effizienten Ausbaus sind: 1) Wassermangel 2) Landbesitz Fragmentierung (75% der Landbesitzer haben weniger als 2 ha zur Ver- fügung) 3) Mangel an Produktionsmethoden

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80% der nationalen Wasserressourcen in Marokko werden von der Landwirtschaft ver- braucht. Die Wasserreserven stammen großteils aus Staubecken in den Gebirgsregio- nen des Atlas. Neue Stauanlagen sind bereits in Planung. (GEFA 2010)

6. Boden 6.1. Bodenschätze Marokkos 75% des weltweit geförderten Phosphats stammt aus Marokko. In der Sahara werden außerdem große Erdöl und Erdgas Vorkommen vermutet. Weitere Bodenschätze Ma- rokkos sind: - Edelmetalle ( Gold und Silber) - Bodenschätze zur Energiegewinnung (Kohle, Erdöl, Erdgas) - Eisenerz, Blei, Kupfer, Zink, Mangan, Nickel, Kobalt (Marokko.Info 2015)

7. Quellenverzeichnis Deutsche Industrie- und Handelskammer in Marokko: „Die Agrar und Ernährungswirtschaft in Marokko", unter: http://www.g-e-f-a.de/fileadmin/termine_downloads/Marktstudien/Marokko/Marokko-Agrar- Ernaehrungswirtschaft.pdf (abgerufen am 16.03.2015) DOSS, TORSTEN: „Geografie und Naturraum", unter: http://www.marokko.de/ueber-marokko/geografie-naturraum/ (abgerufen am 16.03.2015) DUMONT (2009): DUMONT Weltatlas - Die Erde in Karten. Die Erde in Fakten. Die Erde in Bil- dern, Berlin FLEMMING, MIKE: „Klimatabelle Marokko", unter: http://www.klimatabelle.info/afrika/marokko (abgerufen am 16.03.2015) HENSS, RITA; LEHMANN, INGEBORG (2014): Marokko Baedeker Reiseführer, Ostfildern KOTTWITZ, ANDREAS: „Länderbericht Marokko – Stand: März 2013“, unter: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Veranstaltungen/04-06-AUWITAG- LaenderberichtMarokko.pdf?__blob=publicationFile (abgerufen am 16.03.2015) NEUKIRCHEN, FLORIAN: „Geologie des Atlas", unter: http://www.riannek.de/spip.php?article159 (abgerufen am 16. 03 2015) NOVARESIO, PAOLO (2006): Flying High – Afrika, Turin ZIEGLER, Mathias: „Die Landwirtschaft in Marokko", unter: http://www.marokko.info/essen-trinken/landwirtschaft/ (abgerufen am 16. 03 2015)

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Geographische Grundlagen II: Biome / Ökosysteme und ihre Verbreitung Von Julian Sander und Peter Suckfüll

Inhalt: 1. Einleitung 2. Hauptteil 3. Definitionen 4. Mediterranes Zonobiom in Marokko 4.1 Nationalpark Tazekka 5. Orobiom Atlas 5.1 Nationalpark Ifrane 6. Wüstenbiom 6.1 Nationalpark D’Iriqui 7. Fazit 8. Quellenverzeichnis

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1. Einleitung Ziel ist die Darstellung einzelner Biome (groß Ökosysteme) des Landes Marokko und deren Verbreitung um ein grobes Bild der vorhandenen Lebensgemeinschaften zu zeichnen und die Verschiedenheit der Lebensbedingungen zu unterstreichen.

2. Hauptteil Marokko ist durch das Atlasgebirge geografisch zweigeteilt. Daraus ergibt sich eine kli- matische Gliederung, die das Land in insgesamt 3 Biome aufteilt (Walter, et al., 1983): Zwei Zonobiome - Typ III – Zonobiom der heißen Halbwüsten und Wüsten (Wüstenklima mit für ge- wöhnlich weniger als 200mm Niederschlag im Jahr) - Typ IV – Mediterranes Zonobiom (Mediterranes, winterfeuchtes Klima mit Nieder- schlägen bis zu 900mm) Ein Orobiom (Gebirgszüge: montanes Gebiet mit bis zu 3000m Höhe und mehr)

3. Definitionen Biom: Der Begriff des Bioms wurde in Nordamerika eingeführt. (Walter, 1976) Dieser Begriff ist nicht streng definiert. Whittaker beschreibt ihn 1975 so, dass alle Tiere, Pflanzen und Umweltfaktoren zu einem Biom gehören. Daher spricht man bei Biomen von großen ökologischen Einheiten. Diese schließen alle biotischen sowie die abiotische Kompo- nenten, das heißt einheitlicher Klima und oder Bodentyp, mit ein.

Zonobiom: Eine noch größere übergeordnete Stufe über den Biomen sind die Zonobiome, deren Aufteilung in Abbildung 1 zu sehen sind. Dies ist die erste Unterteilung der Biogeosphä- re. Hier wird zur Unterteilung das Großklima herangezogen, welches die Umwelt be- stimmt und zudem Einfluss auf die Vegetation und die Bodenbildung nimmt. Bereits 1960 gab es eine Einteilung über neun ökologische Klimazonen. Diese entsprechen den Zonobiomen. (Walter, 1976) Gerade im Flachland sind die Zonobiome und damit auch die Klimazonen nicht scharf voneinander abgrenzbar. Resultierende Zonobiome, kurz ZB sind in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Zonobiome der Erde (Pauli, 2012)

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Die Abbildung 2 und 9 zeigen die Zonobiome Europas und Afrikas. Auf beiden ist Ma- rokko vertreten.

Abbildung 2 Zonobiome Europas (Walter, 1976)

Abbildung 3: Zonobiome Afrikas (Walter, 1976)

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Orobiome: Der Begriff stammt vom griechischen Oros die Anhöhe, der Berg. Abbildung 4 zeigt die Hochgebirgsverteilung der Erde. In Europa liegt die Unterscheidungsgrenze zwischen Hoch - und Mittelgebirgen bei ca 1500m (W!B, 2008). Gebirge fallen durch eine vertikale Klimagliederung sowie durch das Vorhandensein von Höhenstufen aus der Betrachtung der zonalen Vegetation. Es wird bei Gebirgen zwischen unizonalen, sie liegen in nur einer Zone (Zonobiom), multizonalen, sie überlappen mehrere Zonen (Ural, Anden), und interzonalen, sie liegen zwischen zwei Zonen (Alpen, Himalaja), unterschieden. Die letzte Gruppe fungiert als scharfe Klimascheide. Bei den interzonalen und den multizonalen unterscheidet man zusätzlich mindestens zwei oder mehrere Sub-Orobiome. Das in dem jeweiligen Zonobiom vorherrschende Klima beeinflusst maßgeblich die vorhandenen Orobiome. Daher werden sie auch dem sie umgebenden Zonobiomen zahlenmäßig zugeordnet.

Abbildung 4: Verbreitung der Hochgebirge (Pauli, 2012)

4. Mediterranes Zonobiom in Marokko Der nordwestliche Teil ist die Kornkammer des Landes. Der hohe Niederschlag, ver- bunden mit dem an den Hängen des Atlas abregnenden Wassers, so wie den über 1000m als Schnee und im Sommer verzögert abschmelzenden Wassers, schafft poten- tiell gute Bedingungen für flächige und gemäßigte Ökosysteme. Der größte Teil der Bäume des Landes wächst in diesem Gebiet wie in Abbildung 5 zu sehen ist.

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Abbildung 5: Verbreitung der Baumpopulation in Marokko

Für die in Abbildung 55 dargestellte Inselkarte wurde mit ArcMap eine Höhenrasterkarte von Marokko mit einer von der NASA erstellten Weltkarte, aus der man die Verteilung der Bäume errechnen kann, verschnitten. Hierbei wird die Baumdichte abhängig von der geographischen Höhe dargestellt.

Gekennzeichnet ist dieses Ökosystem durch Stein- und Korkeichen, Thujen, die Atlas- Zeder und die Aleppokiefer. Diese Baumarten können dort in geschlossenen Waldge- bieten vorkommen und machen etwa 10% der gesamten Landesfläche aus. Etwa 10 % des Waldbestandes sind Korkeichen; Marokko ist der drittgrößte Korkproduzent der Welt. Durch den anthropogenen Druck der bis in vorrömische Zeit zurückreicht, wurden allerdings viele der nur bedingt kommerziell nutzbaren Pflanzen, vor allem zu Gunsten der Landwirtschaft, verdrängt. Übrig geblieben sind in erster Linie: Baumheiden, Erd- beerbäume, Pistazien, Wacholderarten und Zwergpalmen. Auch die wildlebende Fauna des Landes wurde stark zurückgedrängt, und findet sich heute fast ausschließlich in dünn besiedelten Gebieten. Darunter: Kleinfleck-Ginsterkatzen, Fischotter ,Stachelschweine ,Goldschakale ,Rotfüchse, Wildschweine oder das Atlashörnchen. Ein Beispiel für dieses Zonobiom ist der Nationalpark Tazekka.

4.1. Nationalpark Tazekka Der bereits von den Franzosen gegründete Nationalpark liegt an der Nordspitze des hohen Atlas auf etwa 800 – 900m ü NN. Er ist bekannt für seine Zedern, siehe Abbil- dung 6. Der bereits vor über 200 Jahren dort ausgerottete Berberhirsch wurde erfolg- reich aus einer tunesischen Population wieder angesiedelt. (Tazekka, 2008). Typische Flora: Atlas-Zeder, Kiefernarten, Eiben, Eichenarten, Wacholder

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Abbildung 6: Zedern im Tazekka Nationalpark (Tazekka, 2008)

Typische Fauna: Berberleoparden, Streifenhyänen, Karakale (Wüstenluchs) alle aus gestorben Fischotter, Stachelschweine, Wildschweine, Goldschakale, Rot füchse, Berberhirsche, Atlashörnchen, Kleinfleck-Ginsterkatzen, diverse Vogel- und Greifvogelarten

5. Orobiom Atlas Die Regionen des Mittleren- und Hohen Atlas, sowie des Rifgebirges (ca. 2500m - 4200m ü NN) unterscheiden sich natürlich sehr stark, abhängig von der jeweiligen Hö- henlage. Die an den Westflanken aufsteigende Luft regnet in ergiebigen Mengen an den Hängen ab (im Winter als Schnee) und schafft dadurch eine ergiebige Lebens- grundlage. Beispiel: Nationalpark Ifrane (Zedernwald von Ifrane) (d'Ifrane, 2006)

5.1. Nationalpark Ifrane Der für seine Berberaffen, siehe Abbildung 7, berühmte Nationalpark liegt am Westrand des Mittleren Atlas auf etwa 1500 m ü. NN. Die Affen werden jedoch immer mehr vor allem durch Beweidung (Schafe, Ziegen) verdrängt. Einst lebten hier Berberlöwen, Hy- änen, Wölfe und Leoparden, diese sind allerdings inzwischen abgesehen von vereinzel- ten Leoparden ausgestorben. Starker Einschlag der Zedern lässt den Wald voraussicht- lich in wenigen Jahren verschwinden. (Froment, 2014).

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Abbildung 7: Berberaffen im Ifrane Nationalpark (Park, 2014)

Typische Flora: Zedern- und Steineichen (Quercus ilex) Wälder Typische Fauna: Berberaffen, Berberhirsch, Leoparden Insgesamt: 37 Säugetierarten und 140 Vogelarten

6. Wüstenbiom Im Regenschatten des Atlas und begünstigt durch die Passatwinde, erstrecken sich im Südosten des Landes die Ausläufer der Sahara. Es gibt vereinzelte Flussoasen, die zumeist durch Wasser aus dem Atlas gespeist werden. Im Südwesten geht die Sahara in eine Nebelwüste über wie man sie oft an den Westküsten der Subtropen finden kann. Dort wachsen Arganbäume die von Ziegen beweidet werden, wie in Abbildung 8 zu se- hen ist. Abbildung 8: Ziegen in einem Arganbaum (Arnaud25, 2013)

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6.1. Nationalpark D’Iriqui Der Nationalpark von D’Iriqui liegt im Südosten, an der Grenze zu Algerien auf etwa 450 m NN. Abbildung 9 zeigt eine Abendstimmung im Nationalpark von D’Iriqui. Der Park beinhaltet eine Senke, die im Winter durch Niederschläge aus dem Atlas gefüllt wird und einen temporären Sumpf erzeugt. Dieses Feuchtgebiet gilt als ein wichtiges Über- winterungsgebiet von Zugvögeln. (d'Iriqui, 2009) Typische Flora: Akazien, Tamarisken Typische Fauna: Dorkasgazellen, Afrikanische Strauße, Mähnenspringer, Oryxantilopen, Hyänen, Kragentrappen, Echsen, Warane Chamäleons, Geckos, Schlangen

Abbildung 9: Abendstimmung im Nationalpark von D’Iriqui (d'Iriqui, 2009)

7. Fazit Laut IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) ist Marokko an Platz 2 der mediterranen Staaten bezogen auf seine Biodiversität. Es leben etwa 2600 Pflanzenarten (davon 525 endemische) und 440 dauerhaft hier lebende Tierarten (endemisch davon 28) in dem nordafrikanischen Land. Trotz des oft ariden Klimas gibt es in Marokko 82 Feuchtgebiete, die eine Gesamtfläche von zirka 2000 km² abdecken. Es sind 154 Schutzgebiete (darunter 8 Nationalparks) in dem Land verzeich- net. Dennoch sind inzwischen viele Arten ausgestorben oder bedroht. Insbesondere die großen Raubtiere sind fast komplett verschwunden und der Druck auf die verbleibenden Ökosysteme steigt. (CEC, WCPA, IUCN, 2002).

8. Quellenverzeichnis ARNAUD25 (2013): "Arganier et chèvres entre Marrakech et l'Atlas au Maroc", unter: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Huile_d%27argan_005.JPG (abgerufen am 04.03.2015) CEC, WCPA, IUCN (2002): "Communication, Education and Public Awareness in Protected Areas West Asia and North Africa", unter: http://intranet.iucn.org/webfiles/doc/CEC/Public/Electronic/CEC/Reports/Comm_Education_WA sia_NAfri.pdf (abgerufen am 04.03.2015) D'IFRANE, Parc National (2006): "Parc National d'Ifrane - Clearing House Mechanism on Biodiversity of ", unter:

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate http://ma.chm- cbd.net/manag_cons/esp_prot/manag_cons/esp_prot/stat_nat/parc_nat/fol117596 (abgerufen am 04.03.2015) D'IRIQUI, Parc National (2009): "Parc National d'Iriqui - Royaume du Maroc, Haut Commissariat aux Eaux et Forêts", unter: http://www.eauxetforets.gov.ma/fr/text.aspx?id=1082 (abgerufen am 04.03.2015) FROMENT, JEAN (2014): "Die Farben Marokkos", Teil 3, Arte PARK, Ifrane National (2014): "Ifrane National Park & MonkeyWatch Conservation Project", unter: http://moroccanguides.com/archives/tour/ifrane-national-park-and-monkey-watch#gallery (abgerufen am 04.03.2015) PAULI, Harald (2012): "Orobiome der Erde", Teil 2 - VO 300035 Hochgebirgsökologie, unter: http://www.gloria.ac.at/pauli/Hochgebirge/HGebirge_2012_Teil02_HP_OROBIOME- 01_20121118.pdf (abgerufen am 04.03.2015) TAZEKKA, Parc National de (2008): "Parc National de Tazekka", unter: http://www.tazekka.com/.(abgerufen am 04.03.2015) W!B. 2008. Wikipedia. wikipedia.org, unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Gebirge#Gebirgsformen. (abgerufen am 04.03.2015) WALTER, HEINRICH (1976): Die ökologischen Systeme der Kontinente (Biosgeosphäre), Stuttgart, New York : Gustav Fischer, 1976 WALTER, HEINRICH und BRECKLE, S. (1983): Ökologie der Erde, Band 1, Ökologische Grundlagen in globaler Sicht, Stuttgart, New York, Gustav Fischer Verlag, UTB für Wissenschaft: Grosse Reihe, 1983

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Die Kultur der Berber in Nordafrika Mit speziellem Fokus auf Marokko (Geschichte, Kultur inkl. Sprache, Schrift, Architektur usw., Demographie, Einbindung in die arabische Gesellschaft) von Christopher Pruess und Jonas Fierke

Inhalt:

1. Name und Herkunft 2. Demographie 2.1 Verbreitung 2.2 Marokko 3. Einbindung in die arabische Gesellschaft 4. Kultur 4.1 Sprache 4.2 Architektur 4.3 Schmuck 4.4 Tätowierungen 5. Quellenverzeichnis

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1. Name und Herkunft Die Bezeichnung der Berber stammt von dem lateinischen Wort Barbaria und wurde von den römischen Besatzern genutzt, um alle ihrer Augen nach „barbarischen“ Völkern zu definieren (Brandes, 2004). Selbst bezeichnen sich die Berber als Imazighen was die Bedeutung „freier Mann“ trägt und lehnen zunehmend die zuvor genannte Bezeichnung aufgrund der Negativassoziierung ab (Kratochwil, 2002).

2. Demographie

2.1. Verbreitung Obgleich es heutzutage keine Berberstaaten und auch keine geschlossenen berberi- schen Volksgemeinschaften mehr gibt, wurden einige Nationen und auch Landesteile weitgehend kulturell von den Berbern geprägt. In überwiegend ländlichen Regionen der heutigen Westsahara, Marokkos, Algeriens, Tunesiens, Libyens sowie der Sahelzone (Tuareg) stellen Berber einen großen Teil der Bevölkerung dar (Brandes, 2004). Folgende Karte zeigt die Verbreitung einzelner Berbervorkommen und ihrer gemeinsa- men Sprachen in Marokko auf:

Abbildung 1: Ethnolinguistische Gruppierungen in Marokko, Quelle: http://www.lib.utexas.edu/maps/africa/morocco_ethno_1973.jpg

In Marokko leben vorwiegend die Ethnien der Shluh, Soussi, Rif und Teile der in der Sahara lebenden Berber. Diese Obergruppen sind jedoch in zahlreiche Stämme unter- teilt. Insgesamt stellen die Berber etwa 40-80 Prozent der marokkanischen Bevölkerung dar. Aufgrund unberücksichtigter statistischer Faktoren wie Migration etc. können in der Berberophonie nur schwer genaue Angaben über den Bevölkerungsanteil getroffen werden (Kratochwil, 2002). Die höchsten Konzentrationen der Berberstämme liegen dabei in den Bereichen des Rifgebirges, dem Atlasgebirge und dem Sous-Tal im Süden Marokkos (El Aissati, 2005). 51

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2.2. Marokko Da Marokko im Fokus der Projektarbeit steht und auch den Staat in Nordafrika mit dem höchsten berbernophonen Bevölkerungsanteil darstellt wird in den folgenden Absätzen die Demografie des Landes aufgezeigt (Sabra, 2015). Die Bevölkerung Marokkos beträgt 32.853 Millionen Menschen (Stand 2013). Trotz der sinkenden Geburtenrate wird diese bis 2050 auf voraussichtlich 45 Millionen steigen. Etwa 25 Prozent der Marokkaner sind unter 15 Jahre alt. Gerade einmal 6 Prozent be- trägt der Anteil der über 65 Jährigen. Der Altersdurchschnitt dieser jungen Bevölkerung beträgt im Gesamten 27 Jahre. Verschiedenen Prognosen zufolge soll sich diese Al- tersstruktur einer klassischen Pyramidenform aufgrund verschiedener Faktoren jedoch schon bald ändern (Klein, 2013).

Abbildung 2: Bevölkerungspyramide von Marokko Quelle: http://www.laenderdaten.de/bevoelkerung/_popgraphs/pyramides/MO_popgraph.png

Mit einem Anteil von 59,2 Prozent leben über die Hälfte der Marokkaner in den Städten (Wirtschaftskammer Österreich, 2015). Noch in den 1960er Jahren waren die Stadt- Land Proportionen exakt andersherum und zwei Drittel der Menschen zählten zur Landbevölkerung. Dieser Trend zur Landflucht ist nun geschwächt, aber noch lange nicht zu Ende (Sabra, 2015). Auch zeigt sich dieser Trend in den Wirtschaftssektoren. In den letzten 50 Jahren ist die Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung um knappe 10 Prozent gesunken. Trotzdem stellt die Landwirtschaft über ein Drittel der Arbeitsplätze dar und hat somit eine sehr hohe Relevanz (Houdret, Kievelitz, & Mumenthaler, 2008).

3. Einbindung in die arabische Gesellschaft Annäherungsweise 30-35 Prozent der heutigen marokkanischen Bevölkerung haben arabische Wurzeln (Eroberer oder Einwanderer) (Sabra, 2015). Demgegenüber stehen die bereits genannten Zahlen von 40-80 Prozent der Bevölkerung berberischen Ur-

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate sprungs. Um die genaue Problematik der kulturellen Konflikte zu verstehen, ist ein Ex- kurs in die Geschichte Marokkos von Nöten. Im Laufe der islamisch-arabischen Herrschaften des heutigen Staatsgebietes im 7./8. Jahrhundert folgten viele der berberischen Ethnien dem Islam als neue Religion. Gro- ßen Widerstand hegten sie jedoch gegen die aufgezwungene Arabisierung durch die politischen Weisungen aus Damaskus. Um sich vor den Angriffen der Eroberer zu schützen, fliehen die Berber teilweise in schwer zugängliche Bergregionen des hohen und mittleren Atlas zurück. In der folgenden Zeit, der marokkanischen Geschichte, spielt der Gegensatz der arabischen und berberischen Bevölkerung eine große Rolle. Nicht zuletzt auch aufgrund von Machtverhältnissen und der Verteilung von Ressourcen. Um sich vor Revolten zu schützen, banden arabische Herrscher Töchter hochrangiger Stammesführer der Berber in die eigenen Höfe ein (Sabra, 2015). Die folgenden Jahr- hunderte wurden durch wechselnde Herrschaften der Berber und Araber geprägt (Brandes, 2004). Während der Kolonialzeiten versuchten die Kolonialmächte (zunächst Portugal, dann Spanien und Frankreich) die berberischen und arabischen Ethnien gegeneinander aus- zuspielen (Sabra, 2015). Dieser Versuch scheiterte jedoch durch die Solidarisierung beider Gruppen, um vereint dem Druck der Kolonialmächte standzuhalten. Als Folge vermischten sich beide Volksgruppen zunehmend, was zu einer weiteren Arabisierung des Berbertums führte (Brandes, 2004).

Abbildung 4: König Mohammed IV. Quelle: http://ais.badische- Abbildung 3: König Hassan II. zei- Quelle: http://austria- tung.de/piece/02/c6/28/f4/46541044.jpg forum.org/aw/img/DF-SC-83- 08526.jpg/220px-DF-SC-83-08526.jpg

Unter der Herrschaft des Königs Hassan II. (1962-1999) wurde die Kultur und Sprache der Berber in Marokko stark unterdrückt. In Schulen herrschte ein Sprach- und Unter- richtsverbot der Sprache und auch im Fernsehen gab es nur in sehr geringem Maße Nachrichten in Tamazight. Widerstand dagegen bildete die Berberorganisation AMREC (Association Marocaine de recherche et d´echange culturels) welche im Jahre 1967 gegründet wurde. Das Thema war jedoch noch lange Zeit tabu. Erst durch Berberbe- 53

HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate wegungen in Algerien (Berber Spring) um 1980 erstarkte auch die Kulturbewegung in Marokko. Im August 1991 folgte daraus die „Charta von Agadir“ und der darin geforder- ten Anerkennung der masirischen Sprache in Schule, Alltag und Medien. Die Verhaf- tung einiger marokkanischer Berberisten aufgrund Transparente in masirischer Schrift im Jahre 1994 zeigte jedoch die anhaltende Unterdrückung der Berber (Sabra, 2015). Der Sohn des ehemaligen Königs Hassan II. und somit auch Thronfolger König Mo- hammed VI., erkannte die masirische Kultur und Sprache als wesentlichen Bestandteil der marokkanischen Identität an. Auch versprach er, Tamazight zukünftig an marokka- nischen Schulen zu unterrichten und richtete noch im selben Jahr durch ein königliches Dekret das IRCAM (Institut Royal pour la Culture Amazighe) ein (Sabra, 2015). Und auch heute noch sind die Nachwirkungen dieser Jahrhundert langen Unterdrü- ckung spürbar. So schneidet Marokko hinsichtlich der Alphabetisierungsrate mit 67.1 Prozent schlecht ab (UNDP, 2014). Dies liegt nicht zu Letzt auch an den großen schuli- schen Problemen, mit denen Tamazight sprechende Kinder in arabisch-lehrenden Schulen zu kämpfen haben.

4. Kultur

4.1. Sprache Der Sprachraum der berbischen Sprache liegt in Nordwest-Afrika und erstreckt sich von der Atlantikküste bis nach Ägypten sowie vom Mittelmeer nach Niger. Die als wichtigste Berbersprachen gelten: Tuareg, Tarifit, Taschelhit, Tamazight und das Kabylische. Je nach Definition zerfällt das Berbische mit seinen Dialekten in Dut- zende oder Hunderte verschiedene Dialekte. Auch offizielle Angaben zur Gesamtanzahl der berbisch sprachigen Menschen gibt es keine und Schätzungen gehen je nach Quelle sehr weit auseinander mit Abweichungen von bis zu 15 Millionen (ohne das Tuareg). Vor der Invasion durch arabische Eroberer bestand im berbisch sprachigen Raum ein Dialektkontinuum, was bedeutet, dass eine nahezu problemlose Verständigung zwi- schen den verschiedenen Dialekten möglich war. Durch die andauernde Arabisierung der Berber kam es im Laufe der Jahrhunderte aber zu einer Zersplitterung der einzel- nen Dialekte woraus eine heutige Verständigungsbarriere zwischen verschiedenen Berberdialekten resultiert. Daher wird heute auch öfters von Berbersprachen anstatt Berberdialekten geprochen. In Marokko unterteilt sich die berbische Sprache in die drei folgenden Dialekte: - Tarifit - Taschelhit - Tamazight

Erst seit 2004 findet die Sprache der Berber auch im marokkanischen Bildungssystem Beachtung und wird seither als Fach an marokkanischen Schulen angeboten. Hierzu wird in Marokko, im Gegensatz zu Algerien, das Tifinagh-Alphabet genutzt. (Siehe Ab- bildung)

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Abbildung 5: Tifinagh-Alphabet Quelle: A socio-historical perspective on the amazigh (berber) cultural movment in north africa.by Abderrahman El Aissati

Tarifit: Tarifit ist ein Dialekt der hauptsächlich in Marokko gesprochen wird. Schätzungen nach gibt es ca. 4.5 Million Sprecher des Tarifit, wovon ca. 3.5 Million in Marokko leben. Die restlichen Sprecher dieses Dialekts verteilen sich auf westeuropäische Staaten wie Deutschland, Frankreich, Spanien und die Benelux-Staaten. Tarifit wird in Marokko vorwiegend in der Rif-Küstenregion gesprochen.

Taschelhit: Das Taschelhit ist ebenfalls ein Dialekt welcher fast ausschließlich in Marokko gespro- chen wird, mit Ausnahme der beim Tarifit bereits erwähnten westeuropäischen Staaten. Innerhalb Marokkos wird das Taschelhit in südlichen Teil des Landes gesprochen (z.B. Marrakesch, Agadir, Quarzazate) mit einem fließenden Übergang in das Tamazight des zentralen Atlas zum Nord-Osten hin. Schätzungen nach gibt es ca. 6-8 Millionen Sprecher dieses Dialekts, doch durch das bereits erwähnte Dialektkontinuum mit dem Tamazight erweisen sich verlässliche Schätzungen hier als schwer. Das Taschelhit verfügt über eine reiche und alte Schrifttradition. Nachweise einer Früh- form des Taschelhit finden sich bereits etwa 1100 n.Chr., umfangreichere Werke in die- sem Dialekt gibt es seit dem 17ten Jahrhundert. Auch der Koran wurde bereits in Ta-

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate schelhit übersetzt.

Tamazight: Beim Tamazight muss zwischen zwei Definitionen unterschieden werden. Einerseits bezeichnet es einen eigenen Berberdialekt, anderseits ist Tamazight auch der Oberbe- griff für alle gesprochenen Berberdialekte bzw. Berbersprachen in Marokko, Algerien und Tunesien (ausgenommen Tuareg und Tamaschek). Der Dialekt Tamazight findet seine Verbreitung im Zentrum Marokkos, besonders in der Region des mittleren Atlas. Wie bereits erwähnt ist der Unterschied zum Taschelhit gering, was eine Verständigung zwischen den Dialekten ermöglicht. Nicht offiziellen Schätzungen nach sind ca. 2.5 bis 3 Millionen Menschen dem Dialekt des Tamazight mächtig. Wenn man das Wort Tamazight als den oben erwähnten Oberbergriff nutzt, ergibt sich eine Anzahl von Sprechern von ca. 20 bis 25 Millionen. Der größte Anteil von Sprechern des Tamazight befindet sich mit ca. 12 bis 15 Millionen Sprechern in Marokko. Viele der Berber die einen der verschiedenen Dialekte des Tamazight sprechen geben an, dass sie ohne größere Probleme die meisten oder auch alle Varianten des Tama- zight verstehen könnten, was eine Standarisierung dieser Berbersprache theoretisch ermöglichen würde. Im Jahr 2011 ist das Tamazight neben dem Arabischen und Französischen zur dritten offiziellen Amtssprache Marokkos erklärt worden.

4.2. Architektur Bei der typischen „Berberarchitektur“ handelt es sich i.d.R. um dörfliche Konstruktionen die im Gegensatz zu der arabisch-islamisch geprägten städtischen Architektur steht. Die für die Bauweise der Berber charakteristischen Bauformen sind vor allem im Süden Marokkos anzutreffen. In diesen Regionen war eine dauerhafte Sesshaftigkeit der Bevölkerung meist nicht möglich was zu einer halbnomadischen Lebensweise der dort ansässigen Berber führ- te. Für bis zu 6 Monate begaben sich die Menschen mit ihrem Vieh auf Wanderungen in höher gelegene Gebiete, wo Weidefläche und Wasser noch zahlreicher vorhanden wa- ren als im Tal. Dabei blieb das Heimatdorf mit allem Besitz, der Ernte sowie Alten und Kindern so gut wie unbewacht zurück. Die führte zur Entwicklung bestimmter Verteidi- gungsstrategien zum Schutz vor Räuberbanden oder auch den Angriffen befeindeter Stämme welche sich deutlich in der Architektur der Berber zeigt. Besonders das Errich- ten hoher Gebäude, im Gegensatz zur eher flachen Bauweise des Nordens ist hierfür charakteristisch. Für den Bau der Gebäude wurden ausschließlich vor Ort vorhandene Materialien ver- wendet, Elemente wie Metalle oder Glas wurden erst ab dem 20. Jahrhundert verbaut. Weiterhin charakteristisch für die Architektur der Berber ist, dass die Gebäude i.d.R. nicht verputzt werden sowie das Versehen der Bauwerke mit Ornamenten (Rauten, Dreiecke etc.), welche weniger der Zierde sondern viel mehr dem Abwehren von Unheil dienen sollten.

Im Folgenden wird auf drei besondere Formen von Bauwerken eingegangen. 56

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Ksar: Unter Ksar versteht man in Marokko ein wehrhaftes, dauerhaft bewohntes Dorf. Der Begriff Ksar wird zwar auch in anderen Ländern wie Tunesien für gewisse Bauwerke verwendet, steht hier aber hier aber für eine unterschiedliche Form der Architektur. Ein Ksar besteht aus mehreren, miteinander verbundenen Wohnburgen (Tighremts) und ist oft von einem geschlossenen Mauerring umgeben. Dörfer ohne Verteidigungsbauten werden im Gegensatz zum Ksar als „douar“ Bezeich- net.

Abbildung 6: Ksar Aït Benhaddou, Marokko, Hoher Atlas Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Ksar#/media/File:A%C3%AFt_Benhaddou-de.jpg

Tighremt: Ein Tighremt ist eine fensterlose, mehrgeschossige Wohnburg die darauf ausgelegt ist, sich selbst sowie seinen Besitz gegen Angriffe von Räuberbanden oder befeindeten Stämmen schützen zu können. Gebaut wurden Tighremts meist aus Stampflehm welcher mit kleinen Steinen und Pflanzenresten vermischt wurde. Die Verwendung von Stampflehm lässt sich einerseits auf die in der Region vorhandenen Baumaterialien zurückführen, aber auch auf seine gute isolierende Wirkung gegen die Hitze des Tages und die Kälte der Nacht. An den Außenwänden der oberen Etagen sind stets Lüftungsschlitze in die Mauer ein- gelassen welche in Falle eines Angriffs auch als Schießscharte genutzt werden könn- ten. Das Innere eines Tighremt war meist nach dem gleichen Prinzip angeordnet. Im Erdge- schoss des Gebäudes gab es i.d.R. einen Hof, welcher ein sicheres Verwahren des Viehs über Nacht ermöglichte und meistens mit einem Lehmbackofen zum täglichen Backen des Brotes versehen war. Das Obergeschoss war mit einer Küche versehen, welche man sich als äußerst verrußt vorstellen kann, sowie kleineren Schlafräumen. Der eigentliche Mittelpunkt des Zusammenlebens war das Dachgeschoss mit seinen weiteren Schlaf- sowie Wohnräumen und der durch eine Umfassungsmauer geschütz- ten Dachterrasse welche von den Frauen für die häuslichen Arbeiten des täglichen Le- bens genutzt wurde. Mobiliar war in Tighremts weitestgehend unbekannt und wäre auch äußerst schwer durch die schmalen und verwinkelten Gänge oder Treppen zu transportieren gewesen. 57

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Daher begrenzte sich die Inneneinrichtung meistens auf Schilfmatten, Teppiche, De- cken oder Kissen mit denen der Boden ausgelegt wurde.

Agadir: Agadir bezeichnet in der Architektur der Berber einen burgartig ausgebauten Kornspei- cher. Hauptaufgabe des Agadir war der Schutz der Ernte vor Raub, Pilzbefall und Tie- ren sowie des Besitz während der alljährlichen Wanderungen der Bewohner. Bei Kon- flikten mit anderen Stämmen außerhalb der Wanderungen wurde der Agadir im Falle einen Angriffs ebenfalls zu Verteidigungszwecken genutzt. In Friedenszeiten war der Agadir meist ein Zentraler Ort des gemeinschaftlichen Le- bens. Teileweise waren Agadire sogar mit Zellen o.ä. versehen und wurden zum Abhal- ten des Gerichts verwendet. Bei der Bauweise eines Agadir muss zwischen den Regionen des Antiatlas und Hohen Atlas unterschieden werden

Abbildung 7: Tighremts in Aït Benhaddou Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Tighremt#/media/File:A%C3%AFt_Benhaddou3_(js).jpg

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Antiatlas: Die Agadire des Antiatlas müssen wiederum in die großen und kleinen Bauten unterteilt werden. Die großen Agadire des Antiatlas stehen oft einzeln auf Hügeln oder sonstigen Erhö- hungen und werden von mehreren Dörfern oder Stammesverbänden gemeinschaftlich gebaut und genutzt. Kleine Agadire sind i.d.R. am Rand eines Dorfes oder sogar mitten darin erbaut und befinden sich im Besitz eines einzelnen Dorfes oder sogar nur einer einzelnen Familie. Eine Besonderheit der Agadire des Antiatlas ist die Modulbauweise in der sie errichtet werden, was jederzeit das Anfügen von Erweiterungen zulässt. Daher wurden in dieser Region Agadire häufig über Jahrhunderte hinweg erweitert und im Laufe der Zeit mit Innenhöfen, Zisternen o.ä. versehen. Ein Modul besteht meist aus drei übereinander liegenden Speicherkammern mit eige- nen fensterlosen Außenwänden welche im oberen Bereich mit Lüftungsschlitzen bzw. Schießscharten versehen sind. Die einzelnen Module werden von einer gemeinsamen Einfassungsmauer umzogen welche ebenfalls mit Schießscharten versehen ist sowie einen oder auch mehreren Wehrtürmen. Zum Bau der Mauern wurden die in der Region zur Genüge vorhandenen Steine ver- wendet welche ohne Mörtel zusammengefügt wurden.

Abbildung 8: Agadir Imhilene, Antiatlas, Marokko Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Agadir_(Speicherburg)#/media/File:Agadir-Imhilene-Marokko.jpg

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Hoher Atlas: Im Hohen Atlas hingegen besteht ein Agadir aus einem in sich geschlossenen Bau oh- ne die Möglichkeit einer späteren Erweiterung. Das Gebäude wurde auf Grund anderer Voraussetzungen bezüglich des Baumaterials in dieser Region aus Stampflehm errich- tet welcher mit kleineren Steinen und Pflanzenresten vermischt wurde. Erbaut wurden Agadire im Hohen Atlas für eine strategisch gute Positionierung auf felsigen oder steini- gen Sockeln. Im Gegensatz zu den Bauten des Antiatlas fehlen hier Innenhöfe und Zisternen, Wehr- türme kommen weitaus seltener vor und sind, falls vorhanden, stets in den Baukörper integriert. Eine nötige Gemeinsamkeit der beiden regional verschiedenen Bauweisen sind die vor- handenen Lüftungsschlitze bzw. Schießscharten im oberen Bereich der Außenwände. Die im inneren liegenden Speicherkammern sind nicht über Trittsteine oder Treppen zugänglich, sondern nur über versetzbare Holz- oder Palmenstämme.

Abbildung 9: Agadir Igherm n'Ougdal, Hoher Atlas, Marokko Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Agadir_(Speicherburg)#/media/File:Agadir-Igherm-n%27Ougdal.JPG

Wegen der zentralen Bedeutung für das Überleben der Menschen sowie des Gemein- schaftslebens, galten Agadire für die Bewohner als unantastbare und fast schon Heilige Orte. Die meisten und ältesten Agadire Marokkos lassen sich im Antiatlas finden.

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4.3. Schmuck Der für Berber typische Schmuck besteht, im Gegensatz zu dem der arabischen Kultur, meist aus Silber und ist nicht besonders fein verarbeitet. Traditionell wird Schmuck von Berberfrauen getragen. Die Schmuckstücke sind i.d.R. als Dreieck, Raute oder Hand der Fatima geformt, was ihnen eine unheilabwehrende Wirkung verleihen soll und je nach Region mit Elfenbein, Korallen oder Halbedelsteinen versehen. Auch das Silber selbst besitzt in der Kultur der Berber bereits die Macht Unheil abzuwenden.

Abbildung 10: Halskette mit ‚Händen Fatimas‘ Quel- le:http://de.wikipedia.org/wiki/Berbersc hmuck#/media/File:COLLECTIE_TRO PENMUSE- UM_Halsketting_met_vijf_handjes_van _Fatima_TMnr_5070-2.jpg

Der größte Vorteil beim Tragen des Schmucks bestand für die Berber mit ihrer halbno- madischen Lebensweise darin, dass der Schmuck für sie als leicht transportierbarer Wertgegenstand diente und als Zahlungsmittel in Notsituationen genutzt werden konn- te. Daher war es auch oft Praxis Münzen an Ketten oder Armreifen zu löten die bei Be- darf leicht abgetrennt werden konnten. Der Schuck der Berberfrauen war innerhalb der Familie stets ein begehrter Gegenstand des Erbes und wurde bei dieser Gelegenheit häufig umgearbeitet. Daher lässt sich heu- te das Alter der Schmuckstücke meisten auch nur schwer oder gar nicht bestimmen. Mit dem Erliegen der nomadischen Lebensweise und der Abwanderung der ländlichen Bevölkerung in die Städte verlor der traditionelle Schmuck der Berber rasch an Bedeu- tung und wurde häufig günstig veräußert. Heute ist Berberschmuck zumeist in Antiquitä- tengeschäften zu finden wo er i.d.R. an Touristen verkauft wird oder er wird in Museen ausgestellt.

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Abbildung 11: Berberfrau mit Schmuck aus der Umgebung von Tafraoute, Marokko (um 1950) Quel- le:http://de.wikipedia.org/wiki/Berbersc hmuck#/media/File:COLLECTIE_TRO PENMUSE- UM_Berbervrouw_in_feestkledij_uit_Ta fraoute_Zuid- Marokko_TMnr_60033850.jpg

4.4. Tätowierungen Traditionelle Tätowierungen der Berber wurden im Gesicht, an den Unterarmen, Hand- gelenken und Waden der Frauen gestochen. Die Motive sind hierbei spirituelle Schrift- zeichen, Symbole oder Ornamente welche ein Ausdruck der Verbundenheit mit Natur und Kosmos sein sollten, sowie Fruchtbarkeit und Schutz symbolisierten. Das Ausse- hen der Motive wurde meist von symmetrischen Linien und Kreuzen bestimmt welche durch Natur, Tiere und Himmelkörper inspiriert wurden wobei die Motive zwischen den einzelnen Volkstämmen deutlich variieren können.

Abbildung 12: Motive traditioneller Berbertätowierungen Quelle: http://imgkid.com/berber-tattoos.shtml

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Für das Stechen der Tätowierungen wurde die blaue Farbe einer Pflanze (Niledsch) oder Ruß bzw. Holzkohle verwendet. Vor dem Stechen wurden die Motive auf der ge- wünschten Körperstelle vorgezeichnet und anschließend unter die Haut gebracht. Nach dem Stechen des Motivs wurde die Haut der tätowierten Körperstelle mit einer weiteren Pflanze (Kheddira) eingerieben welche einen grünen Farbstoff enthält. Aus der Ver- wendung diese beiden Pflanzen ergibt sich auch die typische Farbgebung der traditio- nellen Berbertätowierungen. Durch die fortgeschrittene Arabisierung der Berber gerät diese Tradition immer mehr in Vergessenheit und wird heute kaum noch praktiziert. Abbildung 13: Berberfrau mit traditioneller Gesichtstätowierung Quelle: http://imgkid.com/be rber-tattoo.shtml

5. Quellenverzeichnis BRANDES, J.-D. (2004): Geschichte der Berber. Gernsbach: Casimir Katz Verlag.

EL AISSATI, A. (2005): A socio-historical perspective on the amazigh (berber) cultural movment in north africa, Afrika Focus, S. 59-72.

HOUDRET, A., Kievelitz, U., & Mumenthaler, M. (2008): Die Zukunft des Maghreb: Trends in Sicherheit und Entwicklung in Marokko, Algerien und Tunesien, Duisburg: Universität Duisburg- Essen.

KLEIN, K. (2013): Der demografische Wandel in Marokko, Stuttgart: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

KRATOCHWIL, G. (2002): Die Berberbewegung in Marokko, Berlin: Klaus Schwarz Verlag GmbH.

SABRA, M. (3. Mai 2015): "Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH", unter: http://www.giz.de/de/html/index.html (abgerufen am 03.05.2015)

UNDP (2014): Human Development Report 2014, UNDP

Wirtschaftskammer Österreich (2015): Länderprofil MAROKKO, Wien: Wirtschaftskammer Österreich

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Geschichte und Kultur von Marrakesch von Alex Vees und Benedikt Altstädt

Inhalt: 1. Stadtkarte und Sehenswürdigkeiten von Marrakech 2. Kleiner Vokabeltrainer 3. Short Facts zu Marrakesch 4. Geographie 5. Geschichte 5.1 Die Almoraviden-Dynastie 5.2 Die Almohaden-Dynastie 5.3 Die Meriniden-Dynastie 5.4 Die Saadier-Dynastie 5.5 Die Alouiten-Dynastie 5.6 Die Verbindung Marrakesch-Frankreich 5.7 Marrakesch heute 6. Sehenswürdigkeiten 6.1 Der Platz Djemaa-El-Fna 6.2 Die Stadtmauer 6.3 Die Saadier-Gräber 6.4 Die Koutubia Moschee 6.5 Das Minarett der Kutubia 6.6 Im Bazar - in den Souks 6.7 Moscheen, Paläste und Brunnen 6.8 Die Gärten von Marrakesch 6.9 Die Museen von Marrakesch 6.10 Der Tiermarkt (Kamelmarkt) 7 Quellenverzeichnis

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1. Stadtkarte und Sehenswürdigkeiten von Marrakech

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2. Kleiner Vokabeltrainer Begrüßung auf Arabisch allg.: . „As-salâmu 'alaikum!“ = Guten Tag! aus dem arabischen = Heil, Friede (mit euch)! Antwort: "(Wa) Aleikum Salam" . Marhaba = Hallo! . Salâm = Hallo! und Tschüß! . Tschüß! = ma'a s-salâma

Für Marokko üblich: . “La Bas”, bedeutet so viel wie “Wie geht‘s?” . Mam kat git / gam? Wie geht’s, was geht ab? (s/pl) . Antwort: “Beecher” = gut, man kann hinzufügen “Shukran” = danke . Auf den Märkten wichtig: La, shukran! = Nein, danke!

Allgemein interessant: . Ich heiße ... = ʾismī … . Tee = chai . Ja = na‘am . Nein = La . Bitte = 'afwan . Danke = shukran . Brot = Chopps oder Hopps . Bsacha = in etwa Prost . Lächim = Fleisch (Torr = Rindfleisch, Lächim Torr = Wild, Dog = Kalb) . Chroff Gebihr = Schaaf (Chroff Srirr = Lamm)

3. Short Facts zu Marrakesch . Gegründet im Jahr 1060 . Aktuell ca. 1 Mio. Einwohner (+/- 100 000 je nach Quelle) . Die Medina (die ummauerte Altstadt) ist der Touristenmagnet . Marrakesch wird die „Rote Perle des Südens“ genannt (wegen dem Rotstich der Häuser und weil die Sonne so brennt) . Die Stadt liegt auf 450 m Höhe in der fruchtbaren Haouz-Ebene . Marrakesch ist die Kunst- und Kulturstadt Marokkos: der Djemaa El Fna (Platz der Geköpften) ist auf der „Liste des mündlichen und immateriellen Erbes der Mensch- heit" der UNESCO . Erscheinungsbild und Sehenswürdigkeiten: Die Stadt ist eine Ansammlung von ver- winkelten, engen Gassen, Plätzen, Palästen und Moscheen; sehenswert sind v.a. die Koutoubia-Moschee, der Platz „Djeema el-Fna“, der Bahia-Palast, die Menara- Gärten und der Kamelmarkt

4. Geographie Marrakesch ist die Provinzhauptstadt Marokkos und liegt im Vorland des Hohen Atlas. Die orientalische Metropole liegt auf 450 m Höhe in der fruchtbaren Haouz-Ebene. Das Umland der jeweiligen Hauptstadt, das sich im Besitz des Sultans befand wurde früher

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate als Haouz bezeichnet. Heute ist damit nur noch die Region gemeint, die dem Land sei- nen Namen gegeben hat: Marrakesch. Marrakesch wird von ca. einer Million Menschen bewohnt. Die malerische Altstadt wur- de 1985 zum Weltkulturerbe ernannt, denn die traditionelle Sultansresidenz und die vie- len Paläste und Moscheen machen Marrakesch zur echten "Perle des Südens". Die Stadt hat aber auch wirtschaftlich einiges zu bieten, denn sie ist nicht nur ein wichti- ges Handels- und Verwaltungszentrum, sondern auch der Bildung sind keine Grenzen gesetzt. Es befinden sich Schulen und eine Universität in der orientalischen Stadt.

5. Geschichte

5.1. Die Almoraviden-Dynastie Marrakesch wurde 1062, auf bis dahin unbesiedeltem Gebiet, kurz nach der almoravidi- schen Machtergreifung gegründet. Es wurde damals als Militärlager genutzt. Unter Y- oussouf Ben Tachfin siedelten sich zügig viele Menschen an und Marrakesch stieg zur Almoravidenresidenz auf. Youssouf Ben Tachfin machte einige sieg- und beutereiche Kreuzzüge gegen Alfons den sechsten von Kastilien, dem er auch 1086 das spanische Toledo entreißen konnte. Damit begann für Marrakesch eine Zeit der Blüte. Es entstan- den zahlreiche Moscheen und Paläste. Youssoufs Sohn und Nachfolger Ali Ben Yous- souf ließ 1126 bis 1127 die heute noch teilweise erhaltene 15 km lange Stadtmauer er- richten und vor den Toren der Stadt die ersten Palmenhaine anpflanzen. Aus den Gründungszeiten von Marrakesch ist heute kaum noch etwas erhalten.

5.2. Die Almohaden-Dynastie 1147 stürmten die Almohaden die Stadt und zerstörten die meisten almoravidischen Bauwerke. Sie ließen neue Prachtbauten, wie die Koutubia-Moschee und die Stadttore entstehen. Von einer verheerenden Pestepedemie erholte sich die Stadt nur langsam. Unter Yakoub el-Mansour erlebte Marrakesch ab 1184 aber dann die größte wirtschaft- liche und kulturelle Blüte. Gegen Ende des 13. Jh. hatte Marrakech hatte 150.000 Ein- wohner und konnte sich so in ihrer Pracht mit den großen islamischen Zentren wie Bagdad und Kairo messen.Mitte des 13. Jh. schwächten Thronstreitigkeiten die Almo- haden und es begann der Aufstieg der Meriniden.

5.3. Die Meriniden-Dynastie Abou Youssouf Yakoub eroberte 1269 die Almohadenhauptstadt Marrakesch und ver- legte zwei Jahre später die Residenz nach Fes. Bis Anfang des 16. Jahrhunderts schrumpfte die Bevölkerung auf 20.000 Einwohner.

5.4. Die Saadier-Dynastie Erst mit der Saadier-Dynastie, die 1521 in die Stadt einzog und Marrakesch 1554 zur Hauptstadt machte, ging es wieder aufwärts.Sultan Ahmed el-Mansour eroberte 1591 die reiche Handelsstadt Timbuktu. Mit dem Gold, das er dort vorfand baute er die verfal- lene "Perle des Südens" wieder zu einer glänzenden Metropole aus. Es entstand der El- Badi-Palast, der selbst als Ruine heute noch durch seine gewaltigen Ausmaße beein- druckt. Auch die Saadier-Gräber sind ein wichtiges Denkmal aus dieser Zeit.

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5.5. Die Alouiten-Dynastie Die Herrscher der Alouiten-Dynastie bevorzugten Ende des 17. Jahrhunderts wiederum Fes als Hauptstadt. Moulay Ismail ließ die bedeutendsten Bauten aus der Regierungs- zeit der Saadier zerstören. Obwohl Marrakesch bis ins 20. Jahrhundert hinein immer als Residenz fungierte, stand die Stadt seither immer im Schatten der Konkurrenz aus dem Norden.

5.6. Die Verbindung Marrakesch-Frankreich El-Glaouis, der Pascha von Marrakesch unterstützte die Franzosen, die 1912 in die Stadt einmarschierten. Er verschaffte sich durch die Zusammenarbeit mit den Franzo- sen auch zahlreiche Vorteile. Der "Löwe des Atlas", wie El-Glaouis auch genannt wur- de, beherrschte bis zur marokkanischen Unabhängigkeit 1956 weite Teile des Südens. Nach ihm bestieg Mohammed der fünfte den Thron.

5.7. Marrakesch heute Heute ist Marrakesch eine Stadt des Handels und Handwerks. Die Medina wird von kleinen Ladenwerkstätten mit mehr als 30.000 Handwerkern geprägt. Die Altstadt ist der wichtigste Absatzmarkt für handwerkliche Produkte, die den besonders aus Agadir an- reisenden Touristen angeboten werden. Die moderne Universität im Norden, wichtige Messen und Kongresse und ein Filmfestival tragen zur wachsenden internationalen Be- deutung der Stadt bei.

6. Sehenswürdigkeiten

6.1. Der Platz Djemaa-El-Fna Dieser Platz wird auch Platz der Genüsse oder Platz der Geköpften genannt. Dieser Name war in der Vergangenheit dadurch gerechtfertigt, dass auf diesem Platz öffentlich die Todestrafen vollzogen wurden. Der Djemaa-El-Fna existiert seit den Gründungsjahren von Marrakesch 1070 bis 1071. Heutzutage ist er durch die Modernisierung den ständig wachsenden Autoverkehr und den Tourismus bedroht. In einem Zehnjahresplan will die Stadt den Erhalt des Platzes sicherstellen, um so einen Teil der Kultur von Marrakesch zu erhalten. Er hat die Form eines ungleichen Dreiecks, wo man jeden Tag Vorführungen von Jong- leuren, Tänzern und Gauklern sehen kann. Auf dem Platz versammeln sich morgens Obst- und Spezienhändler, Korbflechter und Nippes Händler. Neugierige Menschen sammeln sich um einen Geschichtenerzähler und Schlangenbeschwörer und von den magisch beleuchteten Essensständen wehen verlockende Düfte umher. Was einem Touristen als Märchen Tausendundeiner Nacht erscheint, wird auf dem Platz Djemaa- El-Fna Wirklichkeit. Deshalb hat die UNESCO diesen Platz im Mai 2001 in die Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit aufgenommen.

6.2. Die Stadtmauer Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert und wurde mehrmals beschädigt und wiederauf- gebaut. Die Stadtmauer von Marrakesch zählt zu den eindrucksvollsten Stadtmauern Marokkos, denn sie wird von Zypressen, Dattelpalmen und Kiefern überragt und ist

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate durch 202 vorspringende Basteien verstärkt. Die Stadt kann durch 11 Tore betreten werden, wovon das restaurierte Tor von Bab Aguenau wegen seiner Großartigkeit be- sonders hervorsticht. Dieses Tor geht auf die Zeit der Almoraviden zurück und ist der Eingang zum Viertel der Kasbah. Die Stadtmauer ist zirka 15 km lang, rötlich und 2 m dick.

6.3. Die Saadier-Gräber Der Eingang zu den Saadier-Gräbern befindet sich unmittelbar neben der Kasbah- Moschee. Vier Sultane ruhen in der 1917 wiederentdeckten Nekropole. Des Weiteren auch mehr als 62 Angehörige der im 16. Jahrhundert allmächtigen Dynastie der Saadier. Die Mausoleen sind mit prächtigen Carrara-Marmor und andalusischem Mosa- ik ausgestattet. Der prunkvollste Raum ist der Saal der 12 Säulen.

6.4. Die Koutubia Moschee Die Koutubia Moschee ist unübersehbar und befindet sich südwestlich des Djemaa-El- Fna. Sie zählt zu den größten Moscheen des muslimischen Abendlandes. Ihr spanisch- maurischer Stil ist von scheinbarer Schlichtheit und diskretem Prunk. Dieses Meister- werk wurde von den Almohaden in einer ihrer kaiserlichen Städte gebaut und ist heute der Ausgangspunkt der Medina.

6.5. Das Minarett der Kutubia Dabei handelt es sich um einen viereckigen Turm aus rosafarbenem Sandstein, der mit einem eingemeißelten Ornament verziert ist. Es sieht wie eine Stickerei aus Stein aus. Am Minarett befindet sich eine viereckige, verzierte Laterne, welche mit einer Rippen- kuppel bedeckt ist. Die strikte Proportion zwischen Breite und Höhe des Minaretts ver- leiht diesem Meisterwerk eine perfekte Harmonie. Das prachtvolle Meisterwerk besteht aus 16 Seitenschiffen und einem breiteren Zentralschiff. Durch die elf Stalaktitengewöl- be, die Kapitell sowie die Zierleisten, ist die Kutubia eines der schönsten vorhandenen Modelle almohadischer Kunst. Der Sage nach erzählt man, dass die drei Kupfer-Kugeln, welche die Kuppel krönen, durch das Einschmelzen der Juwelen der Gemahlin von Yakub-al Mansur vergoldet wurden. Dieser beendete den Bau des Turmes, welcher von Sultan Abd-Al-Mumen un- ternommen worden war. Auf Arabisch bedeutet Kutubia "die Moschee der Buchhändler", da früher in den Läden um die Moschee meist mit Büchern und antiken Manuskripten gehandelt wurde. Die erste Moschee wurde 1147 gebaut, aber wieder vernichtet, da sie nicht ganz genau nach Mekka gerichtet war. Der Grundbau davon ist heute noch zu sehen.

6.6. Im Bazar - in den Souks Die Souks von Marrakesch sind das Herz der Medina. Sie befinden sich im alten Teil der Stadt und gehen auf das 12. Jahrhundert zurück. Wenn man an der Nordseite des Djemaa-El-Fna startet erreicht man als erstes die Töp- fersouks. Durch das Haupttor des Marktes gelangt man dann auf den Textilsouk, der sich nach dem Place Rahba Kedima V-förmig in die Rue Souk Attarine und in die Rue Souk el Kebir aufspaltet. Die Souks der Kupferschmiede befinden sich links von der Rue Souk Attarine und etwas weiter nördlich findet man die Souks der Wollfärber und

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Holzschnitzer. Zwischen dem Souk Attarine und dem Souk-el-Kebir befinden sich die Eisenschmiede mit ihren Werkstätten und der Ledermarkt. Rechts von der Souk-el- Kebir Gasse stößt man auf den Schmuck- und Teppichmarkt. Beim Rahba-Kedima- Platz befand sich der Sklavenmarkt, auf dem Jahrhunderte lang schwarze Sklaven ver- steigert wurden. Heute treiben hier Gewürzhändler und Quacksalber Handel.

6.7. Moscheen, Paläste und Brunnen Das Gerberviertel befindet sich am nördlichen Stadtrand wo mit Rind-, Schaf-, und Zie- genleder gegerbt wird. Nahe diesem Viertel trifft man auf die Fontaine el Mouassine, einem reich verzierten Brunnen aus dem 16. Jahrhundert. Daneben steht die Moschee el Mouassine, die vom Saaditensultan Moulay Abdallah am Ende des 16. Jahrhunderts errichtet wurde. Von hier kommt man auch zur Moschee des Ben Youssef und der gleichnamigen Gebetsschule, der Medersa. Diese Koranschule ist mehr als 400 Jahre alt und wurde in den letzten Jahren mit großem Aufwand renoviert. Sie wurde 1570 vom Saadier Abdallah El Ghalib zur größten islamisch-theologischen Hochschule des Maghreb erweitert. In den 150 Kammern wurden bis zu 900 Studenten untergebracht. Sie ist ein Juwel sakraler Altstadt-Architektur und fällt besonders durch ihren Stuck- und Schnitzdekor auf. In der südlichen Medina befinden sich auch noch einige bewun- dernswerte Sehenswürdigkeiten wie die Kasbah Moschee die durch das Stadttor Bab Agenaou erreicht werden kann. Sie befindet sich somit im Kasbah-Viertel, in der alten Almohdenstadt. Die Kasbah Moschee wurde im 12. Jahrhundert errichtet.

Der El-Badi-Palast: Der El-Badi-Palast war eine der mächtigsten Palastanlagen des Maghreb. Die noch vorhandenen Grundmauern lassen die einstigen Dimensionen des Palastes erahnen. Heute nisten überall auf den Mauerresten Störche. Jedes Jahr wird im El-Badi-Palast das Folklorefestival abgehalten, wo verschiedene Volksgruppen ihre Tänze und Lieder in Verbindung mit der Geschichte des Landes vor- tragen.

Der Bahia-Palast: Der Bahia-Palast liegt gegenüber dem El-Badi-Palast. Er wurde erst kurz vor 1900 er- baut und war der Palast eines Großvisiers. Zwischen dem El-Badi-Palast und dem Ba- hia Palast befindet sich die Mellah, die im 16. Jahrhundert gegründet wurde. Hier gibt es einige Messing- und Silberschmieden.

6.8. Die Gärten von Marrakesch

Die Gärten der Menara: Die Menara-Gärten liegen im Südwesten der Stadt und wurden um 1200. angelegt. Ei- ne Lehmmauer umgibt ausgedehnte Olivenplanzungen, die durch den Menara-Pavillion am Wasserbecken zu einem der berühmtesten Postkartenmotive Marokkos wurde. Das Lustschlösschen mit seinem grünen Pyramidendach soll Sultan Sidi Mohammed als Rückzugsort gedient haben, wenn er ungestört mit seiner Geliebten sein wollte.

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Der Palmengarten von Marrakesch: Der berühmte Palmengarten von Marrakesch, welcher eine Fläche von 13.000 Hektar hat, zählt mindestens 100.000 Bäume. Am schnellsten kann man ihn mit dem Auto besichtigen. Eine Kutschenfahrt ist ein- drucksvoller und klassischer, besonders wenn man vorher eine Runde der Bastei und der in spanisch-maurischem Stil gebauten monumentalen Tore, vorgenommen hat.

Die Gärten Majorelle: Der französische Kunstmaler und Dekorateur Jaques Majorelle (1888-1962) ließ sich 1923 in Marrakesch nieder, baute die Villa seiner Träume und legte einen subtropi- schen Garten an. Nach jahrzehntelanger Verwilderung wurde die Anlage vom französischen Modeschöp- fer Yves Saint Laurent restauriert. Die Villa Oasis wurde zur Heimat des französischen Künstlers Jaques Majorelle. Das Haus liegt mitten in einem überquellend bewachsenen Garten. Bougainvilleen, Perlago- nien, Hibiskus und Lotusblüten sorgten für eine betörende Farbenpracht. Majorelles ehemaliges Atelier beherbergt heute ein Museum für islamisches Kunst- handwerk.

Die Gärten de l' Agdal: Diese grenzen südlich an den Palastbezirk an. Die Almohaden pflanzten im 12. Jahr- hundert die ersten Bäume. Erst im 19. Jahrhundert wurden die Gärten in ihrer jetzigen Form angelegt und mit einer Mauer eingefasst. Zwischen Granatäpfel-, Orangen- und Olivenbäumen liegen mehrere Stabecken, die ihr Wasser mittels Kanälen aus dem Ho- hen Atlas erhalten. Am Es-Salah, dem größten Wasserreservoir des Gartens, befindet sich das Dar el-Hanna, ein Palast mit Panoramaterasse, von der man einen herrlichen Blick über die Gärten hinweg auf die Silhouette des Hohen Atlas hat.

6.9. Die Museen von Marrakesch

Das Museum Dar Si Said: Hier wird erlesenes Kunsthandwerk aus Marrakesch und den Berberdörfern der Region ausgestellt. Das Museum befindet sich in den Räumen eines ehemaligen Stadtpalastes. Was dieses Museum für das Kunsthistorische so einzigartig macht, ist ein auf den ers- ten Blick eher unscheinbares, aus Stein gehauenes rechteckiges Brunnenbecken, das wenige Schritte vom Eingang aufgestellt ist. Es stammt aus der Zeit Ben Youssefs und zeigt ein für die sakrale islamische Kunst ungewöhnliches Motiv: zwei Adler, die ihre Schwingen ausbreiten. Diese Lebewesen waren zu dieser Zeit in ihrer Abbildung ver- pönt. Das Brunnenbecken wurde ca. 1000 n. Chr. in Cordoba hergestellt.

Das Marrakesch Museum: Das Museum wurde vom Geschäftsmann Omar Benjelloun gegründet. Es bietet hoch- karätige, aus eigenen Beständen zusammengestellte Kunstausstellungen zu verschie- den Themen. Eindrucksvoll ist auch die zugehörige Buchhandlung.

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6.10. Der Tiermarkt (Kamelmarkt): Etwa 5 km außerhalb der Stadt, im Viertel Doua Laaskar treffen sich die Bauern um ihre Vierbeiner, meist Esel und Pferde - nur vereinzelt auch Kamele, zu verkaufen. Der Be- such dieses Marktes ist ein Erlebnis, obwohl dieser den geläufigen Namen "Kamel- markt" nicht mehr verdient.

7. Quellenverzeichnis BUCHHOLZ, HARTMUT (2014): Marrakesch. DuMont direkt. 2. aktualisierte Aufl., Ostfildern: DuMont Verlag

LEISTEN, CHRISTOPH (2005): Marrakesch, Djemaa el Fna. Aachen: Rimbaud Verlag

NELLES, GÜNTER (2014): Nelles Guide Marokko. 14. Aufl., München: Nelles Verlag

PETER, MAYNE (1989): Ein Jahr in Marrakesch. München: List Verlag

Unesco World Heritage Centre: „Medina of “, unter: http://whc.unesco.org/en/list/331.htm (abgerufen am 13.10.2015)

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Die aktuelle politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche Situation im Maghreb und mögliche Auswirkungen auf Europa von Martin Haar und Gregor Lanz

Inhalt:

1. Allgemein Maghreb 2. Wirtschaftsunion Maghreb 3. Arabischer Frühling im Maghreb und speziell in Marokko 3.1 Situation vor den Protesten und deren Entwicklung 3.2 Die Protestbewegungen des Arabischen Frühlings 3.3 Forderungen der Protestierenden 3.4 Reaktionen der Regimes 3.5 Ausblick 4. Soziale und wirtschaftliche Lage Marokkos 5. Beziehungen zwischen Marokko und Europa 6. Beziehungen zwischen Marokko und Deutschland 6.1 Wassermanagement 6.2 Erneuerbare Energien 7. Migration und Flüchtlingssituation 7.1 Migration der Marokkaner 7.2 Auf dem Weg nach Europa 7.3 Gestrandet in Marokko 8. Literaturverzeichnis 9. Quellenverzeichnis

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1. Maghreb allgemein Der Maghreb ist ein Begriff für mehrere Länder der nordafrikanischen Zone. Wie viele Länder aufgenommen werden variiert je nach Kontext, jedoch umfasst der Maghreb in seinem Kern die drei aus der französischen Kolonisation entlassenen nordafrikanischen Staaten Marokko, Algerien und Tunesien. Der große Maghreb umfasst zusätzlich die Länder Mauretanien und Libyen. Diese Staaten bilden aufgrund mehrerer Gemeinsam- keiten eine kulturelle Einheit. Besonders die Geschichte aber auch die gemeinsame offizielle Amtssprache Arabisch und die offiziellen Religion des Isam sind dabei die Schnittstellen. Wichtigstes gemeinsames anthropologisches Element sind jedoch die berberischen Bevölkerungsteile.

Abbildung 1: Region Maghreb; Quelle: http://wo.wikipedia.org/ wiki/Maghreb#/media/F i- le:Maghreb2.PNG

2. Wirtschaftsunion Maghreb Neben der geschichtlichen und kulturellen Verflechtung der Maghreb-Staaten gibt es natürlich auch wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit der nordafrikanischen Länder. Die Union des Arabischen Maghreb (UAM) ist eine Wirtschaftsunion, die den großen Maghreb und damit neben dem eigentlichen Maghreb auch die Länder Libyen und Mauretanien umfasst. Gegründet im Jahr 1998 folgten verschiedene Übereinkünfte und Abkommen mit den Zielen: 1) Festigung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Mit- gliedsstaaten. 2) Vereinheitlichung der Politikrichtung und Entwicklung der Länder. 3) Fortschritte durch Kooperation in Wirtschaft und Technik. 4) Freier Handel der Unionspartner und Bildung einer Zollunion (bis heute nicht ge- schehen). 5) Förderung (über-)regionaler Vorhaben (transmaghrebinische Bahn-, Straßen- und Pipelineverbindungen). 6) Bildung von gemeinsamen Kulturinstituten und dadurch Erhalt der islamischen Wert und Sicherung der arabischen Identität.

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Abbildung 2: Symbol der Union du Magreb Arabe; Quelle: http://wo.wikipedia.o rg/wiki/Maghreb#/me dia/File:Maghreb2.P NG

Die Struktur dieser Wirtschaftsunion setzt dabei auf verschiedene gemeinsame Instan- zen, die über den ganzen Wirtschaftsraum verteilt sind, so z.B. die Maghrebinische Uni- versität in Tripolis oder die Maghrebinische Bank in Tunis. Schwierigkeiten stellen jedoch unterschiedliche Gesetzgebungen der Mitgliedsstaaten sowie eine schwerfällige Bürokratie und niedrige Warenaustausche dar. So betreibt z.B. Algerien lediglich 1,5 % seines Außenhandels mit der UMA (Stand 2000).

3. Arabischer Frühling im Maghreb und speziell in Marokko

3.1. Situation vor den Protesten und deren Entwicklung In gesamt Nord-Afrika kommt es ab 2010 zum sogenannten Arabischen Frühling. Je- doch sind der Verlauf der Proteste und auch die Resultate desgleichen je nach Land im Maghreb sehr unterschiedlich. Im Folgenden soll sowohl auf Gemeinsamkeiten als auch auf Unterschiede der Protestbewegung in Marokko, dem Maghreb und dem restlichen Nord-Afrika eingegangen werden. Seit dem Jahr 2000 hatte es in vielen nordafrikanischen Ländern bereits Proteste gegen soziale Not und staatliche Willkür gegeben, die teilweise auch schon grenzübergreifend stattfanden. Die Regime litten unter massiven Legitimitätsdefiziten, die Beteiligung der breiten Bevölkerung am politischen Geschehen fand kaum statt. In Marokko sorgte eine Arbeitslosenquote von rund 25 %, insbesondere bei jungen, gut ausgebildeten Marok- kanern für Unmut und führte zur Entwicklung einer Protestkultur, insbesondere der "dip- lômés chômeurs", den „arbeitslosen Hochschulabsolventen, die für bessere Berufsper- spektiven stehen. Wie andere Länder wurde Marokko sehr autoritär regiert. Der König hält die politischen Fänden des Landes in seinen Händen und hat weitreichende Befugnisse. So obliegt ihm die Benennung und Absetzung der Regierung und des Premierministers, auch kann er das Parlament auflösen. Weiterhin wird seine Position durch die Abstammung von der Prophetenfamilie und der langen Dominanz der Herrscherhäuser religiös- traditio- nell gestärkt. Weitreichende neoliberale Wirtschaftsreformen führen zur Aufspaltung in prosperierende Großstädte und unterentwickelte ländliche Gebiete.

3.2. Die Protestbewegungen des Arabischen Frühlings Eigentlicher Ausgangspunkt des Arabischen Frühlings war die Selbstverbrennung eines Gemüsehändlers am 17. Dezember 2010 in Tunesien und darauf folgende spontane

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Solidaritätsbekundung, die aber bald sämtliche sozialen Schichten und Religionen er- fassen und sich übernational ausbreiten. Die Dynamik des Arabischen Frühlings mit den sich wellenartig steigernden Protesten, den übernationalen Wechselwirkungen und den ideologiefreien Anliegen, die sich ge- gen das eigene autoritäre System richten ist ein bisher nie dagewesenes Phänomen und stellt die Mächtigen der Länder zunächst vor einige Herausforderungen. Die bereits angesprochene Teilung in urbane und ländliche Räume verband sich unter den Protesten wieder zu einer nationalen Bewegung. Entscheidendes Medium der Verbreitung, gerade der übernationalen Proteste waren soziale Netzwerke, über die man sich schnell und einfach organisieren konnte. Flache Hierarchien innerhalb der Protestbewegung förderten den Gemeinschaftsge- danken. Auch gab es keine charismatischen Führer, sondern man identifizierte sich e- her mit heldenhaften Märtyrern. Die Berber in Tunesien, Algerien und Marokko verwendeten ihre eigene Fahne, was ihre Gemeinschaftsidentität (nicht Separatismus) zum Ausdruck brachte und die Ge- meinschaft und Zusammenhänge der Protestierenden und der Proteste über die Län- dergrenzen hinweg verdeutlicht. Gemeinsam war den Protesten auch die Besetzung zentraler Straßen und Plätze und dass für die Demonstrationen und die Protestbewegung oft bedeutende Tage des Lan- des ausgewählt wurden, so in Marokko: die „Bewegung des 20. Februar“ Es kam zu kontinuierlichen Protesten mit zehntausenden Teilnehmern in verschiedenen Landesteilen, in Marokko jedoch nicht zu nennenswerten Ausschreitungen und Gewalt- taten. Höhepunkt der Proteste in Marokko war der 20. Februar 2011.

3.3. Forderungen der Protestierenden Die Forderungen der Protestierenden in den verschiedenen Ländern lassen sich unter vier Hauptelemente zusammenfassen: Gerechtigkeit (Adala), Freiheit (Hurriya), Würde (Karama) und Respekt (Ihtiram). Konkreter formuliert ging es um eine spürbare Verbesserung in der Versorgung mit Le- bensmitteln, Wohnungen und Energie, verbesserte Dienstleistungen und mehr Arbeit. Außerdem wurden institutionelle Reformen des Staatswesens und damit mehr Demo- kratie, Gewaltenteilung und verlässliche Institutionen gefordert. Auch in Marokko war der zunehmend sowohl auf verbesserten Berufsbedingungen, aber auch einer Demo- kratisierung und Machteinschränkung des Königs. Im Vergleich zu anderen Ländern wurde jedoch nie dessen Abdankung gefordert.

3.4. Reaktionen der Regimes Nach anfänglicher Unsicherheit der Regime griffen sie jedoch bald schon wieder auf altbewährte Methoden zurück – Entgegenkommen, wobei die wichtigen Machtpositio- nen behalten wurden und gleichzeitige Repression der Protestierenden. Und auch durch gegenseitige Unterstützung versuchten die Machthaber sich zu halten. So griffen Saudi-Arabien und andere Golfmonarchien den bedrohten Regimen in Bahrein, Oman, Marokko und Jordanien, sowie dem militärischen Übergangsrat (SCAF) in Ägypten mit Milliardengeschenken unter die Arme. Jordanien und Marokko wurde sogar die Auf- nahme in den Golfkooperationsrat (GCC), den Club der reichen Ölmonarchien, angebo- ten. 76

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Die Reaktion des marokkanischen Regimes war ebenfalls eine Mischung aus Unterdrü- ckung und Einbindung der Kritiker. Auf der einen Seite wurden die Demonstrationen strengstens überwacht, auf der anderen Seite aber auch mehrere tausend neue Stellen im öffentlichen Dienst geschaffen und Subventionen erhöht. Auch wurden die einfluss- reichen Parteien enger in den königlichen Herrschaftsapparat integriert. In mehreren Ländern (Tunesien, Ägypten, Jemen und Syrien) führte eine derartige Vor- gehensweise jedoch aufgrund von mangelndem Reformwillen zur Steigerung und Ver- stetigung der Proteste, nicht jedoch in Marokko, denn drei Wochen nach dem 20. Feb- ruar kündigte König Mohammad VI. am 9. März eine "tiefgreifende" Neugestaltung der Verfassung von 1996 an, die am 1. Juli 2011 angenommen wurde. Er setzte sich damit quasi an die Spitze der Reformbewegung und nahm den Protestierenden damit den Wind aus den Segeln. In der neuen Verfassung war verzeichnet: 1) Marokko wird in eine "konstitutionelle, parlamentarische, demokratische und sozia- le Monarchie" umbenannt. 2) Der König gilt nicht mehr als "heilig", sondern nur noch als "unantastbar" und "zu Respekt verpflichtend". 3) Weiterhin werden die Position des Premierministers, der nun den Titel Re- gierungspräsident trägt, sowie die Rolle des Parlaments formell aufgewertet. 4) Ein umfassender Grundrechtskatalog enthält längere Ausführungen zu Men- schenrechten, politischer Partizipation und Dezentralisierung. 5) Das berberische Tamazight wird als offizielle Sprache anerkannt. 6) Schließlich befasst sich ein Verfassungsartikel mit der vorgesehenen Etablie- rung eines "Konsultativrates für die Jugend und das Verbandswesen" direkt mit den "diplômés chômeurs". Die neue Verfassung bedeutet zwar kaum eine Einschränkung der königlichen Macht und wird auch von der Protestbewegung als "von oben oktroyiert" angeprangert, ge- nießt aber große Zustimmung in der Bevölkerung, da einige Belange, insbesondere der Berber und der "diplômés chômeurs" aufgenommen wurden.

3.5. Ausblick In Marokko wird zumindest kurzfristig der Status quo des monarchischen Autoritarismus stabilisiert. Aufgrund dieses Reformdiskurses und mehr noch wegen ihrer pro- westlichen Grundausrichtung und geostrategischen Bedeutung kann sich Marokko wei- terhin üppiger finanzieller Unterstützung sicher sein. Auch der auf Initiative Saudi- Arabiens im Mai 2011 gestellte Aufnahmeantrag in den Golfkooperationsrat, dem bis- lang nur die sechs arabischen Monarchien am Persischen Golf angehören, dürfte sich bei positivem Bescheid finanziell lukrativ und stabilisierend auswirken. Mittelfristig können die Monarchien in Marokko und auch Jordanien allerdings nicht als konsolidiert gelten, da ihr Krisenmanagement die sozio-ökonomischen Strukturproble- me von Massenarbeitslosigkeit, ländlicher Unterentwicklung und Perspektivlosigkeit der Jugend nur punktuell und ansatzweise berührt. Von der aktuellen Situation profitie- ren besonders gemäßigte Islamisten. Diese sprechen mit einem flexiblen Weltbild eine breite Gesellschaft an und bieten durch jenseitige Belohnung Trost in der aktuell tristen Lage. So ist in Marokko nach der Wahl am 25.11.2011 z.B. die gemäßigt islamistische PJD mit 27 % die stärkste Partei und stellt den Ministerpräsidenten.

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4. Soziale und wirtschaftliche Lage Marokkos Insbesondere in den ländlichen Regionen Marokkos leben viele Menschen in Armut, da der Zugang zu Bildung, Strom und sauberem Wasser schwierig ist und es vielerorts kein funktionierendes Gesundheitswesen gibt. Circa ein Viertel der Marokkaner leben in Armut oder sind davon bedroht. Es herrscht große Landflucht, 2011 lebten 58% der Be- völkerung in Städten. In den Städten entstehen zunehmend Probleme, da viele junge Menschen keine Arbeit finden. Ungefähr jeder zweite junge Mensch, unabhängig vom Bildungsgrad, ist arbeitslos. Die Arbeitslosenquote beträgt laut offiziellen Quellen unge- fähr 9%, jedoch finden sich auch höhere Werte, die wesentlich realistischer erscheinen. Dennoch geht es aus gesamtwirtschaftlicher Sicht seit Jahren aufwärts. Das Land be- findet sich im Wandel von einer Agrarnation hin zu einem Industrie- und Dienstleistungsland. Die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur ist in Marokko auf dem Vormarsch, um die Integration des Landes in den Welthandel voranzutreiben. Hier- für wurde unter anderem der Tiefseehafen Tanger-Med gebaut. Der Ausbau des Stra- ßen- und Eisenbahnnetzes wird von der Regierung mit hohen Summen gefördert. Ein bedeutender Wirtschaftszweig in Marokko ist der Tourismus: Dieser wird unter er- heblichen Anstrengungen nach Anschlägen auf touristische Ziele im Jahr 2011, was zu einem Rückgang der Einnahmen geführt hat, inzwischen wieder weiter ausgebaut. Mit dem "Plan Azur" hat sich die Regierung zum Ziel gesetzt, die touristische Infrastruktur des Landes stark zu erweitern, in diesem Zusammenhang entstehen an der marokkani- schen Küste neue Badeorte. Marokko engagiert sich sehr für die Einrichtung von Freihandelszonen, um seine Ex- portchancen zu erhöhen. Freihandelsabkommen wurden mit den EFTA-Ländern Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz (2000) und mit den USA (2006) abgeschlossen. Seit März 2012 besteht ein bilaterales Freihandelsabkommen mit der EU. Insgesamt bestehen mehr als 50 Freihandelsabkommen mit anderen Ländern. Somit besitzt Ma- rokko Zugang zu Märkten mit mehr als einer Milliarde Menschen. König Mohammed VI. hat seit seinem Amtsantritt 1999 einen spürbaren politischen und sozialen Modernisierungskurs eingeschlagen. Die politische Bedeutung Marokkos wächst in einer aus sicherheitspolitischer Sicht schwierigen Region. Die durchschnittli- che wirtschaftliche Steigerungsrate der letzten Jahre betrug zwischen vier und fünf %, was im Vergleich zu Deutschland enorm ist, für ein Entwicklungsland jedoch keine Be- sonderheit darstellt. Die Unruhen des arabischen Frühlings haben sich in Marokko nicht negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung ausgewirkt. Dennoch gibt es in Marokko eine Vielzahl an Problemen, welche die wirtschaftliche Entwicklung verzögern: Die marokkanische Wirtschaft ist gekennzeichnet von zu gerin- ger Produktivität und ist deshalb auf dem Weltmarkt noch nicht wettbewerbsfähig. Ein Hauptproblem ist der Mangel an qualifiziertem Personal und die im Vergleich zu den Konkurrenzprodukten oftmals geringere Qualität der Industriegüter. 30% des Bruttoin- landsproduktes werden vom Industriesektor, der Bauwirtschaft und dem Bergbau er- wirtschaftet. Knapp 28% der Erwerbstätigen arbeiten in diesen Wirtschaftssektoren. Eine wichtige Rolle für die marokkanische Wirtschaft spielt der informelle Sektor: Knapp 50 % des Bruttonationaleinkommens werden hier erwirtschaftet und fast die Hälfte aller Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft sind dort zu finden.

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Die Landwirtschaft Marokkos ist mit einer Quote von circa 40% der Erwerbstätigen und einem Anteil von 17 % des Bruttoinlandsproduktes aufgrund der hohen Zahl an Be- schäftigten nach wie vor der wichtigste Wirtschaftsfaktor des Landes. Jedoch setzen der globale Klimawandel und die daraus resultierenden Wetteranomalien der Landwirtschaft in Marokko in besonderem Maße zu. Ernteausfälle treffen den Sek- tor überdurchschnittlich stark, da die Landwirtschaft nach wie vor ein Zugpferd der ma- rokkanischen Wirtschaft ist. Die Wasserressourcen des Landes sind aufgrund der geo- grafischen Lage knapp und mittelfristig muss mit veränderten Niederschlagsmengen gerechnet werden. Aufgrund der unregelmäßigen Niederschläge müssen die Felder zunehmend künstlich bewässert werden. Stand heute verbraucht die Landwirtschaft 85 % des verfügbaren Wassers. Durch die Verknappung der Wasserressourcen aufgrund des Klimawandels kommt es zu Spannungen zwischen den diversen Nutzerinteressen. Ein weiteres großes Problem der marokkanischen Landwirtschaft ist der illegale Dro- genanbau: Nirgendwo sonst auf der Welt wird so viel Cannabis angebaut und ins Aus- land, vor allem nach Europa, exportiert, wie in Marokko. Laut Schätzungen werden jähr- lich 3.000 Tonnen nach Europa geschmuggelt, was einem Marktanteil von 70% des europäischen Kontinentes entspricht. Der Anbau der Droge bietet der ärmlichen Land- bevölkerung bessere Einkunftsmöglichkeiten als die herkömmliche Landwirtschaft. Ins- gesamt schätzt man, dass mehr als eine Million Menschen vom Cannabis-Anbau in Ma- rokko leben. Da es sich bei den Plantagen häufig um Monokulturen handelt, hat der Anbau auch negative Folgen für die Biodiversität und die dortigen Ökosysteme. Durch eine nachhaltige Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen und der reichen Fischvorkommen könnte zukünftig die Agrar- und Fischereiwirtschaft wachsen, zusätz- liche Devisen erwirtschaften und mehr Menschen als momentan eine sichere Zukunft bieten.

5. Beziehungen zwischen Marokko und Europa Marokko ist aus politischer, kultureller und wirtschaftlicher Sicht ein wichtiges Bindeglied zwischen Afrika und Europa. Die Beziehungen Marokkos zur Europäischen Union sind gut und werden immer enger, was verschiedenste Handelsabkommen untermauern. Im Jahr 2000 wurde ein Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Marokko ge- schlossen, welches nach und nach den gemeinsamen Handelsverkehr liberalisiert und den Güterverkehr vervielfacht. In einem weiteren Annäherungsschritt der EU wurde Ma- rokko im Jahr 2008 der sogenannte “statut avance” erteilt, also ein “fortgeschrittener Status”, welcher eine engere Zusammenarbeit fördern soll. Im März 2012 trat ein umfassendes Freihandelsabkommen zwischen der EU und Ma- rokko in Kraft. Aus wirtschaftlicher Sicht ist Marokko stark von der europäischen Union als wichtigstem Handelspartner und insbesondere von den Haupthandelspartnern Spa- nien und Frankreich und deren wirtschaftlicher Situation abhängig. 47,5 % der Importe kommen aus der EU, 55 % der Exporte gehen in die EU. Das Land ist Vorbild in Nordaf- rika bezüglich wirtschaftlicher Offenheit und positivem Investitionsklima und Infrastruk- turvorhaben werden zumeist von internationalen Entwicklungsbanken mitfinanziert. Die Liberalisierung der Märkte birgt Chancen und Herausforderungen, denen sich das ma- rokkanische Volk stellen muss. Die Anforderungen bezüglich Sicherheit und Qualität der erzeugten Produkte sind auf dem europäischen Markt höher und werden erst allmählich erreicht. Bezüglich Innovationsfähigkeit stellt das vergleichsweise geringe Bildungsni- 79

HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate veau ein großes Hemmnis dar: Ungefähr 40 % der über 15-Jährigen Marokkaner sind Analphabeten. Hiervon sind mehrheitlich Frauen auf dem Land betroffen. Viele Marokkaner leben im europäischen Ausland, 1,2 Millionen in Frankreich, circa 750.000 in Spanien und 500.000 in Italien. Kleinere Gemeinden gibt es in vielen weite- ren europäischen Mitgliedsstaaten, unter anderem in Deutschland wo circa 130.000 Menschen marokkanischer Abstammung leben. Viele dieser Arbeitsemigranten überweisen einen Teil ihrer Einkünfte in die marokkanische Heimat und unterstützen damit ihre Familien. Diese Gelder unterstützen die marokkanische Wirtschaft in erhebli- chem Maße.

6. Beziehungen zwischen Marokko und Deutschland Die Beziehungen zwischen Marokko und Deutschland sind traditionell gut und vertrau- ensvoll. Beide Länder stehen seit 1956 in diplomatischen Beziehungen. Marokko zählt aus deutscher Sicht zu den Ländern, die zur Stabilisierung und Entwicklung in Nordafrika beitragen und unterstützt werden. Das Ziel ist, Ländern wie Marokko gezielt bei ihrem Transformationsprozess durch Wirtschaftsförderung und mit Programmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu helfen. Im Jahr 2013 wurde hierzu die „Er- klärung von Rabat“ in Kraft gesetzt, welche die Beziehungen in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur und Entwicklungszusammenarbeit würdigt und festlegt, in welchen Sektoren Deutschland und Marokko in Zukunft noch besser zusammenarbeiten wollen. Hauptaugenmerk der zukünftigen Zusammenarbeit liegt auf der Umwelt, der Energie und der Wissenschaft. Marokko ist aufgrund seiner Verlässlichkeit und politischen Sta- bilität ein wichtiger Partner der Zusammenarbeit Deutschlands mit der Region Nordafri- ka. In der marokkanischen Handelsbilanz 2013 belegte Deutschland den 7. Platz und ist somit ein wichtiger Handelspartner für das nordafrikanische Land. Deutschland hat im Jahr 2013 Waren im Wert von 885 Millionen Euro aus Marokko eingeführt und Waren im Wert von 1.630 Millionen Euro ausgeführt. Der deutsche Überschuss betrug somit im Jahr 2013 775 Millionen Euro. Deutsche Industriegüter, die nach Marokko exportiert werden, kommen hauptsächlich aus den Branchen Chemie, Elektrotechnik, Automobil und Maschinenbau. Es gibt über 120 deutsche Firmen, welche mit Kapitalbeteiligung in Marokko vertreten sind. Hauptsächlich handelt es sich hierbei um Unternehmen aus der Kraftfahrzeug- Zulieferindustrie, der Elektrotechnik, dem Bereich der erneuerbaren Energien, dem Maschinenbau und der Landwirtschaft. Im Jahr 2012 wurde eine deutsch- marokkanische Energiepartnerschaft vereinbart. Ziel ist eine intensivere Zu- sammenarbeit zwischen dem deutschen Bundeswirtschaftsministerium und dem ma- rokkanischen Energieministerium. Die deutsch-marokkanische Entwicklungszusam- menarbeit besteht vor allem auf den drei Bereichen erneuerbare Energien, nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Nutzung und Management von Wasserressourcen und ist angelehnt an die Entwicklungsstrategie der europäischen Gemeinschaft für Marokko. Sie ist ein wichtiger Baustein in den Beziehungen beider Länder. Marokko ist neben Ägypten der größte Empfänger deutscher Fördermittel in Nordafrika und dem Nahen Osten. Für die Jahre 2014 und 2015 wurden 360,6 Mio. Euro in Form von Darlehen zu- gesagt. Ziel der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ist es, Marokko bei einem ressourceneffizienten, sozial und ökologisch ausgewogenen Wirtschaftswachstum zu unterstützen.

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6.1. Wassermanagement Die effiziente und umweltschonende Nutzung der vorhandenen Wasserressourcen ge- hört zu den großen Herausforderungen, denen Marokko gegenübersteht. Die Trink- wasserressourcen in den Ballungsgebieten sind aufgrund fehlender Kläranlagen oft verschmutzt und müssen durch ein besseres Grundwassermanagement geschützt wer- den. Außerdem ist die Entsorgung der privaten und gewerblichen Abwässer in den Städten ein großes Problem. Mit deutscher Hilfe wurde in den vergangenen Jahren der Anschlussgrad der städtischen Bevölkerung bei der Trinkwasserversorgung von 80 auf fast 100 % erhöht. Im ländlichen Raum haben nach wie vor über 10 % der Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Darum ist ein weiterer Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit zwischen Deutschland und Marokko die ländliche Trinkwasserversorgung. Es werden (und wurden) Trinkwassernetze, Wasseraufberei- tungs- und Kläranlagen gebaut, instand gesetzt und finanziert. Bewässerungs- und Abwassersysteme wurden neu gebaut oder wieder instand gesetzt. 29 Städte mit insgesamt 1,25 Millionen Einwohnern sollen bis 2017 mit einem funktionierenden Ab- wassermanagementsystem ausgestattet werden.

6.2. Erneuerbare Energien Marokko besitzt wenige natürliche Rohstoffe zur Energiegewinnung, weshalb ein Großteil zur Stromerzeugung aus dem Ausland importiert werden muss. 95% der Ener- gie musste im Jahr 2011 importiert werden. Enormes Potential bietet Marokko hingegen beim Ausbau von erneuerbaren Energien. Das Land gilt inzwischen als Vorreiter bei der Umsetzung von Projekten zur Gewinnung von regenerativer Energie im nördlichen Afrika. Bislang ist Marokko aufgrund fehlen- der natürlicher Ressourcen zur Energiegewinnung auf Importe angewiesen und somit massiv abhängig von den Weltmarktpreisen für Öl, Gas und Kohle. Der größte Teil des Energiebedarfs wird momentan durch den Import von Strom aus Spanien abgedeckt. Doch die Potentiale, welche Marokko aufgrund seiner geographischen Lage zwischen Atlantik und Sahara für Wind- und Sonnenkraft besitzt, werden inzwischen von der ma- rokkanischen Regierung wahrgenommen und gefördert. Dies ist aufgrund des stetig steigenden Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum, was einen wachsenden Energie- bedarf zur Folge hat, auch unbedingt erforderlich. Erneuerbare Energien und Energieef- fizienz sind deshalb die wichtigsten Grundsätze der neuen nationalen Energiestrategie, die bis 2030 umgesetzt werden soll. Schon bis zum Jahr 2020 sollen nach Plänen der Regierung 42 % der Stromerzeugung aus regenerativen Energien aus dem eigenen Land kommen. Zu diesem Zweck sollen bis 2020 je 2 Gigawatt Solar-, Wind- und Was- serkraft errichtet werden. Perspektivisch ist Marokko in der Lage, bei entsprechendem Netzausbau Strom aus erneuerbaren Energien nach Europa zu exportieren und somit die Wirtschaftsleistung erheblich zu erhöhen. Dies ist sicherlich einer der Gründe, wes- halb Deutschland Marokko beim Ausbau seiner Pläne im Energiesektor mit Finanzmit- teln und technischen Know-how unterstützt. Bei der Windkraft zum Beispiel hat die deutsch-marokkanische Entwicklungszusammenarbeit in jüngster Vergangenheit erfolg- reiche Arbeit geleistet: Deutschland hat vor über zehn Jahren den ersten Windpark in Marokko finanziert und treibt den Bau neuer Anlagen durch zinsgünstige Darlehen an. Auch der Aufbau von Solaranlagen sowie von Solar- und Wasserkraftwerken wird von Deutschland gefördert. Die deutsche Regierung unterstützt den Bau des weltweit größ- 81

HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate ten Solarkraftwerk-Komplexes in der Region Ouarzazate in der Wüste Marokkos mit einem Kredit über 654 Millionen Euro. Mit der Umsetzung dieser innovativen Technolo- gien wird es Marokko ermöglicht, einen großen Schritt in Richtung einer klimafreundli- chen und nachhaltigen Energieversorgung zu machen. Jährlich können nach Fertigstel- lung durch den Solarkraftwerk-Komplex Ouarzazate etwa 800.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr eingespart und maßgeblich zur Umsetzung des Marokkanischen Solarplans beigetragen werden, der die Errichtung von 2 Gigawatt Solarenergie bis 2020 vorsieht. Nach Fertigstellung soll der gesamte Kraftwerkskomplex eine installierte Leistung von 570 Megawatt haben und dann Energie für etwa 530.000 Menschen erzeugen.

7. Migration und Flüchtlingssituation Die Flüchtlings- und Migrationsthematik in Marokko muss grundsätzlich unterschieden werden in Migration marokkanischer Staatsbürger nach Europa und die teilweise wag- halsigen Unternehmungen der Flüchtlinge aus Sub-Sahara-Afrika, die über Marokko nach Europa drängen.

7.1. Migration der Marokkaner Marokko ist eigentlich ein Auswanderungsland. Durch die geographische Nähe zu Eu- ropa, aber auch durch die geopolitische Position und die engen Kontakte zur EU leben viele Migrant/innen mit marokkanischem Hintergrund in Europa (ca. 3 Mio.). Das hat für Marokko insbesondere wirtschaftliche Folgen, belaufen sich die Überwei- sungen der in Europa Lebenden Marokkaner doch auf rund 5 Mrd. Euro pro Jahr und stellen damit eine erhebliche Säule der marokkanischen Wirtschaft dar.

7.2. Auf dem Weg nach Europa Doch neben der Migration der marokkanischen Bevölkerung ist Marokko auch ein so- genanntes Transitland für Flüchtlinge aus ganz Afrika, die hoffen, von hier nach Europa zu gelangen. Zentraler Anlaufpunkt der Flüchtlinge sind die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla. Die zwei Exklaven sind per Land lediglich auf marokkanischem Boden zu erreichen, werden jedoch seit Juni 2014 von einem bis zu 7m hohen Zaun abgeschirmt. 2014 sind laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR über 5000 Menschen illegal in diesen Exklaven angekommen. Anfang 2015 stürmten mehr als 600 Flüchtlinge die Zäune, nur 35 erfolgreich. Die faktische Unüberwindbarkeit der teilweise bis zu 7m hohen Stacheldrahtzäune bringt viele Flüchtlinge dazu, eine gefährliche Reise über das Meer zu versuchen oder monatelang in den die Exklaven umgebenden Wäldern zu hausen, um auf eine ent- sprechende Gelegenheit zu hoffen. Immer wieder werden die teils primitiven Zeltlager dabei von marokkanischen Sicherheitskräften zerstört und ihre Bewohner vorüberge- hend festgenommen. Das führt dazu, dass immer mehr Migranten versuchen, sich in den Städten Marokkos durchzuschlagen.

7.3. Gestrandet in Marokko Den Traum von Europa geben sie dabei nicht immer auf und versuchen ihr Glück später oft erneut. Für die, die sich entschließen in Marokko zu bleiben sind die Bedingungen mit oft erniedrigenden Polizeikontrollen, offenem Rassismus und vielfältiger Diskriminie-

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate rung jedoch alles andere als angenehm. Allein im Jahr 2014 sind rund 30.000 Flüchtlin- ge im Marokko gestrandet. Nach einem bis heute unaufgeklärten Todessturz eines Flüchtlings aus einem Flüchtlingsgebäude fanden Protestmärsche zahlreicher «Subsa- hariens», wie Schwarzafrikaner in Marokko genannt werden statt. Einzige Reaktion war ein Gegenmarsch empörter Bürger, welche die illegal anwesenden Schwarzen für viele Übel verantwortlich machten. Doch Todesfälle der Flüchtlinge kommen, wie auch Ab- schiebung von Migranten nach Algerien, immer wieder vor.

Nach massiver Kritik an der marokkanischen Regierung durch die UNO, die staatliche Menschenrechtskommission und schlussendlich auch durch den König wurde ein Maß- nahmenkatalog zur Besserung der Flüchtlingssituation vorgestellt. Dieser sah unter an- derem vor, Niederlassungsbewilligungen unter bestimmten Voraussetzungen an Asyl- bewerber und Migranten zu erteilen, eine Beratungs- und Informationsstelle für Migran- ten und eine nationale Rekurskommission zu schaffen, deren Umsetzung 2014 begann. So erhalten Asylbewerber, die vom Uno-Flüchtlingshilfswerk anerkannt worden sind Papiere. Migranten, die entweder in einer Ehe mit einem/r Marokkaner/in sind, einen Arbeitsvertrag seit zwei Jahren besitzen oder nachweislich seit mindestens fünf Jahren in Land leben können ebenfalls eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Seit 2014 haben Flüchtlinge die Möglichkeit sich registrieren zu lassen und dadurch eine einjähri- ge Aufenthaltsgenehmigung, die bei Nachweis einer Arbeit verlängert werden kann zu erhalten. In dieser Zeit haben die Migranten Anspruch auf Sozialleistungen. Eine theo- retisch hoffnungsstiftende Regelung, die jedoch bei den Migranten kaum bekannt ist und durch Mangel an Arbeit meist zunichte gemacht wird.

Und es gibt weitere Kritik an der neuen Asylpolitik, denn die behördlichen Kriterien führ- ten dazu, dass die Migranten, die am stärksten des Schutzes bedürften – etwa Men- schen ohne Arbeitsvertrag und in prekären Wohnverhältnissen – von den Neuerungen gar nicht profitieren könnten. Gleichzeitig gehen Behörden und Sicherheitskräfte mit großer Härte gegen die sich irregulär im Land aufhaltenden Flüchtlinge vor. Es kommt zu Razzien und Zerstörungen in und von illegalen Lagern und auch in Marokko gibt es Planungen zu Grenzzäunen. Kritiker beobachten eine Zweiteilung der Migrationspolitik in Marokko. Auf der einen Seite werden Migranten, die in Marokko bleiben wollen und entsprechende Voraussetzungen erfüllen (siehe oben) begünstigt, auf der anderen Sei- te werden die „Durchreisenden“, deren eigentliches Ziel Europa ist noch massiver aus- gegrenzt und abgeschoben – ganz im Interesse der EU, die damit die Grenze für die Flüchtlinge auslagert.

So haben Marokko und die EU auch ein Partnerschaftsabkommen geschlossen, wel- ches Marokko dazu verpflichtet, die enormen Flüchtlingsströme insbesondere in die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla zu stoppen und noch weit vor Europa abzufan- gen. Im Gegenzug erhält Marokko EU-Zahlungen – zwischen den Jahren 2007 und 2010 rund 68 Millionen Euro. Außerdem soll das Abkommen marokkanischen Staats- bürgern erleichtern, Visa und Arbeitsgenehmigungen für die EU zu erhalten. Ein Rück- nahmeabkommen zwischen der EU und Marokko, das es Europa erleichtern soll, Flüchtlinge systematisch nach Marokko abzuschieben, liegt seit mehreren Jahren auf dem Tisch. Bislang hat Marokko es noch nicht ratifiziert. 83

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Die Flüchtlingssituation spitzt sich in den letzten Jahren immer mehr zu. Neueste Ereig- nisse und Katastrophen zeigen wie dringlich die Lage ist und zeigen auf, wie sehr tief- greifende und sinnvolle Lösungsansätze gebraucht werden.

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Der Islam und seine spezifische Form in Marokko. Hatte der „Arabische Frühling auch Auswirkungen auf Marokko? von Eva Schlichtig und Kim Binder

Inhalt: 1. Grundlagen des Islam 1.1 Entstehung des Islam 1.2 Glaubensrichtungen 1.3 Fünf Säulen des Islam 2. Religionen In Marokko 3. Einfluss des Islam in Marokko 3.1 Bedeutung für den Alltag 3.2 Einfluss auf das Regierungssystem 3.3 Rechtliche Spannungsfelder 4. Arabischer Frühling 4.1 Politische Entwicklung in der arabischen Welt 4.2 Einfluss auf Marokko 5. Quellenverzeichnis

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1. Grundlagen des Islam Der Islam gilt, ausgehend von der Zahl seiner Anhänger, als zweitgrößte Religion der Welt. Sie werden als Muslime oder fälschlicherweise auch als Mohammedaner be- zeichnet1. Das arabische Wort „Islam“ bedeutet so viel wie „Erlangung von Frieden durch Unterwerfung unter Allah". Das Wort Muslim wird abgeleitet vom Substantiv Islam und bedeutet somit "jemand, der durch seine Unterwerfung unter Allah zu vollkomme- nem Frieden gelangt ist“. Der Islam gilt für die Muslime als ewig gültige Botschaft, die Allah den Propheten aufgetragen hat2.

1.1. Entstehung des Islam Der Hinduismus und die japanische Naturreligion Shintoismus sind die einzigen Religi- onen, die nicht mit auserwählten Personen beginnen. Im Buddhismus gelangte Siddhar- ta Gautama durch Askese und Meditation zur Erleuchtung und auch das Judentum kennt mehrere Gründer (Abraham, Isaak und Jakob). Hinzu kommt Moses, der die Hei- lige Schrift der Juden, die Thora, von Gott entgegennimmt. Und auch für die Christen gibt es mit Jesus von Nazareth einen göttlichen Messias. Der Islam gründet sich auf den Offenbarungen des Propheten Mohammed, der in Mek- ka und Medina lebte und im Laufe seines Lebens immer wieder Botschaften von Gott empfing. Im Koran sind diese Offenbarungen (Suren) gesammelt3. Der Islam hat seinen Ursprung auf der arabischen Halbinsel, ein Wüsten- und Steppen- gebiet, das hauptsächlich von Nomaden bewohnt war. Arabien war damals kein verei- nigtes Reich sondern eine reine Stammesgesellschaft, die vom Gegensatz der Sesshaf- ten und den Nomaden geprägt war. Mekka hat sich aufgrund seiner günstigen Lage zu einer Handelsmetropole entwickelt4. Die Geschichte des Islams beginnt mit dem Berufungserlebnis Mohammed am Berg Hira in der Nähe von Mekka, bei dem er vom Engel Gabriel einen Verkündungsauftrag erhielt. Die neue Religion verbreitete sich aber zunächst nur im familiären Umfeld Mo- hammeds. Zu seinen Anhängern zählten seine Frau, sein Cousin, sein Sklave, sein vä- terlicher Onkel und ein älterer Bruder. Erst drei Jahre später begann er öffentlich zu predigen. Al-Arqam, ein einflussreicher, junger Mann, stellte sein Haus, das sich in der Mitte von Mekka befand, Mohammed zur Verfügung. Jedoch fand die verkündete Bot- schaft nur wenig Anhänger, weshalb viele Muslime sich gezwungen fühlten, Mekka zu verlassen. Nach dem Tod seines Onkels verlor Mohammed so sehr an Ansehen, dass er sich nach externen Verbündeten umsehen musste. Im nördlich gelegenen Yathrib (heute Medina) fand er weitere Anhänger und wurde zur Umsiedlung in die Stadt eingeladen. Diese Auswanderung von Mohammed und seinen Anhängern ging als Hidschra in die Ge- schichte ein und gilt als erstes Jahr der islamischen Zeitrechnung. In Yathrib begann dann auch die militärische und politische Karriere des Propheten. Es gelang ihm alle Juden aus Yathrib zu vertreiben oder zu exekutieren und auch andere arabische Stämme für sich zu gewinnen. Mehrere Kriege führten letztendlich auch zur Einnahme Mekkas durch die Muslime5. Nach dem Tod Mohammeds wird Abu Bakr, als ehemaliger Vertrauter, sein Stellvertre- ter, Kalif. Weitere Kalifen folgen und keine 100 Jahre später spaltete sich der Islam in die Sunniten und Schiiten6.

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Trotz dieses Streits innerhalb der Gemeinde wächst der Einfluss der Muslime. Sie er- obern Damaskus, Jerusalem, Ägypten, Südspanien, Teile Afghanistans und Byzanz (heutiges Istanbul) und wählen dessen Stadtwappen zu ihrem Symbol: den Halbmond, genannt Hikal. Die Eroberer üben aber Toleranz gegenüber den Andersgläubigen, denn Juden und Christen dürfen - gegen Zahlung einer gewissen Summe - ihren Glauben behalten7.

1.2. Glaubensrichtungen Der Islam ist eine absolut monotheistische Religion, die sich deutlich vom Polytheismus und der Trinität im Christentum unterscheidet. Er weist außerdem das Konzept einer Inkarnation Gottes zurück, da dieses dem Konzept Gottes Schranken auferlegt und so- mit der dynamischen Existenz widerspricht8. Es haben sich im Laufe der Geschichte innerhalb des Islams zahlreiche Gruppen her- ausgebildet, die sich in ihren politischen und religiösen Lehren unterscheiden. Die wich- tigsten und größten sind die Charidschiten, die Schiiten und die Sunniten, jedoch gibt es noch zahlreiche andere Glaubensrichtungen.

Abbildung 1: Religiöse Verteilung http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/e0/Islam_by_country.svg/2000px- Islam_by_country.svg.png

Grün: Anteil der Sunnitischen Bevölkerung im jeweiligen Land Rot: Anteil der Schiitischen Bevölkerung im jeweiligen Land

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Charidschiten: Die Charidschiten lehnen die Herrschaft des vierten Kalifen Ali Abi Talib ab. Sie fordern, dass der beste Muslim das Amt dem Kalifen erhalten soll und die Amtsvergabe nicht abhängig von seiner Herkunft ist. Die gemäßigte Richtung, die Ibatiten, sind bis heute mit ca. zwei Millionen Anhängern, hauptsächlich auf der Insel Djerba, im Oman und dem algerischen Teil der Sahara, vertreten9.

Schiiten: Die Schiiten sehen in Mohammeds Schwiegersohn und Vetter, Ali Abi Talib, seinen rechtmäßig vorbestimmten Nachfolger. Nach schiitischem Glauben kann die Nachfolge nur von einem Nachfahren Alis oder einem Imam erfolgen. Dieser Glaube entwickelte sich nach Mohammeds Tod und der Frage, wer seine Nachfolge antreten sollte. Die Mehrheit der Muslime war dafür einen Nachfolger zu ernennen, wohingegen eine Min- derheit diese Entscheidung ablehnte. Während es bei den Sunniten keinen geistlichen Führer mehr gibt, spielt bei den Schiiten der Imam eine wichtige Rolle. Er ist die unbe- strittene religiöse Autorität und hat dadurch eine große weltliche Macht3.

Sunniten: Die Sunniten repräsentieren eine Richtung des Islam, die auf das von Abu Bakr ge- gründete Kalifat zurückzuführen ist. Dieser wurde nach dem Tod Mohammeds zum neuen Führer der Muslime gewählt. Er war der Schwiegervater und langjähriger Freund des Propheten. Heute ist die überwiegende Mehrheit (ca. 85%) der Muslime Sunniten7. Die Sunniten haben damals Abu Bakr als Nachfolger akzeptiert. 1924 wurde das Kalifat abgeschafft und seither gibt es bei den Sunniten keine anerkannte religiöse Autorität mehr (anders als bei den Schiiten)3.

1.3. Die fünf Säulen des Islam

Abbildung 2: Fünf Säulen des Islam http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commo ns/thumb/5/50/F%C3%BCnf_S %C3%A4ulen_des_Islam.svg/2000px- F%C3%BCnf_S%C3%A4ulen_des_Islam.svg .png

Die fünf Säulen des Islam sind die wichtigsten Regeln für einen Moslem. Sie setzen sich aus dem öffentlichen Glaubensbekenntnis, dem täglichen rituellen Gebet, der sozi- alen Spende, dem Fasten während des Ramadan und der Wallfahrt nach Mekka zu- sammen. Sie zu befolgen ist für jeden gläubigen Moslem eine Selbstverständlichkeit. Das Glaubensbekenntnis:

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Das öffentliche Aussprechen des Glaubensbekenntnisses (auch „shahada“ genannt) ist die erste der fünf Säulen. "La ilaha illa Allah wa Muhammad rasul Allah" heißt so viel wie "Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet". Diese Formel ist Bestandteil jedes rituellen Gebets und soll mit Überzeugung aufgesagt werden, da es das Zugehörigkeitsgefühl zum Islam deutlich macht.

Das Gebet: Fünfmal sollte ein Moslem am Tag beten. Vor Sonnenaufgang, am frühen Vormittag, am Mittag, vor Sonnenuntergang und vor Mitternacht. Es ist aber in Ausnahmefällen, zum Beispiel auf Reisen, gestattet, das Mittags- und das Nachmittagsgebet sowie das Abend- und Nachtgebet zusammenzulegen, sodass nur dreimal täglich gebetet werden muss. Muslime beten in Richtung Mekka, wobei jedes Gebet nicht länger als ein paar Minuten dauert.

Das Fasten: Während des Monats Ramadan soll ein Muslim etwa 30 Tage Fasten. In diesem Monat ist der Koran als Rechtleitung für die Menschen gesandt worden und er hat deshalb eine große Bedeutung für jeden Muslim. In diesem Monat der Einkehr und Besinnung ist es nach Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang verboten zu essen, zu trinken, zu rauchen oder Geschlechtsverkehr zu haben. Am Ende des Monats Ramadan wird eines der wichtigsten Feste im Islam gefeiert, nämlich das Zuckerfest.

Soziale Pflichtabgabe: Das „Zakat“ ist eine weitere der fünf Säulen. Dabei handelt es sich um eine Spende, die jeder Muslim, sofern er nicht selbst hoch verschuldet ist oder am Existenzminimum lebt, aufbringen soll. Dabei handelt es sich in der Regel um 2,5% des „ruhenden Netto- Kapitalvermögens“, wie zum Beispiel Schmuck, Bargeld oder Mieterträge. Diese Pflich- tabgabe soll vorrangig an arme Menschen gehen, kann allerdings auch für Werbung für den Islam verwendet werden. Sie ist ein wichtiger Bestandteil in der muslimischen Ge- meinschaft, da sie jedem Mitglied die Lebensgrundlage sichert und die Spende als eine Art Reinigung gesehen wird.

Die Pilgerfahrt nach Mekka: Jeder Muslim soll einmal im Leben eine Pilgerfahrt nach Mekka machen, sofern er kör- perlich und finanziell dazu in der Lage ist. Aus diesem Grund treffen sich jedes Jahr im zwölften Monat des islamischen Kalenders bis zu drei Millionen Muslime, die gemein- sam die Kaaba umrunden. Um finanzielle Unterschiede nicht zu zeigen, tragen die Männer während der Pilgerfahrt besondere Kleidung. Hadschi ist ein Ehrentitel für die, die die Reise absolviert haben. Die abschließende Feier ist das wichtigste Fest im Is- lam10.

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Abbildung 3: Pilgerfahrt nach Mekka http://upload.wikimedia.org/wik ipe- dia/commons/3/3f/A_packed_ house_-_Flickr_- _Al_Jazeera_English.jpg

2. Religionen in Marokko Bevor Ende des 8. Jahrhunderts Idriss I von Fès sein „arabisches Reich“ gründete, be- wohnten vor allem jüdische und christliche Berberstämme das Gebiet des heutigen Ma- rokkos. Nach der Gründung regierte er nur über wenige Araber, aber es nahmen schnell viele jüdische und christliche Berber den islamischen Glauben an. Während das Christentum bis zum 11. Jahrhundert praktisch erlosch, erwies sich das Judentum als deutlich zäher. Zehntausende behielten ihren Glauben, obwohl sie verachtet und be- drängt wurden. Allerdings wanderte nach dem Zweiten Weltkrieg der Großteil der jüdi- schen Bevölkerung nach Israel aus11. Heute leben noch ca. 8000 Juden in Marokko, was nur 0.2% der Bevölkerung ent- spricht. Es bekennen sich ca. 1,1% der Einwohner zum Christentum, die meisten sind Katholiken. Mit fast 99% überwiegt die islamische Bevölkerung aber ganz klar. In Ma- rokko wird die Sunnitische Glaubensrichtung gelebt12. Konvertierungen im Land vom Islam zum Christentum oder Judentum kommen aller- dings sehr selten vor, obwohl es gesetzlich nicht verboten ist. Jedoch sind sozialer Druck und gesellschaftliche Isolation oft die Folge einer Konvertierung. Offiziell verboten und unter Strafe gestellt ist aber das Missionieren unter Muslimen, dazu gehört auch das Verteilen von christlicher Literatur12.

3. Einfluss des Islam in Marokko 3.1. Bedeutung für den Alltag Der Islam ist in Marokko nicht nur Religion sondern Gesellschaftsordnung. Die Gesetz- gebung sowie das Staatswesen sind somit tief mit dem Islam verwurzelt. Die Religion bestimmt das Leben der Marokkaner somit in vielen Bereichen. Das Verbot von Alkohol, Glücksspiel oder dem Verzehr von Schweinefleisch zeigt den Einfluss des Islams im Land. Auch für Touristen ist es somit schwer beispielsweise Alkohol zu kau- fen, da nur lizensierte Geschäfte in größeren Städten diesen verkaufen dürfen.

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Der Glaube wird in Marokko aber mit unterschiedlicher Intensität gelebt und gilt somit als vergleichsweise tolerantes islamisches Land. Größere Hotels oder Diskotheken sind aber meist auf die Bedürfnisse der Europäer ausgelegt13. Auch bezüglich der Kleidung gibt es eine große Vielfalt. Während das traditionelle bo- denlange Kapuzengewand „Djellaba“ sehr weit verbreitet ist, tragen auch immer mehr Marokkanerinnen ein Kopftuch. Aber auch körperbetonte Kleidung kann man immer häufiger sehen und die Marokkaner sind gegenüber westlichen Touristen sehr tolerant. Jedoch sollte man sich bewusst sein, dass die Mehrheit der Marokkaner sehr konserva- tiv ist und Wert auf islamische Tradition legt. Man sollte deshalb Kleidung wählen, die Knie und Oberarme bedeckt11.

3.2. Einfluss des Islam auf das Regierungssystem Um zu verstehen, welchen Einfluss der Islam auf die Politik in Marokko hat ist es wichtig einen Einblick in die Regierung und die Beziehung des Volkes zu ihrer Regierung zu bekommen. Marokko wird von einem König regiert. Seit 1999 ist dies König Mohammed VI. Das Oberhaupt der konstitutionellen Monarchie wird durch die Blutslinie bestimmt. Es han- delt sich folglich um eine Erbmonarchie. Seit dem 17. Jahrhundert stammt der König von der Dynastie der Alaouiten ab. Die Alaouiten sind Sunniten und somit ist ihre Reli- gion der Islam. Der König ist ein direkter Nachfahre vom Propheten Mohammed. Sultan Mohammed Ben Jussuf wurde 1955, als Mohammed V, erster König im von Frankreich unabhängigen Marokko und trug dazu bei, dass das Protektorat aufgehoben wurde. Noch heute hat das Volk eine besondere Hochachtung vor ihrem König, da die- ser das Land als Anführer des Widerstandes in die Unabhängigkeit führte. In Marokko haben besonders drei Dinge eine hohe Bedeutung: Allah, das Vaterland und der König, der selbst der Religion des Islams zugehörig ist. So sah es auch Hassan II (Nachfolger und Sohn von Mohammed V) als seinen Auftrag den islamischen Glauben seines Vol- kes zu bewahren. Somit versteht sich das politische gleichzeitig als religiöses Ober- haupt Marokkos. Die Monarchie unter einem islamischen König wurde besonders ge- prägt durch die Kolonialzeit und als Garant für ein stabiles Marokko gesehen. Die Unan- tastbarkeit und Macht des Königs ist durch die Verfassung gesichert. Artikel 23 besagt, dass die Person des Königs unangreifbar und heilig ist. In Artikel 19 steht geschrieben, dass der König als höchster Vertreter der Nation, Symbol ihrer Einheit, Garant ihres Fortbestandes über die Achtung des Islams und der Verfassung wacht. Weiter wird ausgesagt, dass die einzige Machtbeschränkung des Königs der König selbst ist. Seit der neuen Reform von 1996 ist die Macht des Königs etwas gelockert, indem die Kontrollfunktion des Parlamentes gegenüber der Regierung gestärkt wurde. Weiterhin jedoch hat der König alle Zügel in der Hand, da er als Oberhaupt der Streitmacht fun- giert, das Parlament jederzeit auflösen darf, den Gesetzen, die vom Parlament verab- schiedet werden zustimmen muss und den Ministerpräsidenten ernennt, der das politi- sche Tagesgeschehen führt.14 Artikel 6 nennt den Islam als Staatsreligion. Auch wenn in Marokko das Rechtssystem säkular ist, erkennt man islamischen Einfluss im Privatrecht. Scharia, nennt sich das islamische Recht, das auf dem Koran und den Überlieferungen Mohammeds basiert15. Somit kommt es zu einigen Spannungsfeldern bezüglich verschiedener Rechtssysteme.

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3.3. Rechtliche Spannungsfelder16 Menschenrechte: König Mohammed VI unterstützt viele soziale Projekte. Es wird vermutet, dass er dies in besonderem Maße an die Öffentlichkeit bringt, um die tatsächlichen Missstände, die in Marokko herrschen zu verschleiern. Mit dem Ende der „bleiernen Jahre“ (gemeint ist die Zeit zwischen Unabhängigkeit 1956 und Tod König Hassan II 1999) sind auch die Men- schenrechtsverletzungen zurückgegangen. Trotzdem wird die Todesstrafe noch immer verhängt, wenn auch nicht mehr vollstreckt.17

Religionsfreiheit: 1977 unterzeichnete Marokko den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR). Hierbei handelt es sich um eine völkerrechtliche Selbstverpflichtung, deren Verstoß demnach nicht strafrechtlich verfolgt wird. In Artikel 18 wird jedem die Freiheit gewährt, seine Religion oder Weltanschauung frei zu wählen und diese in Ge- meinschaft oder alleine auszuüben. Auch in Artikel 3 der Verfassung von 2011 wird von einer freien Religionsausübung gesprochen, neben der der Islam jedoch eine Vorrang- stellung hat. Dies wirkt sich auch auf den Religionsunterricht aus, da sowohl muslimi- sche als auch nicht muslimische Schüler Koranverse auswendig lernen müssen. Nicht- muslimische Religionsgemeinschaften haben kein Recht einen eigenen Religionsunter- richt anzubieten. Marokko zwingt seine Staatsbürger zur Preisgabe ihrer Religionszu- gehörigkeit und wenn es zu einem Wechsel kommt. Dies wird im Personalausweis ein- getragen. Wie bereits erwähnt unterstehen diese Menschen einem sozialen und psychi- schen Druck. Der auch in körperlicher Gewalt münden kann. Ein Konvertieren ist nicht erwünscht, weswegen auch missionarische Tätigkeit untersagt ist. So wird zum Beispiel auch die muslimisch Christliche Kirche nicht anerkannt.18 2014 stand Marokko auf dem 47. Platz des Weltverfolgungsindex für Christen. Im Vergleich zu anderen Ländern, in denen es eine islamische Regierung gibt hält sich die Verfolgung in Grenzen. Viele Christen sind jedoch besorgt, dass sich die Lage in Marokko verschlechtern wird.19

Frauenrechte: 2012 sorgte der Selbstmord eines 16-jährigen Mädchens für Unruhen in Marokko. Das Mädchen war vergewaltigt worden und kurze Zeit später folgte die Hochzeit mit ihrem Peiniger, da dies nach Artikel 475 des marokkanischen Strafgesetzbuchs von 1963 als Möglichkeit der „Wiedergutmachung“ galt. Schon viel früher forderten islamische Feministinnen eine Reform der Verfassung mit Beibehaltung der Scharia, allerdings losgelöst vom männlich dominierten Bild.20 Dies sollte dazu beitragen den Frauen in Marokko mehr Rechte zu verleihen. Die Forderun- gen waren erfolgreich, da 2004 Änderungen im Familienrecht vorgenommen wurden. Demnach dürfen sich Frauen scheiden lassen und haben sogar die Chance das Sorge- recht für ihre Kinder zu bekommen.21 Vielen Frauen sind die Gesetzesänderungen nicht bekannt22 und selbst wenn sie die Courage zeigen vor Gericht zu gehen führt Korrupti- on und der hohe Anteil männlicher, muslimischer Richter zu Problemen.21 Nach Artikel 490 wird eine Freiheitsstrafe zwischen einem Monat und einem Jahr für den verhängt, der unrechtmäßigen Geschlechtsverkehr hat. Diese Strafe wird allerdings meist für die Frauen und nicht für die Männer vollstreckt.

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Trotz Änderungen und Einschränkungen im Familienrecht, gibt es noch immer kein Ge- setz gegen Gewalt in der Ehe23, so fallen noch immer 6 Millionen (ein Drittel aller) Frau- en regelmäßig häuslicher Gewalt zum Opfer, die durch den eigenen Ehemann ausgeübt wird.21 Das Heiratsalter von jungen Frauen liegt nach dem es von 14 auf 18 Jahre er- höht wurde nun wieder bei 16 Jahren22. Wenn durch Ehefrau und Richter zugestimmt darf noch immer Polygamie ausgeübt werden. Trotz dem hohen Analphabeten-Grad unter den Frauen in Marokko und dem geringen Zugang zu Bildung, vor allem für Frau- en im ländlichen Raum24 haben sich Frauengruppen gebildet, die den mangelhaften Unterstützungen des Staates entgegen wirken wollen. Durch Spenden können so Frau- enhäuser, die generell nicht vom Staat unterstützt werden, betrieben werden. Die auf- genommenen Frauen sind meist auf der Flucht vor ihren Ehemännern.22 1993 unterzeichnete Marokko eine UN-Konvention zur Eliminierung aller Formen von Diskriminierung gegen Frauen (CEDAW). Dagegen steht allerdings die muslimische Identität des Staates, demnach der Frau andere Rechte wie dem Mann zugesprochen werden. Sollte man sich also nicht viel mehr mit den Frauenrechten im Islam auseinan- dersetzen? So können Töchter nach islamischem Recht nur halb so viel erben wie ihre Brüder. Ein Mitglied der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD), die nach dem Arabi- schen Frühling einen großen Teil des Parlaments stellten forderte, dass sich die von der Verfassung garantierte Gleichbehandlung von Mann und Frau vor allem auf Ebene der Menschenrechte belaufen soll. Dabei sollten nicht die von der Gesellschaft gewohnten Rollen und Geschlechter vermischt werden. Einige Frauen, wenn auch wenige studie- ren und sind in der Politik tätig. 10% der Plätze im Parlament sind für Frauen reser- viert.24

4. Arabischer Frühling

4.1. Politische Entwicklung in der arabischen Welt Der Arabische Frühling begann im Dezember 2010 mit einer Revolution in Tunesien und breitete sich von dort in die arabische Welt aus. Diese übergreift die Maschrek (arabische Halbinsel) und den Maghreb (Nordafrika). Die Aufstände und Proteste wur- den meist von jungen Erwachsenen gestartet, die mit der sozialen und wirtschaftlichen Lage des Landes unzufrieden waren. Durch im Internet veröffentlichte Kurzfilme und Fotos bildete sich ein Zusammenhalt unter den jungen Erwachsenen in der arabischen Welt, wodurch sich die Hoffnung auf Veränderung verbreitete. Soziale Netzwerke, wie Facebook oder Twitter halfen zur Absprache und Organisation unter den Demonstran- ten. Vor allem der Fernsehsender Aljazeera, der seinen Sitz in Doha (Saudi-Arabien) hat berichtete rund um die Uhr weltweit von Aufständen und Menschenrechtsverletzun- gen.25 Dadurch begannen viele junge Leute die Situation in Tunesien und anderen Län- dern von denen berichtet wurde mit der Situation in ihrem eigenen Land zu vergleichen. Auch in Europa konnte die Situation verfolgt werden. Ziel der Proteste war es die Regierung zu stürzen oder zu einer Reform zu zwingen. Diese sollte Menschenrechte fördern, der Korruption ein Ende machen und die Sozial- leistungen an die Bevölkerung erhöhen. In einigen Ländern ist es gelungen eine Verän- derung und einen Schritt Richtung Demokratie zu gehen. So zum Beispiel in Tunesien, wo nun eine liberale Verfassung veranlasst wurde. In anderen hat sich trotz Aufständen 94

HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate kaum etwas geändert, da das Militär eingriff und es entweder zu einem Bürgerkrieg, wie in Syrien oder zu einer Militärherrschaft wie in Ägypten kam.26

Abbildung 4: Proteste Arabischer Frühling: Thomas Schmid/ Frank Nordhausen (Hg.): "Die arabische Revolution", Ch. Links Verlag, Berlin 2011

4.2. Einfluss auf Marokko Entscheidend für die Art wie sich der Arabische Frühling in den verschiedenen Ländern der arabischen Welt auswirkte ist die Beziehung des Volkes zu ihrem Machthaber. So galten die Präsidenten in Tunesien und Ägypten als Unterdrücker und Symbol-Figuren für Korruption. Wie bereits zu Beginn erwähnt akzeptiert der Großteil der Marokkaner ihren König. Trotzdem nahm der arabische Frühling, wenn auch geringer als in anderen Ländern, Einfluss auf die politische Situation in Marokko. In Marokko können nur unge- fähr 79% der jungen Leute (15-25) lesen. 40% der über 15-Jährigen sind Analphabe- ten.27 Es herrscht auch unter Studierten eine hohe Arbeitslosigkeit von an die 23% und auch Nepotismus und Vetternwirtschaft veranlassen viele junge Marokkaner das Land zu verlassen. Wirtschaftlich ist Marokko das schwächste Land im Maghreb. Durch Ver- städterung und Industrialisierung wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer grö- ßer.26 Ein hoher Anteil junger Menschen in der Bevölkerung und gleichzeitige wirtschaftliche Unsicherheiten und soziale Missstände, all dies sind Voraussetzungen, warum der Ara- bische Frühling an Marokko nicht unbeachtet vorbei ging. Die Unruhen in Tunesien wurden aufmerksam in Marokko verfolgt. So kam es, dass sich am 20. Februar 2011 fünf Marokkaner in Brand setzten, nach dem Beispiel eines tunesischen Obstverkäufers, durch dessen Selbstverbrennung die Revolution in Tunesien in Gang gesetzt wurde. Mit der Gründung des Bewegung des 20. Februar (Mouvement du 20 Février) startete eine Reihe von Demonstrationen an der eine bunte Mischung von Demonstranten teilnahm; darunter sowohl königstreue als auch kritische Parteien. Die Forderungen zielten meist auf eine parlamentarische Mo- narchie, ein besseres Gesundheitssystem, mehr Jobs (auch im öffentlichen Sektor) und weniger Korruption hin. Dabei wurden gewählte Politiker, Mitglieder des Makhzen (der Entourage des Königs) und der Ministerpräsident angegriffen. Der König jedoch stand weiterhin im guten Licht der Marokkaner.

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Schon einige Wochen später (9. März) reagierte dieser auf die ersten Aufstände, indem er eine Verfassungsreform ankündigte. Durch die schnelle Reaktion des Königs und dessen Versprechen umfassender politischer, wirtschaftlicher und sozialer Reformen wurden viele Kritiker optimistisch gestimmt. Nach einer Demonstration, die nach nur wenige Tage von den Polizisten niedergeschlagen wurde schwand die anfängliche Eu- phorie. Daraufhin erhöhten die Demonstranten den Druck auf die Regierungen mit wei- teren Aufständen, die nun friedlich abliefen. Ein Terroranschlag eines radikalen Islamisten im April 2011 stellten die Reformbewe- gungen vorerst in den Schatten, wurden jedoch nach kurzer Zeit fortgesetzt. Vermutet wurde, dass der Anschlag zum Ziel gehabt hätte den politischen Wandel zu dämpfen oder sogar völlig zu stoppen. Neben einem Menschenrechtsrat, der einige politische Vollmacht bekam wurde die Re- gierungsform zu einer konstitutionellen, parlamentarischen und demokratischen Monar- chie umbenannt. Es herrscht nun eine Koalition aus der traditionellen, islamisch orien- tierten PJD und der liberalen PPS (Partei des Fortschritts und des Sozialismus). Durch das schnelle Eingreifen des Königs verliefen die Demonstrationen ruhiger als in den Nachbarländern. Idee war es durch Reformen die Unzufriedenheit des Volkes zu dämpfen. Welche der Reformen effektiv umgesetzt werden, wird die Zukunft zeigen. Worauf es nun ankommt sind die weiteren Bemühungen der Reformer und die Geduld der Demonstranten. Dann wird die Zeit zeigen, welche Schritte Mohammed VI verwirkli- chen wird.28

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Natur- und Umweltschutz in Marokko (u. a. Schutzge- biete, IBA, Ramsar) von Kerstin Bolz und Mona Jogerst

Inhalt: 1. Natur-und Umweltschutz in Marokko 2. Tiere und Pflanzen 3. Schutzgebiete 3.1 Nationalparks 3.2 Biosphärenreservate 4. Ramsar - Konvention 5. Ökologische Probleme 6. Umweltschutz 7. Abfallwirtschaft 8. Luftverschmutzung 9. Erneuerbare Energien 9.1 Solar/Photovoltaik 9.2 Windenergie 9.3 Biogas und Biomasse 9.4 Wasser 9.5 Ziele 10. GIZ 11. OCP (Office Chérifien des Phosphates) 12. Kreativer Umweltschutz 13. Fazit 14. Quellenverzeichnis

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1. Natur- und Umweltschutz in Marokko Viele Europäer bewundern die afrikanischen Länder: Die unberührte Natur, die Arten- vielfalt, die vielen Tierarten, die es zu beobachten gibt. Alle dieser Länder sind Entwick- lungsländer oder auch Schwellenländer, wo viele Menschen am Existenzminimum le- ben. Viele dieser Länder haben das touristische Potential ihrer Natur bereits erkannt und können es nutzen. Problem dabei ist jedoch häufig, dass zu wenig auf Natur- und Umweltschutz geachtet wird. Die Industrie in den Ländern wächst und mehr Ressour- cen werden verbraucht, meist nicht in nachhaltiger Art und Weise. Im Folgenden soll beleuchtet werden, was Marokko für den Umwelt- und Naturschutz tut und tun sollte. Dabei wird zunächst die Flora und Fauna in Marokko beleuchtet und verschiedene Schutzgebiete vorgestellt. Außerdem werden Probleme durch Abfall näher beleuchtet, ebenso wie Probleme aufgrund von Luftverschmutzung. Zudem wird auf das Engage- ment von Firmen und deutschen Organisationen für den Umweltschutz in Marokko ein- gegangen. Diese fördern auch Projekte für erneuerbare Energien.

2. Tiere und Pflanzen Marokko ist geprägt durch seinen Artenreichtum. Es gibt mehr als 4600 verschiedene Pflanzenarten. Rund ein Fünftel der Landesfläche ist bewaldet. Zu den überwiegend vorkommenden Baumarten zählen Steineichen, Zypressen, Eisenholzbäume und Kork- eichen. In Marokkos 40 verschiedenen Ökosystemen leben viele endemische Tier- und Pflanzenarten, von denen manche andernorts bereits vom Aussterben bedroht sind.

Quelle: http://www.kidogos- Quelle: http://www.montagnedessinges.com/fr/m bigcats.de/media/categories/categorylarg edias/images/th/221.jpg e/taxonomie-karakal.jpg

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Quelle: http://www.khil.net/blog/wp- con- tent/gallery/kragentrappen/kragentrappe3.jp g

Gleichzeitig jedoch ist auch in Marokko die Vielfalt an Wildtieren aufgrund intensiver Jagd seit der Römerzeit stark zurückgegangen. Mittlerweile ist der Berberlöwe ausge- rottet und Schakale, Leoparden und Affen sind sehr rar geworden. (Buchholz) Viele der wildlebenden Tiere leben nur noch in dünnbesiedelten Regionen. Mehrere Arten, wie etwa der Wüstenluchs, sind vom Aussterben bedroht. Berberaffen, Gazellen, Hyänen, Schakale und Wüstenfüchse und auch Reptilien, wie Berberaf- zum Beispiel Eidechsen, Chamäleons, Schildkröten und Schlangen gibt es dagegen fen noch vergleichsweise häufig. Zudem gibt es viele Vogelarten wie Störche, Zwergadler, Geier, Bussarde und Milane. Weil Tiere und Pflanzen mehr und mehr vom Menschen verdrängt werden, wurde im Jahr 1942 das Gebiet um den höchsten Gipfel Marokkos, dem Jabal-Toubkal, zum Nationalpark ernannt. (Alles über Marokko, Förster A.) Die Industrialisierung stellte die Umwelt Marokkos vor große Herausforderungen. Die- sen begegnet das Land mit verschiedenen Maßnahmen, wie etwa dem Einrichten von Schutzreservaten für bedrohte Arten. Die Kragentrappe ist eine dieser bedrohten Arten. Aus diesem Grund wurden 5.000 in Gefangenschaft ausgebrütete Vögel in einer 40.000 km² großen Schutzzone in der östlichen Wüste Marokkos ausgewildert. Die „Wieder- kehr“ der Trappen stellt einen großer Erfolg dar, weil diese nur sehr schwer zum Brüten zu bringen sind. (Etmann, 2011, S. 520) Die Atlantikgewässer Marokkos zählen zu den fischreichsten der Welt und besitzen eine artenreiche Unterwasserflora.

3. Schutzgebiete Aufgrund des fortschreitenden Verschwindens zahlreicher Tier- und Pflanzenarten in Marokko, hat die Regierung Marokkos einige Schutzgebiete eingerichtet. Zwanzig % (137 503 km²) von Marokkos Gesamtfläche (ca. 447 000km²) gehören zu den 324 ge- schützten Gebieten, wobei 34% der Landesfläche und 1% der Meeresfläche geschützt ist. 39 dieser Schutzgebiete gehören einer der IUCN-Katgorien an: elf Schutzgebiete sind der Kategorie II zugeordnet, neun Schutzgebiete der Kategorie IV und 19 der Ka- tegorie VI (ProtectedPlanet, 2014-2015). Es gibt 14 Nationalparks und über 35 Natur- schutz-, Waldschutz- und andere Schutzgebiete. Hier werden wissenschaftliche For- schungen durchgeführt, wobei Ziel die Erhaltung der vorhandenen Arten ist. Für alle Schutzgebiete ist die Direction des Eaux et Forêts zuständig (Forstaufsicht), welche die Artenvielfalt des Gebiets erfasst und Studien zum Boden oder den ortsansässigen Tie- ren vornimmt (Clammer, Bainbridge, Hardy, & Ranger, 2014). Die wichtigsten Schutz- 101

HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate gebietskategorien sind Nationalpark, Naturpark, Naturreserve und Biologische Reserva- te. Leider lassen sich die Kategorien nicht so leicht aufteilen, da die Unterschiede zwi- schen den Schutzgebietskategorien nicht klar abgegrenzt sind. Einige Quellen stellen einen Park als Nationalpark dar, andere denselben als Naturpark.

3.1. Nationalparks In Marokko gibt es eine Vielzahl an Nationalparks, welche ein Alleinstellungsmerkmal aufgrund ihrer schönen Landschaft aufweisen und außerdem ein großes Beobach- tungsgebiet für Vogelliebhaber bieten. In den Nationalparks sind Aktivitäten verboten, die die Natur schädigen oder verändern. So zum Beispiel auch Fischerei und Jagd. Im Folgenden werden einige der bekannteren Parks vorgestellt. Der 1942 gegründete Toubkal Nationalpark ist der älteste Nationalpark in Marokko. Er liegt südlich von Marrakesch im westlichen Bereich des Hohen Atlas und beinhaltet den Toubkal, der mit seinen fast 4170m ü. NN der höchste Berg in Nord-Afrika ist. Das Ge- biet beherbergte Berber-Leoparden, die aber seit einigen Jahren nicht mehr gesichtet wurde (afrika-travel.de, 2007-2010; Clammer et al, 2014).

Toubkal Nationalpark

Quelle: http://www.geo.de/reisen/community/bild/regular/406088/im-Toubkal-nationalpark.jpg

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1991 wurde der Nationalpark Souss-Massa gegründet. Dieser 340km² große Natio- nalpark befindet sich an der Atlantikküste im Süden Agadirs. Hier gibt es Küstendeltas und Lagunen sowie zahlreiche Tier- und vor allem Vogelarten zu sehen. Besondere Vögel wie der Waldrapp und der Ibis sind zu beobachten (afrika-travel.de, 2007-2010; Clammer et al, 2014).

Souss-Massa Nationalpark

Quelle: http://www.morocco- tours -trekking.com/wp- content/uploads/2013/03/Atlantic - Coast-Souss-Massa-National-

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Der Talassemtane Nationalpark umfasst 530 km² und liegt im Rif-Gebirge im Norden Marokkos. Das Besondere an diesem Park sind die typischen Felslandschaften und tiefen Schluchten. Ebenso der Wald, der hauptsächlich aus Zedern und Tannen be- steht. Auch hier bietet sich die Möglichkeit seltene Vogelarten (Steinadler, Geierarten) sowie viele Säugetiere zu beobachten. Berühmt ist die Region jedoch vor allem wegen der vom Aussterben bedrohten Berberaffen (afrika-travel.de, 2007-2010; Clammer et al, 2014).

Talassemtane Nationalpark

Quelle: https://cookingintongues.files .wordpress.com/2013/05/img _0815.jpg

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Weitere bekannte Nationalparks sind der wüstenähnliche D‘Iquiri Nationalpark, der im süd-östlichen Viertel Marokkos bereits in der Sahara liegt, der Al-Hoceima National- park im Norden an der Mittelmeerküste mit vielfältigem marinen Leben und der Taz- zekka Nationalpark nahe Fes. Weitere Nationalparks finden sich im Gebiet des hohen Atlas und an anderen Orten, an denen es schützenswerte Zedern, seltene Vogel- und Säugetierarten gibt.

3.2. Biosphärenreservate Zum Schutz der Ökosystemdienstleistungen in Marokko wurden bereits auch einige Biosphärenreservate ausgewiesen.Beispielsweise das Réserve biologique de Sidi Boughaba, welches sich an der Atlantikküste im Westen befindet und nur 35km nörd- lich von Rabat situiert ist. Dies ist ein Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung, wel- ches auch viele seltene Vogelarten beheimatet. Zudem gibt es hier bereits seit 1992 ein Zentrum für Umweltbildung (Haut Commissariat aux Eaux et Forêts et à la Lutte Contre la Désertification, 2009).

Das erste Biosphärenreservat in Marokko war das L'arganeraie, welches 1998 ge- gründet wurde und im Südwesten des Landes liegt. Mit 2,5 Mio. ha ist es derzeit das größte Biosphärenreservat des Landes. Seit 2000 gibt es La Réserve de Biosphère des Oasis du Sud Marocain, welches 7 200 000 ha Land umfasst. Im hohen Atlas be- findet sich das La Cédraie, welches 500 000 ha umfasst. Das L'Intercontinentale De La Méditerranée ist ein Biosphärenreservat, welches nahe Europa an der Straße von Gibraltar liegt. Dieses wurde erst 2006 von der UNESCO als Biosphärenreservat aner- kannt (Haut Commissariat aux Eaux et Forêts et à la Lutte Contre la Désertification, 2009).

3.3. Feuchtgebiete Es gibt in Marokko zahlreiche Feuchtgebiete, die durch Wassermangel oder durch Vor- dringen der Wüste zu verschwinden drohen. Seit der Ramsar-Konvention im Jahr 1971 sind Feuchtgebiete in Marokko jedoch unter Naturschutz gestellt (siehe Ramsar- Konvention).

4. Ramsar- Konvention Im Jahr 1971 wurde in der iranischen Stadt Ramsar ein zwischenstaatlicher Vertrag, die sog. „Ramsar- Konvention“ geschlossen. Sie ist ein „Übereinkommen über den Schutz von international bedeutenden Feuchtgebieten, insbesondere als Lebensraum für Was- ser- und Watvögel“. [BUMB, 2015] Marokko trat der Konvention im Jahr 1981 bei. Die Ramsar- Liste enthält mehr als 1400 Feuchtgebiete mit mehr als 120 Millionen Hektar. In Marokko sind es 24 solcher Gebiete mit einer Größe von 14350 Hektar [BMUB, 2015] Ziele: „Ursprünglich hatte die Ramsar-Konvention den Erhalt und die nachhaltige Nut- zung von Feuchtgebieten als Lebensraum von Wasservögeln zum Ziel. In den letzten Jahren haben sich die Konventionsziele erweitert und umfassen nun den ganzheitlichen Schutz von Feuchtgebieten als bedeutende Ökosysteme zum Erhalt der Biodiversität.“ [BfN, 2015]

Funktion: 104

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Die Mitgliedstaaten der Konvention müssen mindestens ein Gebiet innerhalb des Lan- des als „Feuchtgebiet internationaler Bedeutung“ ausweisen. Gleichzeitig soll seine Er- haltung und Förderung und vorzugsweise auch weiterer Gebiete gesichert werden. Des Weiteren haben die Staaten die Aufgabe die übrigen Feuchtgebiete innerhalb des Lan- des nachhaltig zu nutzen. Die Konvention fordert zur internationalen Zusammenarbeit auf. Hierfür findet alle drei Jahre eine Konferenz der Mitgliedstaaten statt, die eine um- fangreiche Berichterstattung beinhaltet.

Montreux- Register: Dieses Register stellt einen wichtigen Bestandteil der Konvention dar. Darin werden Feuchtgebiete von internationaler Wichtigkeit aufgefasst, deren ökologischer Zustand sich enorm verschlechtert hat oder in kommender Zeit verschlechtern wird. Für diese Gebiete werden Maßnahmen zur Verbesserung ausgearbeitet. (BfN, 2015).

5. Ökologische Probleme Noch sind Umweltschäden in öffentlichen Diskussionen relativ unbedeutend. Dennoch sind die Probleme weitgehend bekannt und man weiß, dass ein Eingreifen nötig ist. Dies gilt v.a. für die Bereiche: . Folgen des Klimawandels, . Ausbreitung der Wüste, . Abfallmanagement, . Bodenerosion, . Landschaftszerstörung (Schäden durch Bergbau und Industrie), . Gewässerverschmutzung und . Bedrohung der Artenvielfalt. (giz, 2015)

Eine gravierende Umweltbelastung in Marokko stellen auch die Golfplätze dar. Für die Instandhaltung eines Golfplatzes in der Wüste werden Unmengen an Wasser sowie chemischer Dünger gebraucht. Hinzu kommen die privaten Plätze für die Spieler. Diese werden vermehrt in der Nähe von Marrakesch gebaut oder entstehen entlang der Atlan- tikküste. (Etmann, 2011, S.518)

6. Umweltschutz In Marokko befassen sich unterschiedliche Ministerien und Behörden mit dem Umwelt- schutz als Querschnittsthema. Dazu zählen u.a. das Ministerium für Energie und Berg- bau; das Hohe Kommissariat für Gewässer und Wälder (Aufforstung, Biosphärenreser- vate, Kampf gegen Desertifikation, Naturschutz); aber auch die Behörde für Elektrizität. (giz, 2015) Ein Ziel in Marokko ist es bis zum Jahr 2020 40% des Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien zu beziehen. Dafür wurde bereits eine eigenständige Agentur, die sich auf Solarenergie spezialisiert hat, gegründet. Gleichzeitig jedoch hat man sich in Marokko nach Möglichkeiten für die Atomenergie umgesehen. Ein nuklearer Forschungsreaktor wurde aufgebaut. Er befindet sich nordöstlich von Rabat auf dem Gelände des Maamo- ra- Waldes. „Die Ölbohrung vor der Küste der Westsahara erwies sich als teuer sowie politisch und ökologisch schwierig, deshalb wendet sich das Land jetzt zuverlässigeren Energiequel- 105

HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate len für den eigenen Bedarf und den Export zu. Als Pioniernation ist es bereits dabei im Rifgebirge Windenergie zu nutzen, darüber hinaus produziert Ouarzazate gegenwärtig an fünf Standorten insgesamt 500.000 Megawatt Strom, was es zu einem der weltgröß- ten Solarstromlieferanten macht.“ (Etman, 2011, S.523) Die GIZ führt von 2002 bis 2017 ein umfassendes Umweltmanagement- und Umwelt- schutzprogramm- das sog. PGPE- durch. Ziel dieses Umweltprogramms liegt u.a. darin, das Wassermanagement sowie die Abfallentsorgung und Abfallwirtschaft weiterzuent- wickeln und zu verbessern. Bereits verabschiedet wurde das zur Nationalen Umwelt- und Nachhaltigkeitscharta gehörende Rahmengesetz. Es wurde eine Ökosteuer auf Kunststoffprodukte geschaffen, sowie eine Umweltpolizei eingesetzt. Mit Hilfe des neu- en Masterstudiengangs „Engineering und Management von Industrieabfällen“ (IGEL) entstanden 62 Arbeitsplätze. Für eine bessere Aus- und Fortbildung im Umweltbereich wurden zudem 180 Personen überwiegend in der Verwertung von Haushaltsabfall und gefährlichen Abfällen ausgebildet. (giz, 2015)

7. Abfallwirtschaft Die Bevölkerung Marokkos geht unbedacht mit dem Hausmüll um. Noch fehlt ihr das Gespür für die ökologischen Herausforderungen, mit denen sie in Zukunft konfrontiert wird. Müllkippen, verseuchte Böden und ungeklärte Abwasser zählen zu den gewaltigen Problemen in Marokko. Sie lassen auch die Tourismusbranche um ihre Einnahmen fürchten. (Buchholz) Im Jahr 2000 wurde in Marokko ein neues Abfallgesetz erlassen. Es regelt die Abfall- wirtschaft und beinhaltet Abfallsammlung und –behandlung sowie die Abfallbeseitigung. Je nach Herkunftsbereich erfolgt eine Einteilung der Abfälle in Haushalts-, Industrieab- fälle, landwirtschaftliche, nicht gefährliche pharmazeutische und gefährliche Abfälle. Das neue Gesetz bestimmt zudem Verwaltungsverfahren für die Abfallarten sowie technische Vorschriften für kontrollierte Deponien. Beispielhafte Auszüge aus der Ge- setzesregelung lauten wie folgt: „Die Einrichtung, der Betrieb und die Schließung einer Deponie sind der Erlaubnis der Verwaltung unterworfen. Die Verbrennung von Abfällen im Freien ist verboten (Art. 7). Gefährliche Abfälle dürfen nur in bestimmten Strukturen behandelt werden. Ihre Sammlung, Transport und Verarbeitung werden geregelt, ihre Deponierung ist untersagt. Die Akteure werden verpflichtet ein Abfallregister zu führen, in dem Menge, die Kategorie und die Herkunft der gefährlichen Abfälle festzuhalten sind. […] Die Einfuhr und der Export gefährlicher Abfälle sind verboten. Für Im- und Ex- port bestimmter Abfallkategorien ist eine Genehmigungspflicht vorgesehen.“ (Umweltin- vestitionsradar) Die sogenannte ‚Charte Communale Art. 39‘ (das Kommunalgesetz) besagt, dass die Kommunen für Sammlung, Transport, Lagerung und Aufbereitung der Hausmüll- und hausmüllähnlichen Abfälle zuständig sind. Abfallmengen Es wird in Marokko mit einer jährlichen Abfallproduktion von 6,5 Millionen Tonnen gerechnet. Das entspricht 18.000 Tonnen/ Tag und etwa 0,75 kg/ Person und Tag. Diese Mengen variieren in den unterschiedlichen Regionen und Städten aufgrund des gegenwärtigen Lebensstandards, der Jahreszeit sowie der Sammelquote. So liegt die Abfallproduktion auf dem Land beispielsweise bei etwa 0,3 kg/ Person und Tag, in der Stadt bei rund 1 kg/ Person und Tag.

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Laut Umweltministerium erfolgt eine geordnete Abfallsammlung zu 70-80%. Es gab in der Vergangenheit jedoch über 300 sogenannte „wilde Deponien“, auf denen ein großer Teil des Abfalls ohne vorherige Behandlung abgelagert wurde. Ein weiteres Problem liegt in der unzureichenden Kontrolle der Deponien. Als Reaktion auf die wachsende städtische Bevölkerung und die daraus resultierenden Abfallsammlungs- und Entsorgungsprobleme hat die Regierung 2007 ein (finanziell um- fangreich ausgestattetes) Programm zur Sanierung und zum Neubau von Hausmüllde- ponien ausgearbeitet. Dieses heißt „Programme National des Déchets Ménagers et As- similés“ zu Deutsch „Nationales Programm für Haushalts- und haushaltsähnliche Abfäl- le“. In vielen Städten wurden schon neue Deponien gebaut, wie zum Beispiel in Fès oder alte erneuert, wie in Casablanca. (Umweltinvestitionsradar)

8. Luftverschmutzung Auch in Marokko wird die Luftverschmutzung zum Problem. Unter dem Wachstum der Städ-te, der Industriebranche und des Verkehrs leidet auch die Gesundheit der Men- schen. (Deutsche Industrie und Handelskammer in Marokko, 2014). Als Hauptursachen gelten die ca. 2 Millionen Fahrzeuge in Marokko, wobei der weitere Zuwachs auf vier % pro Jahr geschätzt wird, und die rund 8000 Industrieeinheiten, bei welchen ebenfalls ein Zuwachs er-wartet wird (Enviro Maroc, 2015). Um gegen die Luftverschmutzung anzukämpfen, gibt es ein nationales Programm zur Ver-hinderung von industrieller Verschmutzung. Dieses wurde in einem Jahresbericht des Ministeriums für Energie und Bergbau, Abteilung Umwelt bekannt gegeben. Die aktuellen Emissionen sollen genau analysiert werden und das Programm soll zur Ver- meidung industrieller Verschmutzung bei Projektplanungen führen. Außerdem gibt es ein nationales Programm zum Kampf gegen die Luftverschmutzung. Auf-grund einer Studie, welche die Kohärenz zwischen Luftverschmutzung und Erkran- kungen (z.B. Atemwegserkrankungen, chronische Erkrankungen, Augenerkrankungen) bewies, wur-de dieses Programm ins Leben gerufen. Hauptziele sind dabei die Verbes- serung der Luft-verhältnisse im Kontext mit dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung und die „Umsetzung einer Strategie zur Überwachung, Prävention und Reduktion von Emissionen“ (Enviro Maroc, 2015). Die Reduktion der Luftverschmutzung wurde zu ei- nem Hauptziel der nationalen Umweltschutz und Gesundheitspolitik erklärt. Eine Maß- nahme ist die Verwendung von luftverträglicheren Treibstoffen, bei welchen der Schwe- felausstoß geringer ist (bleifrei, Diesel 50). In größeren Städten gibt es Emissionskatas- ter, welche räumliche Verteilung und zeitliche Entwicklung der Emissionen abbilden und so zur Bewertung der Luftqualität dienen. Vorerst sollen sie die Interaktion zwischen Emissionen, meteorologische Bedingungen und Verschmutzungsgrad in Stadt und Land veranschaulichen. In einer ersten Phase soll dabei die Vorgehensweise beschrie- ben und die verschiedenen Ursachen für Emissionen (z.B. Transport, Industrie, Land- wirtschaft) ermittelt werden. In Phase zwei soll die Realität dargestellt werden: Berech- nung der Emissionen, Bestimmung der Zugehörigkeit der Quelle der Emission, zeitliche und räumliche Verteilung der Emissionen. Danach sollen in Phase drei die Folgen der Luftverschmutzung aufgezeigt werden, d.h. Modellrechnungen und Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung. Abschließend wird in Phase vier ein Plan für die Zu- kunft erstellt: dabei spielen die Verbesserung der Luftqualität und Verringerung der Luf-

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate temissionen ebenso eine Rolle wie politische Maßnahmen, wie Abgasnormen und ähn- liches. Derzeit wird die Luftqualität durch ein nationales Netzwerk, bestehend aus 21 Statio- nen, überwacht. Um Emissionsquellen differenzieren zu können, befinden sich die Sta- tionen sowohl nahe Industrieanlagen sowie weiter entfernt von Industrieanlagen. Auf- gabe der Stationen ist es, die Luftqualität zu messen und Entwicklungen prophezeien und in der Öffentlichkeit und der Regierung bekannt zu machen.

9. Erneuerbare Energien Da Marokko, anders als fast alle anderen nordafrikanischen Länder, nicht über nen- nenswerte fossile Ressourcen wie Öl verfügt, engagiert das Königreich sich besonders für die Förderung erneuerbarer Energien. Derzeit muss das Land einen Großteil seines Energiebedarfs importieren. Vor allem Photovoltaik wäre als Energielieferant für Ma- rokko ausgezeichnet, großes Potential hat aber auch die Windkraft. Zudem begünsti- gen die gesetzlichen Gegebenheiten im Land den Ausbau dieser Erneuerbaren Ener- gien: Jede juristische oder natürliche Person darf Erneuerbare Energien produzieren. Leider ist eine Einspeisung kleiner/privater Anlagen in das Niedrigspannungsnetz nicht möglich, da die Entwicklung der Erneuerbaren Energien in Marokko vor allem auf Großprojekte im Sonnenenergiebereich ausgelegt ist Informationen im Folgenden aus: Germany Trade & Invest, 2014 9.1. Solar/Photovoltaik In der Wüste, angrenzend zu Algerien gibt es ein großes Potential für Sonnenenergie, da hier die Sonneneinstrahlung landesweite Spitzenwerte erreicht. Das ökonomische Potential in diesem Bereich ist groß, allerdings ist die Produktion hauptsächlich auf Großprojekte ausgerichtet. Eines dieser Großprojekte war „Desertec“, welches vorsah einen großen Teil des Energiebedarfs Europas in Zukunft aus Nordafrika zu beziehen. Durch einen Protest Spaniens musste das Projekt jedoch umgestaltet werden, sodass nun auf den Endverbrauch in den Nordafrikanischen Ländern ebenfalls Wert gelegt wird

9.2. Windenergie Geographisch gesehen sind die Atlantikküste Marokkos sowie Standorte nahe des ho- hen Atlas gut geeignet für eine ertragreiche Windenergie-Erzeugung. Die Windenergie- produktion in Marokko wird durch Projekte und andere Initiativen stark vorangetrieben. In Marokko soll der größte Windpark Afrikas gebaut werden, welcher jährlich 1 Mrd. kWh Strom liefern soll. Doch nicht nur Großprojekte werden im Bereich der Windener- gie gefördert, sondern auch kleinere Projekte sind erwünscht. Außerdem setzt die Re- gierung sich für die Produktion erneuerbarer Energien ein: Sie will in die Produktion von Windkraftanlagen einsteigen, sowie Forschung, Entwicklung und Ausbildung rund um die Technik der Windenergie fördern.

9.3. Biogas und Biomasse Marokko hat großes Potential im Bereich der Biogas- und Biomasse-Nutzung. Vor allem bei Festmüllanlagen sind in Zukunft Investitionen in die Biogasherstellung zu erwarten. 100 Kleinanlagen in ländlichen Regionen wurden bereits durch die GIZ errichtet.

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9.4. Wasser Die Wasserkraft spielt eine große Rolle bei den erneuerbaren Energien. Wegen der großen Unterschiede der Niederschlagsmenge variiert der Anteil der Wasserkraft an der Gesamtstromerzeugung zwischen fünf bis 25%. In kleinen Bergdörfern ohne Netzan- schluss sind Wasserkraftwerke sehr wichtig, da sie oft die einzige Versorgung bieten (Germany Trade & Invest, 2014). Trotz allem wird eine stabile Nutzung der Wasserkraft aufgrund des ariden Klimas in Marokko schwierig sein.

9.5. Ziele Bis 2020 ist das Ziel mit den Energieträgern Wind, Wasser und Solar insgesamt 42% der Stromerzeugungskapazitäten zu stellen. Dabei wird bei den einzelnen Energieträgern ein Anteil von ca. 14% und 2000 MW angestrebt. Da in der Stromproduktion der er- neuerbaren Energien immer Schwankungen zu kalkulieren sind, wird die tatsächliche Stromproduktion der erneuerbaren Energien 2020 bei ca. 15% liegen (Germany Trade & Invest, 2014).

10. GIZ Die erneuerbaren Energien und eine Steigerung der Energieeffizienz unterstützt auch die GIZ, die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Sie hilft Potentiale zu erkennen und besser zu erschließen. Der Auftrag der marokkani- schen Bundesregierung für die GIZ ist die Unterstützung bei einem Entwicklungsmodell für nachhaltige Energieerzeugung und –versorgung in Marokko. Die GIZ ist bereits seit 1975 in Marokko tätig. Sie ist ein Bundesunternehmen, welches die Bundesrepublik bei der Internationalen Zusammenarbeit und bei der Erreichung ih- rer internationalen Nachhaltigkeitsziele unterstützt. Außerdem ist die GIZ für die Bil- dungsarbeit weltweit aktiv. Auftraggeber der GIZ sind verschiedene Bundesministerien, zum Beispiel das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- lung sowie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die GIZ bietet „nachfrageorientierte, maßgeschneiderte und wirksame Dienstleistungen für nachhaltige Entwicklung an“ (GIZ, 2015). Bezüglich des Wassermanagements in Marokko, wo das Wasserangebot aufgrund der jahreszeitlich schwankenden Wasserverfügbarkeit oft unter dem international anerkann- ten Mindeststandard liegt, hilft die GIZ bei der Verbesserung der Kompetenzen von Wasserinstitutionen. Auch die Wasserbewirtschaftung der Felder soll verbessert wer- den. Auch das Thema Umwelt und Klimawandel in Marokko wird von der GIZ thematisiert. Es ist sehr wichtig, Umweltschäden zu reduzieren und die natürlichen Ressourcen im Land zu schützen. Die GIZ hilft marokkanischen Partnern bei der Einführung eines Ent- wicklungsmodells, um negative Folgen auf Klima und Umwelt zu minimieren und so dem Klimawandel entgegen zu wirken.

11. OCP (Office Chérifien des Phosphates) Das O.C.P. ist das größte Industrieunternehmen in Marokko und gleichzeitig der größte Phosphatanbieter auf dem Markt weltweit. Es werden geschätzt 85 Millionen Tonnen Phosphatvorkommen abgebaut und Phosphatprodukte produziert. Das Unternehmen

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate hat seinen Sitz in Casablanca. Es hat 1998 ein eigenes Umweltschutzprogramm entwi- ckelt. (Buchholz) Es wurden verschiedene Strategien aufgestellt und umgesetzt. Um beispielsweise das Erz zu bewahren, soll die Effizienz in Bergbau- und in chemischen Vorgängen verbessert werden. Für eine effizientere Wassernutzung wird das Abwasser wiedergenutzt, das Meerwasser entsalzt und die Wasserversorgung durch ein Stauwerk ermöglicht. Mithilfe dieser Maßnahmen soll ein besserer Schutz der Wasserressourcen und des Grundwassers sichergestellt werden. Die Strategie „Energie“ soll helfen, den Energieverbrauch zu reduzieren und die Verwendung von erneuerbaren Energien zu fördern. So wurden zum Beispiel dank einer Pipeline 900.000 Tonnen CO2 Emissionen jährlich eingespart/ reduziert. Das liegt daran, dass der Phosphattransport nun in dieser Pipeline und nicht wie zuvor in den Zügen stattfindet. (OCP, 2015)

12. Kreativer Umweltschutz Systeme aus der Vergangenheit können Marokko helfen, schonender mit den natürli- chen Ressourcen umzugehen und dadurch etwas für den Erhalt der marokkanischen Naturwunder zu tun. Die alten Khettara- Bewässerungssysteme transportieren Wasser von natürlichen Quellen über unterirdische Kanäle zu den Feldern und Gärten. Sie wer- den heute noch genutzt. Zertifizierungskonzepte sind in Marokko noch neuartig und weitgehend unbekannt. Dennoch gibt es bereits einige kleine Bauernhöfe, die das Bio- Siegel bekommen. Das liegt daran, dass chemischer Dünger zu teuer ist und die Bau- ern stattdessen den ausreichend vorhandenen Eselsdung verwenden. Die Hammams- gemeinschaftlich genutzte Bäder- tragen zu einer effektiveren Strom- und Wassernut- zung bei als das individuelle Duschen oder Baden. Meterdicke Wände, wie sie in traditi- onellen Lehmziegelhäusern vorzufinden sind, sorgen für eine natürliche Dämmung. Diese ist hilfreich gegen die Sommerhitze und gleichzeitig auch gegen die Winterkälte. Ein weiterer positiver Effekt besteht darin, dass der größte Teil des Straßenlärms nicht in das Haus durchdringt. Klimaanlage und Zentralheizung werden folglich nicht benö- tigt.Die sog. „savon noir“ wird lokal hergestellt. Es ist eine tensidfreie, schwarze Seife bestehend aus natürlichem Palmen- und Olivenöl. Sie wird zum Rasieren verwendet und eignet sich hervorragend als Waschseifenersatz. Der Vorteil gegenüber herkömmli- chen

Seifen besteht darin, dass die „savon noir“ beim Abspülen die Umwelt nicht ver- schmutzt. Das „graue Wasser“, welches bei der Benutzung übrig bleibt, kann im Garten sowie für die Brunnen in den Innenhöfen genutzt werden. (Etmann, 2011, S.523 f)

13. Fazit Abschließend kann man sagen, dass es im Bereich Natur- und Umweltschutz in Marok- ko noch einigen Handlungsbedarf gibt. Natur- und Umweltschutz ist eher zweitrangig und wird wenig praktiziert. Die Menschen dort sind mit anderen Problemen belastet und daher nicht sensibilisiert oder möglicherweise auch schwer sensibilisierbar für Umwelt- belange. Dennoch existieren bereits erfolgsversprechende Ansätze bzw. Umsetzungen für den Schutz der Artenvielfalt und Ressourcen. Marokko weist ein großes Potential für die Nutzung erneuerbaren Energien auf. Man möchte die Naturwunder des Landes be- wahren. Hierfür handelt Marokko entschlossen und passt sich schnell an neue ressour- censparende Technologien an.

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14. Quellenverzeichnis BUCHHOLZ, H. (2014): Marokko Reise-Handbuch, Ostfildern: Dumont Reiseverlag Bundesamt für Naturschutz (2014): „Ramsar Konvention“, unter: http://www.bfn.de/0310_ramsar.html (abgerufen am 06.05.2015) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2014): „Ramsar Konvention“, unter: http://www.bmub.bund.de/themen/natur-arten/naturschutz-biologische-vielfalt/internationaler- naturschutz/ramsar-konvention/ (abgerufen am 06.05.2015) CLAMMER, P., BAINBRIDGE, J., HARDY, P., & RANGER, H. (2014): Marokko, Ostfildern: Mairdumont (Lonely Planet). Deutsche Industrie und Handelskammer in Marokko. (Mai 2014). „Marokkos Umwelt: Balanceakt zwischen Plastiktüten und Wüstenbildung“, unter: http://marokko.ahk.de/fileadmin/ahk_marokko/uploads/epaper-Bilateral_N__55/page16.html (abgerufen am 08.05.2015) ENVIRO MAROC (2015): „Enviro Maroc“, unter: http://www.enviromaroc.net/fakten-daten/brancheninfos/ (abgerufen am 08.05.2015) ETMANN, M. (2011): Marokko, Lonely Planet, Ostfildern: Lonely Planet Verlag Germany Trade & Invest. (2013): „Marokko treibt Windkraft voran“, unter: http://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/maerkte,did=770954.html (abgerufen am 08.05.2015) Germany Trade & Invest. (2014): „Marokko ist bei erneuerbaren Energien nordafrikanischer Vorreiter“, unter: http://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/maerkte,did=1008756.html (abgerufen am 08.05.2015) giz. (2015): Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), unter: http://liportal.giz.de/marokko/ueberblick/#c27945 (abgerufen am 06.05.2015) GIZ. (2015): Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), unter: http://www.giz.de/de/weltweit/340.html (abgerufen am 08.05.2015) Haut Commissariat aux Eaux et Forêts et à la Lutte Contre la Désertification (2009): „Royaume du Maroc“, unter: http://www.eauxetforets.gov.ma/fr/index.aspx (abgerufen am 23.04.2015) Mission Maroc: „Convention RAMSAR“, unter: http://www.mission-maroc.ch/fr/pages/117.html (abgerufen am 06.05.2015) OCP (2015), unter: http://www.ocpgroup.ma/ (abgerufen am 22.04.2015) Protected Planet, I. U. (2014-2015): „ProtectedPlanet“, unter: http://www.protectedplanet.net/country/MA (abgerufen am 22.04.2015) ROLLER,G.: „Umweltinvestitionsradar“, unter: http://uir.fh-bingen.de (abgerufen am 07.05.2015) Weltweitwandern GmbH: „Alles über Marokko“, unter: http://allesuebermarokko.com/info/flora-fauna/ (abgerufen am 22.04.2015) Zarenga GmbH (2007-2010): „Afrika Travel“, unter: http://www.afrika-travel.de/ (abgerufen am 22.04.2015)

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Lehmarchitektur in Marokko - aus der Tradition in die Zukunft inkl. der Geschichte der Kasbahs, Ksour etc. von Marlis Wurster und Christine Bengel-Fritz

Inhalt: 1. Allgemeines 2. Definitionen 3. Neue Nutzungsformen der Kasbahs 4. Quellenverzeichnis

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1. Allgemeines Lehmarchitektur hat in Nordafrika eine lange Tradition. Dabei handelt es sich um eine traditionelle Bauform der Berber. Diese Bautechnik ist sehr alt und es gab sie schon vor der Römerzeit in den Berberregionen Nordafrikas. Die Häuser wurden in Stampflehm- bauweise errichtet, einer massiven Lehmbauart aus einem Gemisch aus Lehm, Sand und Schotter unter Beimengung von Stroh oder Holzwolle/- häckseln.

2. Definitionen Kasbah oder in der Berbersprache Tighremt (Wohnburg): Burg oder Festung/Wehranlagen der Stammesfürsten, teilweise sind diese Bauten zu so genannten Ksour (Wehrdörfern) zusammengefasst. Sie sind meist quadratisch, um- rahmten in der Regel einen Lichthof. Am Abend wurden dort das Vieh (Schafe, Ziegen, Hühner) eingesperrt. Sie lag innerhalb oder außerhalb von Städten, der Begriff wird z.B. auch für Festungsanlagen im Atlasgebirge gebraucht. Diese wurden von den Herr- schern zur Kontrolle der Küsten und des Hinterlandes mit den hier ansässigen und stets unruhigen Berberstämmen errichtet. Oft wird der Begriff auch auf die Wohnburgen (Tighremt) der Berber angewandt, doch stand bei diesen Bauten der militärische Aspekt im Hintergrund. Die Außenfassade weist nur wenige kleine Öffnungen auf, die eher an Schießscharten als an Fenster erinnern. Die vier Ecktürme der Kasbah dienten als Vor- ratsräume und verstärkten den Bau. Im Gegensatz zum Baukörper ist der obere Be- reich der Ecktürme in weiten Teilen Südmarokkos oft mit geometrischen Formen (Rau- ten, Dreiecken, Gittern etc.) dekoriert. Diese Motive sollten ursprünglich Unheil abweh- ren (z.B. Rauten als abstrahierte Augen als Zeichen für Wachsamkeit oder den bösen Blick abwenden).

Agadir: Speicherburg, südlich des Hohen Atlas nennt man die Tighremts, Wohnburgen, auch Agadire.

Ksour (Singular Ksar): Kleines Dorf mit Wehrmauer, früher meist nur von einer Sippe (Großfamilie) bewohnt, die mehrstöckigen Wohnhäuser drängen sich auf engstem Raum. Oft sind diese Ksour an fruchtbaren Flussläufen zu finden und wurden von sesshaften Berbern bewohnt. Die Bauten umfassen mehrere Stockwerke mit flachen Dächern, deren Wände ockerfarbig oder feuerrot leuchten. In den Ksour wohnten zeitweise mehr als 1000 Menschen. Eine Kasbah/ein Ksour bot den Familien und ihrem Vieh Schutz in der Nacht und bei Übergriffen räuberischer Banden oder verfeindeter Stämme. Innen waren sie spärlich ausgestattet, man saß und schlief auf dem mit Schilfmatten und Decken ausgelegtem Boden. Im Erdgeschoss befanden sich die Stallungen für das Vieh, auch wurden dort Viehfutter, Stroh und landwirtschaftliche Geräte gelagert. Keine Treppe, sondern eine schräge Rampe aus Ästen, Schilf und Erde die - je nach Region - auf Arganhölzern oder Palmstämmen auflagt, führte hinauf ins Obergeschoss, in dem sich die rußge- schwärzte Küche sowie kleinere Schlafräume befanden. Das Dachgeschoss bildete den eigentlichen Lebensmittelpunkt des Hauses: Die durch die Umfassungsmauer ge- schützte Terrasse wurde von den Frauen für häusliche Arbeiten, wie Essensvorberei- tungen, Trocknen der Wäsche etc. genutzt, daneben gab es hier weitere Wohn- und 113

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Schlafräume. Bei den Kasbahs/Ksour des Hohen Atlas fehlt meist die Dachterrasse auf Grund der raueren Klimaverhältnisse. Das Leben der Berber in den ehemals abgelege- nen Bergregionen Südmarokkos war über Jahrhunderte geprägt von den Prinzipien der Selbstversorgung- und Selbstverantwortung. Jede (Groß)- Familie stellte die lebens- notwendigen Nahrungsmittel sowie Gerätschaften und Werkzeuge selbst her. Außer- dem waren sie gezwungen, ihren Besitz gegen Fremde zu verteidigen. Ein aus den vor Ort vorkommenden Materialien (Lehm, Palmstämme und –blätter, Äste von Oliven-, Mandel- oder Granatapfelbäumen, Schilf) errichtetes Ksour bot alle notwendigen bauli- chen Voraussetzungen für das Überleben der Berber in einer schwierigen Umwelt. Teilweise wurden Dattelpalmen auch in höheren Lagen gepflanzt, obwohl dort keine optimalen Bedingungen mehr herrschten, um ausreichend Früchte zu tragen, aber sie lieferten noch wertvolles Holz und Fasern, um Matten herzustellen. Die rotbraunen Ksour/Kasbahs fügen sich farblich perfekt in ihre Umgebung ein. Je nach Tageszeit und Lichteinfall, muss man durchaus zweimal hinschauen, um eine Wohnburg zu erkennen. Darüber hinaus bot die Lehmbauweise eine ausreichende Isolierung gegen die Hitze des Tages und die Kälte der Nacht. (Quelle: Wikipedia)

In einigen Regionen Südmarokkos bestand die Notwendigkeit zu sommerlichen Wande- rungen mit dem Vieh in höher gelegene Bergregionen (Transhumanz). Während dieser Zeit lebten oft nur die Alten und Kranken in den Ksour. Kasbahs kommen auch z.B. in Tunesien und Algerien vor. Dort sind sie Teil der Altstadt und beherbergten früher die Adligen. Auch in Spanien (Andalusien) gibt es Zeugnisse der Lehmarchitektur, die durch die Mauren dorthin „importiert“ wurde. Ein bekanntes Beispiel ist die Alhambra in Granada (Quelle: Wikipedia; kasbah). Doch nur in Südmarokko findet man die höchste Dichte an Kasbahs. Deshalb heißt die Gegend südlich des Ho- hen Atlas und nördlich des Antiatlas nicht umsonst „Straße der Kasbahs“. Ausgangs- punkt ist Ouarzazate. Von dort kann man entweder dem Tal des Draa in südöstlicher Richtung folgen oder dem Tal des Dades in nordöstliche Richtung. „Die Fahrt mit dem Auto von der Provinzhauptstadt Ouarzazate bis zur Oase Boumaine und dem Eingang zur Dades-Schlucht dauert ca. drei Stunden. Nach einer weiteren Autostunde erreicht man Tinerhir, das Tor zur Todra-Schlucht.“ (Quelle: http://www.marokko.com/index.php/reisen-und-service/staedte-und-regionen/16-strasse-der- kasbahs)

Wagemutige können am Ende der Dades-Schlucht den Hohen Atlas überqueren und auf diesem Weg in die Todra-Schlucht gelangen. Allerdings ist dafür ein Geländewagen erforderlich, da die Straße nicht durchgängig asphaltiert ist. Die Todra-Schlucht ist spektakulär, da sie an manchen Stellen so eng ist, dass es nur einen befestigten Fuß- weg gibt und Autos im Flussbett fahren müssen. Auch ein Wasserfall lockt die Touris- ten. Allerdings nimmt die Häufigkeit der Kasbahs ab, die Gegend ist immer spärlicher besiedelt und die Sahara nähert sich. Die Straße der Kasbahs endet im Osten in Er- foud, im Süden in Zagora, bekannt für seine ausgedehnten Dattelplantagen. Ursprüng- lich waren diese Verbindungen die Handelswege der Karawanen auf dem Weg von Marrakesch nach Timbuktu in . Durch den Ausbau der Infrastruktur verkehren dort allerdings keine Karawanen mehr, sondern bestenfalls Touristen auf geführten Kame-

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate len. Die Route über das Dadestal gilt als Hauptachse. Sowohl der Dades wie auch die Todra ziehen sich wie ein grünes Band durch die Landschaft. Beim Draatal ist das Wasser eher selten oberflächlich sichtbar, da es sich hier um ein Wadi handelt. „Das Flusstal des Dades zwischen Ouarzazate und Errachidia ist unter dem Namen „Straße der 1.000 Kasbahs“ berühmt geworden. Die archaischen Formen der jahrhun- dertealten Lehmburgen, das üppige Grün der Oasengärten und die rötlich schimmern- den Berge im Hintergrund verschmelzen zu Bildern einzigartiger Schönheit.“ Quelle: http://www.marokko.com/index.php/reisen-und-service/staedte-und-regionen/16-strasse-der- kasbahs

Straße der Kabahs Quelle: www.marokkourlaub.o rg

Aufgrund ihrer mangelnden Beständigkeit gegenüber der Witterung – eine Kasbah hält maximal 50 Jahre stand – und dem geringen Komfort, verfallen sie jedoch zunehmend. Eine Ksour/Kasbah verfügt über keinerlei Wasser- und Stromanschluss. Die Mauern sind größtenteils fensterlos und niedrige Decken verleihen einen einengenden Charak- ter. Privatsphäre sucht man vergeblich. Negativ zu erwähnen ist auch die mangelnde Elastizität von Lehm gegenüber Stahl und Beton in Bezug auf die Statik. Demgegen- über stehen die positiven Effekte, dass die Wohnburgen im Sommer angenehm kühl sind und im Winter die Wärme gut speichern. Der Sicherheitsaspekt in Bezug auf die Verteidigung sollte ebenfalls nicht unterschätzt werden. Jedoch muss man zwischen der Wohnsituation in einem Ksars und einer Kasbah unterscheiden. Die Kasbahs waren im Innern luftiger und freizügiger gebaut. Sie waren die palastartigen ´Wohnsitze der Ber- berfürsten. Die Innenwände sind kunstvoll mit Ornamenten und aufwendigen Mosaiken verziert, die Böden mit traditionellen Berberteppichen ausgelegt. Diese Vielfalt und Schönheit an Ästhetik lässt sich kaum erahnen, wenn man das schlichte Äußere der Kasbahs sieht. Unten stehende Bilder sollen diesen Kontrast verdeutlichen. Es handelt sich um dieselbe Kasbah Taourirt in Ouarzazate, der Wohnsitz des legendären Glaoui – Clans.

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Kasbah Taourirt: Aussenansicht

Kasbah Taourirt: Innenansicht

Viele junge Menschen scheuen jedoch den hohen Arbeitsaufwand, der mit einem Lehmbau verbunden ist. Man muss fast jährlich Ausbesserungsarbeiten vornehmen. Verstärkend kommt die Landflucht hinzu. Heutzutage wird die Bauweise einer Kasbah imitiert, indem Häuser aus Hohlblock mit Lehm verputzt werden. Dadurch bleibt zumin- dest die farbliche Anpassung an die Umgebung erhalten.

3. Neue Nutzungsformen der Kasbahs Ait Ben Haddou: Ein Ksar mit mächtigen Stampflehmbauhäusern und stolzen Kas- bahs. Die Siedlung entstand seit dem 11. Jhd. durch die Sippe der Ben Haddou, sie war lange an einer der wichtigsten Handelsstraße gelegen. Seit es eine neue Straße gibt, die einen Bogen um Ait Ben Haddou macht, ging ihre Bedeutung verloren, inzwischen haben viele Bewohner das Dorf verlassen und es ist vom Verfall bedroht. Seit 1987 ist Ait Ben Haddou Weltkulturerbe der UNESCO. Das große Tor der Anlage wurde als Filmkulisse gebaut und gehörte ursprünglich nicht zu der Siedlung. (Quelle: ADAC Reiseführer Marokko,S.85-86, ADAC Verlag DE, 2007)

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Die Kasbah Ait Ben Haddou mit ihrer charakteristischen quadratischen Form und den vier Ecktürmen

Einige Kasbahs wurden sehr aufwendig restauriert und modernisiert und dienen heute als Unterkünfte im hochpreisigen Segment für Touristen. Allerdings gingen bei den Mo- dernisierungsmaßnahmen einige typische Elemente verloren. Die Innenhöfe sind offen, begrünt und mit Palmen und anderen Bäumen und Sträuchern angepflanzt. Des Weite- ren wurden Swimmingpools angelegt. Trotzdem bewahrt diese neue Nutzungsform die Kasbahs vor dem Zerfall. Doch gibt es bei der touristischen Nutzung der Kasbahs auch durchaus bodenständigere Alternativen: 90 Minuten von Marrakesch entfernt befindet sich das Berberdorf Imlil. Auf einer Bergkuppe oberhalb des Dorfes liegt auf 1800 müN die Kasbah Toubkal. In 15 min ist sie bequem zu Fuß zu erreichen. „Empfangen wird man auf orientalische Weise mit Rosenwasser zum Erfrischen, dicken Sitzpolstern und „Berber Whisky, wie der grinsende Koch den süßen Minztee nennt. Die übliche Hotel- stimmung kommt nicht auf, viel eher ist die Atmosphäre von der herzlichen Gastlichkeit der Berber geprägt. Alles an und in der Kasbah wurde nach traditionellem Vorbild ge- staltet. Für die Einrichtung wurden ausschließlich einheimische Elemente verwendet, wie zum Beispiel von Hand gewobene Teppiche und prächtige Decken oder Holzschnit- zereien. Die Zimmerausstattung ist ähnlich gemütlich, gewürzt mit ein paar Überra- schungen wie einem i-pod Dock, einem CD-Player oder etwa handgemachten Leder- pantoffeln.“ (Quelle: http://www.marokko.com/index.php/reisen-und-service/reiseberichte/95-hoch-hinaus-in-marokko)

Um die Kasbah noch attraktiver für Touristen zu machen, wurde in der Nähe noch zu- sätzlich eine Lodge gebaut, die keinen Komfort vermissen lässt. Beides wird von dem Marokkaner Omar Ait Barmed gemanagt. „Von Anfang an war das Ziel, an einer sanften Entwicklung des Tourismus in Marokko mitzuwirken und die Dorfbevölkerung voll in den Betrieb der Kasbah einzubinden. Keine Entscheidung wird ohne deren Zustimmung ge- troffen. Die Burg, einst von Arbeitern aus dem Dorf renoviert, ist auf diese Weise ein wichtiger Bestandteil des Dorflebens geworden. Von der Kasbah, die Ait Barmed ge- meinsam mit seiner Frau leitet, profitieren nicht nur rund 30 Mitarbeiter aus den umlie- genden Dörfern sondern die ganze Gemeinschaft. Urlauber der Kasbah du Toubkal zahlen bewusst 5 % auf den Übernachtungspreis für Projekte, die der lokalen Bevölke- rung zu Gute kommen. Da das Konzept nicht auf Almosen, sondern auf Leistung auf- baut, wird das soziale Gefüge im Dorf durch den Fremdenverkehr eher gestärkt als ge- stört.“ (Quelle: s. oben) Auch die Filmindustrie hat die Kasbahs längst für sich entdeckt. Zahlreiche Kinofilme wurden bereits in Marokko gedreht, wie Lawrence of Arabia, Gladiator, Sodom und

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Gomorrha, Jesus von Nazareth usw. Die Dreharbeiten führen sogar dazu, dass Kas- bahs umfangreich restauriert werden und somit vor dem Verfall gerettet werden. Jedoch auch von anderer Seite scheint es zumindest für einige Ksour/Kasbahs Rettung zu geben. Marokko muss 90% seiner Energie importieren. Die engagierte und bekann- teste Architektin Marokkos Salima Naji baut und restauriert in der traditionellen Bauwei- se. Ihr Motto: „Leidenschaft für Lehm“. Sie setzt damit genau am Problem des Energie- imports an. Für sie steht der positive Effekt des Lehms im Mittelpunkt. In den heißen Sommermonaten spenden die Lehmbauten angenehme Kühle und in den kalten Win- termonaten oder Nächten, wird die Wärme gespeichert. Dadurch kann viel Energie ge- spart werden, da Klimaanlagen unnötig werden. Naji hat auch intensiv die fast schon vergessene Bauweise studiert. Dazu untersuchte sie die Ruinen, um wertvolle Erkennt- nisse für die Konstruktionsweise zu erhalten. Ihr Buch über die Lehmarchitektur soll da- zu beitragen, das Vergessen zu stoppen. Trotz ihrer Rückbesinnung auf die Tradition, schafft es Salima Naji, ihren Bauwerken Innovation und Moderne zu verleihen. Zusam- men mit 50 Handwerkern arbeitet Salima Naji auf einer ganz besonderen Baustelle: in dem bei Marrakesch gelegenen Dorf Tahanaoute, entsteht eine Ferienanlage. Das Ma- terial kommt aus der Erde: Lehm. "Man könnte sagen, dass ich an einem etwas un- dankbaren Material hängengeblieben bin", sagt sie. Alles dauere lange, man könne das Resultat nicht sofort sehen und die Arbeit sei hart. "Aber es ist so befriedigend zu se- hen, was man aus blanker Erde alles machen kann, dass man den ganzen Rest ver- gisst." Naji verdient gut am Bau der Ferienanlage. Doch sie engagiert sich auch im Sü- den Marokkos bei der Restauration eines alten Dorfes ohne finanzielle Interessen. „Ze- ment dagegen sei kein guter Baustoff für Menschen.“ sagt die Architektin. „Wenn Sie schnell mit der Hand über Zement reiben, dann verbrennt das die Haut. Wenn Sie aber mit der Hand über Lehm streichen, dann fühlt sich das weich an. Ein Arbeiter, der mit Lehm arbeitet, verletzt sich nicht. Aber ein Arbeiter, der mit Zement arbeitet, der ver- brennt sich. Er tut sich weh. Ich sage immer die Architektur ist aus Erde geboren und sie wird wieder zu Erde werden.“ (Quelle: Koproduktion der Deutschen Welle mit Radio Atlantic, Casablanca; Technik: Marion Kulinna; Autorinnen: Nadja Lamrani Alaoui und Christine Harjes; http://www.dw.de/leidenschaft-f%C3%BCr- lehm/a-4909421)

Zawya du Ksar d`Assa, Quelle: terriermichel.wordpress.com

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4. Quellenverzeichnis FISCHER, D. (2014): „Lehmbau in Afrika“, Modulor Magazin, unter: http://www.salimanaji.org/files/mod_thema_salima_0614.pdf (abgerufen am 19.10.2015)

HARJES, C. (2008): „Leidenschaft für Lehm“ in Deutsche Welle (07.11.2008), unter: http://dw.com/p/FpPV (abgerufen am 19.10.2015)

KASBAH TAOURIRT, in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 2. September 2015 um 13:59 Uhr, unter: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ouarzazate&oldid=145654365 (abgerufen am 19.10.2015)

Kasbah, in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 28. Juli 2015 um 18:03 Uhr, unter: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kasbah&oldid=144486783 (abgerufen am 19.10.2015)

KRUCHTEN, P.: „Traumziel Marokko - Die Straße der Kasbahs“, in SR Mediathek (2014,8), unter: http://sr-mediathek.sr-online.de/index.php?seite=7&id=27184 (abgerufen am 19.10.2015)

Marokko.Com, unter: http://www.marokko.com/index.php/reisen-und-service/reiseberichte (abgerufen am 19.10.2015)

Marokko.Com, unter: http://www.marokko.com/index.php/reisen-und-service/reiseberichte/95-hoch-hinaus-in- marokko (abgerufen am 19.10.2015)

Marokko.Com, unter: http://www.marokko.com/index.php/reisen-und-service/staedte-und-regionen/16-strasse-der- kasbahs (abgerufen am 19.10.2015)

Ouarzazate, in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 2. September 2015 um 13:59 Uhr, unter: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ouarzazate&oldid=145654365 (abgerufen am 19.10.2015)

TERRIER, M.: „Zawya du Ksar d`Assa“, in Agadir Blog (2011), unter: https://terriermichel.wordpress.com/2013/05/04/ (abgerufen am 19.10.2015)

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Oasenwirtschaft (u. a. Geschichte, Typen, Nutzungs- systeme, Zukunft) von Christine Henkel und Jens Grammer

Inhalt:

1. Definition einer Oase 2. Oasentypen 2.1 Flusswasseroase 2.2 Grundwasseroase 2.3 Quellwasseroase 2.4 Oase mit artesischen Brunnen 2.5 Foggaraoase 2.6 Tiefbrunnen 2.7 Gought 3. Oasenwirtschaft 4. Geschichte (Früher – Heute – Künftig) 5. Beispiele für Oasen in Marokko 5.1 Wadi Traa 5.2 Tafilalet (Tafilalt) 6. Quellenverzeichnis

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1. Definition einer Oase Eine Oase ist ein in einer trockenen, durch Wüstenklima geprägten Landschaft von Ve- getation bewachsener Fleck der üblicherweise um eine Wasserstelle, Quelle oder an einem Wadi liegt. In ihrer Erscheinungsform können Oasen erhebliche Unterschiede aufweisen. Es kann sich um kleine Teiche mit Dattelpalmen handeln, bis hin zu großen Städten mit Indust- rie- und Landwirtschaftsbetrieben. Unter Oasenwirtschaft versteht man traditionelle Wirtschaftsformen, welche aus einer Kombination verschiedener Kulturen bestehen können. Geografisch werden Oasen als Siedlungsinseln in ansonsten unbesiedelten Räumen der Erdoberfläche der sogenann- ten Periökumene zugeordnet.

2. Oasentypen Die Oasen kann man in verschiedenen Oasentypen unterteilen. Die Unterteilung hängt vom Ursprung des Wassers, welches dort das Leben ermöglicht ab. Es werden folgen- de Oasentypen unterschieden:

2.1. Flusswasseroase Es handelt sich um eine Flusswasseroase, wenn ein sogenannter „Fremdlingsfluss“ ein sonst trockenes Gebiet durchfließt und dadurch die Besiedlung eines Bereichs der Wüste ermöglicht („eher eine unechte Oase“). Dieser Fluss wird kontinuierlich mit Was- ser aus niederschlagsreichen Gebieten über eine große Entfernung gespeist, weshalb er durch ein ansonsten trockenes Gebiet fließen kann. Das Wasser wird für eine künst- liche Bewässerung verwendet, was auf fruchtbare Böden im Uferbereich hinweist. Ty- pisch für das Gebiet entlang der Flussoase sind die hervorgebrachten altertümlichen Bewässerungskulturen (z. B. Ägypter, Sumerer, Moche). Das bekannteste Beispiel für eine Flusswasseroase ist der Nil.

2.2. Grundwasseroase Bei dieser Oasenform wird das Grundwasser mit Hilfe eines Brunnens oder einer Pum- pe aus der nächsten wasserführenden Schicht an die Oberfläche transportiert. In der Sahara gibt es einige Grundwasseroasen welche unter dem Meeresspiegel lie- gen. Im Atlasgebirge versickern die Niederschläge und sammeln sich über einer was- serundurchlässigen Schicht. Die dadurch entstehende Grundwasseroase verläuft viele hunderte Kilometer bis weit in die Sahara wo das Wasser mit Hilfe von Brunnen an die Oberfläche befördert wird.

2.3. Quellwasseroase Das Wasser versickert nach einem Regenschauer im Gebirge tief in der Erde, bis es auf eine wasserführende und darunter eine wasserundurchlässige Schicht trifft. In ihr fließt es unterirdisch weiter und tritt an der Erdoberfläche (in der Wüste) wieder aus.

2.4. Oase mit artesischen Brunnen Eine artesische Quelle bezieht sich auf den artesischen (gespannten) Zustand von Grundwasser, das infolge Überdrucks eigenständig oberflächennah ausfließt.

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2.5. Foggaraoase Zur Oase wird das Grundwasser aus einem in der Nähe (bis 30 km) liegenden Gebirges durch Stollen über viele Kilometer geleitet. Entlang der unterirdischen Wasserführung werden Stollen mit senkrecht nach oben führenden Luftschächten gebaut, um die in den Stollen zu entlüften und Fäulnisprozesse zu vermeiden. Des Weiteren werden die senk- rechten Stollen bei Bedarf für Reparaturarbeiten verwendet und werden auch als Kanat, Qanat oder in Marokko als Khettara bezeichnet.

2.6. Tiefbrunnen Der Bau von Tiefbrunnen ist eine relativ neue Trinkwassergewinnungsform in den Oa- sen, die erst durch leistungsstarke Pumpen ermöglicht wird. Mit Hilfe von mächtigen Pumpen wird zumeist fossiles Wasser aus großer Tiefe an die Erdoberfläche gefördert.

2.7. Ghout Das Grundwasser liegt am Rande von Sandwüsten sehr nahe unter der Erdoberfläche. Palmwurzeln können das Grundwasser in den trichterartigen Vertiefungen (Ghout) sehr gut erreichen.

3. Oasenwirtschaft Innerhalb der Oasen in den Trockengebieten ist die Oasenwirtschaft eine sehr intensive Wirtschaftsform. Die typische Kennzeichnung für die Oasenwirtschaft ist eine Dreitei- lung durch den sogenannten Stockwerkbau. Auf den verschiedenen Ebenen werden unterschiedliche Pflanzenkulturen, welche aus der Tabelle zu entnehmen sind, ange- baut. Stockwerkbau Erste (unterste) Zweite (mittlere) Dritte (oberste) Ebene Ebene Ebene Ebene Dattelpalmen, de- ren Früchte den Weizen, Gerste, Bewohnern als Wird durch niedrige Hirse, Reis, Futter- Nahrungsgrundlage Baumkulturen wie Pflanzenkulturen pflanzen und ver- und auch als Ex- Feigen und Gra- schiedene Gemü- portgüter dienen. natäpfel dominiert. searten. Teilweise auch Öl- und Aprikosen- bäume.

Die Bewässerung der Kulturpflanzen erfolgt in manchen Gegenden unterirdisch, jedoch aber in den meistens durch oberirdische, offene Kanäle (Seguias). Das Wasser wird dabei nach einem strikt festgelegten Schema verteilt.

4. Geschichte (Früher – Heute – Künftig) Früher dienten Oasen als Versorgungsstellen für Karawanen sowie als Handelsplätze für Bauern und Nomaden. An Bedeutung haben die Oasen mit dem Ende der Kolonial- zeit und mit dem Beginn der Erdöl- und Erdgasförderung verloren. Heute gibt es dem- entsprechend nur noch sehr wenige traditionelle Oasen. Des Weiteren hat eine Margi- nalisierung der ursprünglichen Bevölkerungsgruppen große Auswirkungen auf die Oase wie folgt:

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. die hohe Arbeitsbelastung, . die Bewässerungstechniken, . die Abwanderung aus den Oasen . das Sesshaft werden der nomadischen Völker, . der Untergang des transsaharischen Karawanenverkehrs, . der Bedeutungsverlust der Dattel durch veränderte Konsumgewohnheiten, . die Klimaveränderungen und das durch sie verursachte Schwinden der Wasservor- räte.

Im nordafrikanischen Raum haben einige Oasen jedoch einen Strukturwandel erlebt, der auf der Erschließung tiefer liegender Wasserreserven zurückzuführen ist. Eine In- tensivierung und Ausweitung der Landwirtschaft und des Tourismus werden dadurch ermöglicht. Während heute die landwirtschaftliche Produktion in den Oasen verstärkt auf den Markt ausgerichtet ist, war früher in Oasen aufgrund ihrer Lage nur Subsis- tenzwirtschaft möglich sowie stellte die Dattel ihr einziges Exportgut dar. Die Oasensiedlungen selbst sind im Vergleich zu früher nicht nur größer geworden, sondern es hat auch eine Verlagerung an den Rand der Oasen stattgefunden. Gründe dafür liegen vor allem im Tourismus, welcher zu einer deutlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Bevölkerung führt bzw. diese verbessert. Im Hinblick auf die Ressource Wasser ist festzustellen, dass durch den Wandel und die zunehmende Nachfrage nach Trinkwasser die Wasserreserven der Oasen stark be- droht sind und Wasser mehr und mehr zur Mangelware vor Ort wird.

5. Beispiele für Oasen in Marokko

5.1. Wadi Draa Allgemein: Durch das Draa-Tal in Nordafrika fließt ein regelmäßig austrocknender Fluss, ein Wadi, mit einer geschätzten Länge von etwa 1100 Kilometern. Jedoch ist der Fluss nur bis Zagora erkennbar. Hinter Zagora trocknet der Fluss die meiste Zeit des Jahres hindurch aus. Durch vereinzelte Oasen bis Mhamid ist sein Bett weiterhin erkennbar. Während der Protektoratszeit (1912 bis 1956) bildete der Draa im Süden die Grenze zu den nur dünn besiedelten Gebieten der Spanisch-Sahara. Heute bildet er weiter östlich auf einer Länge von etwa 390 Kilometer die umstrittene Grenze zu Algerien. Nach sel- ten auftretenden heftigen Regenfällen gilt er als längster Fluss des Landes. Geographie: Im Westen des Atlasgebirges entspringt der Qued-Draa den zwei Nebenflüssen Dades und Assif-n´Tidili, welche sich bei Ouarzazate im Stausee El Mansour Eddabhni verei- nen. Der Qued-Draa schlängelt sich zwischen dem Hohen Atlas, dem Antiatlas und der Djebel Sarhro-Gebirgskette in Richtung Süden, um dann etwa bei der Stadt Taggounite Richtung Westen entlang der algerischen Grenze weiter zu fließen, bis er nach Ost- West-Durchquerung Marokkos durchschnittlich 100 bis 150 Kilometer nördlich der Grenze zur Westsahara in den Atlantischen Ozean mündet. Mit dem Wadi Draa ist der im Perplus des karthagischen Admirals Hanno genannte Flus Lixos wahrscheinlich identisch. Vorgeschichte: Funde von Felszeichnungen und Petroglyphen aus allen wichtigen Perioden der Vorge- schichte zeigen offensichtlich, dass das Wadi Draa schon seit vielen Tausend Jahren

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate besucht wird. Die Fundstücke in diesem Wadi werden teilweise auf ein Alter zwischen 300.000 und 500.000 Jahre geschätzt. Zagora ist eine der bekanntesten Fundstellen der Region Draa. Im Draa-Tal werden ebenfalls Felszeichnungen mit Tierdarstellungen (Nashörner, Strauße, Elefanten, etc.) im Alter zwischen 4000 und 6000 Jahren entdeckt. Diese ent- stammen der Zeit der Jäger und Sammler. Diese Lebensform wird jedoch später vom Nomadentum dominiert. Vorbeiziehende Menschen werden durch die Oasen des Draa- Tals herausgefordert sesshaft zu werden, da diese alle Voraussetzungen für ein dauer- haftes und nachhaltiges Überleben bieten. Aufgrund der Regelung, dass Weidetiere (Schafe, Ziegen) aus den Oasen weitgehend verbannt bzw. mindestens aber eingesperrt werden müssen, kommt es zu häufigen Konflikten und auch bewaffneten Auseinandersetzungen mit nomadisierenden Vieh- züchtern. Der Prozess des Sesshaft Werdens im Draa-Tal zieht sich mit Sicherheit über Jahrhun- derte. Jedoch ist der Beginn dieses Prozesses zeitlich umstritten. Es gibt Befürworter für die Zeit um 3000 v. Chr. Aber auch für frühere oder spätere Datierungen. Bislang nicht lesbare Gravuren aus geometrischen Zeichen in der sogenannten „li- bysch-berberischen Schrift“ bedecken einige Stellen und Felsplatten aus deutlich späte- rer Zeit um 500 v. Chr. bis um 500 n Chr.

5.2. Tafilalet (Tafilalt) Ist die südlichste einer vom Wadi Ziz durchzogenen Gruppe mehrerer Oasen in der ma- rokkanischen Sahara. Diese Oasengruppe ist die ausgedehnteste der Welt. Sie zieht sich über eine Fläche von etwa 1380 km² und wird von 300 Dörfern mit bis zu 150.000 Einwohnern besiedelt. Die Bedeutung von Tafilalet in der Sprache der Berber ist „Land der Hilali“. So werden die Bewohner genannt, welche von den Banu Hilal abstammen. Geographie: Im äußersten Südwesten der Region Meknés-Tafilalet in den Ausläufen des Atlas- Gebirges liegt die große Oasengruppe. In früheren Angaben wird die Strecke in zehn Kamelkarawanentagen südlich von Fés angegeben. Ein Kraftfahrzeug benötigt bei gu- ten Bedingungen dafür einen Tag. Das Tafilalet hat Zuflüsse aus Seitenwadis, wie dem Wadi Rheris und ist in sieben Bezirke unterteilt. Wirtschaft: In Tafilalet war die traditionelle Wirtschaftsform die Oasenwirtschaft mit der Dattelpalme als Leitpflanze. Des Weiteren wird in dieser Zeit mit Fellen, Sklaven, Salz, Goldstaub und Straußenfedern gehandelt. Der Tourismus spielt im letzten Drittel des 20. Jahrhun- derts eine wichtige Rolle. Der Handel mit Safran, Seide, Teppichen sowie geschliffenen und polierten Fossilien spielt seitdem eine Rolle im Wirtschaftsleben. Geschichte: Die ehemalige Handels- und Universitätstadt Sidschilmasa liegt im Zentrum der Oase. Heute ist sie eine fünf Meilen lange Ruinenstadt entlang des Ziz. Aus dem nördlichen Marokko sandten seit 1648 die Alawiden-Sultane Bürger als Kolonisten ins Tafilalet. Es kommt zur Besetzung und Befestigung der Dörfer zu Ksour. Andere Herrscher geben in dieser Zeit selbst Ksour in Auftrag, um hierhin Witwen und andere bei Hofe unliebsame Mitglieder abzuschieben. René Caillié besuchte 1828 als erster Europäer das Tafilalet. Im Jahr 1864 folgte der deutsche Afrikaforscher Gerhard Rohlfs.

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Tourismus: Für die aus dem Norden (Königsstädte Zentralmarokkos) oder aus dem Westen (Agadir, Marrakesch, Straße der Kasbahs) kommenden Touristen ist Erfoud eine wich- tige Hotelstadt und Drehscheibe. Vor allem wegen der Sanddünen des Erg Chebbi bei Merzoga aber auch Rissani mit seinem Markt (souk) und der Grabmoschee (Marabout) von Moulay Ali Cherif, des Gründers der Alawiden-Dynastie sowie Ksour dem kulturel- len Erbe von Marokko kommen viele Touristen nach Tafilalet. Auf dem Programm der Touristenmassen stehen jedoch meistens nicht die oft unter einer Pilzkrankheit leiden- den Palmenhaine.

6. Quellenverzeichnis Wikipedia „Oase“, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 5. November 2015, 16:44 UTC, unter: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Oase&oldid=147739938 (abgerufen am 14. November 2015, 10:42 UTC) Wikipedia „Wadi Draa“, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 18. Juni 2015, 20:53 UTC, unter: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wadi_Draa&oldid=143217499 (abgerufen am 14. November 2015, 10:44 UTC) Wikipedia „Tafilalet“, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 22. Februar 2015, 13:46 UTC, unter: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Tafilalet&oldid=139097383 (abgerufen am 14. November 2015, 10:45 UTC) ELLWAGNER, K. (2002). El Assalah. Iaseb, Oasen, unter: http://www.uni- stuttgart.de/bio/bioinst/zoologie/exkursionen/sinai01/sinaihalbinsel/oase/oase.html (abgerufen am 16.05.2015) Oasen: Grüne Inseln in der Wüste - Medienwerkstatt-Wissen © 2006-2015 Medienwerkstatt, unter: http://www.medienwerkstatt-online.de/lws_wissen/vorlagen/showcard.php?id=1734 (ab- gerufen am 16.05.2015) KOPPE, W. (2012). Infoblatt Oase. (Klett, Herausgeber), unter: http://www.klett.de/alias/1015158 (abgerufen am 16.05.2015) D. MÜLLER-MAHN, J. SEIBEL (kein Datum). Diercke. (©Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann Schroedel Diesterweg Schöningh Winklers GmbH, Herausgeber), unter: http://www.diercke.de/content/ouargla-algerien-brunnenoase-100750-104-1-0 (abgerufen am 16.05.2015) STAFF, M. (2014). Middle East Institute, von Harvesting Water and Harnessing Cooperation: Qanat Systems in the Middle East and Asia, unter: http://www.mei.edu/content/harvesting-water-and-harnessing-cooperation-qanat-systems- middle-east-and-asia (abgerufen am 16.05.2015)

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Wüstenökologie - Anpassung an Extrembedingungen (Typologie, Standortbedingungen, Ökosysteme, Fauna, Flora) von Bernhard Haag und Carsten Schmitt

Inhalt: 1. Typologie 2. Geomorphologische Wüstenarten 3. Dünen 4. Standortsbedingungen 5. Ökosystem Wüste 6. Flora und Fauna 6.1 Flora 6.2 Fauna 7. Quellenverzeichnis

Quelle: http://www.globtroter.pl/zdjecia/190235,maroko,poludnie,erg_chebbi,wydmy_o_poranku.html

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1. Typologie Kontinentalwüste: Weite Gebiete Zentralasiens und der Sahara sind aufgrund ihrer geographischen Lage von größeren Wettersystemen und damit deren Niederschlägen abgeschnitten: Die Luft die dort ankommt hat auf ihrem Weg vom Meer bereits alle Feuchtigkeit abgegeben. Je weiter die Entfernung zum Ozean, desto größer ist die Trockenheit der Wüste. (Bsp. Wüste Gobi, Teile der Sahara)

Abbildung 1: Aus GEOkompakt Nr. 12 - 09/07 - Die Wüste

Reliefwüste (Regenschattenwüste): Gebirge wirken als Riegel gegen feuchte Luft: Diese steigt an den Hängen auf und reg- net dabei ab. Auf der anderen Seite des Gebirgsreliefs strömt die nun trockene Luft ab- wärts und wird von der Sonne erhitzt. Typische Reliefwüste: tibetisches Hochland im Regenschatten des Himalaya, Atacama, Sahara in Ostmarokko

Abbildung 2: Aus GEOkompakt Nr. 12 - 09/07 - Die Wüste

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Küstenwüste: Findet sich hauptsächlich an den Westküsten Afrikas (Namib) und Amerikas (Atacama) wo kaltes Tiefenwasser emporquillt. Dieses kühlt die Luft über dem Meer. Zudem weht trockene, wärmere Luft vom Land in Meeresrichtung. Sie legt sich auf die kalte Luft- schicht und verhindert dass diese aufsteigt und die darin enthaltene Feuchtigkeit zu Regen kondensiert.

Abbildung 3: Aus GEOkompakt Nr. 12 - 09/07 - Die Wüste

Wendekreiswüste: Entsteht, weil am Äquator warme, feuchte Luft aufsteigt, abkühlt und bereits über den Tropenwäldern wieder abregnet. In großer Höhe strömt die trockene Luft nord- und südwärts bis zu den Wendekreisen bei etwa 23° Breite. Auf dem Weg kühlt sie so weit aus, dass sie absinkt und als am Boden aufgeheizter Wind wieder gen Äquator weht (Bsp. Sahara, Rub Al-Khali)

Abbildung 4: Aus GEOkompakt Nr. 12 - 09/07 - Die Wüste

Besonderheiten Sahara: Fläche: rund 8,6 Mio km²; Regen: 0 – 400 mm/a; nur etwa 25 % der Sahara ist Sand- wüste, drei Viertel sind Gebirge, Stein- und Kieswüsten.

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Verwitterungsprozesse in der Wüste: Meist durch physikalische Verwitterung; große Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht führen zu Rissbildung und letztlich Absprengung. Prozess setzt sich weiter fort bis aus Felsbrocken kleine Steine und schließlich Sandkörner entstehen. Erosion sorgt für Abtransport durch Wind.

Biome der Sahara: Zonobiom III: Heiße Halbwüsten und Wüsten Zonobiom IV: Mediterranes Zonobiom (Warmtemperate, dürre- und episodisch frostbe- lastete Gebiete mit Hartlaubwäldern) Orobiom: Gebirgszüge

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Biom#/media/Fil e:Zonobiome.png

2. Geomorphologische Wüstenarten Sandwüste: Die Sandwüste wird im Arabischen Erg genannt, in der westlichen Sahara und in der Libyschen Wüste auch Edeyen. Eine Sandwüste ist eine Wüste mit einer Oberfläche, die überwiegend aus Quarzsand besteht, der durch fortgeschrittene Verwitterung einer Kieswüste entstand, oder aus anderen Regionen eingeweht wurde. Sandwüsten neh- men, obwohl sie weithin fälschlich als Synonym für das Phänomen Wüste angesehen werden, nur etwa 20 % der Wüstenflächen der Erde und auch der Sahara ein. Kieswüste: Kieswüsten heißen in der Westsahara Reg, in der Zentralsahara nennt man sie Serir. Kieswüsten entstehen durch Erosion von Stein- oder Felswüsten (Akkumulation von gröberen Korngrößen durch Ausblasung der feineren Korngrößen) oder durch die Abla- gerung von Kies im Vorfeld von Gletschern. Eine weitere Ursache ist ein physikalischer Effekt, den man auch bei gefriergetrocknetem Kaffee findet, wo sich, wenn man den Behälter lange genug schüttelt, an der Oberfläche immer größere Partikel ansammeln, da die kleineren viel leichter nach unten rutschen, nur dass dieser Vorgang in der Wüs- te, wo Feuchtigkeit, Wind und die Temperaturunterschiede für die Bewegung der Sand- körner sorgen, bedeutend langsamer abläuft. Wagenspuren halten sich hier besonders lange. Gut mit dem Auto passierbar. Stein-/Felswüste: Stein- oder Felswüsten nennt man auch Hammada. Die Oberfläche dieses Wüstentyps ist übersät mit dicht blockigem, kantigem Schutt- oder Felsmaterial, angesammelt als Ergebnis der physikalischen Verwitterung und der Auswehung des Feinmaterials. Meist sind es mit Geröll bedeckte Hochflächen. Mit dem Auto kaum passierbar, außer auf al- ten Karawanenstraßen, die man gewöhnlich wie in anderen Wüstenformen an den Ala- 129

HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate mat erkennt (kleine Steinpyramiden als Wegzeichen) sowie an den Kamelgerippen, die sie säumen. Salzwüste: Salzwüsten nennt man in Algerien und Tunesien Schott, in der zentralen und Ostsahara Sebkha, in Libyen Grara. Salzwüsten entstehen meist in ariden, abflusslosen Sedi- mentbecken durch starke Verdunstung. Sehr viele Wüsten des Typs liegen im und Zentralasien. Eiswüste: Als Kältewüste bezeichnet man Gebiete im Übergang von der Tundra zu den Eiswüs- ten, die weniger als 10 %, aber mehr als 1 % Pflanzenbedeckung aufweisen. Der ganz- jährig gefrorene Permafrostboden verhindert das Eindringen von Wurzeln und die Luft- temperatur ist so kalt, dass das Pflanzenwachstum erheblich eingeschränkt ist. Daher finden sich auch für Tiere nur sehr eingeschränkte Lebensräume. Ein weiteres Merkmal der polaren Kältewüsten sind trockene Luft sowie starke Winde (Blizzards). Durch den fehlenden Schutz einer Pflanzendecke bzw. der daraus entstehenden Humusschicht kommt es bei den eisigen Temperaturen zur sogenannten Frostverwitterung der Ge- steine. Das Produkt wird „Frostschutt“ genannt.

3. Dünen Eine Düne ist eine Erhebung aus Sand, die vom Wind angeweht und abgelagert wird. Die Bildung von Dünen setzt das Vorhandensein von Sand und das Fehlen von Wasser oder einer geschlossenen Pflanzendecke voraus. Dünen bilden sich daher bevorzugt in trockenen (ariden) Klimazonen, können aber auch in humiden Gebieten auftreten, so- fern die befestigende Vegetation beseitigt wurde. Wird der Sand eher gleichmäßig in Form einer Decke aufgeweht, spricht man neutral von Flugsand. In der Geomorphologie unterscheidet man zwischen verschiedenen Dünentypen, die jeweils abhängig sind von den unterschiedlichen Windrichtungen und -geschwindigkeiten (äolische Dynamik), der Dichte, der Vegetationsbedeckung und der Sandzufuhr. Trotz aller regelmäßigen Formen sind unregelmäßige Dünen einer der häufigsten Dü- nentypen. Auch ist die Form der oben genannten regelmäßigen Dünen in den allermeis- ten Fällen nicht perfekt, sondern stets etwas abgewandelt. Die Ursachen sind vielge- staltig. Sie liegen zum einen im teilweise chaotischen Strömungsverhalten des Windes, auch kurzzeitig schwankenden Windrichtungen und andererseits in Unregelmäßigkeiten des Untergrundes, der Vegetation und der Feuchtigkeit des Sandes.

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Dünentypen:

Abbildungen 5 und 6: Aus GEOkompakt Nr. 12 - 09/07 - Die Wüste

4. Standortsbedingungen Niederschlag: Kennzeichnend für Wüstenregionen ist der sehr niedrige jährliche Niederschlag, wel- cher weit unter der potenziellen Verdunstung liegt. In den meisten Wüsten liegt der Nie- derschlag unter 400 mm/Jahr. In der Sahara liegt der Niederschlag je nach Region zwischen 0 – 400 mm/Jahr, durch- schnittlich bei 45 mm/Jahr. Im Vergleich hierzu, liegen die Niederschläge der Rub Al- Kahli (<50 mm/Jahr) und der trockensten Wüste der Welt, der Atacama (0-30 mm/Jahr) deutlich niedriger. Dies erklärt sich aber durch die Größenunterschiede, die Sahara ver-

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate fügt mit ihrer Größe einfach über eine größere Variabilität. Zum Vergleich, der jährliche Niederschlag in Deutschland liegt bei knapp 800 mm/Jahr. Temperatur: In der Sahara liegen die Tagesdurchschnittstemperaturen im Sommer bei ~38°C und im Winter bei ~25°C. Wobei Extremwerte von -10°C bis zu 60°C erreicht werden können. Die eigentliche Herausforderung aber sind die Temperaturschwankungen, welche mit bis zu 30°C Temperaturunterschied sehr ausgeprägt sind. Die Sahara ist außerdem einer der hellsten Orte der Welt, mit durchschnittlich 11 Son- nenstunden pro Tag.

Wasserhaushalt: Die sowieso schon geringen Niederschlagsmengen können zusätzlich vom Boden nicht gespeichert werden. Im Vergleich zu mitteleuropäischen Böden ist die nutzbare Feldka- pazität von reinen Sand- und Kies-Böden extrem niedrig. Daher geht das meiste Was- ser nach den wenigen Niederschlägen über Oberflächenabfluss oder Verdunstung ver- loren, Teile des Wassers versickern auch im Boden. Die hohe potenzielle Verduns- tungsrate wird durch die hohen Temperaturen begünstigt, zusätzlich wird sie durch die niedrige Luftfeuchtigkeit gefördert, welche bei durchschnittlich 20% liegt. Grundwasser ist in der Sahara theoretisch genügend vorhanden, nach Schätzungen sind dies 400.000 Kubikkilometer, eine Menge mit welcher man die Sahara mehr als 40 Meter überfluten könnte. Teile davon sind die ältesten bekannten Süßwasserreserven der Welt, mit einem Alter von bis zu einer Million Jahre. Das Problem hierbei ist jedoch, dass diese Reserven zu großen Teilen in unerreichbaren Tiefen liegen. Bei dem größ- ten Anteil dieser Wasserreserven handelt es sich um fossiles Grundwasser.

Nährstoffversorgung: Die Basenversorgung ist in der Sahara von ausreichender bis guter Qualität. Durch den geringen Niederschlag und die damit einhergehende geringe Auswaschung, bleiben die im Sand eigentlich nur gering vorhanden Nährstoffe lange verfügbar und sorgen so für gute Wachstumsbedingungen. Dies führt auch dazu, dass vom Wind verwehter Saha- rastaub, wie Dünger wirkt, wenn er wieder abgelagert wird. So wird zum Beispiel der Amazonas-Regenwald regelmäßig mit Sahara-Staub gedüngt. Hauptbestandteile sind Phosphat und Eisen.

5. Ökosystem Wüste Destruenten: Aufgrund seines neutralen pH-Wertes bietet der Wüstensand für eine Vielzahl von Bak- terien Lebensraum. Sie sind verantwortlich für Zersetzungsprozesse organischen Mate- rials. Durch diese Mineralisierung werden den Produzenten wichtige Nährstoffe wieder zur Verfügung gestellt.

Produzenten: Autotrophe Organismen (Pflanzen) die mithilfe von wenig energiereichen anorgani- schen Substanzen und solarer Energie energiereiche organische Verbindungen (Gluco- se) aufbauen.

Konsumenten (Primärkonsumenten, Sekundärkonsumenten):

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Heterotrophe Organismen (Herbivoren, Insektivoren, Karnivoren) die aus organischer Substanz (Glucose) Energie gewinnen. Nahrungskette:

Quelle: http://www.goldridge08.com/pictures/webdesert.gif

Das historische Ökosystem: Die Sahara war nicht in ihrer gesamten Geschichte eine Wüste. Es gab auch Feucht- phasen, in welchen sich in der Sahara Großsäuger und Fische wohlfühlten und Men- schen siedelten. Begonnen hat die Geschichte der Sahara vor 2,5 Mio. Jahren. Zu die-

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate ser Zeit wurde das Gebiet zum ersten Mal zur Wüste. Seit diesem Zeitpunkt haben sich Trocken- und Nasszeiten abgewechselt. Die letzte Feuchtphase endete vor 5.500 Jah- ren. Als Erster fand Ladislaus Eduard Almásy Indizien für eine frühere Ergrünung der Saha- ra. Dies waren Felszeichnungen von schwimmenden Menschen und Tieren, darunter Giraffen, ein Hund und ein Strauß. Diese Wandmalereien im Wadi Sura waren der An- stoß für weitere Forschungen auf diesem Gebiet. Vor 16.000 Jahren wurde aufgrund einer Taumelbewegung der Erde die Ergrünung eingeleitet. Die Erde unterliegt leichten periodischen Schwankungen der Erdachse und Erdumlaufbahn, dies führt zu einer Verschiebung der Sonneneinstrahlung und hat somit Auswirkungen auf das Klima. Durch die erhöhte Sonneneinstrahlung auf der Nordhalb- kugel wurde in Nordafrika der Sommer-Monsun verstärkt und die Regengrenze ver- schob sich um mehrere 100 Kilometer nach Norden. Durch die erhöhten Niederschläge wurde die Sahara zu einem komplett anderen Lebensraum. Wie Ausgrabungen und Untersuchungen von Bohrkernen ergaben, war die Sahara im Zeitraum von 14.000 v. Ch. bis 3.500 v. Ch. keine Wüste sondern eine belebte, von Feuchtbiotopen und Flüssen durchzogene Landschaft. Als Pionierpflanzen traten hierbei Gräser in den Vordergrund, welche die Sanddünen festigten und den Sand vor einer Abtragung durch den Wind festigten. Auf die Gräser folgten die Sträucher, als letztes wanderten Bäume ein. Auf den nun stillstehenden Dü- nen entstand in Süd-West-Libyen ein Grasmeer, welches alsbald von Tieren und Men- schen besiedelt wurde. Um 8.500 v. Ch. hinterließen Elefanten, Büffel und Leoparden ihre Spuren in der Region. In den Flüssen welche nun die Landschaft durchzogen und in den Seen und Tümpeln, welche sich in den Dünentälern bildeten fanden zahlreiche Tierarten ein geeignetes Biotop. Im Wadi Howar wurden bei Ausgrabungen von Siedlungen Knochen analysiert. Diese ließen einen Einblick in die Ernährung der Menschen und somit auch in die Fauna zu. Dort lebten mitten in der Wüste Wasserschildkröten, Nilpferde, Krokodile mit einer Län- ge von bis zu 4 Metern und mehr als 20 verschiedenen Fischarten, von welchen viele auf eine gute Wasserqualität angewiesen sind.

http://lv-twk.oekosys.tu-berlin.de/project/lv- twk/images/jpgs/1011-sudan-wadi-howar- 1.jpg

Um 3.500 v. Ch. veränderte sich das Klima in wenigen Jahrhunderten wieder drama- tisch und die Sahara wurde zu der Wüste, welche sie heute ist. Die periodischen Schwankungen der Erde können nicht der alleinige Grund gewesen sein, sie waren aber der Auslöser. Durch die sinkenden Niederschläge wurde das Grasland lückig und die Vegetation nahm ab. Durch die abnehmende Pflanzendecke verdunstete weniger Wasser, was zu weiteren Niederschlagsrückgängen führte. Durch die erhöhte Rück- 134

HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate strahlung der Sonneneinstrahlung, aufgrund der höheren Albedo, kühlten sich die Luft- massen über der Sahara ab was zu einem weiteren Rückgang des Niederschlages führte. Aufgrund dieser Umstände wird vermutet, dass es für die nordafrikanische Regi- on nur zwei stabile Zustände gibt: Wüste oder grüne Savannenlandschaft. Aus dieser letzten Nassphase stammen auch größere Teile der Grundwasserreserven, welche die großen Seen und Oasen speisen. Auch Teile der Flora und Fauna sind Re- likte dieser Zeit, welche in Oasen und Wadis die Trockenheit bis heute überdauert ha- ben. In den letzten 2,5 Millionen Jahren haben sich in der Sahara Wüste und Savanne immer wieder abgewechselt. Im Schnitt war die Sahara etwa alle 100.000 Jahre grün. Da die letzte Savannenphase ungefähr 10.000 Jahre zurückliegt, ist bei einer Aufrechterhal- tung des Rhythmus eine erneute Ergrünung in 90.000 Jahren zu erwarten. Dies könnte aber eventuell durch den Klimawandel beschleunigt werden.

6. Flora und Fauna der Wüste

6.1. Flora Welchen Schwierigkeiten begegnen Pflanzen, welche in Wüstenregionen wachsen und gedeihen? Um diesen Widrigkeiten zu trotzen haben verschiedenste Pflanzen unterschiedlichste Methoden entwickelt, welche teilweise offensichtlich sind, aber in manchen Fällen auf den ersten Blick auch obskur erscheinen.

Beispiel: Wüstendattel (Balani- tes aegyptiaca)

Wächst bei Niederschlägen von 250 – 400 mm/a und 20° - 30° Blattvarietät: Blattspreite von

0,3 cm – 1 cm und Blattlänge von 5 cm – 6,8 cm

http://upload.wikimedia.org/wikiped ia/commons/c/c0/Balanites_aegypt iaca_0730.jpg

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Extrem hohe Verdunstungsraten: Die Pflanzen müssen versuchen ihr gewonnenes Wasser möglichst lang zu behalten und effizient zu nutzen, also die Evaporation senken. Dies geschieht durch eine Reduk- tion der Oberfläche und / oder eine verdickte und wasserundurchlässige Epidermis. Zur Oberflächenreduktion gibt es drei grundlegende Möglichkeiten. Eine Reduktion der Blattoberfläche, durch Verkleinern der Blattlänge und -spreite, das Abwerfen der Blätter in Trockenphasen, ähnlich dem Sommer-Winter-Rhythmus der Laubbäume in unseren Breitengraden, oder ein Einrollen der Blätter in Trockenperioden. Eine Stärkung der Epidermis wird vor allem durch Wachseinlagerungen erreicht. Die Wachseinlagerungen reduzieren aufgrund ihrer hydrophoben Eigenschaften die Was- serdurchlässigkeit der Außenhaut.

Erhöhter Salzgehalt im Boden und im Wasser: Salz schädigt die Pflanzen durch eine Erschwerung der Wasseraufnahme, es wirkt der Osmose entgegen, durch eine Ionenungleichgewicht können nicht mehr alle lebensnot- wendigen Ionen aufgenommen werden und der Stoffwechsel wird negativ beeinflusst. Einige Spezialisten haben spezielle Drüsen gebildet, durch welche aufgenommenes Salz wieder ausgeschieden werden kann. Das Salz wird in Ionenform unter Energie- aufwand an die Epidermis transportiert und dort ausgeschieden. Dieser Prozess erfolgt zu Energiesparzwecken nur wenn nötig, ansonsten wird die Drüsentätigkeit eingestellt.

Fraß durch Tiere: Da Pflanzen aufgrund ihrer Speicherfähigkeiten und Wurzelsysteme in Gebieten über Wasser verfügen, in welchen Tiere keinerlei Möglichkeiten haben, Wasser zu erreichen, werden oftmals die Pflanzenteile mit dem größten Wassergehalt abgefressen. Am be- gehrtesten sind hierbei die Blätter und Knospen. Um diese Rückschläge zu vermeiden, schützen sich viele Pflanzen, meist Sträucher durch Stacheln, Dornen oder Behaarung.

Lange Trockenperioden zwischen Niederschlägen: Viele Pflanzen bilden sehr tiefe oder großflächige Wurzelsysteme aus, um alles verfüg- bare Wasser zu nutzen. Diese Wurzelsysteme können bis zu 40 Meter tief sein oder sich über mehrere Quadratkliometer erstrecken. Zudem sind viele Samen extrem wi- derstandsfähig und können somit mehrere Jahre bis Jahrzehnte im Boden überdauern bis zum nächsten Niederschlagsereignis. Einige Pflanzen haben sich auch dazu entwickelt, Jahre ohne Wasser auszukommen und vom scheinbar total vertrocknetem Strauch in kurzer Zeit wieder zu erblühen (Wun- dertee; Zwergstrauch; Namib). Ähnlich verhält sich auch die Mannaflechte (Parmelia esculenta). Je trockener sie wird, desto lichtundurchlässiger wird ihre äußerste Schicht, und somit sinkt auch die Erhit- zung, die Pflanze kann länger überleben. In den Nebelwüsten haben sich auch Spezialisten herausgebildet welche den Nebel auskämmen und somit ihren Wasserhaushalt aufbessern oder komplett bestreiten.

Kurze Vegetationsperioden, aufgrund der kurzen Verfügbarkeit von Wasser: Sobald in den Wüsten Rgen fällt müssen die Pflanzen innerhalb kürzester Zeit reagie- ren um die kurze Feuchtperiode perfekt nutzen zu können. Hierzu werden Samen ge- bildet welche die Trockenperiode überstehen können, bei dem ersten Kontakt mit Was- ser aber innerhalb kürzester Zeit mit dem Keimen beginnen und eine neue Generation

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate auf den Weg bringen.

Denaturierung von Eiweißen bei Temperaturen >40°C: Eiweiße sind lebenswichtige Bausteine in Pflanzen. Viele Eiweiße denaturieren aber bei Temperaturen ab 40°C, je nach Eiweiß. Da Temperaturen wie diese in Wüstengegen- den aber keine Seltenheit sind müssen Zusatzstoffe eingelagert werden, welche die Denaturierung aufhalten. Einige Pflanzenarten haben auch eine weiße Färbung angenommen um möglichst viel Sonneneinstrahlung, Hitze, zu reflektieren (Köcherbäume).

Vom Wind getriebender Sand hat eine schmirgelnde Wirkung: Wenn der Wind den Sand von den Dünen aufwirbelt und vor sich her treibt wirkt das auf nicht geschützte Pflanzenteile wie Schmirgelpapier. Um sich davor zu schützen nutzt eine Pflanze in der Namib den Sand selbst als Schutzschild. Die Pflanze der Gattung Psammophora scheidet im Jugend-/Wachstumsstadium ein klebriges Sekret aus, an welchem der Sand, welcher vorbeiweht festklebt. Wenn dann Sandstürme durch die Wüste fegen, bildet der festgeklebt Sand eine Art Rüstung und schützt somit die Pflan- ze vor Schäden. Als abschließendes Extrembeispiel die Sahara-Zypresse (Cupressus dupreziana). Die- ser Baum wächst endemisch im Tassili-n'Ajjer-Massiv, Zentralsahra, Algerien. Der sehr kleine Bestand hat einen Niederschlag von 33 mm/a. Aufgrund der extrem schwierigen Wachstumsbedingungen hat sich bei dieser Baumart ein besonderes Fortpflanzungs- system etabliert. Nachwuchs ist sehr selten, die Existenz verdankt der Bestand nur noch seinem hohen Alter von größtenteils über 2.000 Jahren. Wenn doch einmal eine Befruchtung und Vermehrung stattfindet fungiert der weibliche Samen lediglich als Nährstofflieferant zur Unterstützung der Keimung. Die Erbinformation liefert lediglich der männliche Samen.

6.2. Fauna Wirbeltiere: Säugetiere (Pflanzenfresser wie Räuber, z.B. Kamel, Afrikanischer Esel, Schakal, Fennek, Afrikanischer Wüstenigel etc.) Kleinsäuger (in der Sahara etwa 40 Arten z.B. Spring- und Rennmäuse) Vögel (etwa 90 Arten z.B. Hühnerartige, Taubenartige, SperlingsvögelSingvögel) Reptilien/Amphibien (etwa 60 Echsen- und 30 Schlangenarten z.B. Skinke, Geckos, Hornviper)

Gliedertiere: Insekten (z.B. KäferNebeltrinker, Heuschrecken, Ameisen) Spinnentiere (z.B. Skorpione, Taranteln, Goldene Radspinne, Cebrennus rechen- bergiMarokkanische Flic-Flac-Spinne)

Strategien und Tricks gegen Wassermangel, Hitze und UV-Strahlung: . Wasserbeschaffung/Wasserspeicherung: Der Nebeltrinker fischt Wassertropfen aus Nebelschwaden, indem er sein Hinterteil in die Höhe streckt, auf dem sich Feuchtigkeit niederschlägt und über spezielle Rillen in Richtung Mundöffnung fließt. Andere Tiere wie Geckos, Sand-/Hornvipern Termi-

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ten und Spinnen nutzen ebenfalls mitunter diese Methode. Andere Wüstentiere wie etwa Schakal, Fennek, Schlangen oder karnivore Eidech- sen benötigen so gut wie kein Frischwasser sondern decken ihren Flüssigkeitsbedarf mit ihrer Beute, die zu etwa 2/3 aus Wasser bestehen. Pflanzenfresser wie Nager, Kamele und einige Echsen decken ihren Wasserbedarf auf chemische Weise: Sie verbrennen mit dem eingeatmeten Sauerstoff das Fett, das sie etwa mit Samen verzehrt und gespeichert haben. Dabei werden Energie und Wasser frei. Faustregel: Ein kg Fett = ein L Wasser. Andere Nager wiederum benötigen keinerlei Frischwasser, da sie Samen und Körner in ihrem Bau lagern, die die Bodenfeuchte aufnehmen, quellen und somit als Was- serspeicher dienen. Manche Vögel, z.B. Flughühner, unternehmen ausgedehnte Rundflüge, um Wasser- stellen aufzusuchen und sammeln Wassertropfen in ihrem Bauch-/ und Brustgefieder um ihre Küken zu tränken. Manche Nager, Kamele und Gazellen können auch salziges Wasser trinken, das in der Wüste häufiger vorkommt. Leistungsfähige Nieren scheiden die überschüssigen Salze aus, Dornschwanzagamen sondern diese Salze über spezielle Drüsen aus.

. Wassersparen: Viele Gliederfüßer, Spinnen und Insekten etwa, besitzen Chitin-Panzer mit einer ausgeprägten Wachsschicht die fast völlig dicht ist. Da Insekten wechselwarm sind schwitzen diese nicht und sparen so ihr körpereigenes Wasser ein. Auch die regelba- ren Tracheen verhindern einen übermäßigen Verlust an Feuchtigkeit durch die At- mung. Manche Warmblüter (Kropfgazelle) reduzieren In Trocken-/Notzeiten ihre Organmas- se (Leber, Herz, und Muskeln). Dieser Schrumpfungsprozess (bei der Leber um fast 50%) senkt den Sauerstoffbedarf der Tiere, wodurch sie weniger atmen müssen und somit geringere Wassermengen über die Atemluft abgeben. Eine weitere Strategie Wasser einzusparen liegt darin Transpiration zu verhindern, weshalb viele Warmblüter den Tag im Schatten unter Bäumen oder Felsspalten ver- bringen und nachts auf Nahrungssuche gehen. Auch die Konzentration des im Urin vorhandenen Harnstoffes ist weitaus konzentrierter als bspw. beim Menschen. Dies ermöglicht es viele Wüstentieren Salze und Harnsäure auszuscheiden, dabei jedoch Wasser zurückzugewinnen. Voraussetzung hierfür sind hochleistungsfähige Nieren.

. Kamele: Sie vertragen salziges Wasser, haben stark konzentrierten Urin und extrem trocke- nen Kot. Zudem haben sie die Fähigkeit ihre Körpertemperatur zu regeln. So ist eine Erhöhung der Körpertemperatur auf 42°C ohne körperlichen Schaden anzurichten möglich. Nachts ist eine Abkühlung der Körpertemperatur auf bis zu 34 °C möglich, was eine längere Aufwärmphase am Tag zur Folge hat und somit die Abkühlung des Körpers durch Verdunstung begünstigt. Kamele können bis zu 8 Tage ohne Flüssig- keit auskommen, auch wenn sie dabei 25% ihrer Körperflüssigkeit verlieren. Diesen Verlust wieder auszugleichen erlaubt es Kamelen innerhalb einer Zeit von 15 Minu- ten bis zu 200 L Wasser zu trinken.

. Hitzeschutz: Eiweißmoleküle werden ab 60°C unwiderruflich in ihrer räumlichen Struktur zerstört.

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Diese Denaturierung bewirkt, dass Enzyme ihre Funktion nicht mehr ausführen und ein Organismus stirbt. Manche Tiere (z.B. die Namib-Ameise Ocymyrmex barbagier) produzieren daher „Hitzeschock-Proteine“, die dafür sorgen, dass hitzeempfindliche Eiweißmoleküle auch bei hohen Temperaturen ihre räumliche Struktur nicht verlie- ren.

Quelle: http://www.beobachter.ch/natur/flora-fauna/lebensraeume/artikel/sahara_ort-der-extreme/# . Hitzeflucht: o Die meisten Kleinsäuger und Nager (2) halten sich tagsüber in ihren Erdhöhlen auf, in denen die Temperatur wesentlich geringer ist als an der Oberfläche. Zu- dem herrscht dort eine höhere Luftfeuchtigkeit, weshalb diese Tiere weniger Frischwasser benötigen. o Reptilien verkriechen sich in Felsspalten, Schlupflöchern oder im Sand (Skink), um der Hitze zu entgehen. Der Skink bewegt sich, wie ein Fisch durch das Was- ser, durch den Sand. o Größere Säugetiere (1) nutzen den Schatten von Bäumen oder von der Sonne exponierten Felswänden. o Manche am Boden lebende Organismen (4) suchen sich vom Boden entferntere, und damit kühlere, Plätze zum Abkühlen (Büsche, Sträucher, Bäume). o Insekten (3) nutzen tagsüber ihre in den tieferen Sandschichten verborgenen Bauten, um vor der Hitze und der UV-Strahlung zu fliehen. o Pflanzen (5) bilden tiefe oder weit verzweigte Wurzelsysteme aus, um an die feuchteren Sandschichten zur Wasseraufnahme zu gelangen.

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7. Quellenverzeichnis Bibliographisches Institut (1885-1892): Meyers Konversationslexikon Vierte Auflage, Leipzig, unter: http://www.retrobibliothek.de/retrobib/seite.html?id=114065 (abgerufen 31.10.2015) Biosahara.com, unter: http://www.www.biosahara.com/tiere.html (abgerufen 31.10.2015) Biosahara.com, unter: http://www.biosahara.com/pflanzen.html (abgerufen 31.10.2015) Der Deutsche Wetterdienst, unter: http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop?_nfpb=true&_pageLabel=dwdww w_menu2_presse&T98029gsbDocumentPath=Content%2FPresse%2FPressemitteilungen%2F 2012%2F20121227__DeutschlandwetterJahr__2012__news.html (abgerufen 19.04.2015) Der Schweizerische Beobachter, unter: http://www.beobachter.ch/natur/flora-fauna/lebensraeume/artikel/sahara_ort-der-extreme/# (ab- gerufen 31.10.2015) Die Welt, (2014), unter: http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/wissenschaft_nt/article127440388/Flick-Flack- Spruenge-mit-acht-Beinen.html (abgerufen 31.10.2015) G+J Wissen GmbH (2007): Blütezeit in der Namib, GEOkompakt Nr. 12 - 09/07 - Die Wüste, Hamburg G+J Wissen GmbH (2007): Dünen, GEOkompakt Nr. 12 - 09/07 - Die Wüste, Hamburg Geolinde, unter: http://www.geolinde.musin.de/index.php/geospezial/wuesten-der-welt/1192-t-afrtiere1-2.html (abgerufen 31.10.2015) Goldridge08, unter: http://www.goldridge08.com/pictures/webdesert.gif (abgerufen 15.04.2015) JANICK, J., PAULL, P. E. (2008): The Encyclopedia of Fruit and Nuts, Cambridge: CABI Pub- lishing Series KLASCHKA, S. (2013): „Kamele – Überlebenskünstler der Wüste“, unter: http://www.planet-wissen.de/natur_technik/wildtiere/kamele/kamele_ueberlebenskuenstler.jsp (abgerufen 31.10.2015) KLASCHKA, S., ZETER, K. (2013): „Trockenwüsten- Wüsten als Lebensraum“, unter: http://www.planet- wissen.de/natur_technik/wueste/trockenwuesten/trockenwuesten_lebensraum.jsp (abgerufen 31.10.2015) Landscape, unter: http://www.sahara-film.de/klima.html (abgerufen 31.10.2015) Sahara-nature, unter: http://www.sahara-nature.com/animaux_sahara.php (abgerufen 31.10.2015) The Gymnosperm Database, unter: http://www.conifers.org/cu/Cupressus_dupreziana.php (abgerufen 31.10.2015)

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Hydrologie und Wasserwirtschaft in Maghreb (aktuelle Situation, zukünftige Entwicklungen) von Rebecca Kelm und Franziska Ulm

Inhalt: 1. Maghreb 1.1 Die Entstehung des Maghreb 1.2 Die drei Hauptregionen Marokko, Tunesien und Algerien 2. Klima 3. Hydrologie 3.1 Die Hydrologie des Maghreb 3.2 Wasserverknappung in den einzelnen Ländern 3.3 Grundwasser 3.4 Grundwassersituation im Maghreb 4. Politischer Einfluss 5. Aktuelle Wasserwirtschaft in Maghreb 6. Zukünftige Entwicklungen der Wasserwirtschaft 7. Quellenverzeichnis 7.1 Abbildungsverzeichnis 7.2 Internetquellen

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1. Maghreb Maghreb ist ein Sammelbegriff einer Region und bedeutet auf Arabisch „ Westen“. Man versteht darunter vor allem die drei nordafrikanischen Staaten Tunesien, Algerien und Marokko, teilweise fallen auch noch Libyen und Mauretanien darunter. Alle Länder ha- ben aufgrund ihrer Geographie und Geschichte viele Gemeinsamkeiten. Vier der fünf Länder sind Mittelmeeranrainer (Staaten, die an das Mittelmeer angren- zen).

1.1. Die Entstehung des Maghreb 1956 wurden Tunesien und Marokko unabhängig. Es kam die Idee einer Wirtschafts- gemeinschaft und 1964 wurden dann Verhandlungen über eine wirtschaftliche Integrati- on auch mit Algerien und Libyen geführt. Am 9. März 1966 einigten sich die vier Länder Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien auf die Bildung eines ständigen Sekretariats mit Sitz in Tunis, eines Konsultativausschusses für Wirtschaftsfragen sowie einen ge- meinsamen Ausschuss für das Post- und Fernmeldewesen. Nach der Revolution in Li- byen (1969) nahmen die Konflikte zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten zunächst zu, Libyen schied 1970 zunächst aus dem gemeinsamen Markt aus. Nach 20 Jahren trafen sich die mittlerweile 5 Länder Algerien, Libyen, Mauretanien, Marokko und Tunesien zu einem ersten Maghreb – Gipfel (Konferenz führender Politiker). Ein Jahr später, am 17. Februar 1989, wurde das Abkommen in Marrakesch formell von den Mitgliedsstaaten unterzeichnet. Der Vorsitz der Union rotiert jährlich zwischen den einzelnen Staaten.

1.2. Die drei Hauptregionen Marokko, Tunesien und Algerien Marokko: Marokko ist ein Staat im Nordwesten Afrikas. Er ist durch die Straße von Gibraltar (briti- sches Überseegebiet) vom europäischen Kontinent getrennt. Es ist das westlichste der fünf Maghreb – Länder. Es grenzt im Norden an das Mittelmeer, im Westen an den at- lantischen Ozean und im Osten an Algerien. Die Hauptstadt Marokkos ist Rabat, früher Marrakesch. Das Land hat eine Fläche von 446.550 km² und wird von 32.950.000 Menschen be- wohnt (Schätzung 2013) (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Marokko).

Tunesien: 142

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Tunesien ist ein Staat in Nordafrika, der im Norden und Osten an das Mittelmeer, im Westen an Algerien und im Süd-Osten an Libyen grenzt. Sein Name ist von dem Na- men seiner Hauptstadt Tunis abgeleitet. Das Land hat eine Fläche von 163.610 km² und wird von 10.777.500 Menschen be- wohnt (Schätzung 2012) (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Tunesien).

Algerien: Algerien ist ein Staat im Nordwesten Afrikas. Es ist das mittlere der Maghreb – Länder und ist knapp vor der Demokratischen Republik Kongo der größte Staat des afrikani- schen Kontinents. Er grenzt im Norden an das Mittelmeer, im Westen an Mauretanien, Marokko und die von Marokko beanspruchte Westsahara, im Süden an Mali und im Os- ten an Libyen sowie Tunesien. Das Land ist nach seiner Hauptstadt Algier benannt. Das Land hat eine Fläche von 2.381.741 km² und hat 38,7 Mio. Einwohner (Schätzung 2014) (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Algerien).

2. Klima Maghreb: Die Region Maghreb (Algerien, Marokko, Tunesien) lässt sich sowohl klimatisch als auch landschaftlich weitgehend küstenparallel von Nord nach Süd in drei Naturräume untergliedern: . Der Küstenstreifen mit mediterranem Klima . Das Atlasgebirge mit kontinentalem Klima und Hochgebirgsklima . Die nördliche Sahara mit extrem aridem Klima

Marokko: Klimatisch gesehen kann man Marokko in zwei Gebiete unterteilen: in den mediterran beeinflussten Westen und in den saharisch-kontinental geprägten Südosten und Süden. Für eine Klimascheide sorgt der Hohe und Mittlere Atlas. Im Norden und Westen Marokkos handelt es sich um atlantisch-mediterranes Klima mit trockenen und heißen Sommern und milden Wintern. Die mittleren Temperaturmaxima liegen zwischen 26°C und 29°C und die mittlere Augusttemperatur liegt bei 23°C. Das Januarmittel liegt bei 12°C und es handelt sich im Allgemeinen um milde und regenrei- che Winter, wobei die Niederschlagsmengen nach Süden hin immer weiter abnehmen (Tanger: 900mm Jahresniederschlag, Agadir: 200mm Jahresniederschlag) Weiter Richtung Landesmitte wirkt sich der mildernde Einfluss des Meeres nicht mehr so stark aus, sodass in der zentralen Meseta und im Atlasgebirge Kontinentalklima herrscht. Im Sommer können bis zu 45°C erreicht werden, wobei das Augustmittel bei etwa 29°C (Marrakesch) liegt, wobei im Winter hingegen sogar Temperaturen um den Gefrierpunkt liegen können. Der Niederschlag wiederum ist gering und es fallen kaum mehr als 250 mm, wobei an der Westabdachung der Gebirge auf Grund von Steigungs- regen bis zu 1000 mm Niederschlag pro Jahr fallen kann. In den Sahara-Randgebieten, welche sich südlich des Atlas befinden, herrscht trocken- heißes Wüstenklima. Die Niederschlagsmenge überschreitet im Jahr kaum 200mm und der Regen fällt sehr unregelmäßig. Ackerbau ist daher nur in den Oasen und mit zu-

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate sätzlicher Bewässerung möglich. In den Sommermonaten weht zeitweise der Scirocco, ein heißer und staubbeladener Wind aus der Sahara. Somit erstreckt sich Marokko über mehrere Klimazonen was wiederum zu einer stark variierenden Wasserverfügbarkeit führt und zu regional und zeitlich sehr unregelmäßig verteilten Niederschlägen, welche auch von Jahr zu Jahr stark schwanken. Landschaftskundlich lässt sich Marokko in vier Einheiten unterteilen: . Das Atlasgebirge: mit Erhebung bis zu 4.100 Meter über dem Meeresspiegel . Das Rifgebirge: verläuft entlang der Mittelmeerküste . Die Küstengebiete: zwischen dem Rif- und Atlasgebirge . Die Wüste: im Süden und Südosten Marokkos beginnt die Sahara

In Marokko erhält 85% der Landesfläche weniger als 300mm Niederschlag im ganzen Jahr. Meist fallen die Niederschläge in zwei verschiedenen Regenzeiten: eine im Herbst und eine im Winter. Die im ganzen Jahr auftretenden Dürreperioden betreffen ganz Ma- rokko und nicht nur die Wüstengebiete. Marokko verfügt über große Mengen an Oberflächenwasser, allerdings können von den geschätzten 29 Milliarden m³ verfügbarem Wasser bei derzeitigen technischen und wirtschaftlichen Bedingungen nur 19 Milliarden m³ genutzt werden. Außerdem ist die Wasserqualität der Oberflächengewässer häufig mangelhaft, besonders an den Was- serläufen, welche von städtischen und industriellen Abwässern beeinflusst sind. Das Grundwasser spielt in Ländern wie Marokko aufgrund der günstigen geographi- schen Verteilung, der leichten Erfassung sowie der geringen Anfälligkeit gegenüber Klima und Verschmutzung eine besonders große Rolle, insbesondere in Bezug auf die Trinkwasserversorgung der ländlichen Bevölkerung. Bereits seit 1961 werden die Grundwasservorkommen im Land gezielt erschlossen. Auf Grund des Wassermangels findet heute eine starke Übernutzung des Grundwas- sers statt und häufig ist das Grundwasser verschmutzt, da eine starke Mineralisierung und Nitrifizierung durch Haushaltsabwässer, Landwirtschaft und die Industrie stattfindet (vgl. www.umweltbundesamt.de).

Tunesien: Auch Tunesien ist sowohl von mediterranem als auch aridem Klima gekennzeichnet, die Niederschläge nehmen ebenfalls von Nord nach Süd ab und von Ost nach West zu. Mit größer werdender Entfernung vom Mittelmeer wird die ausgleichende Wirkung ge- ringer und das Klima wird zunehmend kontinental. Im August liegt die mittlere Tempera- tur bei 26°C und im Januar bei 10°C. Der Norden ist winterfeucht und sommertrocken während die zentraltunesische Steppenregion wechselhaft mit heißen Sommern, kalten Wintern und abnehmenden Niederschlägen ist. Die vom Meer beeinflusste Mittelmeer- küste ist geprägt von ausgeglichenem Klima und südlich der Schotts beginnt das Wüs- tenklima. Im Süden des Atlasgebirges herrscht das ganze Jahr über trockenheißes Wüstenklima, in dem es nur sehr unregelmäßig zu Niederschlägen kommt. Die Maximaltemperaturen liegen bei 45°C, wobei es im Schatten 10° kühler sein kann. Die extremsten Temperaturdifferenzen gibt es in der Sahara mit 50°C im Sommer und Bodenfrost im Winter.

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In Tunesien fallen die Niederschläge vornehmlich in den Wintermonaten, es kann aber auch zu heftigen Regenfällen im Sommer kommen. Im Norden liegen die jährlichen Niederschlagsmengen bei 500 mm bis maximal 1000 mm und sind somit ausreichend für einen erfolgreichen Feldbau, im Süden wiederum übersteigt die Verdunstung die Menge des unregelmäßigen Niederschlages, der die 200 mm pro Jahr nicht überschreitet (vgl. www.umweltbundesamt.de).

Algerien: Das Land ist im Norden von mediterranem Klima und im Süden von sehr trockenem Wüstenklima geprägt. Die Mitteltemperatur beträgt an der Mittelmeerküste im August 25°C und im Januar 12°C. Die Niederschläge fallen auch hier vorwiegend im Winter und liegen durchschnittlich zwischen 500 und 10000 mm). Im Hochland der Schotts herrschen ausgeprägte saisonale Temperaturschwankungen und ein winterfeuchtes Steppenklima. Das Januarmittel überschreitet die 0°C kaum, das Augustmittel wiederum liegt bei 30°C. Der Jahresniederschlag, der meist in Form von kurzem Platzregen auftritt, überschreitet hier kaum die 350 mm. Am Nordhang des Atlas steigen die Niederschläge wieder, an der Südseite jedoch er- folgt schnell der Übergang zum heißen und trockenen Wüstenklima der Sahara. Die täglichen Temperaturschwankungen können hier 20°C und mehr betragen und im Win- ter können sie unter 0°C sinken und im Sommer werden über 40°C erreicht. In dieser Region liegt das Niederschlagsmittel im Jahr bei nur 10 mm. Auch hier weht aus der Sahara in den Sommermonaten häufig der Scirocco (vgl. www.umweltbundesamt.de).

3. Hydrologie Die Hydrologie ist die Wissenschaft, die sich mit dem Wasser über und unter der Land- oberfläche der Erde, seinen Erscheinungsformen, Zirkulation und Verteilung in Raum und Zeit, seinen biologischen, chemischen und physikalischen Eigenschaften, seiner Reaktion mit der Umwelt und seiner Beziehung zu Lebewesen befasst. Dreiviertel der Erdoberfläche wird von Wasser bedeckt, doch nur 1% dieser großen Wassermengen können die Menschen auf der Erde nutzen. Das andere Wasser ist entweder zu salzig, befindet sich in unerreichbaren unterirdischen Reservoirs oder ist in den Polarkappen bzw. Gletschern gefroren. Temperatur, Transparenz, der gelöste Sauerstoff - und Mineralsalzgehalt des Wassers sind wichtige Parameter für die Hydrologie und variieren je nach Ort und Jahreszeit.

3.1. Die Hydrologie des Maghreb Wasser ist in Maghreb eine knappe Ressource. Durch den immer größeren Wasserbe- darf einer wachsenden Bevölkerung, den Tourismus, die Industrie sowie die Bewässe- rungslandwirtschaft gerät diese Ressource immer mehr unter Druck. Dies zeigt sich vor allem in der Landwirtschaft und in der Trinkwasserversorgung.

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Abbildung 1: Wasserentnahme pro Kopf pro Kubikmeter in den einzelnen Ländern der Welt Quelle: Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAQ) AQUASTAT http://www.bpb.de/wissen/VGPF7A,0,0,Wasserverbrauch.html

3.2. Wasserverknappung in den einzelnen Ländern Marokko: Auch in Marokko sind die Wasserressourcen wegen Schadstoffbelastungen und stei- genden Verbrauch gefährdet. Da die Reinigung unzureichend ist, entstehen oft Ge- sundheitsrisikos, küstennahe maritime Ressourcen werden gefährdet und Entwicklung des Tourismus wird beeinträchtigt. Sehr viel Geld wird hier auch für den Bau und die Erweiterungen bestehender Stauseen, Bewältigung von Überschwemmungen, Komplet- tierung (vervollständigen) einer flächendeckenden Trinkwasserversorgung und das Rei- nigen der Anlagen von deutschen Unternehmen bereitgestellt. Umfangreiche Bewässerungskulturen finden sich in den Küstenebenen Rharb und Sous sowie bei Marrakesch und Fes; um weitere Flächen bewässern zu können, werden zu- sätzlich Staudämme gebaut. Marokkos durchschnittlich verfügbares Wasserangebot liegt unter dem international anerkannten Mindeststandard und unterliegt extremen räumlichen und zeitlichen Schwankungen. Die jährliche Wasserentnahme pro Kopf liegt bei 427,2 m³ (2002) (vgl. http://www.bpb.de/wissen/VGPF7A,0,0,Wasserverbrauch.html).

Tunesien: Die Wasserressourcen sind in Tunesien besser, da die Bewässerungslandwirtschaft das Wasser den Menschen besser zur Verfügung stellen kann und auch die Ver- schmutzung nicht ganz so schlimm ist wie in Marokko und Algerien.

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Die Gewässer Tunesiens befinden sich fast alle im Norden des Landes. Der wichtigste Fluss ist der Medjerda, er bekommt die meisten Niederschläge (400mm pro Jahr) und führt 82% der Wasservorkommen. Die Landesmitte und der Süden Tunesiens sind arid, es gibt aber Gewässer wie die Sabcha Sidi El Heni die große Grundwasservorkommen haben, was die Flächen an Oasen in den letzten 30 Jahren von 15000 auf 30000 Hektar zu vergrößern erlaubt hat. Bereits während der Kolonialzeit wurde mit dem Bau von Stauseen begonnen, damals vor allem, um Tunis mit Trinkwasser zu versorgen. Heutzutage gibt es in Tunesien 21 große Staudämme, zahlreiche kleinere Stauanlagen und 98 Kläranlagen. 80% des Wasserverbrauchs entfiel im Jahr 2000 auf die Landwirtschaft. Man rechnet damit, dass 2030 ein starkes Ressourcendefizit an Süßwasser vorkommt. Die jährliche Wasserentnahme pro Kopf in m³ liegt bei 296,2 (2002) (vgl. http://www.bpb.de/wissen/VGPF7A,0,0,Wasserverbrauch.html)

Algerien: Im Norden Algeriens ist die Niederschlagsmenge auf ein Jahr bezogen sehr unregel- mäßig verteilt. Lange Trockenperioden wechseln sich mit kurzen heftigen Regenfällen und Hochwasser ab, wodurch eine starke Bodenerosion stattfindet. Die Wasserressourcen sind wegen Verschmutzungen und zu wenig Aufbereitung des Wassers gefährdet. Es gibt in Algerien 58 Staudämme mit einer Kapazität von 6 Mrd. m³ Wasser. Die Stau- dämme sind meist nur zu einem Bruchteil gefüllt. Jährlich werden rund 3 Mrd. m³ Was- ser daraus genutzt. Das Hauptproblem in Algerien ist die Umweltverschmutzung, die den Staat sehr viel Geld kostet. Die Ursache der Verschmutzung, die immer mehr ansteigen wird, ist die Industrialisierung und das Bevölkerungswachstum, vor allem durch Defizite in der Ab- fallentsorgung und der Abwasseraufbereitung. Das Wasser wird durch Nitrat belastet. Die Meerwasserentsalzungsanlagen, die die Menschen dort mit Trinkwasser versorgen, nehmen immer mehr an Bedeutung zu. Der Wasserverbrauch steigt beständig an, da die Bevölkerung wächst, der Lebensstandard größer wird sowie Industrialisierung und landwirtschaftliche Bewässerung zunimmt. Die jährliche Wasserentnahme pro Kopf liegt bei 193,2 m³ (2002) (vgl. http://www.bpb.de/wissen/VGPF7A,0,0,Wasserverbrauch.html)

3.3. Grundwasser Grundwasser ist das Wasser unterhalb der Erdoberfläche. Es entsteht vor allem aus Niederschlagswasser, welches in den Boden versickert und aus Wasser, das aus ober- irdischen Gewässern, Bächen, Flüssen und Seen in den Untergrund gelangt. Das Fachgebiet, das sich mit Grundwasser befasst und es erforscht, ist die Hydrogeo- logie. Das Wasser bewegt sich zunächst mehr oder weniger senkrecht nach unten durch die Schwerkraft. Dabei lagert sich das Wasser teilweise in die mit Luft gefüllten Hohlräume des Bodens. Die Abwärtsbewegung des Wassers stoppt, wenn es auf eine undurchläs- sige Gesteinsschicht trifft. Diese Gesteinsschicht weist so gut wie keine Hohlräume auf und somit kann sich auch kein Wasser darin einlagern, so dass es nicht weiter versi- ckern kann und sich zu einem geschlossenen Grundwasserkörper sammelt. 147

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Grundwasser entsteht also immer dann, wenn Wasser in den Boden einsickern kann. Wenn das Wasser in den Boden eindringt und dadurch zu Grundwasser wird, nennt man diesen Vorgang Grundwasserneubildung.

3.4. Grundwassersituation im Maghreb Die Grundwasserspeicher sind übernutzt und zum Teil von Versalzung und Verschmut- zung durch den Eintrag von Schadstoffen aus der Landwirtschaft, Abwässern und Ab- fällen bedroht. Zudem werden die Wasserressourcen vermindert durch Abnahme der Niederschläge und gleichzeitige Temperaturerhöhung. Die Temperaturerhöhung bewirkt höhere Verdunstungsraten von Oberflächengewässern. Der Grundwasserspiegel sinkt ab durch Übernutzung der unterirdischen Wasserressourcen für Landwirtschaft und Tourismus. Durch die Verminderung der Niederschläge ist auch ein Rückgang der Viehzucht und damit der Fleischproduktion zu erwarten. Dies kann zu immer stärkeren Importbedarf führen. Maßnahmen zum Schutz der Wasserressourcen sind unzu- reichend und zum Teil, trotz massiver Investitionen wie in Tunesien, ineffizient. Eine Überwachung insbesondere der Grundwasserentnahmen findet nur sehr eingeschränkt statt.

4. Politischer Einfluss Da die Länder in der Region Maghreb sich sehr ähnlich entwickelt haben, stehen die drei sehr unterschiedlichen politischen Systeme Algerien, Marokko und Tunesien vor ähnlichen Herausforderungen. Besondere Probleme hier sind die verbreitete Arbeitslo- sigkeit (vor allem unter Jugendlichen), das Bevölkerungswachstum, die rapide Urbani- sierung sowie der ansteigende Tourismus. Die soziale Ungleichheit droht sich durch die Auswirkungen der Freihandelsabkommen, die massive Gefährdung der Landwirtschaft durch Wasserknappheit und Klimawandel sowie durch die steigenden Preise für Nahrungsmittel und Energie weiter zu verschär- fen. Das Problembewusstsein ist bereits vorhanden, da immer häufiger Krisen im Wasser- und Landwirtschaftssektor auftreten. Es haben bereits auch politische Reformen in den Ländern der Region begonnen. Allerdings kommen die Reformen nur schleppend vo- ran, da die institutionellen Kapazitäten für Nachfragemanagement und nachhaltige Wasserressourcenbewirtschaftung unzureichend sind und bereits vorhandene Kennt- nisse und Erfahrungen nicht genügend ausgetauscht werden. Maßnahmen zum Schutz der Wasserressourcen sind unzureichend und zum Teil, trotz massiver Investitionen wie in Tunesien, ineffizient. Allerdings haben der Erhalt der Wasserressourcen, der Schutz der Gewässer und die Vermeidung unnötigen Wasserverbrauchs hohe Priorität in der marokkanischen Um- weltpolitik Eine Überwachung zum Beispiel der Grundwasserentnahmen findet bisher aber nur sehr eingeschränkt statt (vgl. www.umweltbundesamt.de).

Marokko: Im Bereich der Trink- und Abwasserwirtschaft sowie im Umweltschutzbereich werden 2009 bis 2020 rund 4 Milliarden Euro vor allem für den Bau und die Erweiterung beste-

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate hender Stauseen, die Komplettierung einer flächendeckenden Trinkwasserversorgung auch im ländlichen Bereich und die Bewältigung der Folgen von Überschwemmungen bereitgestellt (vgl. www.germanwaterpartnership.de).

Tunesien: Tunesien wird bis 2012 mehr als 95 % aller verfügbaren Wasserressourcen mobilisiert haben. Nur durch eine integrierte Bewirtschaftung (IWRM) und Steigerung der Effizienz, insbesondere in der Bewässerungslandwirtschaft kann Wasser in ausreichender Menge und Qualität nachhaltig für die Bevölkerung und die anderen wirtschaftlichen Sektoren (Landwirtschaft, Tourismus, Industrie, etc.) zur Verfügung gestellt werden. Um die Herausforderungen der Zukunft besser meistern zu können, wünscht sich Tu- nesien eine bessere Bewirtschaftung seiner Ressourcen und eine Landwirtschaft, die an die Klimaveränderung angepasst ist. Die Wasserwirtschaft soll im Zentrum einer globalen Strategie stehen, die der Auswei- tung der Landwirtschaft durch Bewässerung gewidmet ist. Um die Wasserressourcen besser zu bewirtschaften und Verschwendung zu vermei- den, wurde eine neue Behörde für Wasserwirtschaft geschaffen, die eine Bestandsauf- nahme des bewässerten Landes erstellen soll (vgl. www.germanwaterpartnership.de).

Algerien: Dem Land fehl es vor allem an Branchen Know-How, weswegen oft ausländische Fir- men benötigt werden, die zum Beispiel im Bereich der Wasseraufbereitung arbeiten. Die Regierung hat im Rahmen des nationalen Programms zur Wirtschaftsförderung 8 Milliarden Euro bereitgestellt um Trink- und Abwasserleitungen zu sanieren und Anla- gen zur Aufbereitung von Abwasser zu installieren. Um Trink- und Abwasserleitungen zu sanieren und Anlagen zur Aufbereitung von Ab- wasser zu installieren, hat die Regierung im Rahmen des nationalen Programms zur Wirtschaftsförderung 8 Milliarden Euro bereitgestellt. Es müssen mehr als 20 Kläranla- gen, die wegen Störungen außer Betrieb sind, saniert werden. Im ganzen Land sollen weitere 52 Kläranlagen gebaut werden (vgl. www.germanwaterpartnership.de/).

5. Aktuelle Wasserwirtschaft in Maghreb Marokko: Marokko bietet große und oftmals nicht wahrgenommene Beteiligungschancen für deut- sche Unternehmen, durch Bereiche wie erneuerbare Energien und Umweltschutz, z.B. Abfallwirtschaft und Wasserversorgung, die in den marokkanischen Wirtschaftsplänen hervorgehoben werden. Im Bereich der Trink- und Abwasserwirtschaft sowie im Umweltschutzbereich werden 2009 bis 2020 rund 4 Milliarden Euro vor allem für den Bau und die Erweiterung beste- hender Stauseen, die Komplettierung einer flächendeckenden Trinkwasserversorgung auch im ländlichen Bereich und die Bewältigung der Folgen von Überschwemmungen bereitgestellt. Die unzureichende Reinigung der kommunalen Abwässer ist ein Gesundheitsrisiko, ge- fährdet küstennahe maritime Ressourcen und beeinträchtigt die Entwicklung des Tou-

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate rismus. 90 % des Wasserverbrauchs entfallen auf die Landwirtschaft, 4 % auf die In- dustrie und nur 6 % auf Trinkwasser.

Tunesien: Die Wasserwirtschaft sieht in Tunesien besser aus als in Marokko oder Algerien, da Tunesien sich eine bessere Bewirtschaftung seiner Ressourcen und eine Landwirt- schaft, die an die Klimaveränderung angepasst ist, wünscht und auch eine neue Behör- de für Wasserwirtschaft geschaffen hat. Somit will sie die Herausforderungen der Zu- kunft besser meistern und die Wasserressourcen besser bewirtschaften und Ver- schwendungen vermeiden. Diese Behörde soll eine Bestandsaufnahme des bewässer- ten Landes erstellen. 95% aller verfügbaren Wasserressourcen wurden schon mobilisiert. Durch eine integrierte Bewirtschaftung und Steigerung der Effizienz, insbesondere in der Bewässerungslandwirtschaft kann Wasser in ausreichender Menge und Qualität nachhaltig für die Bevölkerung, die Landwirtschaft, Tourismus, Industrie usw. zur Verfü- gung gestellt werden.

Algerien: Die Umweltverschmutzung in Algerien ist für den Staat sehr teuer und kostet ca. jedes Jahr 1,7 Milliarden US-Dollar. Da den Menschen in Algerien das Wissen zur Wasser- wirtschaft fehlt werden ausländische Firmen gesucht, die im Bereich der Wasseraufbe- reitung arbeiten und sich in Algerien engagieren wollen. Algerien hat ein großes Problem mit dem Thema Abwasser, was aber wiederum neue Geschäftschancen entstehen lässt. 700 Millionen Kubikmeter Abwasser werden jährlich produziert. Die Schmutzwassermenge wird noch drastisch steigen durch die steigende Industrialisierung und das Bevölkerungswachstum. Die Regierung hat im Rahmen des nationalen Programms um die Trink- und Abwasserleitungen zu sanieren und Anlagen zur Aufbereitung von Abwasser zu installieren zur Wirtschaftsförderung mehrere Milliar- den Euro bereitgestellt. Es müssen mehr als 20 Kläranlagen, die wegen Störungen außer Betrieb sind, saniert werden. Im ganzen Land sollen weitere 52 Kläranlagen gebaut werden.

6. Zukünftige Entwicklungen der Wasserwirtschaft Allgemein ist zu sagen, dass die Produktivität der Wassernutzung in der Region Maghreb noch zu gering ist. Auf Grund der wachsenden Bevölkerung, der fortschreitenden Urbanisierung, dem Tou- rismus, der Industrie und die Bewässerungslandwirtschaft steigt der Druck auf Regio- nen wie Maghreb, in denen Wasser eine knappe Ressource ist, immer weiter. Außer- dem wird auch der Klimawandel den Stress vermutlich noch zusätzlich erhöhen. Die Wasserknappheit wirkt sich auch unmittelbar auf das Wirtschaftswachstums Maghreb aus, da die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft in dieser Region sehr groß ist. Momentan werden viele der Grundwasserspeicher übernutzt und die Qualität des Grundwassers wird zusätzlich durch Versalzung und Verschmutzung durch den Eintrag von Schadstoffen aus er Landwirtschaft, den Abfällen und den Abwässern bedroht. Au-

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ßerdem findet die Überwachung der Grundwasserentnahme im Moment nur einge- schränkt statt. Die bisherigen Schutzmaßnahmen sind noch nicht ausreichend oder, trotz hoher Inves- titionen wie zum Beispiel in Tunesien, ineffizient. Außerdem treten vor allem in der Landwirtschaft und in der Trinkwasserversorgung noch erhebliche Wasserverluste auf (vgl. uir.fh-bingen.de). Laut Zeitungsberichten gibt es unterschiedliche Ansätze, wie wir Ländern wie Marokko beziehungsweiße Regionen wie Maghreb helfen können. Einerseits trägt alles dazu bei die Wasserkrise zu entschärfen, was den Klimawandel verlangsamt, da besonders sol- che Länder unter den Folgen eines Klimawandels zu leiden haben. Ebenfalls ist politischer Druck auf die Führungsinhaber in diesen Ländern hilfreich, um jene dazu zu bewegen, die Möglichkeiten die es bereits gibt um Wasser einzusparen, auch zu nutzen. Ein weiterer Ansatzpunkt wäre es, im Gegenzug dazu, dass wir Kaffee, Tee und Kakao aus den trockenen Regionen einführen, für deren Anbau diese Länder große Mengen an virtuellem Wasser verbrauchen, in die Länder Getreide zu exportieren (vgl. www.zeit.de). Im Moment werden nur 70% des städtischen Abwassers abgeleitet und nur 9 % des Abwassers werden aufbereitet. Das bedeutet, dass 600 Millionen m³ Wasser ohne eine Aufbereitung zurück in die Umwelt entlassen werden. Besonders im Punkt Abwasser findet sich also noch ein hohes Potential (vgl. uir.fh-bingen.de).

Beispielprojekt: Regionale Zusammenarbeit im Wassersektor (Maghreb) der BGR Mitorganisator ist das OSS (Observatoire du Sahel du Sahara), in dem alle 22 Sahara- Anrainerstaaten Mitglied sind. Neben Deutschland unterstützen auch Frankreich, Italien, Schweiß und Kanada das OSS seit der Gründung 1999 und finanziert sich über freiwil- lige Mitgliedsbeiträge der Länder und Subventionen und Spenden von Partnerorganisa- tionen. Das OSS betreibt vorrangig Datensammlung und –management, Modell- und Szenario- Entwicklung im Bereich „natürlicher Ressourcen semi-arider Gebiete. Projektbeginn war der 27. September 2009 und das voraussichtliche Projektende wird der 30. Juni 2015 sein. Das Ziel ist es, den Fachinstitutionen in Algerien, Marokko und Tunesien einen vereinfachten Zugang zu aktuelleren Daten und verbesserten Methoden zum nachhaltigen Grundwassermanagement zu ermöglichen. Dadurch solle Wissenslü- cken vor allem im Bereich „Grundwasser“ geschlossen werden sowie die vorhandenen und neuen Kenntnisse analysiert und bewertet werden, um dadurch die Grundlage für nachhaltige, strategische Entscheidungen und ein besseres Management zu legen. Zu den Projektaktivitäten gehören unter anderem die Zusammenstellung, Analyse und Be- wertung der vorhandenen hydrogeologischen Informationen in den Ländern, der Aufbau eines geographischen Informationssystems über landwirtschaftliche Bewässerungsflä- chen und Grundwasserentnahme mittels Fernerkundung, die Aufnahme, Analyse und Bewertung vorhandener Grundwassermessnetze und die Empfehlung prioritärer Reha- bilitierungsmaßnahmen (vgl. www.bgr.bund.de).

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7. Quellenverzeichnis Bayerisches Landesamt für Umwelt: „Wie entsteht Grundwasser“, unter: http://www.wasserforscher.de/schueler/der_wasserkreislauf/wie_entsteht_grundwasser/index.ht m (abgerufen am 20.04.2015).

BGR: „Überregional Afrika: Regionale Zusammenarbeit im Wassersektor – Maghreb“, unter: http://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Zusammenarbeit/TechnZusammenarbeit/Projekte/Laufend/ Afrika/2003_2013-2289-0_Mahgreb_Grundwasser.html (abgerufen am 21.04.2015).

Bundeszentrale für politische Bildung: „Wasserverbrauch“, unter: http://www.bpb.de/wissen/VGPF7A,0,0,Wasserverbrauch.html (abgerufen am 21.04.2015).

DRIESCHNER, FRANK: „Unser täglich Wasser“, unter: http://www.zeit.de/2009/30/Wasser-Fragen-Antworten/seite-2 (abgerufen am 21.04.2015)

Enzyklopädie des Islam: „Maghreb“, unter: http://www.eslam.de/begriffe/m/maghreb.htm (abge- rufen am 20.04.2015).

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate

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Bilderverzeichnis

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Auswirkungen des Klimawandels auf Marokko, Nord- Afrika und Maghreb von Julia Haelke und Tami Ziegler

Inhalt: 1. Allgemeines 2. Ökologische Folgen 3. Ökonomische Folgen 4. Soziale Folgen 5. Lösungsansätze gegen die Folgen des Klimawandels 6. Quellenverzeichnis

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1. Allgemeines Afrika wird der Kontinent sein, der die Auswirkungen des Klimawandels am stärksten zu spüren bekommen wird. Jedoch trägt er mit nur maximal 3% zum CO2 Ausstoß bei. In Deutschland ist der Ausstoß im Vergleich dagegen pro Kopf ca. 10mal so hoch. Maghreb ist der nord- westliche Teil Afrikas und umschließt vor allem die Länder Tune- sien, Algerien und Marokko als Kerngebiete, welche aufgrund ihrer Geographie und Geschichte viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Aber auch die Gebiete Lybien, Westsa- hara und Mauretanien werden dazu gezählt. In Maghreb werden die Auswirkungen des Klimawandels in verschiedener Hinsicht sichtbar sein. Maghreb bedeutet auf Arabisch „Westen“ und wörtlich übersteht „Wo die Sonne untergeht“. In Maghreb lassen sich drei verschiedene Klimazonen ausmachen. Von Norden nach Süden der Küstenstreifen mit mediterranem Klima, gefolgt vom Atlasgebirge mit konti- nentalem Gebirgsklima und die nördliche Sahara mit ihrem Wüstenklima. Durch den Klimawandel verschieben sich die Klimazonen in Richtung Norden, wodurch der Maghreb in Zukunft mit einem trockenerem Klima und dessen Auswirkungen zu kämp- fen haben wird.

2. Ökologische Folgen Der Klimawandel wird sich in Nordafrika zuallererst auf die Boden-, und Wasserres- sourcen und somit auch auf die Landwirtschaft negativ auswirken. Dadurch entstehen weitere soziale und ökonomische Probleme. Es kommt durch die Verschiebung der Klimazonen vor allem zu anhaltenden Trockenperioden, Dürren, einer Steigerung der Unwetter, Temperaturerhöhungen und einer Veränderung und Abnahme der Nieder- schläge. Bis 2020 wird es in Maghreb zu einer Niederschlagsabnahme von minus 5% bis minus 10% und einer Temperaturerhöhung von durchschnittlich einem Grad Celsius kommen. Bis zum Jahr 2050 werden die Werte bei der Temperatur bis zu plus 3°C und bei der Niederschlagsabnahme bis zu minus 30% ansteigen. Das Zusammenspiel von höheren Temperaturen und Hitzewellen mit den seltenen aber stärkeren Niederschlägen fördert die Wüstenbildung in der Region. Auch kommt es dadurch zu einer Verknappung der Ressource Wasser. Phänomene wie langanhaltende Trockenperioden und Dürrephasen verstärken jedoch gleichzeitig das Risiko von Über- schwemmungen. Oft fallen die Niederschläge eines gesamten Jahres innerhalb weniger Wochen. Da Niederschläge zwar seltener dadurch aber wesentlich stärker vorkommen, können die ausgetrockneten Böden die plötzlich auftretenden großen Wassermengen nicht aufnehmen. Die Folge davon sind vor allem Bodenerosionen. Das Wasser trägt die Nährstoffe ab und fördert damit die Degradation der Landwirtschaft. Erosion und Erdrutsche treten auch dadurch auf, dass die ausgetrockneten Pflanzen im Boden ab- sterben und ihn somit nicht mehr festigen können. Die schon heute vorhandene Degradation der landwirtschaftlich genutzten Böden wird vor allem durch Erosion, Wüstenbildungen und Wasserknappheit verstärkt. Dies hat zur Folge, dass es zu einem Verlust der landwirtschaftlichen Flächen aber auch zu einem Verlust der Wohn- und Lebensräume kommt. Durch ein stetiges Absinken des Grund- wassers dringt vor allem in Küstenregionen Salzwasser in den Boden. Es kommt zu einer Versalzung der Böden, sodass die wenigen Niederschläge den Boden nicht reini- gen können und er somit unbrauchbar für die Landwirtschaft wird. Ein Rückgang der landwirtschaftlichen Flächen hat einen enormen Rückgang der Produktivität zur Folge, 155

HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate wodurch mehrere ökonomische als auch soziale Auswirkungen sichtbar werden. Es wird der Importbedarf Nordafrikas ansteigen und somit Arbeitslosigkeit und Perspektiv- losigkeit vor allem auf dem Land zur Folge haben. Das Pflanzenwachstum würde, aus der Verschiebung der Klimazonen, theoretisch ei- nen Profit ziehen können. Aber durch die gleichzeitig entstehende Verknappung der Ressource Wasser wirkt sich das Ganze negativ auf die Landwirtschaft und Produktivi- tät der Regionen aus. Aber nicht nur die Menschen werden unter dem Klimawandel zu leiden haben, in Afrika leben ein Fünftel aller bekannten Säugetier -, Vogel -, und Pflanzenarten. Der Klima- wandel wird die einzigartige Natur des Kontinents zerstören. Abholzung, Brandrodung, Umwandlung der Naturlandschaft in landwirtschaftlich genutzte Flächen spielen dabei eine Rolle.

3. Ökonomische Folgen Auch in ökonomischer Hinsicht hat Nordafrika mit Einbußen zu rechnen. Der durch die Wasserknappheit ausgelöste Produktionsrückgang wirkt sich negativ auf das Im- port/Exportverhältnis aus. Durch die Verminderung der Niederschläge ergibt sich auch ein Rückgang der Viehzucht und damit der Fleischproduktion, auch hier wird der Im- portbedarf künftig wachsen. Der Importbedarf wird steigen und der Export und die damit zusammenhängenden Devisen werden zurückgehen. Um die Lebensgrundlagen zu sichern, muss die wirtschaftliche Entwicklung gefördert werden was Wiederum nicht ohne eine Erhöhung des Energiebedarfs möglich ist. Daraus ergibt sich ein steigender Energiebedarf bei gleichzeitig ebenfalls steigenden Energieproduktionskosten. Da Ma- rokko 93% seiner Energie aus dem Ausland importiert und aufgrund der Industrialisie- rung und der auch durch den Klimawandel ausgelösten Verstädterung der Energiebe- darf rapide ansteigen wird, befindet sich Marokko derzeit in einer Energiewende. Die Ziele sind vor allem mehr auf Windkraft und Solarenergie zu setzen, wofür in dem Land die besten geographischen Voraussetzungen herrschen. Der Klimawandel könnte sich ebenfalls negativ auf den Tourismus auswirken. Der Rückgang der Naturlandschaften, welche Afrika so einzigartig machen, aber auch die durch steigende Wassergebühren, hervorgerufene steigende Obst - und Gemüsepreise spielen dabei eine zentrale Rolle. „Höherer Energiebedarf bei gleichzeitig steigenden Energieproduktionskosten, mögliche Auswirkungen auf den Tourismussektor durch höhere Wassergebühren und steigende Preise der Gemüse und Obstwaren, ein bereits heute in Trockenzeiten deutlicher Trend. Auch der Bestand der Meeresfische wird durch den Temperaturanstieg voraus- sichtlich abnehmen und damit die Reduzierung einer wesentlichen Einkommensquelle in den Küstenregionen verursachen.

4. Soziale Folgen Trockenperioden und starke Unwetter durch die der Klimawandel in Maghreb zu spüren ist, wirken sich auf die Landwirtschaft und somit auf Arbeitsplätze und die Nahrungs- grundlage Nordafrikas aus. Viele Bauern müssen ihre Arbeit aufgeben, weil sie sich nicht mehr rentiert und die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen weniger werden. Es werden weniger Nahrungsmittel produziert und die Bevölkerung wird noch abhängiger von Lebensmittelimporten als sie ohnehin schon ist. 156

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Außerdem flüchten die Menschen in die Städte weil in den ruralen Gebieten Arbeits- und Perspektivlosigkeit und Armut herrscht (Landflucht). Dies sind sogenannte Klimaf- lüchtlinge, welche aufgrund klimatischer Veränderungen nicht mehr an ihrem Heimatort bleiben können und in Städte fliehen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Somit findet eine Überfüllung der Ballungszentren statt. Der Klimawandel hat also auch eine direkte Auswirkung auf die Bevölkerungsdichte. Insbesondere auf die Frauen hat der Klimawandel jedoch eine massive Auswirkung. Da durch die Trockenperioden der Ackerboden intensiver bearbeitet werden muss, bleibt für den Haushalt keine Zeit mehr, da die Frauen auf dem Feld benötigt werden. Um die täglichen Aufgaben im Haushalt zu erledigen werden die Töchter benötigt. Häufig wird deshalb sogar auf eine Schulausbildung der Töchter verzichtet, um mehr Hilfe im Haus- halt zu haben. Der Verlust von Wohn- und Lebensräumen wird als Folge von Erosion und Erdrutschen zunehmen. Die Wasserknappheit wird sich zuspitzen, dies wiederum verstärkt das Auf- kommen von Krankheiten und landwirtschaftlichen Probleme. Ungleiche Produktionsbedingungen zwischen kleinen/mittleren Bauernbetrieben ge- genüber großen Betrieben könnten soziale Spannungen hervorrufen. Da größere Be- triebe mit genügend Kapital und besserer Technik (z.B. Bewässerungsanlagen) Produk- tionsausfällen aufgrund des Klimawandels gegenüber besser gewappnet sind, werden diese sich gegenüber den kleinen und mittleren Betrieben behaupten und das wirt- schaftliche Überleben dieser Produzentengruppe ist wahrscheinlicher. Mit zunehmender Wasserknappheit wird sich auch das Konfliktpotenzial um den Zu- gang zu dieser Ressource verstärken. “Die ungleichen Produktionsbedingungen der Landwirte benachteiligen zudem häufig soziale Gruppen, die auch durch ihren Lebens- ort oder ihren geringen sozialen Status ohnehin marginalisiert werden und können da- her zur Eskalation bestehender schwelender Konflikte beitragen. Dies äußert sich zum Beispiel in gewaltsamen Protesten in den Sommermonaten in Algerien gegen die man- gelnde Trinkwasserversorgung. In Marokko gibt es Demonstrationen gegen die Privati- sierung ehemals öffentlicher Mineralquellen.

5. Lösungsansätze gegen die Folgen des Klimawandels Eine Möglichkeit, um gegen die Wüstenbildung vorzugehen, ist das gezielte Anbauen von widerstandsfähigen Büschen. Diese sollen die Wüste zurückdrängen, ohne dabei zusätzliches Wasser zu verbrauchen. Tunesien bildet dafür ein Beispiel. Am Rande der Oase Hazoua werden die Büsche angepflanzt und tröpfchenweise bewässert. Das Wasser hierfür stammt aus vergrabenen Rohrleitungen welche das versickerte Wasser aus Kanälen zwischen den in der Oase angebauten Dattelpalmen auffangen. Ab einer bestimmten Größe der Büsche können diese dann ohne dieses bestimmte Wassersys- tem überleben. Jedoch müssen die Bauern für dieses Anbausystem speziell geschult werden.

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6. Quellenverzeichnis ALTMANN, C. (2012): „Engagiert, Energiewende in Marokko“, unter: https://www.giz.de/de/downloads/giz2012-de-akzente02-energiewende-mexiko.pdf (abgerufen am 05.04.2015)

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Heinrich Böll Stiftung - Die grüne politische Stiftung: „Folgen des Klimawandels Marokko unter Zugzwang“, unter: http://www.boell.de/de/2015/02/23/folgen-des-klimawandels-marokko-unter-zugzwang (abgeru- fen am 20.03.2015)

HOUDRET, A. (2008): „Die Zukunft des Maghreb: Trends in Sicherheit und Entwicklung in Ma- rokko, Algerien und Tunesien“, unter: http://inef.uni-due.de/page/documents/Houdret_Maghreb.pdf (abgerufen am 20.03.2015)

LEDDERER, N./ HADIA, S.: „Einfluss des Klimawandels auf die Wasserversorgung in Afrika und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit“, unter: http://bildungsserver.hamburg.de/contentblob/3542316/data/2012-wasser-afrika.pdf (abgerufen am 22.03.2015)

REIFELD, H./ EL AIDI, A. (2014): „Marokko“, unter: http://www.kas.de/upload/dokumente/2014/09/klimareport/Marokko.pdf (abgerufen am 05.04.2015)

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Die Formen und Auswirkungen des Tourismus in Marokko Von Jonathan Friedrich und Nico Greiner

Inhalt: 1. Daten und Fakten - Tourismus in Marokko 2. Formen des Tourismus in Marokko 2.1 Stationärer Tourismus 2.2 Städtetourismus und Pilgertourismus 2.3 Rundreisetourismus 2.4 Bündel neuer Tourismussegmente 3. Ethnotourismus in Marokko 4. Auswirkungen und Folgen des Tourismus in Marokko 4.1 Wirtschaftliche Auswirkungen des Tourismus 4.2 Ökologische Auswirkungen des Tourismus 5. Soziale Auswirkungen des Tourismus 6. Ausblick 7. Quellenverzeichnis

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1. Daten und Fakten - Tourismus in Marokko Der Tourismus in Marokko hatte im Jahr 2013 6,8 Milliarden Euro direkten Beitrag zum BIP, was einen Anteil von 8,6 % des gesamten BIP in Marokko bedeutet. Für 2014 wird ein Anstieg von 8,1 % vorhergesagt und zwischen 2015-2024 soll der Beitrag pro Jahr um 5,6 % steigen, um im Jahr 2024 12,6 Milliarden Euro an direktem Beitrag zum BIP zu leisten, was einem Anteil von 9,7 % entsprechen würde. Durch indirekte und indu- zierte Wertschöpfungseffekte (siehe Abbildung 7) wird ein Anstieg von 2013 14,8 Milli- arden Euro (entspricht 18,7 % des BIP) auf 2024 27,1 Milliarden Euro (entspricht 20,9 % des BIP) vorhergesagt (World Travel & Tourism Council, 2014, S. 1).

Abbildung 7: Wertschöpfungseffekte des Tourismus in Marokko (World Travel & Tourism Council, 2014, S. 1)

Marokko stellt für 10 Jahre einen Plan vor, die Vision 2010 (bis 2010) und die Vision 2020, in welcher gezeigt wird, wohin der Trend im marokkanischen Tourismus gehen soll. Für die Vision 2020 wurde der Fokus auf „Sustainability and Ecotourism“ gelegt. Außerdem spielt die Steigerung des Qualität der touristischen Angebote eine Rolle, je- doch liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung von nachhaltigem Tourismus in Form von z.B. Öko-Lodges, Ökotourismus und einer nachhaltigen Entwicklung (Morrocan Ministry of Tourism, 2013).

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2. Formen des Tourismus in Marokko Der Tourismus in Marokko kann mit 4 Formen dargestellt werden:  Stationärer Badetourismus  Städtetourismus und Pilgertourismus  Rundreisetourismus  Bündel neuer Tourismussegmente

2.1. Stationärer Badetourismus Das naturräumliche Potential der Küste bildet die Basis des Badetourismus in Marokko. Agadir ist der bekannteste und größte Badeort des Landes. Die Grundlage des Badetourismus wird durch den Strand definiert. Dieser ist nicht nur in westlichen Kulturen ein beliebtes Reiseziel, sondern auch in anderen Kulturen (Bartha, 2006, S. 105). Jedoch hat der Badetourismus verschiedener Kulturen auch verschiedene Eigenschaf- ten: „Das Sonnen und Baden ist für Thailänder unüblich und kaum einer der von PASSARIELLO beobachteten Mexikaner ging ins Meer um zu schwimmen, während im Gegenzug in der „westlichen“ Reisekultur der Badetourismus ganz auf Sonnen und Ba- den ausgerichtet ist und demgegenüber das Kennenlernen des Reiselandes möglich- erweise als nachrangig angesehen wird.“ (Bartha, 2006, S. 106). Beispielhaft für den Badetourismus soll die Stadt Agadir betrachtet werden. Dort kamen im Juli 2000 45.203 Touristen an und im Juli 2001 verzeichnete die Stadt 45.951 An- künfte. (Highbeam, 2001). Ein Angebot von Amare-Touristik für eine Woche Badeurlaub in Agadir wird in Abbildung 2 sichtbar.

Abbildung 8Abbildung 2: Es ist ein Angebot für eine Woche Pauschalreise in einem 4-Sterne Hotel in Agadir, 200m entfernt vom Strand. Der Badeort Agadir ist in

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Abbildung 8Abbildung 3: Pauschalreiseangebot Agadir

Abbildung 8: Strand von Agadir mit Hotels

2.2. Städtetourismus und Pilgertourismus Städtetourismus: „Der Beginn des kulturorientierten Städtetourismus in Marokko datiert ebenfalls auf die französische Protektoratszeit. Bereits in den 20er und 30 Jahren wurden die Königs- städte Fès, Meknès, Marrakesch und Rabat von europäischen Touristen (teilweise auch im Rahmen von organisierten Pauschalreisen) besucht. Das materielle kulturelle Erbe Marokkos mit seinen prachtvollen Moscheen, (religiöse Bildungseinrichtungen), aber auch dem orientalischen Flair der Souks (Märkte) und Handwerkerviertel übt bis heute eine ungebrochene Anziehungskraft auf Besucher aus aller Welt aus.“ Als Angebote für den Städtetourismus werden vorrangig Kurzreisetrips nach Marrakech angeboten, wie ein Angebot der Süddeutschen Zeitung zeigen soll (Abbildungen 5 und 6). Das Angebot umfasst Übernachtung, Frühstück und Programm für 3 Tage Kurzur- laub für 180 € pro Person. Der Flug muss separat gebucht werden.

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Abbildung 5: Marrakech 3-Tages-Kurzurlaub

Abbildung 6: Marrakech 3-Tages-Kurzurlaub

Neben dem klassischen Städtetourismus entwickelte sich in Marokko in den 1970er und 1980er Jahren ein neues Segment von Städtetourismus: der Kongresstourismus, eine bis dahin für Fès und Marrakech völlig neue Art von Tourismus. Dem wurde Rechnung getragen mit dem Bau von Einrichtungen, die die Durchführung von Veranstaltungen

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Referate wie der gesamtarabischen Palästinakonferenz 1982 in Fès zulassen (Widmer-Münch, 1990, S. 43). Pilgertourismus in Fés und Marrakech: Marrakech und Fès sind Zentren des Pilgertourismus in Marokko. Klassische Pilgerziele sind Grabmal und Moschee von Moulay Idriss II. (Stadtgründer von Fès), die Karaoui- ne-Moschee in Fès, welche „ […] während Jahrhunderten ein, wenn nicht gar das Zent- rum des maghrebinischen und des gesamten arabisch-islamischen Geisteslebens dar- stellte.“ (Widmer-Münch, 1990, S. 40 f.). Marrakech ist das Pilgerziel von tausenden traditionell eingestellten Marokkanern, welche das Grabmal eines Heiligen besuchen (Widmer-Münch, 1990, S. 42).

2.3. Rundreisetourismus Der klassische Rundreisetourismus beschränkt sich hauptsächlich auf die Königsstädte Marokkos sowie die Straße der Kasbahs. Diese liegt südlich des Hohen Atlas und ist geprägt von der dort vorherrschenden Lehmarchitektur in Kombination mit dem Oasen- charakter. Kasbahs sind Burgen- oder Festungsanlagen entlang dieser Straße. Der Name „Straße der Kasbahs“ ist ein Marketingbegriff, der in den 1930er Jahren durch französische Touristen geprägt wurde (Kagermeier, Tourismus im ländlichen Raum Marokkos: Wirtschaftliche Impulse und Herausforderungen, 2014, S. 4). Heute gibt es bezüglich Rundreisen ein breites Spektrum an Angeboten, welche sich nicht nur auf die Straße der Kasbahs beschränkt, sondern sich individuell an den Rei- senden anpassen. Reiseveranstalter wie Dertour haben hierzu verschiedene Angebote in ihrem Sortiment (Dertour, 2015).

2.4. Bündel neuer Tourismussegmente Als Beispiel für neue Tourismussegmente können der Trekkingtourismus im Hohen At- las oder der Wüstentourismus in Marokko gelten. Der Hohe Atlas ist eine „[…] abgelegene und selbst mit öffentlicher Infrastruktur ledig- lich rudimentär ausgestattete Region (fehlende Straßen, Elektrizität, ja sogar Schulen und Sanitätsstationen) […]“ (Kagermeier & Popp, 2000, S. 71). Der Trekkingtourismus im Hohen Atlas kann als sanfter Tourismus bezeichnet werden. Es gibt auch keine Plä- ne dies durch kapitalintensive Hotels zu ändern, da dies durch die unzureichende Ver- kehrserschließung nicht möglich wäre. „Ohne dass es verlässliche Zahlen über den Umfang des Trekking-Tourismus im Hohen Atlas gibt, kann man feststellen, dass er mittlerweile eine wichtige Komponente im Wirtschaftsleben der Region darstellt. Jährlich besuchen in grober Schätzung etwa 70 000 ausländische Trekker das Gebirge und ver- bringen hier ca. 400 000 Übernachtungen, davon zu etwa einem Drittel in Gîtes d’étape, zu 10 % in Berghütten (die es nur im Toubkalgebiet gibt) und gut die Hälfte in Form von Biwakieren.“ (Kagermeier & Popp, 2000, S. 73). Der Wüstentourismus in Marokko ist oftmals ein Bestandteil einer größeren Reise. Der Reiseveranstalter Erlebe-Marokko bietet hierzu eine 3-tägige Wüstentour an, in welcher der Kamelritt durch die Wüste inbegriffen ist (siehe Abbildung ). Dort kann diese Tour als Baustein mit anderen Segmenten zu einer Reise durch Marokko kombiniert werden und ist ein gutes Beispiel für eine individuelle Rundreiseplanung (siehe Rundreisetouris- mus).

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Abbildung 7: Inneren einer Wüstentour

3. Ethnotourismus in Marokko „Unter Ethnotourismus versteht man eine Form des Tourismus, bei der die Begegnung mit der Bevölkerung im bereisten Gebiet eine vorrangige Rolle spielt. Diese Begegnung kann ganz unterschiedliche Aspekte und Intensitäten umfassen.“ (Popp, 2006). In Marokko sind die Berber das Ziel des Ethnotourismus. Der Ethnotourismus zeigt sich in Reisen, welche die Kultur und Lebensweise der Berber darstellen. Diese können un- terschiedliche Dauern und Gründe haben. Oftmals ist der Ethnotourismus Bestandteil einer Rundreise (siehe Rundreisetourismus) oder auch Teilprogramm eines Badeurlau- bes (siehe Stationärer Badetourismus) (Bartha, 2006).

4. Auswirkungen und Folgen des Tourismus in Marokko

4.1. Wirtschaftliche Auswirkungen des Tourismus Der Tourismus in Marokko ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Dies bedeutet, er schafft viele Jobs in Hotel, Restaurants, als Fremdenführer und im Servicebereich all- gemein.

Abbildung 8: Wertschöpfung in Marokko

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In der Tourismusbranche bedarf es oft nur geringer Investitionen je Arbeitsplatz, das bedeutet auch kleine nicht kapitalkräftige Firmen oder Einzelpersonen können eine Be- schäftigung schaffen oder finden. Touristen verfügen oft über mehr Geld als die marok- kanische Bevölkerung, sodass die Preise in Touristenzentren über dem Landesdurch- schnitt liegen. Im Vergleich zu vielen anderen Beschäftigungsbereichen bedeutet ein Arbeitsplatz im marokkanischen Tourismus, ebenso wie in anderen Entwicklungslän- dern, gleichzeitig eine zusätzliche Bildung, da meist eine Fremdsprache gefordert ist und andere Fertigkeiten nötig sind. Da ausländische Touristen einen gewissen Komfort gewohnt sind und ihn auch erwarten, wird die Entwicklung der Infrastruktur wie Verkehr, Kommunikation, Wasser, in Marokko positiv beeinflusst. Diese kann nur mit Geldmitteln aus dem Tourismus finanziert werden, ist aber auch von großer Bedeutung für andere Wirtschaftszweige und erleichtert die Entwicklung in abgeschiedenen Gebieten. Touris- ten sind klassische Endverbraucher, was bedeutet, dass ein Großteil des Geldes, das er in Marokko ausgibt, auch in Marokko verbleibt. Auch wenn durchaus Geld zu ausländischen Investoren fließt, so ist der internationale Tourismus trotzdem ein wichtiger Devisenbringer, wodurch Marokko der internationale Handel erleichtert wird. Wie bei jeder Reise besteht auch in Marokko die Chance, dass die Besucher Gefallen finden können an Dingen, die sie im Urlaub kennengelernt ha- ben, und diese in Zukunft importieren. Insgesamt profitieren alle Wirtschaftszweige in Marokko vom Tourismus und die ökonomische Bedeutung des Tourismus ist momentan sehr hoch. Es ist aber denkbar, dass diese bei zunehmender wirtschaftlicher Entwick- lung sinkt, da andere Wirtschaftszweige relevanter werden. Nicht alle wirtschaftlichen Auswirkungen des Tourismus sind positiv für Marokko. So haben Entwicklungsländer mit hoher Abhängigkeit vom Tourismus eine gefährliche Mo- nokultur. Wenn also der Tourismus zurückgeht, leidet darunter die gesamte Volkswirt- schaft. Der Tourismus in ganz Afrika litt zum Beispiel stark unter den Folgen der Ebola- Epidemie, da diese viele Besucher abschreckte. Da Marokko ein arabisches Land in militärisch wichtiger Position ist, besteht immer die Gefahr, in aktuelle Krisen involviert zu werden. Weil Touristen im Urlaub oft den gleichen Komfort wie zu Hause fordern, müssen viele Produkte importiert werden. Damit gehen die Devisen, die der Tourist in das Land bringt, wieder zurück ins Ausland. Der erhöhte Import von Waren hat aber auch eine positive Seite, da dadurch eine Mindestabnahmemenge erreicht wird, sodass ausländische Produkte zu einem Preis angeboten werden, der auch für einen Teil der inländischen Bevölkerung erschwinglich ist. Große Investitionen wie Hotels können häu- fig nur durch ausländische Investoren getätigt werden. Diese Investoren lassen den Gewinn, den sie erzielen, nicht im Land. Dies bedeutet, dass das im Tourismus verdien- te Geld teilweise nicht im Land verbleibt. Die Wirtschaft in Marokko ist allerdings relativ diversifiziert, sodass ein Großteil der Vorleistungen für den Tourismus im Lande erzeugt wird. Deshalb liegt die Sickerrate unter 15%, was als unproblematisch eingestuft wer- den kann. Die Investoren verlangen, dass die Regierung die nötige Infrastruktur zur Verfügung stellt. Das kostet die Länder Geld, welches sie nicht durch Investitionen wie- der verdienen. In vielen Fällen führt das zu übereilten Fehlinvestitionen oder bodenlo- sen Mammutprojekten. Auch verlangen Investoren oft Steuervergünstigungen, ehe sie investieren, wodurch der Regierung Steuereinnahmen verloren gehen.

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4.2. Ökologische Auswirkungen des Tourismus Den unbestreitbar positiven wirtschaftlichen Auswirkungen des Tourismus steht aller- dings eine Vielzahl von negativen Auswirkungen auf die Umwelt gegenüber. Viele tou- ristische Einrichtungen werden sehr schnell errichtet, sodass auf die Umweltverträglich- keit des Bauvorhabens kaum Wert gelegt wird. Dadurch entstehen Rodungen, Erosio- nen, versiegelte Flächen und es werden die Lebensräume von Tier- und Pflanzenarten bedroht. Doch auch das Landschaftsbild wird, vor allem durch große Gebäude, oft mas- siv gestört. Orte die aus ökologischer Sicht interessant sind, erfreuen sich auch großer Beliebtheit bei Touristen, sodass es immer wieder zu Interessenskonflikten kommt. Ein optimales Beispiel ist die Küstenregion, welche von Touristen stark frequentiert wird, gleichzeitig aber ein empfindliches ökologisches Gebilde darstellt. Die Anreise nach Marokko erfolgt meistens mit dem Flugzeug und innerhalb Marokkos ist der Pkw das meistgenutzte Verkehrsmittel. Da Touristen und Reisegruppen oft große Strecken zu- rücklegen, erhöht der Bedarf an Straßen und Parkplätzen die versiegelten Flächen und es steigt die Luftbelastung durch Abgase. Umweltregelungen in Marokko können nicht immer konsequent durchgesetzt werden. Das bedeutet, dass Abwässer von touristi- schen Einrichtungen teilweise direkt ins Meer geleitet werden und große Mengen Abfall nicht fachgerecht entsorgt werden. Knappe Ressourcen werden in großen Mengen durch den Tourismus verbraucht. In Marokko wird das vor allem am Beispiel von Was- ser deutlich. Obwohl zu manchen Jahreszeiten starke Trockenheit und hohe Hitze herrscht, ist Marokko ein sehr beliebtes Ziel für Golf-Reisen. Die Bewässerung eines solchen Golfplatzes kann bis zu 200 Millionen Liter Wasser benötigen. Es gibt leider nur wenige Beispiele von positiven Umwelteinflüssen des Tourismus. In einigen Gegenden in denen früher intensiver Ackerbau betrieben wurde, wird heute sanfter Tourismus angeboten. Außerdem fördert der Tourismus den Bekanntheitsgrad und somit auch den Wert bestimmter Landschaften, wodurch internationale Aufmerk- samkeit auf Umweltsünden in Marokko gelenkt wird. Durch die zunehmende Beliebtheit von Ökotourismus besteht aber auch die Möglichkeit, bestimmte Gebiete durch Touris- mus zu schützen, was in anderen afrikanischen Ländern schon mit großem Erfolg getan wird.

Abbildung 9: Klimadiagramm und Golfplatz Marrakesch (Climate-Data.org)

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5. Soziale Auswirkungen des Tourismus Die dritte Dimension der Folgen des Tourismus sind die Auswirkungen auf die marok- kanische Gesellschaft. Touristen helfen meistens nicht, die besuchte Gesellschaft zu entwickeln, sondern exportierten Probleme wie zum Beispiel Kriminalität. Missstände und gesellschaftliche Probleme werden von Besuchern oft nicht wahrgenommen oder romantisiert. Das Gros der Arbeitsplätze in der Tourismusbranche sind häufig nur Hilfs- jobs wie Zimmermädchen oder Kellner. Dies kann bei der lokalen Bevölkerung ein Ge- fühl der Unterlegenheit auslösen. Marokko ist zwar ein europäisch geprägtes Land, be- ruht aber trotz allem auf islamischen Werten. In der Regel kommen die Touristen aus westlichen Gesellschaften mit liberaleren, weniger traditionsbewussten Lebensstilen, weshalb hier Konfliktpotenzial besteht. Hinzu kommt, dass Urlauber in Marokko häufig mehr und leichter Geld ausgeben, was einerseits durch die günstigen Preise und ande- rerseits durch ein gewisses Urlaubsgefühl begründet ist. Die lokale Bevölkerung denkt dann, dies sei der normale westliche Stil und empfindet dies als erstrebenswert. Auch schenken Touristen den lokalen Gepflogenheiten, Sitten und moralischen Werten oft keine Beachtung oder interpretieren diese falsch. Dies kann sehr langfristige und tief- schürfende Auswirkungen auf die Gesellschaften des Gastlandes haben. Positiv zu vermerken ist jedoch, dass die Jobs, die durch den Tourismus erzeugt wer- den, oft ein höheres Bildungsniveau erfordern. Ferner bringen Infrastruktureinrichtun- gen, die durch den Tourismus finanziert werden, auch der Bevölkerung, die nicht direkt betroffen ist, einen besseren Lebensstandard. Besonders positiv ist dieser Effekt bei Verkehrsinfrastruktur oder der Wasserversorgung wahrnehmbar. In anderen Bereichen wie der medizinischen Versorgung kommt es allerdings zunehmend zu einer exklusiven Versorgung von Reichen und Touristen.

6. Ausblick Da Marokko sich mittlerweile als Tourismusdestination etabliert hat, muss es sich nun auch intensiv mit den Auswirkungen beschäftigen. Dort wo ein einzelner Tourist nur wenig Schaden anrichtet, können Tausende permanente Zerstörungen herbeiführen. Noch vor wenigen Jahren sprach man im Zusammenhang mit Marokko oft vom Neoko- lonialismus, was bedeutet, dass der Tourist das alleinige Sagen hat und durch sein Geld bestimmt, was geschieht. Durch die zunehmende Etablierung von nachhaltigen Tourismuskonzepten und dem steigenden Interesse der Besucher an sanftem Touris- mus können in Zukunft aber die positiven Auswirkungen des Tourismus überwiegen.

Abbildung 10: Nachhaltiger Tou- rismus (Müller, Krippendorf 1999)

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7. Quellenverzeichnis BARTHA, I. (2006): Ethnotourismus in Südmarokko, Bayreuth: Herbert Popp climate-data.org. (2015): "KLIMA: Marokko", unter: http://de.climate-data.org/country/181/ (abgerufen am 07.05.2015) Dertour (2015): "Rundreisen Marokko", unter: http://www.dertour.de/rundreisen/marokko/ (abgerufen am 07.05.2015) Highbeam (2001): "Morocco: Incoming Tourists Into Agadir Up", unter: http://www.highbeam.com/doc/1G1-78319565.html (abgerufen am 04.05.2015) KAGERMEIER, A. (2014): Tourismus im ländlichen Raum Marokkos: Wirtschaftliche Impulse und Herausforderungen, Passau KAGERMEIER, A., & POPP, H. (2000): Strukturen und Perspektiven der Tourismuswirtschaft im Mittelmeerraum, Petermanns Geographische Mitteilungen, S. 64-77 Morrocan Ministry of Tourism. (2013): Vision 2020 for tourism in Morocco POPP, H. (2006): Zusatzmaterial zum Artikel "Öko, Ethno oder beides?", Geographie heute, S. 31-36 SCHERLE, N. (2006): Bilaterale Unternehmenskooperationen im Tourismussektor, Wiesbaden: Gabler SCHERLE, N. (2014): Tourismus im ländlichen Raum Marokkos: Wirtschaftliche Impulse und Herausforderungen, Trier VORLAUFER, K. (2003): Tourismus in Entwicklungsländern. Geographische Rundschau 55 Heft 3 WIDMER-MÜNCH, R. (1990): Der Tourismus in Fés und Marrakech. Basel: Wepf & Co. AG WKÖ Stabsabteilung Statistik (April 2015): Länderprofil Marokko World Travel & Tourism Council (2014): Travel & Tourism Economic Impact 2014, Morocco, London: World Travel & Tourism Council

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Tagesprotokolle zur Marokko-Exkursion 2015

Redaktionell zusammengestellt von

Otto Betz Jonathan Friedrich Julian Sander

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Inhaltsverzeichnis

1. Übersichtskarte ...... 3 2. Tagesprotokoll vom 15.05.2015 ...... 4 3. Tagesprotokoll vom 16.05.2015 ...... 9 4. Tagesprotokoll vom 17.05.2015 ...... 14 5. Tagesprotokoll vom 18.05.2015 ...... 244 6. Tagesprotokoll vom 19.05.2015 ...... 299 7. Tagesprotokoll vom 20.05.2015 ...... 366 8. Tagesprotokoll vom 21.05.2015 ...... 411 9. Tagesprotokoll vom 22.05.2015 ...... 466 10. Tagesprotokoll vom 23.05.2015 ...... 499 11. Dank ...... 544

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1. Übersichtskarte

Reiseroute (Quelle: Google Maps)

Unsere Reiseroute von Marrakesch über Asni nach Imlil, Ouarzazate, Zagora, Mhamid, der marokkanischen Sahara und wieder zurück über Zagora, Ait Ben Haddou bis nach Marrakesch. Die Reisestrecke in der Sahara zu den Dünen von Chegaga, die wir am 22.05.2015 besucht haben, ist auf der oben gezeigten Karte nur ungefähr dargestellt. Die Dünen liegen südwestlich von Mhamid.

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2. Tagesprotokoll vom 15.05.2015

Protokollanten: Benedikt Altstädt, Carsten Schmitt, Alexander Vees Besuchte Orte: Marrakesch

Um 9:00 Uhr morgens startete unser Tag in Marrakesch mit der Vorstellung unseres Tagesprogramms und einem Vokabeltraining mit den gängigsten Ausdrücken zur bes- seren Kommunikation (für Begrüßungen, das Handeln auf den Märkten etc., z. B. „wacha hefer“ zur Begrüßung ab 18 Uhr). Auf dem Programm standen die Menara- Gärten, die Stadtmauer, der Südeingang, die Saadier-Gräber, der Bahia Palast, die Souks und natürlich der Djemaa el Fna. Auf der Fahrt zu unserem ersten Ziel in Marrakesch, den Menara-Gärten, fuhren wir auf der „Avenue de France“ durch das Gueliz-Viertel, welches zur Protektoratszeit Frank- reichs von den Franzosen für die Franzosen errichtet und besiedelt wurde. Abgeleitet ist der Name vom französischen Wort Église (deutsch: Kirche). Das Gueliz-Viertel ist eines der wohlhabenderen Stadtviertel Marrakeschs. Hier befindet sich das Theater, das Kongressgebäude (GATT ’94, Klimakonferenz 2001) sowie der Bahnhof Marrakeschs, der als Sackbahnhof fungiert und die südliche Endhaltestelle des marokkanischen Zug- netzes bildet. Weiter gen Süden zu reisen ist nur noch mit dem Auto oder Bus möglich. Auf dem Weg zu den Menara-Gärten war erkenntlich, dass sich die ehemalige „Fahr- radstadt“ Marrakesch zu einer „Stadt der Mopeds“ entwickelt hat. Die Mopeds bestim- men maßgeblich das Verkehrsbild und den Lärm in Marrakesch.

Historisches zu Marrakesch Marrakesch war in den frühen Zeiten Marokkos dreimalige Königsstadt (11., 12. und 16. Jhd.) und von Anbeginn eine wichtige Station des Karawanen-Handels (größte Karawa- nensiedlung in Marokko). Als konstitutionelle Monarchie werden die Geschicke des Landes heutzutage immer noch stark durch die Macht des Königs, der in der Bevölke- rung hohes Ansehen genießt, bestimmt. Mohamed VI. ist der 23. König Marokkos und beansprucht den Titel des direkten Nachfahren des islamischen Propheten Mohameds. Seit 1956 ist Rabat die Hauptstadt Marokkos mit dem Regierungssitz und der Residenz des Königs.

Die Menara-Gärten Die Gärten liegen etwa 3 km außerhalb der Medina Marrakeschs und sind an den Wo- chenenden ein beliebtes Ausflugsziel der einheimischen Bevölkerung. Hauptbestandteil der Gärten sind Olivenbäume, die 3-mal wöchentlich bewässert werden. Ihr Alter be- trägt zwischen 80 und 140 Jahre (ermittelt anhand des Stammumfangs, max. Alter im Schnitt ca. 450 Jahre, ab dem Alter von 10 Jahren tragen die Bäume Früchte). Je nach Reife werden die Oliven in grüne, rötliche und schwarze Früchte unterteilt. Bei der Ölgewinnung ist der Ertrag von schwarzen Oliven ca. 20% höher. Die Ernte der Bäume wird in einem Versteigerungssystem geregelt. Der Meistbietende erhält den Zu- schlag zur Ernte der von ihm ersteigerten Bäume. Die Früchte der Bäume werden an- schließend zur Ölproduktion oder zum Verzehr genutzt; ein Export erfolgt nicht.

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Abbildung 1: In den Menara-Gärten, vorne Bewässerungssee und Lustschloss, seitlich Olivenbäume. Foto: Alex Vees

Abbildung 2: Erläuterungen zur Olivenwirtschaft in den Menara-Gärten. Foto: Carsten Schmitt

Angelegt wurden die Gärten im 12. Jh. unter der Herrschaft der Almohaden. Durch die Trockenheit rund um Marrakesch (jährlicher Niederschlag zwischen 150-400 mm) war eine ausgeklügelte Wasserversorgung der Gärten notwendig, die, außer den Menara- Gärten, noch andere Gartenflächen mit einer Gesamtgröße heute von ca. 200 ha mit einschließen. Die Bewässerungssysteme werden Sagia genannt und bestehen aus mehreren Hauptkanälen mit etlichen Nebenkanälen, die die einzelnen Bereiche der Gärten mit Wasser versorgen und deren Zugänge individuell gesperrt und geöffnet wer- den können. Erst kürzlich erfolgte in den Menara-Gärten die Umstellung der Bewässe- rung von der traditionellen Sagia-Methode auf eine Methode mit Schläuchen.

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Abbildung 3: Traditio- nelle Bewässerung durch Sagia-Kanäle. Foto: Alex Vees

Zentrales Objekt zur Wasserversorgung stellt ein 200x180x3 m großes Becken dar. Da- rin können bis zu ca. 110.000 m³ Wasser gespeichert und verteilt werden. Insgesamt gibt es 7 bis 8 solcher Becken in und um Marrakesch.

Abbildung 4: Wasserbecken mit Lustschloss. Foto: Carsten Schmitt

Gespeist werden das Becken und die Kanäle mit Schmelzwasser aus dem Atlas- Gebirge, das über Qanate (unterirdische Wasserversorgungssysteme) nach Marra- kesch geleitet wird. Qanate werden in Marokko auch „Khettara“ oder „Foggara“ ge- nannt. Die Technik, Grundwasser aus einer Tiefe von bis zu 20m über Dutzende von Kilometern zu transportieren, stammt ursprünglich aus Persien und ist vermutlich älter als 3000 Jahre. Zusätzlich tragen Matfias (Regenwasserzisternen) zur Versorgung der Gärten bei. Außer zur Bewässerung der Gärten wurde das Wasser historisch zur Ver- sorgung der Hamams und Moscheen genutzt. Dieses System der Wasserversorgung wurde bis Anfang der 1970er Jahre betrieben.

Besichtigung der Medina (Stadtmauer, Südeingang, Saadier-Gräber, Bahia Palast, Souks und Djemaa el Fna) Von den Gärten ging es mit dem Bus weiter zur Stadtmauer der Medina. Die Medina bezeichnet den Stadtkern innerhalb der aus Stampflehm bestehenden Stadtmauer. Die in der Mauer eingelassenen und auf den ersten Blick irritierenden Löcher dienen der Belüftung (Temperaturregulierung Tag / Nacht) und / oder sind baulich bedingt (Scha- lung).

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Abbildung 5: Stadtmauer am Südeingang. Foto: Alex Vees

Die gesamte Medina von Marrakesch wird als außergewöhnliches Konglomerat beein- druckender Architektur und Kunst seit 1985 auf der Liste des UNESCO Weltkulturerbes geführt. Den Zugang in die Medina ermöglichen neun Tore, die in die Stadtmauer ein- gelassen sind. Das Bab Agnau (im Süden) bildet den Haupteingang durch welchen auch wir in den inneren Bereich der Stadtmauer gelangten. Benannt wurde es nach seinem Erbauer, dem Baumeister Agnau (das Wort Agnau bedeutet Widder ohne Hör- ner). Innerhalb der Stadtmauer befanden sich meist die Häuser der Reichen, Kasbahs genannt. Das ganz im Süden gelegene Kasbah Viertel (Eingang Bab Kasbah) war ur- sprünglich das Verwaltungszentrum. Abbildung 6: Standort im Süden der Medina, Eingang Bab Agnau. Foto: Cars- ten Schmitt

In der Nähe unseres Standorts (siehe Abbildung 6) befindet sich auch das jüdische Viertel, welches sich durch einen vergleichsweise extrovertierten Baustil, z. B. durch zur Straße ausgerichteten Balkone, von den Kasbahs unterscheidet (jüdischer Bevölke- rungsanteil bis 1948 ca.10%). Die Kasbahs waren nach außen durch Mauern abgeschlossen, sodass es dem einfa- chen Volk nicht möglich war, die dahinter verborgenen Reichtümer zu erblicken („Blinde Mauern"). Ihre Bauform ist meist quadratisch und entstammt dem maurisch- andalusischen Baustil (Vorbild ist die Alhambra im spanischen Granada). Die Verzie- rungen der Innenräume der Kasbahs bestehen meist aus handgeschnitztem Zedernholz (Zedernkiefern geben nat. Terpentinöl ab, giftig), Gipsstuck mit arabischen Schriftele- menten (Arabesken = Rankenornamente und Kaligrafie „Ewige Gesundheit“) sowie far- benprächtigen, umfangreichen Mosaiken, die zumeist für die Böden verwendet wurden. 7

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Diesen Baustil konnten wir eindrucksvoll im Bahia Palast bewundern. Die funktionelle Herausforderung dieses Baustils berücksichtigt das Zusammenspiel aus Wind und Licht, um damit ein optimales Raumklima zu erhalten (v. a. hinsichtlich der Temperatur).

Abbildung 7: Erholsamer Input im Bahia Palast. Foto: Alex Vees

Der Bahia Palast wurde im Auftrag des Großwesirs Si Moussa während der Alawiden- Zeit im Jahr 1867 in prachtvollen Ausmaßen erbaut und in den nachfolgenden Jahren um einen Hamam, eine Moschee und ausladende Gärten erweitert. Der Name Bahia Palast wurde zu Ehren der Lieblingsfrau Bahia vergeben (max. 4 Ehefrauen + Konkubi- nen (unbegrenzt)), was so viel wie „Die Strahlende“ oder „Die Glanzvolle“ bedeutet. Ähnlich wie die Kasbahs wurden auch die prachtvollen Gräber der maurischen Saadier gebaut. Sie stammen aus dem sechzehnten Jahrhundert, wurden aber erst im Jahre 1917 wiederentdeckt. Zur Trauerzeremonie: Die Dauer der Trauer beträgt 130 Tage und wird durch das Tragen einer weißen Djelaba symbolisiert. Die unterschiedlichen Höhen der mit Mosaik verzierten Gräber (Ausrichtung der Toten gen Mekka) spiegeln deren sozialen Rang wider. Zwischen der Besichtigung der Saadier-Gräber und des Bahia Palastes legten wir eine traditionell marokkanische Tee-Pause in einem der zahlreichen Terrassen-Cafés ein (tee au menthe avec beaucoup de sucre). Außerdem hatten wir das Glück, eine der zahlreichen, heute touristisch genutzten Riads der Media von innen (und oben) zu be- wundern und uns im kühlen Innern von der Hitze des Mittags zu erholen. Durch verwin- kelte Gassen ging es gegen Ende der Stadtbesichtigung durch die unzähligen Souks und über den Djemaa el Fna mit seinen Schlangenbeschwörern, Dattelständen und Windelaffen zurück ins Hotel Diwane. Den eindrucksvollen Tag in Marrakesch krönte vor dem Abendessen der ausgezeichne- te Vortrag von Gregor und Martin über die gesellschaftliche, politische und soziale Situ- ation im Maghreb.

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3. Tagesprotokoll vom 16.05.2015

Protokollanten: Franziska Ulm, Kim Binder, Rebecca Kelm Besuchte Orte: Asni, Imscreb, Imi Oughlad

Nach dem Frühstück gegen neun Uhr fuhren wir los Richtung Asni. Während der Fahrt bekamen wir von Mohamed und Frau Megerle noch einige Informationen: In Marokko wohnen dauerhaft etwa 55.000 Franzosen. Das Ziel bis zum Jahr 2020 ist es, 20 Millionen Touristen, hauptsächlich aus Frankreich, zu bekommen. Allerdings gin- gen die Touristenzahlen aus Frankreich auf Grund der schlechten Wirtschaftslage dort in den letzten Jahren zurück. Wir fuhren durch die Haouz-Ebene, die hauptsächlich landwirtschaftlich oder touristisch genutzt wird. Der landwirtschaftliche Bereich bezieht sich auf Getreideanbau, während der touristische Bereich hauptsächlich den Golfsport umfasst. Demzufolge gibt es in der Gegend viele teurere Hotels, die bis zu 35.000 € die Nacht kosten. Die am Straßenrand wachsenden Opuntien dienen als Zaunersatz. Ihre Früchte kann man essen, allerdings ist das in Marokko nicht weit verbreitet. Die Stacheln auf den Früchten sind sehr klein, daher wird eine bestimmte Technik zum Ernten benötigt. Fast alle Dörfer sind mit Strom versorgt, aber nur etwa 70% haben eine Wasserversor- gung. Dieses Wasser stammt aus Quellen. Die Kanäle neben der Straße dienen haupt- sächlich zur Bewässerung der Felder.

Abbildung 8: Berberparkplatz in Asni. Foto: Franziska Ulm

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Nach einer einstündigen Fahrt kamen wir in Asni auf dem Wochenmarkt an. Da der Markt sehr groß und voll war, teilten wir uns in zwei Gruppen auf. Der Wochenmarkt findet jeden Samstag statt. Es kommen hauptsächlich Männer aus umliegenden Dörfern des Atlasgebirges. Der Einkauf auf dem Wochenmarkt ist Männerarbeit, da die Frauen den Haushalt füh- ren. Die meisten kommen nur, um dort einzukaufen, aber einige wenige bieten auch gleichzeitig ihre Ware zum Verkauf an. Neben allerlei Warenständen gab es verschie- dene Dienstleistungen wie Friseure und Barbiere sowie Handwerker, die kleinere Repa- raturen durchführten. Im ersten Teil des Marktes wurde gebrauchte Kleidung aus Europa verkauft. Danach kamen wir am „Berberparkplatz“ (siehe Abbildung 8) vorbei und konnten beobachten, wie die Esel beschlagen wurden. Auffällig war die Marktbeschallung von Scharlatanen, die Wissenswertes über ihre Produkte Heilpflanzen und Pestizide über ein Mikrofon preisgaben. Durch die hohe Analphabeten-Rate glauben viele Menschen dem Gesag- ten, ohne es weiter nachprüfen zu können.

Marokko besitzt 3500 km Küste und wird deswegen auch als „Fischland“ bezeichnet. Ein durchschnittlicher Marokkaners isst 7 kg Fisch im Jahr. Auf Grund der großen Ver- fügbarkeit an Fisch wäre es sogar besser, wenn die Marokkaner noch mehr Fisch es- sen würden. Bei einigen Handelswaren wie Gemüse, Obst oder Zucker wird nach Fixpreisen bezahlt, bei anderen kann man handeln. Danach gingen wir durch den Bereich, in dem das Fleisch verkauft wurde. Links und rechts hingen geschlachtete Ziegen und Lämmer (siehe Abbildung 9). In einer Aus- stelltheke lagen abgeschnittene Ziegenköpfe. Diese werden gedämpft und danach ge- gessen. Allgemein wird Lamm mit einem roten und Ziege mit einem blauen Siegel ge- kennzeichnet. Die Tiere werden am Morgen geschlachtet und hängen den Tag lang dann ungekühlt auf dem Markt.

Abbildung 9: Fleischhalle in Asni. Foto: Franziska Ulm

In Marokko ist Fleisch etwas Besonderes. Außerdem ist es teuer, weswegen es Fleisch nicht jeden Tag zu essen gibt. Generell ist es eher die Ausnahme, in Marokko Vegetari- er zu finden. 10

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Daneben bietet der Wochenmarkt eine Behandlungsmöglichkeit für Kranke. Im Zentrum des Marktes hatte ein Barbier seinen Stand, der sowohl Zähne zieht als auch Haare schneidet. Am Rande des Marktes in einem Gebäude, das einer Garage sehr ähnelt, befindet sich ein traditioneller Arzt, der auf Brüche spezialisiert ist. Für viele Marokka- ner, die im Atlasgebirge wohnen, ist Asni die nächste Möglichkeit einen Arzt aufzusu- chen. Auf dem Markt sahen wir auch viele Marokkaner mit einer Kopfbedeckung die einer Kippah glich (jüdische Kopfbedeckung). Dies ist jedoch auch eine für Berber typische Kopfbedeckung. Nach dem Wochenmarkt sind wir nochmal 4 km mit dem Bus weitergefahren, dort machten wir dann eine Mittagspause am Fluss Imnan mit Salat und Obst. Gestärkt haben wir uns dann auf eine ca. 4 stündige Wanderung in Mohameds Dorf aufgemacht.

Abbildung 10: Wandernde Studenten im Imnan-Tal. Foto: Franziska Ulm

Während der Wanderung zeigte uns Herr Luick verschiedene typische Pflanzenarten, wie z. B. Johannisbrotbäume, Steineichen und Pistazien. Bei einem Zwischenstopp in dem kleineren Berberdorf Imscreb wurden uns wieder eini- ge Informationen gegeben: In den Berberdörfern sind die Dachbalken aus Pappel und Wacholder angefertigt. Es wird aber auch Stampflehm oder Beton verwendet, um das traditionelle Flachdach her- zustellen. Acht Prozent von Marokko sind bewaldet, von denen 30 % die Steineiche ausmacht. In dem Dorf befanden wir uns bereits im Toubkal-Nationalpark, den es seit 1942 gibt. Früher lebte hier der Atlaslöwe, der allerdings 1930 ausgestorben ist. Heute

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Tagesprotokolle leben dort Füchse, Schakale (Goldschakal), Hyänen, Wiesel, Ginsterkatzen, Schlangen und Skorpione sowie einige Adler- und Geierarten. Viele Schlangenarten sind bereits ausgestorben, da die Apfelbäume mit Pestiziden behandelt werden. Die schwarze und gelbe Kobra findet man nur im Atlasgebirge. Generell wachsen die Dörfer im Atlasgebirge, da die Pärchen heutzutage in einem ei- genen Haus wohnen wollen. Früher wohnten in einem Haus bis zu zwanzig Personen. Oft verlassen die Jungs nach der Grundschule das Dorf, um in einer größeren Stadt auf die Schule zu gehen oder Arbeit zu finden. Die Mädchen bleiben bei ihrer Familie, da sie früh im Haushalt helfen müssen und auch oft innerhalb des Dorfes heiraten. Fami- lien leben häufig nicht zusammen, da die Männer oft in der Stadt leben und das Geld dann zu ihrer Familie im Dorf schicken, um diese zu unterstützten. Die Männer kehren nur selten in ihr Dorf zurück. Eine Ausnahme bildet der Ramadan, an dem die Männer für zwei Wochen zurück nach Hause gehen. Nah einer weiteren Stunde kamen wir in Mohameds Heimatdorf Imi Oughlad an und wurden auf der Dachterrasse mit Tee und kalten Getränken begrüßt. Der grüne Tee wird hier üblicherweise mit frischer Minze und viel Zucker serviert. Nun hatten wir erst einmal zwei Stunden Freizeit um uns von der Wanderung bei 40°C zu erholen.

Abbildung 11: Erschöpfte Studenten auf der Dachterrasse in Imi Oughlad. Foto: Rainer Luick

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Um acht Uhr gab es Abendessen. Danach wurde das Referat „Die Kultur der Berber in Nordafrika - mit speziellem Fokus auf Marokko (Geschichte, Kultur inkl. Sprache, Schrift, Architektur usw., Demographie, Einbindung in die arabische Gesellschaft)“ von Jonas und Chris gehalten. Während und nach dem Referat ergänzte Mohamed noch einige Informationen. Die früher üblichen Tätowierungen bei den Berbern waren permanent und mit grüner Farbe. Gesichts-Tattoos findet man heutzutage eher bei älteren Berberfrauen, da die jüngere Generation durch westliche Einflüsse ein anderes Schönheitsideal hat. Außerdem ist es im Atlasgebirge üblich, Henna flächig auf Handflächen oder Füßen aufzutragen. Über die Beziehungen zu Arabern und Berbern wurde folgendes gesagt: Beide sind durch ihre gemeinsame Religion, den Islam verbunden, aber bis Anfang der 90er Jahre waren Berber Menschen 2. Klasse. In großen Städten durfte kein Berberisch gesprochen werden und berberische Vornamen wurden nur selten anerkannt. Heutzu- tage geben viele Marokkaner zu, dass sie berberische Wurzeln haben. Die Berber gel- ten als sehr fleißige und bescheidene Menschen, sie haben ihre Läden von 6 – 24 Uhr geöffnet. Eines ihrer Sprichwörter besagt: „Ein Laden macht ein Haus, aber ein Haus macht kei- nen Laden“. „Berber sind die Schwaben Marokkos“, sagte Mohammed über sein eige- nes Volk. Auch Marrakesch ist eine Berberstadt, die aber inzwischen sehr arabisiert wurde.

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4. Tagesprotokoll vom 17.05.2015

Protokollanten: Jens Grammer, Gabriel Walter, Christine Henkel Besuchte Orte: Imi Oughlad

Am Sonntagmorgen begann der Tag nach einem herrlichen Frühstück mit der Auftei- lung der Studenten in zwei Gruppen. Die eine Gruppe sollte sich mit der Infrastruktur und Daseinsvorsorge, also der Strom- und Wasserversorgung sowie öffentlichen Ge- bäuden und Bildungseinrichtungen im Dorf beschäftigen. Eine weitere Gruppe beschäftigte sich mit Landnutzung und den Sozialstrukturen im Dorf Imi Oughlad.

Wasserversorgung In Begleitung von Frau Prof. Megerle, Abdu und dem Vorstand der vor Ort gegründeten Stiftung macht sich die erste Gruppe auf den Weg zu den Brunnen oberhalb des Dor- fes.

Tiefbrunnen

Abbildung 12: Brunnen in Imi Oughlad. Foto: Jens Grammer

Oberhalb des Dorfes liegen im Hang zwei Tiefbrunnen, welche aus jüngerer Zeit stam- men. Diese sind durch die Stiftung des Dorfes und dessen Dorfbewohner selbstfinan- ziert und in Eigenarbeit unter Aufsicht von Experten aus Nachbardörfern gebohrt wor- den. Allerdings stellte sich heraus, dass nur einer dieser Brunnen Quellwasser aus ei- ner in 4 km entfernten, höher liegenden Quelle führt. Der erste Bohrversuch erfolgte bis auf eine Tiefe von 44 m in einem Zeitraum von 4 Monaten und blieb erfolglos. Daraufhin kam es zu einer zweiten Tiefenbohrung etwa im Abstand von 30 m. Nach einem Monat und 10 Tagen stießen die Dorfbewohner in einer Tiefe von 16 m auf das so lebenswich- 14

HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Tagesprotokolle tige Quellwasser. Provisorisch wird dieses mit einer Kreiselpumpe und einem alten, gasbetriebenen Fiat-Motor an die Oberfläche befördert. In Zukunft soll dieses Wasser in die ebenfalls über dem Dorf liegende Zisterne eingespeist werden, um der Wasser- knappheit in den Trockenmonaten Juli und August entgegen zu wirken.

Zisterne Die Hauptzisterne oberhalb des Dorfes ist seit etwa 4 Jahren in Betrieb. Die Bauzeit der Zisterne betrug etwa 1 Jahr und 2 Monate. Die Zisterne hat die Maße 5 m x 12 m x 2 m und fasst somit ein Volumen von 120 m³ Wasser. Die Dorfbewohner zahlen für das Wasser aus der Zisterne einen Grundpreis von 20 Dirham pro Jahr und für jeden 1 m³ Wasser zwei weitere Dirham. Nach einer gründlichen Begutachtung wurde festgestellt, dass der Eingang zur Zisterne mit Beton versiegelt ist. Somit stellt sich die Frage, in- wieweit das Innenleben der Zisterne gereinigt und gewartet wird. Es wurden Bedenken vorgetragen, wie lange es dauert bis sich in der Zisterne aufgrund der Unterlassung regelmäßiger Kontrollen größere Dimensionen an Sedimente bilden könnten. Der Vor- stand der Stiftung nahm diesbezüglich Stellung und erklärte, dass die Zisterne seit Inbe- triebnahme bis heute zweimal für eine Reinigung durch die Frauen des Dorfes geöffnet wurde. Beim Betrachten des aus dem neuen Tiefbrunnen sickernden Quellwassers, wird deutlich, dass dieses sehr sedimenthaltig ist und im ungereinigten Zustand eine starke Sedimentierung in der Zisterne hervorrufen wird. Immer wieder wird deutlich, dass die Konzepte zum Ausbau der Infrastruktur im Hinblick auf Wasser nicht vollkom- men ausgereift und verbesserungsfähig sind. Es wird in Betracht gezogen, diese The- matik in Form einer Bachelorarbeit zu behandeln. Aus der Sicht der Wasserstudenten werden dabei noch folgende Probleme wahrge- nommen: Die Zisterne liegt topographisch höher als der neue Tiefbrunnen, weshalb eine Einspei- sung des Quellwassers in die Zisterne nur mithilfe einer weiteren Pumpe möglich ist. Somit entstehen für die Dorfbewohner weitere Anschaffungskosten für die Pumpe sowie laufende Kosten in Form von Energie für den Betrieb der Pumpanlage. Die benötigte Energie für den Antrieb der Pumpe soll in Form von Gas sichergestellt werden. Da kei- ne Straße zu der Wasserversorgung oberhalb des Dorfes führt, müssen die Dorfbe- wohner die benötigten Gasflaschen über mehrere Höhenmeter zu Fuß oder mithilfe ei- nes Lasttieres nach oben transportieren.

Abwasser Das im Dorf entstehende Grauwasser wird mithilfe von schmalen, offenen Kanälen, welche entlang der Wege durch das Dorf laufen, in die unterhalb am Fluss liegenden Obstbaumgärten geleitet. Allerdings haben die Dorfbewohner festgestellt, dass nicht jede Baumkultur diese Abwässer erträgt. Des Weiteren muss darauf hingewiesen wer- den, dass die Toilettenabwässer nicht mithilfe dieses Systems in die Baumkulturen ge- langen, sondern fast jedes Haus sein eigenes Latrinensystem besitzt. Die Latrinensys- teme sind laut Stiftung so tief, dass aufgrund von Absetzungsprozessen keine Leerung notwendig ist.

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Abbildung 13: Grauwasser-Rinne in Imi Oughlad. Foto: Jens Grammer

Thymian Nach der Zisterne gelangten wir zu einer Thymiantrocknungsstelle. Dort wurde uns er- klärt, dass der Thymian von den Frauen geerntet und auf Folien o. ä. getrocknet wird, um ihn danach als Antiseptikum, z. B. gegen Bauch- oder Halsschmerzen oder als Zu- gabe zu Butter zur Konservierung zu verwenden.

Hamam Im weiteren Verlauf des Morgens erhielten wir Einblick in einen Hamam des Dorfes. Dies ist ein Dampfbad, welches Bestandteil jeder Moschee ist sowie einiger privater Haushalte. Das Dampfbad ist ein wichtiger Bestandteil der islamischen Bade- und Kör- perkultur. Das Dampfbad wird mit Hilfe eines Ofens, welcher aus Steinen und Lehm gebaut wird, durch Feuerholz beheizt. Frauen und Männer benutzen den Hamam ge- trennt. Am Tage dürfen ihn die Frauen benutzen und ab 18:00 Uhr ist nur noch den Männern der Zutritt gestattet. Für die Benutzung des Hamams sind besondere Abläufe für die Waschung vorgeschrieben. Diese gelten für die verheirateten Bewohner und für Bewohner, welche die Waschung vor einem Gebet vollziehen. Man unterscheidet zwi- schen einer kleinen Waschung und einer großen Waschung. Diese unterscheiden sich in der benötigten Zeit von etwa 5 Minuten bzw. 15 Minuten. Die Waschung beginnt mit den Kopfpartien (Mund, Nase, Gesicht, Haare, Ohren) und danach den Füßen. Diese Abfolge muss dreimal hintereinander erfolgen. Oft werden Handschuhe oder heiße La- vasteine als Hilfsmittel für ein Körperpeeling eingesetzt.

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Energieversorgung Seit 2001 ist das Dorf an das marokkanische Stromnetz angeschlossen. Der Strom wird mithilfe zweier nahegelegener Stauseen produziert. Des Weiteren hat die deutsche KfW ein Windanlagennetz finanziert, welches Marokko mit Strom versorgt. Im Winter kommt es trotz neuem Stromnetz ab und an zu Stromausfällen. Grund dafür sind teilweise gro- ße Schneemassen, welche das Stromnetz beschädigen.

Schulen Im Laufe des Vormittags erhalten wir Einblick in das Schulsystem des Dorfes. Im Dorf gibt es sowohl eine Vorschule als auch eine Grundschule. Ein Gymnasium liegt im Nachbarort Asni. Die Vorschule wird mit Mitteln aus der Stiftung finanziert und ist seit 2009 in Betrieb. Die Kinder werden von einer Lehrerin unterrichtet die ebenfalls von der Stiftung bezahlt wird. Die Lehrerin kommt von außerhalb und übernachtet während der Schulzeit von Montag bis Samstag im Dorf. Die Kinder werden in der Vorschule nicht in der berberischen, sondern in arabischer Sprache unterrichtet. Dies kann für viele Kinder problematisch werden, da sie die arabische Sprache teilweise nicht verstehen und so dem Unterricht nicht folgen können. Viele Kinder bleiben deshalb zuhause und helfen lieber ihren Eltern. Dadurch haben viele Kinder später keinen Schulabschluss oder kön- nen nicht auf eine weiterführende Schule gehen. Dies führt dazu, dass sie später oft weniger gut bezahlte oder gar keine Arbeit finden. Oft arbeiten sie wie ihre Eltern im Agrarsektor, welcher jedoch nicht ausreicht, um ein Leben über der Armutsgrenze zu führen. Im Dorfkern gibt es noch eine weitere Grundschule. Diese Grundschule wurde von der Regierung gebaut. Sowohl Mädchen als auch Jungen im Alter zwischen 6 – 12 Jahren besuchen diese Schule. Der Unterricht findet von Montag bis Samstag statt. Wie in Deutschland ist der Sonntag ein Ruhetag. Wie bereits erwähnt, existiert in dem nahelie- genden Ort Asni ein Gymnasium zu dem seit einiger Zeit ein Schulbus die Kinder trans- portiert. Die Fahrzeit beträgt ca. 10 Minuten. Aus den Gründen wie oben beschrieben besuchen allerdings sehr wenige Kinder das Gymnasium.

Abfallentsorgung Im Dorf gibt es keinerlei geordnete Abfallentsorgung nach deutschen Maßstäben. Der Müll wird gleich neben der Grundschule oberhalb des Dorfes einen Hang hinunter ge- worfen. Durch Schmelzwasser, Regen und Wind wird der Müll von dort aus in alle Rich- tungen fortgetragen und landet oft im Flusstal unterhalb des Dorfes. Hier besteht eben- falls für die Studenten die Möglichkeit im Rahmen einer Bachelorarbeit Lösungsansätze auszuarbeiten.

Landnutzung und den Sozialstrukturen Die zweite Gruppe war mit Mohamed und Herrn Luick unterwegs und befasste sich mit der Landnutzung und den Sozialstrukturen im Dorf Imi Oughlad. Dabei ging es vor al- lem um die Viehwirtschaft, die verbreiteten Kulturpflanzen und die Dorfstrukturen, die Rolle der Frauen, die Wohnsituation, sowie die „Rechtsstrukturen“, die damit direkt zu tun haben, wie die Beispiele Aufgabenteilung zwischen Männern und Frauen oder Re- gelungen zur Wasseraufteilung zeigen.

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Zuerst ging es direkt in den Hinterhof der Familie von Mohameds Cousin. Dort zeigte Hafeta, die Frau von Mohameds Cousin, “ihre“ Tiere: Hühner wegen der Eier und Ha- sen zur Fleischproduktion. Beides dient sowohl zum Eigenbedarf, aber auch zur Auf- besserung des Familieneinkommens. Diese Tiere (oftmals auch Kühe) sind Frauensa- che im Berberdorf. Eine Kuh hatte die Familie auch im Stall. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die verheirateten Frauen der etwas wohlhabenderen Familien im Dorf eine Kuh besitzen. Die Kühe sind nicht mit europäischen Hochleistungskühen zu vergleichen; sie geben ca. 3 Liter Milch am Tag und stehen die meiste Zeit im Stall. Da die Kühe trotzdem rela- tiv große Anforderungen an ihr Futter haben (im Vergleich zu Ziegen) schneiden die Frauen ihnen morgens große Mengen Gras an den Wiesen am Fluss und tragen dieses auf dem Rücken das Dorf hoch in die Ställe. Der Grasschnitt wird zum Teil gleich verfüt- tert und zum anderen Teil zu Heu getrocknet. In den dunklen Ställen unter den Wohn- häusern stehen die Kühe, da sie dort vor Hitze, Stress und vor Fliegen geschützt sind. Abends sieht man manchmal, wie Kühe an den Fluss zum Grasen geführt werden.

Abbildung 14: Hinterhof und Familie von Mohamed in Imi Oughlad. Foto: Gabriel Walter

Mohamed erzählte, dass bei der Geburt eines Kälbchens, die „Biestmilch“ (die erste Milch) eine besondere Spezialität im Dorf ist. Daraufhin entwickelte sich eine Diskussi- on, da ein Kalb normalerweise die erste Milch wegen des hohen Fettgehalts und wichti- gen Bakterien für die Darmflora dringend zum Überleben benötigt. Hafeta konnte das Missverständnis jedoch aufklären: Alle haben recht: zwei Zitzen bleiben für das Kalb reserviert, von den anderen wird die Spezialität abgemolken. Weitere typische Frauenaufgaben sind: kochen, Feuerholz holen, Wäsche waschen und Wasser holen, was in Imi Oughlad entfällt, da die Bewohner in Eigenregie ein Wasser- versorgung (s. o.) mit Anschlüssen in jedem Haus eingerichtet haben. Körperlich schwierige Aufgaben sind typische Männeraufgaben im Dorf: bauen, arbeiten auf dem Feld (wobei die Männer hier auch von den Frauen unterstützt werden) sowie das Hüten der bis zu 120 Tiere großen Ziegenherden, die in die Berge bzw. in den „Wald“ getrieben werden. Dem Wald setzt die Beweidung durch die Ziegen sowie die 18

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Gewinnung von Bau-und Feuerholz sehr zu. Er besteht in erster Linie aus herunterge- fressenen, ca. 1,50m hohen Steineichen. Außerdem ist der Bau und die Instandhaltung der Kanäle Männersache. Mit den Kanä- len, die sich jeweils ca. 3-5 km flussoberhalb der Dörfer befinden, werden die Felder der Familien bewässert. In den Feldern der Familien stehen Obstbäume, wie Apfel, Kirsche, Zwetschge und Quitte, was wie Gemüse verwendet wird. In Imi Oughlad gibt es die Felder erst seit den 80er Jahren. Die Obstbäume kamen erst in der französischen Protektoratszeit in die Gegend. Wenn das Obst reif ist, wird es oft noch am Baum an Händler verkauft, oder im dorfeigenen Kühlhaus gelagert. Pflaumen werden von den Familien selbst gepflückt und dann an Händler mit LKW verkauft, die die Ware meist Richtung Agadir weiterverkau- fen. Unter den Obstbäumen wird entweder Wiese (Luzerne) oder Gerste kultiviert. Die Äpfel werden mehrmals im Jahr gegen Läuse gespritzt, seitdem gibt es deutlich weniger Schlangen um die Dörfer. Gedüngt werden die Felder mit Tierdung. Die offene Bewässerung hat eine hohe Verdunstung zur Folge. Die Aufteilung der Was- serrechte ist über Zeitkontingente geregelt, in denen der Wasserkanal in ein bestimmtes Feld einer Familie geleitet wird. Wenn es darüber zu Streitigkeiten kommt, bestimmt ein Rat, dem die ältesten, einflussreichsten Männer angehören und der sich abends in der Moschee (am Hamam, weil es dort abends nicht so kalt ist) trifft. Außerdem sprechen diese Männer Recht, wenn es um Besitz, Erbe oder andere Streitigkeiten geht. Wenn hier keine Einigung erzielt werden kann, sitzt in Asni, dem nahegelegenen größeren Ort, eine Art Richter für das Gewohnheitsrecht der Berber. Wenn auch das nicht hilft, muss der (staatliche) Richter in Marrakesch sich des Falles annehmen. Früher be- stimmte über solche Fragen der „Amra“, eine Art Berberfürst, dessen Bedeutung jedoch zurückgeht, weil dieser keine Legitimation durch den marokkanischen Staat hat und durch diesen nicht kontrolliert werden kann.

Abbildung 15: Gerstenfelder bei Imi Oughlad. Foto: Jens Grammer

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Schon in der Römerzeit kamen Walnussbäume in die Gegend. Diese stehen vor allem unten am Fluss und in der Dorfmitte. Walnüsse werden ebenfalls verkauft und zu sü- ßem Gebäck verarbeitet, das vor allem zum Ende des Ramadan sehr beliebt ist. Der Walnussbaum hat den großen Vorteil, dass er selbst Abwehrstoffe bildet, und somit nicht nur nicht gespritzt werden muss, sondern auch indirekt die Obstbäume in direkter Umgebung „schützt“. Außerdem gibt es noch Feigenbäume im Dorf. Diese dienen aber nur der Selbstversorgung und werden nicht für den Verkauf genutzt. An Getreide spielt im Hohen Atlas in erster Linie Gerste eine herausragende Rolle. Die- se wird entweder ohne Bewässerung auf Terrassen oberhalb der Häuser in Winterkultu- ren angebaut - wenn es genug regnet, wird sie im Mai/Juni von Hand mit der Sichel ge- erntet, wenn es nicht genug geregnet hat, werden die Tiere in die Felder getrieben - oder die Gerste wird in einer Art Agro-Forstkultur unter den Obstbäumen angepflanzt. Dort bekommen sie auf Grund der Bewässerung auch auf jeden Fall genug Wasser. Früher hatte jede Familie im Ort auch noch einen eigenen Dreschplatz, auf dem das Getreide mit Hilfe von Esel oder Maultier gedroschen wurde. Im Sommer wird auch teilweise Mais gepflanzt. In jedem Dorf gibt es inzwischen eine eigene Schule, eine Moschee und ein Hamam (ein Dampfbad). Letzteres ist tagsüber für die Frauen und abends und nachts für die Männer im Dorf offen. Normalerweise kostet das Hamam Eintritt, der zur Not auch in Naturalien wie zum Beispiel 3 Eiern bezahlt werden kann. Die Schulausstattung ist ausreichend. Ein größeres Problem stellt die Tatsache dar, dass die Lehrer oft aus den großen Städten, wie zum Beispiel Casablanca, kommen. Sehr häufig sind sie nicht sonderlich motiviert, in den kleinen Dörfern zu unterrichten, da es dort keinerlei städtische Kultureinrichtungen und Möglichkeiten der Unterhaltung gibt. Oft kommen die Lehrer nach den Wochenenden nicht gleich wieder zum Unterricht. Dieses Phänomen wird dadurch verstärkt, dass die Lehrer auf dem Land von nieman- dem kontrolliert werden. Bis vor wenigen Jahren war für Kinder aus dem Dorf die Schulausbildung oft spätestens nach der Grundschule (6. Klasse) vorbei. Inzwischen gibt es immer öfter Schulbusse in den Dörfern, die die Schüler zur nächsten weiterführenden Schule bringen, was früher oft daran scheiterte, dass die Schüler den Weg sonst hätten laufen müssen. Die Menschen im Dorf können auf gegenseitige Hilfe zum Beispiel beim Hausbau zäh- len. Für den Dachbau wird in erster Linie für Balken Pappelholz vom Fluss verwendet, für das Holz, um die Lücken dazwischen zu verstopfen, werden auch aus dem „Wald“ die kläglichen Reste der Steineiche abgeholzt. Das ist zwar verboten, da sich das Dorf im Nationalpark befindet. Wer in flagranti dabei von der unbestechlichen Nationalpark- verwaltung erwischt wird, zahlt umgerechnet 50-500 Euro Strafe. Das ist zwar eine ge- waltige Strafe für die Menschen im Dorf, eine Bestrafung kommt aber selten vor, da das Holz sobald es verbaut ist, wieder legal ist. Zum Dank für die Mithilfe am Hausbau gibt es dann für die Helfer aus dem Dorf ein Mittag- und Abendessen. In den 50er Jahren gingen aus Mohameds Familie viele Männer nach Frankreich, um beispielsweise bei Renault zu arbeiten. Die Familien blieben oft erstmal allein daheim, jedoch gab es nie Haushalte ohne Männer, vor allem in den Großfamilien gibt es einen großen Zusammenhalt. Bis heute spielen Auslandsüberweisungen für die marokkani-

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Tagesprotokolle sche Wirtschaft eine sehr große Rolle. In den letzten Jahrzehnten wurde so gut wie je- des Dorf in Marokko auch an die Stromversorgung angeschlossen. Praktisch jedes Haus hat in Imi Oughlad inzwischen eine Satelliten-Schüssel und Fernsehen. Nachts werden die Wege im Dorf durch Straßenlaternen erleuchtet. Die Zahl der Kinder pro Familie ging auch in den Dörfern auf inzwischen noch 3-4 zu- rück (in den Städten ca. 2 Kinder). Arrangierte Hochzeiten gab es im Dorf bis in die letz- te Generation. Inzwischen dürfen auch die Frauen einen Hochzeitskandidaten ableh- nen. Generell lässt sich sagen, dass sich die Landwirtschaft seit den letzten Jahrzehnten zunehmend von einer Subsistenz- zu einer Gelderwerbslandwirtschaft verwandelt, da auch die Menschen im Dorf neue Bedürfnisse haben, die sie sich nur mit Geld erfüllen können. Außerdem kostet die Schulausbildung der Kinder Geld. Verkauft werden zum großen Teil nur Obst und Walnüsse. Die anderen Erzeugnisse (Gerste, Gemüse) wer- den im Dorf selbst benötigt. Zugekauft wird vor allem Melasse aus Zuckerrückständen als Kuhfutter. Probleme bei der Gelderwerbswirtschaft sind zum einen, dass die Felder durch die Realteilung immer kleiner wurden. Zum größeren Problem wird, dass die Obstprodukte aus dem Hohen Atlas, wo der Anbau durch die komplizierte Bewässerung und den Bau der Terrassen mit Produkten aus anderen Gegenden Marokkos konkurrie- ren, die viel höhere Ernteerträge erzielen, da sie künstlich bewässert werden und durch flache Lagen sogar maschinell bearbeitet werden können. Das angestrebte Freihan- delsabkommen mit der EU könnte den Konkurrenzdruck für die Bergbauern stark erhö- hen, falls der marokkanische Markt mit subventioniertem Obst aus der EU über- schwemmt wird. Ein weiteres selbstgemachtes Problem ist die Ernährung in Marokko. Die Rate der Zuckerkranken ist vergleichsweise sehr hoch, da die Menschen zum Standardgericht Tajine (Gemüse ist knapp) viel Weißbrot essen, um satt zu werden und viel stark gesüßten Tee trinken. Fleisch findet sich selten im Essen. Wenn, dann han- delt es sich meist um Hammel oder Rindfleisch.

Abbildung 16: Eingestallte Kuh in Imi Oughlad. Foto: Gabriel Walter

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Tourismus Nach einem gemeinsamen Mittagessen kam die gesamte Gruppe zusammen, um sich im Laufe des Mittags mit dem Thema Tourismus zu beschäftigen. Zwischen den Obst- kulturen nahe des Flusses erhielten wir einen ersten Input zu diesem Thema. Daraufhin erarbeitete die Gruppe verschiedene Aspekte mit Mohamed. Es wurde festgestellt, dass die Infrastruktur Tourismus im Dorf zulässt. Allerdings ist hier von Öko- oder einem sanften Tourismus auszugehen. Das Dorf könnte für Touris- ten, welche in der Region Trekking, Radtouren oder Skitouren ausüben, als Übernach- tungsmöglichkeit oder Rastmöglichkeit in Form von Restaurants und Gasthöfen dienen. Für viele Touristen, die in höhere Bergregionen möchten, könnte das Dorf für die Akkli- matisierung von Nutzen sein. Das Dorf sollte eine regionale Identität entwickeln, mit welcher es Werbung für Touris- ten machen könnte. Allerdings ist das Dorf bzw. seine Region nicht im Fokus der Regie- rung und wird somit nicht von dieser unterstützt. Vor einigen Jahren jedoch hat die Re- gierung die Infrastruktur als Grundlage für eine Entwicklung dieser Region ausgebaut. Vor allem im Sommer ist die Region für viele Marokkaner ein beliebtes Tagesausflugs- ziel zur Erholung. Die in der Stadt lebenden Marokkaner würden gerne entlang des Flusses die Terrassen mit Ferienhäusern bebauen, allerdings gibt es nur wenig Bau- grund, welchen die Eigentümer veräußern wollen. Die Region war sehr lange von der Außenwelt abgeschieden, wodurch alte Kulturen und Handwerkskünste bis heute erhal- ten geblieben sind. Die Verschmutzung durch Tourismus wurde ebenfalls thematisiert. In diesem Dorf gibt es, wie oben schon erwähnt, kein Müllkonzept. Bei einem erhöhten Tourismusaufkom- men würde sich somit auch das Abfallproblem erhöhen und es müsste dringend eine Lösung gefunden werden. Mohamed erzählt uns, dass beispielsweise im Nachbarort Imlil ein Müllkonzept durch die Franzosen eingeführt wurde. Eine dauerhafte Entwicklung der Region im Hinblick auf Tourismus kann nur gefördert werden, wenn man den dort lebenden Menschen die Möglichkeit gibt, ihre eigenen Pro- dukte zu vermarkten, beispielweise das beliebte Arganöl. Jedoch kann sich dies zum Nachteil anderer regionaler Produkte auswirken. Diese würden neben Arganöl an Be- deutung verlieren. Da die Agrarprodukte sehr teuer ins Ausland verkauft werden, steigt auch der Preis vor Ort für die Einheimischen, welche aufgrund von Armut oft nicht mehr in der Lage sind, die steigenden Preise zu bezahlen. In Anbetracht der kleinen Flächen entlang des Flusses und der Hochwasserproblematik in Ufernähe kommt eine Bebauung mit großen Mehr-Sterne-Hotels nicht in Frage. Fer- ner fehlen dafür die Investoren, da die Region nicht den Bekanntheitsgrad hat, welcher für den Bau solcher Hotels benötigt wird. Zudem reicht die Infrastruktur der Region nicht aus, die Erfordernisse und Folgen solcher Hotels ausreichend zu befriedigen. Die Region würde auch an Wert im Hinblick auf ihre Kultur und Landschaft verlieren, wenn man den Massentourismus zulassen würde. Eine Form des Thementourismus kommt für diese Region wohl am ehesten in Betracht. Gerade der Geotourismus bietet vor Ort durch die archäologischen Fundstätten und besonderen Geotope viel Potential. Durch den Verkauf von Fossilien und Mineralien fährt Marokko einen jährlichen Umsatz

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Tagesprotokolle von etwa 40 Millionen Euro ein. Leider führt der Verkauf von Fossilien und Mineralien auch dazu, dass Plünderer die alten Fundstätten zerstören. Die Region selbst vermark- tet sich mit Hilfe von kleinen Reisebüros oder Mund zu Mund Propaganda. Die Marok- kaner sind selbst zurückhaltend was neue Investitionen betrifft. Oft sind es Investoren aus dem Ausland die neue Projekte fördern.

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5. Tagesprotokoll vom 18.05.2015

Protokollanten: Freia Burkhardt, Nicola Dangel und Peter Suckfüll Besuchte Orte: Tinitine, Aguer Sioual, Imlil

Am diesem Montag führte die Exkursion dem Fluss Oued Rheraya entlang bis Imlil. Die Wanderung sollte etwa vier Stunden dauern. Ursprünglich wollten wir den 100 jährigen Großvater von Mohamed und Abdu in seinem Haus treffen. Wie sich später herausstell- te, war dieser jedoch durch die Strohernte verhindert. Der Ort Imlil liegt etwa 8 km süd- östlich von Imi Oughlad, knapp 400 Meter höher auf 1750 Metern. Der Ort ist touristisch als Basislager für Touren auf den Toubkal, dem höchsten Berg Nordafrikas, von Bedeu- tung und hat etwa 500 Einwohner.

Abbildung 17: Blick in das Rheraya Tal. Foto: Jens Grammer

Als wir gegen 10 Uhr nach dem Frühstück aufbrachen, führte uns der Weg an das ge- genüberliegende Ufer des Qued Rheraya und dann auf rasch ansteigenden schmalen Wegen durch eine trockene Fels- und Gerölllandschaft mit Wacholder- und Tamarisken- bewuchs. Wir hatten eine gute Sicht auf die Nordhänge des Tales, das beim gelegentli- chen Innehalten mit seiner kargen Schönheit überzeugte. Abbildung 17 zeigt den Blick in das Rheraya Tal nach Nordosten. Sehr auffällig dabei waren die Gabionen, die in den Erosionsrinnen aufgebaut waren. Mohamed meinte allerdings, dass diese nur den Zweck des Bauwerksschutzes und nicht den des Wassermanagement erfüllten. In dem kleinen Dorf Tinitine (coords: N/31°11 ́02“//W/7°56 ́20“) zeigte sich erneut das Problem des Abwasser- und Müllmanagements der dezentralen Region. An dieser Stel- le befindet sich ein Friedhof in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Bachlauf. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Friedhof über eine Abdichtung zum Bach verfügt. Zudem wurde das kleine Gewässer als wilde Deponie genutzt, was, wie wir schon tags zuvor erfuhren, der Ermangelung eines Müllkonzepts geschuldet ist.

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Abbildung 18: Müll in Tinitine. Foto: Jens Grammer

Des Weiteren erfuhren wir, dass die Gräber des Friedhofs anonym sind, da die Men- schen in Marokko anonym geboren werden und anonym sterben. Im Gegensatz zu un- seren Grabmälern waren diese reinen Steingebilde ohne jegliche Verzierungen oder Blumen. Anhand der Anordnung der geschichteten Steine lässt sich das Geschlecht des Verstorbenen feststellen. Nur wenige Meter nach Tinitine änderte sich das Mikroklima schlagartig. Die staubige und trockene Hitze wandelte sich in einen erfrischende Kühle in einem Walnusshain, der von Kanälen durchzogen ist. Tropfwasser an den Austrittsstellen am Hang ermög- lichte Farnen zu ergrünen und senkten die Temperatur um mehrere Grad. Die Kanäle mit rasch fließendem Wasser hatten eine so geringe Neigung, dass es den Anschein hatte, das Wasser würde bergauf strömen. Diese Lebensadern dienen neben der Be- wässerung, dem Tränken der Ziegen und als Waschwasser. Hier erfuhren wir von unserem ortskundigen Reiseführer, dass es auch hier eine strikte Trennung von Trinkwasser und Bewässerungswasser gibt. Die Frauen gehen zum Wä- sche waschen an den Bewässerungskanal, welche vor ihrer Anlegung nicht komplex geplant, sondern rein nach Erfahrungswerten konstruiert wurden. Eine Initiative des Landes Marokkos sorgt für betonierte Bewässerungskanäle, da dadurch die Erosion verringert wird und das Wasser sauberer bleibt. Wir widmeten uns an diesem ange- nehmen Ort dem Referat zum Thema: “Natur- und Umweltschutz in Marokko“. Darüber hinaus erklärte Mohamed und sein Bruder mit fundiertem Fachwissen die öko- logische Entwicklung seiner Heimat und des Nationalparks Toubkal (in dem wir uns be- fanden). Es wurde beschrieben, dass vor etwa 2000 bis 3000 Jahren das gesamte Ge- biet des Hohen Atlas zumeist mit Steineichen und Zedernwäldern bewachsen war. Nach der Abholzung erodierten die Böden und auf den mageren, trockenen Böden konnten sich nur noch Spezialisten entfalten.

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Abbildung 19: Walnuss-Hain und Wasserkanal in Tinitine. Foto: Jens Grammer

Der Ökosystemtyp des Nationalparks ist überwiegend arid. Es handelt sich um Extrem- standorte, die mit Problemen wie Trockenheit, Erosion und magere Böden zu kämpfen haben. Die Pflanzen mussten, um bei diesen Bedingungen überleben zu können, An- passungsmaßnahmen ausbilden. Viele Pflanzen die unter diesen Bedingungen (trocke- ne, magere Böden mit geringer Mächtigkeit und hohem Skelettanteil) gedeihen, zeich- nen sich durch ein weit ausgedehntes Wurzelgeflecht aus, wie man es zum Beispiel auch von Akazien kennt. Zum Beispiel gibt es im Toubkal-Nationalpark viele Zwiebelgewächse, welche ihre Energie in der Zwiebel speichern. Der Johannisbrotbaum besitzt dicke Blätter mit einer Wachsschicht, wodurch er für eine geringere Verdunstung sorgt. Die Gattung Ephedra distachya verhindert Verdunstung, indem sie verzweigte, grünliche Zweige ausbildet, die eine geringe Oberfläche haben und die die Photosynthese übernehmen. Weitere Möglichkeiten der Anpassung sind die Ausbildung von Härchen, was zum Beispiel beim Filzkraut zu sehen ist, eine schnelle Ausbildung von Samen (die Pflanzen sterben oft vor der heißen Jahreszeit) und ein unterirdisches, großes Wurzelsystem, das zusätzlich den Effekt eines Erosionsschutzes hat, wobei die oberirdische Pflanze oft recht klein ist. Meerträubel ist eine Pflanze, welche Effedrin beinhaltet. Dieses wird beispielsweise als Hustenmittel eingesetzt. In Marokko findet diese Pflanze auch häufig als Reisigbesen Verwendung. Ihre Anpassung an die Trockenheit sind die extrem kleinen Blätter. Dadurch verringert die Pflanze Ihr Oberflächen-Volumen-Verhältnis, was zur Minimie- rung der Transpiration beiträgt. Außerdem gedeihen hier Asteraceae, wie das Schwe- felkörbchen, Mastixpistazien aus dem Harz für Klebstoffe gewonnen wird und Lilienge- wächse. Grundsätzlich sind die meisten Pflanzen in den ariden Gebietern Marokkos niedrig wachsend, um Transpiration zu minimieren. Außerdem spielt das Mikroklima hier eine bedeutende Rolle. Auch die Fauna hat sich im Lauf der Jahrtausende stark verändert. Sehr viele Arten, vor allem die Großsäuger, sind inzwischen verschwunden. Löwen, Bären und Hirsche ver- 26

HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Tagesprotokolle schwanden schon zu vorkolonialer Zeit. Inzwischen ist auch der Leopard ausgestorben. Er fiel vermutlich Giftködern zum Opfer. Ein Problem für die lokale Bevölkerung stellt noch der Schakal dar, da er Ziegen reißt. Das Referat über Naturschutz in Marokko wurde mit einem Input über die Pflanzen im Nationalpark Toubkal, in dem wir uns zu dieser Zeit befanden, abgerundet. Jagd spielt nach den Angaben unseres Führers bei den Berbern keine Rolle. Jäger sind in der Regel Touristen, die sich vor allem auf Rebhühner, Tauben, Wildschweine, Fasa- nen und Hasen konzentrieren. Erwähnt wurde auch der Waldrapp, ein Vogel bei dem der Zug erlernt und nicht angeboren ist. Somit müssen von Menschen aufgezogene Exemplare dieses seltenen Vogels mit Leichtflugzeugen im Vogelzug „unterrichtet“ wer- den, wenn keine Alttiere vorhanden sind, welche die Jungtiere begleiten können. Es gibt nur noch 420 Exemplare weltweit. In Marokko kommt der Waldrapp vor allem an der Atlantikküste vor. In einen abschweifenden Kontext wurden erneut die Energiegewin- nung und neue Techniken angesprochen. Dabei ging es darum, dass das nationale Phosphatunternehmen (OCP) mit fossiler Energie seine Umkehrosmose-Anlagen be- treibt. Nach weiteren 3 Kilometern erreichten wir den Ort Aguer Sioual, wo der Mittagstisch gerichtet war. Wir wurden herzlich von der Verwandtschaft unserer zwei Reiseleiter Mohamed und Abdu empfangen. Es gab gemischte Salatplatten mit Brot und Nudeln und anschließenden „Whisky Marocain“. Nach einer Mittagspause besichtigten wir im selben Ort eine Frauenkooperative, die Teppiche herstellt. Das besondere hierbei war, dass nicht das finanzielle im Vorder- grund stand, sondern die Weiterbildung der lokalen Frauen. Es handelt sich dabei um eine Stiftung, in der es in erster Linie darum geht, dass die Frauen ein Handwerk sowie Lesen und Schreiben lernen und nicht in der Isolation verkümmern. Die Stiftung wurde 1994 von einer Privatfrau aus Casablanca gegründet. Der Unterricht zur Weiterbildung findet im etwa 15 km entfernten Asni statt. Am Handwerk, also dem Teppich knüpfen, dem Schmuck herstellen und Stricken arbei- ten die Teilnehmerinnen für gewöhnlich von 14 bis 18 Uhr in einem Gebäude am Orts- rand. Sie benötigen etwa eine Woche zum Anfertigen eines durchschnittlich großen Teppichs. Sie beschrieben, dass der Verkauf noch sehr schleppend vorangehe. Der Erlös deckt zur Hälfte die Fixkosten, die andere Hälfte wird unter den Frauen aufgeteilt. Es wurde mehrfach betont, dass das Hauptproblem in der Vermarktung der Handarbei- ten liegt. Verkauft werden die Handarbeiten fast ausschließlich an Touristen, die aller- dings nicht sehr oft das Dorf besuchen. Die Stiftung ist Montag bis Freitag geöffnet. Wir wanderten noch etwa eine Stunde weiter nach Imlil, das letzte Dorf vor dem Auf- stieg zum Toubkal. Von hier aus kann der Gipfel in zwei Tagen bestiegen werden. Bis zu 70.000 Trekkingtouristen finden jedes Jahr den Weg nach Imlil. Der Weg war ge- säumt von Geröll und verfallenden Terrassen. Wie wir später erfuhren, lag in prähistori- scher Zeit im oberen Bereich des Einzugsgebiets des Rheraya ein großer Gletscher- randsee, der barst und zur Verfrachtung der zum Teil gewaltigen Felsen führte.

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Abbildung 20: Der Toubkal. Foto: Jens Grammer

In Imlil erklärten uns unsere Reiseleiter bei einem weiteren „Whisky Marocain“ einige wesentlichen Punkte zur Geologie der Gegend. Es war schon zuvor auffällig, dass hier Sandstein und andere Sedimentgesteine direkt neben Basalt und Granit liegen. Der Hohe Atlas ist somit ein Faltengebirge mit vulkanischer Aktivität, das geographisch zu Europa und nicht zu Afrika gehört. Das Atlasgebirge ist zur gleichen Zeit wie die Alpen vor etwa 2 Mio. Jahren entstanden. In Marokko lassen sich grob vier Gebirgszüge unterscheiden: a) Anti-Atlas b) Mittlerer Atlas (dominant: Kalkstein) c) Hoher Atlas (dominant: Granit) d) Riffgebirge Von Imlil aus fuhren wir pünktlich zum Abendessen mit einem Bus zurück nach Imi Oughlad. Ein weiterer ereignisreicher und eindrucksvoller Tag klang mit einer guten Tajine aus.

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6. Tagesprotokoll vom 19.05.2015

Protokollanten: Bernhard Haag, Gregor Lanz, Martin Haar Besuchte Orte: Fahrt von Imi Oughlad nach Ouarzazate

Am Dienstagmorgen sind wir gegen 10 Uhr mit dem Reisebus vom Heimatdorf von Mo- hamed im Hohen Atlas in die Wüstenstadt Ouarzazate gefahren, wo wir gegen 17 Uhr angekommen sind. Der Weg führte uns durch Asni, die kleine Stadt, in der wir drei Tage zuvor auf dem samstäglichen Wochenmarkt waren. Wir fuhren durch die Haouz-Ebene und das Ouri- ka-Tal in Richtung Tichka-Pass, welcher eine der wenigen Nord-Süd-Verbindungen über den Hohen Atlas ist.

Abbildung 21: Gerstenfelder in der Haouz-Ebene. Foto: Gregor Lanz

In der Haouz-Ebene wird vorwiegend Gerste angebaut (siehe Abbildung 21). Momentan fand die Ernte statt, welche meist manuell mit Sicheln durchgeführt wurde. Die klein- bäuerlichen Strukturen, die billige Arbeitskraft und der steinige Untergrund machen eine Ernte mit Mähdreschern bisher noch unrentabel. Jedoch ist ein zunehmender Trend zur Mechanisierung festzustellen und eine Flurbereinigung in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlich. Die Gerste wird im Gegensatz zum ebenso angebauten Gemüse aus- schließlich durch Regenwasser bewässert, was durch Niederschläge von 400 – 500 mm möglich ist. Dieses Jahr war besonders fruchtbar, da es viel geregnet hatte. So verzeichnet das marokkanische Landwirtschaftsministerium eine Ernte von 110 Millio- nen Tonnen Getreide. Im Vergleich zu normalerweise 50-60 Tonnen ein enormer Wert, der Getreide-Importe (meist aus Amerika und Argentinien) dieses Jahr unnötig macht. Gegen 11 Uhr durchquerten wir das sehr fruchtbare Ourika-Tal, in dem allerlei Gemüse und sogar Safran angebaut wird. Im August 1995 sorgte ein starkes Gewitter für eine verheerende Überschwemmung mit vielen Toten. Immer wieder kommt es durch groß-

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Tagesprotokolle flächigen, oberflächlichen Abfluss von Starkregen auf den kahlen Hängen zu Sturzfluten - zuletzt im November 2014. Grundproblem ist die Bebauung am unmittelbaren Fluss- ufer, durch die zuziehende Bevölkerung, was die einheimischen Berber zu vermeiden wussten. Frühwarnsysteme sind in größeren Städten eingerichtet, jedoch ist noch kein flächendeckendes System vorhanden. Um 11:30 fuhren wir am „Reserve Royale“ vorbei, einem Schutz- und Jagdgebiet für Wildschweine. Die komplette Fläche ist mit der Aleppo-Kiefer aufgeforstet. Auffallend waren die roten Böden des Atlas-Vorgebirges, die teilweise extreme Erosi- onserscheinungen zeigen. Diese „bad lands“ entstehen, sobald die Vegetation durch Nutzung oder Trockenheit verschwindet und den Boden unbedeckt zurücklässt. Durch Wind und Wasser kommt es zu massiven Erosionsrinnen. Die Vegetation auf diesem Teil der Strecke ist natürlicherweise durch Steineichen geprägt, aber es kommen auch Robinien, Zistrosen und in höheren Lagen der Wacholder vor. Zur enormen Erosion tragen auch die Flüsse nach Starkregenereignissen bei. Durch die Wassermassen kommt es zum Abrutschen der Talhänge, was die Täler verbreitert und oft die aufwen- dig terrassierten flussnahen Felder und Straßen zerstört. Gegen 13 Uhr änderte sich die Landschaft. Steile Hänge mit gelbbraunen Schiefer- Felsen und kargem Bewuchs aus Schopf-Lavendel und Ginster prägten das Bild. Auf den Feldern wird vor allem Luzerne für Viehfutter angebaut, aber auch Erbsen, die wie- derum mit zugeleitetem Flusswasser bewässert wurden. Gegen 13:30 Uhr genossen wir die außergewöhnliche Aussicht kurz vor dem Tichka Pass. Aufgefallen sind dabei auch einige Almen, die allerdings nur im Sommer bewohnt sind (bis auf 2600m Höhe zu finden). Man unterscheidet grundsätzlich drei Lebensweisen in Marokko. Zum einen ein permanentes Leben im Dorf, zum anderen einen geteilten Wohnsitz im Sommer auf eben diesen Almen und im Winter im Dorf und drittens eine nomadische Lebensweise.

Abbildung 22: Der Hohe Atlas als Wetterscheide. Foto: Gregor Lanz

Von dem Aussichtspunkt konnten wir insbesondere die Bedeutung des Hohen Atlas als Wetterscheide anhand der klaren Abgrenzung der Wolken vor uns (Abbildung 22) er- 30

HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Tagesprotokolle kennen. Der Atlas fungiert auch als „Wasserschloss“, denn er fängt die vom Atlantik kommenden Wolken auf und durch das Prinzip des Nebelwaldes herrscht an der nördli- che Seite des Atlas ein feuchtes Klima, das zur Fruchtbarkeit beiträgt, während südlich davon nur noch 100-200 mm Niederschlag/Jahr erreicht werden. Der Hohe Atlas ist wie die Alpen durch die Kollision der afrikanischen und europäischen Platte entstanden. Nachdem wir am Fuße des Tichka-Passes in einem Restaurant in den Genuss eines Berber-Omeletts gekommen waren, fuhren wir gegen 14:30 Uhr weiter und erreichten kurz darauf die auf 2260 Meter gelegene Passhöhe. Der Tichka-Pass stellt eine wichti- ge Verbindung zwischen der Ebene von Marrakesch und der Sahara dar. Schon in früheren Zeiten ermöglichte der Pass den Karawanen den Transport vor allem von Salz und anderen Tauschgütern von Timbuktu in Mali nach Marrakesch. Ausgebaut wurde die Passstraße von der Fremdenlegion in der Protektoratszeit in den Jahren 1925-1939. Die Vegetation auf dieser Höhe ist karg. Neben gelbem und lila blühendem Ginster kommt die maghrebinische Säulenwolfsmilch (Euphorbia resinifera) vor, deren Aroma zur Verfeinerung von Honig verwendet wird. Sie ist in Marokko endemisch und wird auch für medizinische Zwecke verwendet.

Abbildung 23: Aufforstung am Hang. Foto: Gregor Lanz

Aufgeforstet wurden an einigen Berghängen Kiefern und Arizona-Zypressen (Cupres- sus arizonica), siehe Abbildung 23. Ein von einer Quelle gespeistes Bergtal ist von ei- nem grünen Band aus Walnussbäumen, Pappeln und Zypressen durchzogen. Auffal- lend ist der zum Wind- und Verdunstungsschutz ausgeprägte Kugelwuchs der Strauch- gewächse an den steilen Berghängen.

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Abbildung 24: Vegetation im Bachbereich. Foto: Gregor Lanz

Mit der Überquerung des Passes erreichten wir die Provinz Ouarzazate. Die Vegetation beschränkte sich auf die Auen entlang der Bachläufe (Abbildung 24). Erste Dattelpal- men waren zu sehen. Auffällig war die starke Veralgung des Flusses. Wir verließen allmählich das Gebirgsklima und erreichten das semi- bis vollaride Wüstenklima des südlichen Marokko. Die Jahresdurchschnittsniederschläge betragen hier zwischen 200-250 mm an nur 10-20 Tagen im Jahr. In der Flussaue wuchsen vorwiegend spanisches Rohr (Arundo donax) und Dattelpal- men. Aufgrund der kargen Vegetation an den Hängen sind einige Stellen der Straße durch Starkregen wasserunterspült und reparaturbedürftig. Wir fuhren an einem Man- ganbergwerk vorbei. Mangan wird zur Metallveredelung verwendet. An weiteren Bo- denschätzen wird in dieser Region im südlichen Marokko Kobalt, Silber, Kupfer und Gold gewonnen. Gegen 17 Uhr sind wir dann in der Wüstenstadt Ouarzazate angekommen. Die unge- fähr 100.000 Einwohner zählende Stadt ist umgeben von Filmkulissen. Ouarzazate ist die Filmhauptstadt Marokkos und diente unter anderem als Kulisse für Filme wie „ Kö- nigreich der Himmel“ von Regisseur Ridley Scott oder „Asterix und Kleopatra“ mit Ge- rard Depardieu. 2014 wurden Teile der Serie „Game of Thrones“ in Ouarzazate verfilmt. Somit bietet die Filmindustrie den Einwohnern Arbeitsplätze als Statisten und Stuntmen und die Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ironie des Schicksals: Ouarzazate hat kein Kino! Nach der Ankunft am Stausee bei Ouarzazate, dem El Mansour Eddahbi, bestiegen wir um 17.30 einen Aussichtspunkt mit Blick auf den See und die Weite der Landschaft (Abbildung 25). Am Aussichtspunkt waren die Siedlungsgeschichte von Ouarzazate, Tourismus und der Stausee Themen.

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Abbildung 25: Der Stausee El Mansour Eddahbi bei Ouarzazate. Foto: Gregor Lanz

Ouarzazate liegt in einer naturräumlich ungünstig ausgestatteten Region. Trotzdem er- möglicht der Fluss Draa eine Besiedlung und das seit der Steinzeit. In der Zeit der Han- delskarawanen war Ouarzazate eine wichtige Station für Karawanen auf dem Weg von der Sahelzone durch die Sahara nach Nord-Marokko. Während der französischen Pro- tektoratszeit befand sich in Ouarzazate eine Garnison. Der Name der Stadt bedeutet so viel wie „Ohne Lärm“ oder „Die Stille“. Der internationale Flughafen von Ouarzazate wurde mitfinanziert durch das Entwick- lungshilfeprojekt zur „Förderung des Tourismus zur regionalökonomischen Wertschöp- fung in peripheren Gebieten“. Der Tourismus in Ouarzazate ist ein Ausgangspunkt für den Wüstentourismus in die südlich gelegenen Erg-Wüsten. In den letzten Jahren hat sich der Tourismus in Ouarzazate vervierfacht. 80 % der Hotels in Ouarzazate sind Lu- xushotels. Der Stauseebau hatte vier Hauptaufgaben: 1. Stromerzeugung 2. Trinkwasser 3. Bewässerung 4. Tourismus Geplant war eine Hotelzone mit Wassersportangeboten direkt am Seeufer. Vorgesehen waren Segelsport, Tauchstationen, Badetourismus und Golf. Das Projekt wurde jedoch so gut wie eingestellt, da sich vieles nicht realisieren lies. So war für den Bade- und Tauchtourismus das Wasser nicht von ausreichender Güte. Hierzu wurde noch ein In- put bezüglich dem touristischen Wasserverbrauch gegeben: Ein Tourist in einem Lu- xushotel verbraucht mit Poolbenutzung, Grünanlagen in den Hotels und Golfplätzen 700 – 1000 Liter Wasser pro Tag. Der Stausee mit seinen 560 Mio. m³ Volumen und einer Oberfläche von circa 45 km² ist einer sehr hohen Verdunstungsrate ausgesetzt. Diese liegt bei 3000 mm/a, während 33

HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Tagesprotokolle der Niederschlag nur bei 150 – 200 mm/a liegt. Danach musste der Vortrag abgebro- chen werden. Frau Megerle: „Auf Grund von starken Windgeschwindigkeiten wird der Rest der Diskussion ins Hotel verlagert.“ Auf der Rückfahrt im Bus wurden von Reiseleiter Mohamed noch das Solarprojekt der marokkanischen Regierung vorgestellt. 2020 sollen 5 Anlangen in Marokko installiert sein, um 20 % des Energiebedarfs des Landes zu decken. Die Leistung soll 2000 MW betragen und die Kostenerwartung liegt bei 9 Mrd. US-$. Die erneuerbaren Energien werden vom König persönlich gefördert und unterstützt. Ein marokkoweites Phänomen ist der starke Ausbau von Golfplätzen. Problematisch ist hierbei vor allem der hohe Wasserverbrauch. Ein 18-Loch-Platz verbraucht in Marra- kesch 1 Mio. m³/a. Bis 2020 sollen in Marrakesch noch 10 Plätze gebaut werden. Man hätte dann eine Gesamtzahl von 20 Golfplätzen. Bis 2020 will Marokko ohne Grundwasser auskommen. Ein beispielhaftes Problem ist die öffentliche Wasserversorgung in Marrakesch. 17 % der Haushalte in Marrakesch haben keinen Anschluss ans Wassernetz und versorgen sich daher über die öffentli- chen Brunnen. Dies entspricht einem Volumen von 300.000 m³/a. Da die Stadt dies als Wassersparmaßnahme einstellen will, gab es Proteste aus der Bevölkerung, welche auf dieses Wasser angewiesen ist. Als Schlaglicht noch einmal der jährliche Wasserver- brauch eines Golfplatzes: 1 Mio. m³/a. Das größte Problem hierbei ist jedoch die extreme Differenz in der Wertschöpfung beim Einsatz der Ressource Wasser: Ein Kubikmeter Wasser, in der Landwirtschaft einge- setzt, erwirtschaftet einen Gewinn von 0,4 Diram. Ein im Tourismus eingesetzter Ku- bikmeter Wasser bringt 500 Diram. Daraus ergibt sich eine kaum zu lösende Problem- stellung für Marokko. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre auf jeden Fall eine höhere Transparenz und Aufklärung gegenüber den Touristen seitens der Luxushotels. Vor dem Abendessen wurde im Hotel noch das Referat zum Thema „Tourismus in Ma- rokko“ vorgetragen. Daran anschließend fand eine Diskussion über die Gewichtung von Potenzialen und Kosten des Tourismus für Marokko statt. Aufgrund des relativ hohen Beitrags zum BIP mit 18% und der vergleichsweise niedrigen Sickerrate von 15% wurde angenommen, dass in Marokko die positiven Effekte überwiegen sollten. Die niedrige Sickerrate erklärt sich durch die relativ diversifizierte Wirtschaft im Land. Die Sickerrate wird regional Abweichungen aufweisen. Als Beispiele seien genannt: - in touristischen Zentren wird aller Wahrscheinlichkeit eine Steigerung bemerkbar sein, - es gibt deutliche Differenzen zwischen Bergtourismus im Hohen Atlas (gute Wert- schöpfung für die regionale Bevölkerung) und Wüstentourismus (relativ geringe Wertschöpfung vor Ort, da stark extern dominiert). Nach dem Abendessen war das Referat zum Thema „Hydrologie und Wasserwirtschaft in Maghreb“ an der Reihe. In der anschließenden Diskussion über den Wasserver- brauch wurde das Thema Klospülungen angesprochen: Warum wird eine simple Erfin- dung wie die Spülung mit zwei Intensitäten nicht genutzt? Als Antwort kam die Anmer- kung, dass 70% der Wasserverluste dem Leitungssystem geschuldet sind und dass einfach das Bewusstsein für die Potentiale fehlt. Als nächster Einwurf wurde in Erinne- rung gerufen, das wir unsere Perspektive in Frage stellen sollten: Sind wir wirklich so gut, uns erlauben zu können, mit „erhobenem Zeigefinger“ den Marokkanern zu erklä-

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Tagesprotokolle ren was sie alles „falsch“ machen? Da doch auch in Europa nicht alles funktioniert (spanisches Trinkwassersystem auch erst seit kurzer Zeit nicht mehr marode). Wich- tigster Punkt der Diskussion hierbei, wo soll Hilfe ansetzten? Mit dem „erhobenen kolo- nialen Zeigefinger“ oder als wirkliche Entwicklungshilfe durch ein Aufzeigen von Mög- lichkeiten. Als abschließende Frage an die Exkursionsleiter kam aus den Reihen der Studierenden die Frage, warum man in Hotels mit hohem Wasserverbrauch logiert und nicht in Öko-Lodges oder in umweltfreundlicheren Etablissements, da wir doch als ver- antwortliche Personen bzw. umweltbewusste Endverbraucher auftreten. Die Antwort war hierbei ziemlich einfach, da die Reiseplanung komplett in die Hand des Reisefüh- rers Mohamed Ait-Brahim gegeben wurde, um einen reibungslosen Ablauf zu gewähr- leisten.

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7. Tagesprotokoll vom 20.05.2015

Protokollanten: Eva Schlichtig, Marlis Wurster, Christine Bengel-Fritz Besuchte Orte: Von Ouarzazate nach Zagora

Abfahrt nach Zagora Im Osten von Ouarzazate befindet sich eine Mülldeponie. Von unserem Reiseleiter wurden wir erneut auf die Abfallproblematik aufmerksam gemacht, da es im Umkreis der Deponie von Plastiktüten nur so wimmelte (Verwehungen). Die Tüten werden nur einmal im Jahr eingesammelt, wenn der König zu Besuch kommt. Weiterhin erfuhren wir, dass 2017 ein Solarkraftwerk in Ouarzazate eingeweiht werden soll. Das Kraftwerk wird aus Parabolspiegeln bestehen, die Turbine wird von Siemens geliefert und soll ei- ne Leistung von 580 MW erbringen. Damit können 1 Mio. Menschen mit Strom versorgt werden. Die Anlage wird eine Fläche von ca. 2000 ha einnehmen und wird zu einem Drittel von der KfW-Bank gefördert. Die Busfahrt führte uns entlang des Draa-Tales. Hier handelt es sich um ein Wadi. In der Regenzeit ist der Draa zeitweise der längste Fluss Nordafrikas. Anhand der Bau- stellen und unterspülten Straßenabschnitte, konnten wir nur erahnen, wie verheerend die Unwetter im Herbst 2014 gewesen sein mussten. Jetzt fließt ein beschaulicher Bach gemächlich im Flussbett. Allerdings werden viele Brücken höher gebaut, um in Zukunft besser vor Überschwemmungen geschützt zu sein. Die meisten Brücken stammen noch aus der Protektoratszeit. Während der Fahrt machte uns Herr Luick darauf aufmerksam, dass wir erst jetzt geo- logisch in Afrika angekommen sind. Sowohl das Rif-Gebirge wie auch der Hohe Atlas gehören noch zur eurasischen Platte. Diese schiebt sich auf die Afrikanische Platte. Im Gegensatz dazu findet man im Schweizer Wallis auch afrikanisches Gestein. Frau Me- gerle erklärt uns den Unterschied zwischen Wollsack- und Schalenverwitterung. Ein geologischer Exkurs zu diesen beiden Verwitterungsformen befindet sich im Anschluss an das Tagesprotokoll. Bei der Überquerung des Tizi´n´Tinitifft (ca. 1800 m ü NN) sa- hen wir eine der einzigartigsten Gesteinsverwitterungen Marokkos: Auge und Herz (Ab- bildung 26).

Abbildung 26: „Auge“ und „Herz“ im Anti Atlas. Foto: Otto Betz

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------Geologischer Exkurs Wollsackverwitterung (Quelle: www.mineralienatlas.de) Der Begriff Wollsackverwitterung steht für die be- sondere chemisch-mechanische Verwitterungs- form von Festgesteinen (Granit, Gabbro, Dolerit, Gneis), bei welcher sich Grus bildet. Ein Kluftsys- tem ist Voraussetzung für die Wollsackverwitte- rung. Entlang der Gesteinsklüfte im Boden wer- den die Gesteine chemisch umgesetzt. Je mehr Risse vorhanden sind und je leichter das Gestein ist, desto tiefer schreitet der Verwitterungsprozess voran. Von den Klüften her rückt die Zersetzung in das Innere des Blocks vor. Dabei werden konzentri- sche Schalen weichen Gesteins erzeugt und wie eine Zwiebelschale abgesondert. Bei fortschrei- tender Verwitterung werden die Gesteinspartien von oben nach unten immer kleiner und abgerun- deter, bedingt durch die an den Ecken lösende

Wirkung von drei Seiten. Legen die Verwitterungsvorgänge diese Blöcke Vorgang der Wollsackverwitterung Zeichnung: P. Rothe durch mechanischen Abtransport von Grus und aus: Rothe, P., 2002: Erde frei, bilden sich sogenannte Wollsackverwit- Gesteine: Entstehung - Zerstörung-Umbildung terungen, wobei vor allem bei Granit das Gestein an Längs- und Querklüften durch das Eindringen chemisch aktiver Lösungen von den Klüften aus und folgendem mechani- schem Abtransport von Grus und Erde in wollsackähnliche, abgerundete Blöcke zerfällt. Durch das Zusammenwirken von physikalischen und chemischen Prozessen entstehen bei der Wollsackverwitterung kantengerundete Gesteinsblöcke, die wie Kissen, Matrat- zen oder eben wie Wollsäcke übereinander gestapelt liegen.

Granitkugeln auf massiven flachen Oberflächen Weltweit sind riesige Granitkugeln bekannt, deren Entstehung bislang die unterschied- lichsten Deutungen hatte. Solche Kugeln, wie zum Beispiel am Erongo in Namibia, in Tamil Nadu in Indien, im Norden von Australien usw. entstanden durch die Intrusion und die Erstarrung von Magma in darüber liegenden Sedimentschichten. Aus diesen im Laufe von Jahrmillionen verwitterten und abgetragenen Sedimenten wurden Granite herauspräpariert, verwitterten wollsackartig chemisch-mechanisch im Laufe der Zeit und nahmen, wie oben beschrieben, ihre typische Kugelform an.

Sphäroidale Verwitterung (Schalenverwitterung) Unter sphäroidaler Verwitterung versteht man eine Form überwiegend chemisch- physikalischer Verwitterung, bei der konzentrische Schalen verwitterten Gesteins suk- zessiv von einem Gesteinsblock separiert werden. Diese Verwitterung wird durch den Einfluss wässriger Lösungen, ausgehend z.B. von Klüften, hervorgerufen. Es ergibt sich

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Tagesprotokolle eine mehr und mehr gerundete, wollsackähnliche Form des Gesteinsblocks. Die Form ähnelt Blöcken, die durch Exfoliation entstanden sind. (s.a. > Wollsackverwitterung) (GeoDZ) Wollsackverwitterung von Granitblö- cken Gorges du Dades, Marokko Foto: Archiv: Collector

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Die urtümliche Bergwelt Marokkos dient der Filmindustrie als Kulisse. Unser Reiseleiter nennt uns zahlreiche Filme, die in Marokko gedreht wurden. Oftmals kommt es zu eth- nischen Konflikten zwischen Filminhalt und marokkanischer Weltanschauung. Die Kon- flikte werden dann durch kleine Zensuren entschärft oder in Marokko erst gar nicht ge- zeigt. Da die Filmindustrie inzwischen zu einem solch bedeutenden Wirtschaftsfaktor geworden ist, will/kann man sich die Missgunst eines Regisseurs allerdings nicht erlau- ben. Wir wurden auf die Besonderheiten der Vegetation aufmerksam gemacht. Vom Bus aus konnten wir Schirmakazien, Färberdisteln, Kugeldisteln und den Sodomsapfel bestau- nen. Frau Megerle erläutert uns die Bewirtschaftung der Flussoase: die Siedlungen wurden stets oberhalb der Flussauen errichtet. Somit war man vor Überschwemmungen bei Sturzfluten geschützt. Das wenige fruchtbare und bewirtschaftbare Land in den Auen war darüber hinaus viel zu wertvoll, um bebaut zu werden. Unterwegs hielten wir in einem schönen Riad (deutsch: Garten) und hörten den ersten Teil des Referats „Lehmarchitektur – von der Tradition in die Moderne“ von Marlis Wurs- ter und Christine Bengel-Fritz. Danach ging die Fahrt weiter nach Zagora, wo wir unser Mittagessen einnahmen. Es folgte ein Referat zur Oasenwirtschaft von Jens Grammer und Christine Henkel. Im Anschluss an das Referat gab es noch zusätzliche Informationen zu den Dattelpal- men in Marokko. Die Dattelbesitzer kämpfen seit vielen Jahren mit einem Pilz, der von Insektenlarven übertragen wird. Zusätzlich verbreitet sich die Pilzkrankheit durch die Ernte, wenn der Dattelbesitzer ein und dasselbe Messer zum Ernten der Datteln mehre- rer Bäume benutzt. Die Schäden sind massiv. Zwei Drittel aller Dattelpalmen sind ab- gestorben. Es gibt kein wirksames Gegenmittel, aber Züchtungen haben neue resisten- te Sorten hervorgebracht, die allerdings erst nach fünf Jahren Früchte tragen. Da Stockausschläge bereits nach 2 Jahren Früchte tragen, sind viele Dattelpalmen-

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Besitzer skeptisch gegenüber den neuen Sorten. Die Dattelpalme ist eine alte Kultur- pflanze, die vor 3000-4000 Jahren in Marokko eingeführt wurde. Weiter ging es mit einem kompetenten Agrarwissenschaftler und früherem Dorflehrer (Name ist leider nicht bekannt) in die Oasen. Zuerst erfuhren wir die Regelung der Wasserverteilung. Sie ist demokratisch geregelt und jeder Parzellenbesitzer hat ein so- genanntes Wasserrecht, welches dokumentiert ist. Diese Dokumente sind oft viele Jahrhunderte alt und besitzen immer noch Gültigkeit und werden vom Staat anerkannt. Jede Familie bekommt eine bestimmte Zeit zugewiesen, um ihre Parzellen zu bewäs- sern. Im Gegenzug ist die Familie verpflichtet, den Bewässerungskanal in Stand zu hal- ten. Die Wasserrechte sind vor allem in regenarmen Jahren von Bedeutung. Verstöße kommen praktisch nicht vor, da dies zum Verlust des Wasserrechts führen würde.

Eine Parzelle ist in mehrere Quadrate unterteilt, die seitlich durch einen kleinen Erdwall begrenzt sind. Ein Quadrat wird so lange bewässert, bis es „voll“ ist, dann kommt das nächste dran. Die Gemüsebepflanzungen sind nach einem ausgeklügelten System in einem Quadrat angeordnet. Gemüsesorten, die mehr Nässe vertragen, findet man im Innern des Quadrats sowie direkt in oder an den Bewässerungsgräben, während tro- ckenliebendere Gemüsesorten eher am Rand oder den höher gelegenen Flächen zwi- schen den Gräben angebaut werden.

Abbildung 27: Bewässerung in Oase. Foto: Eva Schlichtig

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Früher wurden Konflikte diesbezüglich vom Ältestenrat eines Ortes geregelt, heute übernimmt diese Aufgabe immer öfter ein Richter. Jede Parzelle ist durch eine Mauer von der anderen abgegrenzt. Bei der Erbteilung entsteht oft das Problem, dass die oh- nehin schon kleinen Parzellen zu klein werden. Die Lösung wird oft familienintern gere- gelt. Eine Möglichkeit besteht darin, dass ein Familienmitglied die Parzelle bewirtschaf- tet und der Gewinn geteilt wird. Bezüglich der Anbaumethoden hat man sich in Zagora für Bio-Anbau entschieden. Grund dafür war vor allem höhere Preise beim Export zu erzielen. Eine Initiative aus Frankreich sorgt für Saatgut/Pflanzmaterial aus zertifiziert biologischem Anbau. Trotz- dem gibt es erhebliche Schwierigkeiten, die Bewohner vom Bio-Anbau zu überzeugen. Es gibt allerdings Bestrebungen, die Vermarktung vor Ort voranzubringen, z. B. in zerti- fizierten Biohotels. Da es sich bei den Dattelplantagen um Perma-Kulturen handelt, kann auf organischen Dünger nicht verzichtet werden. Man macht sich jedoch die dün- gende Wirkung der Luzerne zu Nutzen. Wurde in einer Parzelle Gemüse angebaut, kann erst in 2-3 Jahren wieder Gemüse angebaut werden. Als Zwischenfrucht dient Lu- zerne, welche als Viehfutter verwendet wird.

Die Dattelpalme ist ein einhäusiges Gewächs. Um nicht allzu viele männliche Palmen anbauen zu müssen, wird die Bestäubung der weiblichen Datteln vom Menschen über- nommen. Dazu wird von der männlichen Palme ein Zweig abgeschnitten und in die weibliche Palme gehängt. Eine Dattelpalme kann einen Ertrag von 10-30 kg/Jahr lie- fern. Je nach Qualität bringt das Kilo Datteln 2-18 € ein. Geerntet werden die Datteln vor der Reifung. Den Verkauf und die Vermarktung übernimmt eine Genossenschaft, da die Konservierung und Aufbewahrung in großen Kühlhäusern erfolgt, die für den Ein- zelnen finanziell nicht tragbar wären. Es ist nicht mehr möglich, allein von der Oasen- bewirtschaftung zu leben. Zusätzliche Verdienstmöglichkeiten bieten der Tourismus und das Handwerk. Viele Männer suchen sich deshalb eine Stelle als Bauarbeiter in der Stadt und unterstützen dadurch ihre Familien auf dem Land. Den klassischen dreistöckigen Oasenanbau findet man in Zagora kaum, da eine große Dürre in den 80ern das Roden des mittleren Stockwerks notwendig machte. Allerdings laufen wieder Bemühungen, Sträucher und niedere Bäume wie Granatapfel, Feigen und Aprikosen zu kultivieren.

Abbildung 28: Stockwerksanbau Oase. Foto: Eva Schlichtig

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8. Tagesprotokoll vom 21.05.2015

Protokollanten: Jonas Fierke, Tami Ziegler und Julia Haelke Besuchte Orte: Tamegroute, Cheggaga, M`Hamid

Am diesem Donnerstag fuhren wir nach dem Frühstück mit 5 Geländewägen in den Ort Tamegroute und besichtigten dort eine Bibliothek, welche von einer religiösen Bruder- schaft im 17. Jahrhundert gegründet wurde. Sie beinhaltet eine Sammlung von ca. vier- tausend Büchern und ist als UNESCO Weltkulturerbe geschützt. Die hier aufbewahrten Bücher behandeln Themen wie Astronomie, Medizin, Gedichte, Geschichte, Wörterbü- cher und Koraninterpretationen. Das älteste Buch stammt aus dem 11. Jahrhundert. Da das Klima hier sehr trocken ist, besteht keine Gefahr für die Bücher zu vergilben, zu verschimmeln oder ähnliches. Sie werden daher auch nicht in besonders klimatisierten Schränken, sondern in einfachen Glasvitrinen aufbewahrt. Auf dem Gelände befindet sich außerdem eine Medersa, eine islamische Koranschule bzw. theologischen Fakultät, in der islamische Theologen ausgebildet werden. Einige Bücher stehen den Schülern/Studenten zur Verfügung, andere dürfen nur von Wissenschaftler mit einer Genehmigung aus Rabat für Forschungszwecke genutzt wer- den. Durchschnittlich arbeiten in der Bibliothek 400 Forscher über das Jahr verteilt. Auch ein deutscher Wissenschaftler forscht hier schon seit sieben Jahren. Es gibt nur zwei Mitarbeiter, die sich um die Bibliothek kümmern und mit interessierten Studenten zusammenarbeiten. Die meisten Bücher sind in arabischer Sprache geschrieben, es gibt aber auch Bücher, die in der berberischen Sprache, jedoch in arabischer Schrift geschrieben sind. Viele Bücher sind bunt verziert, beispielsweise mit der Technik der Kaligraphie aus dem Irak. Geschrieben wurde zum Beispiel mit Farben, welche aus Walnuss oder Safran gewon- nen wurden, teilweise sind die Seiten sogar mit feinem Gold verziert. Alle Bücher sind im Originalzustand erhalten und wurden nicht restauriert oder nachbearbeitet. Die gesamte Einrichtung ist eine sogenannte Zawiya, ein religiöser Rückzugsort. In Ma- rokko gibt es neben solchen Zawiyas oft auch Bibliotheken, in denen die vom Lokalhei- ligen und dessen Nachfolgern gesammelten Schriften aus allen Bereichen der islami- schen Wissenschaften aufbewahrt werden. Die Bibliothek in Tamegroute ist für dafür das bekannteste Beispiel in Süd-Marokko. Viele dieser Zawiyas, so auch die in Tamegroute, enthalten das Grab eines Marabout, eines islamischen Heiligen. In der Hoffnung von diesem geheilt zu werden, kommen viele psychisch kranke Menschen und auch Menschen mit körperlichen Gebrechen zu diesem Ort. Das im Draa-Tal gelegene Dorf Tamegroute, mit seinen 6000 Einwohnern, ist bekannt für eine spezielle Technik der Töpferei.

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Abbildung 29: Töpferei in Tamegroute. Foto: Marlies Wurster

Abbildung 30: Töpfereiprodukte. Foto: Marlies Wurster

Eine graue Mischung aus Silizium, Kupfer und Mangan lässt die getöpferten Stücke nach dem Brennen in einer einzigartigen grünen Glasur erscheinen. Das Hämatit- Mineral fügt die gut erkennbaren, braunen Sprenkel hinzu. Das Brennen der Rohware wird, abhängig von den produzierten Stücken, etwa einmal pro Woche praktiziert. Der

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Brennvorgang (nach dem Trocknen in der Sonne) bei einer Temperatur von 1000 °C und einer Dauer von drei Stunden wird dabei auf einer niederen Temperatur wiederholt. Grund für die Reduktion der Temperatur, beim zweiten Brennvorgang, sind die mit Pflanzenfarben aufgetragenen Verzierungen auf der Töpferware. Für diese weiteren Färbungen und Verzierungen finden aus der Natur gewonnene Minze, Indigo, Safran, Granatäpfel und Henna für die Farben Grün, Blau, Gelb, Rot und Schwarz Verwendung. In der Produktion des getöpferten Kunsthandwerkes und der Dachziegel finden etwa 50 % der Dorfbewohner eine Beschäftigung. Um die fertiggestellten Produkte zu verkau- fen, schließen sich Familienverbünde zusammen. Einer dieser Verkaufsstände wurde besucht und es bot sich die Möglichkeit, die Töpferwaren vor Ort zu erwerben. Wir waren vorher noch zum Mittagessen in M`Hamid und haben dort auch das Referat zur Wüstenökologie gehört. Nach der Besichtigung von Tamegroute verließen wir recht bald die Straße und folgten einer nicht asphaltierten Piste nach Cheggaga.

Abbildung 31: Piste auf dem Weg nach Cheggaga. Foto: Jons Fierke

Nicht weit von den Dünen entfernt wurde von der deutschen Botschaft eine Grundschu- le errichtet, um den Kindern der Nomaden eine Möglichkeit zu bieten, einen Zugang zu Schulbildung zu erlangen. Jedoch wurde dieses Projekt von den Nomaden nicht ange- nommen und so fanden wir ein leer stehendes Schulgebäude, 70 Kilometer entfernt zum nächsten Dorf. Auf der Weiterfahrt durch die karge Wüstenlandschaft erfuhren wir Wissenswertes über das Vorkommen der Kragentrappen in der Wüstenregion Marokkos. Die Laufvogelart ist vom Aussterben bedroht und das Jagen ist in Marokko strengstens verboten. Trotzdem wird eine Art Falkenjagd ausgehend von wohlhabenden Emiren an den Trappen ausge- übt und der Bestand somit weiter gefährdet. Das Mittagessen nahmen wir in M`Hamid ein. 43

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Während des Nachmittages hörten wir das Referat zum Thema „Wüstenökologie“ von Bernhard Haag und Carsten Schmitt. Ergänzend zu diesem Referat ist zu sagen, dass der Wüstenstaub erhebliche Strecken, teilweise um die halbe Welt, hinter sich legt. Auch als Dünger für die Weltmeere dient der Sand. Im Wüstenboden sind viele Nähr- stoffe enthalten, da diese nicht durch Regen ausgewaschen werden. Sandstürme tra- gen die Nährstoffe dann mit ab und düngen damit beispielsweise das Planktonwachs- tum in den Meeren.

Besichtigung einer Stiftung zur Aufforstung Die Stiftung, welche sich in der Nähe von M`Hamid befindet, existiert seit 2003 in Ma- rokko. Sie wurde von zwei Holländern und einem Iraker gegründet. Das Ziel der Stiftung ist es, gegen das Problem der Verwüstung vorzugehen und Lösungsansätze zu finden. Die beste Lösung gegen die Ausbreitung der Wüste ist die Aufforstung. Die Bäume, die sich an diesem Standort am besten dafür eignen sind die Dattelpalme, die Akazie und der wichtigste Baum, die Tamariske. Tamarisken können weder zur Holz-, noch zur Nahrungsmittelgewinnung genutzt werden, d. h. sie tragen keine Früchte sondern wer- den nur zur Wüstenbekämpfung genutzt. Das größte Problem ist der Wassermangel und die Sandstürme. Den Bäumen wird am Anfang ihres Wachstums geholfen, eine bestimmte Höhe zu erreichen. Dazu wird eine Barriere errichtet, welche diese vor dem Sand schützen soll.

Abbildung 32: „Waterbox“. Foto: Marlies Wurster

Um die Bäume regelmäßig trotz Wasserknappheit zu bewässern, werden die Klein- bäume für 8-10 Monate in eine so genannte „Waterbox“ gesetzt. Darin enthalten sind 10 Liter Wasser, welches über eine Schnur in Form der Tröpfchen-Bewässerung ca. zwei

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Monate lang an die Wurzeln der Bäume gelangt. Die Box muss ca. fünfmal mit Wasser nachgefüllt werden. Das Wasser bekommt die Stiftung aus einem 20 m tiefen Brunnen.

Die Bäume werden in Form der Stecklingsvermehrung gepflanzt. Dabei wird ein Ast des Baumes abgeschnitten und in den Boden gepflanzt. Dieser bildet dann Wurzeln aus und entwickelt sich zu einer selbstständigen Pflanze.

Da die Wüste sich kontinuierlich in Richtung anliegender Dörfer und Oasen ausbreitet, wird der Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung gesucht und es wird versucht diese zu sensibilisieren. Nicht nur hinsichtlich der Ausbreitung der Wüste sondern auch zu Themen wie Müllbeseitigung und Wasserknappheit.

Mittlerweile helfen Freiwillige aus den anliegenden Oasen in dem Aufforstungscamp mit. Auch werden Freiwillige aus Europa willkommen geheißen.

Nach dieser Besichtigung ging es weiter in Richtung Sanddünen. Dort erwartete uns ein Zeltlager mit Schlaf- und Kochgelegenheiten und mit sanitären Anlagen. Ziemlich er- staunlich, wenn man bedenkt, dass man sich abseits der Zivilisation inmitten der Wüste wähnt. Die Abendgestaltung blieb allen selbst überlassen und so ließen wir die Wüs- tenatmosphäre auf uns wirken.

Bild 33: Sanddünen. Foto: Marlies Wurster

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9. Tagesprotokoll vom 22.05.2015

Protokollanten: Mona Jogerst, Kerstin Bolz, Nico Greiner Besuchte Orte: Chegaga, Zagora,Tasnacht, Ait-Ben-Haddou

Kurz nach Anbruch des Morgengrauens versammelte sich ein Großteil der Gruppe auf der höchsten Düne des Camps, um den Sonnenaufgang zu bewundern. Nach dem Frühstück wurde das Gepäck in die Jeeps geladen und es begann die Rückfahrt nach Zagora. Auf der Fahrt durch die Wüste legten wir verschiedene Zwischenstopps ein, um uns mit der einzigarten Pflanzen- und Tierwelt zu beschäftigen.

Abbildung 34: Sonnenaufgang in der Sandwüste. Foto: Nico Greiner

Aufgrund der starken Trockenheit und der hohen Hitze können nur wenige Pflanzen in dieser unwirtlichen Umgebung überleben. Hierfür benötigen sie besondere Anpas- sungstechniken wie zum Beispiel die Tamarisken-Bäume, deren Wurzeln riesige Flä- chen abdecken, um an Wasser zu gelangen. Aus diesem Grund stehen Pflanzen in ari- den Gebieten oft einzeln und mit großem Abstand voneinander. Zudem tauchten in re- gelmäßigen Abständen Schirmakazien am Horizont auf. Diese Bäume sind normaler- weise typisch für Savannen, sind aber auch am Rande der Sahara heimisch und dienen als Viehfutter für die Herden wandernder Nomaden. Eine weitere Pflanze, die sich per- fekt an das Wüstenklima angepasst hat, ist der Sodomsapfel (Calotropis procera), wel- cher zwar große, saftig aussehende Früchte trägt, allerdings hochgiftig ist. Der So- domsapfel gehört zur Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae), welche sich gut an Klimaextreme anpassen können und deshalb in Afrika die ökologische Stellen- äquivalenz der Kakteen einnehmen. Gelegentlich trafen wir auf Nomaden und deren

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Kamel- oder Ziegenherden. Im Gegensatz zu Kamelen benötigen Ziegen regelmäßig Wasser. Dies ist der Grund für die Vielzahl an Brunnen in diesen ariden Wüstenrandge- bieten. Bei einem späteren Zwischenhalt bekamen wir die Möglichkeit, einige Nomaden zu treffen, die gerade ihre Tiere an einem dieser Brunnen tränkten.

Abbildung 35:Sodomsapfel nahe Chegaga. Foto: Jens Grammer

Nach einigen Stunden Fahrt erreichten wir schließlich Zagora, wo wir uns von unseren Fahrern verabschiedeten und in die bekannte Enge des Busses zurückkehrten. Gegen 14 Uhr näherten wir uns allerdings schon unserer ersten Pause in Tamnougalt, wo wir bei „Chez Yacoub“ in einer echten Kasbah zu Mittag aßen. Der traditionelle Lehmbau der Kasbah wurde mit modernen Mitteln renoviert und wird jetzt als Hotel und Restau- rant genutzt. Das Berber-Omelette mit Oliven schmeckte in dieser urigen Umgebung natürlich doppelt so gut. Auf unserer weiteren Route überquerten wir den Anti-Atlas, dessen raue Felsen auch heute noch auf den vulkanischen Ursprung hinweisen. Aufgrund der kargen Böden und des harten Klimas betrieben die Bewohner der Region ursprünglich Transhumanz, also Wander-weidewirtschaft. Heutzutage ist die Region vor allem wegen ihrer Bodenschät- ze gefragt. Ein riesiges Kobalt-Bergwerk, an dem unsere Route direkt vorbeiführte, zeugte davon. Die Arbeiter in diesen Förderstätten bekommen den Mindestlohn und sind zwar krankenversichert, Krankheit im Alter und aufgrund von Folgeschäden sind damit aber nicht abgedeckt. Als letzten Zwischenstopp besuchten wir eine Frauenkooperative in Tazenaght, die Teppiche herstellt und in Form einer Genossenschaft vertreibt. Seit 25 Jahren werden hier Teppiche hergestellt und verkauft. Sie sind mittlerweile überall auf der Welt erhält-

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HFR / MAROKKO-Exkursion 2015 / Tagesprotokolle lich. Die 450 Frauen, die Mitglieder der Genossenschaft sind, knüpfen ihre Produkte aus Kamel- oder Schafswolle welche sie mit traditionellen Farbstoffen färben. So wird zum Beispiel Klatschmohn oder Henna verwendet, aber auch Safran für gelbe Farbtö- ne. Nachdem diese dann mit Salzwasser fixiert sind, spinnen die Frauen selbst die Fä- den aus der Wolle. Die Teppiche sind sehr bunt, enthalten allerdings nur Muster und keine Abbildungen von Menschen, da diese in der muslimischen Religion verboten sind. Pro Jahr verkauft die Genossenschaft ca. 1000 Teppiche, deren Gewinn unter den Frauen aufgeteilt wird. Da ein Großteil des Geldes reinvestiert oder gespart wird, erhält jede Frau allerdings nur 15 - 20% des Verkaufspreises. Die Frauenkooperative wird mittlerweile von den Vereinten Nationen gefördert. Gegen 20 Uhr erreichten wir schließlich Ait-Ben-Haddou und bezogen unser Hotel. Der Ort besteht aus einer Neustadt sowie einer Altstadt, die eine große und sehr gut erhal- tene Lehmarchitektur (Ksar) prägt. Diese Gebäude sind UNESCO Weltkulturerbe und weltweit als Filmkulisse bekannt. Die Altstadt von Ait-Ben-Haddou war Schauplatz von Filmen wie „Gladiator“ oder „Lawrence von Arabien“.

Abbildung 36: Altstadt (Vordergrund) und Neustadt Hintergrund von Ait-Ben-Haddou. Foto: Nico Greiner

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10. Tagesprotokoll vom 23.05.2015

Protokollanten: Lena Feig, Julia Gugel, Christopher Pruess Besuchte Orte: Ait ben Haddou

Geschichte: Ait ben Haddou liegt an der ehemaligen Karawanenstraße, welche nach Timbuktu führt. Durch diese Lage gewann die Kasbah Ait ben Haddou, zu Zeiten, wo noch alle wichti- gen Güter per Karawane transportiert wurden, zunehmend an Bedeutung. Die Tuareg sind ein Stamm der Berber, haben jedoch nie ein eigenes Reich gegründet. Durch die Spezialisierung auf den Trans-Sahara-Handel zogen sie die meiste Zeit ent- lang ihrer Handelsstraße durch verschiedene Länder Nordwest-Afrikas. Hauptsächlich transportierten sie dabei Salz von Timbuktu über Zagora und Ouarzazate bis nach Marrakesch. In Salinen in Timbuktu wurde das Salz in noch flüssiger Form in Kegel gegossen. Die getrockneten Kegel wurden dann mit Kamelen transportiert. Da das in Marokko gewon- nene Salz für Tiere eine meist toxische Wirkung hatte und zudem nicht genug Spuren- elemente, wie Zink oder Selen aufwies, war man stark auf das Salz der Tuareg ange- wiesen. Die Tuareg beherrschten bereits die hohe Kunst der Metallverarbeitung. Demzufolge handelten sie neben dem Salz mit den eigens hergestellten Silberwaren. Aber auch Le- der, Gewürze und andere Luxusgüter brachten sie von Timbuktu bis nach Marrakesch. Auf dem Rückweg nahmen sie vor allem Gerste, Zucker und Tee von Marokko mit nach Timbuktu. In den 1970er Jahren startete die letzte Salzkarawane der Tuareg. Heute ist es ihnen nicht mehr möglich, ihren Trans-Sahara-Handel fortzusetzen, da sich ihre Handesstre- cke durch viele verschieden Länder zieht, deren politische Lage dies nicht mehr zulässt. Das befestigte Dorf Ait ben Haddou (Details siehe Referat „Ait ben Haddou“) war der erste wichtige Handelsstandort entlang der Karawanenstraße der Tuareg Richtung Marrakesch. Ait ben Haddou ist heute ein UNESCO Weltkulturerbe. Es bestand schon ca. seit dem 11. Jahrhundert in Form eines Karawanenlagers und entwickelte sich schließlich zu ei- nem befestigten Dorf. Diese Art von Dörfern werden „Ksar“ genannt. Ein Großteil der Kasbahs (sechs Stück insgesamt) ist heute restauriert (siehe Referat). Die Bewohner und auch die marokkanische Regierung versuchen, den Tourismus in dieser Region stark zu fördern, um für den Erhalt der Festungsanlage sorgen zu kön- nen. In und neben Ait ben Haddou wurden viele Hollywoodfilme gedreht, wobei die Produ- zenten viel Geld bezahlen, um an diesen Orten drehen zu dürfen. Dieses Geld wird je- doch nicht für die Instandhaltung des Dorfes verwendet, sondern landet bei der Zentral- regierung. Die meisten Bewohner leben heute nicht mehr im alten Teil der Festung, sondern auf der anderen Seite des Wadi im sogenannten „Neuen Dorf“. Die Trinkwasserversorgung hierfür wurde durch belgische Förderprogramme finanziert.

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Der Fluss, an dessen Talaue Ait ben Haddou grenzt und durch die die Tuareg gezogen sind, wird auch „Salziger Fluss“ genannt. Der Salzgehalt ist jedoch so gering, dass man mit dem Flusswasser die Oasen bewässern kann, die sich entlang des Flusses in der Talaue befinden. Die Wasserversorgung der Bevölkerung erfolgt jedoch über Grund- wasser. Die Dörfer wurden grundsätzlich nicht in die Talauen gebaut. Zum einen, um sich vor Hochwasser zu schützen und zum anderen um jeden Quadratmeter fruchtba- res Land für die Landwirtschaft nutzen zu können. Die Gebäude des alten Teils der Stadt Ait ben Haddou sind komplett aus Lehm errichtet worden. Dieser wurde trocken in Form von Stampflehm verarbeitet. Der Lehmbau bringt jedoch viele Probleme mit sich. Beispielsweise kann er keine hohen Drücke aushalten. Die Last wird dadurch auf möglichst viele Mauern verteilt, wodurch sich meist viele lan- ge, aber schmale Räume in den Häusern ergeben. Zudem müssen die Lehmbauten nach jedem Winter (Starkregen) durch aufwendige Handarbeit repariert werden. Um der Abtragung durch Regen vorzubeugen werden Palmwedel auf den Mauern angebracht, die als Dachüberhang dienen. Als Türrahmen und Fensterstürze wurde zum Beispiel das Holz von Palmen verwendet. Positive Aspekte des Lehmbaus sind aber zum Bei- spiel, dass heimische Materialien verwendet werden und dass die Gebäude hervorra- gend gegen die Hitze geschützt sind.

Diskussion Referat Klimawandel: Nach dem Referat kam die Frage auf, welche ökonomischen Auswirkungen der Klima- wandel auf Ökosystemleistungen haben. Dabei wurde auf den Stern-Report („Was kos- tet es, wenn die Welt nicht auf den Klimawandel reagiert“) verwiesen. Viele Länder, wie z. B. Marokko produzieren ihren Strom größtenteils mit Wasserkraft, um diese Stromproduktion weiter auszubauen, gibt es dort zahlreiche Projekte, in de- nen in den nächsten zwanzig Jahren Stauseen zur Energiegewinnung errichtet werden sollen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, in diese Projekte zu investieren, da Indien aufgrund des Klimawandels in zwanzig Jahren vermutlich mit ei- ner Wasserknappheit konfrontiert sein wird, die diese Form der Stromproduktion nicht mehr zulässt.

Klimawandel und Wüstentourismus in Marokko: Die meisten Touristen assoziieren mit einer Wüste eine Sandwüste. Die Sahara besteht jedoch nur zu etwa 20% aus Sandwüste. Der Rest sind Stein-, Fels-, Geröll- oder Kies- wüsten. Um das Besichtigen der Sandwüste möglich zu machen, transportieren lokale Anbieter die Touristen mit Jeeps oder Kamelen durch die Wüste bis an die Sanddünen heran. Dort gibt es Übernachtungsmöglichkeiten für die Besucher. Lokale Anbieter verdienten damit recht und die Touristen lernten so Land und Leute besser kennen. 2001 wurde jedoch eine asphaltierte Straße durch die Steinwüste bis direkt an die Sanddünen gebaut. Dadurch können große Reiseanbieter die Touristen in viel größeren Mengen und viel günstiger mit Bussen direkt an die Sanddünen heran bringen. Außer- dem wurden dort große Hotels erbaut. Die lokalen Anbieter sind die großen Verlierer dieser Entwicklung und die Konsequenzen sind verheerend.

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Abbildung 37: Lage von Ait Ben Haddou im Flussdelta. Foto: Jens Grammer

Die Zahl der Unterkünfte vor Ort steigt exponentiell an. Die lokalen Anbieter werden durch Hotelketten und Reisebusse ersetzt. In solchen Hotels werden pro Tag und Tou- rist bis zu 1000 Liter Wasser benötigt. Um diesen Bedarf zu decken, wird ein fossiler Grundwasseraquifer angebohrt.

Abbildung 38: Ait Ben Haddou. Foto: Jens Grammer

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Die ökologischen Konsequenzen sind, dass durch den Tourismus ein sowieso schon sehr fragiles Ökosystem stark beeinträchtigt wird. Die Wasserarmut wird verstärkt und die Biodiversität geht aufgrund von Störungen zurück. Zudem erfolgt stellenweise eine Geräuschbelästigung durch diverse Fun-Sportarten und den Verkehr durch die Wüste. Die Bevölkerung legte zunächst große Hoffnungen in den Tourismus. Dieser verstärkt jedoch auf lange Sicht nur die Zerstörung der Ökosysteme, die genau der Grund der Wertschöpfung sind.

Frauenkooperative zur Herstellung und Vermarktung von Arganöl: Die zur Gewinnung des kostbaren Arganöls nötigen Arbeitsschritte werden in der von uns besuchten Kooperative alle in Handarbeit von den dort arbeitenden Frauen der Umgebung ausgeführt. Die hierfür benötigten Nüsse des Arganbaumes (Endemit) wer- den aus den südwestlichen Teilen Marokkos zugeliefert. Der erste anfallende Arbeitsschritt ist das Öffnen der Nüsse. Da diese allerdings eine äußerst harte Schale besitzen, können die Nüsse nicht einfach geknackt werden, son- dern müssen mittels Schälen mit einem scharfen Stein von ihrer Schale befreit werden. Anschließend muss unterschieden werden, ob das Öl für die Produktion von Kosmetika oder als Speiseöl bzw. als Grundstoff für die Produktion von anderen Nahrungsmitteln verwendet werden soll. Bei der Verwundung des Öls als Basis für Kosmetika können die Kerne direkt gemahlen bzw. gepresst werden. Soll das Öl jedoch für einen späteren Verzehr geeignet sein, müssen die Kerne vor dem Mahlen/Pressen in einer Pfanne geröstet werden. Dabei werden die enthaltenen Bitter- stoffe zerstört, so dass das Öl später genießbar wird. Als nächstes werden sowohl geröstete wie ungeröstete Kerne von Hand gemahlen bzw. gepresst. Hierfür wir ein Steinteller verwendet auf dem eine weitere Steinplatte gedreht wird, um die Kerne zu zermahlen. Durch diesen Vorgang erhält man einen dickflüssigen Brei aus Öl und Fruchtfleisch welcher anschließend mit lauwarmem Wasser gemischt wird. Die so gewonnene Masse muss nun mit Händen gepresst werden, um aus ihr das wertvolle Öl zu gewinnen. Reste aus Fruchtfleisch die bei der Gewinnung der Öls anfallen werden in der Koopera- tive zur Herstellung der ebenfalls beliebten Schmierseife genutzt oder auch mit den zermahlenen Schalen der Kerne vermischt und als Tierfutter verwendet.

Das produzierte Öl wird in der Kooperative selbst noch weiter verarbeitet zu einer be- achtlichen großen Produktpalette im Bereich Kosmetik/Körperpflege sowie Nahrungs- mittel. Hierbei zu nennen sind u.a. Seifen, Pflegeöle, Duftstoffe oder Speiseöl und die „Berber-Nutella“. Da der Arganbaum (oder Arganie) nur im Südwesten Marokkos vorkommt und damit eine kostbare Rarität darstellt, lohnt sich die aufwendige Handarbeit für die Frauen al- lemal. Somit können durch das natürlich begrenzte Angebot bei einer recht hohen Nachfrage, hohe Preise für die Produkte erzielt werden. Des Weiteren ist eine maschi- nelle Gewinnung des Öls zwar möglich, aber mit signifikanten Qualitätseinbußen ver- bunden.

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Abbildung 39: Kosme- tika aus Arganöl. Foto: Christopher Pruess

Abbildung 40: Seifen aus Arganöl. Foto: Christopher Pruess

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11. Dank Die Exkursion nach Marokko war für alle Teilnehmer eine einmalige, hochinteressante und lehrreiche Veranstaltung, bei der das Leben in Marokko an vielen realen Beispielen aufgezeigt und direkt erlebt werden konnte. Als Stichworte seien hier die Probleme der Wasserversorgung in ländlichen Gebieten oder die Verschwendung von Wasser für die Golfplätze reicher Touristen (und Einheimischer) um die Metropole Marrakesch genannt oder die positiven wie negativen Auswirkungen des Tourismus auf die Ökologie und dessen Wichtigkeit aus volkwirtschaftlicher Sicht. Das Thema Vermüllung wurde ge- nauso thematisiert wie das Schulsystem oder der Einfluss des Islam auf Politik und so- ziale Stellung der Frauen.

Für das Gelingen dieser Exkursion – neben dem rein Inhaltlichen war auch die gesamte Organisation eine nicht unerhebliche Aufgabe – gilt ein ganz besonderer Dank folgen- den Personen:

Frau Prof. Dr. Heidi Megerle

Herr Prof. Dr. Rainer Luick

Herrn Mohamed Ait-Brahim und seinem Bruder Abdu

Der Familie von Herrn Mohamed Ait-Brahim, allen Bus- und Jeep-Fahrern sowie allen, die in welcher Art auch immer zum Gelingen der Exkursion beigetragen haben.

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MAROKKO-Exkursion 2015 (14. Mai bis 24. Mai 2015)

Bildergalerie Rainer Luick