ISSN 0939 - 334X | 68. Jahrgang | August 2016 | 2/3 Geschichte der Pharmazie

DAZ Beilage | Redaktion Prof. Dr. Wolf-Dieter Müller-Jahncke | Prof. Dr. Christoph Friedrich

Salicylsäure und ihr Editorial „Die schönen Tage von Aranjuez sind nun vorüber…“ sagt in Friedrich Debüt als Antiseptikum Schillers Drama „Don Carlos“ Pater Domingo, der Beichtvater König Phil- ipps II. von Spanien, zum Kronprin- zen Don Carlos. Nun, dies gilt auch – und ­Konservierungsmittel allerdings ohne den dramatischen Ausgang – für die Biennale in Meißen Ursula Lang | Als einer der bedeu- sche und antimikrobiell Wirkung vom 22. bis 24. April diesen Jahres. tendsten Chemiker seiner Zeit über- stellte die entscheidende Triebfeder Eine wunderschöne Stadt an der Elbe, nahm Hermann Kolbe (1818–1884) für ihre großtechnische Herstellung ein reichhaltiges und gelehrtes Pro- gramm und vor allem die glänzende 1851, vor nunmehr 165 Jahren, das dar. Später diente sie auch als Aus- Organisation von Frau Dr. Pierroth Ordinariat für Chemie an der Uni- gangsstoff für Salicylsäurederivate und Frau Mörschner lassen diesen versität Marburg und folgte damit wie beispielsweise die Acetylsalicyl- Kongress im bunten Blumenstrauß Robert Wilhelm Bunsen (1811– säure. der Biennalen hell leuchten. Ebenso 1899), dessen Assistent er von 1842 vielfältig wie die Themen in Meißen 1 bis 1845 gewesen war. Kolbe und Weidenrinde, Mädesüßblüten erscheinen die Beiträge dieser Ausga- seine Schüler beschäftigten sich in- und Wintergrünöl – natürliche be der „Geschichte der Pharmazie“. tensiv mit Reaktionen organischer Salicylsäurequellen Neben neuen Ergebnissen zur Salicyl- Verbindungen und im Jahr 1859 ge- säure, deren Geschichte man eigent- lang die erste Salicylsäure-Synthese Im Jahr 1818 wurde Johann Andreas lich zu kennen glaubte, führt der im Labor. Nachdem Hermann Kolbe Buchner (1783–1852), der von Johann Briefwechsel des Vaters von Dr. Will- 1865 dem Ruf auf den Lehrstuhl für Bartholomäus Trommsdorff (1770– mar Schwabe, Carl Robert Schwabe, Chemie in Leipzig gefolgt war, ver- 1837) in Erfurt in der „Chemisch-phy- das Berufsleben und die Sozialge- besserte er das Syntheseverfahren sikalischen und Pharmaceutischen schichte der Apotheker des 19. Jahr- der Salicylsäure und ließ dieses pa- Pensionsanstalt für Jünglinge“ zu ei- hunderts vor Augen und zeigt unter tentieren. Mit der auf Vorschlag Kol- nem wissenschaftlich denkenden Apo- anderem, wie die Apothekenangestell- bes erfolgten Gründung der Salicyl- theker ausgebildet worden war, zum ten mit der „kleinen Eiszeit“, die bis säure-Fabrik Dr. F. von Heyden im ersten Professor für Pharmazie, Ar- etwa 1850 reichte, zurecht kommen Jahr 1874 durch den Chemiker zeneiformellehre [!] und Toxikologie mussten. Das Leben und Treiben in Friedrich von Heyden (1838–1926), an die Universität in Landshut beru- der estnischen Universitätsstadt Dor- einem Schüler Rudolf Schmitts fen. 1828 publizierte er einen Beitrag pat zu Ende des 19. Jahrhunderts do- (1830–1898), wurde eine neue Ära Ueber das Rigatellische Fiebermittel kumentieren Auszüge einer Autobio- eingeläutet – das Zeitalter der in- und über eine in der Weidenrinde ent- graphie von Georg Noël Dragendorff, dustriellen Wirkstoffsynthese.2 In deckte alkaloidische Substanz. Buchner der mit dem Universalgelehrten Karl der Folgezeit war Salicylsäure nicht erläuterte im Vorspann, dass der itali- Ernst von Baer befreundet war und manch Kurioses zu berichten weiß. nur wegen ihrer antipyretischen enische Apotheker Rigatelli in Verona Ich wünsche Ihnen, geneigter Leser, oder analgetischen Wirkung von ein „antifebrilisches Bittersalz“ ent- lehrreiche und unterhaltsame Stun- großem Interesse für Chemiker, deckt habe, das aus einer in Europa den bei der Lektüre. Apotheker und Ärzte des 19. Jahr- häufig vorkommenden Pflanze berei- W.-D. Müller-Jahncke hunderts, sondern ihre antisepti- tet werden könne und in der Wirksam-

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lierte der französische Chemiker Au- guste André Thomas Cahours (1813– 1891) „salicylsaures Methyloxyd“ (Sa- licylsäuremethylester).8 In der Volksmedizin sind Einreibungen von Gaultheriaöl gegen Gelenkrheumatis- mus beschrieben.9

Kolbes erste Salicylsäuresynthese an der Universität Marburg Als Hermann Kolbe 1851 den Lehr- stuhl für Chemie in Marburg über- A bb. 1: Cortex salicis albi pulv., Spanschachtel 2. Hälfte 19. Jahrhundert nahm, interessierten ihn organische Verbindungen, die aus dem Naturreich gewonnen werden konnten. Viele Che- keit dem schwefelsauren Chinin völlig ria über die Behandlung des Salicins miker und Apotheker isolierten und gleichkomme. Buchner hatte eine Pro- mit Kaliumdichromat und Schwefel- untersuchten Naturstoffe; seine Idee be des „Rigatellischen Arcanums“ zur säure. Dabei erhielt er eine „ölartige war es jedoch, Reaktionen und Syn- Untersuchung erhalten und vermutete Materie“, die er „Salicylwasserstoff“ thesewege zu finden, um derartige aufgrund des bitteren Geschmacks, (Salicylaldehyd) nannte und durch De- Stoffe im Labor herstellen zu können. dass es von einer Weidenrinde stamm- stillation abtrennte. Den Geruch der Die Beobachtung, dass Salicylsäure te, da Cortex salicis seit langem als resultierenden Flüssigkeit beschrieb (2-Hydroxy-Benzoesäure) beim Erhit- Arznei gegen Fieber und „Podagra“ er als angenehm und an Bittermandel- zen mit „Kalihydrat“ (KOH) in „Phe- Verwendung fand. Buchner begann öl erinnernd. Nach anschließender nylsäure“ (Hydroxybenzol oder Phe- mit der Untersuchung von Rinden ver- Umsetzung mit ätzender Pottasche ge- nol) und Kohlensäure sowie Anthra- schiedener Salix-Arten und isolierte langte er zu einer Carbonsäure, die er nilsäure (2-Amino-Benzoesäure) in schließlich einen gelblichen, intensiv „Acide salicylique“ (Salicylsäure) Anilin (Aminobenzol) und Kohlensäu- bitter schmeckenden Extrakt, der „mit nannte.4 re zersetzt werden können, war offen- vielen nadelförmigen Krystallen un- Obwohl Piria die exakte chemische sichtlich Anlass für Kolbe und seine termengt war“. Er nannte die so ge- Struktur noch nicht kannte, vermutete Mitstreiter, chemische Reaktionen der wonnene Substanz nach der Stamm- er die nahe chemische Verwandtschaft Anthranilsäure näher zu untersuchen. pflanze der Weidenrinde Salicin. Dass zur Benzoesäure: „D´après cela, 1853 veröffentlichte Kolbes Schüler er vom medizinischen Nutzen des von l´hydrure de salicyl est isomérique Wilhelm Gerland (1831–1915) eine Ar- ihm isolierten Inhaltsstoffs überzeugt avec l´acide benzoïque hydraté“.5 beit, in der er beschrieb, wie Salicyl- war, lässt sich seinen, den Beitrag ab- Ebenso wie die Weidenrinde verwen- säure aus einer anderen Verbindung schließenden Worten entnehmen: „Es dete man auch Mädesüß (Spirea ulma- hergestellt werden konnte: Durch Re- ist wohl nicht daran zu zweifeln, dass ria oder Filipendula ulmaria) als fie- dieses Salicin den fieberwidrigen Be- bersenkendes und Gelenkentzündun- standteil der Weidenrinde ausmacht, gen linderndes Mittel in der Volksheil- und daß die medicinische Anwendung kunde.6 Die Untersuchung der Blüten desselben von grösserm Nutzen seyn von Spirea ulmaria führte zur Isolie- wird, als die des Extracts, welches rung einer Verbindung, die dem Sali- sehr viel Gerbestoff enthält, und da- cin ähnelte. Jean-Baptiste Dumas be- durch leicht eine üble Nebenwirkung richtete darüber, dass der aus Bern ausüben kann“.3 stammende Apotheker Johann Samuel Dass Salicin kein Alkaloid, sondern Friedrich Pagenstecher (1783–1856) das Glykosid des Salicylalkohols Sali- aus den Blüten von Spirea ulmaria ein genin (2-Hydroxy-Benzylakohol) dar- Öl isoliert hatte, das dem von Raffaele stellte, erkannte einige Jahre später Piria bei der oxidativen Glykolyse von der italienische Arzt und Chemiker Salicin gefundenen „Salicylwasser- Raffaele Piria (1815–1865), als er unter stoff“ chemisch sehr ähnelte.7 Anleitung des französischen Chemi- Aus „wintergreen oil“, das in der Par- kers Jean-Baptiste Dumas (1800–1884) fümerie Verwendung fand und vom an der Pariser Sorbonne arbeitete und amerikanischen Wintergrün (Gaulthe- forschte. Im Jahre 1838 berichtete Pi- ria procumbens) gewonnen wurde, iso- A bb. 2: Hermann Kolbe

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aktion von Anthranilsäure mit wässri- Rudolf Wilhelm Schmitt im Jahr 1873 führt aus, dass es eine dritte isomere ger salpetriger Säure erhielt Gerland am Dresdner Polytechnikum in Che- Verbindung gäbe, die „Oxybenzoesäu- unter Stickstoffentwicklung Salicyl- mie promoviert hatte: „Es wird gewiss re“ (3-Hydroxy-Benzoesäure): „Ueber säure.10 manchen Chemikern, welche künftig die räumliche Lagerung der Elemente Kolbes Hypothese, dass man aus Phe- über Salicylsäure arbeiten wollen, er- in der Salicylsäure und Paraoxyben- nol durch Carboxylierung mit Kohlen- wünscht sein, sich dieselbe in grossen zoesäure, wie auch der dritten isome- säure auch auf direktem Weg Salicyl- Mengen fortan leicht beschaffen zu ren Verbindung, der Oxybenzoesäure, säure gewinnen könne, gelang einige können und zu erfahren, dass Hr. Dr. ein Bild zu entwerfen, überlasse ich Jahre später. Er reichte am 17. Dezem- von Heyden in Dresden dieselbe nach den Strukturchemikern, welchen ich ber 1859 eine „briefliche Mittheilung“ dem von mir beschriebenen neuen auf ihrem Weg nicht zu folgen ver- bei den Annalen der Chemie und Phar- Verfahren in seiner Fabrik darstellt mag“.18 Vermutlich wollte Kolbe, der macie ein, in der er berichtet, dass es und zu billigem Preise verkauft. Als seine Erkenntnisse durch zahlreiche ihm und seinem Schüler Eduard Lau- Gegengabe erbitte ich mir das einjäh- Laborversuche gewonnen hatte, mit temann (1836–1868) gelungen sei, aus rige Privileg, bis zum Herbst nächsten dieser Anmerkung auf die von ihm als „Phenyloxydhydrat“ (Phenol), metalli- Jahres die Untersuchungen über Sali- zu theoretisch abgelehnte Lehre des schem Natrium und Kohlensäure im cylsäure und Paraoxybenzoesäure, Chemikers August Kekulé (1829–1896) direkten Kontakt „Phenyloxydkohlen- welche ich mit meinen Schülern in anspielen, der sich mit der Aufklärung säure“ (Salicylsäure) herzustellen. Aus Angriff genommen habe und weiter der Konstitution des Benzolrings und dem entstehenden Reaktionsgemisch, auszudehnen beabsichtige, ungestört anderer aromatischer Verbindungen das eine gewisse Menge an „salicyl- und ohne das Dazwischentreten ande- befasste und die bis dahin geltenden saurem Natron“ enthielt, konnte durch rer Chemiker fortsetzen zu dürfen“.15 Theorien und insbesondere die Dar- Ansäuern mit Salzsäure und Verdamp- Kolbe hatte 1873 mit Rudolf Schmitt in stellung der Strukturen aromatischer fen überschüssigen Phenols „eine be- Dresden Kontakt aufgenommen und Verbindungen revolutionieren konn- trächtliche Menge“ Salicylsäure frei- um die Empfehlung eines zuverlässi- te.19 gesetzt und in kristalliner Form ge- gen Chemikers gebeten, der seinen wonnen werden.11 Das nicht nachlas- Plan einer großtechnischen Herstel- Salicylsäure – ein Carbolsäure- sende Interesse Kolbes an der lung von Salicylsäure realisieren Salicylsäure zeigt sich daran, dass konnte.16 Der von Schmitt empfohlene derivat? auch sein Schüler Rudolf Wilhelm Friedrich von Heyden willigte in eine Im Anschluss an die Schilderung der Schmitt (1830–1898) sich im Jahr 1864 Zusammenarbeit ein und richtete ein Verbesserung der Salicylsäuresynthe- an der Universität Marburg mit einer Laboratorium in seinem eigenen Leip- se fügte Kolbe in seiner Publikation wissenschaftlichen Arbeit über Sali- ziger Wohnhaus, der Villa Adolpha, ausführliche Überlegungen einer cylsäurederivate habilitierte.12 ein, in der er 1874 die Salicylsäurefab- praktischen Anwendbarkeit von Sali- rik Dr. F. von Heyden eröffnete. Dass cylsäure hinzu. Kolbes Ansicht, dass Kolbes weitere Forschungen zur Kolbe von dem Siegeszug der Salicyl- Salicylsäure aufgrund der im Molekül säure überzeugt war, zeigt sich auch vorhandenen Phenolgruppe antisep- Salicylsäure an der Universität darin, dass er für das neue Verfahren tisch sei, zeigt, dass er bereits gemäß Leipzig in zahlreichen europäischen Ländern dem Prinzip einer Struktur-Wirkungs- Mit dem Ruf auf den Lehrstuhl für sowie in den USA Patentanträge stell- Beziehung dachte: „Die Erfahrung, Chemie der Universität Leipzig im te.17 dass Salicylsäure sich aus Carbolsäure Jahr 1865 erhielt Hermann Kolbe die Kolbe beschrieb in seinem Aufsatz Ue- und Kohlensäure leicht zusammen- Möglichkeit, ein chemisches Laborato- ber eine neue Darstellungsmethode und setzten lässt, und die bekannte Eigen- rium nach seinen Vorstellungen ein- einige bemerkenswerthe Eigenschaften schaft derselben, sich beim Erhitzen zurichten. 1874 veröffentlichte er ei- der Salicylsäure die großen Fortschrit- über den Siedepunkt in Carbolsäure nen ausführlichen Aufsatz Ueber eine te bei der Verbesserung der Ausbeute und Kohlensäure zu spalten, liessen neue Darstellungsmethode und einige von Salicylsäure durch veränderte mich vermuthen, dass sie ähnlich der bemerkenswerthe Eigenschaften der Sa- Synthesebedingungen wie besonders Carbolsäure Gährungs- und Fäulniss­ licylsäure.13 Einleitend knüpfte er an trockene Edukte, eine höhere Reakti- processe aufhält oder ganz verhindert, seine Publikationen aus dem Jahr onstemperatur und den Einsatz von und dass sie überhaupt antiseptisch 1860 mit Eduard Lautemann über die „Natrium-Phenol“. Bei Verwendung wirkt. In dieser Richtung, theils von Salicylsäure-Synthese an14 und erläu- von Kalium-Phenolat anstelle von Nat- mir selbst, theils vom Prof. Thiersch terte, dass er sich bereits seit einem rium-Phenolat erhielt Kolbe beim Ein- hierselbst angestellten [!] Versuche Jahr wieder mit der Salicylsäure-Syn- leiten von trockener Kohlensäure vor- ­haben zu merkwürdigen Ergebnissen these beschäftige. In einer Fußnote wiegend „Paraoxybenzoesäure“ (4-Hy- geführt, durch welche meine Vermu­ wies Kolbe auf Friedrich von Heyden droxy-Benzoesäure) anstatt Salicyl- thung von den antiseptischen Eigen- (1838–1926) hin, der als Schüler von säure (2-Hydroxy-Benzoesäure). Kolbe schaften der Salicylsäure eine überra-

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schende Bestätigung erfahren hat“.20 Ob der schottische Chirurg Joseph Lis- sie dem Wundfieber von verletzten Auf die desinfizierenden Eigenschaf- ter (1827–1912) die Arbeiten Friedlieb Soldaten gegenüberstanden, wenn die ten von „l´acide phénique“ („Phenol- Ferdinand Runges oder des französi- Verhältnisse auf dem Schlachtfeld und säure“), die Kolbe 1860 noch als „Phe- schen Apothekers Jule Lemaire über in den überfüllten Lazaretten die so- nyloxydhydrat“ bezeichnet hatte, und die Carbolsäure als „désinfectant“ fortige Entfernung von Fremdkörpern deren Einsetzbarkeit bei infektiösen kannte oder Kenntnis hatte von der aus den Wunden, die rasche operative Krankheiten hatte erstmals der fran- Dissertation Bucholtz´ über den hem- Resektion zerstörter Knochen und Ge- zösische Apotheker Francois Jules Le- menden Einfluss der Carbolsäure auf webe sowie die anschließende Rein- maire (1814–1886) in Beiträgen im Fermentationsprozesse, ist ungewiss. haltung der Wunden erschwerten. Der Jahr 1860 und 1865 hingewiesen.21 Er war aber mit der von Louis Pasteur Chirurg und Lehrstuhlinhaber der Der Apotheker und Chemiker Fried- (1822–1892) publizierten Entdeckung Greifswalder Universität Carl Hueter lieb Ferdinand Runge (1795–1867) hat- über die Beteiligung von Mikroorga- (1838–1882) vertrat in einem Vortrag te bereits 1834 bei der Untersuchung nismen an Fäulnisprozessen ver- im Mai 1871 jedoch die Ansicht, dass von Destillationsprodukten des Stein- traut.24 Mitte der 1860er Jahre führte eine „Minimaldiphtheritis“ zwar kohlenteers Carbolsäure (Phenol) ent- Lister Carbolsäure in die medizinische durch Carbolsäure getilgt werden kön- deckt und seine fäulniswidrigen Ei- Praxis ein, um die nach Operationen ne, schwere Fälle von Hospitalbrand genschaften in Poggendorffs Annalen sehr häufig auftretende postoperative jedoch weiterhin mit dem Glüheisen der Physik und Chemie beschrieben.22 Wundinfektion einzudämmen, an der behandelt werden müssten, weil die Im Jahr 1866 wurde Woldemar Bu- viele der behandelten Patienten ver- Carbolsäure nicht in die tiefen, von choltz an der Medizinischen Fakultät starben. Lister war davon überzeugt, Wundinfektion befallenen Gewebs- der Universität Dorpat mit seiner Dis- dass „septische Fermente“, die in der schichten eindringen würde.26 sertation zum Thema Ueber die Einwir- Luft als winzige Partikel präsent wa- Als am 10. April 1872 die Deutsche Ge- kung der Phenylsäure (Carbolsäure) auf ren, Wundinfektion auslösten. Im Jahr sellschaft für Chirurgie in ge- einige Gärungsprozesse promoviert, die 1867 war er von der Effektivität seiner gründet wurde und der erste Kongress unter Anleitung des Pharmakologen antiseptischen Wundbehandlungsme- stattfand, berichtete Richard Volk- Rudolf Buchheim (1820–1879) entstan- thode so überzeugt, dass er sie veröf- mann (1830–1889), der Leiter der chir- den war. In dieser experimentellen Ar- fentlichte.25 urgischen Universitätsklinik Halle, in beit wies Bucholtz in der Einleitung Auch einige deutsche Chirurgen be- seinem Vortrag Zur vergleichenden Sta- darauf hin, dass Runge die fäulni- gannen nach Bekanntmachung der tistik analoger Kriegs- und Friedensver- shemmenden Eigenschaften der Car- Listerschen Methode Carbolsäure in letzungen, dass bei offenen, die Haut bolsäure durch Experimente mit fri- die Wundbehandlung einzuführen. perforierenden Knochenverletzungen schem Fleisch und Milch untersucht Der Deutsch-Französische Krieg zwi- die Sterblichkeitsrate deutlich höher hatte. Er erwähnte auch mehrfach Jule schen Juli 1870 und Mai 1871 hatte sei als bei Frakturen ohne Hautverlet- Lemaires Publikationen über die „aci- viele Militärärzte auf schreckliche zung. Der Zustand der Wunde und der de phénique“ und berichtete dann Weise erfahren lassen, wie machtlos Weichteile sei für die Mortalität folg- über seine, auf den Vorarbeiten Le- maires und Runges aufbauende Vorge- hensweise zur Ermittlung der antifer- mentativen Aktivität der „Phenylsäu- re“. Woldemar Bucholtz untersuchte die Verlangsamung und Aufhebung der Gärung von Zucker-Hefe-Lösungen sowie die Verzögerung des durch „Milchpilze“ und „Infusorien“ verur- sachten Verderbens von Milch bei Zu- satz unterschiedlich konzentrierter Lö- sungen von „Phenylsäure“. Ferner tes- tete er den Einfluss von „Phenylsäure“ auf die Hemmung weiterer fermentati- ver Prozesse, beispielsweise die abge- schwächte oder aufgehobene enzyma- tische Wirkung von Speichel gegen Stärke oder von „Emulsin“ gegen das in Mandelsuspensionen vorhandene Amygdalin sowie von „Myrosin“ ge- genüber gemahlenen Senfkörnern.23 A bb. 3: Sprüh-Apparatur zum Vernebeln antiseptischer Flüssigkeiten

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lich von größerer Bedeutung als die Wundbehandlungsmethode erneut Ge- kung von Salicylsäure als Antisepti- Knochenverletzung selbst. Er äußerte genstand der Diskussion. Richard kum in der Wundbehandlung zu er- sich auch zum Listerschen System, Volkmann stellte in seinem Vortrag proben. Thiersch schrieb am 7. Mai wollte aber aufgrund mangelnder per- Ueber den antiseptischen Occlusivver- 1874 an Kolbe: „Auf noch nicht gerei- sönlicher Erfahrung noch kein ab- band und seinen Einfluss auf den Hei- nigten Quetschwunden und auf schor- schließendes Urteil darüber abgeben. lungsprocess der Wunden die Resultate fenden Krebsflächen als ­Pulver für Volkmanns Vortrag stieß auf großes der Überprüfung der Listerschen Me- sich oder, mit Stärkemehl vermischt, Interesse und führte zu einer lebhaf- thode bei schweren Verletzungen und aufgestreut, zerstört die ­Salicylsäure ten Diskussion. Teilweise äußerten die größeren Operationen an der chirurgi- für längere Zeit die Fäulnissgerüche, anwesenden Chirurgen jedoch auch schen Klinik Halle im Zeitraum De- ohne nennenswerthe e­ ntzündliche Er- Skepsis und Widerspruch.27 zember 1872 bis Februar 1874 vor. An- scheinungen hervorzurufen“. Weiter- Am 22. April 1872 hielt der Stabsarzt hand der statistischen Zahlen und der hin hatte Thiersch versuchsweise an- August Wilhelm Schultze (1840–1924) Schilderung des Verlaufs der vorgetra- statt Carbolsäurelösung eine 1:300 in der militärärztlichen Gesellschaft genen beispielhaften Fälle hielt er ein verdünnte Salicylsäurelösung wäh- zu Berlin einen Vortrag Ueber Lister´s eindringliches Plädoyer zur Verwen- rend der Operation versprüht und antiseptische Wundbehandlung. Schult- dung des Lister-Verfahrens. Volkmann Wunden mit Watte verbunden, die mit ze verfügte über persönliche Erfah- wies aber auch auf unangenehme und Salicylsäure anstatt mit Carbolsäure rungen, denn er war im Oktober 1871 unerwünschte Begleiterscheinungen imprägniert war: „Die bisherigen Er- zu einem vierwöchigen Aufenthalt zu wie die durch Carbolsäure stark ange- fahrungen berechtigen zu der Hoff- Lister nach Edinburgh gereist, um das griffene Haut der Hände der Chirur- nung, dass Salicylsäure die guten Wir- inzwischen verbesserte Verfahren gen hin. Zudem warnte er vor der „Ge- kungen ohne die unangenehmen der durch eigene Anschauung kennenzu- fahr der Carbolsäureintoxikation für Carbolsäure hat“. Dass Kolbe nicht nur lernen, nachdem der in Berlin an der den Kranken“, die sich in „wiederhol- über äußerliche Infektionsbekämp- Universität und am „Medicinisch-chi­ ten Collapszuständen und Erbrechen, fung nachdachte, sondern auch hoffte, rurgischen Friedrich-Wilhelm-Institut“ und sehr oft infolge von Theeraus- dass orale, parenterale oder rektale wirkende Professor Heinrich Adolf von scheidung schwarz-grünem Urin“ äu- Gaben von Salicylsäure krankheits- Bardeleben (1819–1895) bereits positi- ßerten. Ferner berichtete er über den auslösende „Fermente“ oder „Pilze“ im ve Erfahrungen damit gemacht hatte. Tod eines operierten kleinen, „sehr re- Körper bekämpfen könnten, zeigt sich Er erläuterte in seinem Vortrag sehr duzierten“ Knaben und über die allge- in seinem Schlusswort: „Die bemer- detailliert das von Lister inzwischen meine Beobachtung, dass insbesonde- kenswerthe Eigenschaft der Salicyl- verbesserte Prinzip, bei der Wunden re kleine Kinder die Carbolsäurebe- säure, die Pilzbildung zu verhindern, nicht mehr mit einer Carbolsäurepaste handlung oft sehr schlecht vertragen und die Fermente unwirksam, un- oder konzentrierter und stark gewebe- würden.29 schädlich zu machen, lässt mich ver- reizender Carbolsäure, sondern nur Kolbe schilderte nun in seiner Ver- muthen, dass sie für gewisse Krank- noch mit verdünnter Carbolsäurelö- öffentlichung vom Juli 1874 eine Reihe heiten auch in den Arzneischatz Auf- sung in direkten Kontakt kommen von Versuchen zum Beleg der vermu- nahme finden wird. Es ist gewiss der sollten. Operative Maßnahmen sollten teten antiseptischen Wirkung von Sa- Mühe werth zu versuchen welche Wir- unter dem Schutz eines Carbolsäure- licylsäure, die er gemeinsam mit sei- kungen kleinere oder grössere Dosen Nebels durch Verwendung eines Zer- nem Schüler Ernst von Meyer (1847– von Salicylsäure, bei den ersten Anzei- stäubungsapparates vorgenommen 1916) durchgeführt hatte. Salicylsäure chen ausbrechender Cholera dem Pati- werden. hemmte die Wirkung verschiedener enten innerlich gegeben, oder injicirt, Schultze erklärte mehrmals eindring- Fermente gegen Zucker, Amygdalin in oder durch Klystiere applicirt, auf den lich, dass eine antiseptische Behand- Mandeln oder Senfmehl und verhin- Verlauf der Krankheit ausüben“.31 lung nur dann erfolgreich sein könne, derte das Verderben von Milch, Bier Thiersch berichtete 1875 der Deut- wenn sie äußerst konsequent durchge- und frischem Fleisch.30 schen Gesellschaft für Chirurgie in führt würde. Weiterhin wies er auf die Diese Art des Nachweises hatte bereits zwei Vorträgen über die Ergebnisse Bedeutung der Verwendung von anti- Woldemar Bucholtz 1866 mit Phenyl- einer großen Anzahl antiseptischer septischem Catgut zur Unterbindung säure durchgeführt, und die Methode Wundbehandlungen, die mit Carbol- von Gefäßen hin, das mindestens zwei wurde nun offensichtlich von Kolbe säure und Salicylsäure in der Zeit zwi- Monate bei niedrigen Temperaturen in und Ernst von Meyer zur Prognose schen April 1874 und Januar 1875 er- einer „Carbolölemulsion“ behandelt einer antiseptischen Wirksamkeit der zielt worden waren.32 In umfangrei- worden war und beschrieb im Detail Salicylsäure genutzt. chen Tabellen legte er dar, dass mit die von Lister entwickelte Herstel- Kolbe hatte sich außerdem an den wässriger Salicylsäurelösung 1:300 lungsweise.28 Chirurgen und Leipziger Universitäts- sowie mit 3%-iger und 10%-iger Sali- Auf dem dritten chirurgischen Kon- professor Carl Thiersch (1822–1895) cylsäurewatte eine mit der Carbolsäu- gress am 10. April 1874 war Listers mit dem Vorschlag gewandt, die Wir- re vergleichbare, antiseptische Wund-

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behandlung möglich war. Salicylsäu- che Aufgaben geschaffen worden, die relösung war sowohl während der ihm Carl Thiersch übertrug. Thiersch Operation versprüht, als auch zur Be- berichtete über die von Blaser entwi- rieselung bei offener Wundbehand- ckelte Verfahrensweise zur Erzielung lung oder zur Feuchthaltung von Sali- möglichst gleichmäßig imprägnierter cylsäureverbänden verwendet worden. Salicylwatten. Die Herstellung erfolgte Hergestellt wurden die von Thiersch mit entfetteter Baumwollwatte in Por- versuchsweise eingesetzte Salicylsäu- tionen zu etwa zwei bis drei Kilo- relösung, sowie 3%-ige und 10%-ige gramm und mit heißer, alkoholischer Salicylwatte in der Apotheke des städ- Salicylsäurelösung in „geräumigen, tischen St. Jakobshospitals, die in der flachen Holzbottichen“. Zur Erreichung Waisenhausstraße untergebracht war: einer guten Verteilung der Salicylsäu- „Der städtische Apotheker am Jacobs­ re wurden die Baumwoll-Lagen unter hospitale, Herr Blaser, dessen Eifer „Anwendung von gelindem Druck“ mit und Bereitwilligkeit, mir mit seiner der entsprechend konzentrierten Sali- Kunst bei den Versuchen behülflich zu cylsäurelösung „vollständig imbibiert“, sein, ich nicht genug rühmen kann, umgewendet und kurze Zeit liegen ge- hat die nachfolgende Bereitungsart als lassen. Danach entnahm man die die beste befunden“.33 A bb. 4: Seite aus Hermann Blasers durchtränkten Baumwolllagen und Schreiben vom 21. Mai 1873 schichtete sie „in kleinen Posten (nicht D er Krankenhaus-Apotheker über 3 Kilogramm)“ aufeinander. Wäh- geprüft werden. Er beantragte daher rend die Baumwoll-Lagen erkalteten, Hermann Blaser entwickelt am 21. Mai 1873 bei der Stadtverwal- kristallisierte die Salicylsäure aus. Da- ­Salicylsäure-Verbände tung Leipzig die Stelle eines weiteren nach wurden die imprägnierten Wat- Apotheker Hermann Blaser (1849– Apothekers. Blaser begründete diesen telagen etwa zwölf Stunden lang an ei- 1902) hatte nach Absolvierung von Antrag damit, dass die Anzahl der an- nem „mässig warmen Ort“ zum Trock- Lehr- und Konditionszeit vom April zufertigenden Präparate von 1.178 im nen ausgebreitet. Das Aufhängen 1865 bis Mai 1866 in Leipzig Pharma- Jahr 1870 auf 1.432 im Jahr 1872 ange- feuchter Watte wurde von Blaser nicht zie studiert. Er bewarb sich im Sep- wachsen war und von Januar bis Ende empfohlen, da „hierbei durch Herab- tember 1868 bei der Stadt Leipzig um April 1873 bereits 582 Präparate in fließen der Feuchtigkeit die gleichmä- eine Stelle als Apotheker im städti- der Apotheke angefertigt worden wa- ßige Vertheilung der Salicylsäure ge- schen „Jacobshospital“, das nahe dem ren. 1870 hatte die Anzahl der ärztli- stört wird“. Thiersch erkannte als parkartigen Waldgebiet Rosenthal lag, chen Verordnungen pro Tag 210 und Schwäche des neuen Verbandstoffes, und übernahm im Januar 1869 die Lei- im Jahr 1873 bereits 405 betragen. Für dass bei einer ungenügend großen tung der Apotheke.34 Im Jahr 1871 zog die Berechnung der Anzahl an tägli- Menge an Salicylsäure die antisepti- das St. Jakobshospital aus dem veralte- chen Zubereitungen legte Blaser 365 sche Wirkung versagen konnte: „Es ist ten und beengten Gebäude in ein neu Kalendertage zugrunde, was zeigt, nicht zu erwarten, dass die Salicylsäu- errichtetes Gebäude in der Waisenh- dass die Krankenhausapotheke auch re in jedem Theil der Watte in gleicher ausstraße 28, das zugleich zum Haupt- am Wochenende dienstbereit war und Menge auscrystallisiert, und auch standort der Leipziger Universitätsme- täglich ärztliche Verordnungen ange- nach dem Trocknen des Verbandstof- dizin und Wirkstätte von Carl fertigt wurden. fes kann durch Hantiren damit die Thiersch wurde.35 Tatsächlich konnte Hermann Blaser Vertheilung der Säure eine ungleiche Eine Publikation Hermann Blasers im die Administration überzeugen, und werden. […] Ein Mehr schadet in kei- Jahr 1872 zur Verbesserung der Halt- zu Beginn des Jahres 1874 trat Hein- nem Falle, dagegen sollte das Weniger barkeit von Apomorphinlösung zeigt rich Poppitz (1845–1892) als zweiter bei der 3%-igen nicht über 1%, bei der sein Interesse an der technologischen Apotheker seinen Dienst in der St. Ja- 10%-igen nicht über 3% betragen, und Bearbeitung pharmazeutischer Frage- kobs-Apotheke an. Trotz aller Belas- das Weniger durch ein Mehr an ande- stellungen.36 Eine wissenschaftliche tung bestätigten bei einer Apotheken- ren Stellen aufgewogen sein“. Betätigung war vermutlich neben der revision am 11. April 1874 der Apothe- Um ein therapeutisches Versagen zu Fülle an Arbeit in der Krankenhaus- kenrevisor Julius Sußdorf und der Me- verhindern, spielte die pharmazeuti- apotheke nur schwer zu bewerkstelli- dicinalrath Hugo Sonnenkalb sche Qualität der antiseptischen Ver- gen. Zahlreiche Rezepturen, Defektu- (1816–1887), dass Hermann Blaser die bandstoffe folglich eine wichtige Rolle. ren und Präparate mussten von Blaser Apotheke vorschriftsgemäß und sehr Hermann Kolbe hatte empfohlen, die selbst, sowie seinen Gehilfen und ordentlich führte.37 Menge an Salicylsäure in der Watte Lehrlingen für den täglichen Stations- Offensichtlich waren damit im April quantitativ mit Natron- oder Kalilauge und Operationsbetrieb hergestellt und 1874 die Voraussetzungen für zusätzli- gegen Lackmustinktur zu bestimmen.

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Hermann Blaser arbeitete für die St. D ie Vermarktung der Salicylsäure Jakobs-Apotheke ein volumetrisches Bestimmungsverfahren aus, bei dem Nicht nur die Salicylsäurefabrik Dr. F. er eine mit Aetzkali eingestellte Nor- von Heyden, deren Produktionsmen- mal-Lösung verwendete, der er als gen so rasch anwuchsen, dass sie be- Farbindikator „Alkannatinktur“ hin- reits 1875 in größere Räumlichkeiten zusetzte, die in der Apotheke durch in Radebeul umziehen musste, ver- Ausziehen von Wurzeln der Alkanna suchte von der antibakteriellen Wirk- tinctoria mit Alkohol gewonnen wur- samkeit der Salicylsäure zu profitie- de. Die Watte kochte man mit destil- ren. Die Chemische Fabrik auf Aktien liertem Wasser, filtrierte und titrierte (vormals E. Schering), die 1871 in Ber- dann eine genau bemessene Menge lin gegründet worden war, veröffent- des Filtrats mit Normal-Kalilauge. Bla- lichte im März 1875 in einem Supple- ser gestaltete die quantitative Bestim- ment der Pharmaceutischen Zeitung mungsmethode der Einfachheit halber A bb. 6: Ausschnitt aus Dieterichs einen ausführlichen Beitrag über Die so, dass der Salicylsäuregehalt anhand Neuem Manual 1887, Salicylwatte Salicylsäure und ihre Verwendung in der Menge an verbrauchter Kalilauge nach Thiersch der Technik und Medicin. Darin wurde direkt an der Bürette abgelesen wer- die Erwartung deutlich zum Aus- den konnte. Darüber hinaus musste benden, weichen, geschmeidigen, dem druck gebracht, dass mit Salicylsäure die Watte auf Abwesenheit von phos- Flachs ähnlichen Verbandstoff, wel- nun ein universell einsetzbares und phorsaurem Natron geprüft werden, cher dickflüssigen Eiter bei neuntägi- unschädliches Antiseptikum mit an- da die Bildung des Natronsalzes die gem Liegenbleiben des Verbandes voll- genehmen geruchlichen und ge- Wirksamkeit der Salicylsäure herab- ständig in sich aufnahm, und zur schmacklichen Eigenschaften verfüg- setzte. Thiersch führte ferner aus, gleichmässigen Vertheilung brachte“. bar war. Salicylsäure wurde nicht nur dass es von Nachteil sei, wenn die ver- Als pflichtbewusster Apothekenleiter als Ersatzmittel der Carbolsäure in wendete Salicylwatte nicht durchläs- berechnete Hermann Blaser die je der Wundbehandlung und als Hände- sig genug war, um Wundflüssigkeiten nach antiseptischer Verfahrensweise desinfektionsmittel gepriesen, son- hindurchtreten zu lassen und es zum unterschiedlichen Kosten, die theore- dern auch als mögliches Konservie- Stau an Sekreten komme. Er suchte tisch für einen zehn Meter langen Am- rungsmittel von Bier, Wein, Fruchtsäf- nach einem Verbandstoff, der ähnlich putationsverband des Oberschenkels ten, Milch und Fleisch angesehen. der Carbolgaze über eine Gitterstruk- anfielen. Er kalkulierte den Preis für Ferner sollte Salicylsäure als geruch- tur für Wundsekrete durchlässig war. einen trockenen Salicyl-Jute-Verband stilgender Wirkstoff in Zahnpulvern, Versuchsweise ließ er 2.500 Gramm mit 0,92 Mark, für einen trockenen Mundwässern und Fußpudern einge- „Jute von arrcanischem Hanf“ in der 10%-igen Salicylwatte-Verband mit setzt werden und man setzte große St. Jakobs-Apotheke zu einer 4%-igen 1,52 Mark und für einen Lister´schen Hoffnungen in eine Zukunft als inner- Salicyl-Jute verarbeiten. Für die Im- Carbolverband mit 2,35 Mark. lich anzuwendende Arznei: „Als Arz- prägnierung wurde eine Glycerin- Als störend empfand Thiersch, dass neimittel für innerlichen Gebrauch Wasser-Mischung als Lösungsmittel der bei der Operation angewendete scheint die Salicylsäure bis jetzt noch der Salicylsäure eingesetzt: „Auf diese Sprühnebel mit Salicylwasser in einer wenig benutzt worden zu sein und Weise erhielten wir einen wenig stäu- Konzentration von 1:300 zum Husten verspricht dieselbe wegen ihrer anti- und Niesen reizte und dass der Stahl septischen Eigenschaften bei allen chirurgischer Instrumente durch die Blutkrankheiten, speciell bei solchen, Säurewirkung angegriffen wurde.38 welche durch Contagien erzeugt sind, Die Berichte von Carl Thiersch führten ein Heilmittel zu werden, und bei dazu, neben Carbolsäure auch Salicyl- Diphteritis, Scharlach, Masern, Po- säure als antiseptisches Mittel in der cken, Syphilis, Dysenterie, Thyphus, Wundbehandlung zu etablieren. Apo- Cholera etc. zu versuchen sein“.40 theker konnten beispielsweise seit 1875 erschien der Aufsatz Ein Beitrag 1887 auf Vorschriften im Neuen Phar- zur Kenntnis der antifebrilen Wirksam- maceutischen Manual des Apothekers keit der Salicylsäure, in dem über expe- und Fabrikanten pharmazeutischer rimentelle Untersuchungen an Kanin- Präparate Eugen Dieterich (1840– chen berichtet wurde, die am Pharma- 1904) zurückgreifen, wenn sie im kologischen Institut unter Anleitung Apothekenlabor mit Salicylsäure im- des Medizinprofessors Albert Eulen- prägnierte Gaze, Watte und Jute her- burg (1840–1917) an der Universität A bb. 5: Standgefäß Salicylsäure, 1912 stellen wollten.39 Greifswald vorgenommen worden wa-

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ren. Mehrere Kaninchen waren mit der Säfte in ihrer Wirkungsfähigkeit „putriden Flüssigkeiten“ wie zersetz- eingeschränkt“.41 tem Harn oder fauligem Blut infiziert Trotz dieser ernüchternden Einschät- worden und nach Eintreten des „septi- zung hielten nicht nur Hermann Kolbe cämischen Fiebers“ mit oralen oder und Friedrich von Heyden Salicylsäu- subkutanen Salicylsäuregaben behan- re weiterhin für ein umsatzstarkes delt worden: „Ausgehend von der An- Produkt der Zukunft, sondern auch nahme, dass die Auslösung fieberhaf- konkurrierende Fabriken wie die Che- ter septischer Processe durch diessel- mische Fabrik auf Aktien (vormals E. ben Reize bedingt werde, wie die Ent- Schering). Hermann Kolbe und Fried- zündung, darf man bei denselben auch rich von Heyden begannen um die den meisten Erfolg von der innerlichen Vormachtstellung bei der Vermark- Darreichung der Antiseptica erwarten. tung zu kämpfen. Es entspann sich Und gerade das Ac. Salicyl. musste für ein Rechtsstreit zwischen der Chemi- diese Therapie recht geeignet erschei- schen Fabrik auf Aktien (ehemals E. nen, weil es nach den Erfahrungen Schering) und Hermann Kolbe. Ange- A bb. 8: Patentschrift Nr. 426 von Kolbe und Anderen selbst in gro- fochten wurde Kolbes Patent Nr. 3575, ßen Dosen vom Organismus sehr gut das von Sachsen am 12. Februar 1874 tente zum Deutschen Reichspatent Nr. vertragen wird“. Die Hoffnung auf ein erteilt worden war, mit der Begrün- 426 zusammengefasst.43 universelles Mittel zur Heilung von dung, dass Kolbe bereits vor 1874 über Infektionskrankheiten erfüllte sich je- die Synthese von Salicylsäure aus D as mikrobiologische Labor doch nicht. Obwohl das Fieber sank, Kohlensäure und Phenol berichtet hat- des Pharmazieprofessors verstarben die Kaninchen nach eini- te. Nach einem ausführlichen Gutach- ger Zeit: „Nach diesen Resultaten aber ten der technischen Deputation des Georg Dragendorff in Dorpat glaube ich berechtigt zu sein, den an- Königlich-Sächsischen Ministerium Im Jahr 1876 promovierte der Medi- tifebrilen Wert der Salicylsäure nicht des Inneren wurde aber zugunsten zinstudent Leonid Bucholtz (1850– so hoch anzuschlagen, wie es von vie- Kolbes entschieden und der Antrag 1893) in Dorpat mit dem Thema Ueber len Seiten geschieht. Wahrscheinlich auf Aufhebung des Patents am 28. No- das Verhalten von Bakterien zu einigen wird dieselbe, soweit sie in die Circu- vember 1876 abgewiesen.42 Im Jahr Antisepticis, nachdem er bereits 1875 lation gelangt, durch die Alkalescenz 1877 wurden die deutschen Einzelpa- zwei umfangreiche Arbeiten über Bak- terien veröffentlicht hatte.44 Die Dis- sertation entstand unter der Leitung des Chirurgen Ernst von Bergmann (1836–1907), der von 1871 bis 1878 als Professor in Dorpat wirkte, des Pädia- ters Alfred Vogel (1829–1890) sowie des Apothekers Johann Georg Noël Dragendorff (1836–1898), der 1864 als Pharmazieprofessor an die Universität von Dorpat (heute Tartu) berufen wor- den war. Dragendorff arbeitete zur Be- antwortung fachübergreifender Frage- stellungen auch mit Ärzten der medi- zinischen Fakultät zusammen und be- treute gemeinsam mit ärztlichen Kollegen Dissertationen angehender Mediziner.45 Dragendorff befasste sich mit chemischen Pflanzenanalysen, führte toxikologisch-forensische Un- tersuchungen durch, bearbeitete Alka- loid-Reaktionen und untersuchte Nah- rungsmittel. Es scheint sicher, dass Dragendorff sich mit seinem Universi- tätskollegen Ernst von Bergmann, der Mitglied der Deutschen Gesellschaft A bb. 7: Werbung für Salicylsäure als Zahn- und Fußmittel, 1875 für Chirurgie war, auch über aktuelle

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Aspekte der antiseptischen Wundbe- handlung austauschte, zumal dieser ein Verfechter der Listerschen Methode war. Er entwickelte ein ausgeprägtes Interesse an mikrobiologischen Frage- stellungen und gründete in seinem In- stitut ein bakteriologisches Labor.46 Dass die Mitglieder der Deutschen Ge- sellschaft für Chirurgie großes Interes- se an der Aufklärung und ursächli- chen Bekämpfung der Wundinfektion hatten, zeigt auch eine Abhandlung des Chirurgen Theodor Billroth (1829– 1894) über Coccobacteria septica im Jahr 1874. 47 A bb. 9: Ausschnitt aus der Dissertation von Leonid Bucholtz (Tabelle) Leonid Bucholtz beschritt einen gänz- lich anderen Weg als noch Woldemar Bucholtz im Jahr 1866, um die Wir- Georg Dragendorffs großes Interesse Theodor Haberkorn schloss seine Pro- kung verschiedener Antiseptika zu an der Bearbeitung mikrobiologischer motionsarbeit über Das Verhalten von messen und somit vergleichbar zu ma- Fragestellungen und der Etablierung Harnbacterien gegen einige Antiseptica chen. Er züchtete nun „Bacterien“ in von geeigneten Labormethoden kann noch im Jahr 1879 ab.50 1880 wurden einem „faulenden Tabacksinfus“ und man an weiteren, unter seiner Anlei- sogar fünf Dissertationen zu bakterio- impfte einige Tropfen davon in eine tung in Dorpat entstandenen Disserta- logischen Themen unter Anleitung „der Pasteurschen Nährflüssigkeit tionen ablesen. 1879 vollendete Wolde- Dragendorffs angefertigt. Hermann nachgebildeten Nährflüssigkeit aus 10 mar Werncke seine Doktorarbeit Ueber Meyer verfasste eine Arbeit Ueber das Grm. käuflichem Candiszucker, 1 die Wirkung einiger Antiseptica auf He- Milchsäureferment und sein Verhalten Grm. weinsaurem Ammoniak und 0,5 fe. Er überprüfte auch die Hemmwir- gegen Antiseptica.51 Mit einer Arbeit Grm. phosphorsaurem Kali pro 100 ml kung von Salicylsäure auf Hefe und über Das Verhalten der Bacterien des destilliertem Wasser“. Sobald die Trü- ermittelte die Einschränkung oder Fleischwassers gegen einige Antiseptica bung der Nährflüssigkeit anzeigte, Aufhebung der Gärung anhand der wurde Nicolai Jalan de la Croix promo- dass sich die Bakterien gut vermehrt konzentrationsabhängigen Abnahme viert.52 Das Thema, mit dem sich Iwan hatten, verwendete er einige Tropfen der Kohlendioxidentwicklung zucker- Wernitz auseinandersetzte, lautete der Bakterienkultur, um sie den zu haltiger Lösungen.48 U­ eber die Wirkung der Antiseptica auf überprüfenden Antiseptika verschie- Peter Kuehn reichte ebenfalls im Jahr ungeformte Fermente.53 Bronislaw dener Konzentration zuzusetzen. In 1879 bei der „Hochverehrten medicini- Wenckiewicz untersuchte Das Verhal- festgelegten Zeitabständen überprüfte schen Facultät der Kaiserlichen Uni- ten des Schimmelgenus Mucor zu Anti- er dann das Ausmaß an Wachstums- versität zu Dorpat“ eine Doktorarbeit septicis und einigen verwandten Stoffen hemmung oder auch die völlige Abtö- zum Thema Ein Beitrag zur Biologie mit besonderer Berücksichtigung seines tung der Bakterien. Obwohl diese Me- der Bacterien ein.49 Auch der Arzt Verhaltens in zuckerhaltigen Flüssigkei- thode sicherlich fehleranfällig und un- genau war, gelang es Leonid Bucholtz festzustellen, dass in seiner Versuchs- anordnung die antiseptische Wirkung von Salicylsäure deutlich größer war als die der Carbolsäure. Leonid Bucholtz untersuchte zahlrei- che weitere Substanzen auf ihre anti- septische Wirkstärke, beschrieb gründlich seine Methode und listete die Ergebnisse übersichtlich und unter Einfügung aussagekräftiger Tabellen auf. Mit seinen Experimenten gelang es ihm zu zeigen, dass keineswegs nur die Carbolsäure, sondern auch Salicyl- säure und weitere Substanzen als anti- bakterielle Wirkstoffe in Frage kamen. A bb. 10: Ausschnitt aus der Dissertation von Woldemar Werncke (Tabelle)

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ten54 und Hermann von Boehlendorff Namen Salol als Desodorant in Streu- reits eingeführten Carbolsäure als leistete einen experimentellen Beitrag pudern, Verbänden und Mundwässern Antiseptikum etablieren zu können, zur Biologie der Schizomyceten.55 Edu- verwendet und nach oraler Gabe zur wurde nicht nur von Chemikern und ard Schwartz promovierte schließlich Desinfektion der Harnwege in die The- Ärzten, sondern auch von Apothekern 1891 mit einer Arbeit Ueber das Vor- rapie eingeführt. In der Blase be- wertvolle Arbeit geleistet. Der Kran- kommen von Bacterien in kohlensäure- kämpften die freigesetzten Verbindun- kenhausapotheker Hermann Blaser haltigen Wässern und kam zum Ergeb- gen Salicylsäure und Phenol lokal stellte erstmals mit Salicylsäure im- nis, dass die Bakterienzahl umso klei- bakteriell bedingte Harnwegsinfek- prägnierte Verbandstoffe her, um de- ner war, je größer der Kohlensäurean- te.57 Weitere unternehmerische Bemü- ren antiseptischen Effekt mit dem des teil im jeweiligen Wasser war.56 hungen der Chemischen Fabrik von Listerschen Carbolsäureverbands ver- Die vielen bearbeiteten Themen zei- Heyden Salicylsäure als Konservie- gleichen zu können und befasste sich gen, dass Dragendorff nicht nur Inter- rungsmittel zu vermarkten, finden mit chemischen, technologischen, ana- esse an medizinischen Aspekten wie sich in der 1896 veröffentlichten Bro- lytischen und ökonomischen Frage- der Verhinderung einer bakteriell be- schüre Die Salicylsäure als Conservir- stellungen. Der in Dorpat lehrende dingten Wundinfektion hatte, sondern mittel für Consumartikel.58 Pharmazieprofessor Georg Dragen- insbesondere auch mikrobiologische Ein neues Kapitel in der Geschichte der dorff errichtete ein mikrobiologisches Fragen der Lebensmittelsicherheit und Salicylsäure wurde aufgeschlagen, als Labor an der Universität Dorpat und Hygiene erforschte. Dragendorff und mit Acetylsalicylsäure ein Arzneistoff entwickelte gemeinsam mit seinen seine Schüler stellten bei ihren Expe- synthetisiert wurde, den die Farbenfab- Schülern ab 1875 mikrobiologische La- rimenten fest, dass Bakterien sich in riken Friedrich Bayer & Co. ab 1899 un- bormethoden, mit denen die mikrobi- unterschiedlichen Nährmedien völlig ter dem von Spirea (Mädesüß) abgelei- zide Wirkung der Salicylsäure und an- verschieden entwickelten. Eine stan- teten Markennamen Aspirin (Acetylspi- derer Stoffe im Vergleich zu Carbol- dardisierte Kultivierung sowie eine rin) in den Handel brachte. Dass die säure in vitro gemessen werden konn- von Zufällen unabhängige und insbe- Chemische Fabrik von Heyden ebenfalls te. Salicylsäure spielt in der sondere selektive Anzüchtung ganz Acetylsalicylsäure herstellte, die sie pharmazeutischen Rezeptur bis heute bestimmter Mikroorganismen war zur später unter dem Markennamen Acety- eine wichtige Rolle. Sie wird äußerlich Erzielung aussagekräftiger und repro- lin vertrieb, konnte den Siegeszug des angewendet in Salben sowie in alkoho- duzierbarer Versuche mit antisepti- Aspirins nicht mehr aufhalten.59 lischen oder öligen Lösungen, bei- schen Wirkstoffen jedoch essentiell. spielsweise zur Behandlung von Im Hinblick auf die Fortschritte in Mi- schuppenden, entzündlichen Haut- R esümee krobiologie und bakterieller Diagnos- erkrankungen und in höheren Kon- tik, die in den Folgejahren durch den Obwohl Salicylsäure antimikrobielle zentrationen als Keratolytikum gegen Einsatz sich immer stärker spezialisie- Eigenschaften aufweist, war Kolbes Warzen und Hühneraugen. render Wissenschaftler erreicht wur- hypothetischer Ansatz, der Salicylsäu- den, muss dem mikrobiologischen La- re aufgrund ihrer chemischen Struk- Summary: bor des Pharmazieprofessors Georg tur als Phenolabkömmling ein anti- The chemist Hermann Kolbe (1818–1884) mana- Dragendorffs hoher Respekt für die septisches Potential zuzuweisen, nicht ged to synthesize salicylic acid (2-hydroxy-ben- zoic-acid) in 1859 by chemical reaction of sodi- geleistete Pionierarbeit gezollt werden, zutreffend. Die Wirksamkeit der Sali- um phenolate with carbonic acid. However, the die es ermöglichte, die Wirkung ver- cylsäure gegen Mikroorganismen ist impulse for the large-scale production by Fried- schiedener Antiseptika in vitro mess- auf die aromatische Carbonsäurefunk- rich von Heyden (1838–1926), which started in bar zu machen. tion zurückzuführen. Im Vergleich zu 1874, was the hope and the expectation to get a non-toxic surrogate for carbolic acid (phenol) to Benzoesäure, 3-Hydroxy-Benzoesäure be used as antiseptic spray and in the so-called oder 4-Hydroxy-Benzoesäure weist Sa- Lister´s dressing as microbicide substance for D er weitere Weg der Salicylsäure licylsäure als 2-Hydroxy-Benzeosäure the treatment of wounds. This was confirmed by the surgeon Carl Thiersch (1822–1895), who int- 60 Im Jahr 1885 gab Friedrich von Hey- eine deutlich größere Acidität auf. roduced wound dressings with salicylic acid in den aus gesundheitlichen Gründen die Wie bei allen Säuren wird die anti- 1874. Furthermore salicylic acid was anticipa- Firmenleitung auf und verkaufte die mikrobielle Wirkung stark vom pH- ted as potential remedy against infectious dis- eases and as preservative agent for food. At the Fabrik an Carl Kolbe (1855–1909), den Wert beeinflusst. Nur der undissozi- University of Dorpat Johann Georg Noël Dragen- Sohn Hermann Kolbes, und den Kauf- ierte Anteil ist für die Wirkung ver- dorff (1836–1898) established a laboratory for mann Carl Rentsch. Im gleichen Jahr antwortlich, da ionisierte Moleküle novel microbiological testing and started to wurde Richard Seifert (1861–1919), Bakterienmembranen nicht durch- compare the antibacterial effect of salicylic acid and other microbicide agents in 1875. Kolbe´s ebenfalls ein Schüler Rudolf Schmitts, dringen können. Salicylsäure entwi- hypothesis that salicylic acid would act compa- als Chemiker eingestellt, der durch ckelt deshalb nur in einem sauren pH- rable to carbolic acid proved incorrect. It is ef- Derivatisierung der Salicylsäure wei- Bereich unter 5 antimikrobielle Eigen- fective against microorganisms based on its mi- crobizide at pH values lower than 5. Acetic acid 61 tere potente Wirkstoffe herstellte. Sali- schaften gegen Bakterien und Pilze. is today still used as keratolytic and bacteriosta- cylsäurephenylester wurde unter dem Um ab 1874 Salicylsäure neben der be- tic substance in dermatological formulations.

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Keywords: in Salicylsäure und Salicylalkohol. S: Orga- 17 Andreas Schuhmann/AWD. pharma GmbH Salicylic acid, Hermann Kolbe, Salicylsäure-Fa- nikum. Organisch-chemisches Grundprak- & Co.KG (Hrsg.): Die chemische Fabrik van brik Dr. F. von Heyden, Carl Thiersch, Johann tikum. 15. Aufl. Berlin 1977, S. 607 f. Heyden. In: Geschichte des Arzneimittel- Georg Noël Dragendorff (1836–1898), wound 5 Piria [wie Anm. 4], S. 291. werkes Dresden. Dresden 2002, S. 25–41. treatment, Lister´s dressing, carbolic acid, phe- 6 Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologi- 18 Kolbe [wie Anm. 13], S. 103. nol, microbizide agent, microbiological testing, schen Heilmittel., Bd.3. Leipzig 1938, S. 19 August Kekulé: Untersuchungen ueber aro- acidity 2394–2399 (Salix) und S. 2593–2597 (Spi- matische Verbindungen. In: Annalen der rea). Chemie und Pharmacie 137 (1866), S. 129– 7 F[riedrich] Pagenstecher: Ueber das destil- 196. Kolbe war von der Richtigkeit der The- Abbildungsverzeichnis lirte Wasser und Oel der Blüthen von Spi- orien des von ihm verehrten Chemikers Abb.1 Spanschachtel Cortex salicis albi pulv. 2. rea Ulmaria. In: Repertorium für die Phar- Jens Jakob Berzelius (1779–1848) über- Hälfte 19. Jahrhundert, Pharmaziemuseum macie 49 (1834), S.337–360. Andreas Buch- zeugt und verteidigte dessen Theorien ge- Brixen, Fotograf Oswald Peer ner schlug als Herausgeber des Repertori- genüber Kekulés Auffassungen, die sich je- Abb. 2 Hermann Kolbe (Journal für praktische ums in der Nachschrift zu Pagenstechers doch als richtig erweisen sollten. Chemie 30 (1885), S. 417) Arbeit vor, die neuartige Säure Ulmarsäure 20 Kolbe [wie Anm. 13], S.107f. Abb.3 Sprüh-Apparatur zum Vernebeln anti- zu nennen; s. auch J[ean-Baptiste] Dumas: 21 Jules Lemaire: Du coaltar saponiné, désin- septischer Flüssigkeiten, Science Museum Ueber das ätherische Oel der Blüthen von fectant énergique arrêtant les fermenta- London/Wellcome Library, London, Spirea Ulmaria. In: Annalen der Pharmazie tions. Paris 1860, sowie ders.: De l´acide L0057189 29 (1839), S. 306–308. Vgl. Claudia Zero- phénique de son action sur les végétaux, Abb. 4 Seite aus Hermann Blasers Schreiben bin: Drei Berner Apotheker des 19. Jahr- les animaux, les ferments, les venins, les vom 21. Mai 1873. Stadtarchiv Leipzig, Cap. hunderts: Johann Samuel Friedrich Pagen- virus, les miasmes et de ses applications à 16 Nr.6 Bd.1 Jakobshospital-Apotheke, Bl. stecher, Carl Abraham Fueter, Leonhard l’industrie, à l’hygiène, aux sciences anato- 138 R. Christian Müller. Bern 1994, S. 104–108. miques et à la thérapeutique. 2.Ed. Paris Abb. 5 Standgefäß Salicylsäure, 1912, Pharma- 8 Auguste André Thomas Cahours: Unter- 1865. ziemuseum Brixen, Fotograf Oswald Peer suchungen ueber das Oel der Gaultheria 22 Friedrich Runge: Ueber einige Produkte Abb.6 Ausschnitt aus Eugen Dieterich, Neues Procumbens. In: Journal für praktische der Steinkohlendestillation. In: Poggen- Manual 1887 [wie Anm. 39] Chemie 29 (1843), S. 197–201. dorffs Annalen der Physik und Chemie 32 Abb. 7: Werbung für Salicylsäure als Zahn- und 9 Madaus [wie Anm. 6] Bd.2, S. 1418–1422. (1834), S. 308–328. Fussmittel, Pharmaceutische Zeitung 20 10 Wilhelm Gerland: Ueber Anthranilsäure, 23 Woldemar Bucholtz: Ueber das Einwirken (1875), Nr. 15, S. 120. Benzaminsäure und Carbanilidsäure. In: der Phenylsäure (Carbolsäure) auf einige Abb. 8 Patentschrift Nr. 426 vom 3. Juli 1877 Annalen der Chemie und Pharmazie 86 Gärungsprozesse. Diss. Med. Dorpat 1866. für Hermann Kolbe (1853), S. 143–156. Die beschriebene Reak- Unter „Emulsin“ verstand man ein in der Abb.9 Ausschnitt aus Leonid Bucholtz: Ueber tion der Anthranilsäure mit salpetriger Mandel vorkommendes Enzym, das aus das Verhalten von Bakterien zu einigen An- Säure entspricht einer Diazotierungsreakti- dem cyanogenen Glykosid Amygdalin Zu- tisepticis. Diss. Med. Dorpat 1876, S. 28 on der aromatischen Aminogruppe und an- cker, Benzaldehyd und Blausäure abspalten [wie Anm. 44]. schließendem Zerfallen des Diazoniumsal- konnte. Unter „Myrosin“ verstand man ein Abb. 10 Ausschnitt aus Woldemar Werncke: Ue- zes unter Bildung einer phenolischen in Senfsamen vorkommendes Enzym, das ber die Wirkung einiger Antiseptica auf Struktur, einer sogenannten „Verkochung“, Senfölglykoside in Glucose und stechend Hefe. Diss. Med. Dorpat 1879. S. 35 [wie s. Organikum. Organisch-chemisches riechendes Senföl spaltet. Anm. 48]. Grundpraktikum. 15. Aufl. Berlin 1977, S. 24 Louis Pasteur: Recherches sur la putrefac- 654 und S. 659–661. Entdecker der Anthra- tion. In: Comptes rendus hebdomadaires Anmerkungen nilsäure war Apotheker Carl Julius Fritz- des séances de l’Académie des sciences 56 1 Grete Ronge: Kolbe, Hermann. In: NDB. Bd. sche (1808–1871), der bei chemischen Expe- (1863), S. 1189–1194. 12. Berlin 1980, S. 446–451. rimenten mit dem blauen Naturstoff Indigo 25 Joseph Lister: On the antiseptic principle in 2 Axel Kleemann/Heribert Offermann: Von das Anilin (Aminobenzol) und die Anthra- the practice of . In: British Medical der Klostermedizin zu den synthetischen nilsäure (2-Amino-Benzoesäure) gefunden Journal, 21. September 1867, S. 246–248. Arzneimittelwirkstoffen. Meilenstein Sali- hatte. Durch Anwendung von Carbolsäure sollten cylsäuresynthese. In: Chemie in unserer 11 Hermann Kolbe: Ueber Synthese der Sali- die über die Luft in die Wunde gelangen- Zeit 46 (2012), S. 40–47. cylsäure. Briefliche Mittheilung. In: Anna- den „low forms of life“ vernichtet und un- 3 Andreas Buchner: Ueber das Rigatellische len der Chemie und Pharmacie 113 (1860), schädlich gemacht werden, denn „septic Fiebermittel, und ueber eine in der Weiden- S. 125–127, sowie Hermann Kolbe / Eduard germs“ waren nach Listers Auffassung ur- rinde entdeckte alkaloidische Substanz. In: Lautemann: Ueber die Constitution und die sächlich für das Auftreten von Wundinfek- Repertorium für die Pharmazie 29 (1828), Basizität der Salicylsäure. In: Annalen der tion. Nach dem operativen Eingriff musste S. 405–420. Unter „Podagra“ verstand man Chemie und Pharmacie 115 (1860), S. 157– die Wunde noch einige Zeit lang mit einem damals akute Erkrankungen des rheumati- 206. carbolsäurehaltigen Verband versorgt wer- schen Formenkreises wie Gicht, die zu ent- 12 Rudolf Wilhelm Schmitt: Ueber einige neue den. Die stetig aus dem Verbandstoff ver- zündlichen Gelenkschmerzen führten. Sie- Derivate der Salicylsäure. Habilitations-Ab- dunstende Carbolsäure sollte die in der he auch: Günter Kallinich: Buchner, Johann handlung. Marburg 1864. Luft suspendierten Mikroorganismen ver- Andreas. In: NDB. Bd. 2. Berlin 1955, S. 13 Hermann Kolbe: Ueber eine neue Darstel- nichten. 706. lungsmethode und einige bemerkenswer- 26 C[arl] Hueter: Die chirurgische Behandlung 4 Raffaele Piria: Recherches sur la salicine et the Eigenschaften der Salicylsäure. In: der Wundfieber bei Schusswunden. In: les produits qui en derivent. In: Annales de Journal für praktische Chemie 10 (1874), S. Sammlung klinischer Vorträge. Chirurgie chimie et de physique 39 (1838), S. 281– 89–112. Nr. 1–28 , Bd.1. Leipzig [o. J.], Nr. 7, S. 95– 325, sowie ders.: Untersuchungen über das 14 Kolbe/Lautemann [wie Anm. 11]. 118. Salicin und die daraus entstehenden Pro- 15 Kolbe [wie Anm. 13], S. 90. 27 Friedrich Trendelenburg: Die ersten 25 Jah- dukte. In: Annalen der Pharmazie 29 16 Rudolf Schmitt lehrte seit 1870 als Profes- re der Deutschen Gesellschaft für Chirur- (1839), S. 300–306. Durch Hydrolyse spal- sur für Allgemeine und Chemische Techno- gie. Berlin 1923, S. 8–11. tete Raffaele Piria den Zucker ab und setzte logie am Polytechnikum in Dresden, wo 28 A[ugust] W[ilhelm] Schultze: Ueber Lister´s Salicylakohol frei, der mit Dichromat zum Friedrich von Heyden ab 1871 Chemie stu- antiseptische Wundbehandlung nach per- Salicylaldehyd oxidiert wurde. Im Sinne dierte, s. Bernhard Sorms: Schmitt, Rudolf sönlichen Erfahrungen. In: Sammlung kli- einer Cannizaro-Reaktion disproportioniert Wilhelm. In: NDB. Bd. 23. Berlin 2007, S. nischer Vorträge. Chirurgie Nr. 1–28 , Bd.1. Salicylaldehyd im stark alkalischen Milieu 241 f. Leipzig [o. J.], Nr. 17, S. 333–358.

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29 Richard Volkmann: Ueber den antisepti- hohem Druck wurde im Jahr 1884 vom Kai- 53 Iwan Wernitz: Ueber die Wirkung der Anti- schen Occlusivverband und seinen Einfluss serlichen Patentamt des Deutschen Reiches septica auf ungeformte Fermente. Diss. auf den Heilungsprocess der Wunden. In unter der DRP Nr. 29939 patentiert. Med. Dorpat 1880. Unter „ungeformten Fer- Sammlung klinischer Vorträge. Chirurgie 44 Leonid Bucholtz: Antiseptica und Bacteri- menten“ verstand Iwan Wernitz die vier Nr. 29–53, Bd.2. Leipzig [o. J.], Nr. 30, S. en. In: Archiv für experimentelle Patholo- „pflanzlichen Enzyme“ Emulsin, Myrosin, 759–812. gie und Pharmakologie, 4 (1875), Nr. 1–2 Diastase und Invertin sowie die drei „thier- 30 Kolbe [wie Anm. 13], S. 108–111. (Doppelheft), S. 1–81, sowie ders.: Unter- ischen Enzyme“ Ptyalin, Pancretin und 31 Kolbe [wie Anm. 13], S. 111 f. suchungen über den Einfluss der Tempera- Pepsin, deren jeweiligen Aktivitätsverlust 32 C[arl] Thiersch: Klinische Ergebnisse der tur auf Bakterienvegetation. In: Archiv für er untersuchte. Lister´schen Wundbehandlung und über experimentelle Pathologie und Pharmako- 54 Bronislaw Wenckiewicz: Das Verhalten des den Ersatz der Carbolsäure durch Salicyl- logie, 4 (1875), Nr. 3, S. 159–167 und ders.: Schimmelgenus Mucor zu Antisepticis und säure. In: Sammlung klinischer Vorträge. Ueber das Verhalten von Bakterien zu eini- einigen verwandten Stoffen mit besonderer Chirurgie Nr. 1–28, Bd.1. Leipzig [o. J.], Nr. gen Antisepticis. Diss. Med. Dorpat 1876. Berücksichtigung seines Verhaltens in zu- 28, S. 637–730. 45 T[oivo] Hinrikus /Hain Tankler/ A[in] Raal: ckerhaltigen Flüssigkeiten. Diss. med. Dor- 33 Thiersch [wie Anm. 32], S. 720. Unter der Leitung des Pharmazieprofessors pat 1880. 34 Stadtarchiv Leipzig, Cap. 16 Nr.6, Bd.1 Ja- Georg Dragendorff in den Jahren 1864– 55 Hermann von Boehlendorff: Ein Beitrag zur kobshospital-Apotheke, Bl. 117–118. Her- 1894 an der Universität Tartu/Dorpat ver- Biologie der Schizomyceten. Diss. med. mann Blaser wohnte ab 1869 im Leipziger fasste medizinische Doktorarbeiten. In: Dorpat 1880. Jakobshospital, Rosenthalgasse 10, s. Säch- Pharmazie 60 (2005), S. 388–395. 56 Eduard Schwartz: Ueber das Vorkommen sische Landesbibliothek- Staats- und Uni- 46 Ursula Kokoska: Johann Georg Noël Dragen- von Bacterien in kohlensäurehaltigen Wäs- versitätsbibliothek Dresden, Hist. dorff (20.4.1836–7.4.1898). Sein Beitrag zur sern. Diss. Med. Dorpat 1891. Sax.H.1390–1869, Leipziger Adreß-Buch. Gerichtsmedizin, Pharmakologie und Phar- 57 Schuhmann [wie Anm. 17], S. 31. Unter Bd. 48 (1869), S. 22. mazie an der Universität Dorpat. Diss. Med. dem Decknamen „Salicylogen“ wurde Salol 35 Hermann Blaser wohnte ab 1872 im Leipzi- Berlin 1983, S. 146 und S. 212; sowie Wil- 1892 ein antiseptischer Wirkstoff in Odol, ger Jakobshospital, Waisenhausstraße 28, helm Katner: Dragendorff, Johann Georg einem vom Unternehmer Karl August Ling- s. Sächsische Landesbibliothek- Staats- und Noël. In: NDB. Bd. 4. Berlin 1959, S. 99. ner (1861–1916) mit sehr großem Erfolg Universitätsbibliothek Dresden, Hist. 47 Theodor Billroth: Untersuchungen über die vertriebenen Mundwasser, s. Ulf-Norbert Sax.H.1390-–1872, Leipziger Adreß-Buch. Vegetationsformen von Coccobacteria septi- Funke: Leben und Wirken von Karl August Bd. 51 (1872), S. 26. 1880 gab er seine An- ca und den Antheil, welchen sie an der Ent- Lingner. Lingners Weg vom Handlungsge- stellung in der St. Jakobsapotheke auf und stehung und Verbreitung der accidentellen hilfen zum Großindustriellen. Hamburg eröffnete die „Apotheke zum rothen Kreuz“ Wundkrankheiten haben. Versuch einer 2014, S. 13–27. in Leipzig, s. Stadtarchiv Leipzig, Stadtbe- wissenschaftlichen Kritik der verschiede- 58 Chemische Fabrik von Heyden (Hrsg.): Die zirksarzt III B 28, Kreuzapotheke (Apothe- nen Methoden antiseptischer Wundbe- Salicylsäure als Conservirmittel für Con- ke „Zum rothen Kreuz“), 1880-1933. handlung. Berlin 1874. sumartikel. Deren Werth, Nutzen und Un- 36 Hermann Blaser: Ueber die Haltbarkeit der 48 Woldemar Werncke: Ueber die Wirkung schädlichkeit begründet durch das Urtheil Apomorphin-Lösung. In: Archiv der Heil- einiger Antiseptica auf Hefe. Diss. Med sachkundiger Autoritäten und gerichtlicher kunde 13 (1872), S. 272–276. Dorpat 1879. S. 29–40. Werncke ermittelte Erkenntnisse. Radebeul-Dresden 1896. 37 Stadtarchiv Leipzig, Cap. 16 Nr.6 Bd.1 Jakob- in seinen Experimenten, dass größere Kon- 59 Schuhmann [wie Anm. 17]; sowie Nikolai shospital-Apotheke, Bl. 138–141, Bl. 193. zentrationen an Salicylsäure erforderlich Kuhnert: 100 Jahre Aspirin. Die Geschichte des wohl erfolgreichsten Medikaments des 38 Thiersch [wie Anm.32 ], S. 720-725. Jute waren, um Hefegärung zu unterdrücken, letzten Jahrhunderts. In: Pharmazie in un- kostete nach Angaben Thierschs ab Bahn- als Kolbe und Meyer angegeben hatten. serer Zeit, 29 (2000), S. 32–39. hof Bonn 25 Mark. Demnach wurde die Jute 49 Peter Kuehn: Ein Beitrag zur Biologie der 60 Als aromatische, in ortho-Stellung mit wahrscheinlich aus der 1868 gegründeten Bacterien. Diss. Med. Dorpat 1879. Kühn un- einer Hydroxylgruppe substituierte Ben- Fabrik Vereinigte Jutespinnerei und Webe- tersuchte erstmals im mikrobiologischen La- zoesäure weist Salicylsäure mit einem pKs- rei AG aus dem nahe Bonn gelegenen Beuel bor Dragendorffs auch „essigsaure Tonerde“ Wert von 2,97 eine deutlich größere Säure- bezogen. als weiteren, potentiell antibakteriellen stärke auf als Benzoesäure mit 4,22, 3-Hyd- 39 Eugen Dieterich: Neues Pharmaceutisches Wirkstoff und stellte dabei fest, dass Alumi- roxy-Benzoesäure mit einem pKs-Wert von Manual. Berlin 1887, S. 309, S. 314 u. 316. niumacetat mit den in der Nährflüssigkeit 4,08 oder 4-Hydroxy-Benzoesäure mit ei- 40 Chemische Fabrik auf Aktien[E. Schering]: vorhandenen Phosphaten reagierte und Er- nem pKs-Wert von 4,48. Das Anion der Sa- Die Salicylsäure und ihre Verwendung in gebnisse dadurch verfälscht würden. Der licylsäure wird durch Delokalisation über der Technik und Medicin. In: Supplement Chirurg Oskar Pinner befasste sich intensiv intramolekulare H-Brücken stabilisiert, s. der Pharmaceutischen Zeitung, Bunzlau, mit essigsaurer Tonerde als Antisepticum, s. Hans Rudolph Christen: Grundlagen der or- 17. März 1875, S. 63. Pinner Oscar: Aus der chirurgischen Klinik ganischen Chemie. 2. Aufl. Frankfurt 1972, 41 [Eugen] Zimmermann: Ein Beitrag zur des Herrn Prof. Dr. Maas zu Freiburg i./B. S. 344–347. Kenntnis der antifebrilen Wirksamkeit der Die essigsaure Thonerde und ihre Verwen- 61 Bei einem pH-Wert von 2 liegt der undisso- Salicylsäure. Nach experimentellen Unter- dung bei der Lister´schen Wundbehand- ziierte Anteil bei etwa 90%, bei einem pH- suchungen. In: Archiv für experimentelle lungs-Methode. In: Berliner Klinische Wo- Wert von 4 bei 8,6% und bei einem pH-Wert Pathologie und Pharmakologie 4 (1875), Nr. chenschrift. 17. Jahrgang (1880). Nr. 12. S. von 6 bei 0,09%, s. Karl-Heinz Wallhäußer: 3, S. 248–250. Albert Eulenburg war Ordi- 157–161 und Nr. 13. S.175–180, s. hierzu Praxis der Sterilisation-Desinfektion-Kon- narius für Pharmakologie in Greifswald auch Lang Ursula /Sabine Anagnostou: Es- servierung-Keimdifferenzierung-Betriebs- von 1874 bis 1882, s. auch Karola Tschilin- sigsaure Tonerde. Obsoletes Hausmittel oder hygiene. 3. Aufl. Stuttgart/New York 1984, girov: Albert Eulenburg. Eine Bioergogra- zeitgemäße Arznei? In: Geschichte der Phar- S. 400f. phie. Berlin 2008, S. 16–21. mazie 65 (2013), Nr. 3/4, S. 59–68. 42 Friedrich von Heyden: Zur Streitfrage über 50 Theodor Haberkorn: Das Verhalten von das Kolbe´sche Salicylsäurepatent. Dresden Harnbacterien gegen einige Antiseptica. 1877. Diss. Med. Dorpat 1879. Anschrift der Verfasserin 43 Rudolf Schmitt verbesserte kurz vor Kolbes 51 Hermann Meyer: Ueber das Milchsäurefer- Dr. Ursula Lang Tod nochmals die Herstellungsmethode ment und sein Verhalten gegen Antisepti- Institut für Geschichte der Pharmazie und erhöhte dadurch die Ausbeute an Sali- ca. Diss. Med. Dorpat 1879. Philipps-Universität Marburg cylsäure. Die später Kolbe-Schmitt-Synthese 52 Nicolai Jalan de la Croix: Das Verhalten der Roter Graben 10 genannte Darstellung von Salicylsäure aus Bacterien des Fleischwassers gegen einige 35032 Marburg/Lahn Natriumphenolat und Kohlensäure unter Antiseptica. Med. Diss. Dorpat 1880. E-Mail: [email protected]

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kenbesitzern und ihrer Art der Ge- schäftsführung und teilweise bedenk- Carl Robert Schwabe lich schlechter Behandlung ihrer An- gestellten, wie auch er sie am eigenen Leib erleben musste. (1809–1854) im Spiegel der Die damals den Warenverkehr behin- dernden Grenzen zwischen den preu- ßischen und sächsischen Hoheitsgebie- Briefe an seinen Vater ten wirkten sich für den jungen Schwabe oft finanziell erschwerend Ein Beitrag zur Alltagsgeschichte der Apothekergehilfen aus. Denn auch die geringsten Kleinig- keiten mussten teuer verzollt werden, nachdem er vom sächsischen in das Irene R. Lauterbach und Christoph Fried- preußische Hoheitsgebiet nach rich | Apotheker Carl Robert Schwa- Marklissa gewechselt war. Um dem zu be (1809–1854) (Abb. 1), Vater des entgehen, wurden ihm beispielsweise Gründers des heute weltweit agie- seine Strümpfe ungewaschen ge- renden Unternehmens zur Herstel- schickt und ein neuer Anzug musste lung pflanzlicher Arzneimittel „Dr. in Leipzig von Verwandten zunächst Willmar Schwabe GmbH & Co KG“, getragen werden, damit er dem Zoll Dr. Willmar Schwabe (1839–1917),1 als alt und nur gering zollpflichtig er- stammte aus Leipzig. Sein Vater, schien.8 Carl Robert Schwabes Briefe Carl Gottfried Ferdinand Schwabe spiegeln die herzliche Verbundenheit (1774–1832), war der Wirt des Gast- zwischen Sohn und Vater wider, den hofes zum Goldenen Horn. Seine er oft vertrauensvoll um Besorgungen Ausbildung zum Apotheker begann der verschiedensten Art bat, wobei er der vierzehnjährige Carl Robert im immer wieder deren umgehende Er- Mai 1823 bei Louis Theodor Sänger füllung voraussetzen durfte. in Neustadt an der Orla, wo er bis A bb. 1: Porträt des Apothekers Carl Als der junge Apothekergehilfe Carl Weihnachten 1825 blieb.2 Danach Robert Schwabe Robert Schwabe seine erste Stelle im kehrte er nach Leipzig zurück, um südöstlich von Dresden gelegenen in der dortigen Engel-Apotheke bei sächsischen Pirna an der Elbe in der Carl Robert Schwabe als Gehilfe Heinrich Adolph Täschner (1786– Löwen-Apotheke des Prinzipals Jo- 1868), der damals als einer der an- Carl Robert Schwabe arbeitete an- hann Gottlieb Abendroth (1772–1837) gesehensten Apotheker Leipzigs schließend als Gehilfe in den Offizi- antrat, war es infolge der „kleinen Eis- galt, seine bis 1827 dauernde Apo- nen dreier recht verschieden gearteter zeit“ so kalt, dass die Elbe im Winter thekerlehre fortzusetzen.3 Prinzipale. Über die oft ungünstigen vollkommen zufror.9 Als im Frühjahr Arbeitsbedingungen berichtete er ein- das Aufbrechen des Eises bevorstand Von diesem Lehrherren wurde der gehend seinem Vater Carl Gottfried und große Überschwemmungen zu be- junge Carl Robert Schwabe wissen- Ferdinand Schwabe (Abb. 2). Der erste fürchten waren, warnte man die Be- schaftlich gefördert; so gestattete Brief ging verloren, doch weitere 19 völkerung mit donnernden Böller- Täschner ihm sogar, Vorlesungen zur Schreiben blieben erhalten.7 Aus ih- schüssen. Dies erfolgte jedoch nicht Chemie an der Universität zu hören, nen spricht ein selbstbewusster junger immer rechtzeitig, und viele Men- unter anderem bei Otto Linné Erd- Mann, der sich gegen ungerechte Be- schen, die zu nahe am Wasser wohn- mann (1804–1869),4 und beschäftigte handlung zu wehren wusste und in ei- ten, konnten nur mit Mühe ihr Leben, den Lehrling zuletzt als „dritten Re- nem Fall von bösartiger Unterstellung nicht jedoch ihr Eigentum retten.10 zeptarius“.5 Das war ein besonderes sogar recht energisch und erfolgreich Bei seinem neuen Prinzipal, Johann Vertrauen in sein Können, denn hier- dagegen vorging. Gottlieb Abendroth, einem mit neun- zu musste der ja noch sehr junge Ganz unterschiedliche Themen wer- zehn Kindern gesegneten Mann, erleb- Mann die oft recht unterschiedlichen den in den Briefen von Carl Robert te Carl Robert Schwabe beinahe uner- Namen und Bezeichnungen der ver- Schwabe angeschnitten, so auch die träglich schlechte Arbeitsbedingun- ordneten Substanzen einwandfrei un- starke Kälte, die aufgrund der so ge- gen. Zu Beginn ihrer Zusammenarbeit terscheiden können, wie sie vor allem nannten „Kleinen Eiszeit“ bis ins frü- beeindruckte der wissenschaftlich von alten Ärzten immer weiter ver- he 19. Jahrhundert reichte. Vor allem sehr gebildete Abendroth Schwabe zu- wendet wurden.6 jedoch begegnete der junge Gehilfe nächst und bot ihm sogar an, seine sehr verschiedenen Typen von Apothe- vorzügliche wissenschaftliche Biblio-

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Prinzipals waren die Söhne aus erster Ehe bereits versorgt: So wirkte ein Sohn als Leibarzt des Gouverneurs in Odessa und zwei weitere hatten den Apothekerberuf ergriffen. Ein jünge- rer Sohn studierte noch Pharmazie und dürfte für die Nachfolge in der Apotheke vorgesehen gewesen sein.18 Unter diesen Verhältnissen entschloss sich Carl Robert Schwabe zum ­frühestmöglichsten Termin, also zu Ostern 1830, auszuscheiden. Er trat anschließend in Torgau in die Löwen- Apotheke von Friedrich Conrad Siege- mund ein, vermutlich von Täschner dorthin empfohlen. Doch auch diese A bb. 2: Umschlag eines Briefes an den Vater Carl Gottfried Fer- Stelle erwies sich als wenig erfreulich, dinand Schwabe von C. R. Schwabe da auch hier kein Lehrling arbeitete und – wie Schwabe bemerkte – seine Vorgänger daher nie lange geblieben thek benutzen zu dürfen (Abb. 3).11 Apotheke war, gab es viel zu tun. Kein waren.19 Obgleich ausdrücklich als La- Doch dies erwies sich als ein leeres Wunder, dass, wie Carl Robert Schwa- borant angestellt, arbeitete er kaum Versprechen, denn Schwabe erhielt be schreibt, ein sehr häufiger Wechsel im Labor, sondern hatte nur das ange- nie die Gelegenheit, Bücher auch nur des Apothekenpersonals die Regel schlossene Materialgeschäft zu besor- in die Hand zu nehmen. Vor allem war.17 gen. Dazu kam, dass die Ehefrau des aber beklagte sich Schwabe, dass in Vermutlich sorgte die zweite Frau Prinzipals ihm wohl mehr als nötig der Apotheke zwar mit ihm insgesamt Abendroths dafür, dass sämtliche Aus- zugeneigt war.20 vier Gehilfen angestellt waren, jedoch gaben so niedrig wie möglich gehalten Schließlich wurde der junge Pharma- kein einziger Lehrling, weshalb er als wurden, damit die eigenen Kinder – zeut im Juli 1830 offenbar von seinem der jüngste genötigt wurde – obgleich sechs zwischen 8 und 18 Jahre alte Prinzipal Siegemund bei seinem Vater höher qualifiziert –, deren niedere Ar- Mädchen – ernährt werden konnten. in Leipzig verleumdet, zuvor wohl beiten zu übernehmen.12 Von den insgesamt 19 Kindern des auch bei mehreren anderen Stellen in Die Verhältnisse bei Apotheker Abend- roth waren recht ungewöhnlich, da ein Lehrling wesentlich weniger Lohn als ein Gehilfe erhielt. Allerdings hät- te Abendroth einen Lehrling viele Jah- re behalten müssen, während die Ge- hilfen oft wechselten und er so die Va- kanz zum Sparen nutzte. Zwar wurde Carl Robert Schwabe nicht schlecht behandelt, doch was man ihm zumute- te, wurde für ihn immer unerträgli- cher. Zudem gab es sehr wenig Frei- zeit,13 die er jedoch nutzte, um die schöne Umgebung an der Elbe ken- nenzulernen und sich an der frischen Luft zu erholen.14 Die Arbeitsbedin- gungen in dieser Apotheke waren rücksichtslos auf Sparen ausgerichtet. So gab es in dieser eiskalten Zeit kei- nen einzigen Ofen in den Apotheken- räumen15 und die Angestellten konn- ten mit ihren froststeifen Händen kaum arbeiten.16 Da die Offizin die A bb. 3: Brief Carl Robert Schwabes an seinen Vater vom einzige und folglich bestens laufende 16.12.1829 aus Pirna

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Torgau. Auf ein nicht überliefertes Schreiben seines Vaters antwortete Carl Robert Schwabe am 14. Juli 1830 (Abb. 4): „Bevor ich Ihren Brief beant- worten kann, bitte ich erst um umge- hende Uebersendung des Briefes mei- nes Prinzipals, um diesen schändli- chen Verleumder u[nd] Lügner u[nd] schlechten Kerl erst gerichtlich zur Rede zu stellen, was alle hiesigen Aer­ zte thun, andere 4 Zeugnisse erhalten Sie nächstens, eins heute Ihr guter Carl“.21 Dieses erste Zeugnis lautete: „P[raemissis] P[raemittendis] Mit der greßten [!] Uberzeugung kann als practischer Arzt-Operateur und be- stallter Geburtshelfer [ich] versichern, daß bis jest [!] von mir im In- und Aus- lande eine nicht unbedeutende Ge- schäfftsführung zu [Textverlust] ge- worden und gegenwärtig noch ist, [Textverlust] daß p. p. Karl Schwabe, A bb. 4: Brief Carl Robert Schwabes an seinen Vater vom 14. Provisor in hiesiger Löwen-Apotheke, Juli 1830 aus Torgau stets bei jeden nur entfernten Forde- rungen des Arztes mit aller Ordnung, Liebe und Bescheidenheit seine oblie- schien ihm die Stelle in der schönen Kaufmanne anempfohlen, so daß bis genden Pflichten erfüllet hat, und nur Renaissancestadt als angenehm, jetzt noch nicht ein einziges Mal ver- der Wunsch, daß solcher länger noch gleichzeitig ermöglichte sie ihm, dem gangen ist, daß mich niemand mitge- hier in Torgau bleiben mag, ist der vorherigen, ihm gegenüber so wenig nommen hätte. Vorige Woche war hier Wille des Unterzeichneten“.22 Worauf korrekten Prinzipal „einen Streich zu großer Ball, wo mich mein Prinzipal sich dies bezog und was sich weiter er- spielen“, da, wie er schrieb, „dies auch mit nahm u[nd] ob ich mir auch geben hatte, war nicht mehr festzu- Herrn Siegemund gewiss nicht sehr fest vorgenommen hatte nicht zu tan- stellen. Jedenfalls blieb Carl Robert angenehm sein werde“, wenn der be- zen, so musste ich doch den Bitten Schwabe weiter in Torgau und wählte liebte Gehilfe nun in der besseren und fast aller nachgeben u[nd] musste mit erst die folgende Wechselzeit für sei- größeren Apotheke der Stadt arbeiten loslegen“.26 nen Abgang. Vermutlich war der würde.25 Im Januar 1831 teilte Carl Robert sei- Grund, dass er noch die anfallende Vi- Doch schon bald erwies sich Marklis- nem Vater allerdings mit, dass er in sitation in Torgau nutzen wollte, um sa als ideale Stelle für Schwabe. Die Marklissa nur so lange bleiben werde, sein „Gehülfenexamen für die preußi- Arbeitsbedingungen sagten ihm sehr bis er eine Stelle in Leipzig gefunden schen Staaten“ zu absolvieren. Er er- zu, er wurde wie ein Sohn des Hauses hätte, worüber er bereits mit Apothe- hielt ein „sehr gut“ und somit die bes- behandelt und sogar gesellschaftlich ker Täschner verhandelt habe. Haupt- te Note. Dennoch durfte er nicht wie außergewöhnlich gefördert, wie er grund war zweifellos die schwere Er- erhofft umgehend eine Apotheke in dem Vater im Dezember 1830 froh be- krankung seines Vaters, aber die übli- Rathenow übernehmen, weil das Colle- richtete: „Mein Prinzipal [...] ist wie che Wechselzeit wäre bereits Ostern gium medicum ihn nicht zum vorge- mir andere versichert haben wie auch gewesen.27 Da er jedoch nicht wusste, schriebenen Examen zuließ, da er seine Frau Gemahlin äußerst zufrie- wie schwer krank sein Vater war, bat noch zu jung war, um einer Apotheke den mit mir auch hat er diß schon er in dem Schreiben erneut um eine vorzustehen.23 sehr oft gegen mich bewiesen, ich noch nicht erledigte Zusendung und Daher wechselte er in das preußische habe daher vielmehr Weihnachten, schrieb: „Hoffentlich wird Sie dieser Marklissa (heute Leśna, Polen) zu als alle meine Vorgänger, dreimal die Brief wieder völlig hergestellt antref- Apotheker und Senator Friedrich Woche gehe ich mit ihm in Gesell- fen, was ich von ganzem Herzen nur Heinrich Kolbe.24 Carl Robert Schwabe schaft, habe außerdem noch einen allein wünsche. Ueberbringer dieses, plante zunächst, nur kurz dort zu Wochenausgehtag, u[nd] einen Son- Herr Anders ist ein sehr guter Freund bleiben, da er in Torgau von dem zwei- tag, um den andern, frei, wo meist von mir, er wünscht Sie gern kennen ten Apotheker des Ortes ein gutes An- mein Prinzipal dafür sorgt, daß ich zu lernen. Sie versprachen doch mei- gebot erhalten hatte. Zum einen er- noch mit diesen oder jenen hiesigen nem Prinzipal Nelkensetzker, er hofft

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stets darauf u[nd] ich schrieb Ihnen ja D er weitere Lebensweg auch, daß bei mir 4 Pariser Nelkensaa- men bestellt wären, haben Sie denn 1833 setzte Carl Robert Schwabe sein keine mehr, ich werde immer darum Studium an der Leipziger Universität bombardirt, der Fuhrmann ist jetzt in fort, wo er Vorlesungen zur Chemie Leipzig er wohnt im schweizer Kreutz bei Otto Bernhard Kühn (1800–1863) auf dem Bühl. – Wenn Sie sonst etwas und zur Medizinischen Botanik bei an mich mitzugeben haben, so wird Gustav Kunze (1793–1851) hörte. Letz- Herr Anders die Güte haben u[nd] mir terer bescheinigte, dass „Carl Robert selbiges mitbringen. Nun wünsche ich Schwabe, Stud. pharmaciae aus Leip- Ihnen eine dauernde Gesundheit. Vie- zig, [s]einen, im Sommerhalbjahre le Grüße an die Mutter u[nd] Julius so 1833 gehaltenen Vorlesungen über wie an alle Freunde von Ihrem gehor- medizinische Botanik und über Heil- samsten Sohne“.28 kräfte der Pflanzen mit großem Fleiße Doch wie bereits den vorherigen Brief beigewohnt“ hatte.31 Nachdem Schwa- Carl Roberts vom 24. März 1831, in be 1835 das Pharmazeutische Examen dem er um die Übersendung einer mit „gut“ bestanden hatte, gründete er A bb. 6: Reisepass für Robert Schwa- Broschüre über die Homöopathie gebe- ein Jahr später gemeinsam mit dem be, aus dem Staatsarchiv Leipzig ten hatte,29 konnte der Vater auch die- Kaufmann Franz Ludwig Gehe (1810– (StA-L 20140304-2304520003) ses Schreiben nicht mehr beantwor- 1882) in Dresden die Großhandlung ten. Seine Krankheit war offenbar so Gehe & Schwabe. Hier widmete er sich weit fortgeschritten, dass er am 5. Juni vor allem der „eigenen Fabrikation sich zu einem bedeutenden Unterneh- 1832 verstarb. Da es nun keinen zwin- chemisch-pharmaceutischer Präpara- men entwickelte. genden Anlass für Carl Robert Schwa- te“. Aber bereits am 1. Mai 1835 Im März 1837 erwarb er die Konzessi- be mehr gab, die hervorragende Stelle schied er aus der Großhandlung wie- on für die Apotheke in Auerbach im in Marklissa aufzugeben, blieb er dort der aus, die dann unter dem alleinigen Vogtland, in der er nebenher noch noch bis zum April 1833.30 Namen Gehe weitergeführt wurde und eine Material- und Weinhandlung be- trieb, um in dem kleinen Städtchen existieren zu können (Abb. 5).32 Im No- vember 1836 hatte er Caroline Emilie, geb. Diebel, in Auerbach geheiratet, die ihm sieben Kinder gebar. 1839 wurde als zweites Kind Carl Emil Willmar Schwabe, der Gründer des gleichnamigen Unternehmens, gebo- ren. 1851/52 zog die Familie nach Dresden.33 Hier verstarb Carl Robert Schwabe am 9. September 1854 in der Lautznerstraße 23 im Alter von 47 Jahren an Lungentuberkulose. Er wur- de am 12. September auf dem Neustät- ter Friedhof beigesetzt.34

R esumee Die Briefe von Carl Robert Schwabe (1809–1854) an seinen Vater Carl Gott- fried Ferdinand Schwabe (1774–1832) sind ein Beispiel herzlicher Verbun- denheit von Vater und Sohn bei gleich- zeitiger unsentimental geschäftlicher Beziehung. In den Berichten des jun- gen Apothekergehilfen erfährt man viel über damalige Apothekenprinzipa- A bb. 5: Apotheke in Auerbach im Vogtland, in der auch Willmar Schwabe geboren le und deren oft schäbiges Verhalten wurde gegenüber ihren Angestellten. Die

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who has been little known in the history of Grosse: Geschichte der Stadt Leipzig von pharmacy so far. der ältesten bis in die neueste Zeit. Leipzig Carl Robert Schwabe was born in Leipzig as the 1897, S. 315. son of an innkeeper. At the age of 14 he began 4 Nachweis über die Teilnahme von O. L. Erd- his pharmaceutical education in Neustadt an mann für C. R. Schwabe. In: Staatsarchiv der Orla. He continued his training in the En- Leipzig [wie Anm. 2], S. 61, zu O. L. Erd- gel-Apotheke with Heinrich Adolf Täschner mann vgl. Lothar Beyer: Otto Linné Erd- (1786–1868) in Leipzig. From then on he mann an Justus Liebig. Kommentierte Brie- worked as an assistant in several pharmacies. fe von 1853 bis 1867. Leipzig 2014, S. 45–61. His letters to his father, which are preserved in 5 Zeugnis Heinrich Adolph Täschner für Carl the state archive of Leipzig, provide an excel- Robert Schwabe. In: Staatsarchiv Leipzig lent insight into the life and work of a pharma- [wie Anm. 2], S. 54. cist assistant in the Saxon town Pirna, in Tor- 6 Vgl. hierzu: Dittmann, Eduard: Die Rezep- gau and in Marklissa. The letters clearly show tir-Kunst nach preußischen Medizinalge- how hard life was for a young pharmacist assis- setzen. Frankfurt an der Oder 1842, S. 12. tant in those days and how much he depended 7 Es existieren 19 Briefe (1828–1831) von on the patronage of his principal, thus mirro- Carl Robert Schwabe an seinen Vater Carl ring everyday history of pharmacies in the first Gottfried Ferdinand Schwabe in Leipzig, half of the 19th century. die sich im Staatsarchiv Leipzig 20706 Willmar Schwabe Arzneimittel, Leipzig, Nr. Keywords 316, Briefe C. R. Schwabes an den Vater C. A bb. 7: Geburtsschein für Carl Robert F. Schwabe, befinden. Ein erster ging offen- Homeopathy, biography Carl Robert Schwabe, bar verloren. Die mehrfachen Textverluste Schwabe, aus dem Staatsarchiv Leip- Dr. Willmar Schwabe, Leipzig, Pharmaceutical beruhen teils auf defektem Papier, teils auf zig education Papieralterung. 8 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom Abbildungsverzeichnis 11.2.1831. In: Staatsarchiv Leipzig [wie Briefe bestätigen die Ausführungen Abb. 1: Porträt des Apothekers Carl Robert Anm. 7]. 9 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom von Nicole Klenke zur Arbeitszeit der Schwabe (das Bild stellte freundlicherweise Frau Katrin Bosse-Bringewatt zur Verfü- 11.12.1829 und vom 17.2.1830. In: Staatsar- Gehilfen. Erholungszeiten waren da- gung) chiv Leipzig [wie Anm. 7]. mals insgesamt rar und die Arbeitszeit Abb. 2: Umschlag eines Briefes an den Vater 10 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom betrug im Durchschnitt oftmals 14 Carl Gottfried Ferdinand Schwabe von 3.3.1830. In: Staatsarchiv Leipzig [wie Anm. 7]. Stunden pro Tag.35 In der unbeheizba- C. R. Schwabe [wie Anm. 7] Abb. 3: Brief Carl Robert Schwabes an seinen 11 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom ren Pirnaer Apotheke erlebte Schwabe Vater vom 16.12.1829 aus Pirna [wie Anm. 6.12.1829. In: Staatsarchiv Leipzig [wie bei Johann Gottlieb Abendroth aller- 7] Anm. 7]. 12 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom dings besonders harte Arbeitsbedin- Abb. 4: Brief Carl Robert Schwabes an seinen Vater vom 14. Juli 1830 aus Torgau [wie 12.10.1829. In: Staatsarchiv Leipzig [wie gungen. Die Briefe zeigen aber auch, Anm. 7] Anm. 7]. wie abhängig ein strebsamer Gehilfe, Abb. 5: Apotheke in Auerbach im Vogtland, in 13 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom der sich weiterbilden wollte, von sei- der auch Willmar Schwabe geboren wurde 6.12.1829. In: Staatsarchiv Leipzig [wie Anm. 7]. nem Prinzipal war. Auch ein gebildeter [wie Anm. 7] Abb. 6: Reisepass für Robert Schwabe, aus dem 14 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom Apotheker wie Abendroth bot keine Staatsarchiv Leipzig [wie Anm. 2] 12.10.1829. In: Staatsarchiv Leipzig [wie Garantie für gute Bildungschancen. Abb. 7: Geburtsschein für Carl Robert Schwabe, Anm. 7]. Andererseits erlaubte ihm Apotheker aus dem Staatsarchiv Leipzig [wie Anm. 2] 15 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom 18.11.1829. In: Staatsarchiv Leipzig [wie Friedrich Heinrich Kolbe in Marklissa Anm. 7]. in ganz untypischer Weise die Teilnah- Anmerkungen 16 Beleg C. R. Schwabes an seinen Vater vom me am gesellschaftlichen Leben. 1 Zur Geschichte der Firma Schwabe vgl. Ul- 18.11.1829. In: Staatsarchiv Leipzig [wie rich Meyer/Christoph Friedrich: „Rastlos Anm. 7]. Die mehrfach erzwungene Nebentätig- vorwärts allezeit“. 150 Jahre Dr. Willmar 17 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom keit im Materialhandel dürfte Schwa- Schwabe 1866–2016. Hamburg 2016. 6.12.1829. In: Staatsarchiv Leipzig [wie be wohl angeregt haben, in einer Zeit 2 Zeugnis Louis Theodor Saengers für Carl Anm. 7]. der Niederlassungsbegrenzung zu- Robert Schwabe. In: Staatsarchiv Leipzig 18 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom 20706 Willmar Schwabe Arzneimittel, 18.11.1829. In: Staatsarchiv Leipzig [wie nächst eine Großhandlung zu grün- Leipzig, Nr. 328, persönliche Dokumente C. Anm. 7]. den. Aber bereits ein Jahr später konn- R. Schwabe, S. 56. 19 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom te er eine eigene Apotheke erwerben, 3 Zeugnis Heinrich Adolph Täschner für Ro- 2.5.1830. In: Staatsarchiv Leipzig [wie bert Schwabe. In: Staatsarchiv Leipzig [wie Anm. 7]. wobei sein Weg in die Selbständigkeit Anm. 2], S. 53; zu Täschner (Schreibweise 20 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom dank des väterlichen Erbes damals auch Taeschner) vgl. auch Arno Kapp: Hein- 2.5.1830. In: Staatsarchiv Leipzig [wie nicht die Regel war.36 rich Adolf Taeschner, ein Freund der Ho- Anm. 7]. möopathie. In: Staatsarchiv Leipzig 20706 21 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom Willmar Schwabe Arzneimittel Leipzig, Nr. 14.7.1830. In: Staatsarchiv Leipzig [wie Summary 317 Manuskripte, S. 32–34 und Michael Anm. 7]. The article provides an insight into the life and Michalak: Das homöopathische Arzneimit- 22 Anlage zum Brief C. R. Schwabes an seinen work of Carl Robert Schwabe (1809–1854), foun- tel. Von den Anfängen zur industriellen Vater vom 14.7.1830. In: Staatsarchiv Leip- der of the company „Dr. Willmar Schwabe Fertigung. Stuttgart 1991 (Heidelberger zig [wie Anm. 7]. Diese ärztliche Beschei- GmbH & Co. KG”, existing now for 150 years, Schriften zur Pharmazie und Naturwissen- nigung ist ein Zeugnis für Carl Robert and father of Dr. Willmar Schwabe (1839–1917), schaftsgeschichte; 5), S. 56 sowie Karl Schwabe. Es war nicht festzustellen, wo-

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rum es sich gehandelt hat. ― Für die Hilfe 28 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom der Dresdener Königskirche. In: Staatsar- anlässlich der Entzifferung dieser gealter- 13.4.1831. In: Staatsarchiv Leipzig [wie chiv Leipzig [wie Anm. 2], S. 22. ten und extrem schwierigen Handschrift Anm. 7]. Bei Nelkensetzkern handelte es 35 Nicole Klenke: Zum Alltag der Apotheker- sei Herrn Professor Dr. Rainer Polley, Mar- sich offenbar um bereits angewurzelte jun- gehilfen vom 18. bis Anfang des 20. Jahr- burg, gedankt. ge Nelkenpflanzen. hunderts. Stuttgart 2009 (Quellen und Stu- 23 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom 29 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom dien zur Geschichte der Pharmazie; 92), S. 28.9.1830. In: Staatsarchiv Leipzig [wie 24.3.1831. In: Staatsarchiv Leipzig [wie 15–20. Anm. 7]. Anm. 7]. 36 Klenke [wie Anm. 35], S. 433f. 24 Zu Friedrich Heinrich Kolbe, Senator und 30 Zeugnis für Carl Robert Schwabe von Apotheker, vgl.: Landtagsverhandlungen Friedrich Heinrich Kolbe vom 4.4. 1833. der Provinzial-Stände in der preussischen In: Staatsarchiv Leipzig [wie Anm. 2], Anschrift der Verfasser: Monarchie, Band 14, 1837, S. 282. S. 58. Dr. Irene Lauterbach 25 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom 31 Schreiben des Professors D. Gustav Kunze Königsberger Str. 43 28.9.1830. In: Staatsarchiv Leipzig [wie vom 24.01.1834. In: Staatsarchiv Leipzig 66121 Saarbrücken Anm. 7]. [wie Anm. 2], S. 59. E-Mail: [email protected] 26 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom 32 Konzessionsschein. In: Staatsarchiv Leip- 8.12.1830. In: Staatsarchiv Leipzig [wie zig [wie Anm. 2], S. 85. Prof. Dr. Christoph Friedrich Anm. 7]. 33 Firmenarchiv Schwabe: Heidi Wächter: Institut für Geschichte der Pharmazie, 27 Brief C. R. Schwabes an seinen Vater vom Schwabe-Geschichte. Familientag 3. Okto- Roter Graben 10, 19.1.1831. In: Staatsarchiv Leipzig [wie ber 2010, S. 3f. 35032 Marburg Anm. 7]. 34 Kopie des Eintrags Nr. 392 im Kirchenbuch E-Mail: [email protected]

Teichfischer / Brinkschulte Der aus Bamberg stammende J.L. Schönlein zählt Johann Lukas Schönlein zu den bedeutendsten deutschen Medizinern der (1793–1864): „Mon chèr ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nachdem im Monsieur Schönlein“ Vorjahr bereits die Briefe von Schönlein ediert Briefe an den Arzt, Lehrer wurden (Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2014), und Vater folgen nun die Briefe an Schönlein.

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einen Beruf gewählt, die praktische Medizin, dem meine innere Organisa- Der Pharmazeut Georg tion nicht entsprach, und für welchen ich die rechte Bahn in Dorpat nicht finden konnte“.3 Dragendorff (1836 - 1898) 1814 promovierte v. Baer dort mit der Dissertation De morbis inter Esthonos endemicis,4 zu der er bemerkt: „Im üb- und der Naturforscher Karl rigen wird die Dissertation ungefähr so viel Werth haben, wie die meisten, welche über so allgemeine Aufgaben Ernst von Baer (1792 - 1876) von jungen Leuten ohne Erfahrung ge- schrieben werden, nämlich einen sehr Ein Beitrag zum 140. Todestag Karl Ernst von Baers geringen […]. Ein Doctor medicinae ri- te promotus war ich nun, aber ein Doc- tor, der wenig Vertrauen zu sich hatte Jürgen Schwalm | Im Jahre 1867 kehr- Steinchen ergänzend eingefügt wer- und nicht viel mehr zu der Medizin te Karl Ernst von Baer nach Dorpat den müssen. überhaupt“.5 (Tartu/Estland) zurück, wo er seine Karl Ernst von Baer, geboren am 17. So entschloss sich v. Baer, seine erste wissenschaftliche Ausbildung Februar 1792 auf dem Landgut Piep Kenntnisse durch Studienreisen zu erhalten hatte. Über sein reicher- „im Jerwenschen Kreise im Gouverne- vertiefen. Er verschaffte sich prakti- fülltes Leben hat er selbst berichtet.1 ment Estland“, besuchte die Ritter- sche medizinische Erfahrungen in Häufig pendelt das Leben bedeuten- und Domschule in Reval (Tallinn/Est- Wien und Berlin (Charité) und besuch- der Menschen zwischen Extremen. land) und studierte ab 1810 Medizin te in Halle Karl August Weinhold Auch bei v. Baer wurden Zeiten er- in Dorpat (Tartu/Estland). Er urteilt (1782–1829),6 hörte in Berlin aber auch folgreicher Produktivität von lan- zurückblickend: „Einige Professoren Vorlesungen über „Krystallographie gen Lebensabschnitten depressiver waren sehr kränklich, so dass es fast und Geologie“ bei Christian Samuel Stagnation unterbrochen. Seine den Anschein hatte, als habe man sie Weiss (1780–1856)7, „die mit großer Zeitgenossen hielten ihn für unent- gewählt, um ihnen eine anständige Lebhaftigkeit vorgetragen, mich unge- wegt und vielseitig beschäftigt, und Versorgung zuzuwenden. Man spotte- mein interessierten“.8 Immer wieder es gelang ihm meist leicht, durch te über das Invalidenhaus und als in wird v. Baers Streben nach breitgefä- vorgetäuschte Agilität auch widrige der medicinischen Facultät die beiden cherter, aber zugleich fundierter na- Phasen zu vertuschen. Doch als er Professoren Styx und Balk gewählt turwissenschaftlicher Ausbildung in höherem Alter seine Lebenserin- waren, hörte ich noch als Schüler mit deutlich. In jenen Studienjahren legte nerungen schrieb, gestand er seine Lachen erzählen, jetzt habe die Facul- er das Fundament für seine späteren Schwächen durchaus ein. tät einen Balken über den Styx gelegt, Erfolge in ganz unterschiedlichen Be- um den Weg in die Unterwelt sicher zu reichen. Diese Erinnerungen sind auch heute machen […]. Vor allen Dingen hatte ich Entscheidend war in Würzburg die Be- Teichfischer / Brinkschulte Der aus Bamberg stammende J.L. Schönlein zählt noch lesenswert, weil sie viele Urteile gegnung mit dem Anatomen Ignaz Johann Lukas Schönlein zu den bedeutendsten deutschen Medizinern der über v. Baers Zeitgenossen enthalten. Döllinger (1770–1841)9. Hier entdeckte (1793–1864): „Mon chèr ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nachdem im Die Diktion erfolgt in unterhaltsamer, und entwickelte v. Baer sein Talent auf Monsieur Schönlein“ Vorjahr bereits die Briefe von Schönlein ediert aber oft auch uferloser Eloquenz, die v. dem Gebiet der embryologischen For- Briefe an den Arzt, Lehrer wurden (Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2014), Baer mit „Altersgeschwätzigkeit“ ver- schung und sagte sich los von der un- und Vater folgen nun die Briefe an Schönlein. harmlost. In diesen Erinnerungen hat geliebten „practischen Medicin“, um

v. Baer sich nicht nur selbst analysiert sein Leben der Forschung zu widmen. Von Philipp Teichfischer Diese kritisch edierten Briefe vervollständigen und Eva Brinkschulte. (und nicht selten verkannt), sondern Karl Friedrich Burdach (1776–1847), liefern ein beeindruckendes Bild von Schönleins seine Freunde warmherzig gelobt und der in Dorpat v. Baers Anatomie-Leh- 2016. 351 Seiten. 5 s/w Abbildungen. ausgedehnter Korrespondenz und seinem großen 10 Faksimiles. Format 17 x 24 cm. Wirkungskreis. seine Feinde geistreich attackiert. Er rer war und 1814 nach Königsberg be- Gebunden. € 64,- [D] würzt seine gewandte Abrechnung rufen wurde, setzte sich für dessen ISBN 978-3-515-11284-0 mit einem guten Schuss Humor, der Einstellung in Königsberg ein, die E-Book, PDF. aber auch spitz werden konnte. 1817 erfolgte. Bis 1834 blieb v. Baer an ISBN 978-3-515-11287-1 B. Raikov hat die wohl gründlichste dieser Universität; er war zunächst Monographie zu v. Baer erstellt;2 er Prosektor, von 1828 bis 1834 Direktor schildert das Biographische so aus- der Anatomischen Anstalt der Univer- Franz Steiner Verlag führlich, dass in das dort ausgebreite- sität und zugleich von 1819 bis 1822 Birkenwaldstrasse 44 | 70191 Stuttgart te Lebensmosaik nur noch wenige A bb. 1 Karl Ernst v. Baer außerordentlicher Professor der Zoolo- Tel 0711 2582 -341 | Fax -390 www.steiner-verlag.de AZ Teichfischer / Brinkschulte 11284 2016-07-14 Gi 2016-07-14 11284 Brinkschulte / Teichfischer AZ Alle Preise verstehen sich inklusive MwSt. [D], sofern nicht anders angegeben. Die Lieferung erfolgt versandkostenfrei innerhalb Deutschlands. Nr.2/3 | August 2016 | 68. Jahrgang | Geschichte der Pharmazie | 43 Lieferung ins Ausland zuzüglich Versandkostenpauschale in Höhe von € 8,90 pro Versandstück.

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erster genau den Furchungsprozess, verkannte indes völlig seine Bedeu- tung. V. Baer betrachtete die Zellen nicht als Grundeinheiten eines Organismus, sondern sah in ihnen lediglich ein Pro- dukt der Differenzierung. Nach seiner Meinung durfte man dem Leben der Zelle keine zu große Bedeutung zuer- kennen: „Wenn die Zellen aus eigener Kraft den thierischen Organismus bau- en sollte, müssten sie viel morphogene- tischen Verstand haben, wenn auch die Entwicklung überall einen solchen Fortgang nimmt, als ob im Ei ein be- wusster Baumeister säße“.13 Heute ist bekannt, dass man diesen „Verstand“, diesen „Baumeister“ im genetischen A bb. 2 Universität Dorpat/Tartu Apparat der Zelle zu suchen hat. Über den Entschluss v. Baers von Pe- gie und seit 1821 Direktor des Zoologi- theologischen Kreisen kontrovers dis- tersburg nach Dorpat zurückzukeh- schen Museums;10 von 1822 bis 1834 kutiert wurde. Der Bericht über die ren, schreibt B. Rother: „Baer sehnte hatte er zudem das Amt als ordentli- Entdeckung gehört zu den lebendigs- sich fort aus dem Trubel der Haupt- cher Professor der Naturgeschichte ten und packendsten Abschnitten sei- stadt; sein Wunsch war es, seinen Le- und Zoologie an der Medizinischen Fa- ner Autobiographie. Seinem Bericht De bensabend in einer kleineren Stadt in kultät inne. ovi mammalium et hominis12 fügte v. der Nähe seiner Kinder, aber doch 1829 erhielt v. Baer einen Ruf an die Baer unter anderem die Abbildung ei- nicht zu weit entfernt von der wissen- Kaiserliche Akademie der Wissen- nes Graafschen Follikels vom Schwein schaftlichen Welt, an deren Forschun- schaften in Petersburg, der er 1834 bei, die so exakt ist, dass sie als zeitlo- gen und Ergebnissen er bis zu seinem Folge leistete. Nun begann ein zweiter ses Dokument eine heutige anatomi- Lebensende lebhaften Anteil nahm, zu Lebensabschnitt: Jahrzehnte, in denen sche Arbeit illustrieren könnte. verbringen. Er erwählte sich Dorpat, er für die russische Regierung zahlrei- Doch erkannte der Entdecker der Ei- wohin er 1867 übersiedelte, nachdem che, ausgedehnte Reisen und Expediti- zelle die ganze Tragweite seiner Ent- im vorausgegangenen Jahre noch sei- onen leitete.11 Deren Ergebnisse hielt deckung nicht, da er die Spermien für ne jüngere Schwester Emilie [1799– er in vielen Veröffentlichungen zoolo- bloße „Samenthierchen“ hielt, sodass 1866], die ihm das Hauswesen nach gischen, anthropologisch-kraniologi- ihm das Wesen der Befruchtung ver- dem Tode seiner Frau [Auguste, geb. schen Inhalts vor allem aber in geo- borgen blieb. Er beschrieb zwar als von Medem, mit der er seit 1820 ver- graphisch-geologischen Arbeiten fest. Für seine großen Verdienste erhielt er am Ende seines Petersburger Aufent- haltes viele Würdigungen und Aus- zeichnungen. Aus der Sicht unserer Tage erscheint manche Wertschätzung v. Baers überhöht, aber die Bedeutung, die er als „Vater der Entwicklungsge- schichte“ einnahm, überdauerte die Zeiten. Die Lehre von den Keimblät- tern ist mit seinem Namen verknüpft. Nach langjährigen Vorstudien gelang v. Baer in den ersten Maitagen des Jahres 1827 der Nachweis, dass sich nicht nur die Vögel, sondern auch die Säugetiere (und damit der Mensch) aus einem befruchteten Ei entwickeln. Baers Entdeckung des Säugetier-Eies A bb. 3 Darstellung des Graafschen Follikels vom Schwein. Das Ei (Ovulum) ist mit der war eine Sensation, die vor allem in Ziffer 8 gekennzeichnet.

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Stadt und Universität: „Zum Verbande der Dorpater Naturforscher-Gesell- schaft war ich bald nach meinem Ein- treffen in Dorpat hinzugetreten“.20 Ab 1875 übernahm er das Sekretariat, also fast die gesamte Geschäftsfüh- rung, und redigierte die Sitzungsbe- richte.21 Zunächst unterstand er dem Präsidenten v. Baer22, nach dessen Ab- leben im Jahre 1876 Friedrich Bidder (1810 – 1894).23 Er fährt fort: “Mit bei- den habe ich im freundschaftlichen Verkehr gestanden und stets den Ein- druck gehabt, dass sie die Mühewal- tung, welche ich übernommen, auch als ihnen erwiesene Rücksicht be- A bb. 4 Haus Mühlenstraße 4 urteilt haben. – Karl Ernst v. Baer war nach langem Wander- und Forscherle- heiratet war] geführt hatte, verstorben Schriftleiter des Organs der Gesell- ben etwa 10 Jahre vor seinem Tode war. Mit ihm zog die jüngste Schwes- schaft, der Pharmaceutischen Zeit- nach Dorpat übergesiedelt, um hier, ter Adeline [geb. 1806] nach Dorpat, schrift für Rußland. Nach der Habilita- wo er seine erste wissenschaftliche die ihn bis zu seinem Tode in aufop- tion berief man Dragendorff 1864 zum Ausbildung erhalten, seine Tage zu be- fernder Liebe versorgte“.14 Leiter des Pharmazeutischen Instituts schließen. Da er in der Nähe unserer Er wohnte in Dorpat in der Mühlen- an die Universität Dorpat. Es gelang ersten Wohnung sich eingemietet hat- straße 4: „There was a proper house ihm in kurzer Zeit, sein Institut zu te und häufiger meine Vermittlung bei with a large garden attached to it […] einer bedeutenden Forschungs- und wissenschaftlichen Arbeiten in An- on the borderland of the town […]. Baer Lehrstätte zu entwickeln. Als die zu- spruch nahm, so wurde ich bald eini- occupied the ground floor of the nehmende „Russifizierung“ an der germaßen bekannt mit ihm. Gleich house. The house was kept by his sis- Universität Dorpat Dragendorffs Ar- nach seinem Eintreffen in Dorpat hat- ter Adelina. Alexander and Magnus, beitsmöglichkeiten und Bestrebungen te er einen Jour fixe am Mittwoch bei his grandchildren also lived there du- immer mehr einschränkte und er- sich eingerichtet und mich dazu einge- ring their student years”.15 schwerte, zog er die Konsequenz und laden. Man traf sich abends um 8 Uhr Damals florierte die Universität Dor- kehrte 1894 nach Rostock zurück. und blieb bei Tee und Butterbrot bis pat und v. Baer fand hier einen Kreis Dort starb er am 7. April 1898.17 gegen 11 Uhr zusammen. Kamen bedeutender Wissenschaftler; erwähnt Dragendorff wohnte in Dorpat bis De- Fremde von Bedeutung nach Dorpat, seien die Anatomen Ernst Reissner, zember 1871 im Nebenhaus des Uni- so traf man sie bei ihm“.24 Ludwig Stieda und Emil Rosenberg, versitäts-Syndikus Th. G. Beise in der die Physiologen Friedrich Bidder und Jakobstraße 44. Über dieses Haus Alexander Schmidt, der Chemiker Carl schrieb Dragendorff: „Das Haus war Schmidt, der Botaniker Edmund Rus- von 3 Seiten von einem Garten mit sow, der Geologe Kaspar Konstantin schönen schattigen Alleen, einer alten Grewingk, der Zoologe Georg Seidlitz, schön bewachsenen Schanze aus der die Chirurgen Georg von Oettingen Festungszeit Dorpats umgeben, von und Ernst v. Bergmann – und nicht der aus man einen prächtigen Blick zuletzt der Pharmazeut Georg Dragen- über den Dom hatte“.18 Ab Dezember dorff.16 1871 wohnte Dragendorff dann im Am 20. April 1836 in Rostock geboren, Hause des Malers Redlin in der Schar- absolvierte Dragendorff nach der Apo- renstraße 4 am Embach. Heute steht thekerlehre Studienjahre in Rostock dort das Gebäude der Staatsbank. Die und Heidelberg und promovierte 1861 Straßenzüge Jakobstraße und Mühlen- in Rostock mit der Dissertation Über straße, in der v. Baer wohnte, gingen Einwirkung des Phosphors auf einige ineinander über. In seinen 1886/87 ge- kohlensaure und borsaure Salze. 1862 schriebenen, bislang unveröffentlich- wurde er zum Sekretär der Pharma- ten „Erinnerungen aus meinem Le- zeutischen Gesellschaft in St. Peters- ben“19 berichtet Georg Dragendorff A bb. 5 Georg Dragendorff in Dorpat/ burg ernannt und damit gleichzeitig vom wissenschaftlichen Leben in Tartu

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Im Ophir-Aufsatz hat Dragendorff die botanischen Angaben vertieft, vor al- lem über das Almuggim-Holz, das duf- tende Sandelholz. Einen interessanten Einblick in v. Baers Charakter liefert eine „Unterlassungssünde“. In dem Ophir-Aufsatz werden Carl Schmidt, Konstantin Grewingk und Dragen- dorff, die intensive Vorarbeiten leiste- ten, nicht erwähnt. Erst als Kritik an dem Artikel aufkam, führte v. Baer die Namen im zweiten Band auf, der 1876 nach dem dritten Band erschien, und wählte dabei folgende Formulierung: „Die hiesigen Professoren Carl Schmidt, Grewingk und Dragendorff A bb. 6 Haus Jakobsstraße 44 haben mir vielfache Nachweise dieser Art gegeben, wofür ich ihnen zu herz- Weiterhin berichtet Dragendorff in ten der in diesen Bänden abgehandel- lichem Dank verpflichtet bin. Diese seiner Autobiographie, dass er mit ten Themen gehen auf frühere Belehrungen habe ich geglaubt zu- Alexander Graf Keyserling (1815– Forschungsobjekte zurück wobei sich sammenstellen zu müssen, und diese 1891),25 Alexander von Middendorf v. Baer in Dorpat nur noch auf die Nachrichten möchten wohl denjeni- (1815–1894), 26 Ferdinand Johannes „Sammlung, Vertiefung und Publika- gen, die nur ein Resultat wollen, lang- Wiedemann (1805–1887)27 und vielen tion“ ihn seit Jahren fesselnder Frage- weilig erscheinen, aber dgl. kann man anderen bei v. Baer zu Gast gewesen stellungen beschränkte. Dragendorff ja auslassen, da die Überschriften den sei. Er führt in der Folge aus: „Die hat die Entstehung von Band 3 ver- Inhalt der Paragraphen andeuten“.29 Abende waren außerordentlich anre- folgt, der folgende Aufsätze enthält: Dragendorff fährt in seinen Erinne- gend. Häufiger hatte einer von uns 1. Was ist von den Nachrichten der rungen fort: „Baer, der gelegentlich ge- oder ein Gast einen kleinen, in der Re- Griechen über den Schwanenge- gen ihn Nahestehende etwas rück- gel von Baer bestellten Vortrag über- sang zu halten? sichtslos sein konnte, rücksichtslos nommen, welcher dann weiter An- 2. W o ist der Schauplatz der Fahrten vor allem gegen sich selbst und seinen knüpfung für die Unterhaltung bot. des Odysseus zu finden? alternden Körper, entfaltete da, wo er Ich erinnere mich z. B. eines Abends, 3. Handelsweg, der im fünften Jahr- sich über wissenschaftliche Themata wo uns der Academiker Wiedemann hundert v. Chr. durch einen großen aussprechen konnte, seine ganze Lie- über die chinesische Sprache unter- Theil des jetzt russischen Gebietes benswürdigkeit und einen Eifer, der in hielt. Sehr interessant war es, wenn ging Erstaunen setzte. Trotzdem er sehr Baer auf ein ihn gerade beschäftigen- 4. W o ist das das Salomonische Ophir wohl wusste, dass es nur eines Wortes des Thema zu sprechen kam. Die Viel- zu suchen? bedürfe, um uns in seine Wohnung zu seitigkeit v. Baers war bewunderungs- würdig. Es ist mir eine sehr angeneh- me Erinnerung, die Entstehung der im letzten Bande der ‚Reden und Auf- sätze’ enthaltenen Abhandlungen ver- folgt zu haben und für einzelne Ab- handlungen, zum Beispiel den Auf- satz über Ophirfahrten, auch selbst einiges Material geliefert zu haben“.28 Karl Ernst von Baers Reden gehalten in wissenschaftlichen Versammlungen und kleinere Aufsätze vermischten In- halts erschienen in St. Petersburg, und zwar Band 1: Reden (1864), Band 2: Studien aus dem Gebiete der Naturwis- senschaften (1876) und Band 3: Histori- sche Fragen mit Hülfe der Naturwissen- schaften beantwortet (1873). Die meis- A bb. 7 Haus Scharrenstraße 4

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Zeit gekostet hat, da ich in den ersten Wahl37 geteilt. Dann starb Wagmüller, Jahren […] täglich mindestens eine dessen Modell, das mir übrigens eben- Stunde demselben geopfert habe. so wenig zur Ausführung wie die von Wenn ich dieses Opfer dem Andenken Volz und Wahl geeignet erschien, den Baers auch gerne gebracht habe, so zweiten Preis erlangt hatte. Nun wur- kann ich doch nicht verhehlen, dass de bei Opekušin38 in St. Petersburg ein die Durchführung des Vorhabens mit neues Modell bestellt und dieses vom sehr viel Widerwärtigkeiten verbun- Conseil angenommen; und dann be- den war. Schnell waren die Mittel be- gann eine jahrelange Quälerei mit schafft, aber schon als die Concurrenz Opekušin, der sich zwar als bedeuten- ausgeschrieben, die Modelle einge- der Künstler, aber auch als ein ganz sandt, die Jury geurteilt hatte, began- unzuverlässiger Mensch erwies. Jahre- nen die Ärgernisse. Das mit dem ers- lang war es nicht möglich, ihn zur ten Preis bedachte Modell von Ville- Ausführung der Tonfigur zu bewegen. bois34 konnte nicht zur Ausführung Erst als wir ihm im Frühjahr 1886 ein A bb. 8 Georg Dragendorff im Phar- gelangen, weil Wagmüller35 glaubte Ultimatum stellten und mit einem Pro- mazeutischen Institut der Universität nachweisen zu können, dass es zu zess drohten, entschloss er sich, an die Dorpat/Tartu sehr an eine Statuette erinnere, wel- Arbeit zu gehen, die dann auch rasch che er von Geh. Rath Pfeufer36 angefer- vollendet wurde. Am 16. November tigt und welche Villebois gekannt 1886 (also am 10. Todestag v. Baers) rufen, kam er oft noch selbst spät habe. Nachdem von Villebois den Preis wurde das Denkmal enthüllt, wobei abends zu uns, wenn er uns eine wis- freiwillig zurückgezahlt, war eine mir die Übergabe an die Universität senschaftliche Frage vorzulegen hatte. schriftliche Abstimmung darüber ein- zufiel“.39 Die Festrede bei der Denk- Rührend war es mir, wie er nach Er- zuleiten, wem nun der Preis zufallen malsenthüllung übernahm Emil Ro- scheinen des letzten Bandes seiner sollte. Er wurde zwischen Volz und senberg.40 ‚Reden und Aufsätze‘ abends um 8 Uhr meine Treppe heraufkletterte – wir wohnten damals schon im Redlin- schen Hause, – um mir ein Exemplar derselben zu bringen. Als K.E. v. Baer den 16ten November 1876 verstarb, hinterließ er eine Lücke, die uns kei- ner wieder füllen konnte“.30 In der Sitzung der Dorpater Naturfor- scher-Gesellschaft vom 25. November 1876 würdigte Dragendorff den Ver- storbenen,31 und seine Rede über die Schicksale und Leistungen der Gesell- schaft in den ersten 25 Jahren ihrer Tätigkeit im Jahre 187832 ist zugleich eine Laudatio auf v. Baer. An der Errichtung des v. Baer-Denk- mals in Dorpat (am Domberg) hatte Dragendorff maßgeblichen Anteil. Er schildert die komplizierte Vorge- schichte in seiner Autobiographie: „In der ersten Hälfte des Jahres 1886 musste ich in Angelegenheiten des Denkmals zweimal nach St. Peters- burg fahren. Gleich nachdem im Jahre 1877 das Conseil (der Senat der Uni- versität Dorpat) ein Comité zur Errich- tung des Denkmals erwählt, war ich mit A. Schmidt33 mit der Geschäfts- führung betraut worden. Ich muss sa- A bb. 9 Dragendorff bei der Einweihung des Denkmals von gen, dass mich das Unternehmen viel Karl Ernst v. Baer

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in the natural sciences, while he maintained close academic and personal contacts with the members of the chair of the university. The author´s great-grandfather – the regular profes- sor of the University of Dorpat´s pharmaceuti- cal institute – Georg Dragendorff (1836 – 1898; known for the reagent for detection of alkaloids which bears his name) was a friend of v. Baer and reported v. Baer´s activities in his “Memo- ries” (written in 1886/87). The erection of the monument in honor of Baer in Tartu, which was unveiled in 1886 (sculptor: Aleksander Opekušin; 1841 – 1923), had been made possible mainly by Dragendorff`s tireless dedication.

Keywords Baer, Karl Ernst von, Dragendorff, Georg Noël, Estonia, Dorpat, Rostock, Memories, V.-Baer- Memorial

Abbildungsverzeichnis: 1. Karl Ernst v. Baer. Stich aus der Autobio- graphie von 1866 2. Universität Dorpat/Tartu: Lithographie von Höflinger nach einer Zeichnung von Ed. Ivanson im „Album von Dorpat und Umge- bungen“ (Dorpat 1860) 3. Darstellung des Graafschen Follikels vom Schwein. Das Ei (Ovulum) ist mit der Ziffer 8 gekennzeichnet. – Aus: K. E. v. Baer: De A bb. 10 Das Denkmal von Karl Ernst v. Baer in Dorpat/Tartu ovi mammalium et hominis, 1827 4. Karl Ernst von Baer wohnte in Dorpat bis zu seinem Tod im Hause Mühlenstraße 4 (Foto aus einem Prospekt des Hauses) 5. Georg Dragendorff in Dorpat/Tartu (Photo- Am 17. Februar 1892 hielt Dragendorff zierte dort die Resultate seiner natur- graphie Atelier Th. John, vormals Schlater, zur 100. Wiederkehr des Geburtstages wissenschaftlichen Forschungen, wo- Dorpat) von Karl Ernst v. Baer eine seinerzeit bei er intensive wissenschaftliche und 6. Bis Dezember 1871 wohnte Georg Dragen- dorff in Dorpat im Nebenhaus des Universi- vielbeachtete Gedächtnisrede. Sie gesellschaftliche Kontakte mit Mitglie- täts-Syndikus Th. G. Beise Jakobsstraße 44 schloss – ganz im Stil der Zeit – mit dern des Lehrkörpers der Universität 7. Ab Dezember 1871 bis 1894 wohnte Georg den Worten: „Die staubgeborene Hülle unterhielt. Der Urgroßvater des Autors, Dragendorff im Hause des Malers Redlin Scharrenstraße 4 unseres edlen Heimgegangenen der Lehrstuhlinhaber des Pharma­ 8. Georg Dragendorff im Pharmazeutischen schwand, aber hinauf, hinüber, über zeutischen Institutes der Universität Institut der Universität Dorpat /Tartu der Erde Wechsel, zum Urquell aller Dorpat Georg Dragendorff (1836– 9. Georg Dragendorff spricht bei der Einwei- Erkenntniss senden wir unseren Blick. 1898), bekannt durch das nach ihm hung des Denkmals von Karl Ernst v. Baer in Dorpat am 16. 11. 1886 Dort, wo Wissen durch Wissen, Licht benannte Reagenz zum Alkaloid- 10. Das Denkmal von Karl Ernst v. Baer in Dor- durch Licht vermehrt wird, wo jeder Nachweis, war mit v. Baer befreundet pat/Tartu 1977 Zweifel schwindet, jede irdische Disso- und hat in seinen Erinnerungen (ge- nanz gelöst ist, weiß unser Geist ihn schrieben 1886/87) über dessen Akti- Anmerkungen: immerdar zu finden. So ist auch, so vitäten berichtet. Die Errichtung des 1 Karl Ernst von Baer: Nachrichten über Le- bleibt auch Karl Ernst von Baer für im- 1886 enthüllten Baer-Denkmals des ben und Schriften des Herrn Geheimraths Dr. Karl Ernst von Baer, mitgetheilt von 41 mer der unsrige“. Bildhauers Aleksander Opekušin ihm selbst. Veröffentlicht bei Gelegenheit (1841 – 1923) in Tartu konnte vor allem seines fünfzigjährigen Doctor-Jubiläums durch den unermüdlichen Einsatz am 29. 8. 1864 von der Ritterschaft Ehst- R esümee: lands. St. Petersburg 1866. Dragendorffs ermöglicht werden. 2 Neben NDB. Bd. 1 (1953), S. 524 s. vor al- Dem Arzt und Naturforscher Karl lem Boris Raikov: Karl Ernst von Baer Ernst von Baer (1792–1876) war 1827 1792 – 1876, Sein Leben und sein Werk. Summary in Königsberg (Kaliningrad) der Nach- Leipzig 1968 (Acta historica Leopoldina Nr. In 1827 in Königsberg (Kaliningrad), the physi- 5). Die Arbeit erschien 1961 in russischer weis des Säugetier-Eies gelungen. Im cian and natural scientist Karl Ernst von Baer Sprache und wurde von Heinrich v. Knorre Alter (1867) kehrte er nach Dorpat (1792 – 1876) provided evidence for the mam- ins Deutsche übertragen. Nach 1961 findet (Tartu/Estland) zurück, wo er seine mal ovum. In his old age (1867) he returned to sich zu v. Baer eine Fülle an Monographien, Dorpat (Tartu/Estonia), where he once had star- Einzelaufsätzen und Briefeditionen, s. als akademische Laufbahn begonnen hat- ted his academic career. There he collected, edi- Überblick Karlsruher Virtueller Katalog te. Er sammelte, redigierte und publi- ted and published the findings of his research (KVK, letzter Zugriff 2. 6. 2016).

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3 von Baer [ wie Anm. 1], S. 123. S. 257; Hugo Semel: Die Universität Dorpat war Zoologe und Forschungsreisender 1852 4 Endemische Krankheiten bei den Esten. (1802 – 1918), Dorpat 1918, S. 75f.; Isidorus wurde er als ordentliches Mitglied der Kai- Die Dissertation erfuhr auch eine Überset- Brennsohn: Die Ärzte Estlands, 1922, serlichen Akademie der Wissenschaften zu zung ins Estische unter dem Titel: Eestlaste S. 432f.; Kurt Dragendorff: Georg Dragen- St. Petersburg aufgenommen, zu deren Eh- endeemili stet haigenstest. Tallin 1976. dorff, sein Leben und Wirken (1836–1898) renmitglied er 1865 ernannt wurde; zudem 5 von Baer [wie Anm. 1], S. 149. in: Die Pharmazie 7 (1952), S. 498–502; fungierte er als ständiger Sekretär der 6 Karl August Weinhold war seit 1817 ordent- NDB. Bd. 4 (1959), S. 99, Deutsche Apothe- Akademie in den Jahren von 1855 bis 1857, licher Professor der Medizin und Chirurgie ker-Biographie. Hrsg. v. Wolfgang-Hagen s. NDB. Bd. 17 (1994), S.463f. und Direktor der chirurgischen und oph- Hein u. Holm-Dietmar Schwarz (Veröffent- 27 Ferdinand Johannes Wiedemann (1805– thalmologischen Klinik in Halle, s. ADB. lichungen der Internationalen Gesellschaft 1887) war Linguist für finno-ugrische Spra- Bd. 41 (1896), S. 504f. sowie Jürgen für Geschichte der Pharmazie, N. F. 43). Bd. chen und ab 1857 Mitglied der Kaiserlichen Schwalm: Die Verwendung von Graphit bei 1. Stuttgart 1975, S. 129f.; A. Koop: 350 Jah- Akademie der Wissenschaften zu St. Peters- Hautkrankheiten. In: Der Aufschluss 26 re Universität Tartu, Tallinn 1982, S. 22; burg. s. Baltisches Biographisches Lexikon (1975), S. 60 – 63. Ursula Kokoska: Johann Georg Noël Dra- digital (www.bbl-digital.de/Eintag/Wiede- 7 Christian Samuel Weiss war seit 1810 Pro- gendorff. Sein Beitrag zur Gerichtsmedizin, mannn; letzter Zugriff 7. 6. 2016). fessor der Mineralogie an der Universität Pharmakologie und Pharmazie an der Uni- 28 Dragendorff [wie Anm. 18], S. 131. Kayser- Berlin, s. ADB. Bd. 41 (1896), S. 559f. versität Dorpat. Diss. Med. Berlin 1983 so- ling, Middendorff und Wiedemann kannten 8 v. Baer [wie Anm. 1], S. 215. wie Jürgen Schwalm: Die Nachkommen des v. Baer also aus sei Petersburger Zeit. 9 Ignaz Döllinger war von 1803 bis 1823 Pro- Heintz Schwalm von Rückershausen. Lü- 29 v. Baer [wie Anm. 13], S. XVII. fessor der Anatomie in Würzburg, s. NDB. beck 1974, S. 37f. u. ders.: Der Pharmazeut 30 Dragendorff [wie Anm. 18], S. 131. Georg Dragendorff als Mineraliensammler, Bd. 4 (1959), S. 20f. 31 SDNG. Bd. 4 (1876–78), Heft 2 (1876), S. in: Der Aufschluss 26 (1975), 139–141. Als 10 Die Schilderung der Begründung des Zoo- 282–285. Hauptwerke Georg Dragendorffs: gelten Die logischen Museums in seiner Autobiogra- 32 SDNG. Bd. 5 (1881), Heft 1 (1878), S. 55–77. gerichtlich-chemische Ermittelung von Gif- phie enthält eine hübsche Probe des v. Ba- – Die Gesellschaft war am 28. September ten. St. Petersburg 1868; Die qualitative erschen Humors: „Das Ministerium konnte 1853 gegründet worden. und quantitative Analyse von Pflanzen und sich so wenig denken, dass nie eine solche 33 Alexander von Schmidt (1831–1894) wirkte Pflanzenteilen. Göttingen 1882; Heilpflan- Sammlung in Königsberg bestanden hatte, als Physiologe und Professor in Dorpat, s. zen der verschiedensten Völker und Zeiten. dass es bey dem Curatorium der Universi- NDB. Bd. 23 (2007), S. 176f. Stuttgart 1898 (Neudr. München 1967). tät anfragte, was denn aus den früheren 34 Franz Karl v. Villebois (1836–1890), Bild- 18 Das Manuskript „Erinnerungen aus mei- Objecten dieser Art geworden sey? In Folge hauer in Dorpat, s. Thieme/Becker: Allge- nem Leben“ befand sich im Besitz der Groß- dieser Anfrage wurde überall nachgesucht meines Lexikon der bildenden Künste von mutter des Verf., Erna Dragendorff, die und es fanden sich endlich drei Objecte, die der Antike bis zur Gegenwart. 37 Bde. 1972 von dem schwer leserlichen hand- man früher dem Könige geschenkt hatte, Leipzig 1907–1950 (Nachdruck Leipzig schriftlichen Original ein Typoskript ver- ein Casuar-Ei, das Nest einer Beutelmeise 1999), Bd. 33, S. 370. faßte, das heute im Archiv der Hansestadt und ein ausgestopfter Vogel, dessen Federn 35 Michael Wagmüller (1839–1881) Bildhauer von Insecten so vollständig verzehrt wa- Rostock aufbewahrt wird [im Folgenden zi- tiert als: Dragendorff MS 1886/87; hier S. in München, s. ADB. Bd. 40 (1896), S. 483– ren, dass nur noch die stärkeren Schafte 485. sich erhalten hatten, aber gar nichts von 109f.]. Die Handschrift selbst gilt als ver- 36 Karl v. Pfeufer (1806 – 1869), Professor der den Fahnen. Aus der Form des Schnabels schollen. Medizin in Zürich (1840). Heidelberg und den zwei längeren Federschaften des 19 Dragendorff [wie Anm. 18], S. 1. (1844) und München (1852), s. NDB. Bd. 20 Schwanzes konnte man vermuthen, dass 20 Nach den Sitzungsberichten der Naturfor- (2001), S. 332f. diese rudera von Prionites Momota stamm- scher-Gesellschaft zu Dorpat (im Folgen- 37 Hermann Volz (1847-1941) von 1880 bis ten.“, s. v. Baer [wie Anm. 1], S. 247. den SDNG) wurde Dragendorff im April 1919 Professor an der Staatlichen Akade- 11 Eine Zusammenstellung der Expeditionen 1869 Mitglied der Gesellschaft, s. SDNG. mie der bildenden Künste Karlsruhe, schuf von Baers findet sich bei Barbara Rother: Bd. 3 (1869 – 74), Heft 1 (1869), S. 2. u. a. das Denkmal auf Robert Wilhelm Bun- Die Persönlichkeit Karl Ernst von Baers im 21 1890 wurde Dragendorff Präsident der Ge- sen (1811 – 1899) in Heidelberg (1907/08), s. Lichte unveröffentlichter Briefe. Med. Diss. sellschaft und nach seinem Fortgang aus Thieme/Becker [wie Anm. 34], Bd. 33/34, Göttingen 1966. Dorpat 1894 zum Ehrenmitglied ernannt, s. S. 538; Alexander Amandus v. Wahl 12 Der vollständige Titel des Originals lautet: SDNG. Bd. 9 (1889 – 91), Heft 2 (1890), S. 1 (1839 – 1903) war Bildhauer in München, s. „De ovi mammalium et hominis genesi epi- u. SDNG. Bd. 10 (1892 – 1994), Heft 3 (1894), Thieme/Becker [wie Anm. 34], Bd. 35/36, stolam ad Academiam imperialem scienta- S. 526. In den Jahren von 1875 bis 1992 S. 56. rium Petropolitanam dedit Carolus Ernes- hielt Dragendorff bei den Sitzungen der Ge- 38 Aleksander M. Opekušin (1841–1923) Bild- tus a Baer Zoologiae Prof. Publ. Ord. Regio- sellschaft 31 Vorträge bzw. Referate. hauer, Mitglied der Akademie der Künste montanus. Cum tabula aenea. Lipsiae, 22 Die Wahl v. Baers zum Präsidenten erfolgte in St. Petersburg, s. Thieme/Becker [wie sumptibus Leopoldi Vossii. MDCCCXXVII“, am 30. Januar 1869. Anm. 34], Bd. 25/26, S. 26. s. NDB [wie Anm. 2], S. 524. 23 Friedrich Bidder wirkte seit 1835 in Dorpat 39 Dragendorff [wie Anm. 18], S. 160f. 13 v. Baer [wie Anm. 1], S. 526 sowie ders.: Re- als Prosektor, von 1836 bis 1842 als a.o. den, gehalten in wissenschaftlichen Ver- und seit 1842 als o. Professor der Anato- 40 Emil Rosenberg (1842 – 1925), Embryologe sammlungen und kleinere Aufsätze ver- mie, ab 1843 bis 1869 dann als o. Professor in Dorpat, s. von Engelhardt [wie Anm. 16], mischten Inhalts. St. Petersburg 1864– der Physiologie und der Pathologie; 1869 S. 282 u. 458. 1876. Bd. 2 (1876), S. 191f. wurde er emeritiert. 1877 übernahm Bid- 41 SDNG. Bd.10 (1882 – 94), Heft 1 (1892), S. 14 Barbara Rother [wie Anm. 11], S. 39. der das Präsidentenamt der DNG und legte 27 – 40. – In der Literatur über v. Baer ist 15 Zitiert nach einem undatierten Prospekt es 1889 aus Altersgründen nieder, s. NDB. die Rede nicht angegeben. des Hauses in Dorpat (Familienarchiv Bd. 2 (1955), S. 217f. Schwalm/Dragendorff/Rein). 24 Dragendorff [wie Anm. 18], S. 130. Anschrift des Verfassers 16 S. Roderich von Engelhardt: Die Deutsche 25 Alexander Graf Keyserling (1815–1891) war Universität Dorpat in ihrer geistesge- Zoologe und Paläontologe in Dorpat und Dr. med. Jürgen Schwalm schichtlichen Bedeutung. Reval 1933, S. Kurator dieser Universität von 1862 bis Kulenkampstr. 3 118 – 460. 1869, s. Stackelberg, Otto Magnus von: Ge- 23566 Lübeck 17 Zu dem Urgroßvater des Verf., Georg Dra- nealogisches Handbuch der estländischen E-Mail: [email protected] gendorff, s. Apotheker-Zeitung 9 (1894) Ritterschaft. Bd. 3. Görlitz 1930, S. 141. S. 967f. Apotheker-Zeitung 13 (1898) 26 Alexander von Middendorff (1815–1894)

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GdP_2_3_2016_Umb.indd 49 http://publikationsserver.tu-braunschweig.de/get/64741 21.07.16 09:19 Geschichte der Pharmazie Pharmaziehistorische Biennale der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie 2016 in Meißen

W.-D. Müller-Jahncke und Frederik Von- Diesen facettenreichen Forschungsfra- Pharmazie der DPhG sprach auch Prof. gehr | Vom 22. bis 24. April 2016 gen widmete sich der Kongress unter Dr. Christoph Friedrich (Marburg) ein fand im sächsischen Meißen die Bi- verschiedenen Aspekten. Grußwort an die Teilnehmer der Bien- ennale, die die DGGP und die Fach- Dies spiegelt auch die Rednerliste wi- nale. gruppe Geschichte der Pharmazie der, die neben deutschen auch Wissen- der DPhG gemeinsam ausrichten, schaftler aus Polen und der Schweiz Briefe und Sammlungen unter dem Thema „Grenzüber- umfasste, die die Präsidentin herzlich als Mittel der schreitungen in der Pharmazie“ willkommen hieß. Nach der Begrü- statt. ßung durch Meißens Oberbürgermeis- „Grenzüberschreitungen“ ter Olaf Raschke, der an Samuel Hah- Friedrich eröffnete auch mit seinem Wie die Präsidentin der Gesellschaft, nemann als Begründer der Homöopa- Vortrag „Briefe überschreiten Gren- Frau Prof. Dr. Sabine Anagnostou thie erinnerte, ergriffen Göran Don- zen – Apothekerbriefe als Medium (Marburg), ausführte, sind intra- und ner, Vizepräsident der Sächsischen des internationalen und fächerüber- interdisziplinäre Grenzüberschreitun- Landesapothekerkammer und Thomas greifenden Austausches im 18./19. gen geradezu charakteristisch für die Dittrich als Vorsitzender des Sächsi- Jahrhundert“ den wissenschaftlichen Pharmazie. Diese betreffen nicht nur schen Apothekerverbandes e. V. das Teil des Symposiums. Er zeigte an- traditionelle wissenschaftliche Denk- Wort und wandten sich den pharma- hand des von ihm maßgeblich edier- weisen, Dogmen und Methoden. Die ziehistorischen Aspekten des Landes ten Briefkorpus des Erfurter Apothe- Überschreitung geografischer und zu, wobei die 1504 privilegierte Apo- kers Johann Bartholomäus Tromms- ethnischer, aber auch ethischer, juris- theke in Meißen ebenso Erwähnung dorff, dass durch Briefe sowohl wis- tischer, gesellschaftlicher und politi- fand wie der Apotheker Dr. Willmar senschaftliche als auch geographische scher Grenzen haben die Wissens- Schwabe und das Sächsische Apothe- Grenzen überwunden wurden. übermittlung und Wissensbildung in kenmuseum in Leipzig. Als Vorsitzen- Trommsdorff erhielt Briefe von vielen der Pharmazie entscheidend geprägt. der der Fachgruppe Geschichte der Apothekern und Chemikern seiner Zeit aus ganz Europa, deren Inhalte er oftmals in seiner Zeitschrift „Journal der Pharmacie“ veröffentlichte. Die Beschreibung und Entdeckung neuer Elemente und neuer Verfahren waren ebenso Themen des Briefwechsels wie Lehrpläne oder Institutsmitteilungen. Mit den Briefen verschickte man Bü- cher und Ehrungsurkunden zur Auf- nahme in gelehrte Gesellschaften. Mit den Schülern seines Privatinstituts, deren Eltern oder ihres Umfelds fand ebenso ein reger schriftlicher Aus- tausch statt, wie auch private Mittei- lungen oder akademische Vermittlun- gen in den Briefen Erwähnung finden. Insgesamt zeigt sich, welch zentrale Rolle Briefe bei diesen Grenzüber- schreitungen spielten.

Fotos: Frederik Dr. Vongehr Den Naturalienkabinetten des 18. A bb. 1: Bild Markt-Apotheke Meißen Jahrhunderts wandte sich Frau Prof.

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Dr. Iwona Arabas (Warszawa/War- schau, Polen) zu, die neben den Biblio- theken in weiten Kreisen der Aufklä- rung einen wichtigen Platz einnah- men. Unter den polnischen Sammlern ragte die Herzogin Anna Paulina Sa- pieha, geborene Jabłonowska, hervor, deren Kabinett häufig in der zeitge- nössischen Literatur Erwähnung fin- det. Das in Siemiatycze in Russisch- Polen gelegene Schloss der Herzogin beherbergte das „Winterherbar“, wo- hingegen der „Sommergarten“ in Kock eine Anzahl an nordamerikanischen Pflanzen aufwies. Der Priester Kryzsz- tof Kluk übernahm einen Teil der Pflanzennamen in sein 1786/88 in Warschau erschienenes Wörterbuch. Die Herzogin unterhielt einen Brief- A bb. 2: Blick in das Auditorium bei der Biennale der DGGP wechsel mit namhaften Gelehrten und unterstrich damit die Bedeutung der Sammlung, die Zar Alexander I. 1802 1818 gründete man die „Pharmazeuti- schiedenen Abschnitten unterschiedli- für die Universität Moskau erwarb. sche Gesellschaft zu St. Petersburg“, che Schreiberhände auszumachen die später die „Pharmaceutische Zeit- sind. Die Frage nach der Identifikation Deutsch-russische Apotheker, schrift für Russland“ veröffentlichte. der hier beschriebenen Pflanzen blieb Weiterhin stellte Frau Roussanova die bisher ein Desiderat, wobei man aller- Schweizer Hausväterbücher Apothekerdynastie Poehl vor, die un- dings die neueren Glossare zu Rate und polnisch-litauische ter Vater und Sohn einen weltweiten ziehen müsste. Frau Prof. Dr. Anita ­Pflanzenforschung Ruf genoss. Auch die Apotheke in der Magowska (Poznań/Posen, Polen) be- Im Anschluss stellte Frau Dr. Elena Sommerresidenz der Zaren in Carskoe schrieb die Studien zu giftigen Pflan- Roussanova (Leipzig) „St. Petersburg Selo wurde von der deutschen Familie zen, die an der – bis zur Teilung – pol- und seine deutschen Apotheker“ vor. Deringer geleitet. 1833 genehmigte nischen Universität Wilna (Vilnius) im Bereits 1704 bestand eine Apotheke Zar Nikolaus I. die Errichtung einer 18. Jahrhundert und in den Zwischen- in der Stadt an der Newa, die Zar Pe- Homöopathischen Apotheke in St. Pe- kriegsjahren von 1919 bis 1939 an der ter 1712 zur Hauptstadt des Russi- tersburg, die 1834 eröffnet, ab 1869 nun wieder polnischen Stephan-Bàtho- schen Reichs bestimmte. Diese nun unter der Leitung von Feodor Fleming ry-Universität betrieben wurde. Dabei Haupt- bzw. Oberapotheke genannte stand. Die Zulassung von Frauen zur stellte sich heraus, dass die Wilnaer Offizin stand unter der Oberaufsicht Pharmazie erfolgte 1888 und bereits Toxikologen des 18. Jahrhunderts des deutschstämmigen Leibarztes Dr. 1901 betrieb Apothekerin Antonia hauptsächlich der „Ersten Wiener me- Blumentrost, der 1725 zum ersten Lesnervskaia die erste „Frauenapothe- dizinischen Schule“ und ihren Profes- Präsidenten der Kaiserlichen Akade- ke“. Nach der Revolution verloren im soren Anton von Störck und Joseph mie der Wissenschaften zu St. Peters- Zuge der Nationalisierung und Enteig- Quarin, dem Lehrer Samuel Hahne- burg berufen wurde. In diese Akade- nung die deutschen Apotheker in St. manns, folgten, aber dennoch, wie bei- mie wurden auch Apotheker integ- Petersburg jeglichen Einfluss – ihre spielsweise Jędrzej Śniadecki, zu ei- riert, wobei die Wissenschaftssprache Schicksale sind bisher noch unbe- genständigen Ergebnissen kamen. dort Französisch und nicht Deutsch kannt. Auch die Toxikologen und Pharmazeu- war. Deutsche Inhaber leiteten aller- Frau Dr. Barbara Frei Haller (Zürich/ ten an der Universität der Zwischen- dings viele Apotheken in St. Peters- Schweiz) machte mit einem hand- kriegszeit arbeiteten eng mit den Wie- burg, von denen Frau Roussanova Jo- schriftlichen Hausväterbuch bekannt, ner Kollegen zusammen, so beispiels- hann Georg Model aus Rothenburg ob das der Burgherr Burkhard III. von weise Jan Muszyński oder Wacław der Tauber und Alexander Nicolaus Hallwyl, einer im Norden des Kantons Straźewicz, die die traditionellen Heil- Scherer näher vorstellte. Beide traten Aargau gelegenen Herrschaft, 1580 pflanzen der Region auf die Anbau- als Herausgeber deutschsprachiger unter dem Titel „Artzneÿ-Buch“ anleg- möglichkeiten und ihre Inhaltsstoffe pharmazeutischer Fachzeitschriften te, von dem sich 14 Abschriften erhal- untersuchten und die Ergebnisse in hervor, so Scherer mit den „Allgemei- ten haben. Es wurde in nordalemanni- polnischen Zeitschriften veröffentlich- nen nordischen Annalen der Chemie“. schem Dialekt verfasst, wobei in ver- ten.

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„ Innere Grenzüberschreitungen“ er sich aber auch der Forschungsförde- rung durch Stiftungen, die während Im Rahmen des Kongresses fand auch die ordentliche Mitglie- Den „inneren“ Grenzüberschreitungen der Inflation jedoch ihr Vermögen ver- derversammlung mit turnusmä- des deutsch-jüdischen Chemikers Fritz loren; einzig die 1920 gegründete „Not- ßiger Vorstandswahl der DGGP Haber widmete sich Prof. Dr. Michael gemeinschaft der Wissenschaft“ (nach statt. Bestätigt im Amt wurde Mönnich (Tübingen) in seinem Vor- 1945 „Deutsche Forschungsgemein- einstimmig Frau Prof. Sabine trag. Haber ist im kollektiven Gedächt- schaft“) konnte die finanzielle Notlage Anagnostou als Präsidentin der Gesellschaft, wie auch Schatz- nis vor allem durch seine Ammoniak- überstehen. Um diese zu beheben, ver- meister Dr. Michael Michalak. synthese aus Luftstickstoff von 1904 suchte Haber als „moderner Alchemi- Zur neuen Vizepräsidentin der präsent, die 1909 von dem bei der ker“ Gold aus Meerwasser beziehungs- Gesellschaft wählte die Ver- BASF tätigen Chemiker Carl Bosch zur weise Quecksilber zu gewinnen – bei- sammlung Frau Dr. Gabriele großtechnischen Produktion geführt des misslang aus bekannten Gründen. Beisswanger sowie als neue worden war (Haber-Bosch-Synthese). 1933 enthoben ihn die Nationalsozia- Schriftführerin Frau Dr. Ute Götz. Haber erhielt 1920 für seine Leistung listen aller Ämter, sodass er sich ge- Als besondere Ehrung empfing den Nobelpreis, obgleich er noch kurz zwungen sah, Deutschland zu verlas- Dr. Wieland Schäfer für seine zuvor als Kriegsverbrecher in Deutsch- sen. Da er als zum Protestantismus jahrelangen Verdienste um die land gesucht worden war. Dies hängt konvertierter Jude keinen Ausweg da- Pharmaziegeschichte die Valen- eng mit seinen gemeinsam mit weite- rin sah, nach Palästina, wo man ihm tin-Medaille in Bronze. Die Va- lentin-Medaille in Silber für ren herausragenden Chemikern durch- an der dortigen Universität eine Stel- herausragende wissenschaftli- geführten Versuchen mit Kampfstoffen lung angeboten hatte, zu emigrieren, che Leistungen erhielt Prof. Dr. wie Chlorgas zusammen, die 1914 auf ging er nach England und verstarb Axel Helmstädter, Dreieich. den Schlachtfeldern des Ersten Welt- 1934 auf einer Reise in Basel. kriegs von deutscher Seite in Flandern zum Einsatz kamen. Trotz dieser tod- I nternationale Grenzen werden Pflanzen und Geographie sah, die Au- bringenden Forschungen gelang es Ha- toren des späteren 18. Jahrhunderts überschritten ber mit Unterstützung industrieller wie der Erlanger Apotheker Theodor Kreise bereits 1920 wieder in Berlin Prof. Dr. François Ledermann (Bern/ Wilhelm Christian Martius im 19. Fuß zu fassen, wo er sich wiederum Schweiz) betonte, dass bereits die An- Jahrhundert und dann die Schweizer mit Entwesungsmitteln wie Zyklon A tike, so bei Theophrast von Eresos und Pharmakognosten Friedrich August und B befasste. In dieser Zeit widmete Plinius, Zusammenhänge zwischen Flückiger sowie Alexander Tschirch wieder aufgriffen. Erste Ansätze fin- den sich bei Flückiger, aber auch in der „Pharmacognostischen Karte“ des Pharmaziehistorikers Hermann Sche- lenz, doch erst Tschirch stellte in sei- nem Handbuch die Zusammenhänge zwischen natürlichem Vorkommen, räumlichem Anbau, Drogenhandel und Ökonomie dar. So entwickelte er eine Pflanzen- und Drogengeographie, die der von dem Apotheker Friedrich Ratzel begründeten Anthropogeogra- phie durchaus verwandt war. Schließlich wandte sich Frau Verena Wulf (Düsseldorf) in ihrem Vortrag dem deutsch-jüdischen Arzt und lang- jährigen Leiter des Schaare-Zedek- Krankenhauses in Jerusalem, Moritz Wallach, zu. In eine jüdisch-orthodo- xen Familie im Rheinland geboren, entschloss sich Wallach nach dem Me- dizinstudium 1908 nach Palästina auszuwandern, um dort seinen Glau- bensbrüdern zu helfen. Er praktizierte A bb. 3: (v. l.) Jochen Schröder, Kerstin Grothusheitkamp, Prof. Dr. Sabine Anagnostou über 60 Jahre in diesem Krankenhaus, und Maximilian Haars das er trotz vieler Widerstände nach

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orthodoxen Regeln führte. So beachte- Lehrfilm „Die Apotheke. Eine Zeitrei- ging an Diplompharmazeut Maximili- te er streng das Gebot, am Shabat se“, der vor allem an PTA-Schulen oder an Haars für sein Poster mit dem Titel nicht arbeiten zu dürfen, machte aber interessierten Laienkreisen gezeigt „Warm, kalt, trocken, feucht: Die Arz- bei Notoperationen eine Ausnahme. werden soll. neipflanzen in der Pharmakologie Ga- Frau Wulf schilderte detailliert, wel- lens von Pergamon“ (betreut von Prof. che Infektionskrankheiten Wallach Dr. Sabine Anagnostou und Prof. Dr. D ie Poster bekämpfen musste, wie er sich mit Sabine Föllinger). Apotheker Jochen den hygienischen Zuständen in Jeru- Neben den Vorträgen trugen insge- Schröder erhielt den dritten Preis für salem befasste und welche Medika- samt 23 Poster zum wissenschaftli- seinen Beitrag „Heimatvertriebene mente er insbesondere zur Heilung chen Programm des Kongresses bei. deutsche Apotheker nach dem Zweiten der Malaria verwendete – so die Chi- Die Prämierung der Poster durch die Weltkrieg am Beispiel von Joseph nin-Derivate Euchinin und Optochi- Kongressteilnehmer fiel besonders er- Krause aus Ostpreußen“ (betreut von non. Beide Präparate konnten aus freulich für die Doktoranden des Mar- Prof. Dr. Christoph Friedrich). Deutschland importiert werden, und burger Institutes für Geschichte der Ein besonderer Dank erging seitens auch der Verein, der das Krankenhaus Pharmazie aus. Den ersten Preis er- der Präsidentin und aller Teilnehmer finanziell betreute, hatte in Frankfurt hielt Apothekerin Kerstin Grothusheit- an die Tagungsorganisatorinnen Frau am Main seinen Sitz. Noch heute ist kamp für ihr Poster „Die Kanadische Dr. Ingrid Pieroth (Coswig) und Frau das Schaare-Zedek-Krankenhaus das Gelbwurz (Hydrastis canadensis L.) – Rotraud Mörschner (Berlin), die einen führende Hospital in Jerusalem. Zum ein homöopathisches Simile für Krebs- wohl organisierten und festlichen Abschluss der Vorträge zeigte Apothe- erkrankungen?“ (betreut von Prof. Dr. Rahmen für das hochkarätige wissen- ker Dieter Fuxius aus Köln den von Sabine Anagnostou und Prof. Dr. schaftliche Programm geschaffen hat- ihm geschriebenen und produzierten Christoph Friedrich). Der zweite Preis ten.

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peö rs nlicHES Halle fort. Hier erfolgte 2004 seine Er- stand mit, organisiert Tagungen der nennung zum apl. Professor. Neben Regionalgruppe und im Jahre 2000 ge- der Geschichte der Naturwissenschaf- meinsam mit der Apothekerin Barbara Prof. Dr. Horst Remane ten/Chemie las er auch Pharmaziege- Wittor die in Leipzig stattfindende Bi- 75 Jahre schichte. Bis heute hält er unermüd- ennale. Horst Remane wird von seinen lich eine wöchentlich zweistündige Kollegen sehr geschätzt, nicht zuletzt Horst Remane wurde am 29. Mai 1941 Vorlesung im Rahmen des Senioren- wegen seiner stets liebenswürdigen, in Lauchhammer geboren und begann kollegs. Seine Publikationsliste mit hilfsbereiten und immer auf Ausgleich nach Abitur und Wehrdienst 1961 das über 225 Nummern weist seit 1982 in bedachten Art. Darüber hinaus ist er Chemiestudium an der Karl-Marx-Uni- zunehmendem Maße wissenschafts- ein überaus zuverlässiger, kenntnis- versität Leipzig, das er fünf Jahre spä- historische Arbeiten aus, die vor allem reicher und dennoch stets bescheide- ter mit dem Diplom abschloss. Bereits der Chemie, aber auch der Pharmazie ner Kollege. Die Mitglieder der DGGP seine Diplomarbeit war der Organi- des 18. bis 20. Jahrhunderts gewidmet und seine Kollegen wünschen ihm schen Chemie gewidmet. Nach der sind. Seine Kenntnisse als Organi- weiterhin gute Gesundheit, viel Freu- Promotion 1970 und der acht Jahre scher Chemiker erlauben Horst Rema- de an seiner wissenschaftlichen Ar- später erfolgten Habilitation widmete ne eine sehr genaue Analyse und Aus- beit, aber auch an seiner Familie und er sich intensiv weiteren Forschungen wertung chemiehistorischer Quellen, am Reisen und hoffen auf viele, mit auf diesem Gebiet. 1975 erschien sein sodass er sich nicht nur mit dem Le- ihm immer sehr angenehme Begeg- gemeinsam mit S. Hauptmann und J. ben bedeutender Wissenschaftler wie nungen und weitere interessante Ar- Wilhelm Ostwald, Emil Fischer oder beiten. Hermann Kolbe beschäftigte, sondern Christoph Friedrich, Marburg ganz besonders auch mit deren wis- senschaftlichem Werk und Leistun- gen, die er im jeweiligen historischen Kontext würdigte. Unter seinen zahl- In memoriam Prof. reichen wissenschaftshistorischen Ar- beiten finden sich auch Bücher und Dr. Armin Wankmüller Monographien, hier seien nur die ge- (1924 – 2016) meinsam mit zwei anderen Autoren verfasste „Geschichte der Chemie. Ein Am 20. April 2016 verstarb in Tübin- Überblick von den Anfängen bis zur gen, der Stadt, in der er zeitlebens ge- Gegenwart“ (1986), seine Biographie wirkt hatte, der Pharmaziehistoriker von Emil Fischer (1984) und auch der Armin Wankmüller. Seine Lebensleis- in diesem Jahr erscheinende kommen- tung und seine Verdienste wurden be- tierte Briefwechsel zwischen Justus reits mehrfach gewürdigt, so vor allem Prof. Dr. Horst Remane von Liebig und Otto Linné Erdmann zum 90. Geburtstag 2014 (s. Geschich- genannt. Für sein wissenschaftliches te der Pharmazie 66 (2014), S. 81). Da- Graefe verfasstes „Lehrbuch der orga- Werk wurde er mehrfach ausgezeich- her seien hier nur kurz die Eckdaten nischen Chemie“, von dem mehrere net, so 1993 mit dem Leopoldina-För- seines Lebens genannt: Am 15. Mai Auflagen und Übersetzungen folgten. derpreis des Bundesministeriums für 1924 in Nürtingen geboren, studierte 1980 wechselte Horst Remane an das Forschung und Technologie, 2009 mit Wankmüller nach dem Zweiten Welt- Karl-Sudhoff-Institut für Geschichte der Johannes-Valentin-Medaille der krieg Pharmazie in Tübingen, wo er der Medizin und Naturwissenschaften DGGP und 2010 mit dem Liebig-Wöh- 1954 auch promoviert wurde. Nach in Leipzig, das damals größte wissen- ler-Freundschaftspreis. Seit 2012 ist kurzer Zeit als angestellter Apotheker schaftshistorische Universitätsinstitut, Horst Remane korrespondierendes eröffnete er 1958 die Uhland-Apothe- wo er sich nun intensiv der Geschichte Mitglied der International Academy of ke, die er bis 1987 betrieb. Er war ne- der Chemie widmete. 1987 erwarb er the History of Science. Neben 50 Dip- ben seiner Berufstätigkeit von 1978 die Facultas docendi für Geschichte lomarbeiten betreute Horst Remane bis 1990 Mitglied der Vertreterver- der Naturwissenschaften in Leipzig. acht Doktoranden, die sich mit che- sammlung der LAK Baden-Württem- Noch im gleichen Jahr folgte er einem mie- oder pharmaziegeschichtlichen berg, die ihm im Jahr 2000 die Ehren- Ruf als Hochschuldozent für Geschich- Themen beschäftigen. nadel verlieh. Mit seinen intensiven te der Naturwissenschaften/Chemie 1996 übernahm Horst Remane den archivalischen Forschungen – für ihn an die Pädagogische Hochschule Hal- Vorsitz der Regionalgruppe Sachsen- war ein Tag, den er nicht im Archiv le, wo er bis 1993 wirkte. Danach setz- Anhalt der Deutschen Gesellschaft für verbrachte, ein verlorener Tag – trug te er seine Lehr- und Forschungstätig- Geschichte der Pharmazie und arbei- Armin Wankmüller Entscheidendes keit an der Martin-Luther-Universität tet seitdem sehr konstruktiv im Vor- zur Geschichte des Apothekenwesens

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und der Pharmazie in Württemberg Verleihung der Valentin-Medaille in bei. Die von ihm herausgegebene, Silber geehrt. selbst finanzierte und weitgehend mit Die Mitglieder der Deutschen Gesell- eigenen Beiträgen gefüllte Zeitschrift schaft für Geschichte der Pharmazie „Beiträge zur württembergischen Apo- werden ihm immer ein ehrendes An- thekengeschichte“ ist bis heute eine denken bewahren. unentbehrliche Quelle. Für seine Leis- Sabine Anagnostou, Präsidentin der DGGP tungen wurden ihm alle Ehrungen in Für die Redaktion der der Pharmaziegeschichte zuteil; im „Geschichte der Pharmazie“ Jahre 2001 erhielt er auch für seine Christoph Friedrich Frank Leimkugel unermüdliche Tätigkeit für die Phar- Wolf-Dieter Müller-Jahncke mazeutische Zentralbibliothek in Stuttgart das Bundesverdienstkreuz. Mit Armin Wankmüller ist ein lange in der DGGP als Vorsitzender der Regi- Dr. Klaus Meyer onalgruppe Württemberg und als Vizepräsident der IGGP rastlos tätiger 1996 leitete. Daneben war Klaus Mey- Kollege von uns gegangen. Die DGGP er aktiv in der Berufspolitik tätig so- Akdm a e isCHE nachrichten und alle seine pharmaziehistorischen wie in der Deutschen Gesellschaft für Freunde betrauern zutiefst seinen Ver- Geschichte der Pharmazie, in der er Jerry Stannard Memorial lust. von 1981 bis 2005 die Regionalgruppe cf/wdmj Westfalen-Lippe leitete, von 1990 bis Award für Marburger (s. auch DAZ vom 5. Mai 2016, S. 90 f.) 1996 als Schatzmeister sowie von 1996 Pharmaziehistoriker bis 2004 als Vorsitzender wirkte. Mit großem Organisationstalent und En- Der Marburger Doktorand und wissen- gagement prägte er nachhaltig die schaftliche Mitarbeiter am Institut für Dr. Klaus Meyer Entwicklung dieser wissenschaftshis- Geschichte der Pharmazie, Diplom- verstorben torischen Gesellschaft, indem er für pharmazeut Maximilian Haars, ist der eine stärkere Einbeziehung jüngerer Preisträger des diesjährigen „Jerry St- Am 29.06.2016 verstarb nach langer, Mitglieder (Doktoranden) eintrat und annard Memorial Award“. Der Preis, mit großer Geduld und Lebenswillen sich für die Neuorganisation der DGGP der von der Universität Kansas, USA, ertragener Krankheit, und liebevoll einsetzte. Bis zum Schluss verfolgte an Nachwuchswissenschaftler aus der von seiner Frau Maria betreut, der Eh- Klaus Meyer mit wachem Interesse die ganzen Welt vergeben wird, ist mit renpräsident der Deutschen Gesell- Entwicklung der DGGP und der Inter- 1000 $ dotiert und zeichnet herausra- schaft für Geschichte der Pharmazie nationalen Gesellschaft, deren Vor- gende wissenschaftshistorische Arbei- Dr. Klaus Meyer. Sein Leben und Wir- stand er viele Jahre angehörte und un- ten zur Materia medica, medizini- ken, insbesondere auf dem Gebiet der terstützte die aktiven Kollegen mit Rat schen Botanik, Pharmazie und tradi- Pharmaziegeschichte, sind schon und Tat. tionellen Arzneimitteltherapie vor mehrfach gewürdigt worden, so zu Aber auch als Pharmaziehistoriker 1700 aus. Maximilian Haars ist Dokto- seinem 75. und 80. Geburtstag und wird Klaus Meyer in Erinnerung blei- rand von Frau Prof. Dr. Sabine Anagn- werden noch einmal eine sehr persön- ben, mit fünf Büchern sowie fast 120 ostou und der Marburger Gräzistin liche Darstellung in seinem autobio- Zeitschriften- und Buchbeiträgen, die Prof. Dr. Sabine Föllinger. Seine Dis- grafischen Text finden, der in Band 13 sich u. a. mit der Entwicklung der Ge- sertation hat den Arbeitstitel: „Die der „Veröffentlichung zur Pharmazie- sellschaft für Geschichte der Pharma- καθóλου δυνáμεις der Galenischen geschichte“, der die Vorträge der Bien- zie, mit Sertürner, aber auch mit der Simplicia. Übersetzung und pharma- nale in Meißen enthält, abgedruckt Seuchengeschichte befassen. Seine zeutischer Kommentar von Buch XV wird. Hier sollen deshalb nur noch ei- Kollegen schätzten seine unbedingte der Collectiones medicae des Oreiba- nige wichtige Stationen seines Lebens Zuverlässigkeit sowie seine diplomati- sios von Pergamon.“ genannt werden. sche Art, aber auch seinen westfäli- Maximilian Haars erhielt den Preis Der 1932 im westfälischen Hamm ge- schen Humor. Sein Engagement für für seine Publikation „Die Elementar- borene Klaus Meyer wurde nach dem die Pharmaziegeschichte wurde mit qualitäten in der speziellen Pharmako- Studium der Pharmazie in Marburg der Mitgliedschaft in der Académie In- logie Galens“, die 2016 in dem von Jo- 1961 an der Universität München mit ternationale d’Histoire de la Pharma- chen Althoff, Sabine Föllinger und einer phytochemischen Arbeit promo- cie, der Ehrenmitgliedschaft der Unga- Georg Wöhrle herausgegebenen Band viert. Ein Jahr später gründete er die rischen Gesellschaft für Pharmazeuti- 26 der Reihe „Antike Naturwissen- Wibbelt-Apotheke in Ölde, die er bis sche Wissenschaften sowie mit der schaft und ihre Rezeption“ erscheint.

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Marburg Düsseldorf

Im Fachbereich Pharmazie der Im Fachbereich Pharmazie der Im Fach Geschichte der Pharmazie Philipps-Universität Marburg wurde Philipps-Universität Marburg wurde wurde am 23. Juni 2016 an der Hein- am 15. April 2016 promoviert zum Dr. am 6. Juli 2016 promoviert zum Dr. rich-Heine Universität Düsseldorf Apo- rer. nat. aus dem Fach ­Geschichte der rer. nat. aus dem Fach Geschichte der thekerin Verena Virgina Wulf promo- Pharmazie: Pharmazie: viert mit einer Arbeit zum Thema: Apotheker Karl Conrath: „Lexika der Apothekerin Nicole Manuela Schus- „Medizin, Pharmazie und jüdische Or- Pharmazie. Zur pharmazeutischen ter: „Traditionelle pflanzliche Febrifu- thodoxie hinter den ,Mauern der Wissenskompilatorik des 19. Jahrhun- ga als moderne Phytopharmaka“. Barmherzigkeit‘- Der rheinische Arzt derts als Spiegelbild eines Wandels Die Arbeit stand unter Leitung von Moritz (Moshe) Wallach (1866–1957) von der ,techne‘ zur ,scientia‘. Eine Frau Prof. Anagnostou. und das ,Jüdische Krankenhaus Shaa- buchhistorische, bibliographische und rei Zedek zu Jerusalem‘“ metalexikographische Analyse“ Die Arbeit enstand unter Anleitung Die Arbeit stand unter Leitung von von Prof. Dr. Frank Leimkugel. Herrn Prof. Dr. Friedrich.

„Geschichte der Pharmazie“ 67, 4/2015 die „Wahl eines Mitgliedervertreters“ D eutsche Gesellschaft für veröffentlicht worden. Die Präsidentin ergänzt werden. Tagesordnungspunkt Geschichte der Pharmazie stellt die ordnungsgemäße Einberu- 10 ist dann die „Satzungsänderung“, Protokoll der fung der Versammlung fest. die den Mitgliedern mit der Einladung Mitgliederversammlung Zur Totenehrung erheben sich die An- zur Mitgliederversammlung zuge- wesenden von ihren Plätzen. Seit der schickt wurde. letzten Mitgliederversammlung der Die Präsidentin beantragt, die Tages- Ort: Historischer Rathaussaal, Markt DGGP am 11. April 2014 sind folgende ordnung dahingehend zu ändern. Der 1, 01662 Meißen Mitglieder und Freunde der Gesell- Antrag wird einstimmig, ohne Enthal- Zeit: 22. April 2016; Beginn: 16.15 Uhr; schaft verstorben: Dr. Diethelm Eiker- tungen und Gegenstimmen geneh- Ende: 17.40 Uhr mann, Dr. Werner Endres, Helmut migt. Teilnehmer: 63 Mitglieder lt. Teilneh- Hörath, Dr. Klaus Kiefer, Dr. Jürgen merliste Meyer-Wilmes, Rainer Staat, Alexan- TO P 3: Genehmigung des der Stölzner, Dr. Clemens Stoll, Dieter ­Protokolls TO P 1: Begrüßung der Terborg, Hans Thomas Thomsen und Rolf Zillikens. Das Protokoll der letzten Mitglieder- Teilnehmer und Feststellung der versammlung, abgedruckt in der „Ge- ordnungsgemäßen Einberufung TO P 2: Genehmigung der schichte der Pharmazie“ 66 (2014), Die Präsidentin Prof. Dr. Sabine Anag- S. 55–57, wird ohne Änderungen ein- ­Tagesordnung nostou eröffnet die ordentliche Mit- stimmig bei drei Enthaltungen und gliederversammlung und begrüßt die Zur Tagesordnung liegen mehrere An- ohne Gegenstimme genehmigt. Teilnehmer, besonders die Vertreter träge vor. Auf der Sitzung des erwei- anderer Fachgesellschaften und die terten Vorstands am 16. Januar 2016 TO P 4: Bericht der Präsidentin Gäste aus dem Ausland. Herzliche wurde beschlossen, den Tagesord- Grüße übermitteln Prof. Dr. Christa nungspunkt 7: „Berichte der Regional- Die Präsidentin dankt zunächst allen Kletter, Präsidentin der IGGP, Dr. gruppenleiter“ entfallen zu lassen, da Regionalgruppenleitungen für deren Klaus Meyer, Ehrenpräsident der die Berichte über die Aktivitäten der pharmaziehistorisches Engagement, DGGP und Hans Feldmeier. Aus ge- Regionalgruppen in der Fachpresse für die regelmäßigen, gut besuchten sundheitlichen Gründen ist Prof. Dr. veröffentlicht werden. Die Nummerie- und beliebten Vortragsveranstaltun- François Ledermann verhindert. Die rung der Tagesordnungspunkte ver- gen und Exkursionen. Die Berichte in Einberufung der Mitgliederversamm- schiebt sich dann entsprechend. der Fachpresse zeugen von den Aktivi- lung ist satzungsgemäß und fristge- Der Tagesordnungspunkt 9: „Wahlen täten der Gesellschaft, was wichtig für recht erfolgt und in der Zeitschrift nach § 11 der Satzung“ soll noch um die Außendarstellung und Wahrneh-

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mung der Pharmaziegeschichte ist. stituts ist für 9,90 € direkt über das für die Spende von 200,– € an die Außerdem dankt sie allen Mitgliedern Institut erhältlich. DGGP für die redaktionelle Arbeit. für Forschungen, Vortragstätigkeiten, Publikationen und Ausstellungen, ihre Ein weiterer Höhepunkt war der Kon- Wie gewohnt erschien auch die Zeit- Lehrtätigkeit und sonstige pharmazie- gress der Internationalen Gesellschaft schrift „Geschichte der Pharmazie“. historische Aktivitäten. Sie erfüllen für Geschichte der Pharmazie im Sep- Mit ihren wissenschaftlichen Beiträ- die Pharmaziegeschichte mit regem tember 2015 in Istanbul. Die deutsche gen spiegelt sie das hohe Niveau der wissenschaftlichem Leben und lassen Delegation stellte die meisten Teilneh- Pharmaziegeschichtsschreibung in uns hoffnungsvoll in die Zukunft bli- menden und repräsentierte mit zahl- Deutschland wider. Dank hierfür an cken. reichen Vorträgen und Postern die In- die Herausgeber Christoph Friedrich tensität und das hohe wissenschaftli- und Wolf-Dieter Müller-Jahncke und Die Referentenliste der DGGP wurde che Niveau der pharmaziehistorischen an den Redaktionsbeirat. Ebenso an von Frank Leimkugel (Leimkugel@ Forschung in Deutschland. Sara Dr. Benjamin Wessinger und Dr. Wolf- uni-duesseldorf.de) aktualisiert und Gnehm, Doktorandin in Marburg, er- gang Caesar für die vertrauensvolle kann für gemeinsame Vorträge der hielt den 3. Preis für ihr Poster zum und hervorragende Zusammenarbeit. DPhG zur Verfügung gestellt werden. Thema ihrer Doktorarbeit „Bier in der Die Deutsche Apotheker Biographie Die Präsidentin bittet auch ausdrück- Pharmaziegeschichte“. Die Beiträge wird etwa in dreieinhalb Jahren fertig- lich die frisch Promovierten, sich in des Kongresses werden demnächst gestellt sein. Christoph Friedrich ist es diese Liste einzutragen. veröffentlicht. Während des Kongres- gelungen, ein DFG-Projekt für den 3. ses wurde die Schelenz-Plakette an Ergänzungs-Band der Deutschen Apo- Anschließend berichtet die Präsiden- Prof. Dr. Afife Mat, Präsidentin der theker-Biographie einzuwerben. tin über die Aktivitäten seit 2014: Türkischen Gesellschaft für Geschich- Der Höhepunkt im Jahr 2014 war die te der Pharmazie, für ihr pharmazie- Bei der letzten Mitgliederversamm- Biennale in Bremen vom 11. bis 13. historisches Lebenswerk verliehen. Be- lung wurden die IGGP-Arbeitsgruppen April zum Thema „Arzneien aus dem richte über den Kongress sind in der zur Geschichte der Pharmakopöen Meer und über das Meer“ mit zahlrei- Fachpresse erschienen. Die IGGP hat vorgestellt. Die Ergebnisse dieser Ar- chen Vorträgen auf hohem wissen- einen neuen Vorstand: Präsidentin ist beitsgruppe sind auf der Website der schaftlichem Niveau und mit attrakti- Prof. Dr. Christa Kletter, Vizepräsiden- IGGP einzusehen: http://www.hist- vem Begleitprogramm. Die Organisa- ten Prof. Dr. Axel Helmstädter, Dr. Bru- pharm.org/ISHPWG.htm. tion durch Dr. Gerald Schröder, Dr. no Bonnemain und Dr. Halil Tekiner. Eine Buchpublikation ist geplant. Der Nils Klämbt, Dr. Heinz Rankenburg Dr. Axel Schneider ist Schatzmeister. IGGP-Bericht wird zukünftig nicht und Rotraud Mörschner war perfekt. mehr in Papierform, sondern nur noch Berichte über die Tagung sind in der Der nächste IGGP Kongress findet digital versandt. Er ist auch auf der DAZ, der PZ sowie im Newsletter der 2017 in Warschau statt, danach 2019 Homepage der IGGP einsehbar. Hier IGGP erschienen. voraussichtlich in den USA. werden zukünftig auch die Biennalen der DGGP angekündigt. Das „Highlight“ im Jahr 2015 war das Der Vortragsband zur Biennale in Bre- Die Publikationen der Mitglieder und 50jährige Institutsjubiläum in Mar- men ist unter dem Titel „Arzneien aus Rezensionen pharmaziehistorischer burg im November. Herzlichen Glück- dem Meer und über das Meer: Die Vor- Neuerscheinungen werden wie ge- wunsch an Christoph Friedrich für träge der Pharmaziehistorischen Bien- wohnt in der Pharmaziehistorischen sein jahrelanges wissenschaftliches nale in Bremen vom 11. – 13. April Bibliografie veröffentlicht. Engagement. Das wissenschaftlich an- 2014“ (Veröffentlichungen zur Phar- spruchsvolle und sehr gut organisierte maziegeschichte, Band 12) erschienen. Die Präsidentin freut sich über zahl- Festkolloquium fand große Resonanz Der Versand an die Mitglieder ist er- reiche neue Mitglieder in der Gesell- in der Presse. Die gut besuchte Ver- folgt. Den Autorinnen und Autoren so- schaft und übersandte jedem neuen anstaltung war gleichzeitig eine Ta- wie den Herausgebern Prof. Dr. Chris- Mitglied ein Begrüßungsschreiben gung der Landesgruppe Hessen der toph Friedrich und Prof. Dr. Wolf-Die- nebst Buchgeschenk. Besonders die DGGP und wurde auch von der DGGP ter Müller-Jahncke sei gedankt. neuen Doktorandinnen und Doktoran- finanziell unterstützt. Ein kleiner den wurden zur Mitgliedschaft in der Band mit dem Titel „Pharmaziege- Als Band 13 der Veröffentlichungen Gesellschaft ermuntert. Im vergange- schichte – ein Marburger „Orchideen- zur Pharmaziegeschichte veröffentlich- nen Jahr erhielten einige Mitglieder fach““ von Christoph Friedrich (Uni im te François Ledermann die Briefe von wichtige Auszeichnungen. Gerhard Café 10; 2. Auflage Marburg 2015) Alexander Tschirch an Martha Ber- Gensthaler erhielt den Kulturpreis der über die Geschichte des Instituts und noulli unter dem Titel „Es ist die Mar- Stiftung Kohl’sche Einhorn-Apotheke einem Verzeichnis von Monographien tha-Seele, die meiner Seele vermählt Weißenburg. Auf dem IGGP-Kongress und Dissertationen (bis 2015) des In- ist“. Gedankt sei François Ledermann in Istanbul wurde Christoph Friedrich

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die Carmen Francés Medaille verlie- Die Unterstützung der Deutschen weiterten Vorstand abgesprochen und hen. Ebenfalls in Istanbul wurde Pharmazeutischen Zentralbibliothek mittlerweile wurde auch die Freistel- Frank Leimkugel in die Académie In- wird fortgesetzt. Weiterhin besteht lung seitens des Finanzamtes für die ternationale d‘ Histoire de la Pharma- eine gute Zusammenarbeit mit ande- nächsten drei Jahre erwirkt. cie aufgenommen. ren Gesellschaften und Institutionen, Durch die Erhöhung des Mitgliedsbei- hier sei besonders die Gesellschaft zur trags im Jahr 2015 konnte wieder ein In den vergangenen zwei Jahren feier- Förderung des Deutschen Apotheken- ausgeglichener Haushalt und sogar ten einige Mitglieder runde Geburtsta- museums erwähnt. Das Deutsche Apo- eine leichte Erhöhung des Vermögens ge, so Eva-Marie Wolf, Hermann Vo- theken-Museum gehört zu den bestbe- von rund 22.000 € Ende 2013 auf rund gel, Hans Feldmeier, Gerhard Genstha- suchten Museen des Landes. Im Jahr 30.000 € Ende 2015 erzielt werden. ler, Peter Hartwig Graepel, Irene Lau- 2016 ist als Herausforderung eine Ver- Die Gesellschaft hat derzeit etwa 620 terbach, Fritz Krafft, Barbara lagerung der Magazinbestände in ein Mitglieder. Rumpf-Lehmann, Barbara Wittor und erworbenes Depot zu bewältigen. Wieland Schäfer. TO P 7: Bericht der Kassenprüfer Kontakte zur DPhG werden gleichfalls Die Präsidentin dankt allen Mitglie- erfolgreich fortgeführt. In vielen Lan- Die Kassenprüfung wurde am dern, die die Arbeit der Gesellschaft desgruppen gibt es gemeinsame Ver- 15.4.2016 von Dr. Annette Zimmer- unterstützen, insbesondere Klaus anstaltungen der DPhG und der DGGP. mann und Dr. Diethelm Schneider Meyer, der die Gesellschaft mit einer Die Veröffentlichung der Vorträge des durchgeführt. Die Kassenführung umfangreichen Spende bedacht hat. pharmaziehistorischen Vorsymposi- wurde besonders gelobt und ergab kei- ums der DPhG-Tagung in Frankfurt nerlei Beanstandungen. Beide Kassen- Die Biennale 2018 findet vom 6. bis 2014 ist bereits erschienen, die Ver- prüfer stehen für eine Wiederwahl 8. 4. 2018 in Lindau am Bodensee statt. öffentlichung der Vorträge der Tagung nicht mehr zur Verfügung. Die Organisation liegt in den bewähr- in Düsseldorf 2015 ist in Vorbereitung. ten Händen von Gerhard Gensthaler Das nächste pharmaziehistorische TO P 8: Entlastung des Schatz- und Rotraud Mörschner. Die Biennale Vorsymposium findet am 4. Oktober meisters, des engeren und des ist als bilaterale Tagung zusammen 2016 in München statt. mit der Schweizerischen Gesellschaft erweiterten Vorstandes für Geschichte der Pharmazie geplant, Bei den Regionalgruppen gibt es eini- Die Entlastung des Schatzmeisters was von deren Präsidentin, Dr. Ursula ge Änderungen. Die Regionalgruppe wird beantragt. Dies wird bei Enthal- Hirter-Trüb, ausdrücklich begrüßt Norddeutschland leitet jetzt Verena tung des Betroffenen einstimmig an- wird. Der Arbeitstitel lautet: „Wissens- Wulf und Niedersachsen Stefan Wulle. genommen. Die Entlastung des Vor- formierung in der abendländischen Die Präsidentin dankt den ehemaligen standes und des erweiterten Vorstan- Pharmazie seit dem Mittelalter“. Vorsitzenden Birgit Steinke und Dr. des werden beantragt. Die Anträge Gabriele Beisswanger für ihr jahrelan- werden bei Enthaltung der Betroffe- Austragungsort der Biennale 2020 ges Engagement. nen einstimmig angenommen. wird Detmold sein, eine attraktive ost- Die Präsidentin dankt Michael Micha- westfälische ehemalige Residenzstadt. lak mit einem Geschenk zu seinem TO P 5: Bericht der Die Biennale soll unter dem Rah- 20jährigen Jubiläum als Schatzmeis- menthema „Arzneimittelgeschichte – ­Schriftführerin ter. Sie würdigt die stets zuverlässige neue Aspekte, Ergebnisse und Metho- Die Schriftführerin Dr. Gabriele Beiss- Verwaltung der Finanzen und das kol- den“ vom 24. bis 26. 4. 2020 stattfin- wanger berichtet über das übliche Ta- legiale Miteinander im Vorstand, ver- den. gesgeschäft. bunden mit der Hoffnung auf weitere Jahre des Zusammenarbeitens. Die Homepage der DGGP wird stets TO P 6: Bericht des aktualisiert. Vor kurzem wurde der ­Schatzmeisters TO P 9: Wahlen nach § 11 der Veranstaltungskalender der DGGP im Netz auch für Nicht-DGGP-Veranstal- Der Schatzmeister Dr. Michael Micha- Satzung tungen geöffnet, sodass interessante lak erläutert seinen Bericht anhand Als Wahlleiter wird einstimmig Dr. pharmaziehistorische Vorträge oder der Unterlagen. Das Finanzamt hat Friedrich-Wilhelm Wagner gewählt. Ausstellungen auch anderer Veranstal- neuerdings den Turnus der Prüfungen Es wird einstimmig darüber abge- ter bekannt gemacht werden können. umgestellt. Deshalb musste die Steuer- stimmt, dass eine geheime Wahl nicht Neu ist ein Verzeichnis der abge- erklärung schon vor der Mitglieder- gewünscht wird. schlossenen Dissertationen und ein versammlung abgegeben werden. Der Zur Wahl als Präsidentin wird Prof. Link, der über die Promotionsmöglich- entlastende Kassenprüfungsbericht Dr. Sabine Anagnostou vorgeschlagen. keiten informiert. liegt vor. Das Vorgehen wurde im er- Es gibt keine weiteren Vorschläge. Die

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Wahl erfolgt einstimmig bei zwei Ent- erfolgt einstimmig bei vier Enthaltun- Zwecke verwendet werden. Die Mit- haltungen (eine Enthaltung und Ent- gen und ohne Gegenstimme. glieder erhalten keine Zuwendungen haltung der Betroffenen) und ohne Ge- Alle Gewählten nehmen die Wahl an. aus den Mitteln der Körperschaft.“ genstimme. Zur Wahl als Vizepräsidentin wird Dr. § 14 neu (2): „Bei Auflösung oder Auf- TO P 10: Satzungsänderung Gabriele Beisswanger vorgeschlagen. hebung der DGGP oder bei Wegfall Es gibt keine weiteren Vorschläge. Die Mit Schreiben vom 18.4.2015 verlang- steuerbegünstigter Zwecke fällt das Wahl erfolgt einstimmig ohne Gegen- te das Finanzamt Marburg eine An- Vermögen der Körperschaft an den stimme bei Enthaltung der Betroffe- passung der Satzung an die aktuell Förderverein Deutsches Apotheken- nen. verbindliche Mustersatzung und die museum e.V., Berlin, oder, sollte dieser Zur Wahl als Schriftführerin wird Dr. Vorlage der Satzungsänderung. Es fin- nicht mehr bestehen, an die Deutsche Ute Jutta Götz vorgeschlagen. Es gibt den sich zwar ähnlich formulierte Pas- Pharmazeutische Zentralbibliothek keine weiteren Vorschläge. Die Wahl sagen bereits in unserer Satzung un- e.V., Stuttgart. erfolgt einstimmig bei zwei Enthaltun- ter § 14 Auflösung und § 15 Schluss- gen und ohne Gegenstimme. bestimmungen, das Finanzamt fordert Die Satzungsänderung wird einstim- Zur Wahl als Schatzmeister wird Dr. aber eine Präzisierung der Formulie- mig ohne Enthaltungen und Gegen- Michael Michalak vorgeschlagen. Es rungen. stimmen genehmigt. gibt keine weiteren Vorschläge. Die Die Präsidentin stellt deshalb ihren Wahl erfolgt einstimmig bei Enthal- Antrag auf Satzungsänderung zur Dis- TO P 11: Anträge tung des Betroffenen. kussion. Der Antrag wurde fristge- Zur Wahl als Kassenprüfer werden Dr. recht an alle Mitglieder versandt. Sei- Es werden keine weiteren Anträge ge- Susanne Keller und - in Abwesenheit - tens der Mitglieder sowie der ABDA stellt. Dorothea Kunze vorgeschlagen. Su- gingen mehrere Änderungswünsche sanne Keller bestätigt die Bereitschaft ein. Da die ABDA demnächst umzieht, TOP 12: Verschiedenes Dorothea Kunzes, zu kandidieren und wurde vorgeschlagen, die Adressen ggf. die Wahl anzunehmen. Die Wahl der begünstigten Organisationen weg- Die nächste Mitgliederversammlung erfolgt einstimmig bei drei Enthaltun- zulassen. Dies ist laut Rücksprache der DGGP findet am 6. April 2018 in gen und ohne Gegenstimme. Als Stell- mit dem Finanzamt möglich. Des Wei- Lindau statt. vertreter der Kassenprüfer werden Dr. teren wurde vorgeschlagen, das allge- Nach organisatorischen Hinweisen Antje Mannetstätter und Dr. Larissa meine Wort „Körperschaft“ durch folgt das Schlusswort der Präsidentin. Leibrock-Plehn vorgeschlagen. Larissa „DGGP“ zu ersetzen, um die allgemei- Leibrock-Plehn lehnt derzeit eine Kan- nen Vorgaben des Finanzamtes an die Datum: 3.6.2016 didatur ab. Ferner wird Dr. Christiane DGGP anzupassen. Die Präsidentin Engel vorgeschlagen. Die Wahl erfolgt stellt den Antrag, diese Vorschläge gez. Prof. Dr. Sabine Anagnostou einstimmig bei drei Enthaltungen und aufzunehmen und die Satzung wie Präsidentin ohne Gegenstimme. folgt zu ändern: Als Mitgliedervertreter wird Dr. Fre- gez. Dr. Gabriele Beisswanger derik Vongehr vorgeschlagen. Es gibt § 4 zusätzlich: (5) „Mittel der DGGP Schriftführerin keine weiteren Vorschläge. Die Wahl dürfen nur für die satzungsmäßigen

pondenzadresse: Lindenstr. 11, D-57548 Bei Einzelbezug jährlich Euro 49,– (zzgl. Geschichte der Pharmazie Kirchen/Sieg), unter Mitarbeit von Prof. Dr. 13,80 Euro Versandkosten Inland). Christoph Friedrich, Marburg, und Prof. Dr. Einzelheft Euro 16,– (versandkostenfrei). Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Frank Leimkugel, Mülheim. Alle Preise inkl. MwSt. Geschichte der Pharmazie e.V. Jede Verwertung der „Geschichte der Phar- „Geschichte der Pharmazie“ bis 1989 Redaktionelle Bearbeitung: mazie“ außerhalb der Grenzen des Urhe- „Beiträge zur Geschichte der Pharmazie“, Kathrin Pfister, Heidelberg berrecht-Gesetzes ist unzulässig und straf- erscheint vierteljährlich als regelmäßige bar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Beilage der „Deutschen Apotheker Zeitung“. Redaktionsbeirat: Nachdruck, Mikroverfilmung oder ver- Prof. Dr. Sabine Anagnostou, Marburg; gleichbare Verfahren sowie für die Speiche- Verantwortlich für den Inhalt: Dr. K. H. Bartels, Lohr; Prof. Dr. P. Dilg, rung in Datenverarbeitungsanlagen. Prof. Dr. W.-D. Müller-Jahncke, Hermann- Regensburg; Dr. L. Leibrock-Plehn, Schelenz-Institut für Pharmazie- und Kul- ­Brackenheim; Dr. K. Meyer (†), Münster; © 2016 Deutscher Apotheker Verlag, turgeschichte in Heidelberg e.V., Zwinger- Prof. Dr. U. Meyer, Berlin; Prof. Dr. Michael Stuttgart. straße 14 – 16, 69117 Heidelberg (Korres- Mönnich, Karlsruhe. Printed in Germany. ISSN 0939-334X

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Von Dr. Christiane Engel. ¡¢£¤. ¥¦£ Seiten. §¡ Abbildungen. ¨¨ Tabellen. Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie, Band 106. Kartoniert. ª ¡¦,¦¢ [D] ISBN ¦«§-¨-§¢¥«-¨¬¢¤-¥

Diese Studie untersucht erstmals die Geschichte des Apothekenwesens Nürnbergs nach der Mediatisierung der freien Reichsstadt 1806. Von diesem Zeitpunkt an unterstellte man die Stadt dem Königreich Bayern und dessen Apothekengesetzgebung. Dieser politische Einschnitt und der damit einhergehende Bevölkerungsschwund führte dazu, dass über dreißig Jahre hinweg keine neue Apotheke gegründet wurde. Die Eröff nung der ersten deutschen Eisenbahn 1835 von Nürnberg nach Fürth und die wachsende Industrialisierung bescherten der Stadt einen enormen Einwoh- nerzuwachs, in dessen Folge es zu zahlreichen Apothekenneugründungen kam; 1933 zählte die Stadt 410.000 Einwohner und 50 Apotheken. Am Ende des Zweiten Weltkriegs war jedoch die Hälfte aller Nürnberger Apotheken zerstört. Der zeitliche Rahmen der Studie endet 1958 mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Niederlassungsfreiheit. Die Monographie untersucht neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen die Besitzer und Apothekenmitarbeiter, ihr soziales und politisches Enga- gement sowie ihre Ausbildung, aber auch den Arzneischatz, Gebäude und Einrichtung, die wirtschaftliche Lage der Apotheken und Visitationen.

Von Karl-Günter Zehnpfenning. 2016. VII, 379 Seiten. 2 farbige Abbildungen, 2 s/w Abbildungen. Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie, Band 105. Kartoniert. € 26,80 [D] ISBN 978-3-8047-3471-5

Die vorliegende Studie behandelt das nach Abschaff ung der traditionel- len Universitäten neu gestaltete Hochschulwesen Frankreichs, die nur wenig später erfolgte Humboldtsche Universitäts-Reform in Preußen sowie die Auswirkungen dieser sehr unterschiedlichen Hochschulstruk- turen auf die Eingliederung neuer wissenschaftlicher Disziplinen. Es konnte gezeigt werden, dass das akademische Pharmaziestudium bedeutend leichter an den isolierten Fachhochschulen der Université Impériale zu etablieren war, als an den der freien Wissenschaft und Bildung verpfl ichteten Universität Humboldtscher Prägung und auch in seiner inhaltlichen Ausrichtung zwischen Medizin und Naturwissen- schaften weitgehend andere Wege nahm.

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