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JAHRGANG 8 · AUSGABE NR. 69 · 2017

Extraordinarius der Rechte von Sasso Eine akademische Musterkarriere, deren Entfaltung der Tod Grenzen setzte

Von Gerd Treffer ne eigene Promotion vorbe- Sein Epitaph fand in der gewohnter Fleiß vereint seinem Tode werde. reitete. 1791 wurde er (mit 26 maßgeblichen Beschreibung mit Herzensgüte, D. welche War geboren im Jahre 1765, Joseph Karl von Sassos Jahren und) nach einem ziel- der „Grabsteine der Moritz- Frucht verhieß so eine Blütte! 30. Jänner. Vater war Hauptmann. Er gerichteten, zügigen Berufs- kirche in Ingolstadt (1340- wuchs sie reich heran Starb im Jahre 1793, selbst war am 30. Januar 1765 weg und offenbar besten 1836)“ im Sammelblatt des und bog sich reichlich dar. den 15. Sept. – vor über 250 Jahren – in Leistungen, zum Extraordi- Historischen Vereins Ingol- Man drängte sich um ihn, R.I.P.“ Burghausen zur Welt gekom- narius und damit zu einem stadt von 1926 Erwähnung zu hören Rat und Lehre. men. Sasso hatte 1778/79 der zum Ernennungszeit- (dort allerdings mit einem Zu kurz war jeder Tag, Das Wappen zeigt eine (mit 14 Jahren) die letzte punkt jüngeren Professoren Zahlendreher im Todesjahr zu stillen rechts gewendete Ente, die Klasse des Münchener Gym- der Universität Ingolstadt 1739 statt 1793). J.B. Götz, Des gier’gen Hörers Durst mit dem rechten Fuß eine nasiums besucht und war ernannt, wobei mit dem Ext- Lokalhistoriker und selbst nach Unterricht, Kugel hält und mit dem lin- unmittelbar anschließend raordinarius kein Staatsge- Geistlicher an der Moritzkir- Zu lang die Nacht; sie ward ken auf einem im blauen zum Studium an die Univer- halt verbunden war. Joseph che, gibt den Text auf der durchwacht, zu schützen Felde aufragenden Dreiberg sität Ingolstadt gekommen. Karl von Sasso war aber Solnhofner Platte (1,38 x Der Unschuld Ruh, steht, darüber die fünfzacki- 1781 (mit 16 Jahren) erwarb auch Hofgerichtsadvokat. 0,74 Meter) die, abgesehen die Rechte der Bedrükten. ge Freiherrn-Krone. er den Magistergrad und Er glaubte sich vermutlich vom Wappen, ohne allen Jetzt, da die weite Bahn Die Platte liegt heute nahm ein Studium der Rech- berechtigt, auf eine beacht- Schmuck ist, wider: sich seinem Eifer öffnet, im Pflaster der westlichen te auf. 1785 (mit 20 Jahren) liche akademische Karriere „Dem Andenken des Und Jugendjahre Muth und Kapelle (rechts vom Ein- rückte er nach als der Repe- zu hoffen. Wissenschaftli- Herrn Joseph von Sasso, Kraft gewähren – gang) im nördlichen Seiten- titor in der juristischen Fakul- che Aktivitäten jedoch ver- der Weltweisheit und Rechte Ertönte Gottes Ruf – schiff. Laut Götz wurde sie tät Alois Duschl im Zuge der mochte er nicht zu entfalten Doktor und Professor Er hört und betet an in der frühen Literatur nicht Säuberung der Universität – ihnen setzte sein früher Tod extraordinr gewidmet. Und bringt ergeben sich erwähnt. Nach dem Ster- von den Illuminaten entlas- (mit 28 Jahren) am 15. Sep- Verstand der Reife (k)nab zum Opfer dar. beregister der Pfarrei wur- sen worden war. tember 1793 ein vorzeitiges in früher Jugend Reime Noch äußert Herz und Mund de Joseph Karl von Sasso Sechs Jahre folgten, wäh- Ende. Stes reger Weiß des den heißen Wunsch: im Friedhof der Moritzkirche rend derer von Sasso als Joseph Karl von Sasso Sassos Epitaph in der Moritzkirche: Der früh verstorbene Scharfsinns selten Gabe Oh sähe doch an mir die bestattet und er schließt dar- Repetitor mit Rechtsstuden- wurde in der Moritzkirche Joseph Karl von Sasso wurde in der Moritzkirche Und jeder Müh‘ und Weisheit tiefer Erde, aus: „Die Platte wurde also ten paukte und zugleich sei- bestattet. bestattet. Schwierigkeit zu trotzen, Wie gut dem Christen es in später hierher versetzt.“

Lehrstück über die Verflech- tungen der ersten zu Mattmann, Ingolstadt vs. Scaliger, Ingolstadt lehrenden und Von Gerd Treffer ten Vater als Begleiter und chend war er im Poitou und verfasst (als dessen schwa- Sekretär diente, dessen Lieb- im Limousin herumstreifend cher Punkt sich seine Eitel- entsandten Jesuiten Der 1565 – also vor 450 lingsbeschäftigung im Ver- auch als Wache eingesetzt, keit und sein Stolz erwie- Jahren – in Luzern gebore- fassen lateinischer Verse und mindestens einmal im Feld sen). Gaspar Scioppius – im Alfonso de Pineda (Spanien), Wilhelm ne Rudolf Mattmann, war einem wahren Gelehrtenda- gegen die Katholische Liga, Dienst der Jesuiten stehend Limborg (Belgien), Peltanus (Lüttich) bei den Jesuiten eingetre- sein bestand. klagte über die Trennung von – setzte 1601 ein glänzend ten und von ihnen 1587-1590 1558 ging Joseph Justus seinen Büchern, war aber – verfasstes Werk „Scaliger tiy- zum Theologiestudium an an die Sorbonne, studierte anders als die meisten Zeit- pobolinnaeus“ (Der unterge- Von Gerd Treffer Bakkalaren vorgeschriebene die Bayerische Landesuni- Griechisch, Hebräisch, Ara- genossen – frei von existen- schobene Scaliger) dagegen Sentenzenvorlesung. Um die versität geschickt worden. bisch – brachte es darin zu tiellen Sorgen. – es war letztlich ein Schlag, Vor 450 Jahren (am 4. April Jahreswende 1561/62 über- Zwei Jahre war er anschlie- beachtenswerten Kenntnis- Seine literarisch-wissen- gegen den sich Scaliger zwar 1566) verstarb in Rom ein nahm er die Logik-Lektur ßend in Dillingen tätig, ehe sen, wenn auch nicht zu der schaftlichen Arbeiten waren wütend wehrte, von dem er recht junger spanischer Jesu- und zwar von Hermes Hal- er als Professor für Rhetorik Meisterschaft, die er im Grie- innovativ und revolutionär. sich aber nicht mehr erholte. it, der drei Jahre lang an der paur, „dem ersten Jesuiten, und Griechisch nach Ingol- chischen und Lateinischen Sie erweiterten den Auf- Seine Antwort „Confuta- Universität Ingolstadt unter- der auf herzoglichen Befehl stadt zurückkehrte. Er blieb aufwies. 1652 trat er zum merksamkeitsbereich der „Der Gegner Joseph tio fabulae Burdonum“ war richtet und sie aus gesund- hin seit Februar 1561 eine jedoch nur kurz, da er 1594 Protestantismus über. Geschichtsschreibung: nicht Justus Scaliger“ sein letztes aber erfolgloses heitlichen Gründen im Vor- Vorlesung über die Bücher wieder nach Dillingen ging, 1653 schloss er sich Lou- mehr nur Griechen und Werk. „Der Angriff der Jesui- jahr verlassen hatte. Alfonso des Aristoteles in der philo- dort am Gymnasium Grie- is de Chastaigner, dem jun- Römer sollten der Betrach- In den ersten sieben von ten war über Erwarten sieg- de Pineda (Pinedanus, Gut- sophischen Fakultät gehalten chisch unterrichtete (was der gen Herrn von La Roche tung wert sein, sondern auch dreizehn Jahren zu Leiden reich. Scioppius brüstete sich tierez, Guttiere), der um 1539 hatte“ (Beatrix Schönewald). allgemeinen akademischen Pozay als Reisebegleiter und die bisher vollends vernach- stand Scaliger auf dem Gip- damit, dass sein Buch Scali- in Toledo zur Welt gekom- Parallel zu seiner Lehrtätig- Gepflogenheit entspricht), Freund an. Sie gingen nach lässigten Perser, Babylonier, fel akademischen Ansehens. ger getötet habe“. men und 1561 in Rom in die keit in der philosophischen aber auch Geschichte (was Rom, wo sie Marc Antoine Ägypter oder die bis dahin „Seine literarische Führungs- Er starb tatsächlich fünf Gesellschaft Jesu eingetreten Fakultät wurde Limborger im durchaus nicht üblich war), Muret () trafen, der völlig verkannten Israeliten. rolle stand außer Frage, von Monate nach seiner vergeb- war. 1562 war er als Nachfol- Mai 1562 das Lizentitiat der was auf eine gewisse Nei- in seiner Zeit zu Scaliger schlug vor, deren seinem Leidener Thron aus lichen Confutation am 21. ger von Wilhelm Limborg als Theologie verliehen. Seine gung Mattmanns hindeutet und ein Freund von historische Überlieferungen, regierte er die akademi- Januar 1609 in Leiden. Logikprofessor an die Ingol- Logik-Professur kann er nicht und wohl auch seinen spä- Joseph Justus‘Vater gewesen Fragmente, Chronologien zu sche Welt, ein Wort aus sei- städter Artistenfakultät ent- lange versehen haben, da teren Lebenslauf beeinfluss- war. Muretus erkannte sei- vergleichen. nem Mund konnte Karrieren sandt worden. ihm Pineda 1562 nachfolg- te. Ab dem Wintersemester ne Fähigkeiten und machte Seine Zeitgenossen machen oder verhindern“. Er Mattmann – Dichter, Wilhelm Limborg (mit te. Limborg ging nach Mainz 1597/98 las er an der Dillin- ihn mit allen maßgeblichen erkannten seine Brillanz ermutigte den jungen Hugo verhinderter anderem Namen: Broch, von und wurde bei dem (schei- ger Universität. 1606 kehrte Größen des römischen Geis- durchaus, konnten (man- Grotius, protegierte Daniel Historiograph dem Broich, Wilken) war um ternden) Versuch, in Frank- er an die Universität Ingol- teslebens bekannt. Die jun- che mochten) aber nicht mit Heinsius. Er hatte aber auch 1530 in Dolhain – Liège oder furt eine Ordensniederlas- stadt zurück. gen Männer bereisten Ita- seinem modernen Ansatz viele Feinde. Und er war Limburg zur Welt gekommen sung zu gründen, eingesetzt. In diesen zweiten Ingol- lien, England, Schottland. Schritt halten. intolerant gegen Intoleranz, Ein weiteres Buch Matt- und im Alter von 20 Jahren Nach Mainz zurückgekehrt, städter Jahren entstanden Nach ihrer Rückkehr lebte 1590 bot ihm die Universi- zu scharfzüngig, zu arrogant, manns beschäftigt sich mit nach Rom gekommen, wo unterrichtete Limborg scho- zunächst zwei Bücher, die Joseph Justus auf den Besit- täten Leiden (der niederlän- zu unduldsam seinen Kriti- dem römischen Dichter Stati- er von Ignatius von Loyola lastische Theologie und war sich kritisch mit Joseph Jus- zungen der Familie Chas- dische Generalrat und der kern gegenüber. us. Mattmann war – wie Sca- persönlich in den Jesuiten- 1574-1576 Rektor des Kollegs, tus Scaliger auseinanderset- taigner im Poitou, ehe er Prinz von Oranien) an, Nach- Hinzu kam: Sein System liger – ein fähiger Philologe. orden aufgenommen wor- später an der Gründung des zen. 1570 auf Einladung Jacques folger von zu der kritischen Würdigung Er hatte Ehrgeiz als Lite- den war. Limborg studierte Kollegs in Koblenz beteiligt Cornelii Denii Brugensis Cujas‘, des berühmtesten werden. Scaliger lehnte ab: historischer Fakten stand rat und beteiligte sich an an der Universität Ingolstadt und wird 1582 als Dekan der tres Capellae, sive admonitio Juristen Frankreichs seiner er wollte keine Vorlesungen in mancherlei Hinsicht dem Dichterwettbewerben. Am (wobei der Zeitpunkt sei- theologischen Fakultät der ad Josephum Justum Burdo- Zeit, nach Valence ging, um halten. Und er glaubte uner- Katholizismus entgegen: der Hofe Maximilians I. sorg- nes Eintreffens an der Bay- Universität Trier erwähnt. nem Julii Burdonis F. Bene- bei ihm drei Jahre lang das schütterlich, dass nun, unter Glaubwürdigkeit mancher te man sich um „das Bild erischen Landesuniversität Limborg, schreibt Beatrix dicti Burdonis N. Prius Sca- Recht zu studieren und des- der Herrschaft des „guten Dokumente, auf die sich die- in der Geschichte“, weshalb unbekannt ist – am 3. März Schönewald, „gehörte zu ligerum, nunc Sacrilegum; sen berühmte Bibliothek zu Königs Heinrich“ (des lgen- ser stützte. Besonders die berühmte Dichter wie Jakob 1558 den Grad eines Bakka- jener zweiten Generation der 1608 in Ingolstadt erschie- nutzen. dären Henri Quatre) Frank- (auf Schärfe im Denken stol- Balde beauftragt wurden, laren an der Theologischen Jesuiten, die ab 1556 in Ingol- nen und Oporini Grubinii, Nach der berühmten reich erblühen, die For- zen) Jesuiten sahen in Scali- die Geschichte des Dreißig- Fakultät erwarb). Im Folge- stadt die theologische Fakul- Medici et Philosophi denun- Schlächterei der Bartholo- schung gedeihen werde und ger eine Bedrohung. Muretus jährigen Krieges ins rech- jahr ist er Griechisch-Lehrer tät übernommen hatten und ciatio Amphotidum Sciop- mäusnacht 1572 übersiedel- der Protestantismus dabei erklärte im späteren Lebens- te Licht zu setzen (und als am Ingolstädter Jesuitenkol- auch die Artistenfakultät als pinianarum sive responsio te Scaliger wie viele andere kein Hinderungsgrund mehr abschnitt orthodoxe Ansich- dies nicht nach des Landes- leg, das noch in einem Pro- ein Fundament aller Studi- ad Satyram Josephi Burdo- Hugenotten nach Genf, wo sein werde. ten, Lipsius hatte sich mit herrn Willen geschah, wurde visorium untergebracht ist engänge an sich banden und nis Scaligeri – o.O, erschie- er mit offenen Armen auf- 1591 wurde die Einladung der römischen Kirche ausge- Philipp Hettinger, ebenfalls – 1556 hatte Ignatius von beeinflussten“. nen 1611. genommen und zum Profes- auf höchst verlockende Wei- söhnt, galt von der Bayerischen Lan- Loyola 18 Ordensleute ent- Es ist sicher nicht gänz- sor an der Akademie ernannt se erneuert: er brauche kei- als bekehrbar – nur Scaliger desuniversität beauftragt). sandt, die im Juli in der Stadt lich falsch, auch Alfonso de wurde. Seine Studenten lieb- ne Vorlesungen zu halten; galt als hoffnungsloser Fall. Auch Mattmann hielt man eingetroffen waren. 1576 Pineda dieser Gruppe zuzu- ten seine Vorlesungen, er die Universität wünsche Solange seine Oberhoheit bei Hofe für einen ausbau- bezogen die Jesuiten dann rechnen. Pineda wurde, wie hasste die Tätigkeit, auch die sich nur seine Anwesen- galt, mussten die Protestan- fähigen Geschichtsschrei- ihr Kolleg in unmittelbarer oben erwähnt, 1562 zum Aufdringlichkeit fanatischer heit; stattliches Einkommen, ten in Forschung und Lehre ber, den man in das Vorha- Nachbarschaft zum Müns- Nachfolger Wilhelm Limborgs Joseph Justus Scaliger Prediger. 1574 kehrte er nach Respekt, soziale Anerken- den Sieg davon tragen. ben der Neubearbeitung der ter, das nach dem Stifterbrief bestimmt. Theodor Peltanus war 1540 im südfranzösi- Frankreich zurück und lebte nung, die Anerkennung als Die große Attacke auf bayerischen Geschichte ein- Herzog Albrechts V. Teil der promovierte ihn zum „bacca- schen zur Welt gekom- die nächsten zwanzig Jahre Prinz von (gemäß Joseph Justus Scaliger zielte beziehen sollte. (Vor allem Universität war. 1559 wur- laureus biblicus“. men, hatte am Collège de im Umkreis der Familie Chas- der Herkunft, die sein Vater auch nicht auf wissenschaft- Markus Welser empfahl ihn de Limborg zum Bibelkurs Guyenne in Bordeaux sei- taigner. reklamiert hatte). 1593 brach liches Terrain. Scaliger hatten dafür). Letztlich wurde nichts zugelassen, begann am letz- Fortsetzung in der nächs- ne Schulausbildung genos- Den politisch-religiösen Joseph Justus nach Leiden 1594 ein Buch über den Glanz aus diesem Vorhaben. Matt- ten Februartag 1560 die den ten Ausgabe sen, ehe er seinem gelehr- Unbilden der Zeit entspre- auf. der Herkunft seiner Familie mann starb 1612 in München.