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WIRTSCHAFT

Konzerne „Nur ein Manöver“ Kartellrechtler Wernhard Möschel über den Kampf zwischen den Baukonzernen Holzmann und Hochtief

Möschel, 53, ist Professor an der Universität Tübingen und seit 1989 Das Gerüst der Bauriesen RWE Mitglied der Monopolkommission SPIEGEL: Das Kartellamt hat dem Bau- 41 % konzern Hochtief verboten, seine Be- teiligung an dem Konkurrenten Philipp Holzmann auf 35 Prozent zu erhöhen. Philipp Holzmann Hochtief Jetzt ist bei Holzmann mit 10 Prozent 24,9% Essen 60% 43 264 Mitarbeiter, 35 382 Mitarbeiter, die eingestiegen . . . 13,1 Mrd. Mark 10,5 Mrd. Mark Möschel: . . . die Hausbank von Bauleistung (1994) Bauleistung (1994) Hochtief. Das ist eine Bärenschweine- rei, um es drastisch auszudrücken. Hier wird trickreich an Umgehungen 10% 25% des Verbots gebastelt. Und die ersten Almüco 26% Commerzbank 25% 40% Francommerz Vermögensver- Adressen der deutschen Wirtschaft be- Frankfurt Vermögensver- teiligen sich daran. waltung, München waltung, Frankfurt SPIEGEL: 50% Ist der Verkauf der bislang 13% von der BfG- gehaltenen Holz- 10% (geschätzt) mann-Aktien an die Commerzbank Deutsche Bank Allianz denn illegal? Frankfurt 10% München Möschel: Er ist möglicherweise un- wirksam, weil damit gegen die im Ja- nuar erlassene Untersagungsverfügung das Unternehmen in den künftigen Möschel: Ja. Ich weiß ohnehin nicht, ob des Kartellamtes verstoßen worden Hauptversammlungen seines Konkur- die Banken gut beraten sind, mit einer sein könnte. renten eine Sperrminorität, möglicher- solchen Nonchalance zu agieren. All das SPIEGEL: Aber Käufer des Pakets ist weise sogar die Mehrheit . . . ist ja nur möglich, weil die Kreditinstitu- doch die Commerzbank. Möschel: . . . sofern das Kartellamt te bei uns, anders als in vielen Ländern, Möschel: Das ist nur ein Manöver. Die nicht vorher einschreitet. Wenn Hoch- Industriebeteiligungen halten dürfen Commerzbank hat die Aktien ja so- tief auf diese Weise mittelbar einen er- und sich damit als Zimmermeister beim gleich an Hochtief weiterverkauft – al- heblichen Einfluß auf seinen Wettbe- Bau neuer Konzerne betätigen können. lerdings unter der aufschiebenden Be- werber ausüben kann, kann die Kartell- SPIEGEL: Hochtief-Chef Keitel will dingung, daß das kartellrechtliche Ver- behörde den ganzen Vorgang nach Pa- nicht nachgeben. Er meint, eine Koope- fahren vor dem Berliner Kammerge- ragraph 23 des Gesetzes gegen Wettbe- ration der beiden Bauriesen sei nötig, richt positiv für Hochtief aus- werbsbeschränkungen als Zusammen- um auf den internationalen Märkten be- fällt. schluß werten und untersagen. stehen zu können. SPIEGEL: Selbst wenn Hochtief vor SPIEGEL: Die Commerzbank müßte die Möschel: Die Firmen können ja durch- Gericht dem Kartellamt unterliegt – Papiere dann wieder an die BfG-Bank aus im Ausland kooperieren und Kon- gemeinsam mit der Commerzbank hat zurückgeben? sortien bilden, wenn ein Bauprojekt zu

Die Schlacht stocken zu dürfen. Im Visier hatte er So lange wollte die BfG-Bank offenbar dabei ein knapp fünfprozentiges Paket nicht warten. Jetzt verkaufte sie ihre um den größten deutschen Baukon- bei der Commerzbank, das inzwischen Beteiligung auf Wunsch von Hochtief zern, die Frankfurter Philipp Holzmann bei Hochtief gelandet ist, und ein zehn- an die Commerzbank. Vereinbart wurde AG, tobt seit neun Monaten. Angreifer prozentiges Paket bei der BfG-Bank. zudem, daß die Aktien an Hochtief ge- ist ein kleineres, aber ertragsstärkeres Zur Erleichterung des Philipp-Holz- hen, wenn die Gerichte die Kartell- Unternehmen derselben Branche, die mann-Vorstandes, der die Unabhängig- amts-Entscheidung kippen. Essener Hochtief AG. Schon 1981 er- keit des Unternehmens erhalten will, Mit diesem Deal haben Hochtief und warb Hochtief 20 Prozent der Aktien schickte das Kartellamt den Essenern die Banken das Kartellamt überrascht. des Konkurrenten – zuviel für eine rei- im Januar eine Untersagungsverfü- Zwar war die Behörde informiert wor- ne Finanzanlage und zuwenig, um Ein- gung. Begründung: Würden die Konzer- den, daß die BfG-Bank ihr Holzmann- fluß auf die Geschäftspolitik von Holz- ne verflochten, schade dies dem Wett- Paket verkaufen wolle. Daß aber aus- mann auszuüben. bewerb in der Baubranche. gerechnet die Commerzbank als Haus- Hochtief-Chef Hans-Peter Keitel hat Hochtief bestreitet das. Keitel will die bank von Hochtief die Papiere überneh- deshalb beim Bundeskartellamt im ver- Entscheidung deshalb von den Gerich- men würde, wußten die Wettbewerbs- gangenen Jahr den Wunsch angemel- ten überprüfen lassen. Dies wird Jahre hüter nicht. Nun haben sie die Verträge det, die Beteiligung auf 35 Prozent auf- dauern. der Transaktion angefordert.

96 DER SPIEGEL 23/1995 .

groß für nur eine von beiden ist. Einen Zusammenschluß halte ich unter wett- bewerbspolitischen Gesichtspunkten für durch und durch unerwünscht. SPIEGEL: Welches Ziel sehen Sie denn hinter dem Versuch von Hochtief, bei Philipp Holzmann bestimmen zu kön- nen? Möschel: Die wollen einen Wettbewer- ber an die Kandare nehmen und Num- mer eins werden. Und RWE . . . SPIEGEL: . . . der Hauptaktionär von Hochtief . . . Möschel: . . . hat eindeutig zuviel Geld. Die Stromkonzerne verdienen sich dumm und dusselig in ihren monopolge- schützten Märkten. Wenn andere um sechs Uhr aufstehen, haben die schon wieder neue Millionen in der Kasse. Mit diesem Geld kauft sich RWE nun in an- dere Bereiche ein, in die Chemie, ins Tankstellengeschäft, bei den Entsorgern und in die Telekommunikation. Das ist eine ordnungspolitische Groteske. SPIEGEL: Die gewaltige Finanzkraft von RWE war für das Kartellamt mit ein Grund, die Beteiligung zu untersagen. Firmenchef Keitel hält diese Betrach- K. SCHÖNE / ZEITENSPIEGEL Hochtief-Kritiker Möschel „Ordnungspolitische Groteske“

tung für unzulässig, weil Hochtief die Ressourcen der Muttergesellschaft bis- lang gar nicht gebraucht habe. Möschel: Darum geht es nicht. Vom Rechtlichen her ist entscheidend, wel- cher Eindruck sich auf dem Markt er- gibt. Alle Auftraggeber im Baubereich wissen, daß hinter Hochtief ein Konzern mit einer Kriegskasse von 20 bis 30 Mil- liarden steht. Davon profitiert Hochtief schon heute im Wettbewerb, denn we- gen der Gewährleistungen und Garan- tien achten die Auftraggeber sehr auf die Solvenz eines Bauunternehmens. Bei Hochtief wissen sie: Ihnen kann nie etwas passieren. Käme es nun auch noch zur Verflechtung mit Philipp Holzmann, würde diese auf die Wettbewerber der beiden Firmen eine abschreckende und entmutigende Wirkung haben. Wer traut sich denn noch, gegen solch einen Konzern anzutreten? Y