Der We stpreußeBegegnungen mit einer unser europäischen Kulturregion danzig

68. Jahrgang Heft 10 Okotber 2016 € 6 (D)

PORTRÄTIST DANZIGS KULTURLANDSCHAFT Eine Erinnerung DANZIGER WERDER an den Schriftsteller Zu Besuch im Walther Domansky Museum Tiegenhof A u s d e m I n h a lt

FORUM

3 vorab

3 Damals war's

4 Bericht: Westpreußen-Kongress 2016 6 Präsentation: Westpreußen-Jahrbuch 66

7 Auf ein Wort

POLITIK UND GESELLSCHAFT 8 Tag der Heimat: Gauck als Diskurs-Kritiker 9 Zwangsarbeiterentschädigungen auf gutem Weg 9 Nachrichten

PANORAMA 10 Notizen aus Danzig, Marienburg, Elbing, Thorn 13 Kultur-Informationen aus dem »Land am Meer« „Heimatschriftsteller“ – Walther GESCHICHTE UND KULTUR Domansky zum 80. Todestag 14

14 Walther Domansky – ein Heimatschriftsteller 17 800 Jahre Deutscher Orden in Ellingen 18 ausgestellt: Das Weichselwerder-Museum

20 Laudatio zum 75. Geburtstag von Prof. Dr. Jähnig 20 hörens-, sehens- und wissenswert

KULTURSTIFTUNG WESTPREUSSEN 21 Ein Sommertag am Meer 22 Blick über den Zaun

RUBRIKEN 2 Impressum 7 Leserpost 23 TV-Tipps 24 Angebote des Buchversands Museumsbesuch – Tiegenhof Geteilte Geschichte – bewahrt seine Geschichte 18 gemeinsames Erinnern 21 Landsmannschaftliche Nachrichten I–XV

Zum guten Schluss XVI IMPRESSUM Herausgeber und Verlag: Verlags- und Redaktionsadresse: Landsmannschaft Westpreußen e. V. Der Westpreuße – Bundesorganisation – 48167 Münster-Wolbeck, Mühlendamm 1 Mühlendamm 1, 48167 Münster-Wolbeck Telefon 02506/3057-50, Fax 02506/3057-61 Telefon 02506/3057-50, Fax 02506/3057-61 [email protected] www.der-westpreusse.de Postbank Hamburg: IBAN DE13 2001 0020 0150 9572 04 Der Westpreuße erscheint einmal im Monat. Der BIC PBNKDEFF oder Bezugspreis beträgt vierteljährlich € 18,– und im Aus- Sparkasse Münsterland Ost, Münster: land jährlich € 86,40. Die MwSt. ist mit 7% enthalten. IBAN DE59 4005 0150 0034 0248 51 Bestellungen beim Verlag. Der Bezug kann nur mit einer BIC WELADED1MST Frist von mindestens drei Monaten zum Quartalsende gekündigt werden. Bei Nichtbelieferung bestehen im Redaktionssekretariat, Abonnementverwaltung und Fall höherer Gewalt keine Ansprüche gegen den Verlag. Anzeigenannahme: Karin Miethe und Esther Lüchtefeld Mit Namen oder Kürzeln gezeichnete Artikel geben ZUM TITELBILD Blick durch die Salons in der oberen ([email protected]) nicht in jedem Falle die Meinung des Verlages oder der Etage des Uphagen-Hauses im heutigen Zustand. Die- Leiter des Redaktionsteams: Ulrich Bonk Redaktion wieder. Nachdruck nur mit Genehmigung des ses wertvolle Architekturdenkmal und herausragende ([email protected]) Verlages. – Zur Zeit gelten die beiden Anzeigenpreis­ Zeugnis der großbürgerlichen Danziger Wohnkultur Redaktionelle Mitarbeit: Prof. Dr. Erik Fischer listen Nr. 1. ([email protected]) ist zum ersten Male von Walther Domansky in einem Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder wird Ressorts Forum sowie Politik und Gesellschaft: keine Haftung übernommen. Ihr Empfang kann auch seiner zahlreichen Feuilletons gewürdigt worden. Tilman Asmus Fischer ([email protected]) nicht bestätigt werden. Für die Rücksendung ist Porto Foto: Alexander Kleinschrodt Redaktionelle Mitarbeit an den Landsmannschaftlichen beizulegen. Nachrichten: Dr. Gisela Borchers (g.borchers@der- PASSWÖRTER FÜR DIE DIGITALEN FASSUNGEN DES westpreusse.de), Sibylle Dreher (s.dreher@der- Satz, Layout und Bildbearbeitung: Dirk Kohlhaas, Bonn westpreusse.de) und Heidrun Ratza-Potrÿkus Herstellung und Verlagsauslieferung: Lensing Druck WESTPREUSSEN Oktoberausgabe: heft-10-2016-fpp ([email protected]) GmbH & Co. KG, Westenhellweg 86–88, 44137 Dortmund Septemberausgabe: heft-9-2016 Verlagsleiter: Armin Fenske ISSN: 0043-4418, Auflage: 1.500 Exemplare

2 Der Westpreuße 10/2016 FORUM vorab

Liebe Leserinnen, liebe Leser, ren Weichselland verfolgt und damit eine Brücke zwischen Deutschland und Polen schlägt. in der vergangenen Ausgabe haben wir an dieser Stelle darauf hingewiesen, Dies gilt ebenso für die Vorstellung des Weichselwerder-Museums in Tie- dass die Oktober-Ausgabe, die Sie nun in Ihren Händen halten, aufgrund des genhof, die in der Rubrik geschichte und kultur unsere Reihe „Museen Westpreußen-Kongresses mit einer Woche Verzögerung erscheinen wird. Ihr im Land an der unteren Weichsel“ fortsetzt. Ihr voraus geht eine ausführli- Warten möchten wir nun durch eine erhöhte Aktualität ‚entschädigen‘: An- che Würdigung des Danziger Schriftstellers Walther Domansky, für die wir ders als in den zurückliegenden Jahren üblich, erhalten Sie nach nur zwei Wo- den stellvertretenden Direktor des Deutschen Polen Instituts in Darmstadt, chen bereits den Bericht über den Westpreußen-Kongress, die zentrale Ver- PD Dr. Peter Oliver Loew, gewinnen konnten. anstaltungen für alle Westpreußen in der Bundesrepublik. Hierfür gilt den Die Reihe unserer Beiträge rundet schließlich ein Artikel aus Krockow ab, Kolleginnen und Kollegen, die sich unmittelbar nach der Rückkehr an die der dem jüngst von uns beiläufig berührten Erinnerungsort der Grenze von Bild- und Textberichterstattung begeben haben, ein ganz herzlicher Dank! Versailles genauer nachgeht. Den Bericht finden Sie auf den beiden folgenden Seiten. Er verdeutlicht an- In den vergangenen Monaten haben wir als Redaktion des Westpreußen schaulich die inhaltliche Breite der Arbeit unseres Verbandes, im politischen nicht nur einige Energien in die Profilierung der einzelnen Rubriken inves- Dialog, in der Völkerverständigung und mit landeskundlichen Forschungs- tiert, sondern zudem begonnen, neue Wege zu finden, einen weiteren Kreis vorhaben aus unseren Reihen. All dies geht weit über das hinaus, was früher von Lesern für unsere Zeitung zu gewinnen. Sehr gefreut haben wir uns des- unter klassischer landsmannschaftlicher Arbeit verstanden wurde. Wir hof- halb über einen werbenden Hinweis auf den Westpreußen, der im aktuellen fen, dass Sie solch eine inhaltliche Breite auch in der vorliegenden Ausgabe Mitteilungsblatt der Landesgruppe veröffentlicht wurde. Die neue In- des Westpreußen wiederfinden: ternetseite www.der-westpreusse.de ist Ihnen bereits bekannt. Seit wenigen In politik und gesellschaft berichten wir über die zentrale Auftaktver- Wochen gibt es nun auch neue Faltblätter, die über das inhaltliche Profil und anstaltung des „Tages der Heimat“ in Berlin, an der zahlreiche westpreußische die verschiedenen Bezugsmöglichkeiten des Westpreußen informieren. Bit- Vertreter teilnahmen, sowie über die anlaufende Auszahlung der Zwangsar- te machen Sie von dem Angebot Gebrauch, dass Sie diese bei der Bundesge- beiterentschädigung, die in den letzten Jahren ein wichtiges vertriebenenpoli- schäftsstelle für Ihre Veranstaltungen anfordern können – oder weisen auch tisches Ziel aller Verbände war. Sie in Ihren Veröffentlichungen unmittelbar auf den Westpreußen hin! Mit dem panorama stellen wir in diesem Monat neuerlich unter Beweis, dass der Westpreuße stets mit wachem Auge aktuelle Entwicklungen im unte- Die DW-Redaktion Damals war's

Liebe Leserinnen und Leser, wie war das damals vor 60 Jahren? Bei einigen von Ihnen werden Erinnerungen an die 1950er Jahre wach – für andere eröffnet der Blick in die Vergangen- heit neue Perspektiven.­ Daher geben wir an dieser Stelle monatlich exemplarische Artikel aus dem Westpreußen vor 60 Jahren wieder – nun also aus der Nummer 23 aus dem Oktober des Jahres 1956.

ie wir in der Rubrik politik und gesell- schaft berichten, haben bereits die W ersten Betroffenen ihren Leistungs- bescheid für die im Herbst 2015 beschlossene Entschädigung für zivile deutsche Zwangsarbei- ter erhalten. Ein wichtiges Resultat der – in ihrer Höhe lediglich symbolischen – Entschädigungs- zahlungen ist, dass das Schicksal dieser spezi- ellen Opfergruppe des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit wieder in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit gerückt wird. Was die Zwangsarbeiter in den Monaten und Jahren ihrer Gefangenschaft erlebten, kann Das Arbeitslager Workuta, in dem Walter hier gleichzeitig interniert, insgesamt waren es rückblickend in Gänze kaum erfasst werden. Strick in den 1950er Jahren interniert wurde, war über die Jahre mehr als eine Million Kriegsge- Der Bericht über ein westpreußisches Häftlings- bereits 1938 in der nordwestrussischen Autono- fangene und Zivilisten, von denen ca. 250.000 schicksal, der vor 60 Jahren in dieser Zeitung men Sozialistischen Sowjetrepublik der Komi ihr Leben verloren. ■ erschien, gibt jedoch zumindest einen kleinen eingerichtet worden und war bis in die 1960er Einblick. Jahre in Betrieb. Bis zu 73.000 Menschen waren

Der Westpreuße 10/2016 3 m ersten Teil der Tagung gaben drei historiografische Vorträge Reformation Einblick in grundlegende Fragestellungen der westpreußi- schen Reformationsgeschichte. „Und siehe die Wunder, nach Preußen eilt in voller Fahrt und die eine Welt – und mit vollen Segeln das Evangelium. Das Evangelium geht auf und schreitet fort in Livland, so wunderbar ist Christus.“ Mit die- Isem Luther-Zitat eröffnete PD Dr. Sven Tode aus Hamburg seinen Reformation Vortrag über die Reformation in den kleinen Städten Westpreußens. Er schilderte die Entwicklungen in u. a. Schlochau, Konitz, Stuhm, Christburg, Marienburg, Marienwerder, Neustadt, Putzig, Graudenz an der Weichsel und Dirschau. Die vorliegenden Quellen beträfen das tägliche Leben und belegten viele Schwierigkeiten, denen sich die Geistlichen aus- gesetzt sahen. Die Probleme waren nicht nur wirtschaftlicher bzw. Westpreußen-Kongress – ­finanzieller Art: Eigene theologische Kenntnisse der Gemeinden hät- ten manchmal zu obstruktivem Verhalten bei der Einführung neu- 23. bis 25. September in Warendorf er Pfarrer geführt; wer mit dem Predigtstil nicht zufrieden war, ging ins Nachbardorf. Hier gebe es im Gegensatz zu den großen Städten Weit über 100 Teilnehmer konnte Bundesvorsitzender Ulrich Bonk (­Danzig und Thorn) durchaus noch Nachholbedarf in der Forschung. begrüßen, die aus Deutschland, Polen und Kanada zum diesjährigen Prof. Dr. Hans-Jürgen Bömelburg aus Gießen erläuterte Luthertum, Westpreußen-Kongress nach Warendorf gekommen waren. Der Stell- Reformierte (Calvinisten) und Katholiken – Konfessionelle und Frühna- vertretende Bundesvorsitzende Tilman Asmus Fischer führte in das tionale Trennlinien im Preußenland. Unter König Sigismund I. sei die Thema „Reformation und die Eine Welt – Reformation an der Weich- reformatorische Bewegung in Preußen Königlichen Anteils bis in die sel“ ein und wies auf die kulturelle Vielfalt Europas hin, die sich in 1550er Jahre eine geduldete, etwas im Untergrund agierende Gemein- Westpreußen wie in einem Brennglas spiegelte. schaft gewesen. Die Katholische Reform hätte zur Gründung zahlrei- cher Jesuitenkollegs geführt. Diese boten eine kostenlose humanisti- sche Bildung und wurden auch von Protestanten besucht, ohne dass diese in ihrer Gänze konvertiert seien. Neben den beiden großen Kir- chen existierten in Preußen viele kleinere religiöse Gemeinschaften (Täuferbewegung, Mennoniten, Böhmische Brüder, Schlesische Pias- ten, Antitrinitarier, Unitarier, jüdische Gemeinden). Konfessionelle und nationale Grenzen entstanden erst im 18. Jahrhundert (Thorner Blutgericht 1724). Bisher gebe es eine breite polnische Forschung zu diesen Themen, jedoch wenig von deutscher Seite. Der Referent ap- pellierte an deutsche und polnische Forscher, sich zu vernetzen, um gemeinsam weiter zu forschen. Mit der Reformation im Hanseraum: Kaufleute, Bücher und Sanktio- nen befasste sich Dr. Anja Rasche aus Lübeck. Hanse und Reformation seien durch die Personen der Kaufleute eng miteinander verflochten gewesen. So traten diese als Gläubige, Bilderstifter und Händler in Er- scheinung. Vor allem das neue Medium Buchdruck war von großer Bedeutung für die Ausbreitung und den Erfolg der reformatorischen Ideen. Luthers Schriften wurden in Hansestädten gedruckt und mit Hilfe des Distributionsnetzes der Hanse verbreitet. So gelangten seine Ideen über alle Sprachbarrieren und Grenzen hinweg in vermeintlich entlegene Gebiete, z. B. nach London, Reval usw. Insgesamt sei die Re- formation im Hanseraum ein faszinierendes Forschungsfeld, auf dem es noch viel zu entdecken gebe. An den reformationsgeschichtlichen Vortragszyklus schlossen zwei Arbeitsgruppen an, die sich mit der aktuellen Aneignung und Erhal- tung des protestantischen Erbes im unteren Weichselland (AG 1) und mit dem Copernicus-Forscher Professor Hans Schmauch (AG 2, sie- he Kasten) befasste. In AG 1 berichteten exemplarisch Hanno Schacht über die denkmalpflegerische Projekte in Marienwerder, Sibylle Dre- her über die Revitalisierung evangelischer Friedhöfe in der Republik Polen und Reinhard Wenzel über das aktuelle Forschungsprojekt zur Erstellung des „Altpreußischen Pfarrerbuches“. Über die aktuelle Situation der Kirchen in Polen informierten im zweiten Teil der Tagung zwei Refenten aus Warschau. Prof. Dr. Karol Sauerland berichtete über Kirche(n) und Religion in Polen – ihre gesellschaftliche und politische Bedeutung im 21. Jahrhun- Franziskus Posselt dert, wobei die katholische Kirche als die mit Abstand größte in Polen im Zentrum des Vortrags stand. Nach dem Zweiten Weltkrieg sowie

4 Der Westpreuße 10/2016 FORUM

die europäische Einigung. Der Referent erläuterte die Entstehungsge- schichte und Ziele der Paneuropa-Union und stellte fest, dass es 500 Jahre nach der Reformation eine große Aufgabe gäbe: die europäische Einigung. Diese solle zu einer Einheit in der Vielfalt, einer Ökumene der Völker und Christen sowie einem Zusammengehörigkeitsgefühl aller Europäer führen. Nach allen Vorträgen nutzten die Teilnehmer die Gelegenheit zur Diskussion mit den Referenten. Während des feierlichen Abschlusses des Kongresses wurden zwei verdiente Westpreußen für ihren langjäh- rigen und vielfältigen Einsatz jeweils mit der Westpreußen-Medaille­ geehrt: Martin Holland und Sibylle Dreher. In seinem Schlusswort dankte Ulrich Bonk für die finanzielle Förderung der Tagung durch das Bundesministerium des Innern und der Bundesbeauftragten für

Fotos: Reinhard Hanke Reinhard Fotos: Kultur und Medien aus Mitteln des Kulturreferats für Westpreußen. Dr. Anja Rasche Dr. Jerzy Sojka ■ Heidrun Ratza-Potrÿkus mit der Wahl von Karol Wojtyła zum Papst erlebte sie einen bedeu- tenden Aufschwung. Sie finanziere sich hauptsächlich aus Spenden, wobei die Spendenbereitschaft in Polen ungleich höher sei als bei- Mitgliederversammlung spielsweise in Deutschland. Lediglich die Militär- und Polizeiseelsor- ger würden vom Staat bezahlt. Heute stelle der polnische Katholizis- der Copernicus-Vereinigung mus eine Lebensform dar und habe wenig mit Glauben zu tun, auch wenn sich 87 % der Bevölkerung als katholisch bezeichneten. m 24. September 2016 tagte im Zusammenhang mit dem Die aktuelle Lage der lutherischen Diaspora in der Republik Polen Westpreußen-Kongress die ordentliche Mitgliederver- beleuchtete Dr. Jerzy Sojka. Sie firmiert unter der Bezeichnung „Evan- sammlung der Copernicus-Vereinigung. gelisch-augsburgische Kirche in Polen“ und hat 71.000 Mitglieder, A In seinem Tätigkeitsbericht verwies Dr. Tode darauf, dass die was 0,2 % der Bevölkerung entspricht. Ebenso wie die katholische Copernicus-Vereinigung auch weiterhin beabsichtige, ­Stipendien ­finanziere sich auch die evangelische Kirche weitgehend aus Spenden; für junge Wissenschaftler zu vergeben. Leider sei trotz massiver Militär- und Polizeiseelsorger würden vom Staat bezahlt. Die weni- Bemühungen an allen deutschen Hochschulen und historischen gen Pfarrer wären meistens für vier teils weit auseinander liegende Instituten keine größere Resonanz erzielt worden. Man werde Gemeinden zuständig. Zusätzlich zu den Aufgaben im Heimatland diesen Weg aber mit einer neuerlichen Werbekampagne fortset- betreuten sie auch im Ausland lebende evangelische Polen (z. B. in zen. Dr. Tode bat zugleich die anwesenden Mitglieder, ebenfalls Deutschland, Großbritannien, Irland und den Niederlanden). Ferner Werbung für diesen Zweck zu betreiben. gebe es eine Zusammenarbeit mit evangelischen Kirchen im Ausland Zudem stellte er das gerade erschienene Standardwerk von Dr. sowie eine Internet-Seite der polnischen evangelischen Bewegung. Jutta Reisinger-Weber über westpreußische Silberschmiedearbeiten Diakonie und Caritas führten in Polen ökumenische Aktionen durch, vor. Auch im kommenden Jahr werde die Copernicus-Vereinigung­ auch mit den orthodoxen Gemeinden. Leider gebe es fast keine Lehr- wieder verschiedene Publikationen veröffentlichen. Dr. Tode strich bücher für evangelische Theologie in polnischer Sprache, so dass die besonders die Zusammenarbeit mit der Historischen Kommission Studenten zunächst einmal Deutsch lernen müssten, um überhaupt heraus, die ihren Niederschlag in zwei gemeinsamen Tagungen im ihr Studium in Angriff nehmen zu können. Für 2017 seien zwei Pro- Jahre 2015 in Thorn bzw. Soldau und in 2016 im Westpreußischen jekte geplant: die Herausgabe eines evangelischen Katechismus sowie Landesmuseum in Warendorf fand. eine einfach beschriebene Geschichte der Reformation aus evangeli- Auf besonderes Interesse bei den Zuhörern stieß der an die scher Perspektive. Versammlung anschließende Vortrag von Hans-Jürgen Schuch Den Abschlussvortrag hielt der Bundesvorsitzende der Paneuropa-­ über Professor Dr. Hans Schmauch. Jugend, Franziskus Posselt aus München, über 500 Jahre Reformation: Schmauch, bekannt geworden durch seine historischen For- Politische Herausforderungen und Perspektiven für Europa. Bis 1500 schungen zum Ermland und zu Copernicus, gehörte 1961 zu den habe man es mit einem Europa der geistlichen Einheit zu tun gehabt, Gründern der Copernicus-Vereinigung, deren erster Vorsitzen- in dem an allen 66 Universitäten in lateinischer Sprache gelehrt wor- der er wurde. Hans-Jürgen Schuch gab in seinem Vortrag einen den sei. Die Reformation habe nicht nur geistliche, sondern auch ge- breiten Abriss über die wissenschaftliche Tätigkeit von Hans sellschaftspolitische Veränderungen bewirkt, zu denen neue Staats- Schmauch, beginnend 1918 bis zu seinem Tode im Jahre 1966. Der gründungen und häufig die Trennung von Kirche und Staat gehörten. Copernicus-Forscher und Historiker Schmauch erhielt im Jahre Dies hätte auch heute noch Auswirkungen auf die Bemühungen um 1964 den Kulturpreis der Landsmannschaft Westpreußen. Zum Abschluss seines Vortrags wies Hans-Jürgen Schuch darauf hin, Die Durchführung verständigungspolitischer Tagungen wie des jährlichen Westpreußen-­ dass Schmauch neben der wissenschaftlichen Tätigkeit als Gym- Kongresses sind trotz großzügiger staatlicher Förderung und ehrenamtlicher Tagungsleitung nasiallehrer in Wormdit und nach dem Krieg in Kaufbeuren tätig nur auf Grundlage der Infrastruktur des Bundesverbandes bzw. der Bundesgeschäftsstelle war. In den 1950er Jahren war er Honorarprofessor für Ostdeut- möglich. Mit einer Spende an die Landsmannschaft Westpreußen e. V. tragen Sie zur zukünf­ tigen Sicherung dieser Arbeit bei. sche Landes- und Kirchengeschichte an der Universität Mainz. Nicht zu vergessen auch seine kommunalpolitische Tätigkeit in Sparkasse Münsterland Ost IBAN: DE59 4005 0150 0034 0248 51 • BIC: WELADED1MST Braunsberg, Wormdit und nach dem Krieg in Kaufbeuren. Postbank Hamburg ■ Ulrich Bonk IBAN: DE13 2001 0020 0150 9572 04 • BIC: PBNKDEFF

Der Westpreuße 10/2016 5 Westpreußen- Jahrbuch 2016

pät im Jahr erscheint das diesjährige Westpreußen-­ Jahrzehnte bis nach dem Zweiten Welt- Jahrbuch, dafür aber etwas umfangreicher als krieg stellt Hans-Jürgen Klein die we- gewohnt: 13 Textbeiträge enthält der Band, sentlichen Fakten zusammen. Unter 34 Schwarz-Weiß-Abbildungen im Text und dem Titel Die rätselhafte Bromberger 18 Farbbilder auf 16 Farbtafeln. Geschichte und „Bogenspannerin“. Dem Bildhauer Fer- Gegenwart, Schönheit und Schwierigkeiten des Landes an dinand Lepcke (1866–1909) zum 150. Sder unteren Weichsel sollen so dem Leser eindringlich und Geburtstag gewidmet befasst sich Rai- Westpreußen-Jahrbuch – Aus dem anschaulich dargebracht werden. Drei Gedichte von Gisela ner Kißro genau und sorgfältig mit Land an der unteren Weichsel Brauer, Martin Damß und Clemens Conrad Rössler, Auto- dem Schicksal der berühmten 1910 ent- Band 66, Münster 2016 € 17,50 ren aus Westpreußen, bereichern den Band. hüllten Bromberger Frauenplastik und Dr. Gisela Borchers bezweifelt in ihrem Beitrag Der Um- demjenigen ihres Erschaffers sowie mit Zu beziehen durch: zug des Klosters Neu-Doberan von Pogutken nach Pelplin Gießereien und Eisenhütten der dama- Landsmannschaft Westpreußen Mühlendamm 1, 48167 Münster-Wolbeck 1276 die in den Überlieferungen genannten Gründe für ligen Zeit, insbesondere in Lauchham- diesen Standortwechsel und versucht mit geografischen, mer, Ortrand, Berlin und Umgebung. wirtschaftlichen und politischen Überlegungen der Wahr- Günter Hagenau berichtet un- heit näher zu kommen. Tilman Asmus Fischer führt ähnli- ter dem Titel Flucht und Vertreibung. che Überlegungen durch unter dem Titel: Märkisch Fried- Die Räumung Westpreußens – Planung und Durchführung land – eine brandenburgische Stadtgründung im späteren 1944 / 1945 über bisher kaum bekannt gewordene Überle- Westpreußen, um die Motivation der Familie von Wedel für gungen für eine geordnete Evakuierung, die durch die rea­ diese Stadtgründung aus den damaligen Gegebenheiten zu len Kriegsereignisse hinfällig wurden. In ihrem Beitrag erhellen. Flucht oder Bleiben? Eine Alternative am Ende des Krie- Winrich der Messerstecher nennt Hans Joachim Borchert ges? stellt Dr. Gisela Borchers Gedanken von Menschen – seinen Bericht über den Streit zwischen Hochmeister Win- vorwiegend aus Erlebnisberichten aus dem Kreis Berent – rich von Kniprode und dem ermländischen Bischof Jo- zusammen, die von den Kriegsereignissen unmittelbar hannes Streifrock im Jahre 1369 über einen Grenzverlauf. betroffen waren und auf die wechselnden militärischen Ge- Hat Winrich wirklich zum Messer gegriffen? Dr. Wolfgang gebenheiten reagieren mussten, oft ohne genaue Kenntnis- Lippky zitiert aus einem Visitationsbericht aus dem Jahre se darüber zu besitzen. 1542 für 42 Orte Tatsachen und Beobachtungen Über das Prof. Dr. Peter Maser fasst die Schwierigkeiten zwischen postreformatorische Hospital- und Armenwesen im Herzog- der evangelischen Kirche und den Vertriebenen zusam- tum Preußen. men, benennt die zugrunde liegenden Ursachen und auch Dr. Rainer Zacharias berichtet in seinem Aufsatz die Hilfsleistungen der Kirche unter der Überschrift Die Marien­burger Bilderschatz ausführlich über die 72 Gemälde evangelischen Kirchen als Partner der Vertriebenen – Ge- aus der Zeit um 1700 an den Emporen in der Marienburger schichte, Gegenwart und Zukunft. In seinem Beitrag Dan- St. Georgenkirche und ihre Bedeutung für die Menschen zig im Wandel. Bauten und Baugeschehen im Umfeld po- dieser Gemeinde, für die Gestaltung des Gottesdienstes in litischer, sozialer und wirtschaftlicher Bedingungen weist dieser einst evangelischen Kirche und die Bezüge zur Bi- Prof. Dr. ing. Wolfgang Deurer auf bedeutende Aspekte der bel. Beobachtungen und Belagerungen. Julius August Koch Baugeschichte in Danzig hin, wobei er schwerpunktmäßig und die Sternwarte der Naturforschenden Gesellschaft in die schwierigen Verhältnisse der Nachkriegszeit und ihre Danzig nennt Marc Banditt seine Forschungen zur Arbeit Bewältigung berücksichtigt und mit Bildern illustriert. des Astro­nomen Koch auf der von Nathanael Matthäus von Der Band wird eingeleitet durch ein Geleitwort des Vor- Wolf um 1780 gestifteten Sternwarte auf dem Bischofsberg sitzenden der Landsmannschaft Westpreußen Ulrich Bonk in einer militärisch und politisch sehr schweren Zeit für und schließt mit Kurzbiographien der Verfasser und Erläu- Danzig, die sogar zur Zerstörung der Sternwarte führte. terungen zu den Farbtafeln. Interessante Ereignisse, unbe- Über Jüdische Ärzte in Danzig bis zum Zweiten Welt- kannte Details und überraschende Zusammenhänge über krieg berichten Vilia von Grabowski und Prof. Dr. Micha- das Land an der unteren Weichsel werden den Leser auch el von Grabowski, wobei sowohl die allgemeine politisch in diesem Jahr wieder erfreuen und die Lektüre weitestge- beeinflusste Lage in Danzig als auch Einzelschicksale Be- hend interessant und abwechslungsreich machen. rücksichtigung finden. Speziell über Die Elbinger Reederei ■ Hans-Jürgen Kämpfert F. Schichau und das Schicksal ihrer Schiffe über mehrere

6 Der Westpreuße 10/2016 FORUM

in dem unsere Vorfahren gelebt haben. In der Fragen nach der Geschichte eines Dorfes Auf ein Wort Familienforschung haben sie vielleicht schon und nach den Menschen, die früher dort ge- Von Günter Hagenau die Eltern, Groß- oder Urgroßeltern gefun- lebt haben, hat es auch von polnischer Seite den, und sie möchten nun aufbrechen, dort- schon immer gegeben. Anfangs waren es nur hin fahren, wo vielleicht noch ein Haus oder einzelne Lehrer, die mit ihren Schülern den ein Rest dieses Dorfes zu finden sind, jeden- Blick zurück gerichtet haben und dann auch falls aber deren damaliger Platz, um einen mit der Schulklasse auf den Friedhof gegan- Moment still zu verharren und vor dem in- gen sind, um das aufgewachsene Gesträuch Wir sind gefragt! neren Auge vorüberziehen zu lassen, was da- wegzuräumen und die Namen auf den erhal- mals wohl deren Lebenswelt war. ten gebliebenen Grabinschriften zu studie- „Wer fragt schon noch nach uns?“ – In dieser Wer aber sagt diesen jungen Menschen, ren. Inzwischen möchte auch mancher Bür- Redensart schwingen Resignation und Hoff- wie es dort ausgesehen hat, wo der Brunnen germeister etwas mehr über den Ort wissen, nungslosigkeit ebenso mit wie das Aufgeben auf dem Hof stand, oder die Dorfpumpe, aus den er verwaltet, vielleicht sogar eine Chro- nach vielen vergeblichen Versuchen. Und es der sich so mancher noch sein Wasser geholt nik schreiben und dabei nicht erst mit der kommt eine weitere hinzu: „Die Heimat ist hat. Und wer gibt ihnen eine Zeichnung des Zeit beginnen, zu der seine Bewohner von doch eh' verloren!“ Aber haben wir nicht Dorfes an die Hand, auf der Häuser und Höfe fernher dorthin gekommen sind. Wen aber über Jahrzehnte, bis in diese Tage hinein, das mit den Namen der Familien eingezeichnet soll er dazu fragen, wenn nicht uns? Motto hochgehalten, alles tun zu müssten, sind, um nicht gleich am Wegweiser oder Um solche Fragen beantworten zu kön- damit die Kultur unserer Heimat nicht ver- der jetzigen Ortstafel die erste Enttäuschung nen, müssen wir allerdings erst einmal das loren-, vielleicht sogar untergeht? Und gibt zu erleben, weil das alles heute anders heißt. Material zusammentragen, mit dem wir un- es nicht doch vielerlei Anlässe, die danach Auch bundesdeutsche Schulen bedürfen der ser Dorf beschreiben und das wir dann auch rufen, sogar dazu drängen, diese Kultur kon- Beschreibungen vom Leben der Deutschen als Dokumentation hinterlegen können, für kret zu beschreiben, sie als die Substanz dar- in Ostmitteleuropa, um, sofern sie das ernst- die Zeit nach uns. Da sage niemand, dass die zustellen, die unsere Heimat prägte, und in haft wollen, auch einmal eine Stunde Unter- Zeit über uns hinweg gegangen ist, – wir sind der wir unsere Identität wiederfinden? richt über die Teile unserer Nachbarländer gefragt, heute, und morgen auch noch, und Die Generationen unserer Kinder und En- einzuschieben, die damals unsere Heimat wir wollen uns auch fragen lassen! kel fragen immer öfter danach, was denn die- waren. Wir sind es, die dazu noch etwas sa- ses Dorf, diese Stadt, ja auch dieses Land war, gen können, wir sind da gefragt. Briefe an [email protected] BETR.: Das Kaschubische Ethnographische alle touristischen Wünsche bestens erfüllt – Anlass genommen, bei der Freilichtmuseums in Wzdydze Kiszewskie. in besonderer Weise die der „Heimatrei- Kirchengemeinde­ nach­ Nr. 7/2016 senden“, die ihre Kinder und Enkel dort zufragen, ob die Tradition hinführen und ihnen das beste historische des „Grabsteinbuches“ noch Das Porträt des Museums in Wdzydze Kis- Anschauungsmaterial für die Erarbeitung heute existiert. zewskie ist mit eindrucksvollen Farbfotos eines Geschichtsbildes aus der Heimat ihrer Wie beigefügtes Bild

versehen. Wenn's auch für eine „Som- Großeltern und Eltern bieten. – Alsdann: zeigt, besteht die Tradition Marien St. Gahn Lübeck, Fotos: merreise“ in die alte Heimat mittlerweile Auf nach Wdzydze im Kaschubenland! noch. Das Grabsteinbuch zu spät ist, so möchte ich doch nach- Barbara Heibutzki, Eitorf liegt in der Gedenkkapelle drücklich auf dieses Reiseziel hinweisen. aus, und jeden Tag wird eine Seite umgeblät- Ihre Meinung Den Besucher erwartet eine museale tert. Ich habe die Kirchengemeinde darauf- ist uns wichtig! Anlage, bebaut mit Bauernhäusern, Stäl- BETR.: Damals war's (8/2016) hin gebeten, Ihre Internetseite entsprechend len, Scheunen, mit Windmühlen, einer zu ergänzen, denn über diese Information Per E-Mail: Schmiede, zwei Kirchen, Dorfschule, so Ihren Beitrag in der Rubrik Damals war's würden sich sicherlich viele Heimatvertrie- leserpost@der- westpreusse.de wunderbar in das Gelände eingefügt, zu dem Grabsteinbuch der St.-Marien-­ bene freuen. dass es den interessierten Besucher für Gedenkkapelle zu Lübeck mit der Fest­ Dies ist eine gute Nachricht für die viele Stunden dort festhält. Ich ver- stellung, dass die Internetseite der Kir- Heimatvertriebenen und deren Nach- Leserbriefe geben die brachte einen ganzen Sonntag dort, mit chengemeinde keine Informationen über kommen! Karl Krugmann, Erfurt Meinung der Verfasser­­ den interessantesten, wertvollsten Aus- das Grabsteinbuch liefert, habe ich zum innen und Verfasser wieder, die sich nicht künften und Anregungen versehen über unbedingt mit derjenigen die Historie des Kaschubenlandes vom der Redaktion deckt. 18. bis ins 20. Jahrhundert. Zudem können nicht alle Desgleichen möchte ich ausdrücklich die eingehenden Schreiben polnischen Initiatoren, Erbauer und Pfleger veröffentlich werden; und die Redaktion behält dieser Anlage für ihre ideenreiche Arbeit sich vor, Zuschriften auch loben. Die ausgedehnte Museumsanlage sinnwahrend zu kürzen. in Wdzydze dient nicht nur den polnischen Historikern und Interessenten, die sich in der Geschichtsforschung der Kaschuben engagieren; vielmehr noch werden auch

Der Westpreuße 10/2016 7 Schließlich blieb Gauck jedoch nicht beim – mittlerweile europäisierten – Geden- Der Bundespräsident ken an Flucht, Vertreibung und die verlore- ne Heimat stehen, sondern bezog gleicher- als Diskurs-Kritiker maßen differenziert Stellung zur aktuellen Fluchtproblematik. Deutlicher als in seiner Rede beim nationalen Gedenktag für die Op- fer von Flucht und Vertreibung 2015 akzentu- Klare Worte von Joachim Gauck zur Vertreibung ierte er dabei neben der Pflicht zum Flücht- der Deutschen und zu heutigen Flüchtlingen lingsschutz und den allen Flüchtlingen und Vertriebenen gemeinsamen existenziellen Er- fahrungen die Frage, „wie wir unserer recht- lichen und moralischen Verpflichtung zum chlanker als in den Vorjahren war Schutz von Verfolgten nachkommen können, am 3. September 2016 das Pro- ohne die Stabilität und den Zusammenhalt gramm des zentralen Auftaktes unserer Gesellschaft zu gefährden.“ zum Tag der Heimat in der Berliner Dies mag Indiz für eine allgemeine Ver- „Urania“. So kam – gerahmt vom schiebung in der Debatte um die Flüchtlings-

Geistlichen Wort des Weihbischofs Dr. Rein- Foto: André / BdV Wagenzik politik sein. Bezeichnend ist, dass Gaucks Ar- Shard Hauke und der Ansprache des BdV-­ gumentation letztlich die Thesen aufgreift, Präsidenten Dr. Bernd Fabritius MdB – der die der ehemalige SFVV-Direktor Profes- Festrede von Bundespräsident Joachim Gauck sor Dr. Manfred Kittel seit vergangenem Jahr die Aufmerksamkeit zu, die ihr gebührte. mehrfach zur Debatte gestellt hatte. Dies gilt Wagte das deutsche Staatsoberhaupt doch zum einen für die mit kulturellen Unterschie- eine differenzierte Einschätzung der histori- Bundespräsident Joachim Gauck den verbundenen Integrationsherausforde- schen und aktuellen Diskurse um Flucht und spricht beim Tag der Heimat rungen: „Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen Vertreibung in Deutschland – und scheute ja Menschen, die dieselbe Sprache sprachen, sich keinesfalls vor Reibungen mit unter- darin sehen, wenn Gauck im Blick auf die denselben christlichen Konfessionen und der- schiedlichen politischen Sichtweisen. zurückliegenden Jahrzehnte feststellte: „Ich selben Kultur angehörten. Heute fällt Einhei- Ausgehend von der Erkenntnis, dass kann verstehen, dass Flüchtlinge und Vertrie- mischen wie Neuankömmlingen die sprach- „selbst nach sieben Jahrzehnten […] die Ver- bene Unwillen auf sich zogen, solange Ver- liche Verständigung schwer, sehr schwer, und gangenheit nicht gänzlich vergangen“ ist, bandsvertreter mit territorialen Forderungen jede Seite fremdelt mit den Mentalitäten, Reli- vielmehr Kriegstraumata immer noch nach- auftraten oder selbstgerecht nur das eige- gionen und Lebensstilen der jeweils Anderen.“ wirken können, würdigte Gauck die im Vor- ne Leid thematisierten – als Störenfriede in Zum andern scheint Gauck auch mit Blick jahr vom Bundestag beschlossene Entschä- ­einem Europa, das nach dem Kalten Krieg die auf die grundsätzliche Perspektive von Blei- digung für zivile deutsche Zwangsarbeiter Annäherung brauchte und suchte. Ich kann berecht und Rückkehroptionen mit Kittel vor allem als Signal gegenüber den Betroffe- aber auch die Klagen und den Groll vieler übereinzustimmen: „Im Unterschied zu den nen: „Wir interessieren uns für Euer Schick- Flüchtlinge und Vertriebener verstehen, die Vertriebenen von damals ist Deutschland für sal! Wir wollen das Wissen über Eure Er- sich mit ihrem Schicksal zeitweilig von der die Flüchtlinge von heute auch nicht das Va- lebnisse auch nachfolgenden Generationen Gesellschaft allein gelassen sahen und kaum terland, sondern der fremde Staat, der sich in vermitteln“. Exem­plarisch führte Gauck das Verständnis erhoffen konnten. Ich verstehe vielen Fällen nur als vorübergehender Schutz- besondere Schicksal – und die daraus fol- das.“ raum oder zeitweiliges Gastland erweisen wird. gende Traumatisierung – der Zwangsarbeiter Seinen differenzierten Rückblick auf den – Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wird, vor Augen und weitete schließlich die Pers- lange Zeit von Marginalisierung und Stigma- müssen unser Land in der Regel wieder verlas- pektive auf die Gesamtheit des Flucht- und tisierung geprägten – Vertreibungsdiskurs sen. Selbst für jene, die als politische oder Bür- Vertreibungsgeschehens.­ schloss Gauck mit zwei Imperativen: „Die gerkriegsflüchtlinge anerkannt sind, existiert Vor diesem Hintergrund würdigte der Vertriebenen dürfen, ja sie sollen sich erin- – anders als bei den Deutschen nach 1945 – oft- Bundespräsident die Integration und poli- nern, damit ihre Seelen Frieden finden. Die mals tatsächlich eine Rückkehroption.“ tische Entwicklungsfähigkeit der deutschen Gesellschaft darf, ja sie soll sich erinnern, Dass es bei allen Unterschieden nicht zu Heimatvertriebenen: Ihr Weg „begann mit um – gerade in der heutigen Zeit – Sensibi- einer Opferkonkurrenz kommen darf, mach- Verzweiflung, mit Trauer, oft auch mit Groll, lität gegenüber den Themen Flucht und Ver- te Gauck gleichfalls deutlich: „Wirkliche Em- führte später zur Öffnung gegenüber der neu- treibung auf der ganzen Welt zu schaffen und pathie sieht allein das leidende Individuum. en Heimat und schließlich – wohl auch unter zu erhalten.“ Hiermit verknüpfte er die For- Deshalb ist mir auch jene Haltung im aktu- dem Druck politischer Ereignisse – zur Aus- derung nach einer – über das Erinnern an ellen Diskurs fragwürdig, die die Flüchtlin- söhnung mit dem Verlust der alten Heimat.“ Flucht und Vertreibung hinausgehenden – ge von heute willkommen heißt, das Schick- Eine solche Bilanz mag denjenigen, die sich Wiederaneignung des deutschen Kulturer- sal der Landsleute von damals aber ignoriert seinerzeit „dem Druck politischer Ereignisse“­ bes im östlichen Europa für das kollektive oder marginalisiert.“ Statt sich gegenseitig aus nur widerwillig fügten, ebenso zu denken europäische Gedächtnis: „Und sie erwächst dem Diskurs zu verdrängen, sollten damalige geben wie denjenigen, die die Vertriebenen nicht nur aus dem Interesse von Deutschen – und heutige Opfer „ihre Schicksale vielmehr noch immer als Ewiggestrige schmähen. manchmal sind die Menschen in unseren miteinander verknüpfen“. Man darf gewiss einen Appell für die Über- Nachbarländern sogar noch stärker moti- ■ Tilman Asmus Fischer windung teils bis heute verhärteter Fronten viert.“

8 Der Westpreuße 10/2016 POLITIK UND GESELLSCHAFT

„Nach so langer Zeit wird unser propetrowsk (heute: Dnipro). Zunächst war sie in einfachsten Baracken ohne sanitäre Nachrichten Schicksal gewürdigt …“ Einrichtungen und mit völlig unzureichen- Ende der katholischen Vertriebenenseelsorge der Verpflegung untergebracht. Viele ihrer BdV / DW – Nachdem das Ende der überdiözesanen Landsleute überlebten diese Zustände nicht: Seelsorge der katholischen Kirche für Heimatvertrie- Zwangsarbeiter­ die Gesamtzahl der Todesopfer schätzen His- bene und Aussiedler angekündigt worden ist, hat toriker auf etwa 9.000 der insgesamt 70.000 BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB zunächst die bis 80.000 Deportierten. Verdienste der katholischen Kirche um die Bewah- entschädigungen Jeden Morgen musste Elisabeth Till zu rung des heimatlichen Kulturguts, um die Bewälti- Fuß, bei jedem Wetter und streng bewacht, in gung von Kriegstraumata und Entwurzelung sowie auf gutem Weg ein Ausbesserungswerk der Eisenbahn lau- um die Völkerverständigung gewürdigt und gerade fen, wo sie für Bauarbeiten auf dem Werks- vor diesem Hintergrund festgestellt: „Daher halte gelände eingesetzt wurde. Ende 1946 wurde ich das nunmehr angekündigte Ende der bisherigen m November 2015 hat der Deutsche Elisabeth Till in ein anderes Lager verlegt, wo vertriebenenseelsorgerischen Strukturen der katho- Bundestag beschlossen, das persön- die Bedingungen besser waren. Der Kontakt lischen Kirche für sehr bedauerlich.“ Hingegen hat liche Schicksal derjenigen Deut- zur Familie war weitestgehend unterbun- Fabritius die fortgesetzte Tätigkeit von Weihbischof schen, die während und nach dem den, erst im 2. Jahr ihrer Deportation durf- Dr. Reinhard Hauke als Beauftragtem der Deutschen Zweiten Weltkrieg wegen ihrer deut- te sie über das Rote Kreuz eine Postkarte mit Bischofskonferenz für die Vertriebenen- und Aussied- schen Staatsangehörigkeit oder ihrer deut- der knappen Auskunft „Mir geht es gut“ nach lerseelsorge sowie die geplante Förderung katholi- Ischen Volkszugehörigkeit Zwangsarbeit Hause schicken. Von den vielen Briefen, die scher Vertriebenenverbände begrüßt. leisten mussten, mit einer einmaligen, sym- ihre Mutter ihr schrieb, hat sie keinen einzi- bolischen Anerkennungsleistung in Höhe gen erhalten. + + + Grütters und Sauer in Breslau von 2.500 Euro zu würdigen. Unter der koor- Ein Unfall in einer Baugrube, bei dem ein OMV / DW – Ende August 2016 besuchte die Beauf- dinierenden Leitung des Beauftragten der herabstürzendes Brett Elisabeth Till drei Rip- tragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bundesregierung für Aussiedlerfragen und pen brach, rettete ihr das Leben. Die schwer- Staatsministerin Prof. Monika Grütters MdB, die nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk verletzte wurde – nach vier Jahren Zwangsar- diesjährige Europäische Kulturhauptstadt Breslau MdB, und mit Beteiligung des Bundes der beit – in ihre Banater Heimat entlassen. 1976 und informierte sich dort über das reiche und viel- Vertriebenen und von Fachhistorikern siedelte sie mit ihrer Familie in die Bundesre- schichtige geschichtliche und kulturelle Erbe der wurde im Bundesministerium des Innern publik Deutschland aus. Stadt. Zu den Gesprächen und Begegnungen hatte eine entsprechende Richtlinie ausgearbei- Im Anschluss an ihren Bericht überreich- sie als Begleiter auch den Bundesvorsitzenden der tet, die nach Zustimmung des Haushaltsaus- te der Leiter der Projektgruppe „Anerken- Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU/ schusses des Deutschen Bundestages zum nungsleistung an deutsche Zwangsarbeiter“ CSU, Helmut Sauer, eingeladen. 1. August 2016 in Kraft trat. im Bundesverwaltungsamt, Rainer Hoffsted- Mit der Umsetzung der Richtlinie wurde de, Elisabeth Till ihren Leistungsbescheid. + + + Landesbeauftragter für Baden- das Bundesverwaltungsamt beauftragt. Bis Hartmut Koschyk betonte, dass die entschei- Württemberg berufen jetzt sind dort rund 3.000 Anträge eingegan- dende Initiative für die Anerkennungsleis- StM B-W / DW – Baden-Württembergs Innenminis- gen und 5.000 Telefonanrufe wurden entge- tung für deutsche Zwangsarbeiter aus dem ter Thomas Strobl ist zum Landesbeauftragten für gengenommen. Die ersten Leistungsbeschei- Parlament kam. Er würdigte hier besonders Vertriebene und Spätaussiedler berufen worden. de für die Anerkennungsleistung sind bereits den Einsatz der beiden zuständigen Haus- Damit ist Strobl erster Ansprechpartner für Anliegen ergangen. haltsberichtserstatter der Koalitionsfrakti- und Interessen von deutschen heimatvertriebenen Bundesbeauftragter Koschyk hat stellver- onen, Martin Gerster MdB und Dr. Rein- Landsleuten, Flüchtlingen und Spätaussiedlern. tretend für diese bedeutende Opfergruppe hard Brandl MdB sowie der innenpolitischen die 92-jährige, im siebenbürgischen Mühl- Sprecher der CDU/CSU-Fraktion und der + + + Grundsteinlegung für das bach (rumänisch: Sebeș) geborene und SPD-Fraktion, Stephan Mayer MdB und Sudetendeutsche Museum im Banat aufgewachsene Elisabeth Till ins Burkhard Lischka MdB. Besondere Anerken- Bundesregierung / DW – Kulturstaatsministerin Bundesministerium des Innern zur persön- nung gebühre auch der Fachebene des Bun- Monika Grütters hat am 16. September gemeinsam lichen Übergabe des Bescheides über die desministeriums des Innern. mit dem Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern Anerkennungsleistung eingeladen. Im Krei- Bundesbeauftragter Koschyk dankte zum den Grundstein für das Sudetendeutsche Museum se von Bundesbeauftragtem Koschyk, dem Schluss Rainer Hoffstedde und seiner Stell- in München gelegt. Der Bund und der Freistaat Bay- Präsidenten des Bundes der Vertriebenen vertreterin Maria Dierkes stellvertretend für ern finanzieren den Bau mit bis zu 30 Mio. Euro. Der Dr. Bernd Fabritius MdB, dem Vorsitzen- alle Mitarbeiter des Bundesverwaltungs­amtes Baubeginn war im Frühjahr 2016, die Eröffnung des den der Gruppe Vertriebene, Aussiedler und für die bisherige Arbeit. Er habe den festen Sudetendeutschen Museums ist für 2018 geplant. deutsche Minderheiten der CDU / CSU-Bun- Eindruck gewonnen, dass die Mitarbeiter destagsfraktion Klaus Brähmig sowie Mitar- bei der Bearbeitung sehr engagiert seien und + + + Stiftung betreut Bismarck-Museum beitern des Bundesministeriums des Innern sehr professionell arbeiteten. In Kürze werde hib / DW – Die museale und wissenschaftliche und des Bundesverwaltungsamtes berichte- auch ein besonderer Beirat aus Bundestags- Betreuung des Bismarck-Museums in Schönhau- te sie über ihre Lebensgeschichte und insbe- abgeordneten, Historikern und Vertretern sen (Sachsen-Anhalt) soll zukünftig durch die sondere über ihr Zwangsarbeiterschicksal. des Bundes der Vertriebenen gebildet, der Otto-von-Bismarck-Stiftung wahrgenommen Am 15. Januar 1945 wurde sie im Al- über komplexe Sachverhalte bei der Antrags- werden. Der Kulturausschuss erteilte dem ent- ter von 20 Jahren ohne Vorankündigung in prüfung beraten soll. sprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung Gewahrsam genommen und erreichte im ■ Thomas Konhäuser (unter Verwendung grünes Licht. Lediglich die Linksfraktion stimmte ­Fe­bruar 1945 das sowjetukrainische Dnje- von Informationen des BMI) gegen die Gesetzesvorlage. ■

Der Westpreuße 10/2016 9 Seetiere auf Hela gelang es gemeinsam mit Beam- AUFWÄNDIG RENOVIERTER AUSGUCK Notizen aus … ten der Küstenwache, den Wal aus seiner misslichen Nach über zehn Monaten Lage zu befreien. Danach wurde er nur noch einmal ist nun die Renovierung gesichtet, und zwar als er wieder Kurs auf das offe- des Turms Kiek in de Kök Danzig ne Meer nahm. (Baszta Jacek) be- endet worden, VERLUST EINER HOCHSEEYACHT Die Seenot­ LERNE DEINE NACHBARN KENNEN! In Danzig ist der zum Ver- rettungszentrale in Gdingen hat bekanntgegeben, unlängst die höchst erfolgreiche Initiative des Nach- teidigungs- dass die Suche nach der polnischen Hochseeyacht barschaftstreffens zu Ende gegangen. An diesen ring um die Zefir und ihrer Besatzung aufgegeben worden ist. Veranstaltungen haben im Rahmen von 221 Treffen Rechtstadt Vom Schiff aus, das sich nördlich der Danziger Bucht nahezu 25.000 Einwohner Danzigs teilgenommen. gehörte. befand, konnte auf dem UKW-Kanal 16 zwar noch Die Initiatoren waren sowohl Institutionen und Dieser ist – ein Seenotruf abgesetzt werden, dabei gelang aber Schulen als auch Privatpersonen. Dabei wurden mit seinen 36 keine Positionsbestimmung mehr, sondern es wurde die Programme durchaus vielfältig gestaltet, ob- Metern – das nur noch übermittelt, dass die Yacht voll Wasser ge- wohl natürlich sehr häufig ein abendliches Grillfest höchste mit- laufen sei. Es gab auch keine Sicherheitseinrichtung stattfand oder Schulen Sportwettbewerbe durch- telalterliche an Bord, die den Rettungskräften eine genauere Pei- führten. – Die Idee entstand 1999 in Frankreich, Turmbauwerk lung hätte ermöglichen können. So blieb die Suche, wurde von der European Federation of Local Solida- Danzigs. Die an der Schiffe der polnischen Küstenwache (Coast rity (EFLS) aufgegriffen und findet mittlerweile in umfangrei- Guard) sowie auch Flugzeuge der Marine teilge- zahlreichen europäischen Städten einen positiven chen Renovie- nommen hatten, letztlich ergebnislos. Widerhall. rungsarbeiten umfassten das Treppenhaus sowie Türen Foto: Tomasz Sienicki via wikimedia und Fenster. Dieser Kiek in de Kök diente nicht nur als Beobachtungsturm, sondern wurde auch als ­Lager – u. a. für Schiffsproviant – sowie naturgemäß als Gefängnis genutzt. Foto: Huhu Uet via wikimedia Foto: NEUE MIETER IN FRÜHERER GEWEHRFABRIK Die ehemalige Königliche Gewehrfabrik in der Weidengasse 35/38 (heute: ulica Łąkowa) soll künftig zu einem modernen Büro- und Geschäfts- komplex umgebaut werden. Bislang befinden sich in den historischen Gebäuden u. a. eine Fernseh­ produktionsfirma, ein „Biedronka“-Lebensmittel- markt sowie eine Tierarzt-Praxis. FAHRTVERZÖGERUNG EINES LUXUSLINERS Kurz nach dem Auslaufen der AIDAaura aus dem Hafen von Gdingen wurde der Seenotrettungszentrale ein medizinischer Notfall an Bord des Schiffes gemel- JEDEM SEINE EIGENE PARKBANK Der Park von det. Unverzüglich wurde eine SAR-Einheit (Search and Rescue) in Marsch gesetzt, die den Patienten Oliva, der jährlich von etwa einer Million Besuchern

noch in der DanzigerQuelle: Buch www.salabhp.pl vom Kreuzfahrtschiff übernahm und ihn in das Krankenhaus von Hela trans- frequentiert wird, soll um eine weitere Attraktion portierte. Danach konnte die AIDAaura ihre Fahrt nach Kopenhagen fortsetzen. bereichert werden: Für einen Betrag von 4.500 Złoty kann man eine Parkbank mit einem Messingschild versehen, das mit einer eingravierten Widmung ver- NATO-MANÖVER IN DER OSTSEE In der zweiten NOCH SICHERERE LANDUNGEN Einige Wochen ziert wird. Diese Aktion richtet sich an Firmen wie Septemberhälfte haben einige Marineeinheiten der früher als ursprünglich geplant, ist das neue Navi- auch an Privatpersonen. Der Sponsor übernimmt da- SNMG1 (Standing NATO Maritime Group ONE) den gationssystem ILS (Instrumental Landing System) bei zugleich die Verantwortung für den Unterhalt der Marinestützpunkt in Gdingen-Oxhöft (Oksywie) auf dem Danziger Flughafen Lech Wałęsa in Betrieb jeweiligen Bank während der nächsten zehn Jahre. angelaufen und wurden dort auch für Besucher genommen worden. Das bisherige System musste Der Erste, der solch eine Patenschaft übernommen freigegeben. Dazu gehörten z. B. die spanische im Frühjahr nach 15 Betriebsjahren ausgewechselt hat, war der Stadtpräsident, Paweł Adamowicz. Der Fregatte ESPS Méndez Núñez, die portugiesische werden. So kann jetzt – vor Beginn des Herbstes Text auf dem Schild lautet: Meinen geliebten Mädchen Fregatte NRP Álvares Cabra sowie die deutsche mit Nebelwetter und starken Niederschlägen – ein Magda, Antonie und Theresa – Paweł. Korvette Ludwigshafen am Rhein (F 264 / Rufzeichen ungestörter Flugverkehr noch besser gewährleis- DRBE). Die Ludwigshafen gehört zum Korvetten­ tet werden. Gegenwärtig ist das Landesystem noch SEESTEG IM DUNKELN In Zoppot wurden un- geschwader, das im Marinestützpunkt in Warne- in die Kategorie II eingestuft, die, bezogen auf die längst Kupferkabel mit einer Gesamtlänge von 200 münde stationiert ist, und hat schon des Öfteren Wetterbedingungen, gewisse Beschränkungen er- Metern gestohlen. Da diese Kabel dazu gedient hat- Gdingen besucht. forderlich macht. Es ist jedoch so ausgelegt, dass es ten, den weltberühmten Seesteg, der in den Som- durch Erweiterungen auch den Charakteristika der mermonaten von zahllosen Touristen besucht wird, BESUCH EINES WALFISCHS Neuerlich ist ein Wal Kategorie III zu entsprechen vermag: Dies würde auch in den Abendstunden zu beleuchten, versinkt in Hafenanlagen der Dreistadt gesichtet worden. bedeuten, dass sogar eine Landung bei einer Sicht- dieser jetzt in Dunkelheit. Die Polizei ermittelt. Letztlich verfing er sich aber in einem Fischernetz weite von null Meter möglich und zulässig wäre. ■ Peter Neumann vor Brösen. Den Mitarbeitern der Auffangstation für

10 Der Westpreuße 10/2016 PANORAMA

Bischof Jacek Jezierski einen Gedenkgottesdienst denen bis zum Kriegsende Mennoniten vor allem Marienburg zelebrierte. Danach wurden am Bahnhof noch an als fleißige Landwirte zu Hause gewesen waren. Zu- der Gedenktafel für die ermordeten Eisenbahner dem fuhren sie selbstverständlicher Weise auch zu SICHERHEIT DER SCHULWEGE Vor Beginn des Blumenkränze niedergelegt und der „Appell des dem sehr gepflegten Mennoniten-Friedhof in Heu- neuen Schuljahrs, am 1. September, hat sich die Po- Gedächtnisses“ vorgetragen. Mit einer Ehrensalve boden, um ihrer dort bestatteten Toten zu geden- lizei unter dem Motto „Sicherer Weg zur Schule“ ein- eines Ehrenzugs der polnischen Streitkräfte fanden ken. In Marienburg gaben sie auch diesmal in der gehend die jeweiligen Wegführungen angeschaut. die Gedenkfeierlichkeiten dann ihr Ende. Baptistenkirche ein Konzert. Diese Veranstaltung er- Dabei wurden beispielsweise die Verkehrsampeln, freut sich schon seit Jahren immer eines großen Zu- die Beschilderungen und Fußgängerüberwege an ZUGANG ZUM PLANETARIUM Die Direktorin des spruchs. Zudem trat die Chorformation auch noch besonders verkehrsreichen Straßenkreuzungen Kulturzentrums der Lateinschule hat mitgeteilt, in Elbing, Thorn, Warschau und Tschenstochau auf. überprüft und die Einsatzorte und -pläne für die dass das für 500.000 Złoty erbaute Planetarium Schülerlotsen bestimmt. auch größeren Besuchergruppen zugänglich ge- VORGEZOGENE ERNTEFEIER IN ALTFELDE In macht werden soll. Außerdem werden die bislang ­einer stark von der Landwirtschaft geprägten GEDENKFEIER Am 1. September 2016 wurde an angebotenen Informationsveranstaltungen durch Region kommt dem Erntedankfest eine besonde- verschiedenen Orten des Kriegsbeginns von 1939 Filme über Kosmos-Flüge sowie über die wissen- re Bedeutung zu. In Altfelde wird dieses Fest mit gedacht. Morgens wurden um 7.30 Uhr auf den Ma- schaftsgeschichtliche Bedeutung Galileo Galileis er- erheblichem Aufwand bereits vor dem offiziellen rienburger Friedhöfen Blumengebinde niederge- weitert. Dieses Angebot kommt einem großen Kreis Feiertag begangen: Es ist eines der größeren Volks- legt, und danach (um 8.30 Uhr) versammelten sich der interessierten Bürger sicherlich sehr entgegen. feste in der Region Elbing-Marienburg-Danzig. Nach vor dem Denkmal der Polnischen Zollbeamten in dem Festgottesdienst, der den Beginn markiert, Kalthof Funktionsträger der Behörden, der Streit- MENNONITEN ZU BESUCH Ungefähr im Zwei­ präsentieren die Landwirte aus der Region ihre Er- kräfte, der Vereine und Gewerkschaften. Von dort jahresrhythmus kommen Mennoniten aus Amerika zeugnisse, den Besuchern wird ein Festumzug mit verfolgten sie den geradezu inszenierten Aufzug und Kanada in das Land an der unteren Weichsel. zahlreichen Musikkapellen geboten, und neben der der verschiedenen Formationen („Unser Grenzland Vor kurzem war es wieder so weit. Sie besuchten, Ausstellung von preisgekröntem Nutzvieh werden im Feuer“). Anschließend ging es mit bereitgestell- in Tracht gekleidet, das Große Werder und machten auch modernste Landmaschinen vorgeführt. ten Bussen nach Simmonsdorf, wo der Elbinger jeweils in den zahlreichen kleinen Dörfern Halt, in ■ Bodo Rückert

Fotos: Andrzej Gilewski Bürgermeister Marek Charzewski Bürgermeister Marek Charzewski Frau Maria Prior-Nowak, Links: Erinnerungstafeln in Deutsch, Polnisch bei der Begrüßung und seiner und Generalkonsulin Cornelia Pieper Vorsitzende PDG Malbork, und Englisch Eröffnungsrede; im Hintergrund der und Bodo Rückert, Vorsitzender Oben: Erinnerungstafel mit deutschem Text Chor Lutnia des HK Marienburg

m 28. Oktober 2008 waren bei Ausschach- dann die Perspektive, dass der lange gehegte Plan – Erinnerungstafeln, und der bekannte Chor Lutnia tungsarbeiten für den Neubau eines dessen Verwirklichung eigentlich auch zuvor schon (Laute) steigerte mit seinen musikalischen Darbie- A Viersterne-­Hotels 67 menschliche ­Skelette längst fest zugesagt worden war – tatsächlich reali- tungen nochmals die feierliche Atmosphäre. Die freigesetzt und umgehend auf dem ­Marienburger siert werden könnte: Marek Charzewski und seinem Mitglieder der Marienburger deutschen Minder- Friedhof bestattet worden. Bei der Fortsetzung Stellvertreter Janusz Wilk war es offenbar eine Sa- heit und einige Mitglieder der Polnisch-Deutschen der Bauarbeiten erhöhte sich die Zahl der aus dem che der Ehre, ein von seinem Vorgänger gegebenes Gesellschaft e. V. Malbork (mit deren Vorsitzenden Erdreich befreiten Skelette auf 2.116. Nach etli- Versprechen unbedingt einzulösen. Maria Prior-Nowak) wohnten der Veranstaltung bei. chen Diskussionen fanden – unter der Leitung des Angesichts dieser Vorgeschichte (die DW regel- Angereist war zudem der Friedhofsverwalter der Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge – alle mäßig begleitet und kommentiert hat) war es für Deutschen Kriegsgräberstätte in Neumark / Stettin, geborgenen Opfer am 14. August 2009 im Rahmen alle Beteiligten eine große Genugtuung, dass jetzt, Herr Piotr Nycz. Während eine Reihe von offiziellen einer christlichen Totenfeier eine würdige Ruhestät- am 12. September die Enthüllung von Gedenktafeln Gästen aufgrund dringender anderer Verpflichtun- te auf der Deutschen Kriegsgräberstätte Neumark/ feierlich begangen werden konnte. Nach der Begrü- gen der Feierstunde fern blieben, wurde mit be- Stettin. Ehemalige Marienburger, Angehörige von ßungsrede von Bürgermeister Charzewski folgten sonderer Aufmerksamkeit und Freude wahrgenom- mehreren Gruppen der deutschen Minderheit und Reden von Cornelia Pieper, der Generalkonsulin der men, dass sich der Wojewode der Woiwodschaft viele Bürger der Stadt haben von den Toten dann Bundesrepublik Deutschland in Danzig, von Mar- Pomorze, Dariusz Drelich, zur Teilnahme an der Ge- nochmals mit einem Gottesdienst am 14. Novem- kus Meckel, zu dieser Zeit noch Präsident des Volks- denkfeier entschlossen hatte. ber 2009 in der St. Johannes-Kirche und in einer Ge- bundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge sowie von Nach der Weihe der wiedererbauten Madonnen­ denkveranstaltung auf dem ehemaligen Massen- Adam Siwek, dem Vertreter des Instituts für Natio- figur im vergangenen April ist die Fertigstellung grab Abschied genommen. – Nach vielen Jahren nales Gedenken. Ein katholischer und ein evange- dieser Erinnerungstafeln nun das zweite, für alle des vergeblichen Zuwartens öffnete sich nach der lischer Geistlicher segneten die drei in deutscher, Marien­burger hoch erfreuliche Ereignis des Jahres Amtseinführung eines neuen Bürgermeisters 2015 polnischer bzw. englischer Sprache gehaltenen 2016. ■ Bodo Rückert

Der Westpreuße 10/2016 11 SYNODE ALS REFORMIMPULS Am 17. September mehr aufgefrischt worden sind. Dabei kommen Elbing begann unter der Leitung des ermländischen Metro­ zwei verschiedene Weißtöne zum Einsatz. Bei dieser politen Wojciech Ziemba die erste Synode der seit Gelegenheit sollen auch die Glasfenster gereinigt 1992 bestehenden Elbinger Diözese. Daran beteili- werden. Geplant ist, dass die Arbeiten im Novem- NEUER EINSATZ FÜR EINE ALTE DAME Seit dem gen sich insgesamt 170 Personen, sowohl Geistliche ber – und somit rechtzeitig vor dem Beginn des Sommer wird den Elbingern und (vor allem) den als auch Laien sowie Vertreter verschiedener anderer Jahres 2017, in dem sich die Gründung der Diözese Touristen eine Möglichkeit geboten, „Kreuzfahrten“ Formen des religiösen Lebens (darunter 23 Frauen). Elbing zum 25. Male jährt – abgeschlossen werden. auf dem Fluss oder auf dem Frischen Haff zu Der Leitsatz der Synode lautet „Reife im Glauben ■ Lech Słodownik unternehmen. Dort bilden Frauenburg und und im Leben“. In einem Schreiben, das der Elbinger Kahlberg die Zielorte. Diese Möglichkeiten eröffnet Bischof Jacek Jezierski an die Diözese gerichtet hat, ein 1929 in Holland vom Stapel gelassenes Schiff, weist er darauf hin, dass die Synode eine seit Jahr- das ursprünglich als Frachtkahn diente und erst hunderten etablierte Methode sei, eine Erneuerung später in ein Passagierschiff umgewandelt wurde. des kirchlichen Lebens zu erreichen. Zudem erinnert Es wurde vom Hotel „Elbląg” angekauft und erhielt der Bischof an die multi­religiöse Vergangenheit die- den Namen „Elwinga”. Seinen Dienst versieht es ser Gebiete und hebt zudem hervor, dass manche jetzt als ältestes Passagierschiff Polens. Kirchen, die jetzt den katholischen Gemeinden die- Foto: Michal Skroboszowski Foto:

Foto: Lech Słodownik nen, früher evangelische Gotteshäuser waren, und er schließt daraus, dass sich die Gläubigen insbe- sondere in dieser Region zum ökumenischen Dialog ermuntert fühlen sollten.

DAS INNERE DES DOMS ERSTRAHLT AUFS NEUE­ Vor kurzem begannen Malerarbeiten in den Innenräumen von St. Nikolai. Neu gestrichen werden die Kirchenwände, die seit 40 Jahren nicht

LUKULLUS LÄSST GRÜSSEN Schon zum zehn- lässt. In Topolno schließlich lädt der Familienbe- Thorn ten Male kamen vom 20. bis zum 21. August die trieb „Winnica przy Talerzyku” zu einer Weinprobe Liebhaber der traditionellen Küche nach Grutsch- ein. Dort können Sorten verköstigt werden, deren no (Gruczno). Anfangs präsentierten Imker aus der Trauben im Weichseltal gereift sind. MARSCHALL BESUCHT SACHSEN-ANHALT Eine Region ihre Erzeugnisse; inzwischen kann man hier ■ Piotr Olecki Regierungsdelegation der Woiwodschaft Kujawi- auch Konfitüren, verschie- en-Pommern hat Magdeburg und Halle besucht. dene Käse- und Wurstsorten Der Marschall, Piotr Całbecki, führte Gespräche und Liköre sowie Brot direkt mit Reiner Haseloff, dem Ministerpräsidenten von aus dem Ofen genießen. Das Sachsen-Anhalt sowie mit dem Kultusminister des Tal der unteren Weichsel ist Landes, Rainer Robro, der bereits im Februar (wie überhaupt eine der reizvolls- DW in 03/2016 berichtete) Bromberg und Thorn ten Gegenden in der Region. einen offiziellen Besuch abgestattet hatte. Im Zen- Die Obstbäume in den Gär- trum der Gespräche standen diesmal wirtschaftli- ten und an den Dorfstraßen che Themen. „Wir sind“, so Piotr Całbecki, „an guten gehören zum Landschafts- Beziehungen und interregionaler Zusammenarbeit bild. Im Dorf Christfelde mit Nachbarn jenseits der Oder interessiert.“ (Chrystkowo) haben Bauern jetzt an die Traditionen des „REVITALISIERUNG“ DER REGION SCHREITET Obstanbaus angeknüpft und VORAN Restaurierte Marktplätze, Gassen und einen Garten mit alten Obst- Bürgerhäuser sowie neue Funktionsbestimmungen baumsorten angelegt. Im für bislang verfallene Gebäude – das sind überall Dorf Nieder Strelitz (Strzelce sichtbare Ergebnisse der Revitalisierungsprogram- Dolne) findet im September me, die von einem Regional-Fond finanziert wer- ein Pflaumenfest statt, bei den. Diese Gelder kommen nicht nur den größeren dem die Besucher die Verfah- Städten, sondern auch den Dörfern zugute. Lokale ren zur Herstellung von Pflau- Vorhaben, für die Mittel der EU eingesetzt werden menkonfitüren kennenlernen ERNTEDANK Das zentrale Erntedankfest der Woiwodschaft ­wurde konnten, sind inzwischen in 32 Orten der Region können. In der Region wer- am ­28. ­August 2016 in Piotrków Kujawski begangen. Auf dem Pro- realisiert worden. Dazu zählen beispielsweise die den auch alte, ursprüngliche gramm standen nach der obligatorischen Heiligen Messe ein Wett- Erneuerung der „Mühleninsel“ in Bromberg, des Tierrassen gezüchtet, wie bei- bewerb um den schönsten Festkranz, ein Liederkonzert und ein Platzes des Friedens in Tuchel oder des Johan- spielsweise Grünbeinhühner Tanzvergnügen. Im kommenden Jahr wird das zentrale Erntedankfest nes-Paul-II.-Platzes in Briesen, aber auch die Ufer- oder Pommerngänse sowie in Schwetz organisiert. – Auch an vielen anderen Orten finden freilich gestaltung des Sees von Culmsee oder der Weichsel Rinder- und Schafgattungen, Erntedank-Veranstaltungen statt, die keineswegs weniger aufwändig bei Graudenz. deren Fleisch sich zu beson- sind. Die Fotografien stammen vom Fest in Groß Bösendorf (Zławieś ders schmackhaften Würsten Wielka). ■ Piotr Olecki und Schinken verarbeiten

12 Der Westpreuße 10/2016 PANORAMA

nen. – Noch vor seiner Einweihung ist das Museum des II. Weltkrie- Kultur-Informationen ges allerdings zum Zankapfel geworden. Nach der Meinung des Minis- teriums für Kultur und nationales Erbe sollte in der Narration über die Geschichte des II. Weltkrieges in erster Linie der Ruhm der polni- aus dem »Land am Meer« schen Armee und der Widerstandsbewegung betont werden; deswegen möchte das Ministerium das Museum mit dem ebenfalls gerade jetzt in Mozart in Danzig. Danzig entstehenden Museum der Westerplatte und des Polenfeldzu- Vom 21. bis zum 27. August hat im ges verbinden. Die Museumsgestalter hingegen plädieren für eine nicht ­Uphagen­-­­Haus in der Langgasse sowie national verengte, sondern »universelle« Perspektive, bei der beispiels- in der Kathedrale und im Park von Oliva weise auch die Schilderung der Kriegsauswirkungen auf das Alltagsle- zum 11. Male das internationale Mozart ben der Gesellschaft eine bedeutende Rolle spielt. Festival »Mozartiana« stattgefunden. Neben zahlreichen Instrumental- und Schaufensterbummel im alten Danzig. Vokalwerken stand auch eine szenische Auf den 20. September lud das Danziger »Institut der städtischen Kul- Aufführung des JugendwerksLa finta tur« (Instytut Kultury Miejskiej) zur nächsten Veranstaltung innerhalb semplice, Mozarts erster Opera buffa, auf der Vortragsreihe »Danziger Akademie« ein, diesmal zu dem Thema dem Programm. Zudem wurden cho- »Vor den Schaufenstern im Danzig der Vorkriegszeit«. Die Vortragen- reographische Bearbeitungen, ein Mari- de, Aneta Kwiatkowska, Kustodin der Abteilung für Dokumente des ge- onetten-Theater für Kinder oder auch sellschaftlichen Lebens in der Bibliothek der Polnischen Akademie der Jazz-Adaptationen (»Jazzy Mozart«) Wissenschaften, ermöglichte es ihrer Zuhörerschaft, sich anhand von vom Kit Downes Ensemble und von historischen Fotos, Werbezetteln und Firmenkatalogen einmal zum Urszula Dudziak geboten. »Window Shopping« ins alte Danzig zu be- geben. Besucht wurden dabei sowohl große Das Gras wachsen hören in der Galeria El. Warenhäuser als auch Tante-Emma-Läden­ Vom 14. bis zum 18. September veranstaltete das Elbinger Kunstzen- und nicht zuletzt der Fischmarkt. Auf die- trum Galeria El das Internationale Festival der Klänge. Das Programm sem Wege zeigte sich, dass Einkaufsfieber, umfasste – unter Beteiligung polnischer und internationaler Vertrete- Sonderangebote und wohl auch der Kauf- rinnen und Vertretern der Klangkunst – Konzerte, Workshops und zwang keine »Erfindungen« erst der neu- Performances, aber auch Aufführungen von Filmen und Video-Ar- eren Zeit sind – neben Émile Zolas Kun- beiten. Zugleich wurde die Ausstellung »Polish soundscapes« eröff- dinnen vom »Paradies der Damen« dürften net. Sie präsentiert Stücke, die das künstlerische Konzept des »field davon sicherlich auch die Danzigerinnen recording« verfolgen. Dabei werden Aufzeichnungen nicht in Studios infiziert gewesen sein, die z. B. bei den »Ge- vorgenommen, sondern bei ungefilterten Außenaufnahmen, wodurch brüdern Freymann« auf eine günstige Ge- ein höherer Grad von »Authentizität« bzw. »Natürlichkeit« der Klang- legenheit, auf ein »Schnäppchen«, hofften. landschaften erzielt werden soll. Pionierzeit im Weichselwerder. Kriegsalltag in einer besetzten Stadt. Am 1. Oktober hat der Tiegenhofer Club zum dritten Male den »Tag Mitte September wurde in Danzig ein erster Teil der Dauerausstellung des Ansiedlers« begangen. In einer historischen Schau soll dabei an die- im Museum des II. Weltkrieges fertiggestellt. Diese Einheit richtet sich jenigen erinnert werden, die 1945 in den ausgeplünderten, verwüsteten, an Kinder unter 12 Jahren und bietet eine Rekonstruktion von Innen- stellenweise unter Wasser stehenden Weichselwerder kamen, um hier räumen einer Warschauer Wohnung, die einer fiktiven Familie Jan- ein neues Zuhause zu finden und allmählich Wurzeln zu schlagen. Um kowski gehört und in der Vorkriegs- und Kriegszeit bewohnt wird. Die die Atmosphäre jener Tage spürbar werden zu lassen, werden Requisi- Veränderungen der Wohnungsausstattung soll den jungen Besuchern ten eingesetzt wie alte sowjetische LKWs, Warenwaggons der Weichsel- vor Augen führen, wie Krieg das Alltagsleben der Zivilbevölkerung werder-Schmalspurbahn, Pappkoffer und alte Kinderwagen, in denen beeinflusste: Manche Gegenstände wie der Radioapparat, das Porträt die Neuankömmlinge häufig ihr ganzes Hab und Gut mit sich führten. von Piłsudski, die polnische Presse, »verbotene« Bücher, der Schmuck oder der Pelzmantel verschwinden, während neue, das Kanonen­öfchen, Licht im Osten und aus dem Osten. ein Geheimfach, Kennkarten oder die Propagandapresse, erschei- Noch bis zum 20. Oktober ist die Ausstellung »Lux in Oriente – Lux ex Oriente. Polska i Stolica Apostolska 1050 lat historii [Polen und der Wohnung einer Warschauer Familie, Apostolischer Stuhl. Eine 1050-jährige Geschichte]« zu sehen, die im 5. September 1939 – ein Teil der Ausstellung für Kinder: »Zeitreise«. Grünen Tor, einer Zweigstelle des Danziger Nationalmuseums, seit Ende Juli gezeigt wird. Sie dokumentiert die schicksalhafte Geschich- Foto: des II. R. Jocher / Museum Weltkrieges te Polens von der Christianisierung bis zum 21. Jahrhundert durch das Prisma der Religionsgeschichte. In der Ausstellung werden seltene und kostbare Gegenstände u. a. aus den vatikanischen Sammlungen präsen- tiert (manche von ihnen hatten zuvor den Portone di Bronzo noch nie- mals hinter sich gelassen). Andere Exponate wurden von zahlreichen polnischen Museen und Bibliotheken ausgeliehen. Dazu gehören bei- spielsweise eine Abschrift des »Dagome iudex« – eines Regestes von Mieszko I., in dem er sein Land der päpstlichen Obhut anempfiehlt, der »Florianer Psalter« aus dem Ende des 14. Jahrhunderts sowie die erste Auflage der »Biblia Sacra Arabica«. ❧ Joanna Szkolnicka

Der Westpreuße 10/2016 13 Walther Domansky – ein Heimatschriftsteller „wie aus dem Buche“ Zum 80. Todestag des Danziger Autors

Von Peter Oliver Loew Er war eine der vernehmlichen literarischen Stimmen Danzigs zu Beginn des 20. Jahrhunderts und einer der wichtigsten Heimatschriftsteller in der Geschichte der Stadt: Der vor achtzig Jahren gestorbene Walther Domansky prägte mit seinen Erzählungen, seinen Gedichten und seinen zahlreichen, in Zeitungen erschienenen Skizzen und Feuilletons das Wissen über Danzig entscheidend mit.

eboren wurde Walther Domansky (der seinen so zu Kopfe steigt, dass ihm ganz übel wird. Besorgt besucht die Bür- Vornamen auch Walter schrieb) am 2. Dezember 1860 gerfamilie den Milchpeter in seiner Kate, und nachdem er überredet in Danzig als Sohn des Schiffskapitäns Richard Dom- wird, ein Gläschen seiner eigenen Ziegenmilch zu trinken – was er seit ansky. Er wuchs in einem alten Danziger Landhaus in Jahrzehnten nicht getan hat –, geht es ihm gleich wieder besser. Das ist Strieß auf, in dem schon Daniel Chodowiecki geweilt gewiss keine weltumstürzende Geschichte, sie lässt zudem jede Span- hatte und dem er später ein hübsches Feuilleton widmete. Wäh- nung vermissen, aber sie besitzt eine gewisse Gutmütigkeit, die viele Grend sein älterer Bruder Carl Wilhelm die Kaufmannslaufbahn ein- von Domanskys Texten kennzeichnet. Die zweite Erzählung des Ban- schlug, zog es Walter nach dem Besuch des Städtischen Gymnasiums des, Simon Matern, berichtet von der legendenumwobenen Danziger zunächst zur evangelischen Theologie. Er studierte in Leipzig und Räubergestalt vom Anfang des 16. Jahrhunderts und bleibt dabei re- Königsberg, ehe er 1885 Pfarrer in dem kleinen Dorf Neubarkoschin lativ nahe an den historisch überlieferten Ereignissen, auch wenn ein (heute Nowy Barkoczyn) bei Berent wurde. Hier gab es für die seit paar erfundene Personen in die Handlung eingeflochten werden: So mehr als 250 Jahren in der Gegend siedelnden evangelischen Kolonis- gibt es hier zum Beispiel eine 18-jährige Jungfrau Namens Afra, die in ten eine Kirche, die jedoch zu Do­­mansky Zeiten bereits sehr baufällig Liebe zu dem verwegenen Räuberhauptmann entbrennt. Dieser wird gewesen sein soll. schließlich gefangen, erkennt seine Verfehlungen und erhängt sich im 1888 trat er eine Pfarrstelle in einer größeren Ortschaft an, im Ankerschmiedeturm – woraufhin auch Afra das Zeitliche segnet. Die nordhessisch-waldeckischen Sachsenberg. Doch 1890 beendete er sei- Geschichte Brot und Salz schmückt schließlich eine Episode aus der ne Pfarrerlaufbahn, wie es heißt aufgrund seiner schlechten Gesund- Belagerung Danzigs 1813 aus und erzählt das Schicksal einiger Insas- heit und eines andauernden Nervenleidens. Er zog zurück nach Dan- sen des Danziger Waisenhauses, die dem Hunger in der Stadt entkom- zig, fand eine Wohnung in der Niederstadt, in der damals gerade neu men können. angelegten Straußgasse, und widmete sich der Schriftstellerei. Davon Domanskys Verdienst war es, Episoden aus der historischen Lite- ließ sich mehr schlecht als recht leben, auch damals waren die Zei- ratur literarisch zu verarbeiten und einem (etwas) größeren Publi- tungshonorare nicht besonders hoch, vom Buchverkauf konnte man kum zugänglich zu machen. In einer Zeit, in der die konfessionellen ebenfalls keine großen Einkünfte erwarten. Und so nahm Domans- Bindungen noch stark waren, dürfte der oft moralisierende Ton sei- ky manche Gelegenheitsarbeit an und verfasste etwa Festschriften für ner Texte auch auf eine gewisse Resonanz gestoßen sein. Während er Vereine und Geschäfte. In der Stadt war er zwar angesehen, wurde sich hier in einigen Erzählbändchen, die keinen Lokalbezug hatten 1920 vom Danziger Magistrat zum 60. Geburtstag mit einer Silber- und in protestantischen Verlagen wie dem „Christlichen Verein“ Eis- plakette geehrt und vom Deutschen Heimatbund zum 70. Geburtstag leben, dem „Lutherischen Büchereiverein“ Elberfeld oder der „Buch- 1930 zum Ehrenmitglied ernannt, doch an seiner materiellen Situati- handlung des Ostdeutschen Jünglingsbundes“ Berlin erschienen, kei- on änderte dies nicht viel, so dass ihm – wie zu lesen ist – die Stadt nerlei Grenzen auferlegen musste, weshalb diese Bücher mit Titeln schließlich eine kleine Wohnung im Auguste-Victoria-Stift auf Neu- wie Missionsröslein, Aus der Reformationszeit. Geschichten für unsere garten zur Verfügung stellte, wo er seine letzten Jahre verbrachte. Am Kinder oder Tannenzweige heute allenfalls als Quelle zur Erforschung 8. Oktober 1936 starb Walther Domansky. protestantischer Unterhaltungsliteratur herhalten können, sind andere Schon in seiner Pfarrerzeit dürfte Domansky literarische Ambi- Sammlungen zumindest noch von einem gewissen Interesse, vor al- tionen entwickelt haben, denn bereits 1889 veröffentlichte er einige lem, wenn sie Danzig-bezogene Texte enthalten. Dazu gehört zum Bei- Predigten sowie unter dem Titel Das Hohelied von der christlichen spiel das Büchlein Resedablüten. Erzählungen und Gedichte, das 1901 Liebe einige Lieder auf eigene Texte im Druck. Kaum wieder in der erschien und eine Reihe von erbaulichen Pastorengeschichten enthält, Heimat, folgte 1891 im Danziger Verlag Bertling sein erstes „lokales“ etwa über eine Predigt auf dem Dominik-Jahrmarkt, eine Geschich- Bändchen: Aus Danzigs Vorzeit. Drei Erzählungen für Jung und Alt. te über den Johannistag in Danzig, an dem ein gelähmtes Mädchen Die drei hier enthaltenen Erzählungen zeigen bereits, womit sich der glücklich stirbt, oder auch einige Gedichte wie Rings um die Stadt, das ­Autor auch in den folgenden Jahrzehnten am liebsten beschäftigen folgendermaßen beginnt: sollte: Erbauliche Geschichten im protestantischen Geist und die lo- kale Historie. Die erste Erzählung, Der Milchpeter, handelt von einem Bin heute rings um dich, o Stadt, gegangen, im Danziger Werder lebenden Mann, der sich seinen Lebensunterhalt Ein Rundgang, der sich wahrlich thut verlohnen. verdient, indem er die Milch seiner Ziege in Danzig verkauft, meist Doch mein Gemüth durchzog ein leises Bangen, an die Familie eines Ratsherrn in der Brotbänkengasse. Eines Tages Wie viel des Elends drinnen möchte wohnen. bewirtet ihn dieser mit einem Glas Aquavit, der dem einfachen Mann

14 Der Westpreuße 10/2016 GESCHICHTE UND KULTUR

Walther Domansky in seinen letzten Lebensjahren. Entnommen aus Walther Domansky: Ein Bundchen Flundern. Walther Domansky: Rund um den Pfarrturm. Danzig 1928, Vorsatzblatt. Neue plattdeutsche Gedichte. Danzig 1904.

In Sammlungen wie Der Angststein (1902) oder Bilderbuch aus dem liebt machten und dazu beitrugen, ihn zu einem Heimatschriftsteller achtzehnten Jahrhundert (1904) kommen ebenfalls Danziger Erzäh- „wie aus dem Buche“ zu machen, der umfassend über alle Aspekte lungen vor, und einige Danzig-Stoffe füllen sogar ganze Bücher: Eine der älteren und jüngeren Geschichte seines Wohnorts berichtete. Die- gewisse Bekanntheit erlangte die historische Erzählung Moritz Ferbers se Feuilletons erschienen über drei Jahrzehnte hinweg in den lokalen Brautwerbung, die 1901 in der „Evangelischen Vereinsbuchhandlung“ Tages- und Wochenzeitungen, in den Danziger Neuesten Nach- Danzig erschien, aber bereits ein Jahrzehnt zuvor in Fortsetzungen richten, der Danziger Zeitung, der Danziger Bürgerzeitung, in der Danziger Zeitung abgedruckt worden war. Auch hier wer- auch in den lokalen Kalendern, und wurden später in einigen Sam- den die von der Geschichtsschreibung bekannten historischen Details melbänden veröffentlicht: rund um den pfarrturm. gesammelte über diese Episode aus der spätmittelalterlichen Geschichte Danzigs erzählungen (1928) und o du mein danzig! allerlei geschich- ausgeschmückt, ganz nach dem Gusto ihres Autors. Als ich dieses ten (1930). Mit großer Liebe zu den kleinen und größeren Details Büchlein vor Jahren las, notierte ich mir: „Recht schwaches, ganz aus der Danziger Geschichte und Gegenwart macht sich Domansky ­biedermeierlich-pietistisch gehaltenes Werkchen“, und dabei lassen hier ans Werk, und immer wieder holt er Vergessenes ans Tageslicht. wir es auch heute bewenden. Besondere Verdienste erwarb er sich um das Uphagenhaus, jenes seit Ähnlich verhält es sich mit anderen Büchern, so mit einer 1891 erst- Ende des 18. Jahrhunderts mitsamt seiner Inneneinrichtung unverän- mals in der Danziger Zeitung und dann 1907 in Buchform erschie- dert erhaltenen Patrizierhauses, dem er zu Beginn des 20. Jahrhun- nenen Erzählung, die immerhin mit ihrem Titel eine gewisse Auf- derts mehrere Texte widmete. Damit trug er entscheidend dazu bei, merksamkeit erheischt: Ob ein Mann seine Frau zu schlagen befugt sei. dieses einzigartige Beispiel Danziger Bürgerkultur des Rokokos zu er- Gestützt unter anderem auf die farbigen Danzig-Berichte des Fran- halten, und es zu einem Museum werden zu lassen, dessen Bedeutung zosen Charles Ogier aus dem Jahre 1635, erzählt Domansky die Ge- so groß war, dass man es auch nach der Zerstörung der Stadt 1945 und schichte der Agnete, die gerichtlich gegen ihren Mann vorgehen will, dem Bevölkerungsaustausch nicht vergaß; heute erzählt es wiederauf- weil der sie gezüchtigt hat, deren Klage aber abgewiesen wird. Diese gebaut vom einstigen Reichtum der alten Stadt. Handlung wird nun aber in Familien der Danziger Aristokratie ver- Und es gibt noch einen weiteren Bereich der Literatur, in dem sich legt, wo sich Mann und Frau ebenfalls gelegentlich streiten, doch am Walther Domansky Meriten erwarb – seine plattdeutschen Gedich- Ende werden – so wie bei Agnete und ihrem Gatten – auch in der te. Er versammelte sie in zwei Bändchen, danziger dittchen (1903) Familie des Ratsherrn Treder die Missverständnisse ausgeräumt, und und ein bundchen flundern (1904). Sie gehören zum Besten, was der Ratsherr kommt in einer Abhandlung über die Frage, ob Männer die Danziger Mundartliteratur hervorgebracht hat. Domansky hat ihre Frauen schlagen dürfen, zu dem Ergebnis, dies dürfe nicht sein, ihre Entstehung im Vorwort zu den danziger dittchen geschildert: da die Frau dem Mann ebenbürtig zur Seite stehe. Gegenüber solchen Veröffentlichungen waren es aber wohl mehr Gedichte in plattdeutscher Mundart zu schreiben, ist immer ein noch die stadthistorischen Feuilletons und Skizzen, die Domansky be- Wagnis. Zumal in unserem Danziger Platt, in dem die Vokale viel-

Der Westpreuße 10/2016 15 Ein altes Haus. „Herr Chri|, Dir Lob i< \age Für Deine Wohlthat all, Die Du mir all mein Tage Von dem frommen Sinn un\erer Vorfahren legen nit, welhaus gel­ die\e Bilder, im Zimmer vor der ge{lo}enen Tür |ehend, in ten, das in der Breitga}e |eht. Von außen \ieht man es der Reihenfolge von reerladen, de}en Wände von unten bis oben mit der Engel zu \ehen und Maria, die ein offenes Bu< in der Hand holländi{en Kawerk an der Treppe, und dafür no< die Stu>de>e, in deren Mitte \i< eine figürlien“, \owie das heilige mir, do< nien der Stu>de>e befinden \i< no< vier Medaillons ebenfalls eine Tafel, auf der wir folgende In{rift \ehen: mit figürli. Hau\es. Was mag da}elbe alles erlebt haben, und wieviel Freude und Leid mag \i< in \einen Räumen abge\pielt haben! Mit die\er Notiz, daß das Gebäude na< jener oben Aber der fromme Sinn, der immer wieder im An{auen der Bil­ erwähnten Zer|örung im polni{en Succe}ionskriege Anno der und Sprüwerk auf der inneren Räume des alten Hau\es {wer auf die Seele: wo dem Treppenab\a^ umwenden, entde>en wir linker Hand eine findet \i< je^t in un\ern Tagen \ol< ein frommer Sinn, der \i< merkwürdige Tür. Auf die\elbe i| nämli< ein Mann in alter al\o in Bild und Sen einen Sa> Getreide mit au< etwas ko|en läßt, \ein Heim in die\em Gei|e zu {mü>en? der Jahreszahl 1736 trägt. Ob wir darin den frommen Haus­ herrn Friedri< Conrad Fran> zu erbli>en haben? Die Haupt­ #ehen\würdigkeit des Hau\es kommt jedo< er| je^t, nämli< ein • gut erhaltenes Zimmer, de}en Fen|er na< der Quer|raße hinau\ gehen. Dur< eine prä einer Hauska­ Walther Domansky: Ein altes Haus, in: Danziger Allerlei. Gesammelte pelle zu ma

16 Der Westpreuße 10/2016 GESCHICHTE UND KULTUR

fach eine eigentümlich dunkle, schwer wiederzugebende Klangfarbe angenommen haben. […] Nicht ohne mannigfachen Beirat aus hö- heren und niederen Ständen, wobei die Meinungen übrigens oft aus- einander gingen, sind die meisten Worte in diesen Gedichten vorher gleichsam von der Zunge befühlt und hin und her bewegt worden, ehe sie zu Papier kamen.

Zum Abschluss das Auftaktgedicht zu diesem Band, in dem es eben um diese Dittchen geht – wie man in Danzig (und im ganzen preußi- schen Nordosten) die Silbergroschen zu 12 Pfennigen nannte:

Danz'ger Dittchen, so heww eck genannt Mine Gedicht'. Wer jenne noch kannt', Ward gern sich damet de Tiet verdreewe, Wenn em de Freid' am Ollen gebleewe, On wenn de junge Generatschon Uck sich dran freit, es't min bester Lohn!

Priv.-Doz. Dr. Peter Oliver Loew Stellvertretender Direktor in wissenschaftlichen Fragen am Deutschen Polen Institut Darmstadt, Lehrbeauftragter an der TU Darmstadt sowie an der TU Dresden und Übersetzer. Mannigfache Publikationen u. a. zur Musikzimmer des Uphagenhauses; Geschichte Polens, Deutschlands und der deutsch-polnischen Beziehun- Aufnahme der Staatlichen Bildstelle. Deutscher Kunstverlag, Berlin gen sowie zur Geschichte und Gegenwart Danzigs.

»800 Jahre Deutscher Orden in seiner Residenz in Ellingen«

in ganzes Jahr feiert die Deutschordensstadt Ellingen das Jubiläum 800 Jahre Deutscher Orden. Zusätzlich zu Konzerten, einer Galavorstel- lung, Wanderungen zu historischen Orten und Vorträgen bietet nun das Kulturzentrum Ostpreußen im Westflügel des Deutschordens­schlosses Eeine Ausstellung zu diesem Thema. Zur Eröffnung am 3. September erschien Dr. Bruno Platter, Abt und 65. Hochmeister des Deutschen Ordens, persönlich. Der Tag begann feierlich: In der überfüllten Schlosskirche wurde die Sym- phonie in Dis von Johann Urban Alois Hofstetter uraufgeführt. Hofstetter war im 18. Jahrhundert Oberamtsassessor des Deutschen Ordens in Ellingen, sechs seiner Werke sind in gedruckter Form überliefert. Die erstmals gespielte Sym- Bei der Ausstellungseröffnung (v. l. n. r.): Ausstellungskurator Hermann Seis, Prof. Dr. Udo phonie lag nur in handschriftlicher Form vor und wurde durch das Ensemble Arnold, Präsident der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen L'arpa festante aus München, das sich auf die Aufführung von Orchesterwerken Ordens, Dr. Bruno Platter OT, Abt und 65. Hochmeister des Deutschen Ordens, Wolfgang Frey- im Originalklang der Entstehungszeit spezialisiert hat, hervorragend intoniert. berg, Direktor des Kulturzentrums Ostpreußen in Ellingen. Foto: Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen In der Jubiläumsausstellung in den Räumen des Kulturzentrums Ostpreu- ßen konnten sich die Gäste anschließend mit der 800-jährigen Geschichte des Deutschen Ordens, aber auch mit seinen Randerscheinungen, vertraut In seinem Grußwort würdigte Abt Dr. Bruno Platter OT die Ausstellung und machen. Den Festvortrag zur Einführung hielt Prof. Dr. Udo Arnold, der Prä- ging auf weitere Jubiläen des Ordens wie 825 Jahre päpstliche Bestätigung ein. sident der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Diese Jubiläen seien Anlass zur Dankbarkeit und Besinnung, bedeutete der aus Deutschen Ordens. Die von Bernhard Denga gestalteten Bildtafeln zeigen Unterinn bei Ritten in Südtirol stammende Hochmeister. eindrucksvoll mit zahlreichen historischen Dokumenten, wie der Deutsche Der für Vertriebenenpolitik und grenzüberschreitende Zusammenarbeit­ Orden entstand, wie es zur Gründung eines Spitals in Ellingen kam und wie zuständige Ministerialrat Dr. Wolfgang Freytag vom Bayerischen Staats­ der Orden dann in der kleinen Stadt Fuß fasste. Beschrieben werden dazu die ministerium fur Arbeit und Soziales, Familie und Integration lobte die her- von den Ordensbaumeistern errichteten Bauwerke wie die Pfarrkirche und die vorragende Arbeit des Kulturzentrums Ostpreußen unter Direktor Wolfgang Spitalanlage, die Lebensgeschichten u. a. von Balleirat Johann Jacob Herold, Freyberg. Bezirksrat Alexander Küsswetter sei stolz auf das in seinem Bezirk Landkomtur Heinrich von Hornstein sowie Landkomtur Graf von Sazenhofen. liegende »historische Juwel Ellingen«. Interessant dargestellt wird zudem das Leben der Ellinger Henker, die Zeit der Die Ausstellung 800 Jahre Deutscher Orden in seiner Residenz in Ellingen, zu Hexenverfolgung in der Region sowie die Geschichte der jüdischen Gemeinde. der ein Begleitheft erschien, kann bis zum 5. März 2017 besichtigt werden. Bis Der Rundgang, der mit Schaustücken aus dem Archiv ausgeschmückt ist, erläu- zu diesem Zeitpunkt ist sie täglich außer montags von 10 bis 12 Uhr und von tert aber auch den Untergang des Ordens in Ellingen, die Eroberung durch Preu- 13 bis 16 Uhr im Kulturzentrum Ostpreußen, Schloßstraße 9, 91792 Ellingen, ßen und endlich die Weitergabe der Stadt an das bayerische Königshaus. geöffnet. M. Fritsche

Der Westpreuße 10/2016 17 Museen im Land an der unteren Weichsel Das Weichselwerder-Museum: »Es gibt viel zu entdecken«

Mit diesem Wahlspruch wirbt das Weichselwerder-Museum in Tiegenhof um Besucher. Was hat der polnische Literaturnobel- preisträger Czesław Miłosz mit dem Weichselwerder zu tun? Wer machte dieses Land zum »Garten Polens«? Warum ist es ein »Butterland«? Was ist »Stobbes Machandel«? Vor wem flüchtete die schöne Prinzessin Tiege? Antworten auf diese und viele ande- re Fragen findet der Besucher im kleinen Museum in Tiegenhof, das sich bemüht, mit Hilfe von Gegenständen und am Schicksal einzelner Menschen und Familien die Geschichte des Weichselwerders zu veranschaulichen und zu bewahren.

nun allerdings allmählich zur Ruine zu verfallen droht. (Davon können sich die Besucher selbst überzeugen, wenn sie sich nach dem Museums- besuch auf einen zehnminütigen Spaziergang begeben.) Foto: Tilman Tilman Fischer Foto: Die Aufmerksamkeit des Betrachters wird aber vor allem von einem Bild gefesselt, das in der Abteilung über die ersten Anfänge der Stadt gezeigt wird. Das Gemälde bietet die ein- Das Weichselwerder-­ zige uns noch bekannte Darstellung des Tie- Museum – vor dem Krieg die Käserei von genhofer Schlosses, – wobei freilich unweiger- Leonhard Krieg lich eine dramatische Szene im Vordergrund ins Auge fällt: Ein Türke ist gerade im Begriff, eine junge Christin zu enthaupten. Das Bild ist wohl eine Reminiszenz an dramatische Gescheh- nisse aus dem Leben des jungen Adeligen Hans von Loitz, dessen Familie zur Zeit der Gescheh- nisse jene Ansiedlung besaß, die späterhin zum Städtchen Tiegenhof wurde. Hans wurde wäh- rend seiner Pilgerfahrt ins Heilige Land zusam- men mit anderen Pilgern von den Türken gefan- gen genommen und kam erst nach Bezahlung eines erheblichen Lösegeldes wieder frei. Wäh- as Museum ist ein wesentlicher Teil eines umfassen- rend dieser Zeit schloss er Freundschaft mit einem seiner Gefähr- deren Projekts, das den Namen »Historisches Haus ten im Unglück, Reinhold Feldstedt; und diese Bindung wurden des Weichselwerders« trägt. Es hat seinen Sitz im nach der glücklichen Heimkehr durch Ehen zwischen Mitgliedern renovierten Gebäude einer Käserei aus dem Anfang der beiden Familien noch gestärkt. des 20. Jahrhunderts, die früher dem Schweizer Innerhalb der Geschichte von Tiegenhof darf Stobbes Ma­chan- Leonhard Krieg gehörte, und bietet viele Attraktionen, von Gelän- del selbstverständlicher Weise nicht fehlen – ein Wacholder- Ddespielen über Hochwasserschutzgruppen bis zu kulinarischen schnaps, der seit 1776 von der Familie Stobbe hergestellt wurde Workshops. Das Museum, das auf eine Initiative des Tiegenhofer und der zur Zeit der Freien Stadt als ein »Danziger Nationalge- Clubs zurückgeht, wurde 1993 eröffnet und ist ganzjährig diens- tränk« galt. In der Abteilung, die dieser Familie gewidmet ist, wer- tags bis sonntags für Besucher zugänglich. Die Dauerausstellung den originale Flaschen, Gläser und Fäs- erstreckt sich über drei Etagen. schen von Stobbe Machandel präsentiert.­ Darüber hinaus beherbergt das Vom Winde verweht Museum einige Exponate, die mit kon- Im Erdgeschoss gewährt eine Abteilung zur »Hauptstadt des kreten historischen, individuellen Vor- Weichselwerders« mit Postern Einblicke in die Geschichte von gängen verbunden sind und die Betrach- Tiegenhof seit der Stadtgründung bis zu jener dramatischen ter anzurühren vermögen. So verhält es Wende, in deren Folge Tiegenhof zur polnischen Stadt Nowy Dwór sich mit den Schlüsseln zum Wohnhaus Gdański wurde. Die Geschichtserzählung wird durch Informa­ in der ehemaligen Schlossstraße, das vor tionstafeln vermittelt, die in ihren Konturen reizvoller Weise Sil- dem Krieg der Konditoren-Familie Korella gehörte. Die Schlüs- Die einzige bekannte houetten von alten, bis heute erhalten gebliebenen städtischen sel überstanden den Untergang der »Gustloff«, wurden von der Darstellung eines „Schlosses“ am Fluss Gebäuden bieten. Dazu gehört auch der Tiegenhofer Wasserturm Familie verwahrt und 2011 dann vom damaligen Besitzer, Hein- Tiege (das zweite aus dem Jahre 1909 – eines der ersten Gebäude in ganz Europa, rich Korella, dem Museum übergeben. Gebäude v. l.) bei denen eine Stahlbeton-Konstruktion eingesetzt wurde –, der

18 Der Westpreuße 10/2016 GESCHICHTE UND KULTUR Foto: Tilman Tilman Fischer Foto: Foto: Joanna Szkolnicka Foto: Joanna Szkolnicka Foto:

Eine tragische Liebesgeschichte ist mit einem sehr auffälli- aus. Im 19. Jahrhundert stiegen sie des Öfteren zu Angehörigen Oben links: Der Schlitten, gen Ausstellungsstück verbunden, bei dem es sich um einen gro- der Bourgeoisie auf, für die dann jedoch stets – wie die Ausstel- mit dem Teresa Świ- derska zur Trauung in die ßen prachtvollen Schlitten handelt. Mit diesem Fahrzeug begab lung beweist – nicht nur eine gute Zigarre und ein Gläschen Wein Kirche fuhr sich Teresa Świderska kurz nach dem Ende des Zweiten Welt- wichtig waren, sondern auch die gemeinschaftliche Sorge um Wit- krieges in die Kirche von Marienau, in der ihre Trauung statt- wen, Waisen, Kranke und Alte. Viele der Bewohner waren auch Oben mittig: Die fand. Drei Jahre lang hatte die junge Frau, die ein Massaker an begabte Handwerker wie z. B. Schreiner – von solchen Fertigkei- Überreste der letzten Entwässerungswind- Wolhyniern überlebt hatte, durch das Rote Kreuz ihren Verlobten ten zeugen häufig nur noch kunstvolle, mit großer Sorgfalt ange- mühle in Polen Jan gesucht. Dann beugte sie sich dem Familiendruck und heira- fertigte Holzkisten, die – mit zufällig zusammengerafften Doku- tete einen anderen Mann. Einen Tag nach ihrer Vermählung fand menten, Erinnerungsstücken und anderen Gegenständen gefüllt Oben rechts: In der Jan, der ebenfalls nach ihr gesucht hatte, sie wieder; Teresa ent- – als Einziges auf die überstürzt angetretene Flucht mitgenom- dritten Etage – „Auf dem Dachboden“ schied sich jedoch, ihrem Gelübde vor Gott gegenüber menschli- men werden konnten. chen Emotionen den Vorzug zu geben. Erst als 75-jährige Witwe Ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Mennoniten im begegnete sie Jan bei einem Wolhynier-Treffen erneut. Als sie nun Weichselwerder bildet ihre Unterstützung des Nationalsozia- seine Bitte zurückwies, den Rest ihres Lebens gemeinsam mit ihm lismus. Viele von ihnen ließen sich von der Hitler-Propaganda zu verbringen, beging er Selbstmord. verführen, die sie als »Niederrheinische Pioniere im Osten« Eine nicht minder traurige Geschichte hängt letztlich mit bezeichnete. Für polnische Besucher ist es sicherlich interessant, einem handgeschriebenen Gebetbuch zusammen, das der Mut- zu entdecken, dass Anna Ger- ter des polnischen Dichters Czesław Miłosz gehörte. Als die Fami- man (1936–1982), eine in ihrer lie Miłosz gegen Ende des Krieges Litauen verließ und in den Zeit äußerst berühmte Sängerin, Weichselwerder kam, traf sie in einem Haus in Schönbaum, in der die als »polnische Nachtigall« Nähe von Tiegenhof, auf eine alte, verlassene deutsche Frau, die an gerühmt wurde, mennonitische Typhus erkrankt war. Die Mutter des späteren Nobelpreisträgers Wurzeln hatte. Erwähnenswert pflegte diese Frau, steckte sich dabei an und starb selbst an die- ist schließlich auch ein kleines ser Krankheit. – Diese drei Geschichten sind durchaus typisch für – Grabsteine, die aus ein Land, in dem sich die Schicksale von Flüchtlingen und Neu- alten Friedhöfen im Weichsel- ankömmlingen kreuzten und miteinander verflochten. werder und ins Museum Neben diesen Relikten persönlicher Schicksale werden frei- überführt worden sind. lich auch Zeugnisse der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte gezeigt. Das herausragende Exponat sind in diesem Kontext die Über- Ein Dachboden voller reste der letzten, aus dem 18. Jahrhundert stammenden Entwäs- Kuriositäten – serungswindmühle aus dem Dorf Ostaszewo (Schöneberg). Hier so lautet der Titel der Sek- stellt sich – über die technischen Merkmale hinaus – ein unmit- tion im Dachgeschoss des Muse- telbarer Zusammenhang zu den Siedlern her, die aus dem Westen ums, die mit Absicht einem (viel- kamen und das Weichseldelta zu einer Kulturlandschaft machten, leicht geringfügig ordentlicheren) die bald als die »kleinen Niederlande« bezeichnet wurde. Dachboden in Großmutters Haus Tilman Fischer Foto: ähnelt, den man hemmungslos durchstöbern darf. Gesammelt Erinnerungen an Bete und arbeite und »ausgestellt« (bzw. gelagert) werden hier viele nicht mehr Anna German Im ersten Obergeschoss wendet sich die Ausstellung folge- gebrauchte Gegenstände, Werkzeuge, Gerätschaften – nicht richtig der Geschichte und den Schicksalen der frommen und zuletzt Buttermaschinen und verwandte Utensilien, denn der arbeitsamen Mennoniten zu, die – in ihrer Heimat verfolgt – eine ganze Weichselwerder riecht – nach Günter Grass – doch nach Zuflucht im Weichselwerder fanden und dieses Land zum »Garten Butter, Quark und Käsereien. Etwas ältere Besucher werden sich Polens« machten. Die Konzeption und Einrichtung dieser Sektion dort, möglicherweise mit einem Anflug von Melancholie, an alte (die mit niederländischen, deutschen und polnischen Texten ver- polnische Fernsehapparate der Marken »Neptun« und »Alga« sehen ist) wurde dem Museum vom Verein für polnisch-hollän- erinnern oder nachdenklich das Büchlein mit Empfehlungen dische Freundschaft gestiftet. Die Mennoniten waren aber nicht für »Rationalisatoren« oder andere Relikte des untergegangenen nur Landwirte, sondern übten auch andere Berufe sehr erfolgreich Kommunismus mustern. ❧ Joanna Szkolnicka

Der Westpreuße 10/2016 19 GESCHICHTE UND KULTUR

Ein Nestor der jüngeren westpreußischen hörens-, sehens- und wissenswert Landesforschung BIBERACH AN DER RISS Vom 8. Oktober bis 11. November finden in Biberach die Pol- nischen Wochen statt. Seit über 25 Jahren besteht das enge Prof. Dr. Bernhart Jähnig zum 75. Geburtstag Band einer Städtepartnerschaft zur polnischen Stadt Schweid- nitz. Dieses Ereignis wird mit einer Fülle von Veranstaltungen gefeiert. (Partnerschaftsverein Biberach e. V., Schweidnitz-­ Ausschuss – www.partnerschaftsverein-biberach.de)

ernhart Jähnig wurde am 7. Oktober 1941 DEUTSCHES POLEN-INSTITUT DARMSTADT im steirischen Klagenfurt als Sohn ei- Sa, 12. Oktober, 19:00 Uhr Vortrag Prof. Dr. Dieter Bingen, nes großdeutschen Beamten geboren. Direktor des Deutschen Polen-Instituts: Konservative Ohne jemals Arzt gewesen zu sein, ist Revolution in Polen – ungebremst?, im Rahmen der Reihe: Jähnig gleichwohl ein bekannter Ber- Quo Vadis Polonia? Polen, Deutschland und Europa im liner Therapeut. Er behandelt die retrograde gesell- Fokus (Deutsches Polen-Institut, Vortragssaal, Residenz- Bschaftliche Amnesie. Als Archivar und Historiker liegt schloss, Marktplatz 15, 64283 Darmstadt – www.deutsches- ihm nämlich bis heute am Herzen, die Erinnerung an polen-institut.de) das schriftliche Erbe aufzuarbeiten und die Ergebnis- se in den modernen Informationskreislauf einzulei- URANIA BERLIN ten. Noch vor der Veröffentlichung seiner Doktorar- Do, 20. Oktober, 15:30 Uhr Vortrag Dr. Gunnar Strunz: Der beit über den Rigaer Erzbischof und Diplomaten des Zweite Thorner Friede – der Anfang vom Ende des Deut- Deutschen Ordens Johann von Wallenrode (um 1370–1419) im Jahre 1970 hat Bern- schen Ordens, anlässlich des 550. Jahrestages des Zweiten hart Jähnig am Historisch-Geographischen Atlas­ des Preußenlandes mitgearbeitet. Er Thorner Friedens Mi, 26. Oktober, 19:30 Uhr Vortrag Ingrid bekundete schon damals sein besonderes Interesse an der Geschichte des alten Preu- Meyer-Legrand: Die Kraft der Kriegsenkel ßenlandes und des benachbarten Alt-Livland sowie an den mit diesen Landschaften (Urania Berlin, An der Urania, 10787 Berlin – www.urania.de) verwobenen Menschen. Einem Bergmann gleich hat er sich immer wieder bemüht, Verborgenes ans Tageslicht zu fördern und für den sofortigen Gebrauch zur Verfügung UNIVERSITÄT HAMBURG zu stellen. Seine Hunderte von Veröffentlichungen schöpfte er vornehmlich aus den Mo, 24. Oktober, 18.00 Uhr Vortrag Felix Matheis, M. A.: Beständen des Staatsarchivs Königsberg im Staatlichen Archivlager Göttingen und seit Hamburger Herren – Kaufleute aus der Hansestadt im 1979 im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Damit ist diejenige Überlie- besetzten Polen, 1939–1945, im Rahmen der Vorlesungsreihe ferung gemeint, die er bis zu seiner Pensionierung 2006 nicht nur verwaltete, sondern im Wintersemester 2016/17 (Universität Hamburg, Haupt­ auch weiter erschloss, und dies ungeachtet mannigfacher dienstlicher Stolpersteine. gebäude in der Edmund-Siemers-Allee 1, Hörsaal K – Mit schier unerschöpflicher Kraft betreute Bernhart Jähnig Archivbenutzer, reiste als aktuell.dpg.hamburg/event/vorlesung-universitaet-hamburg) geschätzter Referent zu Vorträgen ins In- und Ausland und unterrichtete als Dozent und als Honorarprofessor Studierende in Geschichte und Historischen Hilfswissen- STADTBIBLIOTHEK SCHWÄBISCH HALL schaften. Von 1995 bis 2010 war er 1. Vorsitzender der Historischen Kommission für Mi, 26. Oktober, 19:00 Uhr Literatur live: „Notzeit“ – ost- und westpreußische Landesforschung. Dem Vorstand der Kommission gehört er Lesung mit Wolfgang Kirchner bis heute an. Seine vielfältigen Tätigkeiten fanden u. a. Würdigung mit der Zuwahl zum (Stadtbibliothek Schwäbisch Hall, Neue Str. 7, Herder-Forschungsrat und zur Baltischen Historischen Kommission, deren Mitglied 74523 Schwäbisch Hall – www.schwaebischhall.de) er seit 1990 ist. Jähnig ist seit 1982 Vorstandsmitglied der Copernicus-Vereinigung zur Pflege der Heimatkunde und Geschichte Westpreußens, bis 1998 amtierte er sogar als KATHOLISCHE AKADEMIE IN BAYERN, MÜNCHEN ihr 1. Vorsitzender. Der in Berlin ansässige ehrwürdige Verein HEROLD kürte ihn 1996 Do, 27. Oktober, 19.00 Uhr Podiumsdiskussion „Polen in zum stellvertretenden, im Jahr 2006 und nochmals 2015 zu ihrem Vorsitzenden; und Europa. Zwischen Isolation und Integration“ im Jahre 2009 wurde ihm von der Landsmannschaft Westpreußen der renommierte Schriftliche Anmeldung erbeten bis zum 26. Oktober unter Westpreußische Kulturpreis verliehen. Damit erschöpfen sich die Rezepturen nicht, [email protected] bzw. per Telefax an 089 / mit denen Bernhart Jähnig vergangenes Wissen wiederbelebt. Als Mitherausgeber und 38 10 21 03. (Katholische Akademie in Bayern, Mandlstraße 23, Herausgeber von Zeitschriften und Büchern wie den Beiträgen zur Geschichte Westpreu- 80802 München – www.kath-akademie-bayern.de) ßens oder den Tagungsberichten der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung bringt er Ideen ein, redigiert fleißig und achtet auf die wissenschaftli- HAUS DES DEUTSCHEN OSTENS, MÜNCHEN che Qualität der von ihm mit verbreiteten Werke. Dass all dies nicht ohne Unterstüt- Do, 27. Oktober, 19.00 Uhr Vortrag und Buchpräsentation: zung seiner Frau, seiner Kinder und Enkel vonstattengeht, ist nicht selbstverständlich Die Erinnerung an Flucht und Vertreibung. Ein Handbuch und schon gar nicht ohne Gottes Segen möglich. In Zeiten, in denen sich Archivare der Medien und Praktiken. Referentin: Prof. Dr. Maren Röger, und Bibliothekare zunehmend als technische Dienstleister verstehen, mahnt Bernhart Augsburg (Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, Jähnig mit seinem Beispiel gegen die drohende geistige Verarmung. „Ad multos annos“ 81669 München – www.hdo.bayern.de) oder „sto lat“, wie seine vielen polnischen Kollegen ihrer Wertschätzung Ausdruck ver- leihen dürften! ■ Dieter Heckmann EUROPÄISCHES LITERATURFESTIVAL SIEGEN So, 30. Oktober, 11.00 Uhr KosmoPOLINNEN II, Kawa & Kaf- fee zum Frühstück: Polnische Schriftstellerinnen in Deutsch- land: Paulina Schulz und Agnieszka Kowaluk (Café Flocke, Marburger Str. 45, 57072 Siegen – www.vielseitig-festival.eu)

20 Der Westpreuße 10/2016 Regionalmuseum Krockow KULTURSTIFTUNG WESTPREUSSEN

In der August-Nummer wurde auf dem Foto, das jeweils „zum guten Ein Sommertag am Meer Schluss“ eines Heftes gezeigt wird, Von Patrycja Szczerba die Unterrichtungstafel abgebildet, die an der Woiwodschaftsstraße 213 kurz hinter Zarnowitz seit wenigen Monaten die Stelle markiert, an der in der Zwischenkriegszeit die Grenze zwischen der Zweiten Polnischen Republik und dem Deutschen Reich verlief. Kurze Zeit später erreichte die Redaktion ein Niklewicz Prof. Quelle: Privatsammlung Beitrag aus Krockow, der neben den historischen Zusammenhängen der damaligen Grenzziehung auch die Bemühungen erläutert, in der Region den Erinnerungsort „Ver- sailles 1920“ zu etablieren und den Ostsee-Urlaubern näherzubringen.

Kinder in den 1920er Jahren am Grenzstein Nr. 001

er Tag ist schön und heiß. Das der Freien Stadt Danzig, erklärt wurde. Die führen lässt: Die lokale Geschichte wird in Blau des Himmels spiegelt neue deutsch-polnische Grenze hatte eine den Küstengemeinden mit einer Reihe von sich im Fluss Piasnitz (Pias- Länge von insgesamt 1912 Kilometern. Die Infotafeln erläutert, die den Badeorten einen­ nica) wider. Man hört Meeres­ Zugehörigkeit von Streitgebieten sollte durch zusätzliche Reiz verleihen wollen. In all ih- rauschen, Vogelgesang, das eine Volksabstimmung festgelegt werden. ren Facetten soll die komplizierte und zu- Lachen der badenden Kinder. Die Strand­ Der Friedensvertrag wurde für Polen von gleich hochinteressante Geschichte der Woi- Dbesucher teilen die schmale Brücke mit ­Ignacy Paderewski und Roman Dmowski wodschaft Pommern vermittelt werden, so zahlreichen Radfahrern, die einem belieb- unterzeichnet und am 1. September 1919 von das Bestreben des Bürgermeisters. Mit dem ten Radweg entlang der Ostseeküste folgen. der Republik Polen ratifiziert. Am 10. Febru- nachgeahmten Grenzstein will er die schwie- Am Flussufer legen gerade Kajaks an. Aufge- ar 1920 fand dann in Putzig (Puck) die soge- rige Lebenslage der lokalen Bevölkerung vor regte Teenager, die eben ihre erste Kajakfahrt nannte „Vermählung Polens mit dem Meer“, dem Zweiten Weltkrieg veranschaulichen. absolviert haben, steigen immer noch etwas statt, eine symbolische Bekräftigung des pol- Am Anfang erweckte die Idee allerdings gro- unsicher aus. Es handelt sich um deutsche nischen Anspruchs auf die Ostseeküste: In ßes Aufsehen und stieß auf allgemeine Miss- Schüler auf Klassenfahrt, die für eine Woche diesem feierlichen Akt wurde ein Ring ins billigung. Daraus ergab sich sogar, dass die bei einer Schule ihrer polnischen Partnerge- Meer geworfen, und damit wurden quasi die erste Tafel durch Vandalismus zerstört wur- meinde zu Gast sind. Die Betreuer weisen auf Ostsee und Polen miteinander „verheiratet“. de. Trotzdem wurde bald eine weitere Tafel eine große bunte Tafel und einen Stein mit Auch Aussehen, Größe und Gestaltung der aufgestellt, auf der ausführlich, mit reichem der Inschrift: „Versailles 28. 6. 1919“ hin. Gäbe Grenzsteine wurden im Friedensvertrag von Bildmaterial und in drei Sprachen über die es die beiden Hinweise nicht, so wüssten Versailles festgelegt. Man erkannte sie an der Geschichte dieses Grenzsteins berichtet wird. weder die Kinder noch die vielen Touristen, Inschrift: „Versailles“ mit dem Datum sowie Inzwischen scheint der alte Argwohn verges- die jedes Jahr nach Dembeck (Dębki) strö- den Buchstaben „P“ von der polnischen und sen zu sein. Das Schild ist unangetastet ge- men, dass die deutsch-polnische Grenze frü- „D“ von der deutschen Seite. Sie wurden im blieben, obwohl (oder gerade weil) der neue her einmal durch das Gebiet der Gemeinde Abstand von wenigen Kilometern aufgestellt, Standort gut sichtbar und allgemein zugäng- Krockow (Krokowa) verlief. mit kleineren Marksteinen dazwischen. Einer lich ist. (Vermutlich wird dadurch ein größe- Der am 28. Juni 1919 unterzeichnete Frie- von ihnen – kein historisches Relikt mehr, rer Schutz gewährleistet, in dieser Erwartung densvertrag bestimmte in seinem 27. Artikel sondern eine originalgetreue Replik – befin- könnte dann auch der Grund dafür liegen, unter anderem auch die westliche Grenze det sich jetzt in Dębki. Zusammen mit einer dass der Stein um etwa 200 m von seiner ur- Polens. Polen erhielt demnach den größten Infotafel bildet er eine historisch geprägtes sprünglichen Stelle verschoben worden ist.) Teil Großpolens sowie Hinterpommern ohne Ensemble, dessen Einrichtung sich auf Über- Die ursprüngliche Grenze begann an Danzig, das zu einem unabhängigen Staat, legungen zum Tourismusmarketing zurück- ­einem Sandweg und lief dann weiter an

Der Westpreuße 10/2016 21 KULTURSTIFTUNG WESTPREUSSEN

BLICK ÜBER DEN ZAUN

­einem Melio­rationsgraben über Lübkau- soziologischen oder sprachlichen Raums Bochum Bis zum 30. Oktober wird in der Zeche er und Piasnitzer Wiesen, um schließlich äußern. So kann man in der Gemeinde Hannover eine Ausstellung gezeigt, die das folgende über die Dünen zum Meer zu gelangen. Im Krokowa ebenfalls auf Spuren solcher sym- Thema aufnimmt: „Zwischen Ungewissheit und Zu- Allgemeinen folgte sie dem Fluss Piaśni- bolisch fortbestehenden Grenzen stoßen. versicht – Kunst, Kultur und Alltag polnischer Dis- ca oder, wie manche Quellen behaupten, Fährt man beispielsweise nach Wierschut- placed Persons in Deutschland 1945–1955“. Nach seinem Zufluss, dem Alten Piasnitz-Bach zin (Wierzchucino), das nach dem Ersten dem Ende des Zweiten Weltkriegs konnten viele (Struga Piaśnicka). Ungefähr 15 m von dem Weltkrieg im Staatsgebiet des Deutschen Polen aus politischen Gründen nicht in ihr Heimat- Grenzstein entfernt, stand die sogenannte Reiches blieb, dann sagen die Leute auch land zurückkehren. Knapp eine Million ehemalige Versailler Eiche, die in den 1920er Jahren heute noch oft, sie führen „ins Ausland“. polnische Zwangsarbeiter, Häftlinge und Kriegs­ als der nordwestlichste Baum ganz Polens Heute brauchen wir aber keinen Pass, gefangene lebten fortan als sogenannte „Displaced gerühmt wurde. Die Eiche wurde zu ei- um über die kleine Brücke in Dębki zu Persons“ (DPs) in den westlichen Besatzungszonen. nem beliebten Ausflugsziel – beispielswei- laufen. Der Fluss, der einmal zwei Völ- Trotz der herrschenden Knappheit und Ungewissheit se für den Schützenverein in Putzig. Über ker trennte, wird nun oft zu einem Begeg- über ihr weiteres Schicksal entwickelten sie ein viel- 20 m groß und mit einem Stammumfang nungsort für Touristen aus aller Herren fältiges Kulturleben. (LWL-Industriemuseum Zeche von 357 cm, eignete sich der Baum ganz Länder, die zum Sport oder zur Erholung Hannover, Günnigfelder Str. 251, 44793 Bochum – ausgezeichnet als eine touristische Attrak- hierher kommen und von einer gemeinsa- www.lwl.org/industriemuseum/standorte/zeche- tion. Die hohe Symbolkraft der Eiche, die men Hoffnung getragen werden, und zwar hannover/sonderausstellung) seit der Antike für Stärke und Kraft steht, von der Hoffnung, dass die Mäander der untermauerte diesen Status noch. Leider Geschichte so ruhig bleiben mögen wie Berlin Die Ausstellung „Narren und Priester – Polni- überdauerten aber weder die Eiche noch die Piasnitz-Strömung. Mit dem gleichen sche Neue Expression“, die vom 19. Oktober bis zum der echte Grenzstein den Zweiten Welt- Empfinden machen wir einen kurzen Halt 8. November in der Urania zu sehen ist, setzt sich mit krieg. beim Grenzstein Nr. 001, beobachten die drei Jahrzehnten expressiver Malerei in Breslau aus- Andere Restbestände der Vergangen- sonnengebräunten Urlauber und sind froh einander. Die „Neue Expression“ dominierte in den heit sind demgegenüber aber durchaus und glücklich über einen weiteren schönen 80er Jahren des 20. Jahrhunderts die Kunst in Polen. noch zu entdecken, sind sich Historiker und friedvollen Tag unseres Lebens. ■ Als Teil der transnationalen Avantgarde entwickelte und Kulturwissenschaftler doch darin ei- sie sich durchaus gleichwertig und zeitlich parallel zu nig, dass – unabhängig von den aktuellen allgemein bekannten Stilrichtungen in Deutschland, Staatsgrenzen – durchaus auch noch so- Frankreich oder den USA. Geöffnet von 14.30 bis genannte Phantom­grenzen bestehen, die 21.00 Uhr, Eintritt frei (Urania Berlin, An der Urania, das Bewusstsein weiterhin bestimmen und Patrycja Szczerba war von 2012 bis 2013 10787 Berlin) sich u. a. in Elementen des gegenwärtigen Leiterin des Regionalmuseums in Krockow. Görlitz „Barockes Glas aus Schlesien“ ist noch bis zum 20. November im Schlesischen Museum zu bewundern. Die Präsentation wurde vom Muzeum Karkonoskie w Jeleniej Górze (Riesengebirgsmuseum Hirschberg) und dem Schlesischen Museum erarbei-

Foto: Piotr Kanigowski Piotr Foto: tet. Aus ihren Sammlungen werden mehr als 150 Gläser aus der Zeit von 1617 bis 1800 gezeigt, die durch die Feinheit des Dekors und ihre Motivvielfalt beeindrucken. Leihgaben aus weiteren polnischen Museen und deutschen Sammlungen ergänzen die Schau. (Schlesisches Museum zu Görlitz, Schönhof, Brüderstraße 8, 02826 Görlitz – www.schlesisches- museum.de)

Dresden Das Verkehrsmuseum widmet sich in seiner aktuellen Sonderausstellung, die noch bis zum 30. Dezember läuft, dem in dieser Zeit zentralen Problemfeld „Migration. (Aus-)Wanderung, Flucht und Vertreibung in Geschichte und Gegenwart“. Dabei wird eine beispielhafte Auswahl von Einzel- schicksalen vom 18. Jahrhundert bis in die Gegen- wart präsentiert. Frauen und Männer, die ihre Heimat verlassen haben, kommen selbst zu Wort und erzäh- len eindrücklich von sich und ihren Gründen, nach Deutschland zu kommen oder Deutschland zu ver- lassen. (Verkehrsmuseum Dresden, Augustusstr. 1, 01067 Dresden – www.verkehrsmuseum-dresden. Das Replikat und die Erinnerungstafel de/de/migration)

22 Der Westpreuße 10/2016 Fernseh-Tipps / Anzeigen

FERNSEH-TIPPS

SAMSTAG, 8. 10. SONNTAG, 16. 10. MONTAG, 24. 10. SONNTAG, 30. 10.

12:10 Uhr ZDFneo 18:32 Uhr RBB 8:55 Uhr Arte 18:32 Uhr RBB Die Deutschen. Bismarck und das Kowalski & Schmidt Von Amsterdam nach Odessa. Ein Kowalski & Schmidt (Deutsch- Deutsche Reich (Doku, BRD 2008) (Deutsch-polnisches Journal, BRD 2016) Eisbrecher und kein Weg weiter polnisches Journal, BRD 2016) 13:50 Uhr RBB DIENSTAG, 18. 10. (Binnenschiffahrt-Dokumentation, DIENSTAG, 1. 11. BRD 2015) Warschauer Notizen 13:55 Uhr Arte 12:15 Uhr BR (Magazin, BRD 2016) DIENSTAG, 25. 10. Ida Wintertochter DIENSTAG, 11. 10. (Gesellschaftsdrama, PL/DK/F/GB 2013) 15:45 Uhr ZDFinfo (Familienfilm, BRD/PL 2011) 18:45 Uhr ZDFinfo 14:00 Uhr NDR Die Jahreschronik des Dritten Reichs. 14:00 Uhr ARD-alpha 1939–1942: Krieg und Vernichtung Aufgedeckt – Mysterien der Geschichte. Die Ostsee zwischen Deutschland (Dokumentation, BRD 2006) Nachbar, wie geht's? Der deutsch- Das Bernsteinzimmer und Estland. Folge 1 polnische Nachbarschaftscheck (Dokumentation, USA, 2010) (Dokumentation, BRD 2008) 20:15 Uhr Arte (Dokumentation, BRD 2015) FREITAG, 14. 10. MITTWOCH, 19. 10. Vom Kämpfen und Sterben 18:45 Uhr ARD-alpha der Internationalen Brigaden 20:15 Uhr Phoenix 8:30 Uhr BR (Dokumentarfilm, F 2015) Unsere Geschichte. Folge 80 (Ostpreußens vergessene Schlösser; Geheimauftrag Pontifex – Der Rechts, zwo, drei – Driftet Europa ab? MITTWOCH, 26. 10. Dokumentation, BRD 2016) Vatikan im Kalten Krieg. Folge 1 (Dokumentarfilm, BRD 2016) 15:05 ORF2 19:30 Uhr ARD-alpha (Dokumentation, BRD 2015) SAMSTAG, 22. 10. SAMSTAG, 15. 10. Zurück ins Leben Die doppelte Heimat. Deutsch- 14:30 uhr 3sat (Komödie, BRD/A 2013) polnische Freundschaften in Pommern 4:15 Uhr ZDFinfo Reisewege. Danzig – Gdansk: FREITAG, 28. 10. (Dokumentation, BRD, 2016) Napoleon und die Deutschen. Der Stadt der stolzen Kaufleute 4:40 Uhr SR FREITAG, 4. 11. Maßlose (Dokumentation, BRD 2006) (Dokumentation, BRD 2008) Heute noch müssen wir fort. 14:45 Uhr NDR 18:00 Uhr RBB Evakuierungen im deutsch- die nordstory. Die Bernstein- Hochzeit mit Hindernissen. Wie französischen Grenzgebiet 1939 und Connection. Das Geschäft mit dem junge Polen um ihr Glück kämpfen 1944 (Dokumentation, BRD 2016) Gold des Meeres. (Dokumentation, (Dokumentation, BRD 2016) BRD, 2015)

Soeben erschienen

Die erste vollständige Katalogisierung eines Sammlungsbestandes im Westpreußischen Landesmuseum

Jutta Reisinger–Weber

Silberschmiedearbeiten im unteren Weichselland. Bestandskatalog der Gold– und Silberschmiedearbeiten­ im Westpreußischen Landesmuseum

Münster / Westf. (Nikolaus–­ Copernicus–Verlag) 2016 Westpreußen-Bildkalender 2017 ISBN 978-3-924238-51-3 Seit Anfang September liegt der Westpreußen-Bildkalender € 29,50 2017 vor, der wie üblich 13 Motive aus Westpreußen oder aus dem Westpreußischen Landesmuseum zeigt und dessen Monats­bilder als Postkarten verwendet werden können.

Erhältlich bei der Copernicus–Vereinigung, Mühlendamm 1, Sie können ihn über die LMW-Geschäftsstelle in Münster 48167 Münster, sowie im Westpreußischen Landesmuseum, beziehen, zum Preis von 11,50 Euro zuzüglich Versandkosten. Klosterstraße 21, 48231 Warendorf. Hinweis: Die Abonnenten unserer Zeitung Der Westpreuße – UNSER DANZIG erhielten wie seit vielen Jahren üblich ein Exemplar des Kalenders 2017 automatisch – gegen Rechnung – Anfang September 2016 zugestellt, sofern sie den Kalender für 2016 im letzten Jahr bezogen und bezahlt hatten. Wenn Sie den Kalender behal- ten möchten, muss der Preis dann gesondert überwiesen werden, es erfolgt keine automatische Abbuchung!

Der Westpreuße 10/2016 23 Angebote unseres Buchversands

Westpreußen-Jahrbuch 2016

Westpreußen Westpreußen-Jahrbuch– Jahrbuch 2016 Aus dem Land an der * unteren Weichsel Zu Besuch Band 66, Münster 2016 in Danzig ISBN 978-3-9812143-9-0

€ 17,50

Danzig – zu Besuch in der alten Hansestadt

Aus Danzigs Erinnerungen Impressionen Belletristik Geschichte

Danzig. Die Dokumen­ Erinnerungen und tation 52 historischer Begegnungen eines Kirchen von Wolfgang Danzigers. Frankfurt – Günter Deurer, 536 S., Danzig – Neiße – über 500 Abb. und Bensheim Zeichnungen, Groß­ von E.-W. Klose, 63 S. format € 40,– € 12,80

Danzig in 144 Bildern Danzig – Ein Lesebuch. Beiträge zur Handels- und Von Danzig nach von Dr. Hans Bernhard Sagen, Geschichten, Wirtschafts­geschichte Elb- Danzig … ein weiter Weg Meyer, Format 20 × 27cm Erinnerungen und ings und Danzigs in Mit- 1933–1945. Schicksal einer € 12,95 Gedichte von D. H. Klein telalter und Neuzeit Generation u. H. Rosbach, 160 S. Hg. v. Dieter Heckmann, von Joachim Scholz, € 8,95 107 S., Bd. 36 € 5,– 270 S. € 14,95

Danzig-Bildband Der goldene Pelikan Stobbe Machandel. Bestellungen bitte an: von Ralf Freyer und Roman des Danziger Danziger Getränke­ Landsmannschaft Westpreußen Wolfgang Knape, 80 S., Schriftstellers Stefan spezialitäten von Peter – Buchversand – 46 Bilder € 15,30 Chwin, TB, 299 S. Backhaus, 78 S. € 6,50 Mühlendamm 1 € 9,50 48167 Münster-Wolbeck Telefon 02506/3057-50 Fax 02506/3057-61 sekretariat@ der-westpreusse.de

24 Der Westpreuße 10/2016 Landsmannschaftliche Nachrichten

Oktober 2016

Aus dem Inhalt II Erinnerungen: Von Pfeifen und Vogelkäfigen III Aus den örtlichen Gruppen VI Danziger Glückwünsche VI Gratulationen der CV und AV VII Familienanzeigen VIII Aus den Heimatkreisen XII Kontaktadressen Deutsche Minderheit XV Landsmannschaftliches Porträt: Das Museum Ostdeutsche Kulturgeschichte

Das Passwort für das digitale Archiv der Landsmannschaftlichen Nachrichten auf www.der-westpreusse.de lautet in diesem Die am 12. September enthüllten Marienburger Gedenktafeln Monat: ln-archiv-32 Foto: Andrzej Gilewski

Landsmannschaftliche Nachrichten 10/2016 I Erinnerungen

Ebenso wie Eberhard Dyck, den wir in der April-Ausgabe vorgestellt haben, ist Herbert Harder im Kreis Marienburg geboren und lebt heute in Kanada. Er hat jüngst seine Lebenserinnerungen nieder­ geschrieben, aus denen wir hier eine kleine Episode veröffentlichen.

Von Pfeifen und Vogelkäfigen – und vom Verlust kindlicher Unbefangenheit

Oben: Unser Hof von der Trift aus gesehen. Das Haus ist hinter Bäumen versteckt. Hier ist der neue Speicher zu sehen, den mein Vater hat bauen lassen. Wir sehen auch, dass der Stall zwei verschiedene Dachpfannen hat. Nach dem Kauf des Hofes (im September 1929) hat Vater auch den Stall anbauen lassen. Die friedliche Stimmung, die diese Fotografien insgesamt aus- strahlen, hat sich schon bald als äußerst trügerisch erwiesen. Links: Herta (oder Hertha), unser Kindermädchen, mit Bruder Willi und mir in unserem Garten. Ich, der Faulpelz, sitze im Wagen. Rechts: Dieses Bild stammt aus Großvaters Garten in Kl. Heu- buden; Bruder Willi und ich als Soldaten auf dem Steinhaufen im Garten. Aufgenommen etwa 1940. Im Herbst 1945 spielen Willi und ich – zu der Zeit schon elternlos (Mutter war bereits gestorben und Vater in Gefangenschaft) – hier gemeinsam mit den Polenkindern mit richtigen Patronen, die wir mit der Glut des Holzfeuers hinter den Steinen in die Luft jagen.

s muss 1943 oder 1944 gewesen sein, wir vor den Wagen, und meine Mutter fuhr mit Meine Speise für die nächsten Tage war waren also noch zu Hause in Halbstadt mir die ungefähr zwölf bis 15 Kilometer nach dann meist ein süßer Brei, der wie Pudding auf unserem Bauernhof. Der Sohn Marienburg ins Krankenhaus. schmeckte. Das war lecker! Und nach ­einigen unseres Nachbarn, Hans-Otto Neufeld, Was die Leute dort mit mir gemacht ha- Tagen kam dann die Pfeife auch tatsäch- Ewar zu uns gekommen, um mit meinem älte- ben, weiß ich nicht mehr, ich weiß aber, dass lich wieder zum Vorschein. Ich wurde aus ren Bruder Willi zu spielen. Ich war zweiein- ich sehr geweint habe, als Mama ohne mich dem Krankenhaus entlassen, und Mama hol- halb Jahre jünger und auch viel kleiner und nach Hause fuhr. Als ich mich dann endlich te mich wieder nach Hause. Dort musste ich durfte nicht mitmachen. Da holte ich mir eine beruhigt hatte, lag ich, schön warm zuge- dann gleich allen erzählen, was und wie es im kleine Blechpfeife aus dem Haus, den Rest deckt, in einem Bett in einem großen Raum Krankenhaus gewesen war. Als ich dann auch eines Spielzeuges, bei dem die Pfeife wohl frü- mit vielen anderen Betten. Viele Männer wa- von den Vogelkäfigen in den Betten erzählte, her mit einer Papierschnecke zum Aufblasen ren um mich herum, etliche von ihnen konn- wurde ich zuerst ausgelacht, doch ich beharr- verbunden war. Ich ging auf den Hof und blies ten überhaupt nicht aufstehen. Was mich da- te darauf, weil ich sie doch mit eigenen Augen ganz laut. Aber auch durch dieses heftige Pfei- mals sehr wunderte, war, dass die meisten von gesehen hatte. Da erklärte unsere Mutter mir fen konnte ich die Aufmerksamkeit der bei- ihnen aus Draht geflochtene Vogelkäfige mit und den anderen, dass das gar keine „Käfige“ den Großen nicht auf mich ziehen. Dann fand im Bett hatten. Das fand ich doch ausgespro- gewesen seien, sondern Drahtgestelle, die die ich heraus, dass die Pfeife nicht nur Töne von chen komisch, weil ich weder Vögel piepsen Bettdecken von den Wunden weghalten soll- sich gab, wenn ich da Luft hineinblies, son- hörte noch herumfliegen sah. Andere Männer ten. So erfuhr ich, dass die Männer im Ma- dern auch dann, wenn ich die Luft einatmete. hingegen konnten mit Krücken herumlaufen; rienburger Krankenhaus Soldaten waren und Ich ging zu den beiden Großen und wollte sie kamen auch zu mir ans Bett und spielten dass viele von ihnen schwere Erfrierungen ihnen meine neue Entdeckung vorführen. Ich mit mir. Aber alle hatten verschiedene Kör- hatten, die sie im kalten Winter in Russland holte besonders tief Luft, um einen kräftigen perteile, vor allem die Gliedmaßen, mit Ver- erlitten hatten. Die angefrorenen Füße und Ton zu erzeugen – und dabei schluckte ich die bandszeug umwickelt. Auch ich war für sie et- Beine, Finger, Hände und Arme durften nicht Pfeife herunter: Sie war plötzlich verschwun- was Neues – ein Kind bot einmal ein wenig verbunden werden und sollten offen liegen, den. Gleich wurde ich natürlich verpetzt, und Abwechslung in ihrer traurigen Welt. Mir er- um die Heilung so weit wie möglich zu för- meine Mutter kam aus dem Haus. Ich musste schienen sie zumeist als freundliche Männer dern. Welches Mitleid ich jetzt nachträglich ihr nun erzählen, was passiert war. Einer der in Schlafanzügen mit Käfigen im Bett, die mit den armen Patienten empfand! englischen Kriegsgefangenen, die bei uns auf vielleicht auch Väter waren und Kinder zu ■ Herbert Harder dem Hof arbeiten mussten, spannte ein Pferd Hause hatten.

II Landsmannschaftliche Nachrichten 10/2016 Landsmannschaftliche Nachrichten

Das Museum Ostdeutsche Kultur­ Das landsmannschaftliche Porträt des Monats an dieser Stelle werden WESTPREUSSEN die ­Möglichkeit geschichte in Bad Zwischenahn regelmäßig­ landsmann­ geben, sich ein ­genaueres Bild von schaftliche Formationen, der Breite und Lebendigkeit dieser und seine aktuelle Ausstellung ­EinrichtungenA oder Projekte ­unterschiedlichen Aktivitäten zu vor­gestellt. Dadurch wollen ­wir machen. ■ Danzig –­ Metropole an der Ostsee den Leserinnen und Lesern des

Das Museum Ostdeutsche Kulturgeschichte, Dr. I. Hartmann bei der Einführung ­– Blick in die Dauerausstellung Auf dem Winkel 8, 26160 Bad Zwischenahn Blick in den Ausstellungsraum zu Westpreußen/Danzig

as Museum Ostdeutsche Kulturgeschichte ist aus der Ost- ber gezeigt wird. Das Motiv, dieses Thema auszuwählen, resultiert aus der deutschen Heimatstube hervorgegangen, die, getragen persönlichen Bekanntschaft von Idis B. Hartmann mit Prof. Dr. Willi Drost, vom gleichnamigen Verein zur Pflege und Erhaltung ost- bei dem sie noch in ihrem ersten Semester in Tübingen studieren konn- deutschen Kulturgutes, 1980 von dem Wirsitzer Lands- te und der ihr Interesse für die Kunstgeschichte – insbesondere diejenige Dmann Herbert Papstein (1906–1987) eingerichtet worden war. 1986 Danzigs – geweckt hat. Da die Geschichte der Stadt bereits in der Daueraus- bezog das Museum sein heutiges Domizil, ein kleines Siedlerhaus, das stellung veranschaulicht wird, hat sich die Kuratorin bei der Sonderausstel- später in den Besitz der Gemeinde überging. 2013 nahmen der Verein lung ausschließlich kunsthistorischen Zeugnissen gewidmet. Sie umfassen und das Museum dann ihren neuen Namen an. Das Haus wurde nun beispielshalber Reproduktionen von Bildern Anton Möllers in der Katha- zu einem kulturhistorischen Museum mit einer Dauerausstellung zu rinen- und der Marienkirche oder von Gemälden seiner Schüler im Recht- Kultur und Geschichte der Regionen Ostpreußen, Westpreußen mit städtischen Rathaus sowie zahlreiche Stadtsichten. Hinzu kommen Porträts Danzig, Posen, Ostbrandenburg, Pommern, Schlesien sowie mit Aus- von Danziger Persönlichkeiten wie Johannes Hewelcke (­Hevelius), Daniel stellungseinheiten zur Volkskunde und zur Vertreibung. Die einzel- Chodowiecki und Arthur Schopenhauer; und auch Arbeiten von Künst- nen Provinzen werden, jeweils nach Räumen getrennt, im Erd- und lern, die nach dem Krieg ihre alte Heimat Danzig gemalt haben (z. B. Her- Obergeschoss gezeigt. Der (nicht sonderlich große) Raum für Son- bert Waltmann oder Fritz A. Pfuhle), finden Berücksichtigung. In Vitrinen derausstellungen befindet sich ebenfalls im Erdgeschoss, und zwar in werden schließlich auch Erinnerungsstücke sowie Bücher über Danzig und dem zum Garten hin gelegenen Gebäudeteil. Publikationen von Willi Drost gezeigt. Im Garten selbst erinnern mehrere Gedenksteine an die ostdeutsche Dr. Idis B. Hartmann ist es gelungen, dass das Haus als Museum aner- Heimat bzw. den Heimatkreis Wirsitz sowie an Flucht und Vertreibung. Zu- kannt worden ist. Deshalb ist es nun (am Nachmittag) außer montags auch dem ist dort ein großer Leiterwagen ausgestellt, der für die Flucht aus dem täglich geöffnet. Freilich ist es – wie viele unserer Heimatsammlungen – Memelland bis nach Schortens, Kreis Friesland, benutzt worden war. keineswegs in seinem Bestand gesichert. Das Museum finanziert sich aus Die besondere Attraktivität des Museum speist sich aus wechseln- Spenden, den Mitgliedsbeiträgen und den Eintrittsgeldern. Die Personal- den Präsentationen von Exponaten wie – in einem Vitrinenfenster – dem decke ist dünn und die Vereinsmitglieder sind immer wieder zur Mitarbeit »Kunstobjekt des Monats« und vor allem aus den Sonderausstellungen. Die aufgefordert. Immerhin ist die Gemeinde der Einrichtung wohlgesonnen Kuratorin des Museums, Dr. Idis B. Hartmann, eine erfahrene Museums- (so war auch der Bürgermeister bei der Ausstellungseröffnung anwesend), und Ausstellungsgestalterin, sucht sich jeweils aktuelle Themenbereiche wie und der Verein darf das Haus mietfrei nutzen; die Unterhaltungskosten Breslau als europäische Kulturhauptstadt 2016 oder Künstler, die aus un- aber müssen aus eigenen Mitteln aufgebracht werden. seren Heimatgebieten stammen. Da das Ostpreußische Landesmuseum in Die Strahlkraft dieses Museum geht weit über Bad Zwischenahn hinaus, Lüneburg gegenwärtig geschlossen ist, organisierte sie bereits 2015 eine Aus- und es ist auch als außerschulischer Lernort geschätzt. Sein Fortbestand als stellung mit Bildern von Malern der Künstler-Kolonie Nidden, die sie aus Ort, an dem die Erinnerung an die Geschichte und Kultur unserer ehemali- Lüneburg ausgeliehen hatte. Am 11. September wurde nun die Sonderaus- gen ostdeutschen Provinzen wachgehalten wird, muss unser aller Anliegen stellung Danzig ­­– Metropole an der Ostsee eröffnet, die bis zum 11. Novem- sein. ■ Gisela Borchers

Landsmannschaftliche Nachrichten 10/2016 XVIII Deutsche Post AG Postvertriebsstück Entgelt bezahlt

Landsmannschaft Westpreußen e. V. Der Westpreuße • 48167 Münster • Mühlendamm 1 H7302 Nr. 10 8. Oktober 2016 ISSN 0043-4418 ZUM GUTEN SCHLUSS Foto: Elbląg z drona Fb Lech Słodownik Lech Fb Elbląg z drona Foto:

er so genannte Heilige Stein liegt in Ufernähe des Frischen ren die Elbinger Altertumsgesellschaft in der Nähe des Findlings Spuren Haffs ungefähr vier Kilometer von Tolkemit aus in Richtung einer neolithischen Siedlung entdeckte, die der Rzucewo-Kultur zuge- Frauenburg. Etwa 30 Meter von der Küstenlinie entfernt, ragt ordnet werden konnte. Ihr Name ist von demjenigen des in der Nähe von der Findling aus dem Wasser. Sein Umfang beträgt schätzungs- Putzig gelegenen Orts Rzucewo (Rutzau) abgeleitet, wo (u. a. von Hugo Dweise 14 Meter. Seit Jahrhunderten befruchtet dieser Stein die Phanta- Wilhelm Conwentz) erstmals entsprechende Spuren gefunden worden sie der Menschen, und er ist für die Gegend derart charakteristisch, dass waren. – Eine andere Sage, die sich eng mit dem Heiligen Stein verbunden auch eine kleine, in der Nähe gelegene Siedlung (Święty Kamień) sowie hat, referiert beispielsweise Louis Passarge in seinen Studien und Bildern eine Station der Haffuferbahn nach dem Findling benannt worden sind. Aus Baltischen Landen (Glogau 1878, S. 87): In der Zeit, als Riesen die Erde Eine Reihe von Informationen zu diesem Naturdenkmal bietet der Kul- bewohnten, „hauste einer derselben auf der Frischen Nehrung, ein zweiter turwissenschaftler Dariusz Barton in seiner Publikation Przewodnik kra- am gegenüberliegenden Ufer des Frischen Haffs bei Tolkemit. Beide hat- joznawczy „z myszką“ po Wysoczyźnie Elbląskiej (1997). Nach seinen For- ten nur ein Beil, welches sie sich zum Fällen des Holzes gegenseitig zuwar- schungen war es Benedict Christian Hermann aus Elbing (1713–1759), der fen. Als einmal der auf der Nehrung Wohnende das Beil haben wollte, der erstmals schriftlich festgehalten hat, welche uralten Mythen und Riten Andere aber sich weigerte, es ihm zu geben, ergriff Jener den mächtigen sich seit heidnischer Zeit an dieses Naturdenkmal geheftet hatten. Nach Stein und warf nach Diesem. Der Stein glitt aber an dem Daumen um einer weit verbreiteten Auffassung diente der Stein als Altar, auf welchem etwas ab, und so erreichte er nicht ganz das diesseitige Ufer.“ Dass diese dem prußischen Gott Curche Speiseopfer (hauptsächlich Fische) darge- Geschichte für viele Generationen plausibel war, lässt sich gerade heute bracht wurden. Im Austausch sollte Curche die ausfahrenden Fischer in gut nachvollziehen: Verschafft uns die Drohnen-Technologie doch erst- seine Obhut nehmen, ihnen wohlgesinnt sein und gutes Wetter schenken. mals die Möglichkeit, den Heiligen Stein auch aus der Perspektive jener Dieser Glaube wurde sicherlich durch die Gestalt des Steines unterstützt, Riesen wahrzunehmen – und derart das Machtvolle ihres Streits noch stär- die einer flachen Schüssel ähnelt. Die Überzeugung, dass der Heilige Stein ker nachzuempfinden. ■ Joanna Szkolnicka als Kultstätte gedient hatte, trägt die Tatsache bei, dass in den 1930er Jah-

IV24 Der Westpreuße 10/2016