Erfahrungen Eines Gesundheitsamtes Bei Der Belastung Von Trinkwasser Durch Perfluorierte Tenside (PFT)

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Erfahrungen Eines Gesundheitsamtes Bei Der Belastung Von Trinkwasser Durch Perfluorierte Tenside (PFT) Schwerpunkt: Perfluorierte Tenside (PFT) Erfahrungen eines Gesundheitsamtes Erfahrungen eines Gesundheitsamtes bei der Belastung von Trinkwasser durch perfluorierte Tenside (PFT) Peter Kleeschulte, Oliver Schäfer, Marc Klung, Alfons Püttmann Hochsauerlandkreis, Gesundheitsamt, Steinstr. 27, 59872 Meschede Korrespondenzautor: Dr. Peter Kleeschulte; E-Mail: [email protected] Zusammenfassung. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Unter- Abstract suchung wurden im Hochsauerlandkreis erhöhte PFT-Werte in Experiences of a district health authority with PFT-contami- den Oberläufen von Ruhr und Möhne festgestellt. In der Folge nated drinking water wurden Trinkwasserbelastungen von 0,04 bis 0,56 µg/l in den A scientific study showed increased PFT-values in the upper reaches Bereichen, die aus Wasserwerken an Ruhr und Möhne versorgt of the rivers Ruhr and Möhne/Germany. Drinking water values of wurden, gemessen. Bei der Ursachensuche stellte sich schnell PFT varied between 0,04 and 0,56 µg/l in areas supplied by drinking heraus, dass die PFT-Belastung durch ein Gemisch nach Bioabfall- water plants near the rivers Ruhr and Möhne. The cause of the Verordnung verursacht wurde. Für das Krisenmanagement stellte contamination was found to be a mixture of biological waste, die mangelhafte Informationslage eine besondere Erschwernis used as fertilizer on agricultural land. The lack of information on dar. Auf der Basis einer Literatursuche und einer umgehend in the health effects of PFT made the initial crisis management diffi- Auftrag gegebenen toxikologischen Stellungnahme konnten früh- cult. The results of a literature search and a toxicological opinion zeitig Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung getroffen wer- provided the basis for the initial public health action. The preven- den, die mit zunehmendem Erkenntnisstand angepasst wurden. tive measures were modified with increasing knowledge in the So wurde auf Empfehlung des Gesundheitsamtes für die Zuberei- following weeks. It was recommended by the public health service tung von Säuglingsnahrung geeignetes Mineralwasser verwen- to use suitable mineral water for preparation of baby-food. This det, bis durch eine notfallmäßig installierte Aktivkohlefilteran- recommendation was withdrawn, when charcoal filters were lage das PFT effektiv aus dem Trinkwasser entfernt werden konn- available, which effectively eliminated PFT from drinking water. te. Die offensive Pressearbeit mit Offenlegung des jeweiligen Active communication and disclosure of current knowledge at Kenntnisstandes hat sich rückblickend in jeder Hinsicht bewährt. any stage of the crisis management proved to be helpful in deal- Die Öffentlichkeit wurde durch Pressemitteilungen, eine Hotline ing with the public and the media. The public was informed by sowie über die Webseite des Hochsauerlandkreises in kurzen press releases, a PFT-hotline and was provided with current infor- Abständen über den aktuellen Erkenntnisstand informiert. mation on the districts website. Schlagwörter: Perfluorierte Tenside; PFT; Trinkwasser; Trinkwas- Keywords: Fluoropolymers; PFT; drinking water; water treatment; seraufbereitung perfluorated compounds 1 Chronologie der Ereignisse Diese bestätigten die vom Institut für Hygiene und Öffentli- che Gesundheit Bonn gemessenen PFT-Belastungen. Am 01.06.2006 wurde das Gesundheitsamt durch die Be- Umgehend erfolgten Untersuchungen der Trinkwässer aus zirksregierung Arnsberg über die Ergebnisse einer Untersu- den Trinkwassergewinnungsanlagen entlang der Ruhr und chung des Institutes für Hygiene und Öffentliche Gesundheit des Wasserwerkes Möhnebogen. Es wurden Trinkwasserbe- der Universität Bonn informiert. Mitarbeiter des Institutes lastungen von 0,04 bis 0,56 µg/l gemessen. In die weiteren hatten im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung Entscheidungen und Maßnahmen wurden u.a. neben dem erhöhte PFT-Werte in den Oberläufen der Ruhr und Möhne Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft im Hochsauerlandkreis festgestellt. Die höchsten Konzentra- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen tionen wurden hierbei in zwei kleinen Bachläufen ermittelt, (MUNLV-NRW) die Bezirksregierung Arnsberg, das Landes- die in Brilon-Scharfenberg in die Möhne münden. In deren umweltamt, das Landesinstitut für den Öffentlichen Gesund- Einzugsgebieten herrscht vor allem land- und forstwirtschaft- heitsdienst, das Hygiene-Institut des Ruhrgebietes Gelsenkir- liche Nutzung vor, die Bachläufe selber entspringen jeweils chen und das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesund- direkt unterhalb landwirtschaftlich genutzter Felder. heit Bonn eingebunden. Da dringlich eine wissenschaftliche Auf Veranlassung des Gesundheitsamtes wurden daraufhin Erstbewertung der PFT-Trinkwasserkonzentrationen erfol- Kontrolluntersuchungen in Ruhr und Möhne durchgeführt. gen musste, wurde durch das Gesundheitsamt das Hygiene- Umweltmed Forsch Prax 12 (2) 200773 – 78 (2007) 73 © ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Landsberg Erfahrungen eines Gesundheitsamtes Schwerpunkt: Perfluorierte Tenside (PFT) Abb. 1: Der Hochsauerlandkreis: Trinkwassergewinnung aus Ruhr und Möhne Institut des Ruhrgebietes, Herr Prof. Dr. Ewers, mit der Er- Der Hochsauerlandkreis, Daten und Fakten stellung eines Gutachtens beauftragt. Gleichzeitig wurde die Der Hochsauerlandkreis ist Teil des Regierungsbezirks Arnsberg Trinkwasserkommission des Bundesministeriums für Ge- und liegt in Südwestfalen. Mit einer Fläche von ca. 2000 km² sundheit (BMG) gebeten, sich mit dem Thema PFT im Trink- entspricht er der Größe des Saarlands und ist der größte Flächen- wasser zu befassen. Speziell für PFT festgesetzte Grenz- oder kreis Nordrhein-Westfalens. Die West-Ost-Entfernung innerhalb der Kreisgrenzen beträgt ca. 80 km, die Nord-Süd-Entfernung 60 Richtwerte liegen nicht vor. km. Die 280 000 Einwohner leben in insgesamt 12 Städten und Bei der Ursachensuche stellte sich schnell heraus, dass die Gemeinden. Der Standort der Hauptverwaltungsstelle der Kreis- PFT-Belastung durch ein Gemisch nach Bioabfall-Verordnung verwaltung des Hochsauerlandkreises ist die Kreisstadt Meschede. verursacht wurde. Diese Gemische wurden in einer Kompos- Es gibt ebenfalls Kreisverwaltungsstellen in Arnsberg und Brilon. tierungsanlage hergestellt und auf Flächen im Hochsauer- Die Besiedlungs- und Wirtschaftszentren des Kreises konzentrie- ren sich entsprechend den topographischen Gegebenheiten in landkreis, aber auch anderen Kreisen in NRW ausgebracht. den Tallagen der Ruhr, der Diemel und in den auf sie zuführenden Die Ermittlungen der zuständigen Staatsanwaltschaft gegen Nebentälern. Im Norden grenzt der Hochsauerlandkreis an den den Hersteller dauern derzeit noch an. Kreis Soest. Die Trinkwasserkommission des BMG beim Umweltbundes- Trinkwassergewinnung aus Ruhr und Möhne amt beschäftigte sich schon in ihrer Sitzung am 21.06.2006, Neben einer Vielzahl der von nichtkommunalen Wasserversor- an der das Gesundheitsamt des Hochsauerlandkreises teil- gungsunternehmen genutzten kleinen Quellen sowie einiger nahm, ausführlich mit dem Thema PFT im Trinkwasser. In weniger Schacht- und Bohrbrunnen erfolgt die Trinkwasser- der Stellungnahme, die noch am selben Tag abgegeben wur- gewinnung im Hochsauerlandkreis u.a. aus vier für sauerländer de, wurden Ziel-, Leit- und vorsorgliche Maßnahmewerte Verhältnisse großen Gewinnungsanlagen an der Ruhr und einer festgelegt. Hierdurch war eine Bewertung der problematischen Gewinnungsanlage an der Möhne (Abb. 1). Das Wasserwerk Situation möglich. Maßnahmen konnten nun durch das Ge- Möhnebogen versorgt ca. 40 000 Einwohner des westlichen Teils sundheitsamt vor Ort und die anderen beteiligten Behörden der Stadt Arnsberg. und Institutionen eingeleitet werden. 74 Umweltmed Forsch Prax 12 (2) 2007 Schwerpunkt: Perfluorierte Tenside (PFT) Erfahrungen eines Gesundheitsamtes Mutter-Kind-Paaren und Männern in Gebieten erhöhter Trink- Perfluorierte Tenside (PFT) wasserbelastung mit PFT) durchgeführt. Die Ergebnisse wer- Stoffeigenschaften: PFT sind vom Menschen erzeugte perfluo- den in Kürze publiziert. rierte Kohlenstoffverbindungen mit unterschiedlicher Ketten- länge (C3 bis C12). Im Unterschied zu den Kohlenwasserstoffen Derzeit erfolgt in einem aufwändigen Verfahren die Sanie- sind an den Kohlenstoffgerüsten der PFT die Wasserstoffatome rung der hochbelasteten Flächen in Brilon-Scharfenberg. Die vollständig durch Fluoratome ersetzt. Sie kommen nicht natür- betroffenen Trinkwassergewinnungsanlagen an Ruhr und lich vor. Sie sind weltweit verbreitet und können im menschli- Möhne werden in enger Zusammenarbeit mit den Wasserver- chen und tierischen Organismus nur sehr schlecht abgebaut werden. Sie sind thermisch und chemisch äußerst stabil, haben sorgungsunternehmen engmaschig durch das Gesundheits- durch die Kohlenstoffkette hydrophobe und durch die jeweilige amt und die Bezirksregierung Arnsberg hinsichtlich der PFT- Kopfgruppe hydrophile Eigenschaften (Ambiphilie). Werte (Monitoring) überwacht. Einsatzzweck: PFT werden eingesetzt, um Gebrauchsgegenstän- de wie Papier, Verpackungsmaterialien, Textilien usw. wasserab- weisend zu beschichten. Außerdem können sie in Reinigungsmit- 2 Krisenmanagement teln und Feuerlöschschaum vorkommen. Verbreitung: Ubiquitär Eine besondere Erschwernis für das Krisenmanagement stellte Aufnahmepfade: Die Aufnahme erfolgt hauptsächlich über die die mangelhafte Informationslage dar. Es galt, möglichst rasch Nahrung einschließlich des Trinkwassers. Die Bedeutung des Entscheidungen über den weiteren Betrieb der
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