Mit Dem Mut Des Herzens Die Frauen Des 20. Juli
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Dorothee von Meding Mit dem Mut des Herzens Die Frauen des 20. Juli im Siedler Verlag Inhalt Vorwort von Klemens von Klemperer 7 Einleitung von Dorothee von Meding 15 Die Interviews Emmi Bonhoeffer 35 Elisabeth Freytag von Loringhoven 71 Brigitte Gerstenmaier 85 Margarethe von Hardenberg 99 Freya von Moltke 121 Rosemarie Reichwein 141 Clarita von Trott zu Solz 167 Marion Yorck von Wartenburg 191 Charlotte von der Schulenburg 207 Barbara von Haeften 241 Nina Schenk von Stauffenberg 269 Zu diesem Buch 295 Vorwort Widerstand im 20. Jahrhundert leitet seine Berechtigung von to- talitärer Unterdrückung und Rechtlosigkeit ab, durch die er nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig wird. Zugleich aber bedeutet Widerstand gerade unter diesen Bedingungen ein be- sonderes Wagnis, das immer nur eine Sache des Einzelnen sein kann; jeder, der in Frankreich, Holland, Norwegen oder Deutschland in den Widerstand ging, musste bereit sein, sein Le- ben einzusetzen, und die Gefahr war nicht gering, dass seine Spur sich im Dunkel der Geschichte verlor. Die Hoffnungen, die bei der Widerstandstat mitspielten, und die Aussicht auf ihren Er- folgwaren deshalb nicht die einzigen, ja womöglich nicht einmal die wichtigsten Faktoren für die Entscheidung zum Handeln; das Eintreten in den Widerstand war vor allem ein Opfergang. Das gilt insbesondere für Deutschland. Denn obwohl Wider- stand auch in den besetzten Gebieten stets mit grossen Risiken verbunden war, konnte man dort doch damit rechnen, von gleichgesinnten Patrioten unterstützt zu werden oder wenig- stens Widerhall und Ermutigung zu finden, weil die Opposition ja immer gegen eine Besetzung, gegen Unterdrückung von au- ssen gerichtet war: Der Befreiungskampf diente nicht nur der Be- hauptung fundamentaler Menschenrechte, sondern unzweifel- haft auch nationalen Interessen. Die Lage in Deutschland dagegen war anders, und daraus mag sich zum Teil erklären, dass man im Falle des deutschen Wider- stands gar nicht von einer «Bewegung» sprechen kann. Gewiss gab es in den Kadern der traditionellen Links-Parteien einen ge- wissen Zusammenhalt, auf den man sich verlassen konnte und der in vielen Fällen als Schutz und Rückhalt diente. In den bür- gerlichen Kreisen dagegen war man ganz auf sich selbst, d.h. auf das eigene Gewissen und die eigene Entscheidung gestellt, wes- halb der Widerstandskämpfer dort grundsätzlich ein «einsamer Zeuge» war. So kommt es nicht von ungefähr, dass in den Annalen des deut- 7 schen Widerstands die Namen Einzelner herausragen, und dies nicht nur im Fall der offensichtlichen Einzelgänger wie Georg El- ser, Kurt Gerstein oder Franz Jägers tätter, sondern auch in dem eines Ludwig Beck, eines Karl Goerdeler, eines Julius Leber oder Claus Schenk von Stauffenberg, auch wenn sich diese Män- ner in kleinen vertraulichen Gruppierungen sammeln konnten, zum Beispiel in der Abwehrgruppe um Hans Oster, im Freun- deskreis im Auswärtigen Amt um Adam von Trott zu Solz und Hans-Bernd von Haeften oder dem Kreisauer Kreis um Hel- muth James von Moltke. Gleichwohl darf sich die Forschung nicht damit begnügen, die Leistungen jener Männer als «einsame Zeugen» herauszustellen, auch wenn vor allem sie es waren, die die Pläne schmiedeten, das Attentat vorbereiteten und schliesslich ausführten. Denn ohne die Berücksichtigung des familiären Umkreises und vor allem der Frauen bliebe die Geschichte des Widerstands ebenso un- vollständig wie jede Art von Geschichtsschreibung, die nur von den «grossen Männern» handelt und deren soziale Umwelt ver- nachlässigt. So ist es fast überraschend, dass der Anteil der Fami- lien und der Frauen am Widerstand bisher unbeachtet geblieben ist:1 In meinem umfangreichen Studium zum Widerstand bin ich kaum auf einen Verschwörer gestossen, der sich nicht auf seine Familie verlassen konnte, auf den Vater, die Mutter, die Schwe- ster, den Bruder und – last but not least – die Ehefrau, die treu zu ihm hielten und ihm Verständnis, Trost und Unterstützung ent- gegenbrachten. Dies ist ein Aspekt der Geschichte des 20. Juli, der bisher ohne Grund fast völlig vernachlässigt worden ist. Dieser Band macht einen Anfang, dem Defizit abzuhelfen. Des- halb sei gleich zu Beginn betont, dass die elf Frauen, die sich hier an uns richten, dies nicht allein als Gefährtinnen ihrer Männer tun, sondern als Widerständler eigenen Rechts, deren Beitrag zum Wirken ihrer Männer entscheidend für deren Motivierung, Planung und Tat gewesen ist. Das Los der Männer haben sie da- bei ohne Zweifel nicht nur aus Liebe und Treue geteilt. Sie haben eine bestimmte, wichtige Rolle in der Verschwörung gegen das Terror-Regime gespielt, und ihr Leben war aus diesem Grund nicht nur ein Leben mit dem deutschen Widerstand, sondern auch – wie Marion Yorck von Wartenburg es treffend ausge- drückt hat – «ein Leben aus dem deutschen Widerstand»2. 8 Der Frauenanteil am Widerstand war nicht nur hinsichtlich sei- ner Form, sondern auch hinsichtlich seiner Intensität verschie- den. Ohne Zweifel war keine der Frauen des 20. Juli so aktiv wie die in der kommunistischen und sozialistischen Untergrundar- beit tätigen Frauen, und die Wagnisse und Entbehrungen, die et- wa Berta Carola Karg im Dienst des illegalen Kommunistischen Jugendverbandes3 oder Hilde Meisel (alias Hilda Monte) und Anne Kappius im Dienst des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes4 bei ihren unerlaubten Grenzübergängen und sonstigen konspirativen Missionen eingingen, fanden im bür- gerlichen Lager kaum ihresgleichen. Freya von Moltke deutet dies an, wenn sie in all ihrer Grossmut auf den ungewöhnlichen Opfermut der Frauen der «Roten Kapelle» hinweist, und allzu bescheiden bekennt sie sich zu ihrer Schwäche: Sie sei, so sagt sie, eine «zu normale Frau» gewesen, als dass sie nicht wegen ih- rer Söhne am Leben bleiben wollte. Aber vergleichbar mit den verwegenen Unternehmungen der radikalen Frauen war wohl die Mission, die Susanne Simonis, die Cousine Erich Kordts, des Chefs des Ministerbüros im Auswärtigen Amt, auf dessen An- weisung ausführte, als sie Anfang September 1938 eine für das Foreign Office bestimmte Nachricht auswendig lernte und an Erichs Bruder Theo, den Botschaftsrat und Chargé d’Affaires in London, weiterleitete.5 Überhaupt sollte an dieser Stelle daran erinnert werden, dass der Widerstand der extremen Linken sich im Grossen und Ganzen vom sogenannten bürgerlichen Widerstand durch sein konspi- ratives Engagement unterschied. Die Kommunisten und die kleineren, aber ausserordentlich aktiven radikalsozialistischen Gruppen waren von Anfang an auf den Umsturz der kapitalisti- schen Ordnung eingestellt, und wenn die Kommunistische Par- tei Deutschlands sich auch in der Weimarer Zeit gelegentlich zu taktischer Zusammenarbeit mit den Nazis bereitgefunden hatte, um viribus unitis die Republik zu unterhöhlen, so sah sie im Na- tionalsozialismus doch den eigentlichen politischen Feind, der in ihren Augen die letzte Phase kapitalistischer Herrschaft darstell- te. Spätestens seit der Machtergreifung Hitlers legte man sich deshalb auch auf Massenwiderstand gegen das neue Regime fest, und obwohl sich dieser Kurs bald als hoffnungslos erwies, da man die Entschlossenheit und die Befähigung der Nationalso- 9 zialisten, jegliche Opposition mit brutaler Gewalt zu unterdrük- ken, gänzlich unterschätzt hatte, führte die KPD doch in der Ille- galität einen unnachgiebigen Kampf, bereit, alle nur nötigen Op- fer auf sich zu nehmen. Die Leute des 20. Juli indessen waren keine Revolutionäre. Der Grossteil von ihnen stammte aus bürgerlichen, grossbürgerlichen oder aristokratischen Häusern, und ihre Opposition gegen den Nationalsozialismus leitete sich nicht aus einer festen politischen Frontstellung ab, sondern bildete sich meist erst allmählich ange- sichts der sich häufenden Rechtsverletzungen und Greueltaten des Regimes. Deshalb waren auch die Frauen keine revolutionä- ren Aktivisten, wie es die Frauen der kommunistischen und so- zialistischen Lager waren. Und anders als die Frauen der «Roten Kapelle» waren sie in keiner Beziehung auf verschwörerische Tätigkeit eingestellt. Auf Widerstand waren sie deshalb keines- wegs vorbereitet, weder politisch noch hinsichtlich ihres Tempe- raments; aber als eine Opposition im Lauf der Zeit und ange- sichts der Ereignisse nahezu unvermeidlich wurde, schlugen sie diesen Weg ohne Zaudern ein. Könnte man ihnen den Vorwurf machen, dass sie die nationalso- zialistische Bedrohung nicht rechtzeitig genug erkannt hätten, um sich ihr präventiv entgegenzustellen? Wer vom Rathaus kommt, ist immer gescheiter. Daher sollten wir uns erneut ver- gegenwärtigen, dass der Weg in den Widerstand schwer und al- les andere als Routine ist, da er unweigerlich zum Verstoss gegen die positiven Rechtsstatuten führt – wenn auch im Namen eines höheren Rechts – und Hochverrat, wenn nicht gar Landesverrat bedeutet; und es kommt noch hinzu, dass er fast immer zu einem Opfergang wird. Niemand wird einen solchen Weg leichten Herzens gehen, und als sie, die Frauen wie die Männer, sich end- lich dazu durchrangen, war dies für sie eine Frage des Gewis- sens, nicht irgendeiner bloss von aussen angetragenen politischen Vorschrift oder Ideologie. Das «Leben aus dem deutschen Wi- derstand» entsprang einem «verantwortlichen Handeln», wie Dietrich Bonhoeffer es genannt hat. Dennoch wäre es verfehlt, den Widerstand im Lichte heroischer Verklärung zu sehen. Auch dies lernen wir jetzt von den Frauen. Der deutsche Widerstand hatte fraglos nur wenig Abenteuerli- ches an sich, wenig «Heroisches», wie Freya von Moltke uns ver- 10 sichert; nicht einmal das Wort «Widerstand»