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Potsdamer Schriften des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Band 31

Was bedeutete »sozialistische Waffenbrüderschaft« unter den Bedingun- gen des Ost-West-Konflikts? Um die Rolle der Streitkräfte des Warschau- er Paktes militärgeschichtlich einordnen zu können, müssen sie von drei Seiten betrachtet werden: Als die bewaffnete Macht eines Staates präg- ten sie die nationale Pfadabhängigkeit; als Teil der östlichen Militärallianz waren sie in Bündnisstrukturen eingebunden und mit dem sowjetischen Führungsanspruch konfrontiert; schließlich wirkten sich bilaterale Bezie- hungen auf das jeweilige Militär aus.

Der gemeinsame Blick auf die Streitkräfte der DDR und Rumäniens von den 1950er Jahren bis zum Ende des Kalten Krieges lässt dieses Bezie- hungsdreieck deutlich erkennen. Deutsche und rumänische Historiker un- tersuchen zum einen die Kontakte führender Militärs auf der politischen

Ebene, zum anderen die Teilnahme beider Seiten an Manövern des War- Sozialistische Waffenbrüder? schauer Paktes. Darüber hinaus gilt das Interesse der Militärhilfe in Afrika und im Nahen Osten. Unterm Strich wird deutlich, wie sehr die Nationale Volksarmee und die Armata Română von den politischen Konjunkturen abhingen. Der politische Anspruch auf sozialistische Solidarität im Sinne des proletarischen Internationalismus stand nicht selten in einem Span- nungsverhältnis zu den nationalen Interessen der einzelnen Staaten.

Die militärgeschichtlichen Analysen werden ergänzt durch die Präsenta­ Sozialistische tion ausgewählter deutscher und rumänischer Dokumente. Waffenbrüder?

Rumänien und die DDR im Warschauer Pakt

ISBN 978-3-941571-40-2

ZMS Herausgegeben von Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Jörg Echternkamp Bundeswehr Sozialistische Waffenbrüder? Potsdamer Schriften des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr

Begründet vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt

Band 31 Sozialistische Waffenbrüder?

Rumänien und die DDR im Warschauer Pakt

Im Auftrag des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr herausgegeben von

Jörg Echternkamp

ZMSBw • Potsdam 2020 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.

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Redaktion: ZMSBw, Fachbereich Publikationen (0891-01) Koordination, Lektorat, Bildrechte: Michael Thomae Satz: Carola Klinke

Umschlagabbildung: Manöver »Waffenbrüderschaft« auf DDR-Territorium, Aufnahme­ vom 10. Sep­ tem­ber 1980: Das Gruppenfoto mit dem Generalsekretär des ZK der SED zeigt die Verteidigungsminister (oder deren Stellvertreter) der Paktstaaten und anderer Verbündeter; v.l.n.r: Armeegeneral Raúl Castro (Kuba), S. Awichia (?), Armeegeneral Anatolij I. Gribkov (UdSSR), Generalmajor Constantin Olteanu (Rumänien), Armeegeneral Wojciech Jaruzelski (Polen), Armeegeneral Dobri Džurov (Bulgarien), Oberkommandierender der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Paktes Marschall der Sowjetunion Viktor S. Kulikov, , N.N., Armeegeneral Heinz Hoffmann (DDR), Armeegeneral Martin Dzúr (ČSSR), Armeegeneral Lajos Czinege (Ungarn), General Hoàng Van Thái (Vietnam). Rechte: BArch, Bild 183-W0910-106/Mittelstädt

ISBN 978-3-941571-40-2 Inhalt

Vorwort ...... 7

Jörg Echternkamp Einleitung. Rumänien und die DDR als Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes: beziehungs- und vergleichsgeschichtliche Aspekte ...... 9

Politische Verflechtungen

Rüdiger Wenzke Im Zeichen der Entspannungspolitik? Die Nationale Volksarmee der DDR in den 1970er Jahren...... 25

Manuel Stănescu Von der Distanz zur Annäherung im Warschauer Pakt? Die Beziehungen zwischen Rumänien und der DDR im Spiegel der Treffen ihrer Verteidigungsminister...... 37

Klaus Storkmann Verbündete auf Distanz. Ostdeutsch-rumänische Militärkontakte vor dem Hintergrund der politischen Beziehungen...... 51

Gemeinsame Übungen im Bündnis

Christoph Nübel Zwischen Bündnispflichten und Eigeninteressen. Die DDR, Rumänien und das Manöver »Waffenbrüderschaft« 1970...... 71

Sorin-Vasile Negoiță Bündnistreue oder nationales Interesse? Zur Beteiligung rumänischer Streitkräfte an den Übungen und Manövern der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Paktes...... 91 6 Inhalt

Militärhilfe in Afrika und im Nahen Osten

Sorin Cristescu Rumänische Militärhilfe für Afrikanische Staaten. Die »Operation Sirius« in der Volksrepublik Angola...... 117

Klaus Storkmann Die DDR als Akteur im »Globalen Kalten Krieg«? Militärisches Engagement für Afrika und den Nahen Osten und seine Koordinierung mit der sowjetischen Führung...... 127

Dokumententeil

Bilder...... 149 Textdokumente...... 153

* * *

Abkürzungen...... 237 Personenregister...... 240 Autoren...... 243 Vorwort

Dreißig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende des Kalten Krieges gibt es für die Militärgeschichte der Staaten des Warschauer Paktes noch viel zu tun. Das betrifft vor allem die bi- und multilateralen Beziehungen der »Waffenbrüder« unter- einander. Das Militärgeschichtliche Forschungsamt und, ab 2013, das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) haben diese Forschungen in den vergangenen Jahren nicht nur im Rahmen der Jahrestagungen der Internationalen Kommission für Militärgeschichte (CIHM), sondern auch durch zahlreiche Workshops mit unseren osteuropäischen Partnern, dem polnischen Wojskowe Biuro Historycznych, dem ungarischen Hadtörténeti Intézet és Múzeum und dem tschechischen Vojenský Historický, vorangebracht. Der vorliegende Band ist ein Ergebnis des Fortgangs dieser Kooperation. Er präsentiert die Ergebnisse eines Workshops, den das ZMSBw und das Institutul pentru Studii Politice de Apărare şi Istorie Militară (ISPAIM) am 26. Februar 2019 in Bukarest durchgeführt haben. »Sozialistische Waffenbrüder? Rumänien und die DDR im Warschauer Pakt«: Unter diesem Titel, der bereits ein gewisses Spannungsverhältnis andeutet, erscheinen die Beiträge wiederum in unserer Reihe »Potsdamer Schriften«. Eine englische Fassung wird zugleich in der Revista de Istorie Militară, der militärhistorischen Zeitschrift des ISPAIM, veröffentlicht, da- mit wir ein möglichst breites, internationales Fachpublikum erreichen. Auch diese fruchtbare Zusammenarbeit bei der Veröffentlichung der Aufsätze war getragen von den guten freundschaftlichen Beziehungen, die wir zu den rumänischen Kolleginnen und Kollegen unterhalten. Noch in Bukarest waren wir uns einig, dass es sich aufgrund des beschränkteren Zugangs zu den Archiven in Rumänien lohnen würde, dem Band ausgewählte, zum Teil bislang unveröffentlichte Dokumente beizufügen. Ein besonderer Vorzug dieser Publikation in unserer »Blauen Reihe«, wie sie intern heißt, liegt deshalb in ihrem Dokumententeil, der rund dreißig Texte und Bilder als Faksimiles und teilweise mit Übersetzung versammelt. Die deutschen Unterlagen stammen in erster Linie aus dem Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv, in Freiburg i.Br., das uns die Quellen dankenswerter Weise zur Reproduktion überlassen hat. Mein Dank gilt dem rumänischen Mitorganisator des Workshops und Autor Sorin-Vasile Negoiță sowie den weiteren Autoren Sorin Cristescu und Manuel Stănescu und auf Seiten des ZMSBw Christoph Nübel, Klaus Storkmann und Rüdiger Wenzke. Dank sagen möchte ich schließlich Jörg Echternkamp, der den Workshop für das ZMSBw organisiert, diesen Band herausgegeben und damit die von Rüdiger Wenzke initiierte Publikationsreihe fortgesetzt hat. 8 Vorwort

Ich wünsche dem neuesten Band der »Potsdamer Schriften« viele Leserinnen und Leser in der Fachwissenschaft und in der interessierten Öffentlichkeit.

Kapitän zur See Dr. Jörg Hillmann Kommandeur des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr Jörg Echternkamp

Einleitung. Rumänien und die DDR als Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes: beziehungs- und vergleichsgeschichtliche Aspekte

I.

Mitte der 1950er Jahre hatte die sowjetische Deutschlandpolitik ein klares Ziel: die Bewaffnung der Bundesrepublik, ihre Mitgliedschaft in der NATO und damit die Integration in die westliche Staatengemeinschaft in letzter Minute abzuwenden. In Moskau fiel deshalb die Entscheidung, die bereits 1952 in der DDR aufgestellten getarnten militärischen Einheiten, die Kasernierte Volkspolizei (KVP),1 in reguläre Streitkräfte umzuwandeln. Als Bundeskanzler und die westlichen Siegermächte am 23. Oktober 1954 die Pariser Verträge unterzeichneten, die das Besatzungsstatut für die Bundesrepublik Deutschland beendeten und deren Beitritt zur NATO und zur Westeuropäischen Union (WEU) regelten, erlaubte Moskau die offizielle Aufrüstung seines ostdeutschen Vasallenstaates. Das war Wasser auf die Mühlen der Politik von . Denn nun war die DDR nicht länger nur Verhandlungsmasse der sowjetischen Führung. Erst 1952 hatte Stalin die Existenz der DDR mit seinen Deutschland-Noten in Frage gestellt; und dass sowjetische Truppen den Aufstand vom 17. Juni 1953 niederschlugen, hatte an der mangelnden Souveränität des jungen Staates keinen Zweifel gelassen. Über eine eigene Armee zu verfügen war deshalb in den Augen der ostdeutschen – wie auch der westdeutschen – Regierung ein Zeichen staatlicher Selbstbestimmung.2 Freilich war der Aufbau der NVA ohne die Stationierung sowjetischer Truppen auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) nicht zu haben. Rund eine halbe Million Soldaten waren hier bis zum Ende des Kalten Krieges stationiert. Der personelle Umfang der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) von 1954 bis 1988 war mindestens doppelt so groß wie die Zahl der eigenen Truppen, die jetzt unter der Bezeichnung »Nationale Volksarmee« firmierten. Der Name war Programm: Zum einen betonte er den nationalen, ge- samtdeutschen Anspruch und grenzte die NVA von der als »Spalterarmee« diffamier-

1 Torsten Diedrich und Rüdiger Wenzke, Die getarnte Armee. Geschichte der Kasernierten Volks­ polizei der DDR 1952 bis 1956, 2. Aufl., 2003 (= Militärgeschichte der DDR, 1). 2 Rüdiger Wenzke, Ulbrichts Soldaten. Die Nationale Volksarmee 1956 bis 1971, Berlin 2013 (= Mi­ li­tärgeschichte der DDR, 22). Vgl. Winfried Heinemann, Die DDR und ihr Militär, München 2011 (= Beiträge zur Militärgeschichte. Militärgeschichte kompakt, 3), S. 11, 31‑41, 132‑138. 10 Jörg Echternkamp ten Bundeswehr ab. Zum anderen sollte der Name die propagandistische Vorstellung zum Ausdruck bringen, dass es sich bei der NVA erstmals in der deutschen Geschichte um Streitkräfte des Volkes handelte und nicht, wie in der Bundesrepublik, um das militärische Instrument der herrschenden Klasse und einen Büttel der USA. Während die Bundesrepublik in eine Militärallianz aufgenommen wurde, die seit der Unterzeichnung des Nordatlantikvertrages am 4. April 1949 bestand, zählte die DDR zu den Gründungsmitgliedern des östlichen Militärbündnisses. Als Gegenstück zum Nordatlantikpakt wurde am 14. Mai 1955 in Warschau mit dem »Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand« (Warschauer Vertrag, wie es im Sprachgebrauch der DDR hieß) der militärische Beistandspakt unter sowjetischer Führung ins Leben gerufen. Das »rote Bündnis«3 si- cherte Moskaus Hegemonialanspruch in Osteuropa und ermöglichte die Aufstellung ostdeutscher Streitkräfte. Wie bei der Bundeswehr handelte es sich bei der NVA vom ersten Tag an um eine Koalitionsarmee. Und wie die NATO sah sich der Warschauer Pakt mit dem Problem konfrontiert, Sicherheit vor Deutschland und Sicherheit mit Deutschland unter einen Hut zu bringen, zumal Ulbricht und sein Nachfolger Erich Honecker bemüht waren, die NVA, die nach innen als Herrschaftsinstrument der SED fungierte, nach außen als einen besonders wertvollen militärischen Bündnis­ ­ partner hinzustellen. Mit am Tisch im Warschauer Staatsratsgebäude saßen 1955 auch Vertreter der Volksrepublik Rumänien. In den 1930er Jahren hatte sich der Vielvölkerstaat Rumänien – rund ein Viertel der Bevölkerung gehörte der ungarischen, ukraini- schen, bulgarischen oder deutschen Minderheit an – unter der Königsdiktatur von Carol II. am nationalsozialistischen Deutschland orientiert. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs und nach großen territorialen Verlusten hatte General Ion Antonescu eine Militärdiktatur errichtet und sich an der Seite der am Krieg ge- gen die UdSSR beteiligt, bevor das Land 1944 unter dem Einfluss des sow­jetischen­ Vor­marsches und nach dem Sturz des Antonescu-Regimes die Fronten wechsel- te. Nach Kriegsende sorgte die sowjetische Führung für einen Eliten­wechsel; po- litische Gegner wurden deportiert und ermordet, bürgerliche Parteien verboten, König Michael I. (Mihai I.) wurde abgesetzt. Wie in der Sowjetischen Besatzungs­ zone Deutschlands erzwang Moskau auch in Rumänien die Vereinigung von Sozialdemokraten und Kommunisten zur Partidul Muncitoresc Român (PMR, dt. Rumänische Arbeiterpartei) und ließ die Volksrepublik Rumänien ausrufen. Der ehemalige Chef der Kommunistischen Partei Gheorghe Gheorghiu-Dej stieg zum Ministerpräsidenten (1952‑1955), dann als Vorsitzender des Staatsrates zum Staatsoberhaupt auf. Er trieb die Sowjetisierung des Landes voran, ging aber auch auf Abstand zur UdSSR. Nach seinem Tod 1965 übernahm der Kommunist Nicolae

3 Vgl. als erste deutschsprachige Gesamtdarstellung Frank Umbach, Das rote Bündnis. Entwicklung und Zerfall des Warschauer Paktes 1951 bis 1991, Berlin 2005 (= Militärgeschichte der DDR, 10); A Cardboard Castle. An Inside History of the . Ed. by Vojtech Mastny and Malcolm Byrne, 1955‑1991, Budapest 2005; Der Warschauer Pakt. Von der Gründung bis zum Zusammenbruch 1955 bis 1991. Hrsg. von Torsten Diedrich, Winfried Heinemann und Christian F. Ostermann, Berlin 2009 (= Militärgeschichte der DDR, 16); Dieter Krüger, Am Abgrund? Das Zeitalter der Bündnisse: Nordatlantische Allianz und Warschauer Pakt 1947 bis 1991, Fulda 2013. Einleitung 11

Ceauşescu – vor 1945 hatten beide eine Zelle geteilt – den Parteivorsitz und Ende 1967 von Chivu Stoica auch den Vorsitz des Staatsrates; von 1974 bis zu seiner Hinrichtung am 25. Dezember 1989 war er Präsident der Sozialistischen Republik Rumänien (SRR), die am 21. August 1965 von der Führung der Partidul Comunist Român (PCR, dt. Rumänische Kommunistische Partei), wie die Staatspartei fortan hieß, ausgerufen worden war. Der Sohn eines Kleinbauern war seit 1967 Parteichef, Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber in einer Person. In seiner Amtszeit errichtete Ceauşescu eine neostalinistische Diktatur.4 Zwar verzichtetet das Regime nicht ganz auf die sozialrevolutionäre Rhetorik, zwar gab es keine Massenverbrechen wie zu Stalins Zeiten, doch Ceauşescus Regime war geprägt durch den Personenkult um den »Conducător« (Führer), einen extremen Nationalismus und die Diskriminierung ethnischer Minderheiten. Nicht zuletzt wurden politische Gegner durch die Geheimpolizei Securitate verfolgt, darunter der langjährige Verteidigungsminister und Vizepräsident Generaloberst Ion Ioniță, der im Juni 1976 seines Amtes entho- ben wurde. Ein anderes Beispiel ist Ion Gheorghe Maurer, ein Nachfahre deutsch- stämmiger Siebenbürger und einer der dienstältesten Ministerpräsidenten Europas. Er wurde entlassen, nachdem er den Personenkult um den zur Macht drängenden Ceauşescu kritisiert und eine realistische Wirtschaftsplanung angemahnt hatte. Ihm folgte der Parteitechnokrat Manea Mănescu. Die Soldaten der Rumänischen Volksarmee (Armata Română), schlecht ausge- rüstet und als billige Arbeitskraft genutzt, stellten sich während der Rumänischen Revolution zum Teil auf die Seite der Demonstranten, während andere mit Panzern in Bukarest für ein Massaker sorgten, bis die Armeeführung schließlich mit den De­ monstranten­ gemeinsame Sache machte. Am 25. Dezember 1989 wurden Ceauşescu und seine Frau vor ein Militärgericht gestellt und standrechtlich erschossen. Da feierten die Deutschen gerade das erste Weihnachtsfest nach dem Fall der Berliner Mauer. Eineinhalb Jahre später löste sich der Warschauer Pakt offiziell auf. Zwar unterschied sich die geostrategische Lage der DDR und Rumäniens im Kalten Krieg deutlich. Anders als die NVA gehörte die Rumänische Armee nicht zu den Streitkräften, die unmittelbar an der Grenze der beiden Blöcke stationiert waren. Rumänien war kein »Frontstaat«, wie es im sozialistischen Jargon hieß; rund 1500 Kilometer trennten Bukarest von Berlin. Beide Länder lagen jedoch im sowjetischen Einflussbereich, gehörten dem Warschauer Pakt an und waren daher einander in »so- zialistischer Waffenbrüderschaft« verbunden, um eine weitere Propagandaformel zu bemühen. Rumänien hatte freilich mit Jugoslawien einen sozialistischen Anrainer, der dem Warschauer Pakt nicht beigetreten war. Die Warschauer Vertragsorganisation (WVO) – so lautete die Selbstbezeichnung – erweiterte mit ihrer multilateralen Struktur das System bilateraler Bündnisverträge zwischen der UdSSR und ihren jeweiligen Bündnispartnern. Die politische Funktion des Warschauer Paktes stand dabei bis in die frühen 1960er Jahre im Vordergrund. Erst als die Kuba-Krise 1962 vor Augen führte, dass eine militärische Expansionsstrategie,

4 Vgl. Mariana Hausleitner, Stalinismus und Neostalinismus in Rumänien. In: Südosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert. Fremde Wege – Eigene Wege, Berlin 1994, S. 87‑102 (= Berliner Jahrbuch für osteuropäische Geschichte, 2), S. 21. 12 Jörg Echternkamp die sich vor allem auf Nuklearwaffen stützte, nicht aufging, gewannen konventio- nelle Streitkräfte für Moskau an Bedeutung. Jetzt schien ein begrenzter Krieg mit nicht-atomaren Waffen nicht ausgeschlossen (wie der Vietnamkrieg wenig später eindrucksvoll belegen sollte). Damit wuchs die Notwendigkeit, die militärischen Partner enger und systematischer in das Bündnis einzugliedern. Wie sie sich einen künftigen Krieg vorzustellen und auf ihn vorzubereiten hatten, bestimmte die sow- jetische Militärdoktrin. Moskaus marxistische Sicht auf den »Klassencharakter« des Krieges war für alle Bündnisstaaten bindend. Das lag nicht nur an der Übermacht sowjetischer Truppen, sondern auch an dem Anspruch der KPdSU, im östlichen Lager die ideologische Führung zu übernehmen. Als der Vertrag 1975 auslief, blieb Rumänien im Warschauer Pakt, in einem Bündnis, »das seine Mitglieder nicht vor einer Intervention anderer Mitglieder schützt«, wie »Der Spiegel« im Juli 1974 schrieb – eine Anspielung auf den Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968.5 Die Leitung des Warschauer Paktes oblag dem Politischen Beratenden Ausschuss (PBA), der einmal im Jahr in Moskau tagte. Die Mitgliedsstaaten waren durch die Generalsekretäre des Zentralkomitees (ZK) der Parteien, die Regierungschefs und die Außenminister vertreten. Zusätzlich wurde 1969 ein Komitee der Verteidigungs­ minister eingerichtet, um den Mitgliedsstaaten nach Prag eine Mitsprache einzuräu- men. Das Vereinte Oberkommando, für das die Mitglieder Teile ihrer Streitkräfte zur Verfügung stellten, hätte im Kriegsfall keine operative Zuständigkeit gehabt, weil die alleinige Befehlsgewalt beim Generalstab der Sowjetunion gelegen hätte. Der Oberkommandierende der Vereinten Streitkräfte (VSK) war immer ein Marschall der Sowjetunion, der als Vertreter des sowjetischen Verteidigungsministers diesem direkt unterstand. Das Hauptquartier lag denn auch (seit 1972) in Moskau.6 In Europa lagen aus östlicher Sicht drei künftige Kriegsschauplätze, auf die sich die Planung der Warschauer-Pakt-Staaten richtete: ein nordwestlicher (Skandinavien), ein westlicher (Mittel- und Westeuropa) und ein südwestlicher (südlich der Alpen). Bis in die 1980er Jahre ging die Militärdoktrin davon aus, dass ein künftiger Konflikt zwar durch einen Angriff des Westens ausgelöst würde, die Kampfhandlungen jedoch umgehend offensiv auf das gegnerische Territorium zurückgeschlagen werden müss- ten. In den letzten Jahren des Bündnisses spielten jedoch auch Vorstellungen von ei- ner zeitweisen Verteidigung im eigenem Bereich angesichts der Rüstungsentwicklung im Westen eine größere Rolle. Auch defensive Maßnahmen wurden nun geübt. Die »Waffenbrüderschaft« mit den anderen Armeen galt in jedem Fall als Garant für die militärische Überlegenheit des sozialistischen Lagers.7 Der Begriff diente einer- seits der Propaganda dazu, den Zusammenhalt der »Bruderarmeen« zu beschwö- ren, andererseits stand er für die bi- und multilaterale Verflechtung der nationalen Streitkräfte, namentlich mit den sowjetischen.

5 Ostblock: Reihen geschlossen. In: Der Spiegel, 1.4.1974. 6 Oberkommandierende der VSK waren: Marschall der Sowjetunion Ivan S. Konev (1955‑1960), Andrej A. Grečko (1960‑1967), Ivan I. Jakubovskij (1967‑1976), Viktor Kulikov (1977‑1989), Pëtr G. Lušev (1989‑1991). 7 Rüdiger Wenzke, »Sozialistische Waffenbrüder?« Über die Beziehungen der Nationalen Volksarmee der DDR zu anderen Warschauer-Pakt-Armeen. In: Der Warschauer Pakt. Von der Gründung bis zum Zusammenbruch (wie Anm. 3), S. 85‑118. Einleitung 13

II.

Um die Bedeutung des Militärs in den einzelnen Ländern zu verstehen, muss man dieses Beziehungsgeflecht und seinen Wandel mit in den Blick nehmen. Das gilt für das östliche wie das westliche Lager. Ein integraler Ansatz, wie ihn das Militärgeschichtliche Forschungsamt Mitte der 1990er Jahren gewählt hat, suchte deshalb von vornherein die Geschichte der NVA und der Bundeswehr mit einer Geschichte der jeweiligen Militärallianz zu verbinden, in die sie eingebunden waren. Hinzu kamen bilaterale Forschungsprojekte, häufig auf der Grundlage erster ge- meinsamer Workshops mit Militärhistorikern der ehemaligen Ostblockstaaten. Das Interesse galt insbesondere dem Verhältnis der NVA zur Polnischen Volksarmee und zur Polnischen Seekriegsflotte,8 zur Ungarischen Volksarmee9 und zur Tschecho­ slo­wa­kischen Volksarmee.10 Dabei ist zum einen die beiderseitige Bündnis­inte­ gration zu berücksichtigen, zum anderen müssen die nationalen wie internationalen Rahmenbedingungen des Ost-West-Konflikts in Rechnung gestellt werden. Auch wenn das Blickfeld durch bilaterale Kriterien abgesteckt wurde, war der besondere Einfluss der Sowjetunion auf die Beziehungen zwischen den jeweiligen Streitkräften nicht zu übersehen. Eine dringend erforderliche militärische Beziehungsgeschichte der DDR und der Sowjetunion steht indes weiterhin aus. Der bilaterale Zugriff trägt dazu bei, die einzelnen Akteure des Warschauer Paktes ins Rampenlicht zu rücken, die in Gesamtdarstellungen des Bündnisses naturgemäß im Hintergrund bleiben. Nationale Pfadabhängigkeiten lassen sich so besser in die internationale Geschichte einschreiben. Die thematischen Akzente wurden unter- schiedlich gesetzt: Mal ging es vor allem um die Rolle in den militärischen Planungen, mal um die Zusammenarbeit mit dem Militär der Nachbarstaaten. Die Kooperation mit den militärhistorischen Instituten der ehemaligen WVO-Mitgliedsstaaten sorgte und sorgt nicht nur für den Austausch von Forschungsergebnissen und die Iden­ tifikation­ neuer orschungsthemen,F sondern bietet im Idealfall auch den Vorzug, bislang unbekannte Quellendokumente auswerten zu können – sofern die Archiv­ politik des jeweiligen Landes dies zulässt. Hier schließt der vorliegende Band zur Geschichte der ostdeutschen und rumä­ nischen­ Streitkräfte im Warschauer Pakt an. Zwar war das Verhältnis der NVA zur Armata Română bei Weitem nicht so eng wie zu den polnischen oder tschecho­

8 Rüdiger Wenzke, Die NVA und die Polnische Armee als Koalitionsstreitkräfte auf dem europäischen Kriegsschauplatz in den 1980er Jahren. In: Die Streitkräfte der DDR und Polens in der Opera­tions­ planung des Warschauer Paktes. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von Rüdiger Wenzke, Potsdam 2010 (= Potsdamer Schriften zur Militärgeschichte, 12), S. 97‑125. 9 Vgl. Die NVA und die Ungarische Volksarmee im Warschauer Pakt. Im Auftrag des Militär­ge­ schichtlichen­ Forschungsamtes hrsg. von Hans-Hubertus Mack, Lászlá Veszprémy und Rüdiger Wenzke, Potsdam 2011 (= Potsdamer Schriften zur Militärgeschichte, 15). 10 Vgl. Zwischen Bündnistreue und staatlichen Eigeninteressen. Die Streitkräfte der DDR und der ČSSR 1968 bis 1990. Im Auftrag des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr hrsg. von Oliver Bange, Potsdam 2016 (= Potsdamer Schriften des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, 26), S. 9‑12; Rüdiger Wenzke, Im Zeichen der »Waffenbrüderschaft«. Zu den militärischen Beziehungen zwischen der DDR und der Tschechoslowakei 1956‑1990. In: DDR und ČS(S)R 1949‑1989. Eine Beziehungsgeschichte am Anfang. Hrsg. von Miloš Řezník und Katja Rosenbaum, München 2012, S. 187‑201. 14 Jörg Echternkamp slowakischen Streitkräften. Doch der doppelseitige Blick lohnt auch hier: disziplin­ geschichtlich, weil er zu ersten Annäherungen deutscher und rumänischer Histori­ ­ kerinnen und Historiker auf dem Gebiet der Militärgeschichte nach 1945 und damit einem Wissenstransfer führt; thematisch und methodisch, weil auch die vermutete Andersartigkeit unseren Blick für das Spezifische des Eigenen schärft; erinnerungs- politisch, weil der Austausch, den die Zusammenarbeit zwangsläufig mit sich bringt, einen Perspektivenwechsel bedeutet, der es möglich macht, die »geteilte« europäische Geschichte von der Warte eines Anderen zu betrachten.11 Dass es sich dabei aus westdeutscher Sicht um einen ehemaligen Staat des östlichen Lagers handelt, erhöht den Reiz noch, liefert die Geschichte der Militärgeschichte doch auch Hinweise auf Kontinuitäten und Brüche der allgemeinen rumänischen Geschichtskultur in den vergangenen dreißig Jahren. Nach dem Umbruch in Rumänien vom Dezember 1989 wurde die kommunisti- sche Herrschaft als ein anti-rumänisches Besatzungsregime interpretiert.12 Während dieser Fremdherrschaft habe der rumänische Staat seine Souveränität verloren; das Regime führte seinen Kampf gegen die Rumänen. In der öffentlichen Erinnerung an diese Zeit standen die Opfer des vermeintlich anti-rumänischen Kommunismus und des antikommunistischen Widerstandes im Vordergrund. Das Memorial Sighet im Norden Rumäniens, die Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus und des antikommunistischen Widerstandes, ist ein Beispiel für dieses Narrativ. Es hat- te nicht nur die Funktion, die kommunistischen Politiker der Gegenwart wie Ion Iliescu, den Präsidenten Rumäniens von 1989 bis 1996 und von 2000 bis 2004, zu delegitimieren, sondern wurzelte auch in einer nationalistischen Tradition, die Rumäniens Geschichte als einen fortwährenden Kampf um nationale Einheit und Eigenständigkeit beschrieb. Dieses Geschichtsbild hatte schon die späten Jahre der Ceauşescu-Herrschaft geprägt. Der Umbruch änderte diese Sichtweise zunächst nicht. Die kritische Auseinandersetzung blieb lange aus; die historischen Museen schlossen ihre zeitgeschichtlichen Abteilungen, die Einheits-Schulbücher wurden weiter genutzt. Ohne die kommunistische Komponente bildete der Nationalismus vielmehr ein Verbindungsstück zwischen der kommunistischen und der post-kom- munistischen Zeit. Der Blick ging stattdessen weiter zurück auf die Entstehung Großrumäniens 1918 und die Zwischenkriegszeit. Nach 1989 galt der Diktator Antonescu als Vorkämpfer eines souveränen Nationalstaats. In der oberflächlichen Beschäftigung mit der Ceauşescu-Ära wurde deren heroischer Nationalismus, der in weiten Kreisen der Gesellschaft verankert war, als Propaganda kleingeredet.13 Militärhistorische Ausstellungen regten selten zur Reflexion über die Vergangenheit an. Im »Saal der Revolution« des 1923 gegründeten Nationalen Militärmuseums

11 Geschichte ohne Grenzen? Europäische Dimensionen der Militärgeschichte vom 19. Jahrhundert bis heute. Im Auftrag des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr hrsg. von Jörg Echternkamp und Hans-Hubertus Mack, Berlin 2017. 12 Das Folgende nach: Martin Jung, In Freiheit. Die Auseinandersetzung mit Zeitgeschichte in Ru­ mänien (1989‑2009), Berlin 2016, S. 423‑457. 13 Lucian Boia, Rumänien. Geschichte und Mythos. Über die Gegenwart des Vergangenen in der ru- mänischen Gesellschaft, Köln 2003; Lucian Boia, Unterschiedliche Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg. In: Mythen der Nationen. 1945 – Arena der Erinnerungen, Bd 2. Hrsg. von Monika Flacke, Mainz 2004, S. 541‑568. Einleitung 15

(Muzeul Militar Naţional) lautet die Botschaft: Die Armee hat Ende 1989 unter schmerzlichen Verlusten die Revolution erkämpft und den Rumänen die Freiheit gebracht. Diesen Kampf versinnbildlichen die Revolutionsdenkmäler, während das Memorial Sighet den Terror der kommunistischen Fremdherrschaft heraushebt. Der Verzicht auf Deutungsangebote charakterisiert auch die in den frühen 2000er Jahren neu gestaltete Ausstellung der Abteilung für Zeitgeschichte des Bukarester Militärmuseums. Der Rückzug auf das Faktische soll die ausgestellten Artefakte für sich sprechen lassen. Das individuelle Handeln geriet aus dem Blick, wo einzelne Personen in ein Kollektiv vereinnahmt wurden. So wurde Vasile Milea, Ceauşescus letzter Verteidigungsminister, der an der gewaltsamen Unterdrückung der Demon­ ­ strationen­ im Dezember 1989 beteiligt war, als einer der vielen »Märtyrer-Helden« dargestellt, die während des Umbruchs ums Leben kamen. Eine kritische Be­schäf­ tigung mit Rumäniens Geschichte zwischen 1945 und 1989, einschließlich der Militärgeschichte, war so kaum möglich. Der Generationswechsel und die mittlerweile verbesserte Quellenlage lassen seit einigen Jahren einen Wandel erkennen. Das hat unter anderem die öffentliche Debatte über den kommunistischen Staatssicherheits- und Repressionsapparat gezeigt, die auch in Deutschland verfolgt wurde.14 Die jetzt anlaufende Erforschung der rumä- nischen Militärgeschichte seit den 1960er Jahren kann deshalb als ein Beitrag zur Aufarbeitung der Ceauşescu-Zeit gelesen werden. Insofern ist es ein guter Zeitpunkt, das Thema auch zu einem deutsch-rumänischen Projekt zu machen. Das gilt umso mehr, als die deutsche Militärgeschichte ihrerseits der jüngeren Zeitgeschichte mit trans- und internationaler Orientierung neue Impulse geben kann.15 Dabei geht es nicht darum, relativ beliebige Themen aus der deutschen und ru- mänischen Militärgeschichte zu behandeln. Auch ein zeitlicher Rahmen, etwa die Jahre des Kalten Krieges, würde nicht reichen, um die Studien zu verklammern. Um die einzelnen Beiträge dieses Bandes in einen möglichst plausiblen wissenschaftli- chen Zusammenhang zu stellen, mussten sie so eng wie möglich, das heißt syste- matisch aufeinander bezogen werden. Dazu eignen sich Ansätze, die zum Teil schon etwas länger, seit den 1980er/90er Jahren, zum Teil aber erst seit einigen wenigen Jahren die Geschichtswissenschaft insgesamt befruchten. Die Kritik an einer natio- nal verengten, provinziellen Geschichtsschreibung läuft bis heute oft auf den Appell hinaus, mehr zu vergleichen und mehr nach Verknüpfungen zu suchen.16 Das ist leichter gesagt als getan. Denn ein Thema von zwei Seiten zu betrachten setzt vor-

14 Zur zögerlichen Abrechnung mit dem Kommunismus vgl. Georgeta Daniela Oancea, Mythen und Vergangenheit. Rumänien nach der Wende, Diss., Ludwig-Maximilians-Universität München 2005, , letzter Aufruf 23.10.2019. Zur Rezeption in der Bundesrepublik etwa: Ceausescu-Diktatur: »Sie sollen bezahlen für ihre Verbrechen«. In: Der Spiegel, 26.12.2013. 15 Vgl. den Forschungsüberblick: Jörg Echternkamp, Dieter H. Kollmer, Thorsten Loch, Ralf Vol­ muth und Rüdiger Wenzke, Deutsche Militärgeschichte von 1945 bis 1990 im internationalen Kon­text. Bilanz und Perspektiven der Forschung. In: Militärgeschichtliche Zeitschrift, 76 (2017), 1, S. 132‑170. 16 Vgl. für die Militärgeschichte die Überlegungen am deutsch-französischen Beispiel: Jörg Echtern­ kamp und Stefan Martens, Militargeschichte als Vergleichs- und Verflechtungsgeschichte. In: Militar in Deutschland und Frankreich 1870‑2010. Vergleich, Verflechtung und Wahrnehmung zwischen Konflikt und Kooperation. Im Auftrag des Deutschen Historischen Instituts Paris und 16 Jörg Echternkamp aus, dass man sich mit beiden bestens auskennt. Wer die ostdeutschen und die ru- mänischen Streitkräfte miteinander vergleichen möchte, hat idealerweise über beide geforscht. Dazu benötigt man viel Zeit, Ressourcen und Sprachkompetenz. Hier liegen die Vorteile eines bilateralen Projekts. Werden die Beiträge durch eine solche Konzeption von vornherein aufeinander bezogen, können die Expertisen von zwei Seiten für ein Thema gebündelt werden.

III.

Der Band nähert sich seinem Thema deshalb in drei Schritten. Erstens geht es um politische Verflechtungen, um hochoffizielle Kontakte führender Militärs auf der politischen Ebene des Warschauer Paktes. Die militärischen Beziehungen waren Teil der politischen Systeme. Deshalb ist nach den Rückwirkungen der politischen Beziehungen zu fragen, also etwa danach, ob und wie sich Rumäniens Sonderrolle im Warschauer Pakt auf das militärische Verhältnis zur DDR auswirkte, mit der es ja alliiert war. Zweitens steht ein spezifisch militärischer Aspekt im Mittelpunkt der Beziehungsgeschichte: die Teilnahme der Nationalen Volksarmee und der rumäni- schen Armee an gemeinsamen Manövern des Warschauer Paktes wie dem Manöver »Waffenbrüderschaft« im Oktober 1970. Drittens wird der Blick nach außen, nach Afrika und in den Nahen Osten, gerichtet und zwar jeweils aus einem ostdeutschen und einem rumänischen Blickwinkel. Die Geschichte der Militärhilfe im Kalten Krieg ist ein noch wenig erforschtes Gebiet.17 An dieser Stelle geht es weniger um eine militärische Beziehungsgeschichte als um den historischen Vergleich. Nicht die wechselseitigen Beziehungen des ostdeutschen und rumänischen Militärs, sondern der Vergleich ihrer jeweiligen Beziehungen zu Dritten bilden den methodischen Hebel. Offiziell bestand an der engen Verbundenheit zwischen der DDR und der Sozialistischen Republik Rumänien kein Zweifel. »DDR und SRR verbunden in sozialistischer Gemeinschaft« titelte das »Neue Deutschland« zum 30. Jahrestag der »Befreiung Rumäniens« 1945; man übermittelte »brüderliche Grüße«. Eine DDR- Delegation legte am Helden-Denkmal im Bukarester Freiheitspark (Parc Carol) Kränze nieder.18 Tatsächlich kühlte sich das Verhältnis in dem Maße ab, wie das rumänische Regime seine eigenen Interessen über die Bündnisverpflichtungen stellte und eine Sonderrolle spielte. Das zeigte sich auch im Verhältnis der Geheimdienste. Arbeiteten das Ministerium für Staatssicherheit und die Securitate seit den frühen 1950er Jahren zunächst eng zusammen – schon um die Besuche ihrer Staatsbürger im anderen Land zu überwachen –, begegnete die Staatssicherheit der Securitate zu- nehmend mit Misstrauen, nachdem die Rumänische Arbeiterpartei 1964 öffentlich ihren Anspruch auf einen nationalen Sonderweg formuliert hatte. Zwischen 1964

des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Potsdam, hrsg. von Jörg Echternkamp und Stefan Martens, Paderborn [u.a.] 2012, S. 1‑21. 17 Für die DDR und ihre Armee vgl. Klaus Storkmann, Geheime Solidarität. Militärbeziehungen und Militärhilfen der DDR in die »Dritte Welt«, Berlin 2012 (= Militärgeschichte der DDR, 21). 18 , 23.8.1974. Einleitung 17 und 1973 setzte man die Kooperation auf Sparflamme fort. Nach Ceauşescus Kritik an der Besetzung der Tschechoslowakei 1968 gingen beide Seiten immer mehr auf Konfrontationskurs und spionierten sich gegenseitig aus.19 Einen gemeinsamen Bezugspunkt der Außenpolitik beider Länder, der auch auf die militärischen Beziehungen zurückwirkte, bildete neben der Sowjetunion die Bundesrepublik Deutschland. Rumänien nahm bereits 1967 diplomatische Beziehungen zu Westdeutschland auf. Ceauşescu sah sich als Vermittler zwischen Ost und West. In der Bundesrepublik war wohl bekannt, dass Bukarest seit dem Einmarsch in Prag Manöver des Warschauer Paktes im eigenen Land konsequent verweigerte und seine Militärausgaben leicht reduziert hatte. Bukarests Kontakte zur Bundesrepublik wurden dort als Beleg dafür gelesen, dass die Sowjetunion das so- zialistische Lager nicht vollständig absperren konnte.20 Ceauşescu erhielt 1971 die höchste Auszeichnung für fremde Staatsoberhäupter, die die Bundesrepublik zu ver- geben hatte. Ceauşescu und Willy Brandt unterzeichneten 1973 im Zuge der neuen ein Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit. Auch empfing das Ehepaar Ceauşescu 1984 in Bonn. Im schwierigen deutsch-deutschen Verhältnis leitete erst der Grundlagenvertrag vom 21. Dezember 1972, der den Austausch von Ständigen Vertretern vorsah, den Beginn der Ent­span­nungs­politik und die Abkehr von der Hallstein-Doktrin ein, nach der die Auf­nahme diplomatischer Beziehungen zur DDR als ein »unfreundlicher Akt« gegenüber der Bundesrepublik eingestuft worden war. Das internationale Klima der Entspannung bestärkte para- doxerweise die SED-Führung in ihrer Entschlossenheit, die NVA zu einer »kampf- starken Koalitionsarmee« auszubauen (Rüdiger Wenzke). In einem Punkt, der freilich nicht an die Öffentlichkeit dringen sollte, waren sich Ost-Berlin und Bukarest einig: Beide trieben mit der Bundesrepublik Handel nach dem Motto »Deutsche gegen Devisen«. Ging es auf der einen Seite um den Freikauf politischer Häftlinge, flossen auf der anderen Seite Milliarden, damit mehr als eine Viertelmillion Deutschstämmige – Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben – das Land zwischen 1968 und 1989 verlassen durften. Zum Vergleich: Von 1963 bis 1989 kaufte die Bundesregierung etwa 34 000 politische Häftlinge aus der DDR frei. Trotz des jahrelang gespannten Verhältnisses riss die Verbindung zwischen der DDR und Rumänien im militärischen Bereich im weiten Sinn nie ab (Klaus Storkmann). Neben Austauschprogrammen für den Urlaub und Besuchen der Ver­ tei­digungs­minister sowie von Vertretern der Grenztruppen stand seit den späten 1950er Jahren die Rüstungskooperation im Mittelunkt: Panzerfäuste für die DDR, Periskope für Bukarest – so lässt sich das Muster des Export-/Importgeschäfts be- schreiben, in dem Rumänien vor allem infanteristische, die DDR elektronische Ware lieferte. Als der reformfreudige Generalsekretär des ZK der KPdSU Michail

19 Georg Herbstritt, Entzweite Freunde. Rumänien, die Securitate und die DDR-Staatssicherheit 1950 bis 1989, Göttingen 2016. Dazu und zum Umgang mit der Vergangenheit: Georg Herbstritt, Entzweite Freunde. Die Beziehungen zwischen und rumänischer Securitate 1950 bis 1989, , letzter Auf-­ ruf 23.10.2019). 20 Christian Schmidt-Häuer, Doch noch ein wenig Dialog. Rumäniens Führer Nicolae Ceausescu blieb seinen außenpolitischen Prinzipien treu. In: Die Zeit, 19.10.1984. 18 Jörg Echternkamp

Gorbačev ab 1985 im sozialistischen Lager für Unruhe sorgte, schmiedete die ge- meinsame Ablehnung von Perestroika und Glasnost den 77-jährigen Honecker und den 71-jährigen Ceauşescu (1989) in neuer Freundschaft zusammen. Dass ihr dogmatisches Festhalten am Marxismus nach der anfänglichen »Eiszeit« am Ende ein »konservatives Bündnis« begründete, kann man mit Manuel Stănescu als ein Paradoxon bezeichnen. Demonstrativ überreichte der SED-Chef dem rumänischen Diktator im November 1988 die höchste Auszeichnung der DDR, den Karl-Marx- Orden. »DDR und Rumänien werden ihre Zusammenarbeit weiter vertiefen«, pro- gnostizierte das »Neue Deutschland«.21 Zusammenarbeit in der militärischen, aber auch symbolischen Praxis bildete den Kern gemeinsamer Manöver, um die es in einem zweiten Schritt geht. Sie waren nicht nur realistische Übungen, mit denen sich die Streitkräfte auf einen Einsatz in einem bewaffneten Konflikt vorbereiteten. Mit gemeinsamen Manövern ver- folgten die Bündnispartner auch den Zweck, nach außen, gegenüber der NATO, Einsatzfähigkeit und Entschlossenheit zur Schau zu stellen. Nach innen – darum dreht es sich hier – lassen Manöver der VSK wie unter einer Lupe erkennen, wie es um die militärischen Verhältnisse innerhalb des Warschauer Paktes bestellt war. Das betraf die Einstellung eines Mitgliedsstaates zum Pakt im Allgemeinen, zur sowjetischen Führungsmacht im Besonderen, aber auch das Verhältnis der Mitgliedsstaaten un- tereinander. Im Manöver nahm die »Vertragsorganisation« Gestalt an. Großübungen eigneten sich zudem dazu, ja erzwangen geradezu, die Rolle einzelner Bündnispartner auszuhandeln, das militärische Ereignis ideologisch aufzuladen und politisch zu nut- zen. In der Praxis kam es nicht nur auf die Teilnahme selbst an, sondern auch darauf, wie in den gelenkten Medien über simulierte Kampfhandlungen und prominen- te Beobachter berichtet wurde. So nutzte der junge ostdeutsche Staat das Manöver mit dem bezeichnenden Namen »Waffenbrüderschaft«, das im Oktober 1970 auf seinem Territorium stattfand, um sich als ein Mitglied des Warschauer Paktes auf Augenhöhe und im Unterschied zu Rumänien als loyaler Partner der UdSSR zu präsentieren (Christoph Nübel ). Manöver warfen eine Reihe struktureller Probleme auf, wie die Beiträge zeigen. Auf wessen Territorium wurden die Manöver abgehalten? War die Anwesenheit fremder Soldaten formal durch die Bündniszugehörigkeit legitimiert oder bedurfte es bilateraler Verträge? Wer wertete die Manöver aus und zog die Schlussfolgerungen? Zum einen konnten Manöver der UdSSR als Deckmantel dienen, um den Aufmarsch für eine Invasion vorzubereiten. Dank der Stabsmanöver des Warschauer Paktes war die UdSSR in der Lage, das Gelände vor Ort zu erkunden. Zum anderen ging es aus Moskaus Sicht darum zu verhindern, das ein nationales Verteidigungsministerium die Fähigkeit erlangte und erprobte, auf seinem Territorium selbstständig Krieg zu führen (Sorin-Vasile Negoiță). Schließlich berührte die Verlegung fremder Truppen auf das Territorium eines an- deren Staates einen neuralgischen Punkt staatlicher Souveränität. Was die Rolle der DDR und Rumäniens betrifft, hätte sie kaum unterschiedlicher sein können. Die DDR gehörte wie Bulgarien, die Tschechoslowakei (ab 1968), Polen und Ungarn

21 Neues Deutschland, 18./19.11.1988. Einleitung 19 zu den loyalen Mitgliedsstaaten. Die NVA galt als Musterknabe, die rumänische Armee dagegen als schwarzes Schaf. Rumänien war zwar ununterbrochen Mitglied der Militärallianz, pochte aber auf nationale Interessen. Weiter gingen nur Albanien, das am 13. September 1968 austrat, und Jugoslawien, das gar nicht erst eingetreten war. Ein gravierender Unterschied liegt zudem darin, dass in der DDR sowjetische Truppen stationiert waren, nicht dagegen in Rumänien. Internationale Militärhilfe, der dritte Untersuchungsaspekt, war in erster Linie eine Facette der nationalen Außenpolitik. Europäische Staaten, die auf diesem Handlungsfeld in Afrika oder im Nahen Osten wirkten, erwiesen sich als Akteure in einem Kalten Krieg, dessen Globalität die neueren Studies zu Recht her- ausstreichen.22 Nicht zufällig forcierte Rumänien sein militärisches Engagement in Afrika in den 1960er Jahren, nach dem Entschluss zu einer souveränen Außenpolitik 1964 und Ceauşescus Weigerung, sich 1968 am Einmarsch in die Tschechoslowakei zu beteiligen. Die militärische Unterstützung wurde jenen afrikanischen Ländern ge- währt, in denen marxistisch-leninistische Befreiungsbewegungen um die Macht oder den Machterhalt rangen wie in der Demokratischen Republik Kongo unter dem Diktator Marien Ngouabi. Aber auch der African National Congress (ANC), der im Untergrund und aus dem Exil gegen das Apartheidsregime in Südafrika kämpfte, durfte auf Unterstützung aus Ost-Berlin und Bukarest hoffen. Hier wusste man sich im Einklang mit der sowjetischen Führungsmacht. Ebenso suchte die Sowjetunion, die wie das zaristische Russland nie Kolonien in Afrika besessen hatte, nach der Entkolonialisierung auf dem afrikanischen Kontinent Fuß zu fassen, auch um militärische Vorteile gegenüber den Supermächten USA und China zu erlangen. Dazu schreckte Moskau auch vor Verbindungen zu Diktatoren in Guinea, Angola und Äthiopien nicht zurück. Die Sowjetunion mischte vor allem im angolanischen Bürgerkrieg 1975‑1976 kräftig mit. Der Ostblock unter Moskaus Führung war nach dem Bruch mit China Ende der 1950er Jahre auf neue Verbündete angewiesen, nicht zuletzt auf Länder mit See- und Flughäfen. Neben den strategi- schen Vorteilen, die das Netzwerk der geografisch benachteiligten Großmacht UdSSR bot, waren die Verbindungen von politischem Nutzen, weil sie die Grenzen des kom- munistischen Machtbereichs weiterzogen. Moskau und andere Ostblockstaaten wie die DDR und Rumänien profitierten von der politischen Instabilität, die nach dem Ende der Kolonialzeit die Staaten südlich der Sahara plagte. Um kommunistische Regime zu etablieren, unterstützten sie oppositionelle und aufständische Gruppen, die Marx, Engels und Lenin auf ihrem Schilde führten und ihren Befreiungskrieg auch als einen Kampf gegen den »Imperialismus« deklarierten.23 Rumänien und die DDR beteiligten sich an den Stellvertreterkriegen, welche die Sowjetunion, die USA und China in den 1970er Jahren in Afrika führten, in Angola vor allem und am Horn von Afrika (Somalia). Dabei lässt sich in beiden Fällen eine zeitliche Dynamik beobachten. Weil die Militärgeschichte­ nicht von der politik-, sozial- und kulturgeschichtlichen Entwick­ ­

22 Odd Arne Westad, The Global Cold War. Third World Interventions and the Making of our Times, Cambridge 2005; Odd Arne Westad, Der Kalte Krieg. Eine Weltgeschichte, Stuttgart 2019. 23 Winrich Kühne, Die Politik der Sowjetunion in Afrika. Bedingungen und Dynamik ihres ideologi- schen, ökonomischen und militärischen Engagements, Baden-Baden 1983. 20 Jörg Echternkamp lung getrennt werden kann, folgte die Militär- und Sicherheitspolitik beider Regime nicht zuletzt deren innenpolitischen Entwicklungen, die wiederum vom Verhältnis zur UdSSR abhing. In der Gründungsphase und – im Fall der DDR – vor der of- fiziellen Aufrüstung spielten die Streitkräfte eine geringere Rolle als seit den späten 1960er Jahren. In der ostdeutschen und rumänischen Praxis nahm die Militärhilfe verschiede- ne Formen an.24 Dazu gehörten in beiden Fällen zum einen die reine Finanzhilfe, zum anderen die Lieferung von Rüstungsgütern. Rumänien wie die DDR expor- tierten auf Geheiß der politischen Führung Waffen, Munition und militärisches Gerät in die »Dritte Welt«. Einer dritten Form, dem Entsenden von Militärberatern, kam im rumänischen Fall größere Bedeutung zu, wie die »Operation Sirius«, die Ausbildung militärischer oder paramilitärischer Einheiten und ihrer einheimischen Ausbilder im angolanischen Bürgerkrieg Mitte der 1970er Jahre, nachdrücklich be- legt (Sorin Cristescu). Die politische und militärische Führung der DDR gab sich dagegen zugeknöpft, wenn entsprechende Anfragen aus afrikanischen Staaten ein- gingen; Angehörige der NVA in Krisengebiete zu entsenden und womöglich in Kampfhandlungen verwickelt zu werden schien in der Regel zu riskant. Stattdessen praktizierte Ost-Berlin Militärhilfe vor allem in Form von Ausbildungshilfe in der DDR, eine Variante, die auch Bukarest nutzte. Beide Länder handelten im Ein­ver­ ständ­nis, wenn nicht in enger Abstimmung mit Moskau. Für die Satrapen Ulbricht und Honecker war das selbstverständlicher als für den auf Eigenständigkeit bedach- ten Ceauşescu. Der deutsch-rumänische Vergleich zeigt zudem, dass Moskau die Militärhilfen der Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes trotz seiner Führungsrolle nicht zentral koordinierte, und auch die jeweiligen Staaten stimmten ihr Vorgehen nicht untereinander ab, was mit den nationalen ökonomischen Interessen zusammen- hing, die bei aller Solidaritätsrhetorik ebenfalls verfolgt wurden (Klaus Storkmann). Geheimhaltung war eine weitere Gemeinsamkeit, wie der ostdeutsch-rumänische Vergleich zeigt. Wenngleich Militärhilfe ein starkes Zeichen der weltweiten Solida­ ­rität mit sozialistischen und kommunistischen Regimen und Bewegungen war, hatte kein Mitgliedsstaat des Warschauer Paktes ein Interesse daran, seinen Einsatz auf diesem au- ßenpolitischen Handlungsfeld an die große Glocke zu hängen. Statt­dessen nahm man weite Umwege in Kauf, entfernte Hoheitszeichen und zerlegte Material in Einzelteile, um die Operationen zu verschleiern. Rüstungsexporte in Konfliktgebiete,­ militäri- sche Beratung für gewalttätige Potentaten, Ausbildung afrikanischer Aufständischer mitten in Europa: Ein größerer Widerspruch zu den eigenen Friedensbeteuerungen wäre kaum denkbar gewesen. Waffenexporte und Ausbildungshilfen passten vor allem dort nicht ins Bild sozialistischer Arbeiter- und Bauernstaaten, wo sich afrikanische Diktatoren auf den Marxismus-Leninismus beriefen, um ihre Gewaltherrschaft ideo- logisch abzustützen. Wo diese Praxis ruchbar wurde, hagelte es mit Ironie gespickte Proteste aus dem Westen. Als beispielsweise das Hamburger Nachrichtenmagazin »Der

24 Vgl. für die DDR: Storkmann, Geheime Solidarität (wie Anm. 17); Klaus Storkmann, Solidarität und Interessenpolitik. Militärhilfen der DDR für die Dritte Welt. In: Wege zur Wiedervereinigung: Die beiden deutschen Staaten in ihren Bündnissen 1970 bis 1990. Im Auftrag des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr hrsg. von Oliver Bange und Bernd Lemke, München 2013, S. 357‑376 (= Beiträge zur Militärgeschichte, 75). Einleitung 21

Spiegel« 1980 von Honeckers »Afrika-Korps« sprach, spielte es auf die Kontinuität zur Wehrmacht an, um die SED-Füh­rung zu diskreditieren und ihre Friedensparolen wie Luftblasen platzen zu lassen. Für die deutsche Seite besonders heikel war Militärhilfe für Staaten wie Ägypten, Jordanien und Syrien, die im Sechstagekrieg 1967 und im Jom-Kippur-Krieg 1973 Israel angegriffen hatten. Die DDR, die sich als »antifaschis- tischer Staat« zu legitimieren suchte und Israel mit seiner Kibbuz-Bewegung anfangs wohlgesonnen gewesen war, stellte sich im Nahost-Konflikt auf die Seite der Feinde des jüdischen Staates, dessen Verfassung vom 14. Mai 1948 die Gründung nicht zu- letzt mit dem Holocaust rechtfertigte.25 Nach dem Sechstagekrieg brachen alle ost­ europäischen Staaten die diplomatischen Beziehungen zu Israel ab – außer Rumänien. Ob aus der DDR oder der SRR: Militärhilfe für die Dritte Welt war ein willkomme- nes Argument für die Gegenseite, dem östlichen Lager jenen Militarismus nachzuwei- sen, den dieses gerne den westlichen »Imperialisten« ankreidete. Wenn doch einmal etwas an die Öffentlichkeit geriet – weil sich etwa eine afrikanische Delegation vor laufenden Kameras für die gelieferten Waffen bedankte –, scheute man nicht vor der Manipulation der Nachrichten zurück, um den Imageschaden zu begrenzen. Den Zugang zu Informationen zu kontrollieren war noch stets ein Herrschaftsmittel. Das führt zu einem letzten Punkt. Ob es um die militärisch-politischen Kontakte zwischen der DDR und Rumänien, die Teilnahme ihrer Streitkräfte an Manövern des Warschauer Paktes oder die Militärhilfe in Afrika und im Nahen Osten geht: Bei der Bearbeitung dieser mili- tärgeschichtlichen Forschungsfelder fallen die Arbeitsbedingungen der Forschenden in Deutschland und Rumänien höchst unterschiedlich, ja gegensätzlich aus. Für die Geschichtsschreibung der DDR, die Militärgeschichte eingeschlossen, war die Friedliche Revolution 1989/90 ein historiografischer Glücksfall. Mit dem Ende der DDR wurde das staatliche Schriftgut für die Öffentlichkeit weitestgehend zugäng- lich gemacht. Die Akten aus der Vergangenheit der NVA finden sich im Bundes­ archiv, Abteilung Militärarchiv in Freiburg i.Br.; weitere Dokumente liegen in der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO-BArch). Hinter dem Bemühen, die Archivalien schnell nutzbar zu ma- chen, steckte der politische Wille, die Geschichte der DDR »aufzuarbeiten«. Ohne diese Entscheidung zur Öffnung der Archive wäre die intensive Erforschung der Militärgeschichte der DDR seit den 1990er Jahren nicht möglich gewesen. In Rumänien, wo eine neue Staats- und Gesellschaftsordnung ebenso wie der Umgang mit der bisherigen Geschichte in den Grenzen desselben Staates ausgehandelt wer- den musste, standen die Elitenkontinuität und die zögerliche Bereitschaft, sich mit der kommunistischen Vergangenheit auseinanderzusetzen, der historiografischen­ Transparenz lange im Wege. So betonen die rumänischen Autoren am Ende ihrer Beiträge die Notwendigkeit eines besseren Zugangs zu den Quellen im Nationalen Militärarchiv, dem Arhivele militare Naționale Române in Bukarest. Es bleibt zu hoffen, dass sich das große Tor am Boulevard Drumul Taberei Nr. 7 in Zukunft weiter öffnen wird.

25 Jeffrey Herf, Unerklärte Kriege gegen Israel. Die DDR und die westdeutsche Linke 1967‑1989, Göttingen 2019. 22 Jörg Echternkamp

Angesichts dieser Archivproblematik wird mit der Veröffentlichung der Arbeits­ er­gebnisse erstmals auch Quellenmaterial der ostdeutsch-rumänischen Militärge­ ­ schichte zugänglich gemacht. In einem eigenen Dokumententeil finden sich ne- ben Presseberichten und Fotos vor allem bislang unveröffentlichte, einschlägige Archiv­dokumente der Beziehungs- und Vergleichsgeschichte. Sofern die Autoren sie für ihre Beiträge herangezogen haben, wird auf diese Dokumente im Text ver- wiesen. Eine militärgeschichtliche Dokumentation, wie sie für die DDR und die Bundesrepublik jetzt vorliegt, wäre auch für Rumänien wünschenswert.26 Restriktive Zugangsregelungen aufzuheben ist eine notwendige Bedingung dafür, die rumäni- sche Militärgeschichte und damit auch eine deutsch-rumänische Beziehungs- und Vergleichsgeschichte der Streitkräfte im Interesse einer trans- und internationalen Militärgeschichte des Kalten Krieges weiter voranzutreiben.

* * *

Der vorliegende Band baut auf einem Workshop auf, den das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr und das Institutul pen- tru Studii Politice de Apărare şi Istorie Militară (ISPAIM) am 26. Februar 2019 in Bukarest durchgeführt haben. Für seine Konzeption hat es sich als außerordentlich fruchtbar erwiesen, dass mit den rumänischen Partnern, namentlich mit Carmen Rijnoveanu und Sorin-Vasile Negoiță, schnell Einvernehmen darüber bestand, je- weils zwei Beiträge von beiden Seiten systematisch aufeinander zu beziehen, soweit das angesichts des unterschiedlichen Forschungsstandes möglich war. Eine besonde- re Chance lag darin, dass am ZSMBw wie am ISPAIM ein Forschungsinteresse an der Geschichte der Militärhilfe der DDR bzw. Rumäniens in der »Dritten Welt« be- stand. Aus dieser gemeinsamen Überlegung ergab sich der methodische Dreischritt auch dieser Veröffentlichung der Arbeitsergebnisse. Um ein möglichst breites deutsches, rumänisches und internationales Publikum zu erreichen, werden die Beiträge zum einen in der Reihe »Potsdamer Schriften des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr« ver- öffentlicht. Zum anderen werden sie in der Revista de Istorie Militară publiziert, der Fachzeitschrift des ISPAIM, wo eine englische Übersetzung erscheint. Für den umfänglichen Dokumententeil haben die Autoren in Potsdam und Bukarest dan- kenswerterweise einige ihrer archivalischen Fundstücke beigesteuert. Dafür und für die rasche Fertigstellung der Manuskripte ist ebenso Dank zu sagen wie Michael Thomae für das Lektorat und Carola Klinke für den Satz, die Aufbereitung des Dokumententeils und die Druckvorbereitung. Die Verankerung der deutsch-ru- mänischen Militärgeschichte in der institutionellen Kooperation von ZMSBw und ISPAIM ist eine gute Voraussetzung dafür, die Militärgeschichte beider Länder als Teil der Zeitgeschichte weiter voranzubringen.

26 Dokumente zur deutschen Militärgeschichte 1945‑1990. Bundesrepublik und DDR im Ost-West- Konflikt. Im Auftrag des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr hrsg. von Christoph Nübel, Berlin 2019 (= Deutsch-deutsche Militärgeschichte, 1).

Politische Verflechtungen

Rüdiger Wenzke

Im Zeichen der Entspannungspolitik? Die Nationale Volksarmee der DDR in den 1970er Jahren

Die 1970er Jahre begannen für die DDR mit einem Paukenschlag. Die Absetzung des langjährigen SED-Parteichefs Walter Ulbricht am 3. Mai 1971 und die von Moskau gesteuerte Machtübernahme durch dessen bisherigen »Kronprinzen« Erich Honecker sollte einen neuen Abschnitt in der Entwicklung des ostdeutschen Staates einleiten. Doch der auf den ersten Blick scheinbar nur innenpolitisch bedeutsame Machtwechsel hatte schon bald auch weitreichende außen-, wirtschafts-, sicherheits- und militärpolitische Auswirkungen.1 Vor allem die Sowjetunion war daran interessiert, die DDR noch fester als bisher an sich zu binden und politische Eigenwilligkeiten der SED-Führung im Stile Walter Ulbrichts künftig nicht mehr zuzulassen. KPdSU-Generalsekretär Leonid I. Brežnev vermittelte Ulbrichts Nachfolger frühzeitig und sehr eindringlich genau das, als er ihm 1970 in einem vertraulichen Gespräch zu verstehen gab, dass die DDR nicht nur Sache der Ostdeutschen, sondern auch der UdSSR sei. Dazu führte er wörtlich aus: »Wir haben doch Truppen bei euch. Erich, ich sage dir offen, vergiss das nie: Die DDR kann ohne uns, ohne die Sowjetunion, ihre Macht und Stärke, nicht existie- ren. Ohne uns gibt es keine DDR.«2 Dass Honecker diese Lektion verstanden hatte, zeigte sich dann auf dem VIII. Par­ teitag der SED vom 15. bis zum 19. Juni 1971 in Ost-Berlin, der zur Bühne sei- ner Machtdarstellung wurde. Als erstes bestätigte der neue Parteichef ausdrück­ lich die Führungsrolle der Sowjetunion und das von der sowjetischen Führung vertretene politische und ideologische Modell. Als zweites wurde der Bevölkerung ein »goldenes Zeitalter« versprochen. Angekündigt wurden steigende Reallöhne und Renten, die Ankurbelung der Konsumgüterproduktion und die Lösung der Wohnraumfrage. Drittens ging es um außenpolitische Erfolge, vor allem um die internationale Anerkennung der DDR und deren Bedeutung für die Stabilität der Lage in Europa. Die Klärung der Berlin-Frage durch die Siegermächte des Zweiten

1 Günther Heydemann, Die Innenpolitik der DDR, München 2003 (= Enzyklopädie deutscher Geschichte, 66), S. 27‑32; Heiner Bröckermann, Landesverteidigung und Militarisierung. Militär- und Sicherheitspolitik der DDR in der Ära Honecker 1971 bis 1989, Berlin 2011 (= Mi­ litärgeschichte der DDR, 20), S. 29‑70; Klaus Schroeder, Der SED-Staat. Geschichte und Struk­ turen der DDR 1949‑1990, 3., überarb. und erw. Aufl., Berlin 2013, S. 231 f. 2 Zitiert nach einer Unterredung zwischen Leonid. I. Brežnev und Erich Honecker vom 28.7.1970. In: Peter Przybylski, Tatort Politbüro. Die Akte Honecker, Berlin 1991, S. 281. 26 Rüdiger Wenzke

Weltkrieges im Vier-Mächte-Abkommen sowie das Inkrafttreten des Moskauer und des Warschauer Vertrages waren dabei wichtige Wegmarken. Eine entscheidende Zäsur bildete die Unterzeichnung des Grundlagenvertrages am 21. Dezember 1972, der künftig die Entwicklung gutnachbarlicher Beziehungen zwischen der DDR und der Bundesrepublik auf der Basis der Gleichberechtigung regeln sollte und faktisch die völkerrechtliche Anerkennung der DDR bedeutete. Dem Grundlagenvertrag kam auch aus europäischer Sicht eine große Bedeutung zu, weil es hier um Fragen des Gewaltverzichts und der Bestätigung der bestehenden Grenzen in Europa ging. Er beinhaltete bekanntlich jene Sicherheitsleistungen, die den Boden bereiteten für die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) und die Gespräche zum beiderseitigen Truppenabbau in Mitteleuropa.3

Militärische Stärkung versus internationale Entspannung

Die neue strategische Orientierung der DDR nach dem VIII. Parteitag sollte nach dem Willen der sowjetischen und der ostdeutschen Führung nicht nur in Politik, Wirtschaft und Kultur, sondern auch im Militär umgesetzt werden. Denn die mi- litärische Stärkung jedes einzelnen sozialistischen Landes galt – gerade vor dem Hintergrund der internationalen Entspannungstendenzen – als eine entscheiden- de Aufgabe. »Wir dürfen dem Imperialismus nicht die Chance der Veränderung des Kräfteverhältnisses zu seinen Gunsten lassen, wollen wir nicht den Frieden und die Sicherheit unserer Völker aufs Spiel setzen. Entspannung ist eben darum nicht möglich ohne die Sicherung der Verteidigungskraft der sozialistischen Staaten­ gemeinschaft.«4 Es verwundert daher nicht, dass die SED der weiteren planmäßigen »Vervollkommnung« der Landesverteidigung im Rahmen des Bündnisses einen gro- ßen Stellenwert einräumte. Die Nationale Volksarmee (NVA) war mit ihren ca. 170 000 Mann das bedeu- tendste bewaffnete Organ der DDR und der Kern der »sozialistischen Landes­ver­tei­ digung«.5 Ihre Funktion war vorrangig auf die Verteidigung des Landes nach außen gerichtet. Für den inneren Gewalteinsatz war die NVA formal seit spätestens Anfang der 1960er Jahre nicht mehr vorgesehen.6 Der militärische Auftrag der NVA wurde seit ihrer offiziellen Gründung im Jahr 1956 durch ihren Bündnisstatus und durch die sowjetischen Militärdoktrinen geprägt. Eigene militärdoktrinäre Auffassungen

3 Oliver Bange, Der KSZE-Prozess und die sicherheitspolitische Dynamik des Ost-West-Konflikts 1970‑1990. In: Wege zur Wiedervereinigung. Die beiden deutschen Staaten in ihren Bündnissen 1970 bis 1990. Im Auftrag des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bun­ desw­ ehr hrsg. von Oliver Bange und Bernd Lemke, München 2013 (= Beiträge zur Militärge­ ­ schichte, 75), S. 87‑104. 4 Heinz Hoffmann, Der Imperialismus bleibt ein gefährlicher Gegner. In: Heinz Hoffmann, Sozia­ listische­ Landesverteidigung. Aus Reden und Aufsätzen 1970 bis Februar 1974, Berlin (Ost) 1974, S. 490‑498, hier S. 490. 5 Rüdiger Wenzke, Nationale Volksarmee. Die Geschichte, München 2013; Rüdiger Wenzke, Ulbrichts Soldaten. Die Nationale Volksarmee 1956 bis 1971, Berlin 2013 (= Militärgeschichte der DDR, 22). 6 Günther Glaser, Armee gegen das Volk? Zeitgenössische Studie mit Dokumenten zur Einsatzplanung des Militärs im Innern der DDR (1949‑1965/66), Frankfurt a.M. 2009. Im Zeichen der Entspannungspolitik? 27 und strategische Vorstellungen in den DDR-Streitkräfte gab es nur im beschränk- ten Umfang. Die NVA hätte im Kriegsfall auch nicht eigenständig handeln kön- nen. Ihre Landstreitkräfte mit sechs aktiven und fünf Mobilmachungsdivisionen wären ebenso sowjetischen Befehlshabern unterstellt worden wie die ostdeutsche Volksmarine als »3. Flotte« in der Vereinten Ostseeflotte und die Luftstreit- und Luftverteidigungskräfte im System der Luftverteidigung des Paktes. In den 1970er Jahren begann für die DDR-Volksarmee ein Abschnitt, der vor al- lem durch die Verstärkung der Kampfkraft, die planmäßige professionelle Ausbildung sowie durch eine verstärkte Ideologisierung charakterisiert war. Zugleich deutete sich bereits die Absicht an, die Armee in größerem Umfang als Wirtschaftsfaktor einzusetzen. Im Mittelpunkt aller Anstrengungen stand jedoch nach wie vor die Erhöhung oder vielmehr Vervollkommnung der ständigen Gefechtsbereitschaft, in deren Rahmen mindestens 85 Prozent des Personals in den Kasernen präsent sein mussten. Innerhalb weniger Jahre flossen fast 14 Milliarden DDR-Mark für neue Waffen, Gerät und Infrastruktur, die auch der Verbesserung der Dienst- und Lebensbe­ ­ dingungen der Soldaten in der Nationale Volksarmee und den Grenztruppen zugute kamen. Wichtig war der NVA-Führung und ihren sowjetischen Weisungsgebern, dass die DDR-Streitkräfte nicht den Anschluss an die modernen Entwicklungen der Waffentechnik­ und der Truppenführung verloren.7 Das war umso notwendiger, als die operativ-taktischen und taktischen Verbände der NVA im Koalitionsbestand und dabei vorwiegend im engen Zusammenwirken mit der Sowjetarmee, konkret: mit den in der DDR stationierten Truppen der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD), zu handeln hatten. Sie mussten also über eine mit den »Waffenbrüdern« weitgehend abgestimmte Ausrüstung, Struktur, Bewaffnung und Gefechtsbereitschaft verfügen. Das schloss eine Konzentration auf kampfkraftbestimmende Elemente wie Raketen- und Artilleriesysteme sowie Panzer ein. So erhöhte sich allein die Anzahl der Artilleriebewaffnung (»Rohre«) in der NVA im Laufe des Jahrzehnts um etwa das Doppelte. Mit der 152-mm-Kanonen­ haubitze auf Selbstfahrlafette »Akazia« erhielt die Artillerie 1978/79 zum ersten Mal ein nuklearfähiges Geschütz. In den Luftstreitkräften/Luftverteidigung (LSK/ LV) bemühte man sich, die Gefechtsmöglichkeiten der ersten Staffel des Luft­ver­ tei­digungssystems im Nordbereich der DDR durch die Einführung weitreichender Fla-Raketenkomplexe und Umrüstungen auf die modernere MiG-Flugzeuge zu er- höhen.8 Im Jahre 1971 formierte sich das erste Jagdbombenfliegergeschwader in der NVA-Teilstreitkraft. Die Gliederung der DDR-Volksmarine mit ihren drei Flottillen als relativ autar- ken Verbänden und die aufgabenorientierte Unterscheidung ihrer Einsatzmittel in Stoßkräfte, Sicherungskräfte, Landungs- und Sicherstellungskräfte blieben zwar seit den 1960er Jahren im Wesentlichen unverändert, aber auch die Marine erhielt bei-

7 Wilfried Kopenhagen, Hans Mehl und Knut Schäfer, Die NVA. Land-, Luft- und Seestreitkräfte, Stuttgart 2006; Wenzke, Nationale Volksarmee (wie Anm. 5), S. 112‑124. 8 Julian-André Finke, Hüter des Luftraumes? Die Luftstreitkräfte der DDR im Diensthabenden System des Warschauer Paktes, Berlin 2010 (= Militärgeschichte der DDR, 18). 28 Rüdiger Wenzke spielsweise durch Zuführung von Raketen- und Landungsschiffen eine modernere Ausrüstung und Bewaffnung.9 Dem operativen Zusammenwirken dienten zwischen 1970 und 1980 vier Groß­ manöver der verbündeten Streitkräfte des Warschauer Pakts unter Teilnahme von NVA-Stäben und -Truppen. Zwei dieser überdimensionalen Ausbildungs- und Pro­ paganda­ ­maßnahmen fanden auf dem Territorium der DDR statt. Insgesamt wurde die militärpolitische, militärtechnische und militärische Zusammenarbeit im Bündnis intensiviert. Das galt offiziell auch für die Beziehungen der NVA zu den rumänischen Streitkräften. In den 1970er Jahren besuchten Militärdelegationen der NVA unter Leitung des Verteidigungsministers­ zweimal das Bruderland am Schwarzen Meer. Auf einer »Freundschaftskundgebung«­ in der Militärakademie Bukarest am 22. April 1972 ließ der DDR-Verteidigungsminister Armeegeneral Heinz Hoffmann offiziell keinen Zweifel an der Verbundenheit mit den rumänischen Streitkräften aufkom- men: »Ich darf Ihnen, teure rumänische Waffenbrüder, im Namen der Angehörigen der Nationalen Volksarmee versichern, dass Sie in der Deutschen Demokratischen Republik und in ihren Soldaten gute Freunde und treue Verbündete haben, die sich im Denken und Tun von den Prinzipien des sozialistischen Patriotismus und des proletarischen Internationalismus leiten lassen, die ihre ganze Kraft für die unab- lässige Stärkung und die zuverlässige Verteidigung des Sozialismus einsetzen.«10 Das Verhältnis blieb trotz dieser blumigen Waffenbrüderschaftsbekundung indes eher kühl und erreichte bei Weitem nicht das Niveau der Kooperation mit den anderen Armeen des Paktes.11 Insgesamt kann festgehalten werden, dass die internationale Entspannungspolitik keine einschränkenden Auswirkungen auf die Struktur, Bewaffnung, Ausrüstung und Technik zeigte, obwohl die DDR aktiv an den Ende Oktober 1973 beginnen- den Wiener Verhandlungen über die gegenseitige Reduzierung der Streitkräfte und Rüstungen in Mitteleuropa teilnahm. Das Gegenteil war der Fall. Die 1970er Jahre standen vielmehr für umfangreiche Modernisierungen der Kampftechnik und für eine unübersehbare Verstärkung der Kampfkraft der NVA. Offiziell begründet wurde die eigene Aufrüstung mit der »unvermindert aggressiven Globalstrategie«12 des Westens und seinen angeblich gegen den Sozialismus gerichteten Aktivitäten. Argumente lie- ferten dafür die beträchtliche Erhöhung des westdeutschen Rüstungshaushaltes von

9 Friedrich Elchlepp [u.a.], Volksmarine der DDR. Deutsche Seestreitkräfte im Kalten Krieg, [u.a.] 1999; Fritz Minow, Die NVA und die Volksmarine in den Streitkräften. Geheim­ nisse der Warschauer Vertragsorganisation, Friedland 2011, S. 328‑353. 10 Heinz Hoffmann, Den Einfluss des Sozialismus verstärken. In: Hoffmann, Sozialistische Landes­ ver­teidigung (wie Anm. 4), S. 320‑322, hier S. 322. 11 Rüdiger Wenzke, »Sozialistische Waffenbrüder?« Über die Beziehungen der Nationalen Volksarmee der DDR zu anderen Warschauer-Pakt-Armeen. In: Der Warschauer Pakt. Von der Gründung bis zum Zusammenbruch 1955 bis 1991. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von Torsten Diedrich, Winfried Heinemann und Christian F. Ostermann, Berlin 2009 (= Mi­ li­tärgeschichte der DDR, 16), S. 85‑118. Siehe dazu auch ausführlich den Beitrag von Klaus Storkmann­ »Verbündete auf Distanz« in diesem Band. 12 Erich Honecker, Aus dem Bericht des ZK an den VIII. Parteitag der SED vom 15. Juni 1971. In: Die Militär- und Sicherheitspolitik der SED 1945‑1988. Dokumente und Materialien, Berlin (Ost) 1989, S. 399‑402, hier S. 399. Im Zeichen der Entspannungspolitik? 29

1969 bis 1973 sowie die Einführung neuer Waffensysteme wie des Panzers »Leopard« und des Jagdbombenflugzeugs »Phantom« in die Bundeswehr.13 In dem Maße, wie die NVA mit Blick auf den Westen kontinuierlich als kon- ventionelle Armee ausgebaut und weiter professionalisiert wurde, kam es auch zu einer Verstärkung des ostdeutschen Grenzregimes an der sensiblen Nahtstelle bei- der Gesellschaftsordnungen und Militärpakte. Die DDR-Grenztruppen als relativ selbstständiger Bestandteil der NVA erhielten 1970 eine neue Gliederung, die im Grunde bis 1989 bestehen blieb. Besonders auffällig war jedoch, dass der Ausbau der Grenze parallel zu den innerdeutschen Verhandlungen über die Verbesserung der bi- lateralen Beziehungen zwischen der DDR und Bundesrepublik erfolgte. So wurden – entgegen aller Entspannungs­beteuerungen – unmittelbar nach Unterzeichnung des Grundlagenvertrages zwischen beiden deutschen Staaten im Dezember 1972 die östlichen Grenzsicherungsmaßnahmen­ erneut verschärft. Das galt nicht nur für die stärkere Einbeziehung der Grenzbevölkerung, sondern betraf auch die Ausrüstung mit den berüchtigten Selbstschussanlagen in Form der Splittermine SM-70.14 Die SM-70 waren am Metallgittergrenzzaun angebracht, reagierten auf Berüh­ rungen von Spanndrähten und verschossen bei der Explosion aus einem Schusstrichter­ Metallsplitter. Ende der 1970er Jahre waren über 400 Kilometer der Westgrenze der DDR mit SM-70 bestückt.15 Dessen ungeachtet versuchte die DDR-Führung, die Existenz dieser Tötungsmaschinen zu vertuschen. Der heimliche Abbau von drei SM-70 durch Michael Gartenschläger, einen ehemaligen politischen DDR-Häftling, der bereits längere Zeit in der Bundesrepublik lebte, versetzte die SED-Führung daher in helle Aufregung. Sie befürchtete, dass der Westen diese »Minen« der UNO zur Verfügung stellen könnte, um den völkerrechtswidrigen Charakter dieser Waffe zu belegen. Gartenschläger wurde im Mai 1976 von Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) an der Grenze erschossen. Zuvor soll Honecker persön- lich nochmals ausdrücklich die »kompromisslose Anwendung der Schusswaffe« im Einsatz gegen sogenannte Grenzverletzer gefordert haben.16 Wie sich die DDR-Führung zudem den internationalen Entspannungs- und Ab­ rüstungstendenzen mit einem Etikettenschwindel entziehen wollte, machte die Um­ benennung der bisherigen »Grenztruppen der NVA« in »Grenztruppen der DDR« vom Oktober 1973 deutlich. Während der laufenden Wiener Verhandlungen über die Reduzierung der konventionellen Streitkräfte wollte man in Ost-Berlin die Grenztruppen nicht mehr als Teil der konventionellen Streitkräfte mitberechnen lassen – es ging immerhin um über 30 000 Mann. Die nunmehr vorgeblich selbst- ständigen Grenztruppen unterstanden freilich weiterhin dem Minister für Nationale Verteidigung.

13 Hoffmann, Der Imperialismus (wie Anm. 4), S. 494 f. 14 Hendrik Thoß, Gesichert in den Untergang. Die Geschichte der DDR-Westgrenze, Berlin 2004, S. 158‑269; Jochen Maurer, Halt – Staatsgrenze! Alltag, Dienst und Innenansichten der Grenztruppen der DDR, Berlin 2015 (= Militärgeschichte der DDR, 15), S. 385 444. 15 ‑ Peter Joachim Lapp, Grenzregime der DDR, Aachen 2013, S. 468‑474. 16 Zit. nach Schroeder, Der SED-Staat (wie Anm. 1), S. 249. 30 Rüdiger Wenzke

Forcierung der gesellschaftlichen Distanzierung

Die 1970er Jahre in der DDR standen aber nicht nur für die permanente Erhöhung der Kampfkraft und Gefechtsbereitschaft der Streitkräfte und der Grenz­truppen, sondern auch für den Ausbau weiterer Teile der Landesverteidigung und des inneren Unterdrückungsapparates. Sichtbare Zeichen für die Forcierung eines »militarisier- ten Sozialismus« in der DDR waren die Verflechtung der paramilitä­ri­schen und mi- litärischen Institutionen mit den Erziehungseinrichtungen, die Diszipli­ ­nierung und soziale Kontrolle der Bevölkerung in diesen Strukturen, die Or­ga­ni­sa­tion verschie- dener gesellschaftlicher Bereiche nach dem militärischen Prinzip von Befehl und Gehorsam, die militärpolitisch geprägte ideologische Indoktrination sowie die Pflege soldatischer Tugenden und militärischer Rituale.17 Honecker selbst prägte anlässlich eines Truppenbesuches im Jahr 1978 den Satz, dass es keinen Bereich des gesell- schaftlichen Lebens gebe, der nicht von den Belangen der Landesverteidigung durch- drungen sei.18 Und im Programm der SED von 1976 wurde die Landesverteidigung prononciert als ein »Wesensmerkmal der entwickelten sozialistischen Gesellschaft«19 definiert. Zwei Jahre später fixierte ein neues Verteidigungsgesetz die »sozialistische Lan­ desv­ erteidigung« als einen festen Bestandteil der DDR-Gesellschaftsordnung. Etwa zum gleichen Zeitpunkt konnte man den Anfang des Jahrzehnts begonnenen Auf­ bau einer Territorialverteidigung im Wesentlichen abschließen. Das betraf vor allem die sich aus den Anforderungen der Sowjetunion ergebenen Aufgaben zur operati- ven Vorbereitung des Territoriums wie die Bildung von militärischen Transportkom­ mandanturen, die Einrichtung zentraler Lager- und In­standsetzungsbasen­ und den Aufbau von speziellen Mobilmachungseinheiten in verschiedenen zivilen Ministerien. Eine wachsende Bedeutung im territorial gebundenen Bereich der Landes­ verteidigung erlangten die paramilitärischen Organisationen sowie die Schutz- und Sicherheitskräfte.­ Sie sollten das eigene Hinterland gegen »Agenten, Saboteure und bewaffnete Banden« sichern sowie den Schutz der Zivilbevölkerung und die Lebensfähigkeit­ des Landes im Ernstfall gewährleisten helfen. Unmittelbar im Dienst der SED standen dabei die »Kampfgruppen der Arbeiterklasse« als ein be- waffnetes Milizorgan. Zu ihren Einsatzaufgaben zählten neben dem territorialen Schutz von Betrieben und öffentlichen Einrichtungen nunmehr vermehrt die tak- tische und logistische Unterstützung der NVA und der verbündeten Streitkräfte. Auch die aus dem Luftschutz hervorgegangene Zivilverteidigung spielte im System der Landes­ ­verteidigung eine wichtige Rolle und wurde im Warschauer Bündnis ab Mitte der 1970er Jahre sogar zu einem Faktor von zunehmend strategischer Be­ deutung stilisiert. Infolgedessen wurde die Zivilverteidigung in der DDR 1976 dem

17 Heiner Bröckermann, Militarisierung der DDR, Erfurt 2018. 18 Erich Honecker, Der Schutz des sozialistischen Vaterlandes liegt in guten Händen. In: Erich Honecker, Dem Frieden unsere Tat. Ausgewählte Reden und Aufsätze zur Militär- und Sicherheits­ po­li­tik der SED (1976‑1981), Berlin (Ost) 1982, S. 105‑109, hier S. 109. 19 Programm der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. In: Protokoll der Verhandlungen des IX. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Bd 2, Berlin (Ost) 1976, S. 209‑266, hier S. 220. Im Zeichen der Entspannungspolitik? 31

Verteidigungsminister unterstellt. Vier Jahre später bezog man Formationen der Zivil­verteidigung erstmalig in ein militärisches Großmanöver des Warschauer Paktes ein. Die Verantwortung der Zivilverteidigung für den Katastrophenschutz trat damit zeitweise hinter den militärisch orientierten Auftrag zurück.20 Da das grundlegende Misstrauen der SED-Führung gegenüber der Bevölkerung trotz der verkündeten sozialpolitischen und kulturpolitischen Initiativen und der Bereitschaft zur Teilnahme an der Entspannungspolitik erhalten blieb, verlager- te und verfeinerte man die Methoden zur Überwachung und Unterdrückung der Bevölkerung. Als vorrangiges Überwachungs- und Repressionsinstrument der SED im Innern fungierte weiterhin das MfS, das »Schild und Schwert« der Partei. Der Übergang von der offenen Repression zu subtileren Formen der Einschüchterung ging einher mit einer Erhöhung der Zahl seiner Mitarbeiter, die präventiv für die in- nere Sicherheit sorgen sollten. Der Personalumfang erhöhte sich von 1970 bis 1975 von 43 000 auf knapp 60 000 Männer und Frauen.21 Nicht zuletzt erreichte insbe- sondere die Militarisierung des Erziehungssystems eine neue Dimension. Vor allem Kinder und Jugendliche sowie Bürger im wehrpflichtigen Alter sahen sich immer häufiger verschiedenen Formen einer systematischen »sozialistischen Wehrerziehung« durch Partei, Staat und Massenorganisationen ausgesetzt.22

Im Kampf gegen »feindliche Ideologien«

Normalisierung und Menschenrechtspolitik galten als eine neue »Gefahr« für den Sozialismus, vor der man sich nicht nur mit militärischer Macht, Grenzbefestigungen und Militarisierung glaubte schützen zu müssen. »Es ist unverkennbar, dass der Imperialismus zum ideologischen Großangriff auf den Sozialismus übergegangen ist und dass er auf diese Weise entscheidende Einbrüche in die starke und geschlossenen Front der sozialistischen Staatengemeinschaft zu erzielen hofft«23, hieß es in einer zeitgenössischen Publikation der Politischen Hauptverwaltung der NVA. Für die Armeeführung, insbesondere für ihren Partei- und Politapparat in den Streitkräften, stellte sich die Aufgabe, die Entspannungspolitik, die als Mittel des Westens zur ideologischen Destabilisierung der sozialistischen Staaten gesehen wurde, durch eine noch stärkere Abgrenzung von der Bundesrepublik, einer noch bedingungsloseren Anbindung an die UdSSR und vor allem durch einen wesentlich intensivierten Kampf gegen alle Formen »feindlicher Ideologien« zu begleiten. Jeder DDR-Bürger und damit auch jeder NVA-Soldat wusste, dass die »Ost­ verträge« der Bundesrepublik und das Berliner Viermächteabkommen den Status quo in Europa festgeschrieben hatten. Zahlreiche weitere Vereinbarungen wie das Transitabkommen und die Wiederaufnahme des direkten Telefonverkehrs zwischen

20 Clemens Heitmann, Schützen und Helfen? Luftschutz und Zivilverteidigung in der DDR 1955 bis 1989/90, Berlin 2006 (= Militärgeschichte der DDR, 12). 21 Jens Giesecke, Die hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicherheit. Personalstruktur und Lebens­ welt 1950‑1989/90, Berlin 2000, S. 294. 22 Bröckermann, Militarisierung (wie Anm. 17). 23 Wissen und Kämpfen. Für die politische Schulung des Soldaten, Heft 14, 1970/71, S. 53. 32 Rüdiger Wenzke beiden Teilen 1971, der Verkehrsvertrag 1972 und das Postabkommen 1976 führten offiziell zu erheblichen Verbesserungen in den Beziehungen beider deutscher Staaten. Die DDR war seit 1973 Mitglied der Vereinten Nationen. Zwei Jahre später unterzeichnete Honecker die Schlussakte der KSZE-Konferenz in Helsinki. Von einem westdeutschen »Revanchismus und Expansionismus« gegen den Osten, wie ihn die DDR-Propaganda in der Vergangenheit immer wieder heraufbeschwo- ren hatte, konnte nun keine Rede mehr sein. Spätestens hier begann für die SED das Dilemma. Einerseits war sie in ihrem Streben nach internationaler Anerkennung der DDR weitergekommen, andererseits befürchtete sie eine innere Aufweichung ihrer Parteiherrschaft durch zu viel Annäherung und Freizügigkeit. Die außenpolitischen Erfolge und die Beteiligung der DDR an internationalen Übereinkünften zogen so- zusagen automatisch eine innenpolitische Destabilisierung nach sich. Vor allem die von der DDR mitunterzeichnete KSZE-Schlussakte vom August 1975 bereitete der SED-Führung Sorge. Die hier fixierten Vereinbarungen zum Gewaltverzicht, zur ter- ritorialen Integrität und zur Unverletzlichkeit der Grenzen kamen dem Anliegen der DDR-Außenpolitik zwar weitgehend entgegen, doch die zu humanitären Fragen im sogenannten Korb III getroffenen Vereinbarungen beinhalteten einen beträchtlichen »Sprengstoff«. Langjährig konstante, holzschnittartige politische, ideologische und militärische Fremd- und Feindbilder begannen sich aufzulösen. Menschenrechte durften von der Partei- und Staatsführung nicht mehr grob missachtet werden. Die Bürger konnten darüber hinaus bei der Beantragung von Reisen in den Westen jetzt sogar »menschliche Erleichterungen« für sich geltend machen. Tatsächlich wuchs die Zahl von DDR-Bürgern rasch an, die im Rahmen der Durchsetzung der Menschenrechte vor allem ihr Recht auf Freizügigkeit einforderten. Die Politik der Entspannung und die von ihr ausgehenden Signale führten ebenso wie die von der SED forcierte innere Abgrenzung der DDR von der Bundesrepublik auch in der NVA zu zahlreichen Diskussionen und Fragen. »Die im Zusammenhang mit dem Abschluss der Verträge zwischen der UdSSR, der VR Polen, der DDR und der BRD verstärkte ideologische Diversion des Gegners gegen die DDR und NVA macht sich im zunehmenden Maße im Meinungsbild von Soldaten, Unteroffizieren, Zivilbeschäftigten und bei einigen Offizieren bemerkbar«24, stellten die verantwort- lichen Politoffiziere und Parteifunktionäre nahezu unisono in allen Teilstreitkräften und in den Grenztruppen fest. Insbesondere das Abgrenzungskonzept der SED25 unter der Losung »Alles verbindet uns mit unserer sozialistischen Deutschen De­ mokra­ tischen­ Republik [...] Nichts, aber auch gar nichts verbindet uns mit dem Imperialismus­ in der BRD« stieß bei Mannschaftssoldaten und Unteroffizieren auf

24 Informationsbericht der Politischen Verwaltung des Militärbezirkes über die ideologische Diversion des Gegners vom 16.12.1972, BArch, DVP 1/7576, Bl. 19. 25 »Die prinzipielle Linie unserer Partei geht davon aus, dass der gesamte Verlauf der Entwicklung und die Festigung unseres sozialistischen Staates objektiv dahin führt und führen muss, dass die Gegensätzlichkeit zwischen uns und der BRD, die den kapitalistischen Weg geht, sich verstärkt und dass darum der Prozess der Abgrenzung zwischen beiden Staaten in allen Bereichen des gesellschaft- lichen Lebens immer tiefgehender wird.« Erich Honecker, Die Deutsche Demokratische Repub­ lik – fester Bestandteil der sozialistischen Staatengemeinschaft. In: Erich Honecker, Zuverlässiger Schutz des Sozialismus. Ausgewählte Reden und Schriften zur Militärpolitik der SED, Berlin (Ost) 1977, S. 166‑189, hier S. 176. Im Zeichen der Entspannungspolitik? 33

Skepsis. Einbrüche in die politisch-ideologische Abwehrfront gegen die vermeintli- chen Einflüsse des »Sozialdemokratismus« und der »Menschenrechtsdiskussionen« sowie Formen der Unterschätzung des »Wesens des Imperialismus« stellte man in der Armee vor allem bei der Beurteilung der potenziellen Aggressionsbereitschaft des »westdeutschen Imperialismus« fest. So habe die »Friedensdemagogie der Brandt/ Scheel-Regierung« dazu geführt, dass der Anteil derjenigen Armeeangehörigen ge- stiegen war, die meinten, es bestehe keine Gefahr der Entfesselung eines Krieges durch die Bundesrepublik. Die zunehmende internationale Anerkennung der DDR wurde nicht mehr als Beweis der wachsenden Stärke der DDR oder des sozialisti- schen Weltsystems gewertet, sondern als Ausdruck der Verhandlungsbereitschaft und Friedfertigkeit der westlichen Staaten. Die von der SED postulierte Politik der fried- lichen Koexistenz als Form des Klassenkampfes fand ebenso ihre Kritiker wie jene Thesen, die unverändert vor allem der Bundesrepublik einen aggressiven Charakter unterstellten oder von einer allseitigen Überlegenheit des Sozialismus ausgingen.26 Zudem wurden vor dem Hintergrund der politischen Entspannung die For­de­ rungen lauter, die hohe Gefechtsbereitschaft in den Streitkräften zu senken. Ein Stabsfeldwebel wurde mit den Worten zitiert: »Man soll mit dem Gerede von ei- ner Kriegsgefahr aufhören. Die Gefechtsbereitschaft verliert an Bedeutung und die Forderungen nach noch höherer Gefechtsbereitschaft machen uns unglaubwürdig.«27 Einige jüngere Offiziere vertraten in diesem Zusammenhang die Meinung, dass sie jetzt in der Armee keine Perspektive mehr hätten, dass das »Gleichgewicht des Schreckens« den Frieden erhalte und die abgeschlossenen Verträge einen bewaffne- ten Konflikt in Europa unwahrscheinlich machten. Auch die wirtschaftliche Macht und militärische Überlegenheit der Staaten des Warschauer Vertrages wurden immer wieder angezweifelt.28 Viele Armeeangehörige hielten in diesem Zusammenhang die Erziehung zum Hass auf den »Imperialismus und seine Söldner« ebenso für anachro- nistisch, wie sie im sozialistischen Wehrmotiv keinen Sinn mehr erkennen konnten.29 Ein erhebliches Problem sahen die militärischen Vorgesetzten und verantwort- lichen Parteifunktionäre in der Zunahme des sogenannten Feindsenderempfangs inner­halb und außerhalb des Dienstes. Für die Mehrheit der »normalen« DDR- Bür­ger bot der Empfang westlicher Rundfunk- und Fernsehsendungen, die ein breites Informationsangebot versprachen, die Möglichkeit, sich eine von der SED- Pro­pa­ganda unabhängige politische Meinung zu bilden und zu bewahren. In den Streit­kräften wurde der »Feindsendereinfluss« als eine Hauptursache für die Aus­ brei­tung feindlicher Argumente unter den Soldaten angesehen. Daher blieb der »West­empfang« für Armeeangehörige nach wie vor verboten. Festgestellt wurden

26 Rüdiger Wenzke, Zwischen »Prager Frühling« 1968 und Herbst 1989. Protestverhalten, Ver­wei­ gerungsmuster und politische Verfolgung in der NVA der siebziger und achtziger Jahre. In: Staats­ feinde in Uniform? Widerständiges Verhalten und politische Verfolgung in der NVA. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von Rüdiger Wenzke, Berlin 2005 (= Militär­ge­ schichte der DDR, 9), S. 199‑428, hier S. 243‑247. 27 Bericht der Parteikontrollkommission der Politischen Verwaltung der LSK/LV über feindliche Ein­ flüsse omv 15.3.1973, BArch, AZN Strausberg P-1262, Bl. 69. 28 Kollegiumsprotokoll vom 16.7.1973, Anlage 1: Bericht der Arbeitsgruppe des Zentralkomitees der SED über die Wirksamkeit der ideologischen Arbeit in der NVA, BArch, DVW 1/55575, Bl. 19. 29 Bröckermann, Landesverteidigung und Militarisierung (wie Anm. 1), S. 398‑400. 34 Rüdiger Wenzke dennoch nicht nur eine offenbar wachsende Akzeptanz des Empfangs von West­ sendern bei Untergebenen durch Vorgesetzte, sondern auch ein größerer Anteil von Unter­offizieren und Offizieren, die sich selbst aus »Westquellen« informierten. Im Militär­bezirk Neubrandenburg der NVA-Landstreitkräfte wurden 1971/72 bei- spielsweise insgesamt 2333 »Abhörer«, davon 1597 Soldaten, 709 Unteroffiziere und 27 Offiziere, ermittelt.30 Die Grenztruppen registrierten im gleichen Zeitraum ca. 5000 Fälle.31 Obwohl Anfang der 1970er Jahre praktisch jeder Offizier und zwei von drei Berufsunteroffizieren der SED angehörten und das NVA-Führungskorps damit ins- gesamt als parteiergeben galt, zeigten sich auch bei Offizieren Einflüsse der angeb- lichen »ideologischen Diversion« des Westens. In Einzelfällen stellten sich Offiziere auf Positionen, auf denen sie mehr Demokratie und mehr Freiheit einzuklagen ver- suchten. Manche beriefen sich dabei direkt auf Helsinki.32 Auch die verbotenen Kontakte von Militärangehörigen aller Dienstgradgruppen zu westlichen Personen erreichten im Zuge der Entspannungspolitik eine neue Dimension. Wie in jeder Armee gab es in der NVA Vorschriften zum Schutz militä- rischer Geheimnisse. Neben allgemeinen, legitimen Grundsätzen zum Schutz ihrer Sicherheitsinteressen enthielten diese Vorschriften allerdings auch Bestimmungen, die viele Armeeangehörige gerade in den 1970er Jahren nicht mehr für zeitgemäß erachteten. NVA-Angehörigen und Zivilbeschäftigten war es grundsätzlich unter- sagt, dienstliche und außerdienstliche Kontakte mit Bürgern und Institutionen aus dem »nichtsozialistischen Ausland« aufzunehmen und zu unterhalten. Insbesondere Berufsunteroffiziere, Fähnriche und Offiziere hatten zudem auf die in ihrem Haushalt lebenden Personen wie Ehepartner, Lebensgefährten und Kinder dahingehend Einfluss zu nehmen, dass diese sich ebenfalls an die strengen NVA-Vorschriften hiel- ten. Manche Berufssoldaten hielten jedoch die familiäre Bande, den Familienfrieden und das Zusammenhörigkeitsgefühl in der Verwandtschaft für wichtiger als alle ideologischen Abgrenzungserklärungen der Partei. Getarnte »Westkontakte« – oft über eine längere Zeit hinweg – waren die Folge. Freilich entgingen diese heimlichen Beziehungen in einem Überwachungsstaat wie der DDR den Sicherheitsbehörden nur sehr selten. Insgesamt verstärkte sich in den 1970er Jahren der politisch-ideologische Druck auf die Armeeangehörigen. In der Praxis bedeutete dies vor allem, dass jede kri- tische, von der offiziellen SED-Linie abweichende politische Meinung sofort stig- matisiert und als Einfluss des »Klassenfeindes« gebrandmarkt und verfolgt wurde. Die SED und die Armeeführung gingen freilich nicht nur mit einer verstärkten ideologischen Indoktrinierung, sondern auch mit rigorosen Strafmaßnahmen gegen Kritiker und Andersdenkenden in der Armee vor. So stieg die Zahl der politisch motivierten Parteiverfahren beträchtlich an. Parteiverfahren gegen SED-Mitglieder in Uniform zogen je nach Vergehen in der Regel dienstliche und disziplinarische

30 Informationsbericht der Politischen Verwaltung des Militärbezirkes Neubrandenburg über die ideologische Diversion des Gegners vom 8.12.1972, BArch, DVP 1/7576, Bl. 35. 31 Informationsbericht der Politischen Verwaltung der Grenztruppen über die ideologische Diversion des Gegners vom 19.12.1972, BArch, DVP 1/7576, Bl. 80. 32 Wenzke, Zwischen »Prager Frühling« 1968 und Herbst 1989 (wie Anm. 26), S. 251‑257. Im Zeichen der Entspannungspolitik? 35

Konsequenzen nach sich. Der »Westempfang« konnte auch in der Honecker-Ära noch zur Bestrafung und in Einzelfällen sogar zur Entlassung aus der NVA führen: So wurde ein NVA-Major aus der SED ausgeschlossen und mit der Herabsetzung im Dienstgrad zum Soldaten fristlos aus der NVA entlassen. Sein Vergehen: Der Offizier hatte über längere Zeit westliche Sender gehört und gesehen. Die SED- Funk­tionäre waren daher der Meinung, dass dadurch der »Klassenstandpunkt« des Offiziers »aufgeweicht« worden sei und der Major seine Pflichten als Parteimitglied und Vorgesetzter nicht mehr erfüllen konnte.33 Resümierend bleibt festzuhalten, dass die NVA in den 1970er Jahren systematisch und kontinuierlich zu einer kampfstarken Koalitionsarmee ausgebaut wurde. Das lag im Interesse sowohl der Führungsmacht Sowjetunion als auch der auf ihre Macht bedachten SED-Führung. Die internationale Entspannungspolitik beschleunigte diesen militärischen Prozess eher, als dass sie ihn behindert hätte. Zwar musste und wollte die SED der Entspannungspolitik der Großmächte vor allem außenpolitisch Rechnung tragen, doch innenpolitisch duldete sie keine Berufung auf die interna- tionalen Vereinbarungen. Ausdruck dafür waren der Ausbau des Grenzregimes und die verstärkte ideologische Indoktrination der Bevölkerung und der Soldaten. Das Nebeneinander von »Friedens- und Entspannungspolitik« einerseits, Aufr­üstung, Militarisierung, äußerer Abgrenzung und innerer Repression anderseits charakteri- sierte die DDR fortan bis fast zu ihrem Ende.

33 Befehl Nr. 136/82 des Ministers für Nationale Verteidigung über Kader vom 19.1.1983, BArch, DVW 1/43824, Bl. 253 und 262.

Manuel Stănescu

Von der Distanz zur Annäherung im Warschauer Pakt? Die Beziehungen zwischen Rumänien und der DDR im Spiegel der Treffen ihrer Verteidigungsminister

Ähnlich und doch verschieden: So lässt sich die geopolitische und -strategische Lage beschreiben, die das schwierige Verhältnis zwischen Rumänien und der Deutschen Demokratischen Republik seit Mitte der 1950er Jahre bestimmte. Zwar gehörten so- wohl Rumänien als auch die DDR seit Beginn des Kalten Krieges zum Einflussbereich der Sowjetunion, ab 1955 unter dem Dach des Warschauer Paktes, doch inner- halb der Allianz spielten sie unterschiedliche Rollen. Die von den Sowjets in ihrer Besatzungszone in Deutschland geschaffene DDR stand im Zeichen der ideologi- schen Front, die »das sozialistische Lager« vom Westen trennte, der seinerseits un- ter dem Schutz der NATO stand. Der ostdeutsche Staat hatte für die Sowjetunion eine besondere politische und militärische Bedeutung, wie allein das umfangreiche Waffenarsenal zeigte, über das die UdSSR auf ostdeutschem Boden verfügte. Kein Wunder, dass Moskau die Genossen in Ost-Berlin einer strikten Kontrolle unter- warf, was den Handlungsspielraum der DDR-Regierung empfindlich einengte. Dass die Sowjetunion die DDR unterstützte, hatte zudem einen propagandistischen Hintergrund. Der ostdeutsche Staat galt als »Schaufenster des Sozialismus«, wobei die Leistungen der DDR die Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaftsordnung insgesamt belegen sollten. Rumänien hingegen, das nicht direkt an den Westen grenzte, hatte eine geringere geostrategische Bedeutung. Infolgedessen ordnete Nikita S. Chruščëv 1958 den Abzug der sowjetischen Truppen an und verfolgte gleichzeitig eine Politik der Entspannung gegenüber dem Westen. Zur gleichen Zeit betrieb das Regime in Bukarest unter der Führung von Gheorghe Gheorghiu-Dej eine Autonomiepolitik gegenüber der Hege­monialmacht, die in der »Deklaration der Rumänischen Arbeiterpartei zu Pro­blemen der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung« vom 26. April 1964 zum Ausdruck kam. Sie basierte darauf, dass die rumänischen Staats- und Regierungschefs einen Unterschied machten zwischen dem sowjetischen Ent­ wick­lungs­modell als einem Vorbild einerseits und der Sowjetunion als Führungs­ macht des Ostblocks andererseits, wie der amerikanische Historiker Denis Deletant 38 Manuel Stănescu argumentiert.1 Dieser begrenzte Widerspruch zur sowjetischen Hegemonie und die Zusammenarbeit mit den westlichen Ländern beeinflussten die politischen und mi- litärischen Beziehungen Rumäniens zur Sowjetunion und implizit zu allen osteuro- päischen Staaten, nicht zuletzt zur DDR.2

Rumäniens Sonderrolle und die schwierigen Beziehungen zur DDR

Die Ursachen für Bukarests Autonomiepolitik innerhalb des europäischen Blocks und ihre vielschichtigen Konsequenzen auf nationaler und internationaler Ebene sind ein kontroverses Thema wissenschaftlicher Debatten.3 Von 1947 bis 1958 galt Rumänien als einer der treuesten Vollstrecker der politisch-wirtschaftlichen Direktiven aus Moskau. Rumäniens Rolle in der jugoslawischen und ungarischen Krise schien das zu belegen. Der Abzug der sowjetischen Truppen aus Rumänien im August 1958 war jedoch das Signal für eine zunächst noch vorsichtige Lösung von der Hegemonialmacht. Die Trennung wurde immer deutlicher, als Nicolae Ceauşescu nach dem Tod von Gheorghiu-Dej im März 1965 die Macht übernahm, und erreichte Ende der 1960er Jahre ihren Höhepunkt. Die internationalen Konflikte dieser Zeit – die Zweite Berlin-Krise 1961 und die Kuba-Krise 1962 – machten es aus Moskaus Sicht notwendig, die Reaktionsfähigkeit der Ostblockstaaten in der Auseinandersetzung mit der NATO und zuletzt auch der Volksrepublik China mit dem Ziel zu erhöhen, die Verbündeten effektiver zu kontrollieren. Die sowjetische Führung beabsichtigte eine wesentliche Änderung in den Lei­ tungsgr­ emien des Warschauer Paktes. Sie reichte von der Ausarbeitung neuer Statute für den Politischen Beratenden Ausschuss (PBA), die Vereinten Streitkräfte (VSK) und den Militärrat der Vereinten Streitkräfte bis zur Schaffung neuer Füh­rungs­ struktur­ en wie der Kommission für Außenpolitik als Hilfsorgan des PBA, dem Vereinten Sekretariat, dem Ausschuss der Verteidigungsminister und dem militär- technischen Ausschuss. Rumänien war das einzige Land, das sich regelmäßig gegen die Vorschläge und Vorhaben der Führungsmacht des Warschauer Paktes stellte. Die Bukarester Behörden wollten partout verhindern, dass Moskau durch strukturelle Veränderungen des Bündnisses in das politische Leben Rumäniens eingriff.4

1 Denis Deletant, România sub regimul comunist [Rumänien unter dem kommunistischen Regime]. Hrsg. von Romulus Rusan, 2., überarb. Aufl., Bukarest 2006, S. 153. 2 Petre Otu, Relaţii politico-militare româno-est-germane în perioada 1965‑1975 [Politisch und mi- litärische Beziehungen zwischen Rumänien und Ost-Deutschland]. In: Revista de istorie militară, 1‑2/2008, S. 19. 3 Zur »Dissidenz« Rumäniens innerhalb des Sowjetblocks vgl. Stelian Tănase, Elite şi societate. Guvernarea Gheorghiu-Dej 1948‑1965 [Elite und Gesellschaft. Die Regierung Gheorghiu-Dej], Bukarest 1998; Mihai Retegan, 1968. Din primăvară până-n toamnă [1968. Von Frühling bis Herbst], Bukarest 1998. 4 Otu, Relaţii politico-militare (wie Anm. 2), S. 20; Generaloberst (a.D.) Constantin Olteanu [u.a.], România şi Tratatul de la Varşovia. Istoric. Mărturii. Documente. Cronologie [Rumänien und der Warschauer Pakt. Geschichte. Zeugnisse. Dokumente. Chronologie], Bukarest 2005, S. 41‑48. Von der Distanz zur Annäherung im Warschauer Pakt? 39

Den oft hitzigen Debatten verdankte der rumänischen Staat sein Image als »Rebell« im Warschauer Pakt, das zur Ausgrenzung und zum Ausschluss Rumäniens aus dem Entscheidungsprozess des Bündnisses beitrug. Die Invasion in der Tschechoslowakei im August 1968 sei als Beispiel genannt: Rumänien war an der politischen und mi- litärischen Vorbereitung nicht beteiligt worden. Nicht ohne Grund richtete Leonid I. Brežnev an Ceauşescu bei einem Treffen im Mai 1970 die rhetorische Frage, ob Rumänien noch am Warschauer Pakt teilnehmen möchte.5 Einen formalen Austritt aus der östlichen Militärallianz zog Ceauşescu freilich nie in Betracht. Rumäniens Sonderrolle im Pakt wirkte sich auch auf die rumänisch-ostdeutschen Beziehungen aus, da Ost-Berlin einer der Getreuen Moskaus war. Nicht selten be- nutzte die Sowjetunion die DDR, um die Umstrukturierung des Bündnisses vor- anzutreiben. So forderten Ost-Berlins Behörden nachdrücklich die Einrichtung des Ausschusses für Außenpolitik. Ein solches Gremium könne dazu dienen, meinten sie, dass die anderen Länder des Warschauer Pakts die Einstellung der DDR gegen- über dem anderen deutschen Staat vorbehaltlos unterstützten.6 Am 13. Januar 1965 schickten die ostdeutschen Behörden ein Schreiben an die Partnerländer, in dem sie vorschlugen, die Einrichtung der Kommission für Außenpolitik des Pakts auf die Tagesordnung der Sitzung des PBA zu setzen, die eine Woche später in Warschau stattfinden sollte. Die Mitglieder der rumänischen Delegation – Gheorghe Gheorghiu-Dej, Ion Gheorghe Maurer, Corneliu Mănescu – weigerten sich kategorisch, dieses Thema zu erörtern, mit der formalen Begründung, dass ihnen das notwendige Mandat fehle. Dieses Verhalten stieß während der War­ schauer Konferenz (19./20. Januar 1965) bei Walter Ulbricht auf Unverständnis. Er warf Rumänien vor, die Bildung eines solchen Gremiums abgelehnt zu haben (die im Übrigen bei der Gründung der Organisation vereinbart worden war). Brežnev unter- stützte die ostdeutsche Position, die er als »nützlich für unsere Arbeit« ansah.7 Trotz des vereinten sowjetisch-ostdeutschen Drucks war Rumänien fast ein Jahrzehnt lang nicht bereit, ein Gremium zur Koordinierung der Politik der Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes zu akzeptieren. Das bereits angespannte Verhältnis zwischen Bukarest und Ost-Berlin verschärfte sich weiter, als Rumänien und die Bundesrepublik Deutschland am 31. Januar 1967 diplomatische Beziehungen aufnahmen. Die auf Ersuchen der rumänischen Seite aufgenommenen Verhandlungen gestalteten sich schwierig, da die westdeutschen Behörden gemäß der sogenannten Hallstein-Doktrin den Alleinvertretungsanspruch für ganz Deutschland erhoben und die staatliche Anerkennung der DDR durch ein anderes Land als »unfreundliche Handlung« betrachteten.8 Die ostdeutschen

5 Arhivele Naţionale Istorice Centrale, fond Comitetul Central al Partidului Comunist Român [Zentrales Historisches Nationalarchiv, Fonds des Zentralkomitees der Rumänischen Kommu­ ­ nistischen Partei] (im Folgenden: ANIC, Fonds des ZK der RKP), Kanzlei, Akte 59/1970, S. 5‑27. 6 Petre Otu, Dispute privind crearea Comisiei de Politică Externă a Tratatului de la Varşovia [Streit um die Einsetzung der Außenpolitischen Kommission des Warschauer Paktes]. In: Revista de isto- rie militară, 5‑6/2002, S. 43‑47. 7 ANIC, Fonds des ZK der RKP, Secţia Relaţii Externe [Abteilung für Auswärtige Beziehungen], Akte Nr. 5/1965, fol. 125. 8 Zum Aufbau der rumänisch-westdeutschen diplomatischen Beziehungen vgl. România – Repu­ ­ blica Federală Germania, vol. I: Începutul relaţiilor diplomatice 1966‑1967 [Rumänien –Bundes­ ­ 40 Manuel Stănescu

Behörden organisierten daraufhin eine Pressekampagne, die das Verhalten der Rumänen als Verrat an einem Verbündeten und als Pakt mit dem Feind darstellte.9 Den Höhepunkt dieser Kampagne bildete ein Artikel im »Neuen Deutschland«, der die rumänische Außenpolitik mit harschen Worten kritisierte.10 Andere Zeitungen druckten den Artikel nach. Das sorgte in Bukarest für große Nervosität. Am 3. Februar 1967 beschloss das »Ständige Präsidium« – das Gremium hatte das Politbüro er- setzt –, das Außenministerium möge den ostdeutschen Botschafter in Bukarest dar- über informieren, dass die ostdeutsche Aktion »eine unfreundliche Handlung gegen- über Rumänien und eine Einmischung in seine inneren Angelegenheiten« sei.11 Als Reaktion sollten die wichtigsten rumänischen Presseorgane eine Antwort veröffentli- chen, die sich detailliert mit der Bedeutung des Vorfalls vom 31. Januar 1967 befass- te. Darüber hinaus drohte das Ständige Präsidium, das Treffen der Außenminister der Mitgliedsstaaten des Paktes zu boykottieren, das am 7. Februar in Berlin beginnen sollte.12 Durch das Eingreifen der Sowjets kam es schließlich zu einem Kompromiss. Eine Konstante der rumänischen Außenpolitik war die Unterstützung der deut- schen Wiedervereinigung. Nachdem Rumänien 1961 den Bau der Berliner Mauer offen abgelehnt hatte, weigerte es sich etwa, einen Beschluss des Warschauer Paktes zu unterzeichnen, der die Zustimmung zur deutschen Teilung zum Ausdruck gebracht hätte. Auch lehnte man eine Erklärung ab, dass West-Berlin zum Staatsgebiet der DDR gehöre. Die deutsche Frage war für Rumänien deshalb von Bedeutung, weil die osteuropäischen Länder angesichts des seit 1945 fehlenden Friedensvertrages mit Deutschland am Potsdamer Abkommen festhielten, das die Teilung Deutschlands festschrieb und das Recht »der Siegermächte im Zweiten Weltkrieg, gegen die ehemaligen Feinde einzugreifen«. Ceauşescu erklärte Henry Kissinger persönlich, dass die Aufnahme dieses Grundsatzes in den Artikel 53 der Charta der Vereinten Nationen – die sogenannte Feindstaaten-Klausel – nur die Rechtmäßigkeit der »Einmischung der Sowjetunion in die inneren Angelegenheiten ehemaliger Feinde« erlaube, eine Bestimmung, die »jegliche Interpretation« ermögliche. Stattdessen wür- de die Wiedervereinigung Deutschlands den Kriegszustand völkerrechtlich beenden und »die Rechtsgrundlage, aufgrund derer die Sowjetunion in den osteuropäischen Länder eingreifen konnte«, aufheben.13 Ceauşescu bekräftigte, dass die Vereinigung »keine Angelegenheit sei, über die wir entscheiden, sondern das deutsche Volk«, und dass es ein »Fehler« sei, die westdeutsche Regierung als »faschistisch« zu betrachten. Auf dieses Beharren reagierten die Sowjetunion und ihre loyalsten Verbündeten, na- mentlich die DDR, mit deutlicher Kritik.14

republik Deutschland, Bd 1, Beginn der diplomatischen Beziehungen]. Hrsg. von Dumitru Preda, Bukarest 2009. 9 ANIC, Fondsausschuss für Presse und Druck, Akte Nr. 30/1967, fol. 63‑65, 153. 10 Ebd. 11 ANIC, Fonds des ZK der RKP, Akte Nr. 13/1967, fol. 4‑6. 12 Otu, Relaţii politico-militare (wie Anm. 2), S. 21. 13 Larry L. Watts, Fereşte-mă, doamne, de prieteni ... Războiul clandestin al Blocului Sovietic cu România, [Gott schütze mich vor meinen Freunden ... Der Geheimkrieg des Sowjetblocks mit Rumänien], Bukarest 2011, S. 296 f. 14 Ebd., S. 297. Von der Distanz zur Annäherung im Warschauer Pakt? 41

Rumäniens Außenminister Corneliu Mănescu (1961‑1972) räumte in einem Interview nach der Revolution von 1989 die Schwierigkeiten im Verhältnis zur DDR ein: »Die Ostdeutschen haben uns von dem Moment an, als die Handelsvertretungen mit der BRD genehmigt wurden, viele Vorwürfe gemacht. Ich hatte meinen ostdeutschen Amtskollegen über den Inhalt des Abkommens informiert, aber er wollte, dass der gesam- te Text an ihn weitergeleitet wird. Was ich nicht getan habe. Dej hielt dies für unange- messen in den Beziehungen zwischen Staaten. Wir waren niemandem untergeordnet, wir wollten Beziehungen fördern, die auf Gleichheit und gegenseitigem Respekt beruhten. Warum sollten wir den Inhalt unserer Vereinbarungen der Zustimmung eines anderen Staates unterwerfen, wenn die Prinzipien, die wir öffentlich erklärten, eingehalten wur- den? Aber als wir unsere Beziehungen zu den Westdeutschen vertieften (und die erste direkte Beziehung durch den Besuch von Wirtschaftsdelegationen zustande kam), hatten wir immer größere Schwierigkeiten mit den Ostdeutschen zu überwinden.«15 All diese Spannungen führten dazu, dass sich der Austausch von politischen und militärischen Delegationen in engen Grenzen hielt. Mănescu bezieht sich in seinen Erinnerungen auch auf andere Schwierigkeiten in seinem Verhältnis zu den Ost- Berliner Regierungsbeamten: »Diese neigten immer dazu, die Westdeutschen des Faschismus zu bezichtigen, so als wären die Menschen vor der Teilung des Landes entsprechend verteilt worden; als wäre die territoriale Spaltung nicht eine Folge der Spannungen zwischen den Großmächten ge- wesen, sondern hätte sich nach der Zugehörigkeit der Bevölkerung zum Faschismus oder zum Kommunismus gerichtet. Sie kritisierten mich dafür, dass ich in einem Interview für eine amerikanische Zeitschrift gesagt habe, dass die Regierung von Ludwig Erhard keine faschistische Regierung sei. Sie waren päpstlicher als der Papst, diese ostdeutschen kommunistischen Führer!«16 Die Spannungen zwischen Rumänien und der DDR setzten sich nach dem Januar 1967 fort. Am 6. April 1967 übermittelte das Außenministerium in Ost-Berlin dem rumänischen Botschafter ein Memorandum, in dem es die rumänische Regierung aufforderte, in einer offiziellen Mitteilung an die Regierungen aller Länder, zu de- nen es Beziehungen unterhielt, festzustellen, dass Rumänien Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland aufgenommen habe, ohne indes den westdeutschen Alleinvertretungsanspruch anzuerkennen. Darüber hinaus sollte die Marea Adunare Națională, die Große Nationalversammlung, eine solche Position in einer offiziellen Erklärung zum Ausdruck bringen. Die ostdeutschen Behörden hielten einen sol- chen Schritt für notwendig, nachdem die Bonner Regierung eine Mitteilung an ihre Auslandsvertretungen geschickt habe, in der sie sich das Recht anmaßte, das deut- sche Volk zu vertreten. Die Probleme blieben ungelöst, weil zwischenzeitlich der arabisch-israelische Konflikt die internationale Bühne beherrschte, der seinerseits die Meinungsverschiedenheiten zwischen Rumänien und dem gesamten Ostblock deut- lich werden ließ.17

15 Lavinia Betea, Convorbiri neterminate. Corneliu Mănescu în dialog cu Lavinia Betea [Unvollendete Gespräche. Corneliu Mănescu im Dialog mit Lavinia Betea], Bukarest 2001, S. 163. 16 Ebd., S. 161. 17 Otu, Relaţii politico-militare (wie Anm. 2), S. 22. 42 Manuel Stănescu

Ein weiterer Knackpunkt der bilateralen Beziehungen zwischen Rumänien und der DDR lag darin, dass es keinen militärischen Beistandspakt gab. Nach seiner erzwungenen Eingliederung in den sowjetischen Einflussbereich hatte Rumänien mit anderen osteuropäischen Staaten Verträge über gegenseitigen Beistand geschlos- sen: mit Bulgarien (16. Januar 1948), Ungarn (24. Januar 1948), der Sowjetunion (2. Februar 1948), der Tschechoslowakei (18. Juli 1948) und Polen (26. Januar 1949). Die DDR dagegen fehlte in diesem Reigen. Stattdessen wurde anlässlich des Besuchs von Ulbricht, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrats der DDR und Generalsekretär des ZK der SED seit 1950, vom 20. bis 22. Oktober 1951 in Bukarest eine Reihe finanzieller und kultureller Vereinbarungen getroffen. Ein einziger Vertrag über gegenseitigen Beistand wurde zum festgelegten Termin erneuert: der Vertrag mit der Tschechoslowakei anlässlich des Besuchs von Ceauşescu vom 15. bis 17. August 1968 in Prag, wenige Tage vor dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes.18 Nach der »Tschechoslowakischen Krise« handelte Rumänien zwischen 1970 und 1972 Bündnisverträge aus und erneuerte sie. Wie erwartet waren die Verhandlungen mit den ostdeutschen Behörden angesichts der in den bilatera- len Beziehungen entstandenen Unstimmigkeiten schwierig. Bei den Gesprächen in Bukarest im September 1970 zeigten die ostdeutschen Diplomaten mehr Flexibi­ lität, indem sie auf einige Bestimmungen verzichteten, die die Verhandlungen blo- ckierten. So waren sie etwa damit einverstanden, den Ausdruck »westdeutscher Militarismus und Revanchismus« zu streichen und das Potsdamer Abkommen nicht zu erwähnen. Die rumänische Delegation akzeptierte ihrerseits einige Anregungen der Ostdeutschen, insbesondere den Vorschlag, das Völkerrecht als Grundlage für die Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten gelten zu lassen. Zudem gelang es, einen neuen Wortlaut des Artikels 9 über den Status Berlins festzulegen. Am 10. September 1970 genehmigte das Ständige Präsidium die im Vertrag über gegenseitigen Beistand getroffenen Vereinbarungen.19

Treffen auf der Ebene der Verteidigungsminister

Die Entspannung, die sich in den rumänisch-ostdeutschen Beziehungen der frühen 1970er Jahren abzeichnete, war auch im militärischen Bereich spürbar. Zwischen 1970 und 1972 trafen sich die Verteidigungsminister beider Länder zweimal, was zu einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit und Verteidigung führte. Zu einem dritten und letzten Treffen kam es 1982. Vom 3. bis 10 September 1970 bereiste eine rumänische Militärdelegation auf Ein­ladung des Ministers für Nationale Verteidigung, des Armeegenerals Heinz Hoff­ mann, eine Woche lang die DDR. Zu der Abordnung unter Leitung des Ver­tei­di­ gungs­ministers Ion Ioniţă gehörten Generalleutnant Ion Coman, stellvertretender Verteidigungsminister und Sekretär des Obersten Politischen Rates,

18 Diese Tatsache befeuerte die Spekulation, dass die beiden Länder mit Hilfe Jugoslawiens die Kleine Entente wiederherstellen wollten, eine defensive regionale Organisation, die von 1921 bis 1939 operierte. Ebd. 19 Ebd., S. 23. Von der Distanz zur Annäherung im Warschauer Pakt? 43

Vizeadmiral Grigore Marteş, Befehlshaber der Marine, sowie Generalmajor Aurel Niculescu, Befehlshaber der Luftwaffe. Die Delegation hatte den Auftrag, die außen- politische Position Rumäniens durchzusetzen. Die Position war klar: »[F]ür die Festigung von Frieden und Sicherheit auf dem Kontinent ist es von beson- derer Bedeutung, die Deutsche Demokratischen Republik völkerrechtlich anzuerken- nen, normale Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten herzustellen und die Voraussetzungen für ihre aktive Beteiligung an der Normalisierung der Lage in Europa zu schaffen.«20 Die Tour der rumänischen Militärdelegation führte von militärischen Einheiten und Institutionen über industrielle und landwirtschaftlichen Einrichtungen zu touristisch und historisch bedeutsamen Zielen. Besichtigt wurden eine Mot. Schützeneinheit in , eine Panzereinheit, eine Einheit der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung in , die Militärakademie »Friedrich Engels« in Dresden, das dortige Institut für Mechanisierung und Automatisierung der Truppenführung, eine Marineeinheit an der Ostseeküste, eine Einheit von Grenzsoldaten am Brandenburger Tor. Der siebte und letzte Besuchstag war dem Besuch der »Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald« auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers gewidmet. Zu einem Empfang bei Ulbricht kam es dagegen nicht. Der ostdeutsche Staats- und Parteichef sei erkältet und habe Fieber. Die Delegation aus Bukarest musste den Eindruck haben, dass ein Treffen nicht gewollt war – wenngleich die Dokumente im rumänischen Militärarchiv dazu keine näheren Angaben enthalten.21 Der Besuch führte zu einer deutlichen Belebung der bilateralen Beziehungen, die sich in mehreren Abkommen und Vereinbarungen auf wirtschaftlichem und militä- rischem Gebiet niederschlug. So besuchte im Januar 1971 auf Einladung Hoffmanns eine rumänische Militärdelegation die DDR, die sich dieses Mal aus Fachleuten der Generaldirektion für Ausrüstung zusammensetzte. Beide Seiten unterzeichneten ein Abkommen zur gemeinsamen Produktion von Rüstungsgütern. Auch plante man die Einrichtung einer gemeinsamen deutsch-rumänischen Kommission für Waffenproduktion.22 Ein Jahr später übernahm Rumänien nach einer förmlichen Einladung seines Verteidigungsministers die Rolle des Gastgebers. Der Besuch unter Hoffmanns Leitung fand zwischen dem 17. und 22. April 1972 statt.23 Die rumänischen Stellen bereiteten den Aufenthalt gründlich vor, wollten sie doch den ostdeutschen Gästen

20 Arhivele Militare Naționale Romane (AMNR, Rumänisches Militärarchiv), Fonds Mikrofilme, Rolle II 3. 353, cd. 5 ff. 21 Ebd. 22 Otu, Relaţii politico-militare (wie Anm. 2), S. 23; ANIC, Fonds des ZK der RKP, Kanzlei, Akte Nr. 123/1970, fol. 52 f. 23 AMNR, Fonds Mikrofilme, Rolle II 3.375, cd. 11. Der Delegation gehörten ferner an: Admiral Waldemar Verner, stellvertretender Minister und Chef der Politischen Hauptverwaltung (PHV); Generalleutnant Siegfried Weiss, Stellvertretender Minister für Ausbildung; General­leut­nant , Leiter der Abteilung Sicherheit des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheits­ partei Deutschlands; Generalmajor Heinz Handke, Kommandeur der 11. Mot. Schützendi­ ­vi­ sion; Kapitän z.S. Hans Hofmann, Chef der 1. Flottille; Oberst Egon Grünler, Chef des Stabes der 3. Luftverteidigungsdivision; Oberst Harry Hothmann, stellvertretender Chef der Abteilung Internationale Beziehungen; Oberst Horst Beutling, DDR-Luft- und Marineattaché in der Sozia­ lis­tischen Republik Rumänien; plus 4‑5 Begleitoffiziere. 44 Manuel Stănescu ein ähnliches Erlebnis bieten, wie es die rumänische Militärdelegation zwei Jahre zu- vor hatte. Die Parolen, mit denen die Delegation bei den verschiedenen Besuchszielen begrüßt werden sollten, wurden mit großer Sorgfalt ausgearbeitet. Tageszeitungen, Rundfunksender und Fernsehstationen bekamen genaue Anweisungen, wie sie über den Besuch aus der DDR berichten sollten. Der Presse wurden binnen weni- ger Tage unterschiedliche Themen vorgegeben. Die gesamte Delegation wurde mit der Medaille »Tudor Vladimirescu« 2. Klasse ausgezeichnet, die der Präsident des Staatsrates 1966 für besondere Verdienste bei der Erringung und Verteidigung der sozialen und staatlichen Ordnung gestiftet hatte.24 Die Delegation besuchte die Militärkademie und die Marineoffizierschule in Bukarest, das Werk für Flugzeugreparaturen in Bacău, das Technische Institut für wissenschaftliche Forschung und Planung des Verteidigungsministeriums, das Ar­til­ lerieausbildungszentrum, die Lkw-Fabrik in Brașov (Kronstadt) und die Offizier­schule »Mircea cel Bătrân«. Ein Dokument, das während des Besuchs verfasst wurde, bezieht sich auf den Stand der rumänisch-ostdeutschen Beziehungen. Die rumänische Seite legte großen Wert auf den Abschluss eines Handelsabkommens. Das Abkommen für die Jahre 1971 bis 1975 regelte nicht nur die Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern und die Organisation der gegenseitigen Lieferung von Waffen und Spezialerzeugnissen in diesem Zeitraum, sondern sah auch die Steigerung des Handelsvolumens um 70 Prozent im Vergleich zum Zeitraum 1966 bis 1970 vor. Vertiefen wollte man zudem die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der optischen Industrie und bei der Herstellung von Werkzeugmaschinen. Was die internationalen Beziehungen betraf, setzte sich Rumänien für die Anerkennung der DDR und die Förderung normaler Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten ein. »Die öffentliche Meinung in unserem Land begrüßt die Regierungsverhandlungen zwi- schen der DDR und der BRD«, hieß es.25 Im Gegensatz zu Ulbricht hatte Ceauşescu am 21. April 1972 ein offizielles Treffen mit der deutschen Delegation anberaumt. Zu den Teilnehmern zählten der Präsident des Ministerrates Maurer, Verteidigungsminister Ioniţă, Außenminister Mănescu so- wie der Generalstabschef Generaloberst Ion Gheorghe. Auch der Botschafter der DDR in Bukarest, Hans Voss, war anwesend.26 Ceauşescu betonte bei der Eröffnung der Gespräche, dass »es sehr gut ist, dass dieser Austausch von Delegationen statt- fand. Der Erfahrungsaustausch ist sehr nützlich. Wir glauben aber, dass sich auch zwischen unseren Armeen eine enge Zusammenarbeit entwickeln muss, so wie sich die Zusammenarbeit auch in anderen Tätigkeitsbereichen entwickelt. Natürlich hof- fen wir, dass wir die Armeen nicht einsetzen müssen; deshalb setzen wir uns auch dafür ein, Sicherheit in Europa und Entspannung zu schaffen; aber gleichzeitig müssen wir gut vorbereitet sein.« Ceauşescu hob hervor, dass Rumänien erhebli- che Anstrengungen für seine wirtschaftliche Entwicklung unternommen habe (»wir hätten mehr tun können, wenn wir nicht so viel für die Armee hätten ausgeben müssen«). Er unterstrich Rumäniens Interesse an »Entspannung und europäischer

24 AMNR, Fonds Mikrofilme (wie Anm. 23), cd. 16‑18. 25 Ebd., cd. 19 f. 26 ANIC, Fonds des ZK der RKP, Abteilung für Auswärtige Beziehungen, Akte Nr. 29/1972, fol. 2. Von der Distanz zur Annäherung im Warschauer Pakt? 45

Sicherheit«. Der Bukarester Parteichef äußerte daraufhin die Hoffnung, dass »eine umfassendere Zusammenarbeit auch auf dem Gebiet der Militärtechnologie erreicht werden kann, vor allem weil jedes Land Rüstung benötigt und Waffen teuer sind. Eine Zusammenarbeit kann helfen, Probleme zu lösen und die Volkswirtschaften zu entlasten.«27 Hoffmann erinnerte an das »technisch-wissenschaftliche« Protokoll für Zusam­ ­ men­arbeit, das bereits zwischen den beiden Staaten unterzeichnet worden war. Er stellte fest, dass »im technischen Bereich mehr [...] zusammengearbeitet werden muss. Unsere Partei behauptet dasselbe; es gibt also keine Hindernisse für die Entwicklung der Zusammenarbeit, abgesehen von subjektiven Schwächen.« Ceauşescu stimm- te zu, dass beide Länder eine Reihe von Waffentypen zusammen herstellen könn- ten, insbesondere im Bereich der Luftstreitkräfte, »weil wir an der Herstellung von Kampfflugzeugen interessiert sind«. Hoffmann äußerte sich dazu skeptisch: »Wir ha- ben versucht, ein Flugzeug zu bauen. Es kostete 6 Milliarden Mark, und schließlich ist das Flugzeug abgestürzt. Deshalb haben wir aufgegeben. Es ist sehr schwierig, ein modernes Flugzeug zu bauen, wenn es eine Verzögerung von 20 bis 30 Jahren gibt und in dieser Zeitspanne keine Erfahrung gesammelt wurde.« Ceauşescu antwortete: »Es ist wahr, aber wenn wir nichts tun, wächst diese Zeitspanne.«28 Diese bilateralen Militärtreffen haben den Weg für eine normalisierte Entwicklung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten geebnet. Wenige Wochen später, am 12. Mai 1972, als der neue Erste Sekretär des ZK der SED Honecker und der Vor­ sitzende des Ministerrates der DDR Willi Stoph Rumänien besuchten, wurde der bereits erwähnte Beistandspakt unterzeichnet, das erste und einzige Dokument dieser Art in der Geschichte der rumänisch-ostdeutschen Beziehungen mit einer Gültigkeit von 20 Jahren. Im militärischen Bereich verpflichteten sich die beiden Parteien, sich bei einem Angriff eines Staates oder einer Staatengruppe gegenseitig zu unterstützen. Drei Jahre verhandelte man über das Dokument – in einer Phase der Entspannungspolitik, wie sie vor allem der westdeutsche Bundeskanzler Willy Brandt im Rahmen seiner Ostpolitik verfolgte. Die wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen der 1970er und 1980er Jahre hatten eine andere Dynamik als zwischen 1955 und 1970. Der Schwerpunkt lag nunmehr auf der Technologie. So betrug der Anteil der Maschinen und Anlagen 67 Prozent des gesamten Handelsvolumens von 1976 bis 1980. Im gleichen Zeitraum wurden 24 Abkommen für Kooperation und »Spe­zia­lisierung in der Produktion« unterzeichnet und umgesetzt. Im nächsten Fünf­ahres­plan (1981‑1985) sollten 19 weitere Abkommen unterzeichnet und umgesetzt werden, etwa die Zusammenarbeit und Spezialisierung im Bereich der Her­stellung von Leistungstransformatoren, von elektrischen Stromabnehmern, Brems­luft­kom­pres­soren, hydraulischen Diesel­loko­ motiven mit 2400 PS, Armaturen, metallurgischen Ausrüstungen, elektronischen Bauteilen und Brillengläsern.29 Im Jahre 1985 legte die Gemeinsame Kommission Leit­linien für den nächsten Fünfahresplan fest: Pro­gramme für Werkzeug- und

27 Ebd., fol. 3 f. 28 Ebd., fol. 6. 29 Ebd., fol. 15‑17. 46 Manuel Stănescu

Bearbeitungsmaschinen, land­wirtschaftliche­ Maschinen und Fahrzeuge, Chemie­ industrie, Schwermaschinen- und Anlagenbau.30 Das dritte und letzte rumänisch-ostdeutsche Treffen auf der Ebene der Ver­tei­di­ gungsminister zwischen 1955 und 1989 fand im Mai 1982 ebenfalls in Rumänien unter der Leitung von Verteidigungsminister Hoffmann statt.31 In Anlehnung an das Szenario des vorherigen Besuchs organisierten die Gastgeber ein abwechslungs- reiches Programm. Die Delegation besichtigte nicht nur militärische Standorte wie die Luftwaffenstreitkräfte in Mihail Kogălniceanu und das Ausbildungszentrum für Chemische Truppen in Câmpulung Muscel, sondern auch rüstungswirtschaftliche Objekte wie das Flugzeugwerk in Craiova, die Schiffswerft in Mangalia und das Luftfahrtunternehmen in Ghimbav (Weidenbach). Aber auch Ziele von »kulturell- künstlerischem« Wert wie das Donaudelta und das Delta-Museum in Tulcea standen auf dem Programm.32 Am 28. Mai 1982 wurde die ostdeutsche Delegation erneut von Ceauşescu emp- fangen. Außer ihm nahmen noch, ähnlich wie bei den vorigen Treffen, folgende Personen teil: der Verteidigungsminister Generalleutnant Constantin Olteanu, der Generalstabschef Generaloberst Vasile Milea, der stellvertretende Verteidi­gungs­ minister Generalleutnant Victor Stănculescu und der stellvertretende Sekretär des Obersten Politischen Rates der Armee und Leiter der Organisations­verwaltung General­major Ilie Ceauşescu, der Bruder des Diktators.33 Dauerte der Besuch von 1972 nur eine halbe Stunde, so waren die Gespräche laut Protokoll des Treffens diesmal umfangreicher, was auf die komplexe internatio- nale Lage, die Wirtschaftskrise und die Probleme innerhalb des sozialistischen Lagers zurückzuführen war. Die Positionen von Hoffmann und Ceauşescu stimmten nicht immer überein, und militärische Fragen im engeren Sinn wurden gar nicht erst ange- sprochen. Hoffmann zeigte sich »beeindruckt« von den wirtschaftlichen Leistungen und dem Stand der »Ausbildung und Erziehung junger Menschen«. Im Folgenden erklärte er: »Die internationale Situation hat sich so entwickelt, dass sie uns große Schwierigkeiten bereitet. Ich spreche nicht nur über die angespannte Situation beim Militär, sondern auch über die wirtschaftliche Situation. Wir erhalten so gut wie keine Kredite mehr, und wir müssen unseren eigenen Ausweg aus dieser Situation finden. Unsere Partei hat

30 Ebd., S. 16 f. 31 ANIC, Fonds des ZK der RKP, Abteilung für Auswärtige Beziehungen, Akte Nr. 69/1982, fol. 18. Zu der ostdeutschen Delegation gehörten ferner: Generaloberst , Stellvertretender Verteidigungsminister und Chef der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung; Generalleutnant Horst Brünner, Stellvertreter des Chef der Politischen Hauptverwaltung; Vizeadmiral Gustav Hesse, Chef des Stabes der Volksmarine; Generalleutnant Manfred Gehmert, Befehlshaber des Militärbezirks V; Generalleutnant Professor Dr. Hans Rudolf Gestewitz, Leiter der Militärmedizinischen Akademie; Generalmajor Heinrich Winkler, Leiter der Abteilung Internationale Beziehungen, und Oberst Joachim Schröter, Luft- und Marineattaché. 32 Ebd., fol. 15. 33 Ebd., fol. 3. Zwei der Anwesenden, die Generäle Milea und Stănculescu, spielten während der Re­volution von 1989 eine wichtige Rolle. Milea, dem man einen Beitrag zur Entfachung der Revo­ lution nachsagt, nahm sich am 22. Dezember 1989 das Leben; Stănculescu setzte zunächst die Schieß­befehle des Diktators um, bevor er die Seite wechselte und den Demonstranten ermöglichte, in Bukarest die Kontrolle zu übernehmen. Von der Distanz zur Annäherung im Warschauer Pakt? 47

Ent­scheidungen auf dem Gebiet der Energieeinsparung und der Rohstoffeinsparung ge­ troffen, um eine höhere Arbeitsleistung zu erreichen [...] Gewiss erfordert all dies An­ strengungen, und das zentrale Thema ist die Führung. Es ist eine zielgerichtete, an der Sache orientierte Führung nötig. Mit allgemeinen Erklärungen kann die Wirtschaft nicht mehr geführt werden [...] Was soll ich über die Armee sagen? Wir sind gezwungen, sie zu modernisieren. Und hier müssen wir sparen. Wir haben uns dazu verpflichtet, den Kraft­stoffverbrauch um 20 Prozent zu senken. Es ist sehr schwierig, da wir ja trotzdem die militärische Ausbildung gewährleisten müssen.« Trotz wirtschaftlicher Probleme zeigte sich Hoffmann optimistisch: »Alle sozialisti- schen Länder haben einen langen Weg zurückgelegt, viel Unvorstellbares geschaffen, und wir sind überzeugt, dass wir die Schwierigkeiten überwinden werden. Wir ha- ben eine gute Arbeiterklasse, eine gute Intelligenz, eine starke Partei und wir werden obsiegen.«34 In seiner Rede zur Verleihung des Ordens »Tudor Vladimirescu« 1. Klasse an Armeegeneral Hoffmann äußerte Ceauşescu, er sei »froh, dass sich die Zusammen­ arbeit zwischen uns auch auf militärischer Ebene entwickelt«. Die Lösungen für wirtschaftliche Mängel seien eine »sehr gute Erfahrung«. Er äußerte die Hoffnung, »dass unsere Genossen zu dem Schluss gekommen sind, dass noch viel zu tun ist, um den Kraftstoffverbrauch um 20 Prozent zu senken«. »Gewiss, die internationalen Wirtschaftsprobleme und die Wirtschaftskrise bereiten uns, wie allen Ländern, eine Reihe von Schwierigkeiten«, gestand Ceauşescu und fügte hinzu: »In der Vergangenheit war ich der Meinung, dass die Wirtschaftskrise nicht die sozialis- tischen Länder betrifft, sondern nur den Kapitalismus. Jetzt haben viele diese Auffassung aufgegeben. Es gibt noch viele Dinge, für die wir ein anderes Verständnis der Probleme brauchen. Dennoch gibt es auf der Welt politische und wirtschaftliche Verflechtungen, die nicht ignoriert werden können.«35 Ceauşescu sprach auch über die akuten politischen Krisen in den internationalen Beziehungen jener Zeit und wies darauf hin, dass man zu leicht auf »militärische Lösungen« zurückgreife. Seiner Ansicht nach sei »die gegenwärtige Belastung der internationalen Beziehungen das Ergebnis der Leichtigkeit, mit der eine Reihe von militärischen Aktionen durchgeführt wurden, und um ehrlich zu sein, von beiden Seiten – sowohl den imperialistischen als auch den sozialistischen Ländern [...] Auch hier müssen wir verstehen, dass zur Sicherung der Entspannungspolitik, zur Vermeidung neuer militärischer Auseinandersetzungen, eines Krieges von beiden Seiten Verantwortungsbewusstsein und Umsicht bei der Durchführung unterschied- licher Maßnahmen gefordert sind.« Was das Wettrüsten anging, zeigte sich der Regierungschef aus Bukarest genauso entschlossen: »Es ist zwar schwierig für mich, vor den Soldaten zu sprechen, aber ich bin auch ein Aktivist, der auch in der Armee gedient hat, und ich bin Oberbefehlshaber; ich habe das Recht, offener zu sprechen. Wir müssen demnach dem Wettrüsten ein Ende setzen. Wenn es im aktuellen Rhythmus weitergeht, wird es praktisch – nolens volens – zu einer

34 Ebd., fol. 4. 35 Ebd., fol. 5. 48 Manuel Stănescu

sowohl sozialen als auch militärischen Explosion kommen. In der Tat ist die heutige Wirtschaftskrise direkt mit den enormen Militärausgaben verbunden.«36 Ceauşescu war mit den Genfer Abrüstungsverhandlungen unzufrieden: »Die Sache ist nicht ganz korrekt. Es werden Probleme Europas besprochen, aber ohne die Europäer.« Auch die Aktivitäten des Warschauer Paktes waren nicht nach seinem Geschmack: »Anstatt darüber nachzudenken, wie die Belastung verringert werden kann, denken wir im Oktober daran, in Bulgarien eine Machtdemonstration zu veranstalten, zu der die DDR, die Tschechoslowakei, Ungarn und ich glaube sogar Polen kommen sollen [...] Es handelt sich demnach um eine unnötige Demonstration, bei der es nicht um die Vorbereitung einer Zusammenarbeit im Verteidigungsfall geht. Nach den bestehenden Plänen wäre es ein Unsinn, die deutschen und tschechoslowakischen Armeen auf den Balkan zu bringen und in der Mitte Europas ungeschützt zu bleiben. Ich glaube nicht, dass es einen Oberbefehlshaber gibt, der die militärischen Fragen nicht versteht. Es ist also eine einfache, unnötige Machtdemonstration, wenn wir so viele Erklärungen abge- ben und sagen, dass wir das Wettrüsten stoppen wollen, dass wir eine Einigung erzielen wollen. Wir haben auch gesagt, dass wir noch darüber nachdenken, ob wir teilnehmen werden, wenn diese Ausführung beibehalten wird.«37 Hoffmann stimmte Ceauşescu nicht ganz zu: »Ich möchte nicht mit den Truppen auf den Balkan ziehen«, heißt es im Protokoll. »Wir haben genug mit den poten- ziellen Gegnern im Westen zu tun, wo die Hälfte der NATO ist«, und er fügte hinzu: »Genosse Generalsekretär, bitte verzeihen Sie, aber es gibt jährlich Dutzende von Demonstrationen im Umkreis unserer Länder. Die NATO demonstriert ihre Militärpolitik und Einheit. Und bisher haben wir diese Militäraktion in Bulgarien als Einheitsdemonstration der sozialistischen Länder und nicht als Machtdemonstration gesehen.« Ceauşescu wies diesen Einwand zurück. Für ihn war klar, dass »die Einheit der sozialistischen Länder mit einer Militärdemonstration nichts zu tun hat. Es ist wahr, dass die NATO eine Reihe von Manövern macht. Und die sozialistischen Länder tun das auch. Aber die NATO zwingt den Westen nicht, seine Truppen zum Beispiel in die Türkei zu bringen, sondern nutzt Kräfte, die sich in dem betreffenden Gebiet befinden.«38 Ein weiteres Diskussionsthema war Polen. Hoffmann gestand, dass »die polni- schen Genossen uns sowohl in wirtschaftlicher als auch in ideeller Hinsicht scha- den«. Ceauşescu urteilte seinerseits, dass er die Probleme verstehe, die sich aus der Nachbarschaft zwischen den beiden Ländern ergäben, »aber Polen hat auch für uns und alle sozialistischen Länder Probleme geschaffen. Die Polen selbst wollen die militärische Führung noch lange aufrechterhalten. Es ist schwer vorstellbar, wie der sozialistische Aufbau unter solchen Umständen sich entfalten wird. Es ist ver- ständlich, dass wir ohne die Volksmassen nicht über Sozialismus sprechen können.« Hoffmann war damit einverstanden: »Wir können nicht endlos mit Waffen regieren.« Ceauşescu bat, »Genosse Honecker auszurichten, dass auch wir über die Situation in

36 Ebd., fol. 6 f. 37 Ebd., fol. 9 f. 38 Ebd., fol. 10 f. Von der Distanz zur Annäherung im Warschauer Pakt? 49

Polen besorgt sind und eine politische Lösung in Polen wollen [...] Wir verstehen, dass es die Aktivität ausländischer imperialistischer Kreise gibt, dass es die Aktivität der katholischen Kirche, des Vatikans, gibt, aber wo ist dennoch die Aktivität der Kommunisten? Wir haben auch in der Illegalität gearbeitet [...] Wir kennen die Polen. Wir waren ihre Nachbarn, genau wie Sie. Natürlich haben die Polen ihr eige- nes Wesen, aber es kann nicht ignoriert werden, dass die Besonderheiten des polni- schen Volkes, ihre Probleme ignoriert werden.«39 Dieses letzte rumänisch-ostdeutsche Treffen Anfang der achtziger Jahre auf der Ebene der Verteidigungsminister zeigt, wie zweitrangig die konkrete militärische Zusammenarbeit blieb angesichts der massiven Probleme, die das Wettrüsten, die Wirtschaftskrise und die Reibereien zwischen den sozialistischen Ländern berei- teten. Diese internen Streitigkeiten sollten sich gegen Ende des Jahrzehnts noch verschärfen. Die politisch-ökonomisch-militärischen Beziehungen zwischen Rumänien und der DDR, soviel lässt sich festhalten, begannen zögerlich, gerieten dann in eine wahre »Eiszeit«, bevor sie in den 1970er und 1980er Jahren einen deutlichen Wiederaufschwung erlebten. Paradoxerweise hat das Festhalten am marxistischen Dogma Ceauşescu und Honecker schließlich zusammengebracht, als Michail Gorbačevs Reformen in den Augen der Regierungschefs aus Bukarest und Ost-Berlin für den sozialistischen Status quo immer gefährlicher wurden. Auf diese Weise ver- stärkten »Glasnost« und »Perestroika« den Zusammenhalt von Rumänien und der DDR. Ceauşescu und Honecker gingen insofern ein konservatives Bündnis ein, das sich entschieden gegen jegliche Änderung des sozialistischen Paradigmas rich- tete. Der Wandel setzte sich jedoch vor allem auf politischer, nicht auf militärischer Ebene durch. Weitere Einzelheiten der militärischen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern zwischen 1955 und 1989 werden die Historiker klären können, sobald die Dokumente aus dem rumänischen Militärarchiv, die derzeit gesetzlichen Beschränkungen unterliegen, zugänglich werden.

39 Ebd., fol. 11‑13.

Klaus Storkmann

Verbündete auf Distanz. Ostdeutsch-rumänische Militärkontakte vor dem Hintergrund der politischen Beziehungen

Die Warschauer Vertragsorganisation wurde zwar verkürzend als »Ostblock« bezeich- net, doch trotz der unbestrittenen Führung durch Moskau war sie kein Monolith. Darauf wiesen bereits zeitgenössische Publikationen im Westen hin. So sah »Der Spiegel« im April 1964 angesichts der Spannungen bei Besuchen des rumänischen Ministerpräsidenten Ion Gheorghe Maurer und seines bulgarischen Amtskollegen Todor Živkov in Moskau »Risse im Monolithen«: »Das unterschiedliche Auftreten des Bulgaren und des Rumänen bezeichnet eine Spanne der Unabhängigkeit, die es heute der westlichen Diplomatie versagt, Polen, Tschechen, Ungarn und Rumänen pauschal als Sowjetsatelliten abzuqualifizieren [...] Die nationalkommunistischen Risse im monolithischen Gefüge des Ostblocks sind eine unmittelbare Folge des so- wjetisch-chinesischen Zerwürfnisses. Seit den kleineren Kommunistischen Parteien des Sowjetblocks aufgegangen ist, dass der große sowjetische Bruder nicht mehr all- mächtig ist, sind sie selbstbewusst und ungeduldig geworden.«1 »Der Spiegel« lag richtig: Die Regierungen in Budapest, Bukarest oder Prag ver­ traten durchaus ihre eigenen Interessen. Die Differenzen wurden meist hinter ver- schlossenen Türen verhandelt, traten aber auch nicht selten offen zutage, insbesondere wenn sowjetische Panzer in Ost-Berlin, Budapest oder Prag die »alte« Ordnung wie- derherstellen mussten. Die westlichen Journalisten konnten nur spekulieren, was in Moskau verhandelt oder von der sowjetischen Führung mit der Macht des Stärkeren durchgesetzt wurde. Heute stehen die überlieferten Quellen aus den Beständen der Regierenden in Ost-Berlin, Prag, Warschau, Budapest, Bukarest und Sofia zur Verfügung, leider jedoch nicht die aus Moskau. Entsprechend spannend zu lesen sind die wissenschaftlichen Publikationen zum Verhältnis der »Ostblockstaaten« ge- genüber der Paktführungsmacht.2

1 Ostblock: Risse im Monolith. In: Der Spiegel, 1.4.1964, S. 8 f. 2 Beispielsweise Jordan Baev, Bulgarisch-sowjetische militärische Zusammenarbeit 1955 bis 1964. In: Der Warschauer Pakt. Von der Gründung bis zum Zusammenbruch 1955 bis 1991. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von Torsten Diedrich, Winfried Heinemann und Christian F. Ostermann, Berlin 2009 (= Militärgeschichte der DDR, 16), S. 43‑58; Andrzej Paczkowski, Die Polnische Volksarmee im Warschauer Pakt. In: ebd., S. 119‑132; Wanda Jarząbek, Die Volksrepublik Polen in den politischen Strukturen des Warschauer Vertrags zu Zeiten der Entspannung und der »Ostpolitik«. In: ebd., S. 133‑148; Imre Okvath, Die Integration der Ungarischen Volksarmee in den Warschauer Pakt. In: ebd., S. 175‑184; Petre Opriş, Die rumäni- 52 Klaus Storkmann

Durch die verständliche Konzentration auf »Moskau« fanden die bilateralen Kontakte der Warschauer Vertragsstaaten untereinander bislang in der zeithistori- schen Forschung deutlich weniger Beachtung. Das damalige Militärgeschichtliche Forschungsamt in Potsdam erkannte dieses Desiderat und begann 2010 mit einer Publikationsreihe zu den bilateralen Beziehungen der ostdeutschen Streitkräfte: zu- nächst mit den Streitkräften Polens,3 gefolgt 2011 von einer Veröffentlichung zur Zusammenarbeit mit der ungarischen Volksarmee4 und 2016 zur Kooperation mit den Streitkräften der ČSSR.5 Die Militärbeziehungen der DDR zu Rumänien wie auch zu Bulgarien waren bislang Desiderate und harrten der Erforschung. Einzig Rüdiger Wenzke hat 2009 einen ersten Blick auf das Thema geworfen: »Das Verhältnis zu Rumänien gestaltete sich dagegen aufgrund der bekannten kritischen Haltung seiner Führung zu einigen Fragen des Warschauer Paktes teilweise komplizierter [als zu den anderen Paktstaaten]. Die Arbeitskontakte und ›Waffenbrüderschaftsbeziehungen‹ waren im Vergleich zu den anderen Armeen in Pakt eindeutig weniger eng. Kontakte gab es vor allem im militärökonomischen Bereich, auf politisch-ideologischem Gebiet hielt man sich dagegen bedeckt.«6 Der vorliegende Beitrag verfolgt das Ziel, diesen ersten Befund anhand breiter Quellenbasis zu überprüfen, zu unterfüttern und gegebenenfalls zu korrigieren. Die politischen Beziehungen zwischen der DDR und Rumänien sowie ihre Kontakte auf anderen Feldern wie der Wirtschaft, der Kultur oder der Wissenschaft haben bislang kaum wissenschaftliches oder publizistisches Interesse gefunden. Einzig Georg Herbstritt legte 2016 eine umfangreiche Studie über die Zusammenarbeit der Geheimdienste beider Länder vor.7 Selbst in den diversen Gesamtdarstellungen zur Außenpolitik des ostdeutschen Staates wurden dessen Beziehungen zu Rumänien nur gestreift, sofern sie überhaupt erwähnt wurden. Im Mittelpunkt dieser Forschungen standen wenig überraschend die Beziehungen Ost-Berlins zu Moskau und zu Bonn.8

sche Armee und die gemeinsamen Manöver des Warschauer Paktes. In: ebd., S. 185‑208; Carmen Rijnoveanu, Rumänien und die Militärreform des Warschauer Paktes 1960 bis 1970. In: ebd.; Carmen Rijnoveanu, Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa – eine Bühne der rumänischen Sicherheitspolitik. In: Geschichte ohne Grenzen? Europäische Dimensionen der Militärgeschichte vom 19. Jahrhundert bis heute. Im Auftrag des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr hrsg. von Jörg Echternkamp und Hans-Hubertus Mack, Berlin 2017, S. 79‑88. 3 Die Streitkräfte der DDR und Polens in der Operationsplanung des Warschauer Paktes. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von Rüdiger Wenzke, Potsdam 2010 (= Potsdamer Schriften zur Militärgeschichte, 12). 4 Die NVA und die Ungarische Volksarmee im Warschauer Pakt. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von László Veszprémy und Rüdiger Wenzke, Potsdam 2011 (= Potsdamer Schriften zur Militärgeschichte, 15). 5 Zwischen Bündnistreue und staatlichen Eigeninteressen. Die Streitkräfte der DDR und der ČSSR 1968 bis 1990. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von Oliver Bange, Potsdam 2016 (= Potsdamer Schriften zur Militärgeschichte, 26). 6 Rüdiger Wenzke, »Sozialistische Waffenbrüder«? Über die Beziehungen der Nationalen Volksarmee der DDR zu anderen Warschauer-Pakt-Armeen. In: Der Warschauer Pakt (wie Anm. 2), S. 85‑118, hier S. 106. 7 Georg Herbstritt, Entzweite Freunde. Rumänien, die Securitate und die DDR-Staatssicherheit 1950 bis 1989, Göttingen 2016, S. 134. 8 Beispielsweise Ingrid Muth, Die DDR-Außenpolitik 1949‑1972. Inhalte, Strukturen, Mecha­nis­ men, Berlin 2000 (= Forschungen zur DDR-Gesellschaft); Hermann Wentker, Außenpolitik­ in en- Verbündete auf Distanz 53

Diese beiden antagonistischen Punkte bildeten auch die zeitgenössischen Fixpunkte der DDR-Außenpolitik, mehr noch: Sie waren die Fixpunkte der gesamten Politik der Ost-Berliner Führung auf nahezu allen Feldern.9 Wenn Forscher zur DDR- Außenpolitik ihren Blick weg von Moskau auf die Beziehungen innerhalb des Warschauer Paktes lenkten, dann zumeist auf das »nördliche Dreieck« (Hermann Wentker)10 DDR, Polen und ČSSR. Die Konzentration auf das Verhältnis Ost-Berlins zu Moskau entsprach der zeitgenössischen Fokussierung der SED-Führung: »Ohne die Sowjetunion keine DDR« – auf diese knappe Formel reduzierte Erich Honecker rückblickend Ostberlins Abhängigkeit von Moskau.11 Die Feststellung von 1987, dass es in Osteuropa kaum einen Staat gebe, dessen Führung auf das Einvernehmen mit der östlichen Führungsmacht mehr angewiesen sei als die DDR, entspricht dem heutigem Forschungsstand.12 Ein größerer, offen ausgetragener Interessenkonflikt mit Moskau hätte zweifelsohne die Grundlagen der SED-Herrschaft gefährdet.13 Nicht zuletzt aus elementarem Eigeninteresse bemühte sich die Führung in Ost- Berlin, Moskaus »Super-Alliierter« (Hope Harrison)14 zu sein. Ganz anders agierte die Führung in Bukarest. Nicolae Ceaușescu nutzte wie be- reits sein Vorgänger Gheorghe Gheorghiu-Dej jede Gelegenheit, die rumänischen Eigeninteressen zu betonen und wenn möglich gegenüber Moskau zur Geltung zu bringen. Im sowjetisch geführten Bündnis suchten sie Freiräume, um eigene Wege

gen Grenzen. Die DDR im internationalen System 1949‑1989, München 2007; Drei Jahr­zehnte Außenpolitik der DDR. Hrsg. von Hans-Adolf Jacobsen [u.a.], München, Wien 1979; Benno-Eide Siebs, Die Außenpolitik der DDR 1976‑1989. Strategien und Grenzen, Paderborn 1999; Joachim Scholtysek, Die Außenpolitik der DDR, München 2003 (= Enzyklopädie deutscher Geschichte, 69). 9 Zur Bezeichnung Moskaus und Bonns als »Fixsterne« der DDR-Außenpolitik bereits 2004 Oliver Bange, Die Außenpolitik der DDR. Plädoyer für ein vernachlässigtes Forschungsfeld. In: Archiv für Sozialgeschichte, 44 (2004), S. 492‑500, hier S. 499. 10 Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen (wie Anm. 8) 11 Erich Honecker, Moabiter Notizen, Berlin 1994, S. 55 f. Honecker zitierte dort KPdSU-Gene­ ­ral­ sekretär Leonid Brežnev, der ihm am 28.7.1970 in Moskau erklärt habe, »die DDR kann ohne uns, ohne die SU, ihre Macht und ihre Stärke, nicht existieren [...] Die Existenz der DDR entspricht unseren Interessen, den Interessen aller sozialistischen Staaten.« 12 Ludolf Herbst analysierte 1994 »Abhängigkeit oder Interdependenz« zwischen beiden Staaten und stellt heraus, die DDR wäre »für das Interessenkalkül der Sowjetunion funktional entbehrlicher gewesen als die Bundesrepublik für das der USA.« Aufbau und Behauptung des Staates DDR habe aus Sicht der UdSSR »etwas Voluntaristisches« an sich gehabt. Ludolf Herbst, Abhängigkeit oder Interdependenz (Kommentar). In: Die DDR als Geschichte. Fragen – Hypothesen – Perspektiven. Hrsg. von Jürgen Kocka und Martin Sabrow, Berlin 1994 (= Zeithistorische Studien, 2), S. 186‑194, hier S. 188. Oliver Bange brachte 2004 die »besondere Bedingtheit der Außenpolitik der DDR – als Teil einer gespaltenen Nation und in ökonomischer, politischer und militärischer Abhängigkeit von der Hegemonialmacht des Warschauer Paktes« griffig auf den Punkt. Diese »Bedingtheit« kom- pliziere »notwendigerweise« das historische Urteil sowie Forschungsansatz und -aufwand; Bange, Außenpolitik der DDR, S. 499 (wie Anm. 9). 13 Hans-Joachim Spanger und Lothar Brock, Die beiden deutschen Staaten in der Dritten Welt. Die Entwicklungspolitik der DDR – eine Herausforderung für die Bundesrepublik Deutschland, Opladen, 1987, S. 183. So auch bereits 1976 Hans Siegfried Lamm und Siegfried Kupper, DDR und Dritte Welt, München, Wien 1976 (= Internationale Politik und Wirtschaft, 39), S. 41 f. 14 Hope Harrison, Driving the Soviets Up the Wall. Soviet-East German Relations, 1953‑1961, Princeton, NJ 2005 (= Princeton Studies in International History and Politics), S. 143. 54 Klaus Storkmann zu gehen – freilich ohne den Bruch mit der Supermacht und seine Konsequenzen zu riskieren.15 Aus diesem hier nur skizzierten Forschungsstand ergibt sich die Frage, wie der sowjethörige »Super-Alliierte« in Ost-Berlin und die Führung des renitentes- ten Ostblockstaats in Bukarest auf militärischem Gebiet kooperierten. Militärische Kontakte können nicht ohne den großen politischen Rahmen betrachtet werden. So müssen auch die ostdeutsch-rumänischen Militärkontakte im Zusammenhang der politischen Beziehungen zwischen der DDR und Rumänien innerhalb des von der Sowjetunion dominierten Blocks in den Blick genommen werden. Dabei konzent- riert sich der Beitrag auf die bilateralen militärischen Kontakte beider Staaten und Streitkräfte. Auf ihre jeweilige Kooperation mit der Warschauer Vertragsorganisation und die Inkorporation in deren Strukturen wird hier nicht eingegangen, zumal hier- zu bereits geforscht wurde. Der Titel des Aufsatzes deutet die Leitfrage an: Waren die beiden Staaten nicht nur geografisch, sondern auch politisch weit voneinander entfernt?

Der rumänische Sonderweg

Der außenpolitische Sonderweg Rumäniens wird gemeinhin mit dem Namen Nicolae Ceaușescu verbunden, der 1965 die Parteiführung übernahm. Die au- ßenpolitischen Autonomiebestrebungen Rumäniens begannen aber weitaus frü- her. Bereits sein Vorgänger Gheorghiu-Dej forderte seit den frühen 1960er Jahren größere Unabhängigkeit von der Sowjetunion bei gleichzeitiger Treue gegenüber dem von ihr geführten Bündnis. Angesichts früherer Maßnahmen Moskaus gegen andere Parteichefs in den Satellitenstaaten war der Auslöser für Gheorghiu-Dejs Richtungswechsel die Sorge, auch er könnte vom »großen Bruder« über Nacht abge- setzt werden. Im Agieren der sowjetischen Führung sah die Parteizentrale in Bukarest einen großen Unsicherheitsfaktor. Daraus zog Gheorghiu-Dej seine Schlüsse. Mit der April-Deklaration 1964 betonte die Rumänische Arbeiterpartei (PMR) ihre eigenständige politische und wirtschaftspolitische Position. Die Beziehungen zwi- schen den Mitgliedsstaaten des östlichen Bündnisses und insbesondere die zu sei- ner Führungsmacht müssten auf sechs Grundsätzen fußen: »Unabhängigkeit und nationale Souveränität, gleiche Rechte, gegenseitiger Vorteil, Nichteinmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten, territoriale Integrität und sozialistischer Internationalis­mus«.16 Anderen Forschungen zufolge lieferte der sowjetisch-chinesische Konflikt den Anlass für die Verabschiedung der April-Deklaration. Bukarest weigerte sich dem- nach, im Streit zwischen Nikita Chruščëv und Mao Tse-tung gegen Peking Position

15 Dazu ausführlich Opriş, Die rumänische Armee und die gemeinsamen Manöver des Warschauer Paktes (wie Anm. 2); Rijnoveanu, Rumänien und die Militärreform des Warschauer Paktes (wie Anm. 2); Rijnoveanu, Die Konferenz (wie Anm. 3). 16 Rijnoveanu, Die Konferenz (wie Anm. 2), S. 80. Verbündete auf Distanz 55 zu beziehen, und vertrat eine neutrale Position.17 Das Jahr 1964 »markierte öffent- lich« den Willen Bukarests, »nationale Sonderwege zu gehen«.18 Rumäniens Sonderweg innerhalb des Ostblocks unterschied sich deutlich von den Freiheitsbestrebungen der Regierungen in Budapest 1956 und Prag 1968. Gheorghiu-Dej und Ceaușescu waren alles andere als liberale Reformer wie wei- land in Budapest und Alexander Dubček in Prag. Vor allem waren sie Diktatoren, deren Denken und Handeln sich um den Machterhalt drehte.19 Trotz aller Distanz zu Moskau stand die Herrschaft der kommunistischen Arbeiterpartei nach sowjetischem Herrschaftsmodell auch in Bukarest nie in Frage. Gheorghiu- Dejs Amtsnachfolger Ceaușescu verstärkte den Abgrenzungskurs seines Vorgängers: Ceaușescu beließ es nicht bei politischen Erklärungen, sondern scheute auch vor »konkreten Akten des Ungehorsams«20 nicht zurück. Das Ziel fest vor Augen, sei- nen politischen Handlungsspielraum zugunsten rumänischer Nationalinteressen zu erweitern, beklagte er »die zunehmenden Tendenzen der sowjetischen Führung, die wirtschaftliche Integration innerhalb des RGW und die politische-militärische Integration innerhalb des Warschauer Paktes zu verschärfen«.21 Ungeachtet aller öffentlichen Widerworte gegenüber Moskau blieb Rumänien Mitglied der Warschauer Vertragsorganisation und des RGW, auch in Zeiten größ- ter Distanz. Dennoch nahm sich Bukarest militärische Sonderrechte in der War­ schauer Vertrags­organisation heraus wie sonst kein anderer Ostblockstaat. Außer Stabsübungen ließ Ceaușescu keine Manöver anderer Ostblockarmeen mit Voll­ truppe in seinem Land zu, und er beharrte darauf, auch im Krieg die alleinige Befehlsgewalt über die rumänischen Streitkräfte zu behalten und nicht an Moskau abzugeben.22 Auf der anderen Seite betonte Ceaușescu 1976 gegenüber Leonid Brežnev, »im Falle eines Krieges werden wir Rumänen an der Seite der Sowjetunion kämpfen.« Rumänien werde an der Seite der Sowjetunion stehen, »wie es vor 100 Jahren an der Seite Russlands gekämpft« habe.23 Auch westliche Geheimdienste sahen das rumänische Lavieren skeptisch und betrachteten Ceaușescu als Unsicherheitsfaktor. Laut CIA galt Rumänien auch in Moskaus Augen als der »am wenigsten verlässliche Verbündete«.24 Ceaușescu selbst pflegte dagegen sein Image als Kritiker in Moskaus eigenem Lager. Sein Werben um die Gunst des Westens hatte Erfolg, wie die Besuche des französischen Präsidenten 1968 und des amerikanischen Präsidenten Richard Nixon 1969 in Bukarest aller Welt zeigten. Neben erhofften wirtschaftlichen Vorteilen war Ceaușescus Interesse »politischer Natur, da ein priviligiertes Verhältnis zum Westen breite internationale Unterstützung für Rumänien und seine Führung garantieren und einen Sonderstatus sowie zunehmende Glaubwürdigkeit des Landes auf der in-

17 Herbstritt, Entzweite Freunde (wie Anm. 7), S. 134. 18 Ebd. und zeitgenössisch wie eingangs erwähnt Der Spiegel, 1.4.1964 (wie Anm. 1), S. 8 f. 19 Rijnoveanu, Die Konferenz (wie Anm. 2), S. 80. 20 Ebd., S. 82. 21 Ebd. 22 Herbstritt, Entzweite Freunde (wie Anm. 7), S. 142. 23 Ebd. 24 Ebd. 56 Klaus Storkmann ternationalen Bühne herbeiführen sollte«.25 Kurzum: Ceaușescu beanspruchte eine »Sonderrolle im Ost-West-Dialog«, er wollte am »komplexen globalen Balanceakt« der Supermächte beteiligt werden.26 Moskau sah Ceaușescus Agieren mit wach- sendem Unmut. Nach der Niederschlagung des Prager Reformkommunismus im August 1968 kamen im sowjetischen Generalstab Pläne, auch in Rumänien ein- zumarschien, wieder auf den Tisch. Die Führung in Moskau sah letztlich von mi- litärischen Maßnahmen ab. Das politische Risiko war zu hoch, der Schaden für Moskaus Reputation wäre noch größer geworden, als es durch den Einmarsch in die Tschechoslowakei ohnehin schon der Fall war. Stattdessen entschied sich der Kreml dafür, Rumänien in das östliche Bündnis dauerhaft einzubinden. Geduld mit dem unbotmäßigen Wackelkandidaten in Bukarest statt militärische Intervention – das war die politische Strategie für zwei Jahrzehnte.

Den sensibelsten Nerv Ost-Berlins getroffen

Erstmals öffentlich wurden die Differenzen zwischen den Parteispitzen in Ost- Berlin und Bukarest durch Berichte in der Parteizeitung »Neues Deutschland« über die erwähnte April-Deklaration 1964 und die eigenständige politische und wirt­schaftspolitische­ Position Rumäniens. Mehr als an diesem wirtschaftspoliti- schen Sonderweg oder an Ceaușescus Widerworten gegenüber Moskau nahm die DDR-Führung Anstoß daran, dass Bukarest sich Bonn annäherte. Rumänien und die Bundes­republik schlossen 1963 ein Handelsabkommen, das auch für West- Berlin galt. Ost-Berlin erfuhr erst im Nachgang davon. Die Einbeziehung West- Berlins in das Handelsabkommen mit Westdeutschland hatte den kritischen Punkt der Deutsch­landpolitik berührt und den Nerv der DDR-Führung getroffen. Das Handelsabkommen 1963 war kein einmaliger Ausrutscher Bukarests, sondern das erste Anzeichen eines außenpolitischen Richtungswechsels: Rumänien war »gewillt, generell Brücken zur Außenwelt zu schlagen«;27 zu ergänzen wäre: vor allem Brücken über die Gräben des Kalten Krieges hinweg bis nach Bonn. 1967 tat Bukarest den zweiten großen Schritt auf Bonn zu und nahm vol- le diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland auf. Bislang hatte Bonns Alleinvertretungsanspruch für ganz Deutschland diplomatische Beziehungen mit Staaten, welche die DDR anerkannten, blockiert. (Die einzige Ausnahme war Moskau, das zu wichtig war, als dass Bonn sich wegen Ost-Berlin seiner Beziehungen zur östlichen Supermacht selbst beraubt hätte.) 1967 übergab ein westdeutscher Bot­schafter sein Akkreditierungsschreiben in Bukarest, und eine rumänische Bot­ schaft öffnete am Rhein. Auf der Titelseite des »Neuen Deutschland« warf die SED-Spitze Rumänien Anfang Februar 1967 vor, es gefährde den Frieden und die

25 Rijnoveanu, Die Konferenz (wie Anm. 2), S. 82. 26 Ebd. 27 Christoph Royen, Osteuropäische Staaten. In: Drei Jahrzehnte Außenpolitik der DDR. Bestim­ mungs­faktoren, Instrumente, Aktionsfelder. Hrsg. von Hans-Adolf Jacobsen [u.a.], München, Wien 1979 (= Schriften des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. Bonn, 44), S. 599‑619, hier S. 615. Verbündete auf Distanz 57

Sicherheit in Europa.28 Die rumänische Parteiführung bediente sich ebenfalls ihres Parteiorgangs »Scînteia«, um der Ost-Berliner Führung in einem Leitartikel die »völ- lige Missachtung der Grundsätze des Marxismus-Leninismus über die Beziehungen zwischen den einzelnen sozialistischen Staaten« vorzuhalten.29 Rumänien habe die historische Tatsache akzeptiert, dass es zwei deutsche Staaten gebe, weshalb es not- wendigerweise normale Beziehungen zu beiden deutschen Staaten pflegen müsse. Rumänen trage so zur Entspannung in Europa bei.30 In den 1970er Jahren setzte sich die Entfremdung beider Parteiführungen fort. Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR analysierte die rumänische Politik 1971 folgendermaßen: Die Führung in Bukarest habe sich insbesondere in au- ßenpolitischen Fragen noch weiter von den »Grundpositionen der Bruderländer« entfernt. Rumänien orientiere sich an den »antisowjetischen Zielen« der chinesi- schen Führung.31 Ungeachtet der Differenzen reiste der neue SED-Parteichef Erich Honecker 1972 nach Bukarest und unterzeichnete mit Ceaușescu den ers- ten Freundschaftsvertrag. Doch auch dieser Vertrag war nur auf den ersten Blick Aus­druck für die Qualität der Beziehungen und bei genauerer Analyse doch ein Zeichen des schlechten Verhältnisses zueinander. Es war der letzte Vertrag, den die DDR mit ihren sogenannten Bruderstaaten abschloss. Um im Bild zu blei- ben: Rumänien war der ungeliebte, entfernte Bruder. Diese Wertung fußt auf einer Hintergrundinformation, die der Öffentlichkeit seinerzeit nicht bekannt war. Der Freundschaftsvertrag war bereits seit 1970 unterschriftsreif, Ceaușescu hatte Walter Ulbricht 1970 zur Unterzeichnung nach Bukarest eingeladen. Ulbricht hatte die Reise abgesagt, der Vertrag war in der Schublade geblieben. Erst zwei Jahre später flog sein Nachfolger im Amt des SED-Chefs nach Bukarest. Wie wirkten sich nun diese Spannungen auf höchster politischer Ebene und der rumänische Sonderweg innerhalb des Bündnisses auf die Beziehungen der Streitkräfte beider Staaten aus?

Rüstungskooperation im Zentrum der Militärbeziehungen

Die Akten des ostdeutschen Verteidigungsministeriums zeigen, dass die Kontakte zwischen beiden Streitkräften nie abbrachen. Auch in Zeiten scharfer politischer Spannungen zwischen den Parteispitzen bestanden die Kontakte zwischen den Miliärs auf der Arbeitsebene weiter. Dies war unumgänglich, denn beide Armeen gehörten einem gemeinsamen Militärbündnis an. Wegen der geografischen Ent­ fernung gab es aber in Fragen der strategischen und operativen Planung zwischen dem Hauptstab in Strausberg und dem Generalstab in Bukarest keine Berührungs­ punkte. Der rumänische Generalstab arbeitete in diesen Planungen – wenn auch

28 Europäische Sicherheit erfordert Verzicht auf Revangepolitik. In: Neues Deutschland, 3.2.1967, S. 1. 29 Royen, Osteuropäische Staaten (wie Anm. 27), S. 615. 30 Herbstritt, Entzweite Freunde (wie Anm. 7), S. 154. 31 MfS, ZAIG, 16.12.1971: Auskunft über einige Aspekte der Innen- und Außenpolitik der Führung der Rumänischen Kommunistischen Partei, BStU, MfS, ZAIG, 5483, zitiert nach: Herbstritt, Entzweite Freunde (wie Anm. 7), S. 163. 58 Klaus Storkmann stets auf seine Autonomie bedacht – mit der Sowjetunion, mit Bulgarien und mit Ungarn zusammen. Der Fixstern der DDR-Streitkräfte waren die im Land stati- onierten sowjetischen Truppen. Auch mit den Nachbararmeen in Polen und der Tschechoslowakei gab es gemeinsame operative Planungen. Zu wirklichen Kontakten zwischen den Generalstäben Rumäniens und der DDR auf operativer Ebene kam es nur bei Manövern im Rahmen der Vereinten Streitkräfte der Warschauer Vertrags­organisation.32 Wenn es auch keine operative Zusammenarbeit gab, so zeigen die Quellen doch etliche andere Berührungspunkte beider Armeen. Die ältesten überlieferten Akten aus dem Verteidigungsministerium der DDR dokumentieren Ur­lau­ber­aus­ tauschprogramme der späten 1950er Jahre. Im Jahr 1959 beispielsweise machten 38 Rumänen (Offiziere und ihre Familienangehörigen) Urlaub in Prora an der Ostsee und 34 Ostdeutsche Urlaub in Mamaia am Schwarzen Meer.33 Solche Programme bildeten aber nicht den Mittelpunkt der Militär­kon­takte, im Zentrum stand die Kooperation in der Rüstung und der Entwicklung neuer Militärtechnik. Eine Quelle aus dem Jahr 1972 soll dies exemplarisch demonstrieren. In dem Schreiben des ru- mänischen Verteidigungs­ministers (die genaue Amtsbezeichnung lautete: Minister für Streitkräfte) an seinen ostdeutschen Amtskollegen ging es um die künftige Zusammenarbeit der Warschauer Vertragsstreitkräfte bei der Einführung eines au- tomatisierten Systems zur Truppenführung der Landstreitkräfte – eines der großen Themen in allen Armeen in den 1970er Jahren, wie zahlreiche Akten der ostdeut- schen wie auch der westdeutschen Streitkräfte belegen. Rumäniens Verteidigungs­ minister war mit der künftigen Kooperation und Koordinierung im Prinzip ein- verstanden; man sollte sich aber zunächst mit der Arbeit an einer theoretischen Konzeption befassen.34 Die Rüstungskooperation begann nicht erst 1972, sondern schon 1958 mit ei- nem Rahmenabkommen für die nächsten fünf Jahre und einem konkreten Über­ein­ kommen für das Folgejahr. Rumänien lieferte der DDR 1959 Militärtechnik im Wert von 4 Mio. Transferrubel, die DDR lieferte an Rumänien Militärtechnik im Wert von 68 000 Transferrubel.35 Das Missverhältnis zwischen den finanziell bezifferten Leistungen war kein Einzelfall. Die Quellen zeigen auch für die folgenden Jahre und Jahrzehnte eine konstante Unausgeglichenheit in den Geschäften: Zwischen 1960 und 1965 beliefen sich die Lieferungen aus Rumänien an die DDR-Streitkräfte auf 55 Mio. Transferrubel. Die DDR lieferte an Rumänien Militärtechnik im Wert von 1,2 Mio. Transferrubel. Rumäniens Industrie lieferte unter anderem Panzerfäuste, Flugabwehr-Maschinengewehre sowie Übungs- und Exerziergranaten. Aus DDR- Produktion­ gingen Ferngläser, Periskope und Funkgeräte an die rumänischen Streit­kräfte.36 32 Hierzu ausführlich die Studie von Christoph Nübel in diesem Band. 33 BArch, DVW 1/6353, Bl. 3. 34 Minister für Streitkräfte Rumäniens an Verteidigungsminister der DDR, 13.6.1972, BArch, DVW 1/26962, Bl. 46‑48. 35 Abkommen zwischen den Regierungen Rumäniens und der DDR über gegenseitige Lieferung von Rüstungsgütern 1959, 27.10.1958, BArch, DVW 1/53029. 36 Abkommen zwischen den Regierungen Rumäniens und der DDR über gegenseitige Lieferung von Rüstungsgütern 1960 bis 1965, 18.7.1958, BArch, DVW 1/53030 und 53031. Verbündete auf Distanz 59

Wert der vertraglich vereinbarten Lieferungen von Rüstungsgütern und Militärtechnik zwischen der DDR und Rumänien in Mio. Transferrubel

Zeitraum Aus Rumänien in die DDR Aus der DDR nach Rumänien 1960 bis 1965a) 55 1,2 1976 bis 1980b) 33 5,2 1981 bis 1985c) 160 13,6 1986 bis 1990d) 190 29 a) Abkommen zwischen den Regierungen Rumäniens und der DDR über gegenseitige Lieferung von Rüstungsgütern 1960 bis 1965, 18.7.1958, BArch, DVW 1/53030 und 53031. b) Abkommen zwischen den Regierungen Rumäniens und der DDR über gegenseitige Lieferung von spezieller Ausrüstung 1976 bis 1980, 21.11.1975, BArch, DVW 1/53038. c) Abkommen zwischen den Regierungen Rumäniens und der DDR über gegenseitige Lieferung von spezieller Ausrüstung 1981 bis 1985, 26.11.1981, BArch, DVW 1/53047. d) Abkommen zwischen den Regierungen Rumäniens und der DDR über gegenseitige Lieferung von spezieller Ausrüstung 1986 bis 1990, 7.11.1985, BArch, DVW 1/53052.

Auf den ersten Blick wird deutlich: Der Wert der Lieferungen nahm über die Jahre kontinuierlich zu. Zugleich blieb das Missverhältnis in den finanziell bezifferten Leistungen auch in den 1970er Jahren bestehen. Das bilateriale Abkommen für 1976 bis 1980 sah rumänische Lieferungen im Wert von 33 Mio. Transferrubel vor, die DDR sollte an Rumänien Militärtechnik im Wert von 5,2 Mio. Transferrubel lie- fern.37 Rumäniens Industrie exportierte unter anderem Maschinengewehre und da- zugehörige Munition sowie Übungs- und Exerziergranaten. Aus DDR-Produktion gingen beispielsweise Fernschreiber und Telegrafiergeräte, Mikroverfilmungssysteme und Brückenlegegerät an die rumänischen Streitkräfte.38 Die unausgeglichene Handelsbilanz setzte sich in den 1980er Jahren fort. Das bilateriale Abkommen für 1981 bis 1985 benannte rumänische Lieferungen im Wert von 160 Mio. Transferrubel, die DDR hatte nach Rumänien Militärtechnik im Wert von 13,6 Mio. Transferrubel auszuführen. Auf der rumänischen Exportliste standen Maschinengewehre, Pistolen, 120-mm-Granatwerfer sowie 14,5-mm-Panzerabwehr-Maschinengewehre, jeweils inklusive Munition. Die Lieferungen aus der DDR umfassten Brückenlegegerät und Entfernungsmesser. Außerdem bot die DDR Instandsetzungsleistungen für Motoren an.39 Das bilaterale Abkommen für 1986 bis 1990 plante mit rumänischen Lieferungen im Wert von 190 Mio. Transferrubel und mit DDR-Militärtechnik für Rumänien im Wert von 29 Mio. Transferrubel. Die Liste umfasste aus Rumänien Schützenpanzerwagen BTR-70 mitsamt Motoren und Ersatzteilen, Granatwerfer, Flammen­werfer, Maschinengewehre sowie 14,5-mm-Panzerabwehr-Maschinenge­

37 Die neuen Verträge ersetzten den bisherigen Begriff »Rüstungsgüter« durch die DDR-typische Vokabel »spezielle Ausrüstung«. Abkommen zwischen den Regierungen Rumäniens und der DDR über gegenseitige Lieferung von spezieller Ausrüstung 1976 bis 1980, 21.11.1975, BArch, DVW 1/53038. 38 Ebd. 39 Abkommen zwischen den Regierungen Rumäniens und der DDR über gegenseitige Lieferung von spezieller Ausrüstung 1981 bis 1985, 26.11.1981, BArch, DVW 1/53047. 60 Klaus Storkmann wehre, wiederum inklusive Munition. Die Lieferungen aus der DDR bestanden in Brückenlegegerät und Ersatzteilen für nicht näher benannte elektronische Appa­ra­ turen und Stromerzeuger. Außerdem bot die DDR Instandsetzungs­leistungen für Kampf­fl ugzeuge MiG-23 und Schiffsmotoren an.40 Insgesamt zeigen die jährlichen Verträge über 30 Jahre hinweg eine ähnliche Palette im Rüstungsgüterhandel. Da die Lieferungen in Transferrubel berechnet und verrechnet wurden, zahlte die DDR netto ungleich mehr an Rumänien. Der rumäni- sche Staatshaushalt konnte so bei den Rüstungschäften mit den Ostdeutschen jedes Jahr einen hohen Netto-Gewinn verbuchen. Darüber hinaus konzentrierten sich die Militärkontakte auf gegenseitige Besuche. So reiste 1970 der rumänische Minister für Streitkräfte in die DDR, 1972 folgte der Gegenbesuch Armeegeneral Hoffmanns in Bukarest. Im Jahr 1976 flog Hoffmann erneut offiziell nach Bukarest. Der für 1978 geplante Gegenbesuch des rumänischen Ministers wurde von rumänischer Seite kurzfristig abgesagt. 1980 erneuerte die DDR die Einladung, und im Mai 1981 reiste der rumänische Verteidigungsminister in die DDR.41 Die Besuchsdiplomatie zeigt: Abgesehen von der rumänischen Absage 1978 rissen auch während der 1970er Jahre die Militärbeziehungen auf höchster Ebene nicht ab.

Intensivierung der Militärkontakte im Zuge der verbesserten politischen Beziehungen

Die unterkühlten politischen Beziehungen verbesserten sich in den 1980er Jahren langsam, aber dauerhaft. Dazu trug, das hat die Forschung gezeigt, auch die gegen- seitige Sympathie der beiden Staats- und Parteichefs bei. Ein deutliches Zeichen der intensivierten Beziehungen wie auch der persönlichen Wertschätzung beider Politiker waren die häufigen gegenseitigen Besuche in den 1980er Jahren (siehe Dok. 12). Viermal besuchte Ceaușescu Ost-Berlin: 1984, 1985, 1988 und zuletzt im Oktober 1989. Viermal auch weilte Honecker in Bukarest: 1972, 1980, 1984 und 1987. Als einziger Staats- und Parteichef aus dem Ostbock nahm er 1984 an den Feiern zum rumänischen Nationalfeiertag teil. Auch dies war ein klares Zeichen. Der frühere Botschafter der DDR in Bukarest, Siegfried Bock, sprach rückblickend gar von einer »Altherrenfreundschaft« zwischen Honecker und Ceaușescu.42 Politik primär mit Symphatien oder Antipathien und durch persönliche Freund­ schaften der Staatsmänner zu erklären greift aber zu kurz. Nach einem Bonmot, das Charles de Gaulle und auch dem britischen Premierminister Henry John Temple Viscount Palmerston zugeschriebenen wird, kennen Staaten keine Freunde, sondern nur Interessen. Im Fall Rumäniens reihte sich dessen Interesse an der Intensivierung der bilateralen Beziehungen zur DDR in die Wiederannäherung Ceaușescus an Moskau

40 Abkommen zwischen den Regierungen Rumäniens und der DDR über gegenseitige Lieferung von spezieller Ausrüstung 1986 bis 1990, 7.11.1985, BArch, DVW 1/53052. 41 Aktennotiz für den Stellvertreter des Verteidigungsministers Rumäniens und Chef des Hauptstabs, 26.3.1981, BArch, DVW 1/167135. 42 Herbstritt, Entzweite Freunde (wie Anm. 7), S. 244. Verbündete auf Distanz 61 ein. Seit Ende 1984 gab Ceaușescu seinen außenpolitischen Sonderweg mehr und mehr auf und folgte wieder dem Prinzip der Bündnistreue. Zu dieser Kehrtwende trug vor allem die zunehmende Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation Rumäniens bei. Moskau setzte erfolgreich, aber zum Nachteil Rumäniens den wirt- schaftlichen Hebel an. Ungeachtet oder gerade ob dieser neuen Einordnung in die Blockdiszipin lag es im Interesse der rumänischen Führung, auch enge Beziehungen zu den anderen Führern im Bündnis zu pflegen. Mit dem Ende des rumänischen Sonderwegs intensivierten sich gleichfalls die Militärbeziehungen. Offensichtlichster Ausdruck dessen waren gegenseitige Besuche der Verteidigungsminister. Nach Jahren der Flaute kam 1981 wieder Bewegung in die Besuchsdiplomatie in Uniform. Der Chef des Hauptstabs der NVA, Generaloberst Fritz Streletz, er- hielt 1981 eine Einladung nach Rumänien. Sein Amtskollege Generaloberst Vasile Milea schrieb, er sei »gewiss [...], der freundschaftliche Dialog werde dem besse- ren gegenseitigen Kennenlernen und Verständnis dienen«.43 Die für internationale Beziehungen zuständige Abteilung im Hauptstab riet, die Einladung nach Bukarest nicht anzunehmen, jedenfalls nicht zu diesem frühen Zeitpunkt. Zunächst soll- te der für Mai 1981 geplante Besuch des rumänischen Verteidigungsministers in der DDR stattfinden. Auch sollte Streletz’ erste offizielle Auslandsreise als Chef des Hauptstabs nicht nach Rumänien führen, sondern eher in die Sowjetunion oder nach Polen, empfahl der Rat der Offiziere.44 Im Juni 1981 landete der rumänische Verteidigungsminister, Generalmajor Constantin Olteanu, zu einem lange geplanten Besuch in Ost-Berlin. Laut Rückmeldung des DDR-Militärattachés in Bukarest habe Olteanu seinen Besuch hoch geschätzt. Die Gespräche seien »sehr nützlich, offen und klar« gewesen.45 Auch die für internationale Beziehungen zuständige Abteilung des DDR-Verteidigungsministeriums bewertete den Besuch als »reibungslos und ohne Vorkommnisse«: »Nach anfangs zurückhaltendem Verhalten« wurden der Minister und seine Begleitung »aufgeschlossener«.46 Laut Gesprächsnotizen habe der rumänische Minister betont, sein Land sei »Mitglied des Warschauer Vertrages und werde seine Verpflichtungen stets zuverlässig erfüllen. Die Rumänische Volksarmee [sei] bereit, die sozialistischen Errungenschaften gegen jeden Feind zu verteidigen [...] Entsprechend der strategischen Aufgabenstellung [vollziehe] sich das militäri- sche Zusammenwirken in erster Linie mit der Sowjetarmee, der Bulgarischen und der Ungarischen Volksarmee«.47 Im Mai 1982 stattete Armeegeneral Hoffmann Rumänien seinen Gegenbesuch ab. Er blieb eine volle Woche.48 In seinem Gespräch

43 Erster Stellvertreter des Verteidigungsministers Rumäniens und Chef des Generalstabs an stellver- tretenden Verteidigungsminister der DDR und Chef des Hauptstabes der NVA, 26.2.1981, BArch, DVW 1/167135. 44 Aktennotiz für den Stellvertreter des Verteidigungsministers Rumäniens und Chef des Hauptstabs, 26.3.1981, BArch, DVW 1/167135. Streletz war seit Januar 1979 Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung und Chef des Hauptstabes und hat offenbar bis Anfang 1981 keine offizi- ellen Delegationsreisen ins Ausland angeführt. 45 MfNV, Chef Verwaltung Aufklärung, 12.6.1981, BArch, DVW 1/167135. 46 MfNV, Chef Verwaltung Internationale Verbindungen, 9.6.1981, BArch, DVW 1/167135. 47 Ebd. 48 MfNV, Programm für den Besuch einer Militärdelegation in Rumänien 25.5 bis 29.5.1982, BArch, DVW 1/167135. 62 Klaus Storkmann mit Ceaușescu traten trotz aller diplomatischen Höflichkeiten und sozialistischen Floskeln die politischen Differenzen offen zutage. Als der ostdeutsche Minister Ceaușescus »Äußerungen zur allgemeinen weltpolitischen Lage nicht unwiderspro- chen lassen [wollte], ging dieser, wie es in einem Bericht hieß, über die Einwände und Bemerkungen Hoffmanns einfach hinweg«.49 Auch andere Dokumente des DDR-Verteidigungsministeriums belegen, dass die Skepsis gegenüber der Außenpolitik Rumäniens nicht verschwunden war. Ceaușescu gab sich alle Mühe, seinen eigene, von Moskau abweichende Position bei Gelegenheit erneut zu zeigen. Die Gelegenheit bot sich 1983 dank der Nachrüstungskrise in Europa. Im rumänischen Fernsehen betonte Ceaușescu am 16. Februar 1983, dass die Rüstungen beider Seiten den Frieden in Europa gefährdeten. Es dürften keine amerikanischen Raketen in Westeuropa stationiert werden. Aber auch die sowje- tischen Mittelstreckenraketen müssten zurückgenommen und vernichtet werden. Nach Einschätzung des DDR-Militärattachés in Bukarest sei Ceaușescu damit »be- deutend von den Positionen der Warschauer Vertragsorganisation abgewichen«: »Die Sonderposition der SRR zu Abrüstungsfragen [hat] eine weitere Ausprägung erfahren.«50 Neben den Gesprächen der Verteidigungsminister intensivierten sich auch Kontakte auf der Arbeitsebene, unter anderem zwischen den Grenztruppen. 1982 reiste der Chef der rumänischen Grenztruppen, Vasile Petruț, zu einem Arbeitsbesuch in die DDR, den sein ostdeutscher Amtskollege, Generalleunant Klaus-Dieter Baumgarten, im Folgejahr erwiderte. 1986 folgte ein Besuch des nunmehrigen ru- mänischen Grenztruppenchefs, Generalleutnant Constantin Călinoiu, bei seinem DDR-Amtskollegen. Keine Frage: Auf dem Gebiet der Grenzsicherung besaß die DDR große Expertise. Die Rumänen interessierten sich sehr für die ostdeutschen Erfahrungen, hatten sie doch eine Grenze nach Jugoslawien zu sichern. Im Zentrum der Militärkontakte standen die Grenztruppen aber nicht. Der Schwerpunkt war und blieb die technische Kooperation auf Gebieten der Rüstung und der Entwicklung neuer Technik. Im Zuge dessen reiste der Kommandeur des Militärtechnischen Instituts der NVA 1983 nach Bukarest und traf sich mit dem Chef Technik und Bewaffnung der rumänischen Streitkräfte, Generalleutnant Victor-Atanasie Stănculescu. Laut internen Berichten der ostdeutschen Militärs, die wie üblich ihren Weg zum Ministerium für Staatssicherheit fanden, ging es in den Gesprächen nicht nur um Rüstung und Miliärtechnik. Vielmehr überraschte der rumänische General seinen deutschen Gast mit einer kritischen Schilderung der ka- tastrophalen Wirtschaftslage Rumäniens. Dass Generalleutnant Stănculescu diese of- fene Kritik an der Politik Ceaușescus schon 1983 wagte, lag auch daran, dass er den Berichten an die Staatsicherheit zufolge sehr gut Deutsch sprach und auf die Dienste

49 MfNV, Bericht von Armeegeneral Hoffmann über den Aufenthalt einer offiziellen Militärdelegation der NVA in Rumänien Mai 1982, BArch, AZN 32644, zitiert nach Wenzke, Sozialistische Waffen­ brüder? (wie Anm. 6), S. 106. 50 MfNV, Chef Verwaltung Aufklärung, 18.2.1983, BArch, DVW 1/167135. Verbündete auf Distanz 63 eines Dolmetschers verzichten konnte. Die erstaunlich offenen Worte fielen unter vier Augen – fanden aber ihren Weg in die Akten des ostdeutschen Geheimdienstes.51

Der rumänische Militärattaché in Ost-Berlin

Neben den gegenseitigen Besuchsreisen liefen die Militärkontakte vor allem über die Büros der beiden Militärattachés. Der rumänische Militärattaché in Ost- Berlin Oberst Mihai Burbulea wurde 1974 akkreditiert und blieb bis 1990 in der DDR. Die internen Vermerke der Verwaltung für internationale Verbindungen des DDR-Verteidigungsminsteriums hielten in den 1980er Jahren wiederholt fest, dass Burbulea seine Rückkehr in die Heimat ankündigte. Bald waren dessen persönliche Probleme und sein Rückkehrwunsch das wichtigste Thema der Gespräche – zumin- dest für ihn. Doch Burbulea musste 16 Jahre lang auf seinem Posten in der Botschaft in Ost-Berlin bleiben. Die internen Vermerke zeigen seine zunehmende persönliche Frustration. Ein neuer jüngerer Militärattaché kam im Mai 1990 in Ost-Berlin an. Der alte und der neue Militärattaché nahmen von nun an Termine gemeinsam wahr. Nach dem Ende der Ceaușescu-Diktatur klagte der rumänische Oberst auf Posten in Ost-Berlin offen über die schwere Zeit unter dem alten Regime. Dazu zählte Burbulea auch die Kürzung der Militärattaché-Stellen. Nach seinen Angaben habe Rumänien 1989 außer in Ost-Berlin nur noch Militärattachés in Sofia, Belgrad und Paris gehabt. Die Verantwortung für die rigorose Beschneidung der Militärattaché- Stellen schrieb Burbulea der Ehefrau des Diktators, Elena Ceaușescu, zu (siehe Dok. 14).52 Die überlieferten Mitschriften und Berichte über die Gespräche mit dem Oberst an der rumänischen Botschaft zeigen zumeist eine wissenschaflich wenig ergiebi- ge Ansammlung von diplomatischen Floskeln und sozialistischen Phrasen. Zu den konkreten Interessen des Militärattachés gehörten Fragen der Organisation des Militärgeografischen Dienstes der NVA und ihres Militärerholungswesens: »Wem sind die Erholungsheime untergeordnet? Wie oft kann man solche Erholungsheime in einem Jahr benützen? Wer übernimmt die Kosten für die Unterkunft und wie hoch sind diese Kosten?«53 Im Spätsommer und Herbst 1989 wurde der alternde rumänische Militärattaché nochmals richtig gefordert – offenbar im Rahmen einer rumänischen Propagandaoffensive im Ausland. Auf Weisung aus Bukarest fuhr der Oberst in Kasernen der NVA und hielt dort augenscheinlich in Bukarest verfasste Vorträge über Rumänien und seine Streikräfte (siehe Dok. 16). Seinen ersten Vortrag hielt Burbulea im August 1989 in der Politabteilung des Ver­tei­digungsministeriums in Strausberg. Der interne Vermerk der Verwaltung 51 MfS, HA I, 5.1.1984: Informationen zur Sozialistischen Republik Rumänien, BStU, MfS, ZAIG, 14072, zitiert nach Herbstritt, Entzweite Freunde (wie Anm. 7), S. 249. 52 Aktennotizen Verwaltung Internationale Verbindungen des Verteidigungsministeriums der DDR, 10.4.1990 und 16.5.1990, BArch, DVW 1/42411, Bl. 37‑40. Merkwürdigerweise wurde Moskau in dieser Reihe nicht genannt. In einem anderen Gespräch war von fünf Militärattachés die Rede, der fünfte könnte der in Moskau gewesen sein. 53 Militärattaché Rumäniens an Chef Verwaltung Internationale Verbindungen des Verteidigungs­ ministeriums der DDR, 14.2.1985, BArch, DVW 1/42411, Bl. 99. 64 Klaus Storkmann

Inter­nationale Verbindungen des DDR-Verteidigungsministeriums gibt einen schonungs­losen Einblick in den Verlauf der Veranstaltung. Zur Verstärkung der Wir­kung des Vortrags hatte Bukarest einen neuen Film bereitgestellt: »Für natio- nale Unab­ ­hängigkeit, Frieden und Freiheit«, ein Propagandawerk. »Der Farbfilm war vollkommen neu (1989), aktuell, informativ«, hieß es in einem ministeriellen Vermer­ k; »Die Person N. Ceaușescu und seine Gattin standen weiterhin stark im Mittel­punkt des Films.«54 Dieser Film wurde in den Kasernen stets nach den Vorträgen des Militärattachés gezeigt. Das MfNV monierte, dass es der Militärattaché nach seinem Vortrag strikt abgelehnt habe, auf Fragen der Zuhörer einzugehen: Er habe »kein Mandat dazu«; »Film und Vortrag hätten alle Fragen beantwortet«. Als Gastgeber sprach auch Generalmajor Ernst Kusch freundliche Begrüßungswor­ te. Der Chef der Politischen Hauptverwaltung, Generaloberst Horst Brünner, sei ja 1988 in Rumänien gewe- sen und habe »angenehme Eindrücke« gesammelt. Rumänien sei »kein armes Land«, es gebe »viele Autos«; Rumänien sei »eine der wenigen echten Banken des Sozialismus«.55 Nach Einschätzung des Politgenerals der NVA schien auf Rumänien unter Ceaușescu weiter politisch Verlass zu sein, im Gegensatz zu Polen, Ungarn und der Sowjetunion. Der rumänische Gast hatte weniger Interesse an der großen Politik oder Ideologie. Ihn beschäftigten wie gehabt vor allem persönliche Probleme. Auch vor den Offizieren des DDR-Verteidigungsministeriums konnte er es sich nicht verkneifen, auf seine hoffentlich baldige Rückkehr in die Heimat und Pensionierung hinzuweisen. Der Vermerk verzeichnete die Ausführung des Oberst über die »paradiesische Lage seines Hauses« und den »einen Hektar großen Garten«. Dies verleitete Kusch zu der Frage, »ob er vielleicht mal sein Zelt im Garten des Militärattachés aufstellen dürfe«.56 Ob dies echtes Interesse ausdrückte oder süffisante Kritik, muss offen bleiben. In den nächsten Wochen trug der rumänische Oberst in der Militärpolitischen Hochschule Berlin-Grünau, in der 6. Flottille Dranske auf Rügen, im Haus der NVA in Erfurt und im Ausbildungszentrum in Delitzsch vor – stets mit Farbfilm und ohne Fragen zuzulassen.57

Ein später Aufschwung der Beziehungen Ende der 1980er Jahre – und das Ende

Die »Altherrenfreundschaft«58 zwischen Honecker und Ceaușescu wurde immer enger, je weiter sich beide von Gorbačevs Politik entfernten. Honecker zeichnete Ceaușescu 1988 zu seinem 70. Geburtstag mit dem Karl-Marx-Orden aus und wür-

54 Aktennotiz Verwaltung Internationale Verbindungen des Verteidigungsministeriums der DDR, 17.8.1989, BArch, DVW 1/42411, Bl. 132 f. 55 Ebd. 56 Ebd. 57 Ebd, Bl. 131‑137. 58 Wiederum Herbstritt, Entzweite Freunde (wie Anm. 7), S. 244. Verbündete auf Distanz 65 digte damit seine Ablehnung der sowjetischen Perestroika.59 Honecker reiste auch zur Tagung des Politischen Beratenden Ausschusses des Warschauer Paktes im Juli 1989 nach Bukarest. Die Tagung der Ostblockführer in Bukarest war die letzte im gewohnten Kreis. Die Zeichen der Veränderung standen wie Menetekel an der Wand des Tagungssaales. Honecker und Ceaușescu waren keineswegs blind – und wollten den Untergang ihrer Herrschaft verhindern. So wurde aus der »Altherr­ en­ freundschaft« schließlich eine enge politische Verbindung. Die beiden waren sich in der Ablehnung von Gorbačevs Politik der Veränderungen einig und kritisierten den Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU immer unverblümter. Auch gegen die Reformregierung in Warschau ging Ceaușescu 1989 auf offenen Kon­ frontationskurs.­ Er rief die anderen Parteichefs auf zu verhindern, dass Polen in die »Hände reaktionärer Kreise gelange«. Dass ging selbst Honecker zu weit. Ceaușescu stand allein gegen die polnische Führung. Unter Historikern herrscht in diesem Punkt weitgehend Einigkeit. »Ungeachtet aller Sympathien für den reformfeindlichen Kurs des rumänischen Diktators,« stellt Hermann Wentker fest, »sah die DDR-Führung, dass die vorgeschlagene Frontbildung gegen Polen keine Aussicht auf Erfolg hatte.«60 Ähnlich betont Benno- Eide Siebs das Dilemma von Honeckers Nähe zu Ceaușescu: »Nur das genauso kompromisslos agierende Rumänien vertrat ähnliche Positionen. Jedoch war dies kein Bündnisgenosse von internationalem Renommee, sondern eher eine zusätzli- che Bürde, weshalb es auch nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen beider Staaten kam.«61 Anneli Ute Gabanyi sieht ein »Sonderbündnis der Dogmatiker« innerhalb des Ostblocks, zu dem sie neben Honecker und Ceaușescu auch den Tschechen Miloš Jakeš zählt.62 Das »informelle Bündnis der politischen Hardliner«63 in Bukarest und Ost- Berlin beflügelte auch die Militärbeziehungen. 1988 besuchte erneut der rumänische Verteidigungsminister­ die DDR. In Begleitung von Generaloberst Vasile Milea reiste Ilie Ceaușescu. Der Bruder des Staats- und Parteichefs hatte als Generalleutnant den Posten eines Stellvertretenden Verteidigungsministers inne.64 Den obligatorischen Gegenbesuch führte nicht der DDR-Verteidigungsminister durch, sondern der Chef der Politischen Hauptverwaltung, Generaloberst Horst Brünner. Im Juli 1989 reiste Brünner erneut zu Gesprächen nach Bukarest, nachdem er bereits 1988 dort zu Gast gewesen war.65 Brünner wurde auch von Staats- und Parteichef Ceaușescu empfan- gen. Das »Neue Deutschland« berichtete ausführlich.66 . Den letzten Besuch rumänischer Militärs in der DDR verzeichnen die Akten für den 2. November 1989. Der Chef der Luftverteidigung, Generaloberst Mircea

59 Thomas Kunze, Nicolae Ceauşescu. Eine Biographie, Berlin 2009, S. 352. 60 Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen, (wie Anm. 8), S. 529 f. 61 Siebs, Die Außenpolitik der DDR (wie Anm. 8). S. 352. 62 Zit. nach Herbstritt, Entzweite Freunde (wie Anm. 7), S. 245. 63 Ebd., S. 247. 64 Schreiben des DDR-Verteidigungsministers an den rumänischen Verteidigungsminister, 15.1.1988, und Antwortschreiben, eingegangen am 23.4.1988, BArch, DVW 1/167135. 65 Aktennotiz Verwaltung Internationale Verbindungen des Verteidigungsministeriums der DDR, 17.8.1989, BArch, DVW 1/42411, Bl. 132 f. 66 Ceaușescu empfing DDR-Militärs in Bukarest. In: Neues Deutschland, 21.7.1989, S. 5. 66 Klaus Storkmann

Mocanu, führte Gespräche mit dem Chef der DDR-Luftstreitkräfte/Luftv­er­tei­di­ gung. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Friedliche Revolution in der DDR bereits Staats- und Parteichef Honecker aus dem Amt gefegt, eine Woche später fiel die Berliner Mauer. Die Revolution in Rumänien ließ auf sich warten, noch sieben Wochen hielt sich das Ceaușescu-Regime mit Waffengewalt an der Macht. Am 22. Dezember 1989 floh Ceaușescu mit seiner Frau und wenigen letzten Getreuen aus Bukarest. Am 25. Dezember wurden die Ceaușescus nach sprichwörtlich kurzem Prozess exekutiert. Weniger bekannt ist, dass der Chef der Verwaltung Internationale Verbindungen des DDR-Verteidigungsministeriums am 28. Dezember die rumäni- sche Botschaft besuchte und dem Militärattaché seine »solidarische Haltung« und seine »Hochachtung vor den rumänischen Streitkräften«67 erklärte. Bekanntermaßen hatten die Streitkräfte während des Volksaufstandes gegen das Ceaușescu-Regimes die Seiten gewechselt und so den Sturz des Diktators ermöglicht – und ihn schnell hingerichtet. Die Notizen der ostdeutschen Militärs vermerken einen »psychisch und physisch gezeichneten« Militärattaché, der sehr fahrig wirkte: »Die Lage wird durch die Armee kontrolliert, das Leben normalisiert sich. Es gibt aber noch feindliche aus- ländische Kommandos, Diversanten- und Terrorgruppen, die immer wieder bewaff- nete Auseinandersetzungen provozieren. Die Armee werde diese Gruppen mit mili- tärischer Gewalt zerschlagen, will aber ein Blutvergießen unter der Zivilbevölkerung verhindern.«68 Das Trugbild von den angeblichen in Rumänien operierenden feindlichen auslän- dischen Kommandos, Diversanten- und Terrorgruppen war eine der Erzählungen, mit denen die Streitkräfte und die früheren Regimeanhänger ihre Unentbehrlichkeit unterstreichen und ihre Position in revolutionärer Zeit stärken wollten. In den folgen- den Tagen und Monaten informierten sich Offiziere der Verwaltung Internationale Verbindungen erneut in der Botschaft über die Lage in Rumänien. Stets galt es, sich gegenseitig über die neuesten Entwicklungen in Staat und Streitkräften auf dem Laufenden zu halten. In beiden Ländern und ihren Streitkräften blieb 1990 buch- stäblich kein Stein auf dem anderen. In den rumänischen Streitkräften wurden bis März 1990 laut Militärattaché 20 Generale entlassen, aber noch keine Nachfolger eingesetzt. Generell besitze Präsident Ion Iliescu wenig Autorität, berichtete der ru- mänische Oberst.69 Die rumänische Seite bemühte sich im April und Mai 1990 intensiv um einen Besuch des neuen Abrüstungs- und Verteidigungsminister Rainer Eppelmann in Rumänien, der aber wohl nicht zustande kam.70 Eppelmann hatte während seiner kurzen Amtszeit 1990 erst mit der Reform, dann mit der Auflösung der DDR-Streit­ kräfte mehr als genug zu tun. Für einen Besuch in Bukarest blieb da keine Zeit; er stand auch sicher nicht oben auf Eppelmanns Prioritätenliste. 67 Aktennotiz Verwaltung Internationale Verbindungen des Verteidigungsministeriums der DDR, 29.12.1989, BArch, DVW 1/42411. 68 Ebd. 69 Aktennotiz Verwaltung Internationale Verbindungen des Verteidigungsministeriums der DDR, 14.3.1990, BArch, DVW 1/42411. Weitere Gespräche verzeichnen die Quellen für den 30. Januar, den 27. Februar, den 13. März, den 9. April, den 3. Mai, den 15. Mai, den 21. Mai und den 29. Mai 1990. 70 BArch, DVW 1/42411. Verbündete auf Distanz 67

Fazit: Verbündete auf Distanz – geografisch wie politisch

Zusammenfassend ist festzuhalten: Die DDR und Rumänien blieben über vier Jahrzehnte nominell Verbündete innerhalb des Ostblocks, aber Verbündete auf Distanz. Die Distanz war nicht nur der geografischen Entfernung geschuldet, son- dern auch den politischen Differenzen. Rumänien ging unter Ceaușescu wie schon unter seinem Vorgänger Gheorghiu-Dej eigene Wege. Der rumänische Sonderweg machte das Land in den 1960er und 1970er Jahren zu einem unsicheren Faktor, der für Ost und West nicht kalkulierbar war. Doch ungeachtet der politischen Unsicherheiten rissen die Kontakte zwischen ostdeutschen und rumänischen Streitkräften auch in schwierigen Zeiten nie ab. Die militärische Kooperation zwischen der DDR und Rumänien setzte sich in den spä- ten 1960er und 1970er Jahren fort. Erstaunlich häufige gegenseitige Besuche der Verteidigungsminister zeugen davon. In den 1980er Jahren näherte sich Ceaușescu wieder der Sowjetunion an und unterwarf sich mehr und mehr der Bündnisdisziplin. Die Kooperation zwischen den rumänischen und ostdeutschen Streitkräften nahm ei- nen erkennbaren Aufschwung, ablesbar an dem steigenden Wert der wechselseitigen Rüstungslieferungen und der wachsenden Zahl von Besuchen auf der Arbeitsebene. In den späten 1980er Jahren erlebten die ostdeutsch-rumänischen Beziehungen eine Renaissance, vorangetrieben durch eine »Altherrenfreundschaft« Honeckers und Ceaușescus, die sich in der Ablehnung Gorbačevs einig waren. Desgleichen erlebten die Militär­beziehungen Ende der 1980er Jahre eine späte Blüte. Insofern lassen sich die Militär­beziehungen, auch das zeigt das ostdeutsch-rumänische Beispiel, als ein Spiegel der politischen Großwetterlage verstehen.

Gemeinsame Übungen im Bündnis

Christoph Nübel

Zwischen Bündnispflichten und Eigeninteressen. Die DDR, Rumänien und das Manöver »Waffenbrüderschaft« 1970

Im Herbst des Jahres 1970 wurde die DDR Schauplatz eines großangelegten Manövers der Warschauer Vertragsorganisation (WVO), an dem insgesamt 72 000 Militär­angehörige teilnahmen. »Waffenbrüderschaft« war Teil einer internationa- len Manöverserie der WVO und brachte erstmals alle sieben Bündnisstreitkräfte auf dem Gefechtsfeld zusammen. Während des Manövers, das zwischen dem 12. und 18. Oktober 1970 stattfand, informierte die eigens gedruckte Zeitung »Waf­ fen­brüderschaft« die Soldaten über das Übungsgeschehen und berichtete aus- führlich über das harmonische Zusammenwirken der verbündeten Streitkräfte. »Waffenbrüderschaft« gab im Zeitungskopf an, ein Zusammenschluss von sieben Militärzeitungen der Verbündeten zu sein, darunter die ostdeutsche »Volksarmee« und die rumänische »Apărarea Patriei«. Sie unterstrich den internationalen Charakter der Ereignisse, indem sie in allen Landessprachen der beteiligten Streitkräfte erschien, so auch in 300 rumänischen Exemplaren. In der dritten Nummer berichtete sie über ein Gespräch mit dem rumänischen Oberstleutnant Victor Lacatusu. Dieser teilte mit, dass er begierig darauf gewesen sei, am Manöver teilzunehmen, und betonte den »großen Nutzen, [...] mit den Genossen der Bruderarmeen zusammenzuarbei- ten«. Das Blatt gab an, das Gespräch mit Lacatusu habe »[i]m Stab der rumänischen Manövertruppen« stattgefunden.1 Dies war eine verschleiernde, aber nicht unzu- treffende Formulierung, denn außer einem Stab (mit 224 Mann) hatte Rumänien gar keine Truppen entsandt. Letztlich täuschte die Zeitung mit solchen Berichten eine umfängliche rumänische Militärpräsenz vor, die es nicht gab. Aufmerksame Beobachter mochten das bemerkt haben: Die zahlreichen Bilder der Manöverzeitung präsentierten allerlei militärisches Großgerät der verbündeten Streitkräfte, aber kei- nes aus Rumänien. Tatsächlich trugen die mitgeführten 57 rumänischen Automobile

1 »Waffenbrüderschaft« Nr. 3 (undatiert), Oktober 1970, Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU), MfS, ZAIG, Nr. 11854, Bl. 391. Insgesamt erschienen vier Ausgaben, Kurt Kräft und Günter Dietrich, Die neue Stufe des militä- rischen Zusammenwirkens und der Waffenbrüderschaft zwischen der NVA, der Sowjetarmee und den anderen sozialistischen Bruderarmeen im gemeinsamen Manöver 1970, unveröff. Diplom­ arbeit, Karl-Marx-Universität Leipzig 1971, Bl. 54. 72 Christoph Nübel nur wenig zum martialischen Eindruck bei, den das Manöver in der Berichterstattung sonst erweckte.2 Das Beispiel veranschaulicht, dass Rumänien offenbar eine Sonderrolle im östli- chen Bündnis einnahm. Es brachte sich zwar in die militärischen Aktivitäten der WVO ein, legte dabei aber eine klare Zurückhaltung an den Tag. Zugleich verdeutlichte der enorme Aufwand, den die DDR im Zusammenhang mit »Waffenbrüderschaft« be- trieb, wie sehr das Manöver von Ost-Berlin als Beleg dafür betrachtet wurde, dass die DDR militärpolitisch erwachsen geworden war. Der ostdeutsche Staat wollte sich 25 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und zum 21. Jahrestag seiner Gründung als ein vollwertiges Mitglied der WVO zeigen.3 Die Bezeichnung des Manövers soll- te diesen Anspruch untermauern. Unter »Waffenbrüderschaft« wurde die interna- tionale Verteidigungsgemeinschaft der sozialistischen Staaten verstanden, die ideo- logisch, organisatorisch und in Führungsfragen gleichgerichtet aufgestellt war. Sie fand nicht nur Ausdruck in der angestrebten militärpolitischen Geschlossenheit der WVO, sondern sollte sich auch in persönlichen Begegnungen unter den Soldaten manifestieren.4 »Waffenbrüderschaft« bezeichnete also das Kernprinzip des östlichen Bündnisses. Anhand des Manövers »Waffenbrüderschaft« nimmt dieser Beitrag die politische Rolle der DDR und Rumäniens im östlichen Bündnis in den Blick. Die Großübung vom Herbst 1970 bietet sich als Untersuchungsgegenstand besonders an, denn sie fand in einer Sattelzeit des Ost-West-Konflikts statt. Die Spannungen der Hochphase des Kalten Krieges um 1962 waren noch spürbar, aber mit den zwischen West und Ost geschlossenen Verträgen und der neuen, ausgleichenden Rhetorik der Allianzen, die im Harmel-Bericht der NATO 1967 und dem Budapester Appell der WVO 1969 Ausdruck fanden, kündigte sich eine Phase der Entspannungspolitik an. Zugleich jedoch war Rumänien mit seiner Souveränitätspolitik, die es seit Ende der 1950er Jahre verfolgte, in eine Sackgasse geraten. Auch wenn man den Kurs der nationalen Eigenständigkeit nicht verlassen wollte, waren politische und mili- tärische Zugeständnisse nötig, um die Sowjetunion nicht vor den Kopf zu stoßen. Mit der DDR hatte sich Rumänien ohnehin überworfen, als es 1967 ohne weitere Absprachen diplomatische Beziehungen mit der Bundesrepublik aufnahm. Die Zeit um 1970 war also von Ambivalenzen geprägt, sowohl innerhalb der Bündnissysteme als auch im blockübergreifenden Kontext. Auch das verdeut- licht das Manöver »Waffenbrüderschaft«. Großübungen dienten nicht nur mi- litärischen Zwecken, sondern hatten darüber hinaus eine politische Dimension. »Waffenbrüderschaft« lässt sich als ein Ereignis verstehen, in dem sich das aus abs-

2 Kampfbestandsmeldung Waffenbrüderschaft (einschließlich Zivilbeschäftigte), Stand: 14.10.1970, 18 Uhr, Bundesarchiv (BArch), DVW 1/25115, Bl. 8. 3 Hinweise zur aufwändigen Öffentlichkeitskampagne der DDR in: Waffenbrüderschaft in der DDR. Konstruktion einer Tradition. Hrsg. vom Deutsch-Russischen Museum Berlin-Karlshorst, o.O. 2016. 4 Rüdiger Wenzke, »Sozialistische Waffenbrüder«? Über die Beziehungen der Nationalen Volksarmee der DDR zu anderen Warschauer-Pakt-Armeen. In: Der Warschauer Pakt. Von der Gründung bis zum Zusammenbruch 1955 bis 1991. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von Torsten Diedrich, Winfried Heinemann und Christian F. Ostermann, Berlin 2009 (= Militärgeschichte der DDR, 16), S. 85‑118. Zwischen Bündnispflichten und Eigeninteressen 73 trakten Verträgen und verstreut dislozierten Streitkräften einzelner Staaten bestehen- de östliche Bündnis in einem symbolisch aufgeladenen und teilweise ritualisierten Handlungsvollzug manifestierte. Die zahlreichen Kundgebungen und »Meetings«, die umfassende Bericht­ ­erstattung, aber ebenso die Gefechtshandlungen zeigten für Soldaten, Zu­schauer und die Öffentlichkeit inWest und Ost, dass das Bündnis tat- sächlich existierte und zu gemeinsamen Handlungen in der Lage war. Die Kontakte zwischen DDR und Rumänien im Umfeld des Manövers lassen sich mit dem Ansatz der histoire croisée betrachten, der das Militär als »Verflechtungssystem« in den Blick nimmt. Die militärischen Selbst- und Fremdbilder oder Routinen ent- standen nicht in einem hermetisch abgeschlossenen Raum, sondern in Interaktion mit dem Anderen.5 So kann »Waffenbrüderschaft« dafür herangezogen werden, den internationalen Charakter der WVO und die Bedeutung der Bündnisstaaten auszumessen. Die ostdeutsche und die rumänische Armee präsentierten sich ihren Verbündeten und der Öffentlichkeit während des Manövers auf eine Weise, die ih- rem Selbstbild und den angenommenen Erwartungen der Anderen entsprach. Mit diesem Ausgangspunkt werden zwei jüngere Forschungstendenzen aufgegrif- fen. Die erste betont, dass der »Kalte Krieg« ein »simulierter Krieg« oder »imaginary war« war.6 Er fand also – zumindest in Europa – nicht auf dem Schlachtfeld, son- dern in den Vorstellungen der Zeitgenossen statt und manifestierte sich in Form von Bedrohungsgefühlen, aber auch in organisatorischen Vorbereitungen auf einen Krieg.7 Zahlreiche Arbeiten unterstreichen, wie sehr der Ost-West-Konflikt nicht nur die Politik, sondern sämtliche Lebensbereiche beeinflusste.8 Damit gerät jedoch der militärische Kern des Ost-West-Konflikts aus dem Blick.9 Indem Manöver im Folgenden als symbolischer Handlungsraum im militärischen Kontext aufgefasst wer- den, lassen sich die Forschungen zum »imaginary war« fruchtbar machen und auf mi- litärische Fragen zurückführen. In diesem Zusammenhang lautet die erste These, dass »Waffenbrüderschaft« zu wichtig war, als dass die politischen Entscheidungsträger in der Sowjetunion und der DDR ein Fernbleiben Rumäniens zulassen konnten. Mit einer umfassenden Militärdiplomatie versuchten sie, das Land zur Teilnahme zu be- wegen. Der schließlich geleistete kleine militärische Beitrag Rumäniens wurde in der

5 Jörg Echternkamp und Stefan Martens, Militärgeschichte als Vergleichs- und Verflechtungsgeschichte. In: Militär in Deutschland und Frankreich 1870‑2010. Vergleich, Verflechtung und Wahrnehmung zwischen Konflikt und Kooperation. Hrsg. im Auftrag des Deutschen Historischen Instituts Paris und des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Potsdam, von Jörg Echternkamp und Stefan Martens, Paderborn [u.a.] 2012, S. 1‑21, S. 8. 6 Patrick Bernhard, Holger Nehring und Anne Rohstock, Der Kalte Krieg im langen 20. Jahrhundert. Neue Ansätze, Befunde und Perspektiven. In: Den Kalten Krieg denken. Beiträge zur sozialen Ideengeschichte seit 1945. Hrsg. von Patrick Bernhard und Holger Nehring, Essen 2014 (= Frieden und Krieg, 19), S. 11‑39, S. 11; Understanding the Imaginary War. Culture, Thought and Nuclear Conflict, 1945‑90. Hrsg. von Matthew Grant und Benjamin Ziemann, Manchester 2016. 7 Frank Biess, Republik der Angst. Eine andere Geschichte der Bundesrepublik, Reinbek 2019; Martin Diebel, Atomkrieg und andere Katastrophen. Zivil- und Katastrophenschutz in der Bundes­ republik und Großbritannien nach 1945, Paderborn [u.a.] 2017 (= Krieg in der Geschichte, 99). 8 Das Imaginäre des Kalten Krieges. Beiträge zu einer Kulturgeschichte des Ost-West-Konfliktes in Europa. Hrsg. von David Eugster und Sibylle Marti, Essen 2015 (= Frieden und Krieg, 21); Den Kalten Krieg denken (wie Anm. 6). 9 So die Kritik bei Holger Nehring, What Was the Cold War? In: English Historical Review, 127 (2012), S. 920‑949. 74 Christoph Nübel

Berichterstattung erheblich aufgewertet, um die Einheit der WVO zu unterstreichen und »Waffenbrüderschaft« als Erfolg darzustellen. Die zweite Forschungstendenz stellt die Bipolarität und die Prägekraft des Ost- West-Konflikts in Frage. Stattdessen werden die blockübergreifenden Austausch­ prozesse und Kontakte betont. Der ungarische Historiker György Péteri verweist auf die Durchlässigkeit des – so der zeitgenössische Begriff – »«, der mehr einem »Nylon Curtain« geglichen habe.10 So geraten auch die Mittel- und Kleinstaaten in den Blick, deren Positionierung in den internationalen Beziehungen auch von Eigeninteressen bestimmt war und sogar auf Vorkriegskonstellationen zu- rückging. Der Ost-West-Konflikt bleibt hier ein wichtiger Rahmen, wird aber nicht mehr als alleinige Determinante der internationalen Beziehungen betrachtet. Unstrittig ist, dass die Sowjetunion in militärischer Hinsicht über eine »heraus­ ragende Bedeutung« im Bündnis verfügte:11 Der sowjetische Generalstab koordi- nierte letztlich die Kriegsplanungen des Bündnisses. Die entscheidenden Füh­rungs­ positionen im Vereinten Oberkommando (VOK) waren von sowjetischen Offizieren besetzt. Aus diesem Grund ist die WVO zu Recht als »a mere extended arm of the Soviet general staff« bezeichnet worden.12 Gleichwohl konnte die Sowjetunion ihre Interessen nicht unmittelbar durchsetzen. Vielmehr hatte sie der politischen Ebene des Bündnisses, die in den Treffen der Parteichefs sowie der Außen- und Verteidigungsminister Ausdruck fand, rechtlich und symbolisch eine Struktur gege- ben, die die Souveränität der Teilnehmerstaaten betonte und diesen Möglichkeiten einräumte, eigene Interessen zu verfolgen. In den politischen Gremien der WVO kam es regelmäßig zu einem Tauziehen um Beschlüsse, in denen die Sowjetunion auf bilaterale Verhandlungen und Kompromisse angewiesen war.13 Von diesen Befunden ausgehend lässt sich als zweite These festhalten, dass »Waf­ fenbr­ üderschaft« sowohl für die DDR als auch für Rumänien ein Erfolg war. Die DDR verzeichnete die Teilnahme aller sieben Bündnisstaaten und präsentierte sich als vollwertige Militärmacht der WVO, eines Bündnisses, das die eigene, ständig als prekär betrachtete Sicherheit gegen den Westen verteidigen sollte. Demgegenüber konnte Rumänien seinen Kurs, nur einen minimalen Militärbeitrag in der WVO

10 György Péteri, Nylon Curtain: Transnational and Transsystemic Tendencies in the Cultural Life of State-Socialist Russia and East-Central Europe. In: Slavonica, 10 (2004), S. 113‑123. Weiterhin dazu: Sari Autio-Sarasmo, A New Historiography of the Cold War? In: European History Quarterly, 41 (2011), S. 657‑664, S. 662; Simo Mikkonen and Pia Koivunen, Beyond the Divide. In: Beyond the Divide. Entangled Histories of Cold War Europe. Hrsg. von Simo Mikkonen und Pia Koivunen, New York, Oxford 2015, S. 1‑19, S. 2. 11 Frank Umbach, Das rote Bündnis. Entwicklung und Zerfall des Warschauer Paktes 1955 bis 1991, Berlin 2005 (= Militärgeschichte der DDR, 10), S. 30. 12 Vojtech Mastny, The Warsaw Pact as History. In: A Cardboard Castle? An Inside History of the Warsaw Pact. Hrsg. von Vojtech Mastny und Malcolm Byrne, Budapest [u.a.] 2005, S. 1‑74, S. 39. Siehe auch Umbach, Das rote Bündnis (wie Anm. 11), S. 40‑42. 13 Zu den Divergenzen in der WVO während der 1960er Jahre Gottfried Niedhard, Introduction. CSCE, the German Question and the . In: Cold War Studies, 18 (2016), S. 3‑13, S. 8; Jordan Baev, Die blockinterne Koordination des Warschauer Pakts und die DDR. In: Wege zur Wiedervereinigung. Die beiden deutschen Staaten in ihren Bündnissen 1970 bis 1990. Im Auftrag des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr hrsg. von Oliver Bange und Bernd Lemke, München 2013 (= Beiträge zur Militärgeschichte, 75), S. 183‑202; Mastny, The Warsaw Pact as History (wie Anm. 12), S. 34. Zwischen Bündnispflichten und Eigeninteressen 75 zu leisten, beibehalten. Um dies zu zeigen, ist zunächst die internationale Lage der DDR und Rumäniens um 1970 zu skizzieren, um dann die Bedeutung des Manövers »Waffenbrüderschaft« und die damit verbundenen politischen Aushandlungsprozesse im östlichen Bündnis zu analysieren. Schließlich wird die Rolle der rumäni- schen Streitkräfte während des Manövers untersucht, um die Ambivalenzen der »Waffenbrüderschaft« in situ auszumessen.

Die DDR und Rumänien in der WVO

Die Beziehungen zwischen der DDR und Rumänien Ende der 1960er Jahre wa- ren von erheblichen Spannungen geprägt, weil ihre außen- und bündnispolitischen Positionen weit auseinanderlagen. Die DDR selbst hatte sich in der WVO zum sow- jetischen »›Primusvasallen‹« entwickelt.14 Sie unterstützte Moskauer Positionen und verfolgte selten eine eigene Linie. Ost-Berlin verfügte lediglich über ein eng abge- stecktes Handlungsfeld, das zwischen sowjetischer Dependenz, deutsch-deutscher Konkurrenz und inneren Fragen angesiedelt war.15 Der ohnehin kleine außenpoli- tische Spielraum der DDR wurde durch die historische Hypothek der nationalso- zialistischen Expansions- und Kriegspolitik noch zusätzlich eingeengt. Ostdeutsche Alleingänge und Initiativen wurden deshalb im sozialistischen Block stets argwöh- nisch beäugt. Zugleich jedoch kam der DDR in den sowjetischen Militärplanungen wegen ihrer geopolitischen Lage eine besondere Bedeutung zu. Im Falle eines Krieges in Mitteleuropa wäre sie zum zentralen Aufmarsch- und Operationsgebiet des östli- chen Bündnisses geworden. Dementsprechend eng war die DDR in die WVO inte- griert. Die Nationale Volksarmee (NVA) war unter sowjetischer Anleitung aufgebaut worden und in den 1960er Jahren zu einer schlagkräftigen Armee herangewachsen. Die Politik der DDR wurde maßgeblich dadurch bestimmt, dass zwei deutsche Staaten existierten, die jedoch unterschiedlichen Blöcken angehörten. Bundesrepublik und DDR waren in Abgrenzung und Konkurrenz aufeinander bezogen, wobei der westdeutsche Staat mit seiner Politik der Delegitimierung der DDR lange Zeit au- ßenpolitisch erfolgreich war. Er beanspruchte, das gesamte Deutschland zu vertre- ten. Mit der »Hallstein-Doktrin« verhinderte die Bundesrepublik die Aufnahme diplomatischer­ Beziehungen Ost-Berlins mit Drittstaaten, womit die Bedeutung des sozia­ listischen­ Bündnisses für die DDR wuchs. Ihre Außenpolitik war von den Bemühungen gekennzeichnet, als souveräner Staat anerkannt zu werden und den Ein­fluss der undesrepublikB zurückzudrängen. Rumänien verfolgte einen ganz anderen politischen Kurs. Für zeitgenössische Beobachter schien es sich »auf dem Wege der Emanzipation« zu befinden.16 Nach einer Phase der engen Anbindung an die Sowjetunion begann es bereits Ende der 1950er

14 Torsten Diedrich, Die DDR zwischen den Blöcken. Der Einfluss des Warschauer Paktes auf Staat, Militär und Gesellschaft der DDR. In: Der Warschauer Pakt (wie Anm. 4), S. 59‑84, S. 59. 15 Hermann Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen. Die DDR im internationalen System 1949‑1989, München 2007 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, 72), S. 563. 16 Viktor Meier, Rumänien auf dem Wege der Emanzipation. Die Politik der nationalen Positions­ aufwertung innerhalb des »sozialistischen Lagers«. In: Europa-Archiv, 20 (1965), S. 491‑498. 76 Christoph Nübel

Jahre, eine Autonomiepolitik zu verfolgen, ohne jedoch den Rahmen des sozialisti- schen Bündnissystems völlig zu sprengen. Die Gründe hierfür waren vielschichtig. In wirtschaftlicher Hinsicht bedrohten die von Nikita S. Chruščëv 1961 im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) initiierten Pläne die Industrialisierungspolitik Bukarests. Der RGW sah vor, Rumänien vornehmlich zum Rohstofflieferanten des östlichen Wirtschaftsraums zu machen, während die Führung der Partidul Comunist Român (Rumänische Kommunistische Partei, RKP) um Staatschef Gheorghe Gheorghiu-Dej ein ambitioniertes Industrialisierungsprogramm verfolg­ te und angesichts der RGW-Initiative schwerwiegende ökonomische Probleme be­fürch­tete. Weiterhin erkannte Gheorghiu-Dej, dass sich das Regime mit einer anti­sowjetischen Ausrichtung innenpolitisches Prestige erarbeiten konnte. Viele Rumänen befürworteten eine nationale Politik, die Ausdruck in der Abschaffung des Russischen als Pflichtfach in Schulen oder der Umbenennung von Straßen fand.17 Ohnehin herrschte bei dem Parteichef eine Skepsis gegenüber Chruščëvs antista- linistischer Politik vor.18 Schließlich bestanden aufseiten der Rumänen ernsthafte »Sicherheitsbefürchtungen«, denn durch die Berlin- und die Kubakrise wurde of- fenbar, dass die Politik der Großmächte in einen Krieg münden könnte, in den man nicht hineingezogen werden wollte.19 Aus diesem Grund befürwortete Rumänien eine Politik der Abrüstung und der Détente.20 Den Hintergrund des rumänischen Autonomiestrebens bildete die Entfremdung Chinas von der UdSSR, die zeigte, dass sozialistische Staaten nicht unbedingt an einem Strang ziehen mussten. Mit ihr ließen sich die Bemühungen Bukarests um größere Unabhängigkeit von der Sowjetunion legitimieren. Nach dem Tod Gheorghiu-Dejs 1965 führte Nicolae Ceaușescu die Autonomie­ politik als Generalsekretär der RKP fort.21 Vor allem die Ereignisse der späten 1960er Jahre untermauerten Rumäniens Sonderstatus im östlichen Bündnis. Sie wirkten sich auf seine Stellung in der WVO und sogar auf das Manöver »Waffenbrüderschaft« aus. Zunächst intensivierte Ceaușescu die Kontakte zu westlichen Staaten, wo- bei sogar die Präsidenten Frankreichs und der USA, Charles de Gaulle und Richard Nixon, das Land besuchten. Der Grund dafür war, dass für ambitionier-

17 Dennis Deletant, »Taunting the Bear«: Romania and the Warsaw Pact, 1963‑89. In: Cold War History, 7 (2007), S. 495‑507, S. 496 und S. 498. 18 Dieter Krüger, Am Abgrund? Das Zeitalter der Bündnisse: Nordatlantische Allianz und Warschauer Pakt 1947 bis 1991, Fulda 2013 (= Schriftenreihe Point Alpha, 1), S. 92. 19 Carmen Rijnoveanu, Rumänien und die Militärreform des Warschauer Paktes. In: Der Warschauer Pakt (wie Anm. 4), S. 209‑224, S. 210 f. 20 Bericht Ceaușescus an das Zentralkomitee der RKP, 18.3.1969, in: Parallel History Project (PHP), Collection: Romania and the Warsaw Pact. Documents Highlighting Romania’s Gradual Emancipation from the Warsaw Pact, 1956‑1989. Hrsg. von Dennis Deletant, Mihail E. Ionescu und Anna Locher, 2004, (letzter Zugriff 25.10.2019). 21 Thomas Kunze, Nicolae Ceaușescu. Eine Biographie, 3., akt. Aufl., Berlin 2009, S. 170. Weiterhin Carmen Rijnoveanu, Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa – eine Bühne der rumänischen Sicherheitspolitik. In: Geschichte ohne Grenzen? Europäische Dimensionen der Militärgeschichte vom 19. Jahrhundert bis heute. Im Auftrag des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr hrsg. von Jörg Echternkamp und Hans-Hubertus Mack, Berlin 2017, S. 79‑88. Zwischen Bündnispflichten und Eigeninteressen 77 te Industrialisierungspolitik westliche Unterstützung benötigt wurde. 1967 nahm Rumänien als erster Staat des sozialistischen Bündnisses politische Beziehungen mit der Bundesrepublik auf, womit es die DDR brüskierte. Das bilaterale Verhältnis hatte für die nächsten Jahre einen Tiefpunkt erreicht. Rumänien, für die DDR oh- nehin nur in der dritten Reihe der sozialistischen Staaten stehend, hatte sich gegen Ost-Berliner Kerninteressen gestellt und die DDR-Führung sogar über den Fortgang der Verhandlungen mit der Bundesrepublik bewusst im Unklaren gelassen.22 Das führte zur Formulierung der »Ulbricht-Doktrin«, benannt nach dem ostdeutschen Staatschef Walter Ulbricht. Sie wurde der »Hallstein-Doktrin« entgegengestellt und mit Unterstützung der Sowjetunion im östlichen Bündnissystem durchgesetzt. Ihr Grundsatz lautete, dass die übrigen sozialistischen Staaten erst dann diplomatische Beziehungen mit der Bundesrepublik aufnehmen sollten, wenn Bonn die DDR an- erkannte. Diese Position floss auch in die laufenden Gespräche der DDR über bi- laterale Verträge über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand mit Bulgarien, der ČSSR, Polen und Ungarn ein. Die DDR konnte also auf diesem Feld einen Erfolg feiern. Der Abschluss des letzten noch ausstehenden Vertrages mit Rumänien gelang jedoch erst 1972, fünf Jahre nach Beginn der Verhandlungen.23 War Rumänien 1967 noch vorgeprescht, schloss die Sowjetunion – nach Konsul­ ta­tionen im Bündnis – am 12. August 1970, kurz vor Beginn des Manövers in der DDR, den Moskauer Vertrag mit der Bundesrepublik. Er bekräftigte den ter- ritorialen Status quo in Europa und verpflichtete die Vertragsparteien auf einen Gewaltverzicht. Tatsächlich kam es während der Konferenzen der WVO in Prag (30./31. Oktober 1969) und Moskau (3./4. Dezember 1969) zu einem Disput über die Entspannungspolitik, bei dem die unterschiedlichen Interessen der Bündnisstaaten offen zutage traten. Die Gespräche zwischen Bonn und Moskau stellten aus polni- scher Sicht eine Gefahr dar, weil die Grenzfrage zuungunsten Warschaus erörtert werden könnte. Ost-Berlin fürchtete, dass der sowjetische Kurs des Ausgleichs mit der Bundesrepublik die Front gegen Westdeutschland empfindlich aufweichen und die DDR auf internationalem Parkett weiter ins Hintertreffen geraten lassen wür- de.24 Nach Abschluss des Moskauer Vertrages beklagte Erich Honecker, Sekretär des Nationalen Verteidigungsrates der DDR, dass sein Land trotz des Rapprochements zwischen der Bundesrepublik und der UdSSR weiterhin auf volle internationale Anerkennung warte.25 Die Verhandlungen mit Bonn zeigten, dass die DDR auch innerhalb des östlichen Bündnisses über eine nur schwache Position verfügte und

22 Peter Ulrich Weiß, Kulturarbeit als diplomatischer Zankapfel. Die kulturellen Auslandsbeziehungen im Dreiecksverhältnis der beiden deutschen Staaten und Rumäniens von 1950 bis 1972, München 2010 (= Südosteuropäische Arbeiten, 139), S. 12, S. 177. 23 Ebd., S. 183‑185 und S. 248‑250. Siehe die lückenhafte Übersicht in Umbach, Das rote Bündnis (wie Anm. 11), S. 126. 24 Douglas Selvage, The Warsaw Pact and the German Question. In: NATO and the Warsaw Pact. Intrabloc Conflicts. Hrsg. von Mary Ann Heiss und Victor Papacosma, Kent 2008, S. 178‑192, S. 180 f.; Baev, Die blockinterne Koordination (wie Anm. 13), S. 189 f. 25 Vojtech Mastny, XI. Meeting of the PCC, Moscow, 20 August 1970. Editorial Note. In: PHP, Collection: Records of the Warsaw Pact Political Consultative Committee, 1955‑1990. Hrsg. von Vojtech Mastny [u.a.], 2001, (letzter Zugriff 25.10.2019). 78 Christoph Nübel sie ihre politischen Vorstellungen unzureichend verwirklichen konnte. Das erhöh- te aus Sicht Ost-Berlins die Notwendigkeit, die militärische Kooperation mit der Sowjetunion zu stärken, um wenigstens auf diesem Feld gegen den Westen abge- sichert zu sein.26 Wenig verwunderlich dagegen ist, dass Ceaușescu den Vertrag auf dem Moskauer Treffen des Politischen Beratenden Ausschusses der WVO am 20. August 1970 positiv bewertete und es begrüßte, dass er eine Normalisierung der Beziehungen zu den kapitalistischen Staaten des Westens bringe.27 Einen weiteren bedeutenden Einschnitt in die sozialistischen Bündnisbeziehungen bildete die ČSSR-Krise 1968. Wenige Tage vor dem sowjetischen Einmarsch hatte Ceaușescu Prag besucht und die Liberalisierungspolitik des Parteiführers Alexander Dubček öffentlich begrüßt, ohne dessen Ziele jedoch tatsächlich zu teilen.28 Das gewaltsame Ende des Versuches, einen liberaleren Sozialismus im Ostblock zu eta- blieren, machte deutlich, dass die Sowjetunion nicht gewillt war, ein Ausscheren aus dem Bündnis hinzunehmen. Es ist umstritten, ob die sowjetischen Führung um Parteichef Leonid Brežnev tatsächlich einen Einmarsch in Rumänien plan- te.29 Gleichwohl wurde die Furcht vor einer sowjetischen Invasion zu einem be- stimmenden Merkmal der Politik Ceaușescus und fand beispielsweise Ausdruck in der Schaffung der »Patriotischen Garden«, einer Miliz, die fortan Aufgaben der Territorialverteidigung versah.30 Nun nahm die Zurückhaltung Rumäniens im Bündnis weiter zu. In Bukarest herrschte ohnehin Skepsis angesichts der von der Sowjetunion bereits seit Mitte der 1960er Jahre verfolgten Pläne, die Strukturen der WVO auszubauen und das Bündnis militärisch und politisch unter Dominanz Moskaus weiter zu festigen.31 Bei einem

26 Douglas A. Macgregor, The Soviet-East German Military Alliance, Cambridge [u.a.] 2008 [1989], S. 59. 27 Rede Ceaușescus in: PHP, Collection: Records of the Warsaw Pact Political Consultative Committee (wie Anm. 25). 28 Kunze, Nicolae Ceaușescu (wie Anm. 21), S. 178. 29 Die Gefahr einer Invasion sehen Deletant, »Taunting the Bear« (wie Anm. 17), S. 499; Dennis Deletant und Mihail E. Ionescu, Romania within the Warsaw Pact: 1955‑1989, Washington, DC 2004 (= Cold War International History Working Paper, 43), S. 27; dagegen Kunze, Nicolae Ceaușescu (wie Anm. 21), S. 179; Mastny, The Warsaw Pact as History (wie Anm. 12), S. 38. Die Führung der Bundeswehr ging ebenfalls von einer möglichen sowjetischen Invasion aus; Bundes­ ministerium der Verteidigung, Führungsstab des Heeres, Sprechzettel, 27.8.1968, in: Dokumente zur deutschen Militärgeschichte 1945-1990. Bundesrepublik und DDR im Ost-West-Konflikt. Im Auftrag des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr hrsg. von Christoph Nübel, Berlin 2019 (= Deutsche Militärgeschichte 1945‑1990, 1), Dok. 97. 30 Deletant, »Taunting the Bear« (wie Anm. 17), S. 496; Werner Kowarik, Landesverteidigung. In: Südosteuropa-Handbuch, Bd 2: Rumänien. Hrsg. von Klaus-Detlev Grothusen, Göttingen 1977, S. 232‑239, S. 239; Carmen Rijnoveanu, Die Auswirkungen der Krisen des Ostblocks 1956 und 1968 auf das rumänische Sicherheitskonzept. In: Militär und Staatssicherheit im Sicherheitskonzept der Warschauer-Pakt-Staaten. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes und der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR hrsg. von Torsten Diedrich und Walter Süß, Berlin 2010 (= Militärgeschichte der DDR, 19), S. 149‑165, S. 159 f. 31 Zur Reform der WVO und der Haltung Rumäniens Petre Opriş, Die rumänische Armee und die gemeinsamen Manöver des Warschauer Paktes. In: Der Warschauer Pakt (wie Anm. 4), S. 185‑207, S. 192 f.; Rijnoveanu, Rumänien (wie Anm. 19), S. 212 f.; Umbach, Das rote Bündnis (wie Anm. 11), S. 143. Zwischen Bündnispflichten und Eigeninteressen 79

Gespräch am Rande des Manövers »Oktobersturm« im Jahr 1965 kritisierte der ru- mänische Verteidigungsminister Leontin Sălăjan das sowjetische Reformvorhaben heftig. Nach rumänischer Auffassung sollte das VOK kein Kommando-, sondern ein Kooperationsorgan sein, dessen Vorsitz periodisch zwischen den Teilnehmerstaaten wechselte. Militärische Maßnahmen, so forderte er, sollten nur mit Zustimmung der betroffenen Regierungen angeordnet werden können. In Anwesenheit des so- wjetischen Vertreters des VOK beharrte Sălăjan auf dem rumänischen Standpunkt: »Es geht nicht gegen [den Oberkommandierenden der WVO] Marschall Gretschko [Andrej A. Grečko], es geht nicht gegen die SU [Sowjetunion], es geht um das so- zialistische Prinzip der Zusammenarbeit.«32 Nach dem Einmarsch in die ČSSR sah Rumänien seine Vorbehalte gegen eine zentralistisch durch Moskau geführte WVO bestätigt. Keinesfalls wollte man riskieren, angesichts der Autonomiepolitik das tsche- choslowakische Schicksal zu teilen. Da ein Weiterführen der Obstruktionspolitik gegenüber der Sowjetunion eine Invasion aus Sicht der Bukarester Führung wahr- scheinlicher machte, galt es, einen Mittelweg zwischen Autonomie und Integration zu finden: Hinsichtlich der WVO-Reform verfolgte man nun einen konzilianteren Kurs, gab sich aber in militärischen Fragen hartnäckig. Die politischen Positionen der DDR und Rumäniens lagen teilweise weit aus­ einander. Eine ernste Krise der bilateralen Beziehungen wurde 1967 durch die diplo- matische Kontaktaufnahme zwischen der Bundesrepublik und Rumänien ausgelöst. Sie wirkte sich auch auf militärische Fragen aus. So verzögerte sich der Abschluss des Beistandsvertrages zwischen beiden Ländern bis 1972. Allerdings waren die Militär­ beziehungen zwischen Ost-Berlin und Bukarest generell »eindeutig weniger eng« als zu anderen Bündnisstaaten.33 Während die DDR mit Ungarn beispielsweise 45 bi- laterale Verträge zur Kooperation in Militärfragen geschlossen hatte, waren es mit Rumänien lediglich 26.34 Gleichwohl rissen die militärischen Verbindungen zwi- schen beiden Staaten auch in der Krisenphase um 1970 nicht ab.

Bündnispolitische Dimensionen von »Waffenbrüderschaft«

In militär- und symbolpolitischer Hinsicht markierte das Jahr 1970 das Erwachsen­ werden der DDR. Sie war von der WVO beauftragt worden, 1970 auf ihrem Territorium ein Großmanöver auszurichten. Obwohl die zentralen Anweisungen dazu aus Moskau kamen,35 war formal der Minister für Nationale Verteidigung, Heinz Hoffmann, der »Leitende« des Manövers, womit die Verantwortung in Ost-

32 Militärattaché Bukarest, Aktenvermerk über ein Gespräch mit der rumänischen Militärdelegation am 20.10.1965, 1.11.1965, BArch, DVW 1/114472, Bl. 222‑227. 33 Wenzke, »Sozialistische Waffenbrüder« (wie Anm. 4), S. 106. 34 Bestand DVW 1. Ministerium für Nationale Verteidigung, Verträge. Bearb. von Albrecht Kästner, Freiburg i.Br. 1999, S. III, (letzter Zugriff 6.3.2019). 35 Vgl. die Schreiben zwischen dem MfNV und dem VOK, BArch, DVW 1/24654; sowie das Proto­ koll der Sitzung des Politbüros vom 28.4.1970, BArch, DY 30/J IV 2/2/1281, Bl. 103. 80 Christoph Nübel

Berlin und beim Strausberger Ministerium für Nationale Verteidigung (MfNV) lag.36 Nun konnten die NVA und die Kräfte der Territorial- und Zivilverteidigung der DDR beweisen, dass sie über große militärische Schlagkraft verfügten und die DDR ein gewichtiger Bündnispartner war. Das MfNV bezeichnete »Waffenbrüderschaft« als »ein[en] Höhepunkt in der Erziehung und Ausbildung der Armeeangehörigen so- wie eine bedeutende Bewährungsprobe für die Kampfkraft und Gefechtsbereitschaft der Streitkräfte des Warschauer Vertrages«.37 Das Politbüro der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, das den politisch- ideologischen Gestaltungsrahmen des Manövers setzte, unterstrich dies im April 1970: »[E]rstmalig seit Bestehen des Warschauer Vertrages« seien die bulgarischen, ostdeutschen, polnischen, tschechischen und ungarischen Streitkräfte sowie die Sowjetarmee an einem Manöver »gemeinsam beteiligt«. Rumänien konnte wegen der bislang ausgebliebenen Zusage noch nicht eingeplant werden. Der bereits im April 1970 feststehende Titel »Waffenbrüderschaft« machte die Chance, erstmalig alle Bündnisarmeen anlässlich einer Übung zusammenzubringen, zu einer Verpflichtung, nicht zuletzt wegen ihrer symbolischen Dimension. Das Manöver sollte eben nicht allein die »Gefechtsbereitschaft«, die »Meisterschaft bei der Beherrschung moder- ner Waffensysteme« und die herausragende »sozialistische Truppenführung« bele- gen, sondern auf ideologischer Ebene die »Freundschaft und Waffenbrüderschaft« im Bündnis untermauern. Diese Intentionen fasste das Manövermotto zusammen, das im Oktober 1970 auf Bannern und Plakaten in den Übungsbezirken verbrei- tet wurde: »Klassenbrüder – Waffenbrüder – vereint unbesiegbar! Dem Feind keine Chance!«38 In zahlreichen Verlautbarungen wurde hervorgehoben, dass das Manöver »im Jahre des 100. Geburtstages von W.I. Lenin und des 150. Geburtstages von Friedrich Engels« stattfand. In ihren Schriften hatten beide die Bedeutung des Militärs unter- strichen und Lenin sogar die Volksbewaffnung als conditio sine qua non sozialisti- scher Regime bezeichnet. Daran anknüpfend hofften die Verantwortlichen, mit dem Manöver die »marxistisch-leninistische Lehre von der Verteidigung des Vaterlandes« verwirklichen zu können.39 Im Jahr 1970 konnten aber noch weitere Jubiläen be- gangen werden. Verteidigungsminister Hoffmann erinnerte in einem Beitrag für die Parteizeitung »Neues Deutschland«, der kurz vor Manöverbeginn erschien, an den 15. Jahrestag der Gründung der WVO. In diesen anderthalb Jahrzehnten sei sie zu einem kampfkräftigen Bündnis und einer »echte[n] Bewahrer[in] und Verfechter[in] der Lebensfragen der Völker Europas und der gesamten friedliebenden Menschheit« herangewachsen. Die DDR werde im 21. Jahr ihres Bestehens zeigen, dass sie »befä-

36 Vgl. die Übersichtsmappe »Waffenbrüderschaft«, BArch, DVW 1/27777, Bl. 1‑20. Bereits 1963 hatte Hoffmann das Manöver »Quartett« geleitet, an dem Streitkräfte der ČSSR, Polens und der UdSSR teilnahmen. 37 MfNV, Politische Hauptverwaltung, Argumentation zum Manöver »Waffenbrüderschaft«, BStU, MfS, SdM, Nr. 1487, Bl. 23. 38 Protokoll der Sitzung des Politbüros vom 28.4.1970, BArch, DY 30/J IV 2/2/1281, Bl. 103. 39 MfNV, Politische Hauptverwaltung, Argumentation zum Manöver »Waffenbrüderschaft«, BStU, MfS, SdM, Nr. 1487, Bl. 23. Vgl. auch Leiter der Politischen Verwaltung des Militärbezirks V, Vortrag auf einer Militärratssitzung, 11.9.1970, BArch, DVH 17/180870, Bl. 6‑18. Zwischen Bündnispflichten und Eigeninteressen 81 higt« sei, »am militärischen Zusammenwirken im Koalitionsrahmen auf stets höhe- rer Ebene erfolgreich teilzunehmen«.40 Angesichts dieser symbolischen Bedeutung war es für die Sowjetunion und für die DDR äußerst wichtig, alle Bündnisstaaten zur Teilnahme zu bewegen. Rumänien hatte sich in dieser Hinsicht bereits in den Vorjahren als schwieriger Partner erwie- sen. Es lehnte Übungen auf seinem eigenen Territorium ab, da es befürchtete, dass die bei Manövern zusammengezogene bewaffnete Macht zu einem überraschenden Einmarsch und zum Regimewechsel genutzt werden könnte. Es beharrte darauf, dass für die Durchführung von Manövern bilaterale Verträge notwendig seien, um Rechtssicherheit zu haben – ein Novum in der WVO.41 Diese Forderung traf auf vehemente Ablehnung durch die Sowjets und lässt sich als Rechtfertigungsstrategie werten, um mit einem legalistischen Argument die Gefahr eines Truppeneinsatzes gegen die Bukarester Parteiführung abzuwenden. Nach 1968 war man allenfalls noch dazu bereit, in Rumänien Stabsübungen durchzuführen. Auch aus dem Übungs­ geschehen jenseits der eigenen Staatsgrenzen zog sich Bukarest weitgehend zurück.42 Daneben lehnte es die rumänische Parteiführung ab, ihre Streitkräfte einem frem- den Kommando zu unterstellen.43 Es war also völlig unklar, inwieweit Rumänien sich zukünftig in die rege Manövertätigkeit der WVO einbringen würde. Dass das Propagandaprinzip der »Waffenbrüderschaft« Namensgeber des Manövers geworden war, mag die Vorbehalte noch verstärkt haben. Für Moskau stand in der Manöverfrage viel auf dem Spiel. So galt es nicht nur, seinen politischen und militärischen Primat in der WVO durchzusetzen, sondern auch, die Geschlossenheit des Bündnisses nach innen und außen zu demonstrieren. Das war wichtig, um die anhebende Entspannungspolitik koordinieren zu können und durch Geschlossenheit eine gute Verhandlungsbasis gegenüber dem Westen zu erzielen. Aus diesem Grund kam es 1969/70 zu mehreren sowjetisch-rumänischen Zusammenkünften. Im September 1969 traf der Stellvertreter des rumänischen Verteidigungsministers, General Ion Gheorghe, in Moskau mit dem Stabschef des VOK, General Sergej M. Štemenko, zusammen. Gheorghe unterstrich erneut die Notwendigkeit von bilateralen Verträgen, die die Modalitäten der Manöver regel- ten, und informierte, dass es keine weiteren Truppenübungen in Rumänien geben und 1970 lediglich eine Stabsübung stattfinden würde. Štemenko dagegen wies auf die aus dieser Haltung erwachsenden Probleme hin. So könnten andere Bündnis­ staaten die scheinbar privilegierte Stellung Rumäniens im Bündnis kritisieren. Diese Bemerkung lässt den Rückschluss zu, dass offenbar nicht alle Staaten die kostspie- ligen Manöver in ihrem Land begrüßten. Schwerer wog aus Štemenkos Sicht al- lerdings ein anderes Argument: Rumäniens Sonderweg in Manöverfragen könnte Anlass für öffentliche Spekulationen über ernstliche Differenzen in der WVO geben.

40 Heinz Hoffmann, Sozialistische Landesverteidigung. Aus Reden und Aufsätzen 1970 bis Februar 1974, Berlin 1974, S. 78‑81, S. 78, 80. Der Artikel war am 11.10.1970 erschienen. 41 Ion Ioniță, Bericht an Ceaușescu über Gespräche in Moskau, 3./4.3.1970, in: PHP, Collection: Romania and the Warsaw Pact (wie Anm. 20). 42 Opriş, Die rumänische Armee (wie Anm. 31), S. 194 f.; Rijnoveanu, Rumänien (wie Anm. 19), S. 218. 43 Kowarik, Landesverteidigung (wie Anm. 30), S. 235, S. 237. 82 Christoph Nübel

Gheorghe schloss aus diesen Äußerungen, dass die Teilnahme Rumäniens für die WVO offenbar eine »Prestigefrage« nach innen und außen sei.44 Die sowjetischen Sorgen waren nicht unbegründet, denn Informationen über die rumänischen Quertreibereien im sozialistischen Block gelangten auch in den Westen. Das betraf unter anderem außenpolitische oder ökonomische Fragen, aber ebenso das Problem der rumänischen Teilnahme an Militärübungen. Dem US-Ge­ heim­dienst lagen Angaben über die abweichende Haltung Rumäniens vor.45 Dem ostdeutschen Ministerium für Staatssicherheit (MfS) war bekannt, dass in NATO- Gremien eine Rede des polnischen Ministerpräsidenten Józef Cyrankiewicz dis- kutiert wurde. Cyrankiewicz geißelte die rumänische Verweigerungshaltung in Manöver­fragen als »problematisch und wenig scharfsinnig« und betonte, dass die sozialistischen Staaten »entschlossen« seien, diese Position »zu brechen«.46 Sogar die westliche Presse berichtete über die internen Streitigkeiten der WVO.47 1970 verschärfte die Sowjetunion ihren Ton. Die US-amerikanische Central Intelligence Agency (CIA) konstatierte sogar, es gebe einen regelrechten »war of nerves being waged against by Moscow«. Beobachter nahmen an, dass die intensivierte Manövertätigkeit sowjetischer und verbündeter Truppen auch eine Botschaft an Rumänien war, zumal Radio Moskau darüber auffallend ausführlich in rumänischer Sprache berichtete.48 Die sowjetische Führung forderte, dass Rumänien in der Manöverfrage nachgeben solle. Bei einem Treffen Ceaușescus mit der Spitze der Kommunistischen Partei der Sowjetunion am 18. und 19. Mai 1970 in Moskau warf Brežnev den Rumänen offen eine doppelbödige Politik vor: Während sie allen Beschlüssen vordergründig zustimmten, verschafften sie ihnen keine Geltung. Die arabischen Staaten hätten gerade eine Niederlage gegen Israel erlitten, eben weil sie keine gemeinsamen Manöver durchgeführt hätten. Letztlich, so deutete Brežnev an, schwäche Rumänien die WVO. Wenn es das Bündnis verlassen wolle, solle es das offen sagen.49 Angesichts der Bedeutung, die die Sowjets der WVO beimaßen, war dies nicht als Einladung zum Austritt, sondern als Drohung zu verstehen. Die Bukarester Führung wusste, dass deshalb ein Mittelweg notwendig war, der einerseits die Durchsetzung rumänischer Interessen ermöglichte und andererseits der UdSSR im sozialistischen Bündnis ausreichend Zugeständnisse machte. In diesem Sinne hatte sich offenbar auch der rumänische Ministerpräsident, Ion Gheorghe Maurer, gegenüber dem

44 Gheorghe, undat. Bericht an Ceaușescu über das Treffen am 9.9.1969, in: PHP, Collection: Romania and the Warsaw Pact (wie Anm. 20). 45 Intelligence Information Cable, 7.7.1969, in: Foreign Relations of the United States, 1969‑1976, vol. 2: Eastern Europe; Eastern Mediterranean, 1969‑1972. Hrsg. von James E. Miller, Douglas E. Selvage und Laurie Van Hook, Washington, DC 2007, Dok. 179, (letzter Zugriff 25.10.2019). 46 MfS, HA A, Markus Wolf, Bericht an Minister Erich Mielke, 26.2.1970, BStU, MfS, SdM Nr. 580, Bl. 160. 47 Bittere Ernte. In: Der Spiegel, 13/1970, S. 142‑144. 48 CIA-Memorandum »Romania: Maverick in trouble?«, 20.5.1970, S. 2 und S. 4. In: CIA-Library, (letzter Zugriff 25.10.2019). 49 Bericht Ceaușescus an die RKP, 20.5.1970, in: PHP, Collection: Romania and the Warsaw Pact (wie Anm. 20). Zwischen Bündnispflichten und Eigeninteressen 83

US-Botschafter in Bukarest, Leonard C. Meeker, geäußert. Rumänien könne sich WVO-Manövern auf eigenem Territorium nicht eindeutig verweigern, weil dies »zu- viel Aufruhr hervorrufen« würde. Das MfS, das Informationen zu diesem Gespräch gesammelt hatte, schloss daraus, dass »Rumänien eine aktivere Rolle bei militäri- schen Aktivitäten des Warschauer Paktes spielen muss, selbst wenn es nicht will«.50 Offenbar war der Druck auf Rumänien so groß geworden, dass es seine resolute Haltung aufgeben musste. Auch »Der Spiegel« mutmaßte, dass Rumänien sich den »Pakt-Pflichten kaum noch entziehen« könne.51 Ein Teilnahme an Manövern au- ßerhalb seiner Landesgrenzen war, so vermutete das MfS, eine »Alternative«, die »Rumänien akzeptieren kann, ohne seinen Standpunkt über die Souveränität der einzelnen Blockstaaten zu leugnen«.52 Tatsächlich setzte die Sowjetunion im Vorfeld des Manövers »Waffenbrüder­ schaft« alles daran, dass rumänische Truppen teilnahmen. Anfang März 1970 fand zwischen einer Gruppe um den rumänischen Verteidigungsminister Ion Ioniță so- wie dem Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte, Ivan I. Jakubovskij, und Štemenko in Moskau ein Treffen statt, das sich wieder um die Manöverfrage drehte. Hierbei musste sich die rumänische Delegation schwere Vorwürfe anhören. Die rumänische Forderung nach bilateralen Vereinbarungen sei unnötig, da das 1969 beschlossene Statut der WVO solche Manöver zulasse. Tatsächlich eröffneten die Artikel 10, 11 und 25 dem VOK hier weitreichende Möglichkeiten. So war der Oberbefehlshaber befugt, Maßnahmen zu ergreifen, um die Gefechtsfähigkeit der verbündeten Streitkräfte zu erhöhen.53 Die sowjetischen Generale rügten aus- drücklich, dass Dokumente der WVO, darunter das bedeutende Protokoll über die zukünftige Entwicklung der Streitkräfte bis 1975, von Rumänien nicht bearbeitet worden seien. Weiterhin kritisierten sie, dass rumänische Streitkräfte 1969 dem Manöver in Ungarn ferngeblieben waren und sich auch 1970 dem Großmanöver in der DDR entziehen wollten.54 Wann genau die rumänische Führung sich angesichts des Druckes aus Moskau entschloss, Truppen in die DDR zu entsenden, ist unklar. In der Bestätigung über die ostdeutschen Planungen zu »Waffenbrüderschaft«, die Jakubovskij Ende 1969 dem MfNV leicht modifiziert zurücksandte, fehlten die rumänischen Streitkräfte.55 Selbst im September 1970, einen Monat vor Beginn des Manövers, stand die Teilnahme Rumäniens immer noch nicht fest. Auch während des Besuches einer hochrangigen, von Verteidigungsminister Ioniță angeleiteten rumänischen Militärdelegation zwi- schen dem 3. und 10. September in der DDR scheint darüber keine abschließende Einigung erzielt worden zu sein. Die Einladung war im April von der DDR ausge-

50 Bericht MfS, HA A, Markus Wolf, an Minister Erich Mielke, 26.2.1970, BStU, MfS, SdM Nr. 580, Bl. 161. 51 Bittere Ernte. In: Der Spiegel, 13/1970, S. 143. 52 Bericht MfS, HA A, Markus Wolf, an Minister Erich Mielke, 26.2.1970, BStU, MfS, SdM Nr. 580, Bl. 161. Die Vermutung, dass »tactical concessions« ein Ausweg seien, auch in CIA-Memorandum »Romania: Maverick in trouble?«, 20.5.1970 (wie Anm. 48), S. 24. 53 Das Statut vom 17.3.1969 ist abgedruckt in: A Cardboard Castle? (wie Anm. 12), Dok. 62. 54 Ion Ioniță, Bericht über das Treffen vom 3./4.3.1970 an Ceaușescu, 1. [recte: 7].3.1970, in: PHP, Collection: Romania and the Warsaw Pact (wie Anm. 20). 55 Schreiben vom 27.12.1968, BArch, DVW 1/24654, Bl. 238 f. 84 Christoph Nübel gangen.56 Es ist offen, ob damit die Absicht verbunden war, die Rumänen auch zur Teilnahme am Manöver zu bewegen, denn gegenseitige Besuche auf dieser Ebene waren unter den Bündnispartnern üblich. Möglicherweise wollte man auch den sto- ckenden Verhandlungen über den bilateralen Freundschaftsvertrag neuen Schwung verleihen. Gleichwohl war es Verteidigungsminister Hoffmann besonders wichtig, während des Besuchs die Bedeutung der WVO und die »Einmütigkeit« im östlichen Bündnis zu betonen – Worte, die einerseits an die Vormacht UdSSR gerichtet waren und un- terstreichen sollten, dass die DDR fest an ihrer Seite stand. Andererseits könnte dies auch ein Appell an die rumänischen Besucher gewesen sein, in der WVO eine kon- ziliantere Haltung an den Tag zu legen. Hoffmann hatte auf dem Redemanuskript jedenfalls handschriftlich einen Trinkspruch ergänzt, mit dem »auf die Festigung der Einheit und Geschlossenheit unseres soz[ialistischen] Verteidigungsbündnisses – des Warschauer Vertrages« angestoßen werden sollte.57 Die Rumänen ließen sich von solchen warmen Worten allerdings nicht überzeugen, sodass Moskau auf der Bündnisebene nochmals intervenierte. Am 12. September 1970 bestätigte Štemenko die von Hoffmann vorgelegten Einladungsschreiben an die Verteidigungsminister der WVO zu »Waffenbrüderschaft«. In einem Zusatz bat er eigens darum, Verteidigungs­ minister Ioniță »nochmals« einzuladen. Hier hieß es: »Die Stäbe und die Truppen der Streitkräfte der Sozialistischen Republik Rumänien werden nach Erhalt Ihres Einverständnisses in den Plan des Manövers aufgenommen.«58

»Waffenbrüderschaft«: Rumänische Truppen in der DDR

Letztlich stimmte Rumänien einer Teilnahme am Manöver zu. Wie seine Haltung in der WVO insgesamt, hatte das rumänische Engagement bei »Waffenbrüderschaft« allerdings Kompromisscharakter. Man konnte sich der Übung zwar nicht entziehen, wohl aber nur kleine Truppenteile abstellen. Bukarest entsandte schließlich den ver- kürzten Stab einer Panzerdivision mit 224 Mann. Das waren lediglich 0,3 Prozent der Manövertruppen, von denen die DDR etwa 60 Prozent, die UdSSR 17 Prozent stellten.59 Während des Manövergeschehens zeigte sich das zerrissene Verhältnis zwischen Rumänien und den übrigen Bündnisstaaten. Das begann bereits mit der Einreise der verbündeten Streitkräfte in die DDR. An den Grenzübergangsstellen wa- ren Festkomitees angetreten, um die fremden Truppen zu begrüßen. Obwohl die Rumänen ausdrücklich auf eine solche Zeremonie verzichtet hatten, trafen sie an der deutsch-tschechoslowakischen Grenze bei Zinnwald auf ein Festkomitee aus Parteifunktionären und der Bevölkerung. Der überraschte rumänische Kommandeur, ein Oberst, sah sich gezwungen, einige Worte an die Versammlung zu richten. Er be-

56 Protokoll der Sitzung des Politbüros vom 28.4.1970, BArch, DY 30/J IV 2/2/1281, Bl. 175. 57 9.9.1970, BArch, DVW 1/115667 (ohne Paginierung). 58 BArch, DVW 1/24654, Bl. 240 f. 59 Kampfbestandsmeldung Waffenbrüderschaft, Stand: 14.10.1970, 18 Uhr, BArch, DVW 1/25115, Bl. 8. Zwischen Bündnispflichten und Eigeninteressen 85 tonte, dass man angetreten sei, den »Weltfrieden zu sichern«, und man »die Deutschen als arbeitsames Volk« schätze. Offenbar fanden die Worte nicht überall Anklang. Offiziere der NVA urteilten, der Oberst habe »absichtlich« darauf verzichtet, »sol- che Begriffe wie Waffenbrüderschaft, DDR und Freundschaft zur Sowjetunion« zu verwenden – Worte, die in der DDR zum bündnispolitischen Standardvokabular gehörten.60 Dieses vom MfS penibel vermerkte Stimmungsbild verrät, dass sich ostdeutsche Soldaten der distanzierten Position Rumäniens im Bündnis durchaus bewusst und dazu in der Lage waren, auch feinere Nuancen von Ansprachen zu deuten. Das belegen desgleichen andere vom MfS gesammelte Meinungen unter NVA-Angehörigen, nach denen es als »ein großer Erfolg für uns« galt, »dass die ru- mänische Volksarmee am Manöver teilnimmt«. Das Manöver, so der Bericht weiter, demonstriere die »Einheit und Geschlossenheit der sozialistischen Staaten«.61 Die Manöverleitung inszenierte »Waffenbrüderschaft« als Manifestation der Einig­­keit. In ausführlichen Artikeln lieferte die NVA-Militärzeitung »Volksarmee« Portraits der Streitkräfte der verbündeten Staaten. Im Beitrag zur Rumänischen Volksarmee rühmte sie die Geschichte des antifaschistischen Kampfes rumänischer Truppen 1944/45, der als ihre Geburtsstunde bezeichnet wurde. In dieser Zeit sei das »enge Klassen- und Waffenbündnis mit der Sowjetunion« begründet worden. In der WVO hätten sich die rumänischen Streitkräfte »zu einer modernen, kampfstarken Armee entwickelt«.62 Obgleich die Zeitung Rumänien – ganz im Sinne der Haltung der DDR – als engen Verbündeten in der WVO präsentierte, waren die immer wie- der in die Berichterstattung eingestreuten Äußerungen rumänischer Soldaten von größerer Zurückhaltung geprägt. Anstatt die »Waffenbrüderschaft« hervorzuheben, verwiesen sie auf die Bedeutung des Friedens und der Beziehungen zur DDR.63 Offenbar war es auch in einer gesteuerten Presselandschaft vor dem Hintergrund eines Manövers mit internationalen Beobachtern nicht möglich, Berichte und Wortäußerungen zu erdichten.64 Vielmehr mussten sie authentisch sein, weshalb ein von der Politischen Hauptverwaltung des MfNV betreutes Pressebüro dafür sorg- te, dass die ostdeutschen Zeitungen geeignetes Material für ihre Berichterstattung erhielten.65 Zahlreiche Veranstaltungen sollten die enge Verbundenheit zwischen den Ver­ bün­deten illustrieren. Dazu zählten Bälle, Besuche in Wirtschaftsbetrieben oder ge-

60 MfS, Führungsstelle Abwehr, Informationsbericht 6/70 »Waffenbrüderschaft«, 5.10.1970, BStU, MfS, HA I, Nr. 14303, Bl. 394. 61 Stimmungsbericht Nr. 9, 8.10.1970, BStU, MfS, HA I, Nr. 14303, Bl. 35. 62 »Erben von Satu Mare und Carei«. In: Volksarmee, Sonderausgabe, Oktober 1970, BStU, MfS, ZAIG, Nr. 11854, Bl. 401. 63 »Waffenbrüder grüßen Cottbus«. In: Lausitzer Rundschau, Nr. 242, 12.10.1970, S. 3; »Solda­ ­ten­ wort«. In: »Waffenbrüderschaft« Nr. 1 (undatiert), Oktober 1970, BStU, MfS, ZAIG, Nr. 11854, Bl. 381; »Dazulernen von den Waffenbrüdern«. In: »Waffenbrüderschaft« Nr. 3 (undatiert), Okto­ ber 1970, BStU, MfS, ZAIG, Nr. 11854, Bl. 391. 64 Zu den Strukturbedingungen der Presse in der DDR Anke Fiedler, Medienlenkung in der DDR, Köln, Weimar, Wien 2014 (= Zeithistorische Studien, 52). 65 Marek Krüger, Die militärpolitische Öffentlichkeitsarbeit der NVA am Beispiel des Manövers »Waf­fenbrüderschaft« (1970), unveröff. Diplomarbeit, Universität der Bundeswehr 2004, S. 114. Zur Struktur der Presselenkung der Politischen Hauptverwaltung Kräft/Dietrich, Die neue Stufe des militärischen Zusammenwirkens (wie Anm. 1), Bl. 50 f. und Bl. 88. 86 Christoph Nübel meinsame Märsche. Insgesamt wurden 1587 derartige »Treffen« mit etwa 154 000 Teil­nehmern durchgeführt.66 Bei einigen dieser Zusammenkünfte waren auch An­ ge­hörige der rumänischen Streitkräfte vertreten, galt es doch, sich ebenfalls mit den Zielen der WVO zu identifizierten und das Gastgeberland zu ehren. Letzteres moch- te den Rumänen, die eher am Bi-, denn am Multilateralismus interessiert waren, leichter gefallen sein. Rumänische Soldaten nahmen an vielfältigen Veranstaltungen teil. Dazu zählten ein Fest im Bezirk Frankfurt/Oder, eine Kranzniederlegung für die Opfer des Faschismus, der Manöverball und der Freundschaftsmarsch mit deutschen, sowjetischen und ungarischen Truppen. Sie besuchten das Jagdfliegergeschwader 3 und waren bei den Feierlichkeiten zum 21. Jahrestag der Staatsgründung der DDR präsent. In einer Liste über politische Veranstaltungen des Militärbezirks V war die ru- mänische Delegation allerdings bei einigen Treffen der Kommandeure, Politarbeiter und Besten nachträglich herausgestrichen worden, was wohl als Hinweis auf die ru- mänische Reserviertheit zu lesen ist.67 Von besonderer Bedeutung war der Besuch des Manöverleiters, Verteidigungs­ minister Hoffmann, und des Oberkommandierenden der WVO, Jakubovskij, am 10. Oktober 1970 beim rumänischen Stab in Lieberose (siehe Abb. 6, S. 150). Sie wurden von jeweils fünf Soldaten der Dienstgradgruppen Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere der übrigen sechs Teilnehmerstaaten begleitet.68 Diese hochrangig besetzten »Treffen der Waffenbrüderschaft«, die während des Manövers in den Quartieren aller verbündeten Streitkräften stattfanden, wurden als politische Höhepunkte des Manövers inszeniert. Obgleich sie teilweise den Charakter persön- licher Begegnungen trugen, liefen sie streng nach Protokoll ab. Zunächst versicher- te der jeweilige Kommandeur den Besuchern, dass die eigenen Truppen über eine hohe »Gefechtsbereitschaft« verfügten, und unterrichtete über die »ausgezeichne- te, enge Verbindung« mit den verbündeten Streitkräften. Auf diesen militärischen Teil folgte eine »herzliche Begegnung« mit Soldaten aller Dienstgrade. Abschließend fand ein »Meeting« statt, bei dem Jakubovskij unterstrich, dass das Manöver »ei- nen Beitrag zur Festigung der Freundschaft zwischen den Völkern der sozialistischen Staatengemeinschaft leisten« werde.69 Ziel solcher Treffen war es, die immer wieder beschworene, aber dennoch abstrakte »Waffenbrüderschaft« erlebbar zu machen. Mit scheinbar ungezwungenen, spontanen Zusammentreffen sollte Nähe zwischen den Dienstgraden und Nationen demonstriert werden.70 Inwiefern dies tatsächlich gelang, ist schwer zu beurteilen. Das MfS vermerkte, dass sich NVA-Soldaten »im Wesentlichen positiv« über die Angehörigen anderer

66 Hoffmann, Abschlussbericht, 9.11.1970, BArch, DVW 1/43713, Bl. 199. 67 Die Mehrzahl der Einträge zu den rumänischen Streitkräften wurde nachträglich bearbeitet, siehe Leiter Politische Verwaltung des Militärbezirks V, Plan der politischen Arbeit, 19.6.1970, BArch, DVH 17/180871. 68 Ebd., Bl. 37. 69 »Waffenbrüder eng verbunden«. In: Lausitzer Rundschau Nr. 242, 12.10.1970. Vgl. auch die Berichterstattung in Neues Deutschland, 11.10.1970. 70 Zur Inszenierung der Zusammenkünfte Christoph Nübel, Herzlichkeit als Handarbeit. Zur Bild­ geschichte des Truppenbesuchs von Erich Honecker bei der NVA 1984. In: Portal Militärge­ schichte,­ 2.1.2017, (letzter Zugriff 25.10.2019). Zwischen Bündnispflichten und Eigeninteressen 87

Armeen äußerten.71 Gleichwohl wurden im öffentlichen Raum aufgestellte Fahnen der WVO-Staaten sowie Banner und Bildnisse gelegentlich zerstört.72 Unter den Bedingungen der Einparteiendiktatur war dies eine Möglichkeit, Kritik zu äußern. Einzelne Soldaten missbilligten, dass die Symbolik des Manövers seinen militäri- schen Wert mindere. »Um das Manöver wird so viel Politik gemacht, dabei weiß jeder Kämpfer schon vorher, wie und wo er zu laufen hat [...] Alles nur zur Schau und dann große Berichte.«73 In der offiziellen Berichterstattung wurden solche Auffassungen selbstverständ- lich nicht thematisiert. Das »Treffen der Waffenbrüderschaft« bei den rumänischen Truppen habe gezeigt, resümierte die Manöverzeitung, dass die Teilnehmer bereit seien, »die Verteidigungsbereitschaft zu erhöhen und damit zugleich die militäri- sche Überlegenheit des Sozialismus über den Imperialismus weiter auszubauen«.74 Gleichwohl blieben internationale Kontakte während des Manövergeschehens »Aus­ nahmen«, denn der geregelte Dienst und mangelnde Sprachkenntnisse hemmten den Austausch erheblich.75 Bei aller öffentlich zelebrierten Einmütigkeit der verbündeten Streitkräfte gab es hinter den Kulissen durchaus Konflikte. So verweigerte die Securitate eine Koope­ ra­tion mit dem MfS, das gemeinsam mit den Sicherheitsorganen der beteiligten Staaten das Manöver überwachte.76 Während diese immer enger zusammenarbei- teten, verharrte der rumänische Geheimdienst im sozialistischen Bündnis in einer »Außen­seiterposition«.77 Insbesondere zwischen Bulgarien und Rumänien bestanden politische Differenzen, die auf das Manöver abstrahlten. Die Beziehungen zwischen beiden Nachbarstaaten waren nach dem Einmarsch in die ČSSR in eine tiefgreifende Krise geraten, weil die bulgarische Führung der sowjetischen Position in der WVO eng folgte und die rumä- nischen Souveränitätsbestrebungen skeptisch beurteilte. Die rumänische Parteispitze wiederum fürchtete, das loyale Bulgarien könnte der Sowjetunion als Ausgangspunkt dafür dienen, von Rumänien mit militärischen Mitteln die Bündnispflicht einzufor- dern.78 1970 verweigerte sie deshalb den Teilen der Bulgarischen Volksarmee, die zu »Waffenbrüderschaft« entsandt waren, die Durchreise. Die Bulgaren antworte-

71 MfS, Führungsstelle Abwehr, Bericht, 17.10.1970, BStU, MfS, HA I, Nr. 14303, Bl. 187. 72 MfS, Führungsstelle Abwehr, Informationsbericht 10/70, 9.10.1970, BStU, MfS, HA I, Nr. 14303, Bl. 334 f. 73 MfS, Führungsstelle Abwehr, Informationsbericht 16/70, 15.10.1970, BStU, MfS, HA I, Nr. 14303, Bl. 240. 74 »Waffenbrüderschaft« Nr. 1 (undatiert), Oktober 1970, BStU, MfS, ZAIG, Nr. 11854, Bl. 383. 75 Rüdiger Wenzke, Die NVA als Koalitionsarmee im Warschauer Pakt unter besonderer Berücksich­ tigung ihrer Beziehungen zur Ungarischen Volksarmee. In: Die NVA und die Ungarische Volks­ armee im Warschauer Pakt. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von Hans-Hubertus Mack, László Veszprémy und Rüdiger Wenzke, Potsdam 2011 (= Potsdamer Schriften zur Militärgeschichte, 15), S. 31‑45, S. 43. 76 MfS, HA I, Abschlussbericht zum Manöver »Waffenbrüderschaft«, 29.10.1970, BStU, MfS, HA I, Bd 15504, Teil 1, Bl. 20; vgl. Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe, Mitteilungskarte an Minister, 5.6.1970, BStU, MfS, ZAIG 23027, Bl. 103. 77 Georg Herbstritt, Entzweite Freunde. Rumänien, die Securitate und die DDR-Staatssicherheit 1950 bis 1989, Göttingen 2016 (= Analysen und Dokumente, 47), S. 207. 78 Stephen Fischer-Galati, Foreign Policy. In: Südosteuropa-Handbuch (wie Anm. 30), S. 198‑231, S. 219 und S. 225. 88 Christoph Nübel ten mit einer wohlvorbereiteten Demütigung der rumänischen Militärdelegation während des Waffenbrüderschaftstreffens, das am 10. Oktober in ihrem Lager in Königsbrück stattfand. Während eines Toasts wurde die rumänische Delegation aus- gelassen und das Land als »Volksdemokratie« bezeichnet. Damit spielte man auf den alten Staatsnamen »Volksrepublik Rumänien« an, den Ceaușescu bereits 1965 in »Sozialistische Republik« geändert hatte. Die rumänischen Offiziere mussten dem Empfang wenig standesgemäß im Zelt der Unteroffiziere beiwohnen, die rumäni- schen Unteroffiziere waren in die Unterkunft der einfachen Soldaten verwiesen wor- den. Zudem fehlte auf den Gastgeschenken die rumänische Flagge.79 Ob dies allein an der späten Zusage Rumäniens lag, darf angesichts der kalkulierten Zurücksetzung der Rumänischen Volksarmee während des Treffens bezweifelt werden. Das bulga- rische Vorgehen ist als deutliche symbolpolitische Missbilligung der rumänischen Haltung in der WVO zu verstehen. Das MfS, das ein besonderes Augenmerk auf sol- che »besonderen Vorkommnisse« legte, konnte zwischen den übrigen Verbündeten keine ähnlich schwerwiegenden Friktionen verzeichnen.80 Auch in der Öffentlichkeit waren Misstöne zu bemerken. Während die Presse in der DDR »Waffenbrüderschaft« als Fest militärischer Effizienz und bündnispoliti- scher Einigkeit schilderte, unterstrich die rumänische Nachrichtenagentur Agerpres, dass Rumänien tatsächlich nur einige Stabsoffiziere zum Manöver entsandt hatte. Angesichts der großen symbolpolitischen Bedeutung, die dem Manöver sowohl für die DDR als auch für die WVO insgesamt zukam, waren solche Berichte ein unfreundlicher Akt, der dem mühsam hergestellten Bild eines starken und einigen Bündnisses Kratzer zufügte. Die Nachrichten aus Bukarest wurden von westlichen Medien wie dem »Rundfunk im amerikanischen Sektor« (RIAS) oder den großen Tageszeitungen begierig aufgegriffen, womit zumindest im Sendegebiet des Berliner Rundfunks deutlich wurde, dass die ostdeutschen Zeitungen die rumänische Präsenz aufbauschten.81

Fazit

Der »Kalte Krieg« mündete in Mitteleuropa nicht in einer militärischen Auseinander­ setzung, sondern blieb ein Abstraktum. Großmanöver wie »Waffenbrüderschaft« übertrugen die vom Ost-West-Konflikt induzierte Gegnerschaft und Bündnis­zu­sam­ menarbeit ebenso wie Kriegsbilder und Bedrohungslagen zumindest zeitweise in die Realität. Das geschah im Manövergelände selbst, aber auch in der Öffentlichkeit. Die streckenweise phrasenhafte Berichterstattung über »Waffenbrüderschaft« sollte deshalb nicht als inhaltsleer beiseitegeschoben, sondern auf ihre Nuancen hin un-

79 MfS, Führungsstelle Abwehr, Informationsbericht 12/70 »Waffenbrüderschaft«, 11.10.1970, BStU, MfS, HA I, Nr. 14303, Bl. 302 f. 80 Das lag auch daran, dass die Sicherheitsdienste der Bündnisstaaten solche Vorfälle in der Regel selbst aufklärten und sie dem MfS nur fallweise zur Kenntnis gaben. Vgl. die Berichte in BStU, MfS, HA I, Nr. 14303; HA I, Nr. 15504, HA I, Nr. 19113. 81 Meldung des RIAS, 14.10.1970, BStU, MfS, ZAIG, Nr. 11854, Bl. 328; Hinweise auf die Presse­ berichte in Krüger, Die militärpolitische Öffentlichkeitsarbeit der NVA (wie Anm. 65), S. 66. Zwischen Bündnispflichten und Eigeninteressen 89 tersucht werden. Hier liegt ein Desiderat der Forschung. Die hoch formalisierten Waffenbrüderschaftsveranstaltungen während des Manövers mochten »als politisch- ideologisch aufgeblähtes Gebilde ohne wirkliche Inhalte« wahrgenommen worden sein,82 gaben der WVO allerdings ein Gesicht. Sie waren Inszenierung des für die WVO konstitutiven Internationalismus. Ganz offenbar beeinflusste der politische Eigensinn Rumäniens in der WVO auch seine Rolle während des Manövers. Im rumänischen Abschlussbericht fand sich kein Wort über die politisch-ideologische Bedeutung der Übung. Vielmehr be- schränkte er sich auf militärische Hinweise. Ausdrücklich lobte er die Organisation, »Aufmerksamkeit und Fürsorge« vonseiten der DDR. Er plädierte dafür, zukünftig »nationale« Schiedsrichter zu benennen und die russischen Führungsdokumente in die einzelnen Landessprachen zu übersetzen.83 Zwar verfügten tatsächlich zu we- nige Offiziere über Russischkenntnisse,84 gleichwohl unterstrichen die Vorschläge Rumäniens Distanz gegenüber den Prinzipien des sowjetisch dominierten Bündnisses. Im Vorfeld des Manövers hatte die Sowjetunion erheblichen Druck auf die Bukarester Führung ausgeübt. Dass sich Rumänien während des Manövers militä- risch engagierte, während es sich zugleich symbolpolitisch zurückhielt, war offenbar eine Möglichkeit, den Moskauer Forderungen zu entsprechen, ohne zu sehr vom Kurs nationaler Souveränität und Sicherheit abzuweichen. Unbedingter Widerstand, so fürchtete die Leitung der RKP, hätte womöglich eine sowjetische Intervention zur Folge gehabt. Eine »strikte Oppositionshaltung« war daher keine Option.85 Eher lässt sich von einer taktierenden Souveränitätspolitik sprechen, die Freiräume in der WVO ausnutzte. Tatsächlich musste die Sowjetunion wegen der anhebenden Phase der Détente und der Strukturen der WVO auch auf die Forderungen kleinerer Staaten reagieren. Für die DDR, die sicherheitspolitisch auf die UdSSR und das östliche Bündnis angewiesen war, bedeutete »Waffenbrüderschaft« einen Prestigegewinn in einer in- ternationalen Krisenphase. Die politischen Kontakte Rumäniens und der UdSSR mit der Bundesrepublik unterminierten ihren internationalen Kurs. Vor diesem Hintergrund sollte das erste gemeinsame Manöver der WVO die bedeutende Rolle Ost-Berlins im Bündnis unterstreichen und die militärische Bindung an die Sowjet­ union verstärken. Obgleich die zentralen Beschlüsse nicht in Strausberg, son­dern in Moskau getroffen wurden, konnte die DDR »Waffenbrüderschaft« als sym­bol­ politischen und militärischen Erfolg verbuchen. So vermochte sie ihren fehlenden politischen Einfluss auf internationalem Parkett auf militärischem Gebiet ein Stück weit zu kompensieren.

82 Wenzke, »Sozialistische Waffenbrüder« (wie Anm. 4), S. 107. 83 Undat. Bericht, BArch, DVW 1/24659, Bl. 1714 f. 84 MfNV, Abschlussbericht »Waffenbrüderschaft«, BArch, DVW 1/24659, Bl. 1646. 85 So jedoch Rijnoveanu, Rumänien (wie Anm. 19), S. 221. Ceaușescus Fähigkeit zum Kompromiss be­tont Kunze, Nicolae Ceaușescu (wie Anm. 21), S. 158.

Sorin-Vasile Negoiță

Bündnistreue oder nationales Interesse? Zur Beteiligung rumänischer Streitkräfte an den Übungen und Manövern der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Paktes

Als Reaktion auf die Gründung des Nordatlantikpaktes im Jahre 1949 und den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland am 6. Mai 1955 unterzeichneten die kommunistischen Staaten Osteuropas am 14. Mai 1955 den Warschauer Pakt, ein Militärbündnis zur Sicherung der Verteidigung gegen etwaige Bedrohungen aus dem Westen. Wie in anderen Militärbündnissen ging es auch im Warschauer Pakt darum, die Kommandostrukturen und die Truppen der Mitgliedsstaaten zu verbes- sern, nicht zuletzt durch zahlreiche gemeinsame Manöver. In Übereinstimmung mit der sowjetischen Militärdoktrin sollten die Vereinten Streitkräfte (VSK) des östli- chen Bündnisses in erster Linie den Kampf gegen einen möglichen Angriff auf sein Territorium trainieren. Gleichzeitig sollte aber auch verhindert werden, dass Bulgarien, die Tschechoslowakei, die DDR, Polen und Ungarn eigene Militärdoktrinen zur ter- ritorialen Verteidigung beschlossen.1 Diese wären die notwendigen Voraussetzungen dafür gewesen, in ihrem eigenen Hoheitsgebiet Krieg zu führen, so wie sie zu jener Zeit Rumänien und sein kommunistischer Nachbar Jugoslawien geschaffen hatten, der dem Pakt gar nicht erst beigetreten war.

Organisation und Durchführung gemeinsamer Übungen und Manöver

Die gemeinsamen Übungen und Manöver, bilateral mit der UdSSR wie auch multi- lateral mit den Streitkräften mehrerer Mitgliedsstaaten, wurden erst 1961 unter der Führung des sowjetischen Marschalls Andrej A. Grečko, des Oberbefehlshabers der VSK, systematisiert. Gemeinsame Manöver wurden bis 1961 auf taktischer Ebene durchgeführt, seitdem jedoch regelmäßig auf operativer und strategischer Ebene un- ter Beteiligung nahezu aller Kategorien von Streitkräften und Truppengattungen.2

1 Christopher Jones, Soviet Military Doctrine and Warsaw Pact Exercises (Final Report to National Council For Soviet and East European Research), (letzter Aufruf 30.10.2019), S. 1. 2 So führten im August 1957 sowjetische und ostdeutsche Truppen eine gemeinsame taktische Übung durch, während Marschall Grečko noch Befehlshaber der sowjetischen Truppen in Ostdeutschland 92 Sorin-Vasile Negoiță

Diese Übungen und Manöver erfolgten mit Truppen und Kommandostabsübungen mit oder ohne Fernmeldetruppen, im Gelände oder auf der Karte (siehe die Tabelle am Ende des Beitrags).3 Der Überblick über diese Manöver erlaubt die folgenden Schlussfolgerungen: Zwischen 1961 und 1966 gab es ungefähr drei Übungen pro Jahr, zwischen 1967 und 1974 erhöhte sich ihre Häufigkeit auf 4 bis 11, und seit 1975 beschränkten sie sich auf ein oder zwei, selten drei Übungen pro Jahr. In der Regel wurden gemeinsame Übungen und Manöver in genau definierten Aktionsbereichen auf dem Hoheitsgebiet aller Mitgliedsstaaten durchgeführt, an de- nen das Personal der Sowjetischen Streitkräfte (UdSSR) und die Truppen des jeweiligen Gebiets teilnahmen, zum Beispiel West/Nord-West (DDR, Polen, Tschechoslowakei und Ungarn) oder Süd/Süd-Ost (Rumänien und Bulgarien). Hinzu kamen die Gäste und Delegierten aus den anderen Staaten des Paktes, teilweise sogar aus China. Die Manöver wurden vorwiegend in den Gebieten West und Nord-West geplant, da im Grenzgebiet zwischen dem Warschauer Pakt und der NATO die Wahrscheinlichkeit eines Konflikts höher war. Geübt wurde aber auch in den Gebieten Süd-West, Süd und Süd-Ost, an der Grenze zu Italien, Griechenland und der Türkei. Einige Manöver fanden in Zeiten politischer Spannungen oder sogar in Gebieten statt, in denen das Risiko eines bewaffneten Konflikts­ bestand. anöverM im Oktober 1961 während der Zweiten Berlin-Krise und im August 1968 während des Einmarsches in die Tschechoslowakei sind Bei­spiele hierfür. Solche realitäts­nahen Übungen schie- nen besonders geeignet, sich auf den möglichen Einsatz vorzubereiten.4 Übungen und Manöver wurden gemäß dem Gemeinsamen Aktionsplan des Ober­kommandos der VSK geplant und durchgeführt, um die Ausbildung der Kom­man­dos und Truppen der Mitgliedsstaaten zu vervollkommnen. Man experi- mentierte mit neuen Methoden, um die Koordination der Kampfhandlungen zu verbessern, aber auch um die Beziehungen zwischen den Verbündeten zu stärken und die Zusammenarbeit der Truppen und ihrer Generalstäbe unter verschiedenen Kampf­bedingungen zu optimieren. Dazu erklärte Marschall Ivan I. Jakubovskij, der Oberkommandierende der Vereinten Streitkräfte:

war, und vom 18. Juli bis 8. August 1958 hielten die sowjetische Luftwaffe und die bulgarischen Land-, Luft- und Seestreitkräfte unter dem Kommando des sowjetischen Marschalls (Luftwaffe) Nikolaj Semenov Skripko eine gemeinsame Übung in Bulgarien ab. Vgl. Jones, Soviet Military Doctrine (wie Anm. 1), der sich auf Ivan I. Jakubovskij, Boevoe Sodružestvo bratskich narodov i armij stran Varšavskogo dogovora [Das Militärbündnis der Völker und Streitkräfte der Staaten des Warschauer Paktes], Moskva 1975 (dt. Übers.: Berlin [Ost] 1977), S. 151, bezieht. 3 Jones, Soviet Military Doctrine (wie Anm. 1), Anhang 1; Generaloberst (a.D.) Dr. Constantin Olteanu, Oberst (a.D.) Alesandru Duțu, Generalmajor (a.D.) Constantin Antip, România și Tratatul de la Varșovia. Istoric. Mărturii. Documente. Cronologie [Rumänien und der War­schauer Pakt. Geschichte. Zeugnisse. Dokumente. Chronologie], Bukarest 2005, S. 89‑106; Generaloberst (a.D.) Dr. Constantin Olteanu, O viață de om: dialog cu jurnalistul Dan Constantin [Ein Menschenleben: Interview mit dem Journalisten Dan Constantin], Bukarest 2012, S. 274‑282; und Petre Opriş, Aplicații pe Teatrul de acțiuni militare de Sud-Vest al Organizației Tratatului de la Varșovia (1973‑1989) [Manöver im Südwest-Militärszenario des Warschauer Paktes], , letzter Aufruf am 30.10.2019. 4 Olteanu u.a., România (wie Anm. 3), S. 90. Zwischen Bündnistreue und nationalem Interesse 93

»Gemeinsame Übungen werden jährlich nach einem vereinbarten Plan durchgeführt. Es muss betont werden, dass in den Vereinten Streitkräfte dem Erfahrungsaustausch bei der Ausbildung von Soldaten und Matrosen besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Nationale und vereinte Kommandos, Befehlshaber und Personal der Vereinten Streitkräfte vermitteln das Beste im politischen Kampf und in der Ausbildung des Personals und der Ausbildungsmethode. Das Oberkommando der Vereinten Streitkräfte und ihr Stab ver- allgemeinern die neuesten Erfahrungen der Vereinten Streitkräfte und vermitteln diese zum Zwecke der Durchführung an alle Kommandeure, Mitarbeiter und Truppen.«5 Die Konzeptionen der Manöver gründeten aus Sicht der UdSSR und der fünf »lo- yalen« Mitgliedsstaaten Bulgarien, Tschechoslowakei, DDR, Polen und Ungarn auf der Annahme, dass es »imperialistische« Kräfte gebe, die sich gegen Sozialismus und Frieden richteten. Darüber hinaus gingen sie davon aus, dass die Manöver die gemeinsame Verteidigung der sozialistischen Errungenschaften gegen ausländi- sche Feinde ermöglichten, indem sie dazu beitrugen, die Abhängigkeit von eige- nen Kräften zu vermeiden und ein multilaterales Eingreifen auf dem Gebiet des anderen Staates zu erleichtern. Die Quellen geben nicht explizit an, ob die während gemeinsamer Übungen und Manöver durchgeführten Maßnahmen offensiver oder defensiver Natur waren; von umfangreichen Verteidigungsmaßnahmen ist selten die Rede, manchmal von intensiven Offensivmaßnahmen als Reaktion auf Angriffe der NATO-Streitkräfte. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass die Verteidigung eines na- tionalen Territoriums durch nationale Elemente unter nationalem Kommando aus- geschlossen wurde. Die Leitung der Übungen und Manöver6 lag in der Regel beim Verteidigungsminister und der Generalität jener Staaten, in deren Hoheitsgebiet sie stattfanden, oder beim (Stellvertretenden) Oberbefehlshaber/Chef des Stabes der VSK. Neben den erklärten Zielen bezweckte das System gemeinsamer Übungen und Manöver die regelmäßige »Rückkehr« der Truppen der UdSSR und anderer Mit­ gliedsstaaten­ in die drei Länder, in denen sowjetischen Truppen nicht stationiert waren: die Tschechoslowakei (bis 1968), Rumänien und Bulgarien. Im Gegenzug wurden die Truppen dieser drei Länder eingeladen, an Manövern auf dem Gebiet anderer Mitgliedsstaaten und in einigen Fällen sogar auf dem Gebiet der UdSSR teilzunehmen.­ Die Übungen und Manöver fanden zu etwa je einem Drittel aus- schließlich im Inland, im Ausland oder sowohl im Inland als auch im Ausland statt. Die Befehls­gewalt bei den Übungen lag zu einem Drittel bei den eigenen und zu zwei Dritteln bei den ausländischen Generalen, insbesondere jenen, die der VSK- Führ­ung angehörten. Auf diese Weise verringerten die Sowjets die Chance der nationalen Verteidigungsministerien, eigene Fähigkeiten zur Kriegführung auf na- tionalem Gebiet zu entwickeln. Zugleich schränkten sie für die Offiziere der ein- zelnen Paktstaaten die Möglichkeiten ein, die erforderlichen Erfahrungen für die Durchführ­ ung gemeinsamer Maßnahmen zur Verteidigung des nationalen Gebiets zu sammeln.7

5 Jakubovskij, Boevoe, S. 160. 6 Die Kommandeure konnten nicht für alle Manöver des Warschauer Paktes identifiziert werden. 7 Jones, Soviet Military Doctrine (wie Anm. 1), S. 21‑24. 94 Sorin-Vasile Negoiță

Ein wichtiger Teil der gemeinsamen Manöver war der simulierte Einsatz von Atomwaffen; Nebenwirkungen wurden dabei nicht berücksichtigt. Am Ende wurde der Ablauf des Manövers analysiert, Mängel wurden hervorgehoben, Lehren gezo- gen und Empfehlungen für die Ausbildung der Truppen gegeben. Gleichzeitig erließ der Oberkommandierende der VSK in festgelegten Abständen eine »Einsatz- und Übungsrichtlinie der VSK der Teilnehmerstaaten des Warschauer Paktes«, in der die Schlussfolgerungen aus den Manövern, Kriegsspielen oder Einberufungen dieses Zeitraums dargelegt und die Leitlinien für die nächste Truppenausbildung festgelegt wurden (Dok. 7). So hieß es in einem Leitartikel des Zentralorgans des sowjetischen Verteidigungsministeriums, der »Krasnaja Svesda«, vom 20. September 1969 über das Oder-Neiße-Manöver (Polen): »Ziel dieser Übungen ist es, die Ausbildung der Truppen im Jahr 1969 zu bewerten.« Einige Jahre später, am 2. September 1976, er- klärte der polnische General Josef Kaminski als Stellvertretender Chef des Stabes der VSK, dass »nach den Ergebnissen der Übungen und Manöver [...] die notwendigen Schlussfolgerungen gezogen und anschließend Empfehlungen für die Einführung in die Praxis der Truppenausbildung ausgesprochen [werden].«8

Besonderheiten der Teilnahme der rumänischen Armee an gemeinsamen Übungen und Manövern

Welche Faktoren prägten die Teilnahme der rumänischen Armee an den gemein- samen Übungen und Manövern der VSK? Wie wirkte sie sich auf die Ausbildung ihrer eigenen Streitkräfte aus? Rumänien befand sich, erstens, aus geopolitischer und geostrategischer Sicht in der sogenannten zweiten Staffel des Hoheitsgebiets der Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes. Mit Ausnahme des Schwarzen Meeres war es von anderen Mitgliedsstaaten oder Staaten desselben politischen Lagers umgeben, wie es sich auch im Falle Jugoslawiens verhielt. Zweitens waren sowjetische Truppen seit 1958 nicht mehr auf rumänischem Gebiet stationiert, was auch auf Bulgarien und die Tschechoslowakei zutraf. Drittens: Als Nicolae Ceauşescu 1965 die politi- sche Führung in Bukarest übernahm, änderte sich die Einstellung zu den gemein- samen Übungen und Manövern grundlegend. Er war überzeugt, dass sie den rumä- nischen Staat daran hinderten, die Fähigkeiten der eigenen Streitkräfte zu testen. Deshalb stellte er das Recht des Oberkommandos der VSK in Frage, die Streitkräfte in Rumänien zu befehligen und zu kontrollieren. Viertens war Rumänien das ein- zige Land im kommunistischen Block, das seit 1967 diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland unterhielt. Am Ende beteiligte sich Rumänien mit Kommando- und Stabspersonal oder Truppen an den Manövern lediglich als Verbündeter, gemäß dem Warschauer Pakt, selten bilateral und wenn, dann in sei- nem militärischen Aktionsbereich. In Rumänien bildete wie in Jugoslawien die eigene Militärdoktrin die theoreti- sche Grundlage für die Ausbildung des Personals durch Manöver; mit Theorie und Praxis der sowjetischen Militärdoktrin war sie unvereinbar, was die Landes­ver­tei­

8 Ebd., S. 55 f. Zwischen Bündnistreue und nationalem Interesse 95 digung anging. Moskaus Doktrin war in der Tat eine ständige Aufforderung an die Verteidigungsministerien der Blockländer, ihre eigenen territorialen Vertei­di­gungs­ strategien zu entwickeln. Rumänien ging ebenso wie Jugoslawien davon aus, dass der Angreifer eher konventionelle Waffen als Atomwaffen einsetzen würde. Rumäniens Lehre von der Kriegführung auf der strategischen, operativen und taktischen Ebene befasste sich mit der Frage, ob die nationalen Streitkräfte und die politische Führung im Falle der Besetzung irgendeines Landes durch eine feindliche Macht mit ca. 750 000 bis 1 250 000 Soldaten überleben können. Im Gegensatz zu Jugoslawien schlug Rumänien als Mitglied des Warschauer Paktes leise Töne bei der Kritik an den Militärblöcken an, aber die militärpolitischen Axiome der Sowjets, die auf aggressive imperialistische Aktionen gegen Rumänien zielten, lehnte Bukarest entschieden ab.9 Zwar fanden auch auf rumänischem Hoheitsgebiet gemeinsame Übungen und Manöver statt, jedoch in geringerer Anzahl als in den anderen Mitgliedsstaaten. Nur in wenigen Fällen wurden Truppen eingesetzt. So stimmten Rumänien und die Tschechoslowakei 1962 zu, gemeinsame Übungen und Manöver mit Truppen der Paktstaaten auf ihrem Hoheitsgebiet durchzuführen, doch dieses Einverständnis galt nur bis 1964 (siehe die Tabelle am Ende des Beitrags). Später gab es in Rumänien nur Übungen und Manöver des Kommandos anhand von Karten, mit Beteiligung des Personals der sowjetischen und bulgarischen Armee. Gleichzeitig beteiligten sich die rumänischen Streitkräfte bis 1965 an Truppenmanövern auf dem Hoheitsgebiet anderer Staaten. Sie trugen in der Regel zur Bildung mehrerer Großverbände (»Fronten«10) auf dem Balkan und in Mitteleuropa in Manövern bei, die nicht in eine bestimmte strategische Richtung zielten.11 Weil sich die rumänischen Behörden weigerten, Truppenmanöver zu organisieren oder sich auch nur an ihnen zu beteiligen, mussten immer wieder Krisengespräche zwischen der Führung der rumänischen Armee und den VSK geführt werden.12 Zu einer ersten Unterredung kam es im November 1964 mit dem Generalstabschef Armeegeneral Ion Tutoveanu. Einerseits ging es um die Errichtung einer rumäni- schen »Front« im Kriegsfall, welche die Mehrheit der rumänischen Streitkräfte um- fasste, um bei Operationen unabhängig zu handeln. Andererseits drehten sich die Gespräche um den Beschluss, dass die Gruppierung der Streitkräfte in Armee­kom­ mandos, Armeekorps und Reservekräfte ausschließlich die Aufgabe des rumänischen Verteidigungsministers sein sollte. Hatten die rumänischen Streitkräfte die Aufgabe, in Richtung Süden vorzugehen, kam es darauf an, dem rumänischen Oberkommando auf seinem Hoheitsgebiet Reservekräfte zur Verfügung zu stellen, auf Anweisung der rumänischen Regierung eine Landung an der Schwarzmeerküste zu verhindern und Luftlandetruppen im Landesinneren zu vernichten. Nach langen Gesprächen akzep- tierten die Sowjets schließlich den Vorschlag der rumänischen Seite. So wurde vom 20. bis 27. Mai 1965 unter der Leitung des rumänischen Verteidigungsministers, Armeegeneral Leontin Sălăjan, das erste rein rumänische Manöver durchgeführt, ein- schließlich Kommando und Generalstab, mit Frontstaffeln, mit Fernmeldetruppen

9 Ebd., S. 1‑3. 10 »Front« lautete die sowjetische Variante einer Heeresgruppe. 11 Olteanu u.a., România (wie Anm. 3), S. 92. 12 Ebd., S. 92 f. 96 Sorin-Vasile Negoiță und zu Lehrzwecken. Dieses Manöver gehörte zum gemeinsamen Manöverplan des Oberkommandos der VSK. Diese Haltung änderte sich nach dem Einmarsch in die Tschechoslowakei im August 1968. Ceauşescu hatte die Invasion als Verstoß sowohl gegen das Völkerrecht als auch gegen den Grundsatz der gegenseitigen Nichteinmischung in innere Angelegenheiten kritisiert, war doch die kollektive Verteidigung gegen ausländische Aggression der einzige rechtmäßige Einsatz des Warschauer Paktes. Über die Frage gemeinsamer Truppenmanöver kam es jetzt zu ausgedehnten Gespräche zwischen der rumänischen Armee und dem VSK-Oberkommando, die 1969 und 1970 ihren Höhepunkt erreichten.13 Nach Gesprächen mit dem Oberbefehlshaber der VSK Jakubovskij und seinem Chef des Stabes, General Sergej M. Štemenko, wollte die militärische Führung der rumänischen Streitkräfte, Verteidigungsminister Generaloberst Ion Ioniță und Generalstabschef Generaloberst Ion Gheorghe, am 9. September 1969 erreichen, dass die mehrfach geäußerte Forderung nach einem Truppenmanöver in Rumänien im Oktober 1969 ebenso aufgehoben würde wie die nach einer »Manöverübung auf der Karte«, die für 1970 unter der Leitung des rumänischen Verteidigungsministers und mit Beteiligung von Kommando-/Einsatzgruppen aus Rumänien, Bulgarien und der UdSSR geplant war (Dok. 8). Die Führung des Oberkommandos der VSK akzeptierte den Vorschlag der rumänischen Seite zunächst nicht, da es unvorstellbar schien, das geplante Manöver zu streichen und durch eine bloße Kartenübung zu ersetzen. Sie stimmte lediglich einer Verschiebung zu. Die sowjetischen Generale hatten Sorge, dass sie einen Präzedenzfall schaffen, der Anlass zu Spekulationen über Spannungen im Pakt geben würde. Darüber hinaus stand zu befürchten, dass die anderen Mitgliedsstaaten der UdSSR vorwarfen, die SR Rumänien zu bevorzugen. Nach mehreren Gesprächen wurde dieses Manöver schließlich auf das Jahr 1970 verlegt und in eine Übung mit Kommando, Generalstab und Fernmeldetruppen umgewandelt. Unter der Leitung des rumänischen Verteidigungsministers beteilig- ten sich die Streitkräfte Rumäniens, Bulgariens und der UdSSR. In den Augen des Oberkommandos der VSK verstärkte 1970 noch ein weite- rer Umstand den negativen Eindruck, den Rumänien als Bündnispartner machte. Nach rumänischem Recht war es notwendig, mit allen Staaten, deren Truppen oder Kommandostäbe an Manövern auf rumänischen Hoheitsgebiet teilnehmen sollten, zunächst ein Abkommen zu schließen (Dok. 9). Die VSK-Führung beanstandete, dass die Satzung der VSK vom März 1969 einen solchen Vertragsabschluss gar nicht vorsah. Gleichwohl einigte man sich schließlich darauf, auf rumänischem Territorium nur noch Übungen mit Kommando und Stab und auf der Karte durchzuführen. Zudem sollte die rumänische Armee an Truppenübungen auf dem Territorium anderer Staaten nicht mehr teilnehmen. Aufschlussreich ist die Antwort, die VSK- Generalstabschef Štemenko am 10. Februar 1970 seinem rumänischen Stellvertreter Generalmajor Florian Truţă gab: »Wir wissen, dass es ein Gesetz gibt. Es wurde am 21. August 1968 in Zusammenhang mit der Situation in der SR Tschechoslowakei verabschiedet. In der im März 1969 un-

13 Ebd., S. 94 f. Zwischen Bündnistreue und nationalem Interesse 97

terzeichneten Satzung wurde nicht erwähnt, dass Manöver nur auf der Grundlage von Abkommen durchgeführt werden können. Gesetze, Gesetze, aber wenn es um Truppen ginge, würden diese nach Gesetzen fragen? Dubček hatte seine Gesetze, aber wer hat ihn danach gefragt?«14 Fortan waren die Vereinten Streitkräfte bei Manövern in Rumänien nur durch Kommandos vertreten, wobei die militärische Lage ausschließlich simuliert wurde. Umgekehrt war die rumänische Armee bei Manövern des Warschauer Paktes auf dem Hoheitsgebiet anderer Staaten nur mit einigen Generalen und Offizieren und begrenzten Kommandos vertreten, welche die strategischen und operativ-taktischen Situationen ebenfalls nur auf der Karte lösten. Seit 1970 organisierte Rumänien in der Regel alle zwei Jahre ein gemeinsames operativ-strategisches Manöver auf der Karte. Neben den Rumänen, die mit zwei Armeekommandos die Mehrheit der Landstreitkräfte stellten, nahmen die Sowjets und die Bulgaren mit je einem Armeekommando teil, alle in einer »Front« organi- siert und ergänzt um operative Kräfte wie Luftwaffe, Flugabwehr, Marine, Artillerie, Pioniereinheiten und Chemische Truppen.15 Planung und Organisation dieser ge- meinsamen Kommando- und Generalstabsübungen auf der Karte wurden durch fol- gende Ziele geprägt, die im Wesentlichen auch für die Truppenübungen in diesem Militärszenario galten: die zeitgerechte Mobilmachung der Einheiten, die Abwehr der Offensive des Angreifers und den Übergang zur eigenen Offensive; Ausbildung und Training der Kommandos aller Staffeln, die an der Organisation und Durchführung des Kampfes und Einsatzes beteiligt waren mit modernen Mitteln; Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen den Bündnispartnern; Überprüfung der dem Einsatzplan zugrunde liegenden Annahmen; Testen neuer Methoden im taktisch-operativen Bereich; Verbesserung der Führung und der Arbeit des Generalstabs.16 Das Konzept der Übungen und Manöver wurde in Form von Texten und Grafiken ausgearbeitet. Es stellte den allgemeinen und besonderen politisch-militärischen Zusammenhang dar, in dem ein Angriff gegen einen der Verbündeten Rumäniens17 – in der Regel gegen Bulgarien – erfolgt wäre. Das Konzept erläuterte alle Aspekte­ der strategischen, operativen und taktischen Herausforderung, welche die Beteilig­ ten bewältigen mussten, benannte die Kampfmittel, legte die Reihenfolge des Kräfte­ einsatzes fest sowie die Gruppierung und Umgruppierung von Truppen, die Themen der Kooperation und Führung sowie die Verbindungen zwischen den Beteiligten. Die Planung sah zu keinem Zeitpunkt vor, dass die eigenen Kräfte Massenv­ er­nich­ tungswaffen­ einsetzen, wohl aber die Möglichkeit, dass sie von einem potenziellen Gegner eingesetzt werden. Die Übungen waren so angelegt, dass sie große Land-, Luft-, Luftabwehr- und Seestreitkräfte gemäß den Anforderungen des modernen Kampfkonzepts zu Land, 14 Arhivele Naționale ale României, Fond »Tratatul de la Varșovia (MApN)« [Rumänisches National­ archiv, Fonds »Warschauer Pakt (MapN)«], Aktenzeichen 48/1970, fol. 26, Informationsnummer M00702/11.2.1970, Rumänischer Verteidigungsminister, Generaloberst Ion Ioniţă, an den Präsi­ ­ denten Nicolae Ceauşescu. 15 Olteanu u.a., România (wie Anm. 3), S. 96. 16 Ebd., S. 97. 17 Die Regierungen dieser Staaten waren gemäß Art. 4 des Gründungsdokumentes des Warschauer Paktes verpflichtet, militärische Unterstützung anzufordern. 98 Sorin-Vasile Negoiță

Luft und See integrierten. In den meisten Fällen gingen dabei massive Angriffe der Luftwaffe und mit taktisch-operativen Raketen von großer Reichweite dem Ein­satz von gepanzerten Landstreitkräften voraus. Während der laufenden Luft-Boden-Ope­ rationen­ erhöhte die Luftwaffe das Tempo der Offensive, intensivierte die Einsätze oder stärkte die Defensive, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit der Luftab­ wehr. So übte man Späh- und Beobachtungsmissionen, Bombenangriffe und Sturm­ angriffe, uftlandungen,L Truppentransporte und Nachschub. Zentrale Übungsziele­ waren das Einnehmen wichtiger Flüsse sowie der Kampf in befestigten Stellungen,­ in Gebirgswäldern und in Ortschaften. Die Handlungsanweisungen der rumä­nischen Streitkräfte während der von ihr organisierten Übungen und Manöver spiegelten im Allgemeinen die drei strategischen Richtungen wider: nach Südwesten Richtung­ Norditalien (bis 1966), nach Süden Richtung Griechenland und nach Südosten Richtung Türkei oder Schwarzmeerküste. Die Zeit vor den Übungen und Manövern nutzte man für die theoretische Ausbildung der Beteiligten. »Der Teilnahme der rumänischen Kommandos an Manövern, unabhängig von ihrem Charakter und dem Ort, an dem sie ausgeführt wurden, ging eine intensive theoretische und methodische Vorbereitungsphase der an der Aktion teilnehmenden Soldaten voraus«, berichtete der damalige Ver­tei­di­ gungsminister­ Generaloberst (a.D.) Constantin Olteanu. »In dieser Zeit wurden auf der Grundlage einer Orientierungsliteratur jene Kampfvorschriften, Arbeiten, Studien und Artikel sorgfältig studiert, die sich mit der Problematik der zukünftigen Manöver befassten oder die für die Präsentation von Vorträgen und Debatten über die Besonderheiten des Militärszenarios verwendet wurden.«18 Die Soldaten sollten vor allem informiert sein über die Bodenbeschaffenheit, den Zustand der Marschrouten (Straßen und Eisenbahnen), die Kapazität der Kom­mu­nikationsmittel, die Lage der Gebiete und der Flüsse, die durchquert oder überwunden werden mussten. Die Teilnehmer wurden dabei ermutigt, ihre per- sönliche Einschätzung zu äußern und Varianten zu den wichtigsten Situationen vorzuschlagen, die sich in der Dynamik des Kampfes ergeben konnten. Sie sollten Lösungs­mög­lichkeiten ausarbeiten sowie Formen und Methoden der Zusam­men­ arbeit des Militärs und der Verbündeten entwickeln. Gleichzeitig fanden umfang- reiche Stabsübungen in allen am Manöver beteiligten Staffeln statt. Hier ging es insbesondere um die Aufklärung im Gelände und die Kenntnis der Organisation, der Ausstattung und der Qualität der Kräfte, die ein potenzieller Feind mobilisie- ren könnte, und natürlich darum, wie er militärisch vorgehen würde. Alle für die Übungen und Manöver erforderlichen Unterlagen, auch das methodische Konzept, mussten die Rumänen mit Vertretern der Sowjetarmee und der bulgarischen Armee sowie der VSK-Führung abstimmen. An der rumänischen Schwarzmeerküste, im Kurort Neptun, wurden von Februar bis März die Kommando- und Generalstabsübungen auf der Karte abge- halten. Nicht die Schönheit des Kurortes gab den Ausschlag, sondern seine Lage: Schließlich zielte die Operation auf die Verteidigung der Küste und der Donau-

18 Olteanu u.a., România (wie Anm. 3), S. 96‑98, auch das Folgende. Zwischen Bündnistreue und nationalem Interesse 99

Mündungen. Zusätzlich beteiligten sich die rumänischen Streitkräfte zusammen mit den sowjetischen und bulgarischen fast jedes Jahr mit Schiffen an den sogenannten Flottenmanövern zur Verteidigung der rumänischen und bulgarischen Küste und zur Abwehr eines mutmaßlichen Feindes im Schwarzen Meer. Oder sie nahmen mit Truppen der Raketen-Flugabwehr an Schießübungen mit anderen Mitgliedsstaaten auf dem Truppenübungsplatz Ašuluk im sowjetischen Sibirien teil. Um sich ein Bild von der Durchführung und den Ergebnissen der Manöver in Rumänien zu machen, besuchten in der Regel der Oberbefehlshaber, der Chef des VSK-Generalstabs sowie der bulgarische Verteidigungsminister die übenden Truppen. In der Planungsphase und während des Manövers analysierten die rumäni- schen Verteidigungsminister nicht nur die eigene Konzeption, sondern diskutierten mit der VSK-Führung auch das gesamte militärische Szenario, an dem sich die ru- mänische Armee direkt beteiligte. Ganz besonders interessierte sich die rumänischen Armeeführung19 erstens für jene Streitkräfte, die auf der griechischen und der türkischen operativen Linie tätig werden sollten, für die Kampfweise der ersten und zweiten strategische Staffel sowie die Ausübung der militärischen Befehlsgewalt. Diese Themen fanden auch bei der politischen Führung in Bukarest große Aufmerksamkeit. Nach dem Konzept des Oberkommandos der VSK und des Generalstabs der sowjetischen Armee umfass- te die zweite strategische Staffel nur sowjetische Streitkräfte, die auf bulgarischem Territorium in den Kampf eintreten sollten, und zwar für die Offensive in der Tiefe und die Eroberung der strategischen Ziele. Die Diskussion darüber wurde 1983 in Moskau vom rumänischen Generalstabschef, Generaloberst Vasile Milea, anlässlich der Vorbereitung der Kommando- und Generalstabsübung in Neptun fortgesetzt. Nach der Vorlage der Übungsunterlagen wies der Generalstabschef der Sowjetarmee, Marschall Nikolaj Ogarkov, im Befehlston darauf hin, jenen Teil des Übungskonzepts zu ändern, der sich auf die Tiefe der Einsätze bezog. Demnach sollten die Streitkräfte in der Offensive – in der ersten strategischen Staffel größtenteils rumänische – nur bis zu einer gewissen Tiefe vordringen, die viel geringer war als vorgesehen. Dahinter stand die Absicht, dass die Sowjets, nachdem die rumänischen Streitkräfte der ers- ten Staffel die Hauptlast getragen hatten, zu einem vorher festgelegten Zeitpunkt ihre eigene »Front« errichten sollten, um die allgemeinen strategischen Ziele zu er- obern. In dieser Situation musste der rumänische Verteidigungsminister Olteanu bei Marschall Viktor Kulikov, dem Oberbefehlshaber der VSK, intervenieren, damit es bei dem ursprünglichen Übungskonzept blieb, wie es von rumänischer Seite gedacht war.20 Ein zweites wichtiges Thema, das die Führung der rumänischen Armee mit der Führung der VSK auf Ceauşescus Anraten erörterte, war die Frage, wer das Kom­ man­do im Südwest-Szenario ausüben sollte. Da die Sowjets erwarteten, dass die Führung in diesem wie auch in anderen Gebieten den sowjetischen Marschällen und

19 Vertreten durch Armeegeneral Ion Ioniţă, Generaloberst Ion Coman und Generaloberst Constantin Olteanu, Verteidigungsminister von 1966 bis 1985. 20 Olteanu u.a., România (wie Anm. 3), S. 98 f., auch das Folgende. 100 Sorin-Vasile Negoiță

Generalen übertragen würde, diese mithin weitreichende Befugnisse erhielten, erör- terte Generaloberst Olteanu diese Frage 1983 im Lauf derselben Übung mit Kulikov. Dieser schlug vor, dass die Rumänen hier das Kommando übernehmen sollten. Wäre ein solcher Vorschlag angenommen worden, hätte das zu weiteren Komplikationen geführt. Man vereinbarte daher, den Meinungsaustausch fortzusetzen und die strit- tigen Angelegenheiten später zu klären. Nach dem Einmarsch in der Tschechoslowakei 1968 sorgten auch der Transport sowjetischer Militärtechnik auf rumänischem Gebiet und das Eindringen der so- wjetischen Luftstreitkräfte in den rumänischen Luftraum für Unstimmigkeiten im Warschauer Pakt. Beides war nötig, weil die sowjetische Armee an Manövern in Bulgarien teilnahm. Nach intensiven Gesprächen zwischen der rumänischen Armeeführung und dem Oberkommando der VSK wurden zwei Optionen für den Transport der Militärtechnik vereinbart: per Schiff über das Meer und, falls das nicht möglich war, per Eisenbahn mit Hilfe von Triebzügen, getrennt von den Soldaten, die am Manöver teilnahmen. Dazu erklärte Generaloberst a.D. Olteanu im Interview mit dem Journalisten Dan Constantin, dass Rumänien »seit 1968 [...] weder den Durchzug von Truppen anderer Staaten auf seinem Hoheitsgebiet, mit oder ohne Waffen, noch den Überflug seines Territoriums durch ausländische Militär­flugzeuge« gestattet habe. »Offensichtlich wurde die Position Rumäniens kri- tisiert, und seine Verbündeten, insbesondere die Sowjets, bestanden darauf, zu ihr zurückzukehren.«21 Doch Ausnahmen bestätigten die Regel. Sie gingen auf die Absicht des rumä- nischen Staatsoberhauptes zurück, die Beziehungen zwischen Rumänien und den anderen Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes, insbesondere der Sowjetunion, zu entspannen. So wurde beispielsweise der Durchzug sowjetischer Militärkolonnen durch Rumänien, die 1977 und 1989 an Übungen auf bulgarischem Territorium teilnahmen, ebenso genehmigt wie die Anforderung des Generalstabschefs der bul- garischen Streitkräfte, einige Staffeln bulgarischer Soldaten durch Rumänien ziehen zu lassen, damit sie an einer Übung auf dem Territorium der UdSSR vom 10. bis 20. Mai 1969 teilnehmen konnten (Dok. 6). In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre weigerte sich die politisch-militärische Führung, den rumänischen Generalstab für gemeinsame Generalstabsübungen oder für verschiedene Einberufungen einzusetzen. Denn in Bukarest war man der Meinung, dass die Kommandoausbildung ausschließlich eine Aufgabe des nationalen Kommandos sei. Auch die Teilnahme der rumänischen Armee an Truppenübungen lehnte man weiterhin ab. Stattdessen wurde beschlossen, nur Einsatzgruppen der Stäbe der Armee oder Divisionen für die ausschließlich auf der Karte stattfindenden Aktivitäten zu entsenden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Übungen auf der Karte, so gut sie auch entworfen und ausgeführt wurden, Truppenübungen im Gelände nicht ersetzen konnten. Nur diese sichern die militärische Ausbildung und das Fertigkeitstraining für Kommandanten und Generalstäbe, weil sie es erlauben, so wirklichkeitsnah wie möglich auf dem Schlachtfeld zu handeln, die Hypothesen des Einsatzplans ef-

21 Ebd. Zwischen Bündnistreue und nationalem Interesse 101 fektiver zu überprüfen und aufgrund der Schlussfolgerungen die Einsatzpläne zu korrigieren.22 In den 1980er Jahren konzentrierte man sich auf Übungen und Manöver für die Vorbereitung der Führungskader und Truppen, zumal die rumänische Armee an Truppenübungen des Warschauer Paktes länger nicht mehr teilgenommen hat- te und es nur regelmäßige Manöver von einzelnen Einheiten und taktischen und operativen Einheiten auf der Ebene der gesamten rumänischen Armee unter der Leitung des Verteidigungsministers gegeben hatte. Gleichzeitig gelang es Olteanu, im Einklang mit der neuen strategischen Ausrichtung der 1980er Jahre, durch wel- che die Übungen an Bandbreite und Komplexität gewannen, Ceauşescu davon zu überzeugen, dass sich auch Übungen mit einem Szenario lohnten, in dem ein poten- zieller Angreifer nicht nur – wie es üblich war – bis zur Staatsgrenze zurückgeschla- gen, sondern bis zu seiner Niederlage oder Kapitulation verfolgt wurde.

Merkmale der Manöver des Warschauer Paktes mit Beteiligung rumänischer Streitkräfte

Um die oben genannten Beispiele zu veranschaulichen, sollen im Folgenden ei- nige Merkmale anhand von drei Manövern erläutert werden, die im Rahmen des Warschauer Paktes mit rumänischer Beteiligung stattfanden.

Kommando- und Stabsübung, Frontstaffel, mit Fernmeldetruppen im Gelände, zu Ausbildungszwecken, 20. bis 27. Mai 1965

Die im Plan der VSK für gemeinsame Maßnahmen vorgesehene Übung wurde auf rumänischem Hoheitsgebiet nur mit rumänischen Streitkräften durchgeführt: Das betraf die Manöverführung23 und das Kommando des Großverbandes, der aus zwei Armeen, einem Armeekorps, einem Luftwaffenkorps sowie Einheiten und Großeinheiten bestand, die bei der Mobilmachung gebildet werden sollten. Die Leitung lag beim rumänischen Verteidigunsminister, General Sălăjan. Das Motto lautete: »Organisation und Planung der Offensive durch die ›Front‹, zeitgleich mit der Durchführung der Truppen- und Frontgegenschläge und der Durchführung der Kampfhandlungen ohne und mit Einsatz von Massenvernichtungswaffen«. Das Manöver wurde vom rumänischen Generalstab entwickelt und von der Führung des Warschauer Paktes genehmigt. Das Konzept des Manövers, das Generaloberst Olteanu und seine Mitarbeiter ausführlich darlegten24, ging von einem Angriff der imperialistischen Staaten auf den europäischen Kriegsschauplätzen aus, der auf beschleunigtes Wettrüsten, po- litische Krisen und wirtschaftliche Probleme zurückgeführt wurde. Danach dran- gen NATO-Truppen nach Mittel- und Südosteuropa einschließlich Rumänien vor,

22 Olteanu, O viață de om (wie Anm. 3), S. 275. 23 Er arbeitete gleichzeitig in der Rolle des Oberbefehlshabers (Verbündete) und der Theiß-Heeres­ gruppe (Feind). 24 Olteanu u.a., România (wie Anm. 3), S. 92 f., auch das Folgende. 102 Sorin-Vasile Negoiță wobei sie die Neutralität Österreichs und Jugoslawiens verletzten. Osteuropäische Truppen, die in einigen Richtungen zum Angriff übergingen, konnten das Tempo ihres Vorstoßes verringern. Unter diesen Umständen wurde, folgt man dem Szenario weiter, dem rumänischen Großverband die Aufgabe übertragen, die in Siebenbürgen und Oltenien eingedrungenen feindlichen Truppen abzuwehren und anschließend, nach fünf Tagen, gemeinsam mit den beiden linken und rechten Großverbänden in eine Gegenoffensive überzugehen, um die operativen Reserven hinter den feindli- chen Linien zu zerstören. So wurden günstige Voraussetzungen geschaffen für den Einmarsch der Hauptstreitkräfte auf ungarisches Territorium westlich der Donau und einen neuen Einsatz in Richtung Norditalien. Innerhalb dieses allgemeinen Konzepts wurden die Auswirkungen der eige- nen Nuklearangriffe – eine Reaktion auf die des Feindes – simuliert, mit denen die feindlichen Streitkräfte über die Landesgrenze zurückgetrieben werden sollten. Nach einem operativen Vorstoß organisierten die rumänischen Truppen eine neue Frontoffensive, um zwei neu gebildete NATO-Heeresgruppen zu vernichten, die eine neue Kampflinie bildeten, um dann weiter nach Nord- und Mittelitalien vor- zudringen. Zu dieser Zeit sollten die beiden Großverbände an den Flanken eine Offensive in Richtung Leipzig starten: Die Hauptstreitkräfte sollten die nordöstliche Adriaküste einnehmen und den Feind vernichten, der in den Bosnischen Bergen und der Region Split Widerstand leistete. Die Auswertung des Manövers betraf insbesondere folgende Aspekte: Die sow- jetischen Generale, die als Beobachter teilnahmen, hielten das Manöver für nütz- lich und befanden, dass der Zeitplan den Besonderheiten der Kampfhandlungen auf dem südwestlichen Schauplatz entsprach. Sie deckten darüber hinaus viele Probleme auf, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz von Atomwaffen im Kampf, den Schutz der Truppen dagegen und den Kampfeinsatz von Truppengattungen, über die Rumänien zu der Zeit nicht verfügte. Dieses erste Manöver von der Größe einer rumänischen »Front« übertraf – so folgerten die Generale weiter – die tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten der rumänischen Streitkräfte bei Weitem. So sei der Feind zu leicht bei einer Verteidigungs- und Angriffslinie »besiegt« worden, deren Länge zwischen 450 und 250 km schwankte; noch beeindruckender sei die Ausdehnung des Schauplatzes gewesen, die von Craiova und Brașov bis Budapest und Wien bzw. über Rom hinausreichte. Dieses Manöver war das bestimmende Element, mit dem das Oberkommando der VSK seit 1966 die rumänischen Streitkräfte im Süden auf die Absperrung der griechischen Operationen festlegte. Die politischen und militärischen Behörden in Bukarest akzeptierten diese Rolle, verwiesen jedoch auf die schwierige Situation, in die das Land im Falle eines Angriffs aus den anderen Richtungen gelangt wäre. Schließlich wurde ein Kompromiss erzielt. Die rumänische Führung beschloss, Maßnahmen zur Verteidigung des Landes bei anderen möglichen Angriffsrichtungen des Feindes zu ergreifen, um jede Überraschung zu vermeiden, insbesondere nach der Invasion der »Verbündeten« in die Tschechoslowakei 1968.25

25 Ebd. Zwischen Bündnistreue und nationalem Interesse 103

Kommando- und Stabsübung »Sojus 73«, auf der Karte, auf rumänischem Territorium, 12. bis 21. Februar 1973

Die Übung, an der etwa 400 Generale und Offiziere aus Rumänien, Bulgarien und der Sowjetunion teilnahmen – darunter rund 100 Rumänen –, wurde unter der Leitung des VSK-Oberkommandierenden Marschall Jakubovskij an der ru- mänischen Schwarzmeerküste in Neptun durchgeführt.26 Das von Ceauşescu im Januar 1973 gebilligte Motto des Manövers lautete: »Die Entsendung verbünde- ter Heeresgruppen in das Militärszenario bei gleichzeitiger Abwehr des feindli- chen Angriffs. Durchführung einer Frontoffensive und von Kampfhandlungen der Seestreitkräfte und der Luftabwehrtruppen der Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes.« Laut Übungskonzept (Dok. x) griff die aus Großeneinheiten der grie- chischen und türkischen Streitkräfte (je drei Armeekorps und ein unabhängiges Armeekorps) bestehende Heeresgruppe Süd der NATO, unterstützt von einem unabhängigen Luftwaffenkorps, Bulgarien an und erreichte eine Linie südlich von Sofia. Gleichzeitig erfolgten ein Angriff der Luft-Seestreitkräfte der NATO im Schwarzen Meer, 150 Meilen östlich von Konstanza, sowie eine Seelandung nördlich von Burgas in Bulgarien. Im Rahmen des Manövers überquerten die Großverbände (zehn Divisionen, da- runter zwei Panzerdivisionen) der rumänischen Armee, die zusammen mit zwei an den Flanken angeordneten sowjetischen Armeen eine »Front« bildeten, die Donau. Die Streitkräfte konzentrierten sich südlich des Flusses, in der Annahme, dass der Feind Massevernichtungswaffen einsetzen würde. Nach der Umgruppierung be- wegten sich die rumänischen und sowjetischen Streitkräfte von der linken Flanke in Richtung Süd-Südost, wobei die rumänischen Kräfte, die von einem rumäni- schen Fallschirmjägerregiment unterstützt wurden, einen Brückenkopf südlich der Dardanellen-Meerenge zu errichten suchten. Die Sowjets sollten zusammen mit einer Luftlandedivision die türkischen Streitkräfte westlich von Istanbul zurück- schlagen. Gleichzeitig sollten im Schwarzen Meer zwei Luft- und Seeschlachten nordöstlich und östlich von Istanbul ausgetragen werden. An der rechten Flanke der rumänischen Streitkräfte wehrten die bulgarischen Streitkräfte im Rahmen eines mit den sowjetischen Streitkräften gebildeten Großverbandes die Angriffe der grie- chischen Truppen ab, befreiten das bulgarische Territorium und erreichten die Küste der Ägäis. Im Manöver wurden einige wichtige Denk- und Handlungsweisen deutlich, die für den Warschauer Pakt bezeichnend waren:27 Erstmals seit Gründung des Bündnisses 1955 sah das Oberkommando der VSK vor, dass die rumänische Front in der türkischen operativen Richtung agieren und die zur Türkei gehörenden Dardanellen überwinden sollte. Bis 1966 hatte die rumänische Armee nur in der norditalienischen operativen Richtung und bis 1968 dann in der griechischen ope- riert. Die sowjetischen Militärführer erwogen die rasche Eroberung des Bosporus und

26 Opriș, Aplicații (wie Anm. 3); , zuletzt am 30.10.2019. 27 Ebd., S. 40. 104 Sorin-Vasile Negoiță der Dardanellen im Falle eines Krieges zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt. Dass die rumänischen Streitkräfte bei den gemeinsamen Manövern zwischen zwei sowjetischen Armeen aufgestellt waren, wird angesichts der Schwierigkeiten verständlich, welche die rumänischen Behörden nach dem Einmarsch in die ČSSR im August 1968 bereitet hatten.

Truppenmanöver »Schild 82« auf bulgarischem Territorium, 25. September bis 1. Oktober 1982

An diesem Manöver, das der bulgarische Verteidigungsminister Armeegeneral Dobri Džurov leitete, nahmen Streitkräfte aus allen Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes teil. Rumänien war lediglich vertreten durch eine Delegation von Generalen und Offizieren unter der Leitung des Verteidigungsministers und ein reduziertes Divisions­kommando im Stab des Manövers. Die Konzeption dieses Manövers sah vor, dass sich die Truppen und Kommandos der sowjetischen Armee im Südwesten von Tolbuhin (seit 1992 wieder: Dobrič) und die der anderen verbündeten Armeen 80 km südlich der bulgarischen Industriestadt Russe konzentrierten. Zudem war die Bildung einer multinationalen »Front« vorgesehen, wobei die operativen Kommandogruppen der rumänischen Armee Teil eines rumänischen Groß­verbandes waren.28 Das strategische und operativ-taktische Ziel des Manövers lag darin, den Zusammenhalt der Kommandos und der verbündeten Großverbände zu gewährleis- ten und die Zusammenarbeit zwischen den Truppengattungen bei einem potenziellen Einsatz von See- und Luftlandungen zu verbessern. Nicht zuletzt ging es darum, den Einsatz von Radioelektronik im bewaffneten Kampf zu üben. Zum Manöver gehörte auch der Absprung einer starken sowjetisch-polnischen Luftlandetruppe. Während die Sowjets IL-76-Kampflugzeuge für Fallschirmspringer nutzten, sprang das pol- nische Bataillon auf konventionelle Art ab, nachdem es rumänisches Territorium überflogen hatte. Das Manöver barg für die rumänische Seite besondere Probleme, weil Truppen29 der UdSSR, Polens, Ungarns, der Tschechoslowakei und der DDR mit Waffen, Munition und Kampftechnik das Hoheitsgebiet durchquerten und überflogen. Ceauşescu stimmte dem Vorschlag des rumänischen Verteidigungsministers zu, die Anträge auf Durchzug und Überflug nur auf der Grundlage von Übereinkommen zu behandeln, die zwischen der rumänischen Regierung und der Regierung des je- weiligen Landes im Einklang mit den rumänischen Vorschriften geschlossen wurden. Die Verbündeten ignorierten jedoch die Anforderung und sandten nur Anfragen auf der Ebene der Streitkräfte und nicht auf Regierungsebene. Kein Wunder, dass die rumänische Antwort negativ ausfiel. Am Ende genehmigte Ceauşescu lediglich den

28 Olteanu u.a., România (wie Anm. 3), S. 103‑105. 29 Die Truppen bestanden aus 82 sowjetischen, 14 ungarischen, 5 tschechoslowakischen und 10 deut- schen Zügen, 8 polnischen Flugzeugen, 28.000 Soldaten, 300 Panzern, 400 Infanteriekampfwagen, 300 gepanzerten Amphibienfahrzeugen, 300 Kanonen und Werfern, 122 Kampfflugzeugen, 66 Hub­schraubern und über 4000 weiteren verschiedenen Fahrzeugen. Zwischen Bündnistreue und nationalem Interesse 105

Überflug eines polnischen Fallschirmbataillons. Eine Reaktion der anderen Armeen blieb aus. In der Vorbereitungsphase teilte Verteidigungsminister Olteanu dem Ober­ kom­mandie­renden der VSK Kulikov und dem bulgarischen Verteidigungsminister Džurov mit, dass das Manöver aufgrund seines Ausmaßes nicht abgehalten werden sollte. Es habe zudem einen deutlich politischen Charakter und finde in einem Gebiet statt, in dem die Partei- und Staatsoberhäupter konstruktive Maßnahmen zur Entwicklung der Freundschaft und Zusammenarbeit durchführten, um einen Raum des internationalen Friedens und der internationalen Zusammenarbeit zu schaffen. Der sowjetische Marschall und der bulgarische General wiesen darauf hin, dass die Probleme des Manövers bereits im Politbüro der bulgarischen Kommunistischen Partei erörtert worden seien und die Generalsekretäre der kommunistischen Parteien Ungarns, der Tschechoslowakei, der DDR und Polens zugestimmt hätten. Kulikov zeigte sich auch unzufrieden mit der Ablehnung der Rumänen, ihr Staatsgebiet ohne Zustimmung der Legislative, der Großen Nationalversammlung, durchqueren zu lassen und den Abschluss zwischenstaatlicher Übereinkommen zur Bedingung zu machen. Über diese Schwierigkeiten mit den Rumänen müsse er berichten, füg- te Kulikov hinzu. Das Manöver sollte trotz all dieser Schwierigkeiten auf höchster Ebene durchgeführt werde.

Fazit

In den mehr als dreißig Jahren des Warschauer Paktes spielte Rumänien, soviel lässt sich festhalten, eine Sonderrolle. Sobald die nationale Souveränität berührt wurde, zeigte Bukarest die Zähne. Aus rumänischer Sicht war es vor allem inakzeptabel, dass im Falle eines Krieges der Generalstab der Armee der UdSSR die operative Führung der Vereinten Streitkräfte übernahm, während das Vereinte Oberkommando nur un- terstützen sollte. Die besondere Position zeigte sich auch dort, wo die rumänischen Streitkräfte an übergreifenden Maßnahmen des Oberkommandos der VSK beteiligt waren, sei es bei gemeinsamen Übungen und Manövern, sei es bei Einberufungen und Beratungen des Führungspersonals. Nach Möglichkeit versuchte Bukarest hier, gegenüber seinen Bündnispartnern und insbesondere Moskau auf diploma- tischem Wege die eigenen Vorstellungen von der Ausbildung der Streitkräfte und der Verteidigung seines Hoheitsgebietes durchzusetzen. Diese militärgeschichtli- che Einsicht ist um so interessanter, als sie einen Einblick in ein spannungsreiches Kapitel der rumänischen Geschichte gibt. Sobald die Archive die Tore weiter öffnen, könnte und sollte daher die Rolle der rumänischen Streitkräfte im Warschauer Pakt noch genauer untersucht werden. 106 Sorin-Vasile Negoiță ­

, Aplicații (wie Anm. 3); , Aplicații ş Artilleriegeschütze, 300 Flugzeuge,

000 Soldaten

erwendung von Atomwaffen erwendung von 500 Luftlandetruppen Truppen Meerengen die im südlichen Gebiet der BRD eingesetzt wurden Norditalien – 40 – 700 Pz, 8300 gepanzerte Fahrzeuge, – Nuklearsimulation – Gegenoffensive gegen die griech. und türk. – Gegenoffensive Ankara mit Überwindung der Richtung – Vordringen – Bodentruppen unterstützt von Lw – Boden-, Luft-, Seestreitkräfte – Überwindung der Donau – zeitgleich mit der Kdo- und GenSt-Übung – Zurückschlagen der Offensive der NATO- Trupen, – der NATO- Zurückschlagen der Offensive – V – Vorbereitungen für die Offensive in Richtung für die Offensive – Vorbereitungen – während der Berlin-Krise – Boden-, Luft-, See-, Luftlandetruppen Hoffmann/ DDR Sălăjan/RUM Spychalski/ POL o.A. Grečko/ UdSSR Grečko/ UdSSR Soldaten melden mussten, ist es möglich, dass die Sowjets Sowjets die dass es möglich, ist mussten, melden Soldaten 000

DDR, POL, ČSSR, UdSSR BUL, RUM, UdSSR o.A. RUM, BUL, UdSSR POL, DDR, UdSSR ČSSR, POL, UdSSR UNG, UdSSR Gp.Tr. »Süd« Gp.Tr. UNG, RUM, UdSSR DDR, POL, ČSSR, UdSSR Teilnehmerstaaten Kommandant Zweck/Merkmale DDR RUM POL und teilweise POL DDR ČSSR UNG DDR, POL, ČSSR, UdSSR (Westen) mit Truppen Kdo und GenSt BUL mit Truppen mit Truppen demonstrativ mit Truppen Kdo und GenSt RUM UNG, tw. mit Truppen Baltikum-Oder Chronologie der Übungen und Manöver der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Paktes Warschauer des Streitkräfte Vereinten der und Manöver der Übungen Chronologie umänisches Nationalarchiv, Fonds Warschauer Pakt (MApN), Akte Nr. 25/1969. Akte Nr. (MApN), Pakt Warschauer Fonds umänisches Nationalarchiv, 9. ‑ 15.9. Quartett 1. ‑ 11.6. 19.10. 1. ‑ 10.10. Sept. 10. ‑ 20.4. 1963 1962 1961 Okt./Nov. Sturm/Buria Zeitraum Name Art der Übung Territorium und R eine verringerte Teilnehmerzahl und eine eingeschränkte Veröffentlichung von Informationen über die gemeinsamen Übungen und Manöver Manöver Übungen und Informationen über die gemeinsamen von Veröffentlichung und eine eingeschränkte Teilnehmerzahl eine verringerte hatten. vorgeschrieben Die Übersicht berücksichtigt die wesentlichen Übungen und Manöver des Paktes. Taktische Übungen werden nicht erfasst. Weil die KSZE- Weil nicht erfasst. werden Übungen Taktische des Paktes. und Manöver berücksichtigt Übungen Übersicht wesentlichen die Die 25 als mehr mit Übungen nur NATO WP und dass vorsah, 1975 Schlussakte Opri O viață de om; 3); Olteanu, (wie Anm. România 1), Anhang 1; Olteanu, (wie Anm. MilitaryDoktrine Soviet Jones, Quellen: Zwischen Bündnistreue und nationalem Interesse 107 km lang)

000 Soldaten

Armee RUM DivEinheiten und 1 PzKp), 2 Ponton-Rgte, Schiffe, DivEinheiten und 1 PzKp), 2 Ponton-Rgte, Schiffe, Pioniereinheiten einer Brigade von Flussschiffen Teil (ca. 850 1968 Truppen und der Generalstäbe bei Aktionen unter und der Generalstäbe bei Truppen verschiedenen Kampfbedingungen“ Fahrzeuge, 400 Flugzeuge – erste Frontübung mit exklusiver Beteiligung der – mit Feldübertragungen – Boden– und Luftstreitkräfte – Luftlandetruppen – Seestreitkräfte, Luftlandetruppen – Bodentruppen (?) – RUM: 1 mech. Div (reduziertes Kdo, Rgt, – UdSSR: 1 große mech. Einheit, 2 Ponton-Rgte, – mehr als 20 Verwaltungsorgane – Formationen, Spezialeinheiten, Luftlandetruppen – als Vorbereitung für die operativen Übungen von – als Vorbereitung – See- und Luftstreitkräfte – Fortbildung „Zusammenarbeit der vereinten – 50 – 800 Pz, 1000 gepanzerte Fahrzeuge, 5000 mot. Sălăjan/RUM Jakubovskij/ UdSSR Džurov/BUL Spychalski/ POL Sălăjan/RUM o.A. Lomský/ČSSR Sălăjan/RUM Koševoj/ UdSSR RUM DDR, UdSSR o.A. BUL, RUM, UdSSR ČSSR, UdSSR Lomský/ČSSR RUM, UdSSR ČSSR, DDR, UdSSR ČSSR, UNG, DDR, UdSSR RUM, BUL, UdSSR DDR, POL, UdSSR o.A. Teilnehmerstaaten Kommandant Zweck/Merkmale DDR, POL, ČSSR, UdSSR 1 DDR DDR UNG, ČSSR UNG, ČSSR, UdSSR BUL ČSSR ČSSR ČSSR RUM Ostsee mit Truppen Kdo und GenSt RUM mit Truppen mit Truppen Kdo und GenSt und Nord DDR POL DDR, POL, UdSSR Kdo und GenSt Kdo und GenSt RUM mit Truppen mit Truppen ‑ 27.7. 20. ‑ 27.5. 5. ‑ 11.4. 14. ‑ 19.6. Manöver 15. ‑ 20.9. 27.5. ‑ 5.6. 7. ‑ 15.7. 26.10. ‑ 3.11. Juni 20. ‑ 25.9. Vltava 20. 1965 16. ‑ 23.10. Oktobersturm 1965 1967 1964 1963 Herbst 1966 Zeitraum Name Art der Übung Territorium 108 Sorin-Vasile Negoiță Luftabwehrtruppen Luftlandetruppen Angriffe und die Abwehr einer möglichen militäri- und die Angriffe schen Reaktion der NATO Spezialtruppen – Einsatzgruppen/Seestreitkräfte, – Einmarschstärke: Boden– und Luftstreitkräfte, – Kommunikationseinheiten – Kommunikationsübung – Bodentruppen, Kommunikationseinheiten des Gesamtgeräts für künftige – Vervollständigung – logistische Übung – Luftabwehr – Seestreitkräfte – mehr als 30 Verwaltungsorgane – Kommunikations-, Logistikeinheiten, Atombomben – Lw mit – RUM: nur beim Personal, als Gast – während der ČSSR-Krise – RUM: nur beim Übungspersonal (1 DivKdo) – Boden-, Luft-, Seestreitkräfte – Luftlandetruppen – RUM: mit 1 DivKdo auf der Karte Jakubovskij/ UdSSR Jakubovskij/ UdSSR Pavlovskij/ UdSSR Štemenko/ UdSSR S.S. Mariakhin/ UdSSR Gorškov/ UdSSR Jakubovskij/ UdSSR o.A. Džurov/BUL BUL, RUM, UdSSR DDR, UdSSR BUL, UNG, DDR, POL, UdSSR UNG, UdSSR o.A. UdSSR, DDR, POL alle Staaten o.A. POL, DDR, UdSSR DDR, POL, ČSSR, UNG, UdSSR DDR, POL, ČSSR, UNG, UdSSR DDR, UdSSRPOL, DDR, UdSSR o.A. o.A. Teilnehmerstaaten Kommandant Zweck/Merkmale DDR ČSSR UNG UKR (Westen), DDR, UKR (Westen), POL DDR, POL, UdSSR DDR, POL, UdSSR Nordatlantik, Norwegische See, Barentssee, Ostsee DDR, POL, ČSSR, UdSSR DDR, POL, ČSSR, UdSSR POL BUL, Schwarzes Meer BUL, UdSSR, RUM Einsatz auf der Karte BUL mit Truppen mit Truppen mit Truppen mit Truppen mit Truppen mit Truppen (zur See) mit Truppen mit Truppen ‑ 20.8. 25.3. ‑ 1.4. 1. ‑ 7.3. 20. ‑ 21.8. 17. ‑ 20.8. 11. 24.7. ‑ 9.8. Neman Jul. ‑ Aug. Sky Shield Kdo und GenSt alle Staaten 5. ‑ 19.7. Hart 20. ‑ 30.6. Šumava Kdo und GenSt Aug.Okt. Florett 20.5. ‑ 3.6. Oder Dröhnen 20. ‑ 27.8. Rhodopen 1969 1968 1967 Zeitraum Name Art der Übung Territorium Zwischen Bündnistreue und nationalem Interesse 109 0026/22.2.1970) Luftfahrteinheit (BUL), Pionier-, Lw-Einheiten (UdSSR) – Bodentruppen – Luftabwehrübung – Bodentruppen, Lw, Luftabwehrtruppen – Bodentruppen, Lw, ab (Telegramm Teilnahme – RUM lehnt – mit Feldübertragung – RUM: 1 mech. DivKdo – Kdo Bodentruppen POL, DDR, ČSSR – Kdo Luftstreitkräfte UdSSR – RUM: 2 mech. Div (Pz) + Luftfwaffeneinheiten – BUL, UNG, UdSSR: 1 mot. InfDiv + PzBrig und – bis dato als die größte Übung identifiziert – Boden-, Luft-, Seestreitkräfte Atomwaffen – Simulation von – Luftstreitkräfte – Logistiktruppen – Bodentruppen – RUM (?) – Luftstreitkräfte, Luftabwehrtruppen Batizkij/ UdSSR Jakubovskij/ UdSSR Džurov/BUL o.A. Ioniță/RUM Jaruzelski/POL Maiorov/ UdSSR Kutakov/ UdSSR Štemenko/ UdSSR Chocha/POL – Boden-, Fernmeldetruppen Batizkij/ UdSSR ČSSR, UdSSR Valo/ČSSR alle Staaten UNG, BUL, UdSSR BUL, RUM, UdSSR POL, DDR, ČSSR, UdSSR RUM, BUL, UNG, UdSSR POL, RGD, ČSSR, UdSSR POL, DDR, UdSSR UdSSR, BUL, UNG UdSSR Teilnehmerstaaten Kommandant Zweck/Merkmale POL, DDR, ČSSR, UdSSR POL, UNG, ČSSR, UdSSR ČSSR alle Staaten UNG BUL POL, DDR, ČSSR UdSSR (Westen) RUM, BUL POL Ostsee ČSSR (Westen) ČSSR, UdSSR POL, ČSSR, UdSSR POL, ČSSR, UdSSR UdSSR POL, DDR, ČSSR POL, UNG, ČSSR, UdSSR Kdo und GenSt Kdo und GenSt Kdo und GenSt Kdo und GenSt Kdo und GenSt mit Truppen Kdo und GenSt Kdo und GenSt POL 17. ‑ 19.8. 13. ‑ 17.7. Zenit 70 1. ‑ 9.7. Juni 16. ‑ 18.10. Erste Hälfte Okt. 21. ‑ 28.9. Oder-Neisse 10. ‑ 15.8. 23.7. ‑ 2.8. 4. ‑ 11.7. 14. ‑ 19.5.I 30.3. ‑ 4.4. Frühling 69 4. ‑ 16.4. Zenit 69 1970 1969 Zeitraum Name Art der Übung Territorium 110 Sorin-Vasile Negoiță Waffenbrüderschaft Luftbombardement Marine Luftverteidigung und Marine 50 Personen) UdSSR – Boden– und Luftstreitkräfte, Luftabwehrtruppen – ungefähr so groß wie Oder-Neiße und – Seestreitkräfte – RUM: 1 Einsatzgruppe/Marine – mit Mitteln der Feldübertragung – RUM: 1 Einsatzgruppe/ArmeeKdo – Luft– und Seelandung mit Kampfschießübung – RUM: 1 kleines mech. DivKdo, Einsatzgruppe/ – Luftstreitkräfte, Luftabwehrtruppen – Bodentruppen (?) – RUM: Einsatzgruppen/Front, 2 Armeen, – RUM: Einsatzgruppen/Front, 2 – BUL, UdSSR: je 1 Einsatzgruppe/ArmeeKdo (je – das größte Manöver bis dato – Boden-, Luft-, Seestreitkräfte der DDR, BUL, – DDR-Ortsverteidigungseinheiten und Milizbeamte – RUM: 1 kleines DivKdo (300 Soldaten) Džur/ČSSR Jakubovskij/ UdSSR Džurov/BUL Jakubovskij/ UdSSR Hoffmann/ DDR Džurov/BUL Czinege/UNG – Bodentruppen Štemenko/ UdSSR Jakubovskij/ UdSSR Ioniță/RUM Hoffmann/ DDR Personal des Paktes, ČSSR, DDR, POL, UNG, UdSSR Personal des Paktes, BUL, RUM, UdSSR BUL, RUM, UdSSR Personal des Paktes, POL, DDR, UdSSR RUM, BUL, UdSSR o.A. DDR, POL, UdSSR BUL, RUM, UdSSR Personal des Paktes, DDR, POL, UdSSR ČSSR, POL, UdSSR Džur/ČSSR Personal des Paktes, DDR, ČSSR, UdSSR RUM, BUL, UdSSR DDR, BUL, ČSSR, POL, UNG, UdSSR Teilnehmerstaaten Kommandant Zweck/Merkmale ČSSR Schwarzes Meer POL DDR ČSSR, UNG ČSSR, UNG, UdSSR ČSSR, POL DDR, ČSSR DDR ruppen mit Truppen mit Truppen Kdo und GenSt BUL Kdo und GenSt Kdo und GenSt RUM Kdo und GenSt operativ-taktisch BUL mit Truppen Kdo und GenSt DDR, POL mit Truppen Kdo und GenSt operativ-taktisch RUM mit T ­ ­ brüder Weichsel- Elbe 71 Waffen schaft 4. ‑ 16.9. Schild 72 18. ‑ 23.4. 21. ‑ 28.3. 28.2. ‑ 4.3. 14. ‑ 19.9. 25. ‑ 31.8. 2. ‑ 5.8. Opal 71 12. ‑ 21.7. 5. ‑ 12.7. 24.6. ‑ 2.7. 22. ‑ 27.3. 1972 Feb. 1971 1971 1970 12. ‑ 18.10. Zeitraum Name Art der Übung Territorium Zwischen Bündnistreue und nationalem Interesse 111 ‑ 30 RakBrig Einsatzgruppe/LuftabwehrDiv

1 Personen) + 1 Einsatzgruppe zur Übungsführung Luftabwehr, Luftwaffe, Marine Luftwaffe, Luftabwehr, 1 der 3 Staaten (davon 100 Rumänen) – RUM: 1 ArmeeKdo + Generalstäbe/2 Div – RUM: 1 – UdSSR: 1 Einsatzgruppe/mot. InfDiv (25 – Frontübung, in 2 Staffeln Armeen, – RUM: Einsatzgruppen/FrontKdo, 2 – RUM: nur auf der Karte mit 1 Einsatzgrupppe/Div – Generalstäbe/Seestreitkräfte – Marineflotten – Generalstäbe/Logistiktruppen – auf dem Gebiet RUM nur der Karte – RUM: 1 ArmeeKdo + 2-3 DivKdo 1 RakBrig – RUM: 1 – UdSSR: 1 Einsatzgruppe/ mot. InfDiv – je 1 Rgt Bodenstreitkräfte für jedes Land – Einsatzgruppen/FrontKdo, Luftabwehr und Marine aus den 3 Ländern – ca. 400 Generale und Offz – RUM: 1 ArmeeKdo + 2 ‑ 3 KdoDiv – RUM: 1 1 Einsatzgruppe/Luftabwehr – BUL, UdSSR: 1 Einsatzgruppe/mot. InfDiv Ioniță/RUM Jakubovskij/ UdSSR Jaruzelski/POL Jakubovskij/ UdSSR o.A. N.B. Abshin/ N.B. UdSSR Jakubovskij/ UdSSR Jakubovskij/ UdSSR Ioniță/RUM BUL, UdSSR RUM, UdSSR o.A. RUM, BUL, UdSSR BUL, RUM, UdSSR o.A. DDR, POL, UdSSR BUL, RUM, UdSSR RUM, UdSSR o.A. UNG, UdSSR o.A. UdSSR, BUL, UNG DDR, POL, UdSSR Personal des Paktes, RUM, BUL, UdSSR RUM, BUL, UdSSR Teilnehmerstaaten Kommandant Zweck/Merkmale BUL Ostsee POL (Westen)POL POL, UdSSR UNG, ČSSR UNG, ČSSR, UdSSR UNG Militärbezirk Karpaten, UdSSR DDR, POL RUM RUM mit Truppen Kdo und GenSt RUM Kdo und GenSt BUL mit Truppen mit Truppen Kdo und GenSt BUL, RUM mit Truppen Kdo und GenSt RUM mit Truppen mit Truppen Kdo und GenSt Kdo und GenSt Kommando und GenSt Sojus 73 24. ‑ 27.5. 19. ‑ 30.4. Olymp 75 Kdo und GenSt RUM 17. ‑ 22.3. 4. ‑ 13.9. 17. ‑ 24.6. Sommer 74 4. ‑ 14.6. 14. ‑ 24.5. 17. ‑ 22.2. 19. ‑ 24.9. Vertes Sommer 26.6. ‑ 5.7. 12. ‑ 21.2 1976 1. ‑ 6.3. 1975 1974 1973 1972 Okt. Zeitraum Name Art der Übung Territorium 112 Sorin-Vasile Negoiță 000 Soldaten

000 Soldaten 000 Soldaten 000 Soldaten 000 Soldaten 000 Soldaten GenSt/Div + Rgt)

arschauer Paktes

ruppen) (1 W Luftabwehrtruppen und Luftstreitkräfte Einsatzgruppen/Luftabwehr, Luftwaffe, Marine Luftwaffe, Einsatzgruppen/Luftabwehr, T Lw, Marine Lw, Einsatzgruppen/Luftabwehr, Lw, Marine Lw, Einsatzgruppen/Luftabwehr, – eingeladene Delegationen aus anderen Staaten – 40 – RUM: eine Delegation in der Übungsleitung – eines der umfangreichsten Manöver des – 18 – Das einzigartige Flugabwehrsystem des Paktes = – RUM: nur auf der Karte mit 1 FrontKdo, 1 Armee, – RUM: nur auf der Karte mit 1 FrontKdo, – weniger als 25 – RUM: nur mit Personal des GenSt (ohne – 26 – 1 Einsatzgruppe FrontKdo, 1 Armee, Luftabwehr, Armee, Luftabwehr, – 1 Einsatzgruppe FrontKdo, – Generalstäbe/Seestreitkräfte – Marineflotten – RUM: 1 FrontKdo + ‑ 2 ArmeeKdos + – BUL, UdSSR: je 1 Einsatzgruppe/ArmeeKdo – 18 – 35 o.A. Hoffmann/ DDR Kulikov/ UdSSR Czinege/UNG o.A. Kulikov/ UdSSR Kulikov/ UdSSR Kulikov/ UdSSR Jaruzelski/POL RUM, BUL, UdSSR Olteanu/RUM alle Staaten UNG, UdSSR o.A. alle Staaten o.A. BUL, RUM, UdSSR UNG, BUL, ČSSR, UdSSR ČSSR, UdSSR RUM, BUL, UdSSR POL, DDR, UdSSR RUM, BUL, UdSSR UNG, UdSSR o.A. POL, DDR, ČSSR, UdSSR Teilnehmerstaaten Kommandant Zweck/Merkmale BLR, Ostsee UdSSR DDR UNG alle Staaten UNG ČSSR Ostsee UNG POL ruppen mit Truppen mit T mit Truppen mit Truppen Kdo und GenSt BUL mit Truppen mit Truppen Kdo und GenSt RUM mit Truppen mit Truppen ­ 80

81

­ brü ­ schaft Waffen der + Schild 80 Granit 80 Sojus 80 Freundschaft 79 Sojus 78 ‑ 19.5. Schild 79 ‑ 19.2. Callatis 77 Kdo und GenSt RUM ‑ 12.9. 4. ‑ 12.9. Westen 6. ‑ 11.3. 81 Tomis Kdo und GenSt RUM 4. 23. ‑ 30.8. Donau 80 Zweite Hälfte Juni Feb. ‑ März 12. 2. ‑ 7.2. Juli 14. 18.10. 9. ‑ 15.9. Schild 76 1981 1980 1979 1978 10. ‑ 21.5. 1977 1976 Zeitraum Name Art der Übung Territorium Zwischen Bündnistreue und nationalem Interesse 113 000 Soldaten

DivKdo im Übungspersonal

UOffz, 24 Wehrpflichtige) und 34 Sonderfahrzeuge 24 Wehrpflichtige) UOffz, Transportfahrzeuge für den GenSt und sche RakBrig, 1 Flugabwehrraketen-Rgt ArmeeKdos nes DivKdo) (jeweils 65 Personen), je eine Einsatzgruppe/ Lw und Marine (jeweils 20 Personen) Luftabwehr, ArmeeKdo zerte Amphibienfahrzeuge, 300 Kanonen und zerte 122 Kampfflugzeuge, 66 Hubschrauber, Werfer, 4000 Fahrzeuge 1 – RUM: 1 Einsatzgruppe 3. Armee (85 Offz und Armee (85 Offz – RUM: 1 Einsatzgruppe 3. – RUM: 2 ArmeeKdos, 1 DivKdo, operativ-takti- – RUM: 2 – BUL, UdSSR: je eine Einsatzgruppe der – RUM: 1 Delegation in der Übungsleitung (1 klei- – RUM: 1 FrontKdo (120 Personen), 2 ArmeeKdos – RUM: 1 FrontKdo (120 Personen), 2 – BUL, UdSSR: je eine Einsatzgruppe des – 28 – 300 Pz, 400 Infanteriekampfwagen, gepan- und – RUM: eine Gruppe von Generalen/Offz o.A. o.A. Kulikov/ UdSSR Džurov/BUL BUL, RUM, UdSSR o.A. ČSSR, UdSSR, ... BUL, RUM, UdSSR o.A. ČSSR + ...... RUM BUL, UNG, RUM, UdSSR RUM, BUL, UdSSR Olteanu/RUM alle Staaten (außer RUM) Teilnehmerstaaten Kommandant Zweck/Merkmale BUL ČSSR RUM ČSSR BUL, UNG, RUM RUM, BUL, UdSSR (Westen), Schwarzes Meer BUL mit Truppen Kdo und GenSt Kdo und GenSt Kdo und GenSt mit Truppen 89

89 Kdo und GenSt 84 operativ-strategisch 85

Sojus 84 4. ‑ 9.6. Balkan 22. ‑ 26.5. Vltava Sept. Schild 12. ‑ 20.3. Der eigentliche Zweck bestand darin, die volle Einheit der Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes und die Stärkung des Vertrauens der DDR-Bevölkerung der DDR-Bevölkerung Vertrauens des und die Stärkung Paktes Warschauer des der Mitgliedsstaaten Einheit bestand darin, die volle eigentliche Zweck Der verteidigen konnten. Militarismus« des westdeutschen Pläne sie gegen die »revanchistischen Streitkräfte Vereinten damit die zu demonstrieren,

1989 1985 8. ‑ 13.3. Tomis 1984 1983 4. ‑ 9.4. Callatis 83 1982 25.9. ‑ 1.10. Schild 82 Zeitraum Name Art der Übung Territorium 1

Militärhilfe in Afrika und im Nahen Osten

Sorin Cristescu

Rumänische Militärhilfe für Afrikanische Staaten. Die »Operation Sirius« in der Volksrepublik Angola

Kaum waren die Länder Afrikas vom Joch des Kolonialismus befreit, boten die Staaten des Warschauer Paktes ihnen militärische Unterstützung an, zumal wenn marxistische oder sozialistische Kräfte die Macht übernommen hatten. Rumänien konnte Militärhilfe gewähren, nachdem seine Führung 1964 beschlossen hatte, eine eigenständige Außenpolitik zu betreiben. Das galt ganz besonders nach dem Ende des »Prager Frühlings« 1968: Die Sozialistische Republik Rumänien unter Nicolae Ceauşescu hatte sich geweigert, mit anderen Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes an dem von Moskau organisierten militärischen Einmarsch teilzunehmen, der die Reformbewegung der tschechischen kommunistischen Politiker zerschlagen sollte. Die Militärhilfe ist deshalb ein wichtiges Kapitel der neueren rumänischen Militärgeschichte, dessen geschichtswissenschaftliche Erforschung jedoch durch die restriktive Handhabung der Akteneinsicht erschwert wird.

I.

Bereits in den ersten Monaten der Regierung Ceauşescu kam es zu militärischen Kontakten zwischen Rumänien und der Republik Guinea, als Guineas Ver­tei­ digungsminister Fodéba Keita auf Einladung seines Amtskollegen Armeegeneral Leontin Sălăjan im August 1965 das Land besuchte. Es gab mehrere Treffen sowohl im Verteidigungsministerium als auch im Innenministerium, und am 24. August wurde der hohe Gast vom Vorsitzenden des Staatsrates, Chivu Stoica, zur Audienz empfangen.1 Der offensichtliche Zweck des Besuches, militärische Unterstützung vom rumänischen Staat zu erhalten, wurde Anfang 1966 erreicht, als Rumänien Material und Kriegstechnik nach Guinea lieferte.2 Im September 1968 kam es in der Republik Kongo zu einem Staatsstreich; am 31. Dezember übernahm Marien Ngouabi die Macht. Der neue Diktator änderte den Namen des Landes in Demokratische Volksrepublik Kongo; ein Name, den der Staat bis 1991 behielt. Ngouabi erklärte das Land zum ersten marxistisch-

1 Bogdan-Iulian Ranteş, Relațiile României cu state din Africa ecuatorială și de vest (1960‑1974) [Rumäniens Beziehungen zu den Staaten von Äquatorial- und Westafrika)], Târgovişte 2017, S. 55. 2 Archiv des Außenministeriums (MAE), Fonds Guineea, Problem 211/Jahr 1966/Guineea, Akte 195, fol. 22. 118 Sorin Cristescu leninis­tischen Staat in Afrika und benannte die Regierungspartei, die Revolutionäre Nationalbe­ wegung, in Kongolesische Arbeiterpartei (Parti Congolais du Travail) um. Anfang 1972 näherten sich Rumänien und die Volksrepublik Kongo einander an, nachdem eine Delegation der kongolesischen Arbeiterpartei unter der Leitung des Finanzministers Ange Edouard Poungui, eines Politbüromitglieds, nach Bukarest ge- kommen war. Der Besuch der kongolesischen Delegation hatte augenscheinlich das geheime Ziel, Militärhilfe zu erhalten. Die Kongolesen forderten Rüstungsgüter aller Art einschließlich Waffen, aber auch die Entsendung rumänischer Spezialisten in den Kongo, die Polizei- und Sicherheitstruppen ausbilden sollten. Zu diesem Zweck hatten kongolesische Behörden Beihilfen in Höhe von rund 61 Millionen Lei bean- tragt; der rumänische Staat bot ihnen knapp acht Millionen. Außerdem beschloss die rumänische Seite, sechs bis acht Offiziere des Innenministeriums in den Kongo zu entsenden, um das kongolesische Militär für die zukünftige Eingliederung in die staatlichen Sicherheitsstrukturen auszubilden. Gleichzeitig wurde vorgeschlagen, kongolesische Soldaten nach Rumänien einzuladen, um alle technischen Details zu erörtern. Zur rumänischen Delegation sollte ein Vertreter der rumänischen Armee gehören, der mehrere afrikanische Länder besuchen würde.3

Übersicht über die von den Kongolesen beantragte Militärhilfe und die Vorschläge der rumänischen Seite

I. Transportmittel Beantragte Hilfe Vorschläge der rumänischen Seite 30 LKW »Karpaten« mit 2 6 LKW «Karpaten« mit 2 Differentialgetrieben Differentialgetrieben 60 Geländewagen M-461 10 Geländewagen M-461 10 spezielle Sicherheits- und Polizeiautos – 20 Motorräder für die Polizei 10 Mopeds MOBRA 20 Fahrräder 20 Fahrräder II. Waffen und Munition 5000 Maschinenpistolen Typ AKM plus 1000 Maschinenpistolen Typ AKM plus Munition 600 000 Patronen 1000 Pistolen TT-33 – 5000 SKS-Waffen – 1000 Maschinengewehre – 500 Maschinengewehre – 50 Granatwerfer 82 mm – 6000 Tränengasgranaten –

3 Ranteș, Relațiile României (wie Anm. 1), S. 275. Rumänische Militärhilfe für Afrikanische Staaten 119

III. Sprengstoff und Zubehör 4 t TNT in Ladungen von 200 g 4 t TNT in Ladungen von 200 g 100 km langsam brennender Docht 100 km langsam brennender Docht 500 km Zündschnur – 15 000 pyrotechnische Klammern 13 000 pyrotechnische Klammern 10 000 elektrische Heftklammern 10 000 elektrische Heftklammern 15 000 pyrotechnische Anzünder 2000 pyrotechnische Anzünder 10 000 Panzerminen 2000 Panzerminen 5000 Anti-Infanterieminen 1000 Anti-Infanterieminen 300 Sprengkörper – 5000 Crimpzangen 300 Crimpzangen IV. Optisches Material 1500 Kompasse 500 Kompasse 500 Ferngläser 8 x 30 – 10 Fotoapparate 5 Fotoapparate 5 Filmkameras – 4 Projektoren 4 Epidiaskope

Nach 1971/72 maß die rumänische Regierung den afrikanischen Ländern mehr Bedeutung bei und baute beispielsweise enge Beziehungen zu der wichtigsten politi- schen Kraft gegen die Apartheid in Südafrika, dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC), auf.4 In dieser Zeit war es für die kommunistischen Länder Europas eine Selbstverständlichkeit, den Kontakt zu afrikanischen Ländern zu intensivieren. Afrika galt aufgrund seiner Rohstoffreserven, nicht zuletzt des Öls, als wichtiges Ziel der sowjetischen Außenpolitik. Das unterstrich beispielsweise ein Telegramm aus Moskau vom 17. Februar 1971 an den Präsidenten der Sowjetischen Gesellschaft für Freundschaft mit den kommunistischen Staaten Europas. Die Politik der kommu- nistischen Länder gegenüber Afrika müsse koordiniert werden, »um den Wettbewerb zu vermeiden und möglichst viele afrikanische Länder, wenn nicht den gesamten Kontinent abzudecken«.5 Infolgedessen entschieden sich in den folgenden Jahren mehrere osteuropäische kommunistische Länder, ihre Beziehungen zu Afrika unila- teral, bilateral oder multilateral auszubauen.6

4 General Mihail E. Ionescu, Romania and South African Liberation Movement: The Cold War Relationship, 1969 1977, S. 81 86. 5 ‑ ‑ MAE, Direktion V: Beziehungen, Akte 220, 1970‑1971, S. 20: Der rumänische Botschafter in Moskau schlug vor, dass der Direktor des Afrikanischen Instituts der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, V.G. Solodovnikov, der diese Ideen vorstellte, so bald wie möglich nach Rumänien eingeladen werden sollte. 6 MAE, Direktion V: Beziehungen, nicht nummerierte Akte. Das Telegramm aus Warschau vom 20.3.1973 teilt mit, dass Polens kommunistische Führung ein neues politisches Interesse an den afrikanischen Ländern habe, »die bisher vernachlässigt wurden«. Sie hätten dem rumänischen Außenministerium ihre Erfahrungen auf diesem Gebiet mitgeteilt und wiederholt Vorschläge für ein gemeinsames Vorgehen unterbreitet. 120 Sorin Cristescu

Ein wichtiges Signal waren 1972 Ceauşescus Besuche in acht afrikanischen Staaten. Mit seiner Frau bereiste er Algerien, die Zentralafrikanische Republik, Kongo, Zaire, Sambia, Tansania, Sudan und Ägypten. In Tansania traf sich Ceauşescu mit einer Delegation des ANC unter Leitung ihres Generalsekretärs Alfred Baphethuxolo Nzo. Beide Seiten betonten ihre Solidarität im Kampf gegen Apartheid und Imperialismus. Wenig später, im November 1972, kam eine Dele­ga­tion des ANC zum Gegenbesuch nach Rumänien. Nzo informierte die Führung der Kommunistischen Partei Ru­mä­ niens über die Entscheidung des ANC-Revo­lu­tions­rates, »das Land mit mehr ausge- bildeten Militärkadern und militärischer Ausr­ üstung zu infiltrieren«. Er betonte: »Wir haben uns entschlossen, unsere Arbeit zu intensivieren und illegale Organisationen mit im Ausland ausgebildeten hochqualifizierten Kadern zu stärken, die in der Lage sind, schnell zu handeln und eine qualifizierte Führung zu bilden.«7 In einem Memorandum teilte der ANC mit, dass er für 1973 dazu 164 750 US-Dollar benö- tige, und er forderte Rumänien auf, einen Teil dieses Betrags bereitzustellen. Darüber hinaus bat der ANC um die Lieferung von Decken, Uhren und Fahrrädern, aber auch von drei Geländefahrzeugen. Weiter enthielt der Forderungskatalog den Zugang zu Hoch­schulbildung und medizinische Behandlung für die ANC-Führung sowie mili- tärische Ausrüstung (jedoch ohne nähere Angaben).8 Am Ende des Besuchs traf sich Nzo mit Ceauşescu, der ihm »unsere volle Unterstützung, unsere ganze Solidarität mit Ihrem Kampf« versprach und um engere Beziehungen zwischen den beiden Parteien bat.9 Für den ANC hatte sich die Reise gelohnt. Der Besuch schlug ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen beiden Seiten auf. Er bereitete den Weg für Oliver Tambos Treffen mit Ceauşescu am 25. April 1973 in Rumänien. Der südafrikanische Anti- Apartheid-Politiker nutzte die Gelegenheit und sprach die rumänische Militärhilfe an. Er präzisierte, welche Art von Waffen beschafft werden sollen, und legte eine de- taillierte Liste mit Forderungen vor. Tambo verlangte auch die Entsendung rumäni- scher Experten, um die Propaganda und die Außenbeziehungen des ANC neu zu or- ganisieren, und erläuterte seine Vorstellungen zur weiteren Entwicklung des Kampfes gegen die Apartheid. Kurz darauf erfüllte Bukarest Tambos Forderungen. So wurden am 13. Februar 1973 in Daressalam 5000 US-Dollar dem ANC überbracht, und am 21. März erfuhren die ANC-Vertreter, dass das jugoslawische Schiff »Primrose« zwei Wochen zuvor den Hafen von Rijeka mit zwei rumänischen Geländewagen an Bord verlassen hatte.10

7 Serviciul Arhivele Naționale Istorice Centrale [Dienst des Zentralen Historischen Nationalarchivs] (SANIC), Fonds des ZK der RKP, Akte 138/1972, Ausführlicher Fernsehbericht: Ion Dincă, Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Rumäniens, und eine Delegation des Afrikanischen Nationalkongresses aus Südafrika, 17.11.1972, S. 8. 8 Ebd., S. 10‑12. 9 SANIC, Fonds des ZK der RKP, Akte 140/1972, Stenogramm der Gespräche zwischen Genosse Nicolae Ceauşescu und der Delegation des ANC aus Südafrika vom 21.11.1972, fol. 4 f. 10 MAE, Direktion V: Außenbeziehungen, Akte 627, S. 17, Telegramm des rumänischen Diplomaten I. Ardeleanu vom 26.3.1973 aus der Hauptstadt der Republik Sambia, Lusaka. Einzelheiten eines Treffens zwischen dem rumänischen Diplomaten und Tom Nkobi, dem Direktor der ANC-Ver­tre­ tung in Lusaka. Rumänische Militärhilfe für Afrikanische Staaten 121

Warenlieferungen an den ANC erwiesen sich als kompliziert. Somalia als Transit­ land stellte einen Unsicherheitsfaktor dar; so erkundigten sich somalische Beamte nach der Ladung der »Primrose«. Am 31. Oktober 1973 übermittelte der soma- lische Militärattaché in Moskau Einzelheiten und verlangte, die Sendung an das Verteidigungsministerium der Republik Somalia zu richten.11 Schließlich verließ ein rumänisches Schiff im April 1974 den Hafen von Constanţa mit einer Fracht für besagtes somalisches Ministerium. An Bord befanden sich 136 Kisten mit einem Gesamtgewicht von sechs Tonnen, die planmäßig am 3. Mai 1974 in Mogadischu eintrafen.12 Bukarest bat darum, dass ein Vertreter des ANC beim Empfang der Ware anwesend sei. Eine weitere Ladung, 33 Lebensmittelkisten und ein 4-Tonnen- LKW, wurde auf dem jugoslawischen Schiff »Murter« von Constanţa nach Tansania transportiert.13 Obwohl Moskau dieser rumänischen Militärhilfe zugestimmt hatte, blieb sie wei- terhin geheim. Dennoch ließ es sich nicht vermeiden, dass einige Fälle bekannt wur- den. Dazu gehörte ein Vorfall während des Besuchs des ersten Präsidenten des unab- hängigen Mosambik, Samora Moises Machel, in Bukarest von 15. bis 21. Dezember 1974. Bei dieser Gelegenheit bedankte sich der afrikanische Präsident vor laufen- den Kameras bei Nicolae und Elena Ceauşescu für die Waffen und die Munition, die er erhalten hatte. Obwohl jeder die Worte des afrikanischen Politikers gehört hatte, forderte man, diesen Teil der Ansprache aus dem Protokoll zu streichen.14 Schließlich stand Rumäniens Militärhilfe für die afrikanischen Länder im Gegensatz zu Ceauşescus offiziellen Erklärungen über »die rumänische Politik der Förderung von Frieden und Freundschaft mit allen Ländern und Nationen der Welt, unabhän- gig von ihrer Gesellschaftsordnung«.

II.

Eine wichtiges Unternehmen war die Operation Sirius, die erste Mission der rumä­ ­ ni­schen Armee nach dem Zweiten Weltkrieg.15 Rumänien übernahm die Aufgabe, Militär­piloten für die soeben ausgerufene Volksrepublik Angola auszubil­ ­den (wie die heutige Republik Angola von 1975 bis 1992 hieß). Das Land war von einem Bürgerkrieg zerrissen, in dem beide Lager vom Ausland unterstützt wurden. Die Volksbewegung zur Befreiung Angolas, eine marxistische, von Kuba unterstützte Partei, hatte sich zur

11 Ebd., S. 18, Telegramm aus Moskau nach Bukarest, 31.10.1973. 12 MAE, Fonds Guineea, Problem 220/1975, Südafrika, S. 7. 13 Ebd., S. 11; siehe auch SANIC, Fonds des ZK der RKP, Abteilung Außenbeziehungen, Akte 51/1973. 14 Gespräch des Autors mit einem der damaligen Sprecher des rumänischen Fernsehens, Nicolae Melinescu, der 2018 im Verlag Cetatea de Scaun in Târgovişte zwei Beiträge über die Beziehungen Rumäniens zu den Ländern in Afrika veröffentlicht hat. 15 Es war gleichermaßen die letzte Phase des kommunistischen Regimes. Der Übergang kann in den Memoiren von General Aurel Niculescu nachvollzogen werden, die in zwei Versionen erschienen sind: General (s.D.) Aurel Niculescu, Sorin Turturică, Pe aviatori lasă-i să zboare! [Piloten lässt man fliegen!], Bukarest, 2008, S. 90‑109; und Ioan Cherecheş, Vulturul îşi strânge aripile [Der Adler legt seine Flügel an], Bukarest 2009, S. 122‑140. 122 Sorin Cristescu

Regierung erklärt, als am 11. November 1975 die Unabhängigkeit des Landes ausge- rufen wurde; Agostinho Neto wurde der erste Präsident des Landes (1975‑1979). Vor diesem Hintergrund wollte die neue Regierung eine Reihe von Militärpiloten ausbil- den und bat dazu die UdSSR, Frank­reich, Portugal, Jugoslawien, die Schweiz und Rumänien um Unterstützung. In einer Art Ausschreibung wurde jedes Land aufgefor- dert, seine Konditionen zu erläutern. Rumänien ging als Sieger aus diesem Verfahren hervor. Anscheinend spielte Angolas stellvertretender Verteidigungsminister Gato bei der Vergabe eine Schlüsselrolle; der Kommandeur der angolanischen Luftwaffe hatte am Institut für Petroleum und Erdgas in Ploieşti studiert. Rumänien bot, kurz gesagt, folgende Konditionen an: eine Ausbildungszeit von weniger als zwei Jahren; drei Flugzeugtypen, zwölf Stück des rumänischen Mehr­ zweck­flugzeuges IAR-823, ein Geschwader von sechs zweimotorigen BN-2-Flug­ zeugen mit »Lycoming«-Motoren sowie sechs Hubschrauber vom Typ IAR-316B »Alouette«. Alle Flugzeuge wurden in Rumänien gebaut und von Angola erworben. Der Gesamtwert des Vertrags belief sich auf 32 Millionen US-Dollar. Das zu schu- lende Personal wurde in mehrere Kategorien unterteilt: Flugpersonal, Kommando- und Generalstabspersonal, technisches Personal und Logistikpersonal. Nachdem die politische Entscheidung gefällt worden war, wurden die Aufgaben dem Ministerium für Nationale Verteidigung übertragen. Der Minister, General Ion Coman, beauftragte General Gheorghe Zărnescu, den Befehlshaber der Luft­ streit­kräfte, der seinerseits seinen Stellvertreter, General Dumitru Balaur, mit der Durchführung der Operation beauftragte. Die Rekrutierung der verschiedenen Spezialisten wurde dem 1971 gegründeten rumänischen Beratungsinstitut Rom­con­ sult anvertraut, das ein Ingenieur namens Cristinel Vâlciu leitete. Auf diesem Umweg konnte ein Fachmann ins Ausland geschickt werden. Verantwortlich für die angola- nische Mission war der Ingenieur Titus Orădean, der mehrere Jahre in Angola für eine Mission der Vereinten Nationen tätig gewesen war. Er sollte die rumänischen Ausbilder auf die Bedingungen in Angola, das Klima des Landes, die Bevölkerung, die kollektive Mentalität und landesspezifische Verhaltensregeln vorbereiten. Bei nä- herem Hinsehen fällt auf, dass der Chef der Mission erst ernannt wurde, nachdem die Liste der Dienstposten erstellt worden war. Sie umfasste 150 Per­sonen: 68 Offiziere, 51 Stabsfeldwebel, vier Unteroffiziere und 27 Zivilisten, darunter zehn Dolmetscher. Aus organisatorischer Sicht war diese taktische Einheit so aufgestellt, dass sie das Training unter optimalen Bedingungen durchführen konnte. Sie bestand aus dem Grup­penkommandanten, dem Stab, der Ausbildungsabteilung, der Abteilung für theor­e­tische Ausbildung und der Abteilung für Flugausbildung mit zwei Staffeln. Die erste Fliegerstaffel (Phase I) bestand aus zwölf IAR-823-Flugzeugen, die zweite aus sechs leichten Transportflugzeugen BN-2 und sechs Hubschraubern IAR-316B. Hinzu kamen eine medizinische Abteilung und eine Logistikabteilung, die aus dem War­tungs­dienst für militärische Ausrüstung bestand. Ende 1978 ernannte Balaur zum eigentlichen Kommandanten der Mission den stellvertretenden Kommandanten der Luftabwehr, General Aurel Niculescu, der ein Jahr zuvor, vom 1. Mai bis 17. Juni 1977, Kommandant der Luftstreitkräfte gewe- sen war. Wichtiger noch: Niculescu hatte zehn Jahre lang, von 1961 bis 1971, als Kommandeur die Aurel-Vlaicu-Militärschule in Boboc bei Buzău geleitet. Rumänische Militärhilfe für Afrikanische Staaten 123

Ebenfalls in Buzău begann die Ausbildung der Gruppe der Flugausbilder, die sich nach dem unweit Buzău gelegenem Bergmassiv »Siriu« nannte. Später in Angola wurde dieser Name jedoch durch Hinzufügen eines »s« geändert, sodass die Gruppe den Namen des hellsten Sterns erhielt, der mit bloßem Auge am Himmel zu sehen ist: »Sirius«. Damit sollte der Bezug zu Rumänien verblassen. Anfang 1979 begann in der Flugschule in Boboc der Ausbildungsprozess für die Ausbilder. Sie erhielten Intensivkurse in Portugiesisch und Unterricht in den Themen, die sie in Angola selbst lehren sollten: Flugsicherung, Triebwerke, Management.16 Das Kursmaterial wurde auf Rumänisch verfasst und dann von Fachlehrern ins Portugiesische übersetzt, so- dass sich die rumänischen Ausbilder die Themen in der Fremdsprache erarbeiteten. Ende 1979 und Anfang der 1980er Jahre sprachen die Fluglehrer bereits fließend Portugiesisch, und auf bestimmten Flügen konnten sie sich in der Fremdsprache verständigen, was ahnungslose Fluglotsen gelegentlich irritierte. Während dieser Ausbildung der Ausbildern fanden zwei rumänische Besuche in Angola statt. Die erste Delegation, zu der auch Balaur und Niculescu gehörten, führte General Zărnescu an. Sie flog mit der staatlichen Fluggesellschaft Rumäniens TAROM nach Rom, wo die Männer in eine angolanische Maschine umstiegen. Das Ziel ihrer Mission lag darin zu prüfen, ob der Standort, den die angolanische Seite für den Aufbau der künftigen Flugschule vorgesehen hatte, überhaupt geeignet war. Bei dieser Gelegenheit wurde der Vertrag unterzeichnet. Als die rumänische Delegation den vorgesehenen Standort nahe Lobito an der Atlantikküste, 200 km südlich der Landeshauptstadt Luanda, besuchte, fand sie jedoch nur eine Landebahn und einen Kontrollturm vor – Hangars und Wohnungen sollten erst später errichtet werden. Unmittelbar nach diesem Besuch sandte die rumänische Seite ein Expertenkomitee des Luftfahrtmedizinischen Instituts unter der Leitung von Oberst Maurică Stoian nach Angola. Sein Auftrag: die Eignung der ersten 150 zukünftigen Piloten und des Flugpersonals­ zu prüfen. Die Militärkader sollten Personal auswählen und die Füh­ rung der Schule übernehmen.17 Weil die Angolaner nicht in der Lage waren, die Infrastruktur der Schule binnen eines Jahres zu errichten, und wegen der Nähe des Standorts zu den rivalisierenden Gruppen unter­breiteten sie einen neuen Vorschlag: den Negage-Flughafen in der Provinz Uige, 120 km nordwestlich von Luanda; hier waren bis 1975 die portu- giesischen Flugein­ ­heiten stationiert. Bei einem zweiten Besuch inspizierten die ru- mänischen Generale Balaur und Niculescu den neu gewählten Standort. In der Tat existierten einige der notwendigen Gebäude in Negage. Es gab einen 1200 Meter langen Betonstreifen auf dem Gipfel eines Hügels, Hangars, eine Offizierkantine, Unterkünfte. Die Rumänen beschlossen, eine Reihe von Klassenräumen neben den Hangars zu errichten für Piloten, Flieger, technisches und logistisches Personal und das Gruppenkommando. Die rumänischen Ausbilder sollten in einem ehemaligen Hotel im Zentrum von Negage wohnen. Eine wichtige Rolle bei der Erfüllung dieser

16 Kommandeur Jănel Tanase, Sirius. Prima misiune a armatei române în afara graniţelor naţionale după cel de-al Doilea Război Mondial [Sirius. Erster Einsatz der rumänischen Armee außerhalb der Landesgrenzen nach dem Zweiten Weltkrieg]. In: Cer Senin. Revista Forţelor Aeriene [Blauer Himmel. Magazin der Luftstreitkräfte], 10.2.2016. 17 Ebd. 124 Sorin Cristescu

Mission spielte der rumänische Botschafter in Luanda, Ion Moraru. Er besaß gute Beziehungen zur angolanischen politischen Führung, insbesondere zu José Eduardo dos Santos, der 1979, nach dem Tod von Agostinho Neto, Präsident von Angola wurde und es bis 2017 bleiben sollte. Die Teilnehmer der Sirius-Gruppe mussten sich an strenge Regeln halten: Ab­ ge­sehen von dem grundsätzlichen, auch in Rumänien geltenden Verbot, mit Aus­ ländern zu sprechen, durften Gespräche in Angola nur in Anwesenheit eines Dol­ met­schers stattfinden, um issverständnisseM aufgrund mangelnder Sprach­kennt­nis zu vermeiden. Außerdem durften sie weder mit den (sowjetischen und bulgarischen) Vertretern der Warschauer Vertragsstaaten noch mit kubanischen Soldaten sprechen, die in Angola eingesetzt waren. Besonders schwierig war der Materialtransport, gleichgültig, ob es um Möbel ging oder um Flugzeuge. Das Material musste zerlegt und in wasserdichte Kisten verpackt werden, da die Luftfeuchtigkeit in den Regionen Subäquatorial-Afrikas sehr hoch war. An Bord eines Frachtschiffes wurden die Kisten dann auf eine zweiwöchi- ge Reise nach Angola geschickt. Zwei leichte Lastwagen wurden ebenfalls verladen. Die Verantwortung für den Transport trugen Oberst Gheorghe Tănase, der Chef­ ingenieur der Gruppe, und Oberst Macri, der Leiter der Logistik, die mit an Bord des Schiffes gingen. Der größte Teil der Mission flog am 1. Februar 1981 mit einer Boeing 707 der Angolanischen Fluglinie nach Angola. Die Mit­glieder der Sirius- Gruppe trugen Zivilkleidung, ihre Uniformen wurden per Frachtschiff­ transportiert. Treffpunkt für alle Beteiligten war Negage. Die Kisten mit den zerlegten Flugzeugen wurden im Hafen von Luanda entladen und zum Flughafen­ der Hauptstadt ge- bracht. Dort wartete ein Team von Technikern, das die Flugz­ euge und Hubschrauber wieder zusammensetzte, mit denen sie dann nach Negage flogen. Am Standort mussten sie zunächst einmal die Baracken und Wohnungen er- richteten. Später erhielten sie eine spezielle Arbeitskleidung sowie ein persönliches Abzeichen mit den Initialen ENAM (Ecole Nationale d’Aviaçao Militar); spezielle Armbinden ersetzten die Dienstgradabzeichen. Im Gegensatz zu den sowjetischen, bulgarischen und kubanischen Soldaten in der Region trugen die Mitglieder der Sirius-Gruppe keine Waffen. Dank der Beziehungen zu den Sowjets wurden die Rumänen später mit dem Sturmgewehr AK-47 ausgerüstet, mussten aber auf An­ weisung­ ihrer Botschaft darauf verzichten, die Waffen zu tragen. Eine angolanische Garde zu bilden schien wiederum zu riskant, weil diese sich den regierungsfeind­ lichen Kräften hätte anschließen können. Die Ausbildungskurse begannen am 11. Februar 1981 mit einer Zeremonie, für die führende Politiker aus Luanda anreisten, darunter der angolanische Verteidi­ gungs­minister Samuel Pedala und sein Stellvertreter Gato. Der Zeremonie folgte ein De­monstra­ ­tionsflug mit der IAR-823, die onv General Niculescu selbst geflogen wurde – der angolanische Kommandant der Schule, Kapitän Bonga d’Aço, musste erst noch zum Piloten ausgebildet werden. Das Kommandopersonal und das Schulpersonal bestand aus Angolanern. Der erste Ausbildungsjahrgang umfasste 146 Schüler, darunter 54 Pilotkadetten, 18 Stabs­kadetten, 77 Luftfahrttechniker, 13 Meteorologen und sieben Spezialisten für Flugplatz­ logistik.­ Das Bildungsniveau entsprach dem der 7. bis 8. Klasse einer Rumänische Militärhilfe für Afrikanische Staaten 125

Mit­tel­schule, was es schwierig machte, technische Themen wie erodynamik,A Flug­ mo­toren, Navigation und Meteorologie zu unterrichten. Auch hatten die Ausbilder zunächst mit der Unpünktlichkeit ihrer Schüler zu kämpfen. Der nächste Jahrgang hatte ungefähr die gleiche Anzahl von Kursteilnehmern; nach den Startschwierigkeiten verlief die Ausbildung ohne besondere Probleme. Verpflegt wurden die Mitglieder der Sirius-Gruppe mit Lebensmitteln, die jeden Monat eigens per Luftfracht aus Rumänien nach Angola geliefert wurden. Nach dem Ende der theoretischen Ausbildung am 18. Mai 1981 begannen die Flugkurse. Auf dem Lehrplan der rumänischen Flugschule standen Landebahntouren, Gebiets- und Regionalflüge, Formationsflüge, Kunstflüge sowie Fallschirmabsprünge. Mit dem rumänischen Fallschirm BG-7 ausgerüstet, sprangen die Schüler aus den IAR-316B-Hubschraubern. Vom ersten Jahr an wurde der Luftkampf ebenso ge- übt wie das Schießen auf Bodenziele; unweit des Flugplatzes wurde das Schießen mit IAR-823-Flugzeugen simuliert. Obwohl es keinen Funkortungsdienst gab, wur- den Funkabhörungen organisiert. Das Ende des Ausbildungsjahres, an dem jeder Schüler 250 Flugstunden nachweisen konnte, bildete ein Schauflug mit IAR-823- Flugzeugen und IAR-316B-Hubschraubern. Zu einem tödlichen Unfall kam es am 6. Juli 1981, als ein Flugzeug mit Major Gheorghe Preda und dem angolanischen Schüler Ruy Nelson Botelho an Bord abstürzte. Zum Gedenken wurde ein Ehrenmal aus Propellerblättern errichtet. Nach dem Abschluss des ersten Ausbildungsjahres Ende November 1981 kehrte das Sirius-Team in kleineren Gruppen für die Winterferien nach Rumänien zurück; Anfang Januar 1982 waren sie wieder in Negage. Die Rumänen fungierten jetzt als Berater der Angolaner, die ihrerseits den neuen Schülerjahrgang ausbilden soll- ten, während die Leitung des gesamten Ausbildungsprozesses in den Händen der Rumänen lag. Ein besonderes Problem tauchte im März 1982 auf, als eine Gruppe der zwanzig besten Schüler vor Kursabschluss nach Südangola geschickt wurde, zu Kampfeinsätzen in Gegenden, die rivalisierende Fraktionen kontrollierten. Im September 1982 wur- de dann auf Ersuchen der angolanischen Seite eine gemischte rumänisch-angolani­ sche Besatzung an Bord von zwei zweimotorigen BN-2-Flugzeugen gebildet, die ostdeutsche­ Offiziere und Funkgeräte an die Nordgrenze des Landes bringen sollte. Dieses Flugzeug landete irrtümlich jenseits der Grenze in Zaire, einem mit Angola ver­feindetem Land. Die Piloten wurden festgenommen und verhört, konnten aber dank diplomatischer Verhandlungen, jedoch ohne ihr Flugzeug einige Wochen spä- ter nach Negage zurückkehren. Die Flugkurse endeten am 1. Dezember 1982. Am 18. Dezember schloss der ge- samte zweite Jahrgang die Ausbildung mit einem Diplom ab, und alle Schüler wurden zum Unterleutnant befördert. In Anwesenheit des Verteidigungsministers und ande- rer militärischer und ziviler Honoratioren Angolas fand die Abschlusszeremonie der Mission statt. Die Flugdemonstration der Absolventen dieses ersten Offizierlehrgangs sollte noch einmal die Professionalität der rumänischen militärischen Flugausbilder unter Beweis stellen. Bei der Abschlussfeier übergab der rumänische Kommandant der Schule, General Niculescu, sein Kommando und das gesamte militärische Material an die angolanische Regierung. Damit wurde eine Sondermission der Flug­ 126 Sorin Cristescu schule Rumäniens abgeschlossen. Mit einem letzten Flug an Bord einer IAR-823 endete Niculescus 40-jährige Fliegerkarriere. Nach Rumänien zurückgekehrt, nahm der General sein Amt als stellvertretender Kommandeur der Luftabwehr des Terri­to­ riums für die Kampf­fl ugzeugabteilung wieder auf, bevor er einige Jahre später in die Reserve versetzt wurde. Die Sirius-Gruppe kehrte am 30. Dezember 1982 klamm- heimlich nach Rumänien zurück. Bei ihrer Rückkehr gab es keine Zeremonie, und über ihre Arbeit in Angola fiel nie ein Wort.

III.

Zwischen 1982 und 1984 erhielten etwa 75 Soldaten, Mitglieder der Zimbabwe African National Union (ZANU) und der Zimbabwe African People’s Union (ZAPU), an der rumänischen Schule für Luftfahrtoffiziere in Boboc die Ausbildung zum Kampfpiloten. In den 1980er Jahren, dem letzten Jahrzehnt der kommunisti­ schen Diktatur, nahm die Zahl der Soldaten aus südafrikanischen Ländern in rumä­ nischen­ Militärschulen deutlich zu.18 So besuchten 1981 beispielsweise 323 sim­bab­ wische Schüler verschiedene Militärschulen.19 Zwischen 1979 und 1982 absol­ ­vierten rund 200 Schüler aus Madagaskar eine militärische Ausbildung in Rumänien. Im August 1984 waren 23 Piloten aus Simbabwe an der Militärschule der Luft­fahrt­ offiziere immatrikuliert. In den frühen 1980er Jahren nahmen 259 von der ZAPU nach Rumänien entsandte Schüler an Kursen von drei oder vier Monaten teil, um sich in verschiedenen militärischen Bereichen ausbilden zu lassen. Das sozialisti- sche Rumänien hat tausende Soldaten aus dem südlichen Afrika – aus Madagaskar, Simbabwe, Zaire und Sambia – ausgebildet, die dann als Brigade- oder Divisions­ kom­mandeure der verschiedenen Waffengattungen und Fachgebiete Karriere mach- ten. Allein zwischen 1977 und 1982 absolvierten rund 2500 simbabwische Soldaten Militärschulen in Rumänien. Zu dieser Bilanz rumänischer Militärhilfe gehören auch die afrikanischen Ab­ sol­venten der Technischen Militärakademie in Bukarest. Von 1974 bis 1989 wa- ren darunter 72 aus Madagaskar (zumeist Ingenieure), 14 aus der Demokratischen Repu­ ­blik Kongo (vor allem Kommandanten und Radaringenieure), fünf Luftfahrt­ inge­nieure aus Simbabwe und vier Panzeringenieure aus Sambia. Fast 100 Militär­ experten besuchten die rumänischen Studienprogramme, die es ihnen ermöglichten, am Befreiungskampf teilzunehmen und zur Entwicklung der Streitkräfte in jenen Ländern beizutragen, die im Zuge der Entkolonialisierung ihre Unabhängigkeit er- langt hatten.20 Weitere Forschung wird genauer zeigen, auf welche Weise und in welchem Umfang das sozialistische Rumänien die Befreiungsbewegungen im Süden Afrikas in den 1980er Jahren militärisch unterstützt hat.

18 Ionescu, Romania (wie Anm. 4), S. 84 f. 19 Arhivele militare Române, Pitești, Fonds Direktion für Personal und Ausbildung, Akte 374/1981, fol. 98. 20 Arhivele militare Române, Akte 374/1981, fol. 87, 98; Akte 380/1981, fol. 12, 23, 183, 260; Akte 338/1982, fol. 5, 186, 256, 260; Akte 337/1983, fol. 114, 150‑152; Akte 333/1983, fol. 3, 5, 10 f., 27‑33; Akte 334/1984, fol. 50, 173, 186, 202; Akte 333/1984, fol. 5, 137, 262 f. Klaus Storkmann

Die DDR als Akteur im »Globalen Kalten Krieg«? Militärisches Engagement für Afrika und den Nahen Osten und seine Koordinierung mit der sowjetischen Führung

Lange Zeit kursierten nur Gerüchte und Vermutungen über das ostdeutsche Militär in Afrika und im Nahen Osten. Die zeitgenössischen Publikationen der westdeut- schen und angloamerikanischen Presse erwecken den Eindruck, die Ostdeutschen seien mit ihrem Militär weltweit aktiv gewesen. Das Hamburger Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« zeigte im März 1980 auf seiner Titelseite vier NVA-Soldaten in Groß­ aufnahme und kommentierte auf einer Art Wehrmachtärmelband: »Honeckers Afrika- Korps«. Mit dieser Aufmerksamkeit erregenden Schlagzeile berichtete das Magazin in seiner Titelgeschichte über die militärischen Aktivitäten der ostdeutschen Streitkräfte in der sogenannten Dritten Welt, vor allem in Afrika.1 Der Berliner »Tagesspiegel« meldete im Dezember 1978 unter Berufung auf den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß, dass sich allein in Angola 5000 »Soldaten der DDR-Armee« befänden, vor allem »Elitetr­ uppen wie etwa Fallschirmjäger«. 2000 von ihnen seien »gegenwärtig bei einer Offensiv­ e im Einsatz«.2 Auch der »Tagesspiegel« sprach im Februar 1979 vom neuen »Afrika-Korps« der DDR und veröffentlichte einen Korrespondentenbericht über die Verlegung »mehrerer ostdeut- scher Einheiten, darunter ein Regiment des Fallschirm­ jäger-S­ onderverbandes ›Willy Sänger‹, von Äthiopien nach Angola, wo insgesamt fast 5000 ostdeutsche Söldner sta- tioniert seien«.3 Die Tageszeitung »Die Welt« hatte im Februar 1980 die Gesamtzahl der »DDR-Militärexperten« in Afrika gar mit »rund 30 000« angegeben. Zudem gebe die DDR »alljährlich mehr als 200 Millionen Mark für Kriegsmaterial an revolutio- näre Kräfte in Schwarzafrika aus«.4 Das amerikanische Nachrichtenmagazin »Time«

1 »Wir haben euch Waffen und Brot geschickt«. In: Der Spiegel, 3.3.1980, S. ‑42 61, und der Titel »Honeckers Afrika-Korps«. Die prägnante Schlagzeile fand sich zuvor bereits in zahlreichen Artikeln, sogar in der US-amerikanischen Presse. So titelte die Berliner Morgenpost am 2.12.1975: »Auch Militärs der ›DDR‹ kämpfen im roten Afrika-Corps«, der Bayernkurier am 17.6.1978: »Honeckers rotes Afrikakorps«, die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit am 26.5.1978: »Hoff­ manns Afrikakorps«, und die New York Times am 18.11.1979: »East German Afrika Korps: Force to Be Reckoned With.« 2 Strauß berichtet von 5000 DDR-Soldaten in Angola. In: Der Tagesspiegel, 2.12.1978. 3 Moskau konzentriert Militärpolitik in Afrika. In: Der Tagesspiegel, 8.2.1979, sowie: DDR stellt neues Afrikakorps, ein Regiment des Fallschirmjägerverbands Willy Sänger von Äthiopien nach Angola verlegt, 5000 ostdeutsche Söldner in Angola stationiert. In: Der Tagesspiegel, 8.2.1979. 4 Die Angaben stammten laut »Die Welt« vom CDU-Bundestagsabgeordneten Jürgen Todenhöfer, der diese »auf Informationen westlicher Geheimdienste basierenden Zahlen« auf einer Tagung der 128 Klaus Storkmann widmete den militärischen Aktivitäten der DDR in der Dritten Welt einen Bericht unter dem prägnanten Titel »Here Come Europe’s Cubans«.5 Was die DDR tatsächlich an militärischer Unterstützung bereit stellte, ob wirklich NVA-Einheiten in Afrika im Einsatz waren, welchen Umfang die Waffenlieferungen hatten und wie viele ausländische Militärs in der NVA ausgebildet wurden, wur- de erstmals 2012 in einer umfangreichen Studie wissenschaftlich untersucht.6 Die Relevanz des Themas ergibt sich aber auch aus der aktuellen Historikerdebatte über den globalen Kalten Krieg. Dessen Schwerpunkte und Austragungsorte werden der- zeit strittig diskutiert. Die Bedeutung der Dritten Welt wird in der zeithistorischen Forschung intensiver denn je erforscht, das dortige Agieren der Supermächte und ih- rer Blöcke wird hinterfragt. Immer mehr Anhänger findet die Sicht, dass zwar Europa für die beiden Blöcke zentral war und blieb, sich aber die militärische Austragung des Systemkonflikts zunehmend in die »Dritte Welt« verlagerte. Beide Seiten suchten ihren globalstrategischen Zielen nicht nur in Europa, son- dern auch in anderen Weltregionen näher zu kommen. Dem Streben der USA und der UdSSR nach »globaler Dominanz« konnte sich kaum ein Staat der Welt entzie- hen. Regionale oder lokale Konflikte wurden somit zum Austragungsort des Kampfes der Supermächte. Odd Arne Westads viel beachtete Publikation änderte 2007 den wissenschaftlichen Diskurs zum Ost-West-Konflikt. Westad veröffentlichte seine Untersuchung unter dem prägnanten Titel »The Global Cold War« und benutzte den Begriff der »Erschaffung der Dritten Welt«.7 Auch Robert J. McMahon betont, dass es ohne den Kalten Krieg den Begriff »Dritte Welt« nicht gäbe. Dieser sei als Ort der Systemauseinandersetzung zwischen Erster und Zweiter Welt (also West und Ost) um die globale Herrschaft definiert worden.8 Auf Westads Quellenforschung stützt sich auch Vladimir Shubin, der von einem »Heißen ›Kalten Krieg‹« spricht. Shubin, selbst in verantwortlichen Positionen für die sowjetischen Kontakte zu ver- schiedenen afrikanischen Ländern tätig, konzentriert sich auf Angola, Mosambik, Simbabwe und Namibia und gibt aus erster Hand Einblicke in das bis heute kaum erforschte Agieren der UdSSR vor Ort.9 In ihrer außenpolitischen Wahrnehmung waren sich Ost wie West weitgehend einig: Nahezu jeder regionale Konflikt wurde primär durch die Brille des Ost- West-Konflikts betrachtet und bewertet. Dementsprechend gestalteten sich die den Konfliktparteien gewährte politische Unterstützung und militärische Hilfe. Verluste der gegnerischen Seite sollten in Gewinne für das eigene Lager umgemünzt werden.

Konrad-Adenauer-Stiftung bekannt gegeben habe. Vgl. Honeckers Afrika-Korps ist 30 000 Mann stark. In: Die Welt, 12.2.1980. 5 Time, 21.4.1980, S. 14. 6 Klaus Storkmann, Geheime Solidarität. Militärbeziehungen und Militärhilfen der DDR in die Dritte Welt, Berlin 2012 (= Militärgeschichte der DDR, 21). Darauf basiert der vorliegende Beitrag. 7 Odd Arne Westad, The Global Cold War. Third World Interventions and the Making of Our Times, Cambridge 2007, hier insbesondere S. 272‑275. 8 Robert J. McMahon, Heiße Kriege im Kalten Krieg. In: Heiße Kriege im Kalten Krieg. Hrsg. von Bernd Greiner, Christian Th. Müller und Dierk Walter, Hamburg 2006 (= Studien zum Kalten Krieg, 1), S. 16‑34, hier S. 17 f. 9 Vladimir Shubin, The Hot ›Cold War‹. The USSR in Southern Africa, London 2008. Die DDR als Akteur im »Globalen Kalten Krieg«? 129

Dabei wurde das eigene Engagement einer Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen. Einer auch nur indirekten militärischen Konfrontation mit den Vereinigten Staaten wollte man ausweichen. Das Risiko war zu groß. Daher hielten sich die Staaten des Ostblocks in Lateinamerika zurück. Stattdessen konzentrierten sie ihre Aktivitäten auf die por- tugiesischen Kolonien in Afrika. Hier erschien das Risiko kalkulierbar.10 Die beiden Supermächte waren Gefangene ihres »Glaub­würdig­keits­syndroms«:11 »Schwach und unentschlossen zu erscheinen hätte Zweifel unter den eigenen Verbündeten wecken und die Feinde ermutigen können«, befindet Robert McMahon.12 Nikolaus Katzer analysierte 2009 Moskaus Agieren auf der internationalen Bühne zwischen Ideologie und Pragmatismus. Außenpolitische Erfolge seien als »Gradmesser­ für Größe, Macht und Ansehen« der Sowjetunion angesehen worden.13 Die neue Forschung sieht in dem »imperial overstretch« eine Ursache für den Niedergang der Sowjetunion. Vladislav Zubok erkennt mit gutem Grund einen »Soviet Overreach« in den späten 1970er Jahren. Nicht von ungefähr nennt er seine Analyse der sowje- tischen Geschichte »A Failed Empire«.14 Die sowjetischen Interventionen in Afrika sieht Zubok nicht einfach als einen »ideologisch getriebenen Kreuzzug«. Vielmehr sei es dem sowjetischen Militär darum gegangen, seine neuen Möglichkeiten der Machtprojektion zu demonstrieren. Hier habe die UdSSR den USA gegenüber als »gleichberechtigte globale Macht« handeln können.15 Die vorliegende Untersuchung soll zu dieser Debatte über den »globalen Kalten Krieg« neue Erkenntnisse beisteuern, in dem sie exemplarisch die Militärbeziehungen der DDR ausleuchtet. War auch die DDR ein Akteur im globalen Kalten Krieg? Wenn ja, gehörte sie zu den großen oder eher zu kleinen »Spielern« auf dem globalen Feld? Die Beantwortung dieser Fragen kann sich auf die überlieferten Quellen aus dem ostdeutschen Verteidigungsministerium in Strausberg, der Regierung und dem Außenminis­ te­ rium­ in Ost-Berlin, vor allem aber aus der Führung der Staatspartei SED stützen, die seit dem Ende der DDR für die Forschung weitgehend frei zu- gänglich sind. Das Kapitel gründet vor allem auf Archivbeständen der Abteilung Militärar­ chiv des Bundesarchivs (BArch) in Freiburg i.Br., der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO- BArch), des Bundesarchivs, Abteilung DDR (BArch), der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) und des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes (PA AA), alle in Berlin.

10 Volker Böge, Militärische und militärisch relevante Aspekte der DDR-Südpolitik. Problemaufriss, Litera­turbericht, Bibliographie, Hamburg 1989 (= Arbeitspapiere Institut für politische Wissen­ schaft, Universität Hamburg, 32), S. 3. 11 McMahon, Heiße Kriege (wie Anm. 8), S. 24‑28, hier S. 24. 12 Ebd. 13 Nikolaus Katzer, Ideologie und Pragmatismus in der sowjetischen Außenpolitik. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung »Das Parlament«, 59 (2009), 1/2, S. 3‑10, hier S. 3. 14 Vladislav M. Zubok, A Failed Empire. The in the Cold War from Stalin to Gorbachev, Chapel Hill, NC 2007, S. 227. 15 Ebd., S. 249. Zubok zitiert Zbigniew Brezinski, der mit Blick auf die sowjetische Einmischung am Horn von Afrika die Entspannungspolitik »im Sand des Ogaden begraben« sah. Ebd., S. 228. Ähnlich Katzers Wertung: Das sowjetische Dritte-Welt-Engagement habe »eher prekäre Folgen« gehabt und die Entspannungspolitik gegenüber dem Westen belastet. Katzer, Ideologie und Prag­ matismus (wie Anm. 13), S. 6. 130 Klaus Storkmann

Anfängliche Zurückhaltung bei Waffenlieferungen und Kehrtwende 1967

Seit Ende der 1950er Jahre suchten Staaten aus Afrika und Nahost in Ostberlin um Waffenlieferungen und Ausbildungshilfen nach. Die Bitte Guineas um Ausbildung seiner Offiziere an Schulen des Ministeriums des Innern (MdI), des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und der damaligen Grenzpolizei lehnte das Sekretariat des Zentralkomitees (ZK) im September 1959 ab. Heinz Hoffmann, damals noch Generalleutnant, Erster Stellvertreter des Ministers und Chef des Hauptstabs, wurde beauftragt, einen ablehnenden Bescheid zu geben.16 Ähnliche Bitten um militärische Ausbildung, Waffen und Ausrüstungen erreich- ten Ostberlin Anfang und Mitte der 1960er Jahre auch von diversen afrikanischen Befreiungsbewegungen und Regierungen, beispielsweise aus Kongo-Brazzaville und von den kongolesischen Aufständischen im Osten Zaires.17 In einer als »streng ver- traulich« klassifizierten Aktennotiz des Afroasiatischen Solidaritätskomitee der DDR (AASK) vom November 1964 hieß es: »Waffen oder militärische Ausrüstungen haben folgende Befreiungsbewegungen in den letzten Monaten von uns abgefor- dert, oder, da sie wussten, dass wir prinzipiell derartige Lieferungen abgelehnt ha- ben, vorgefühlt, ob sich unsere Haltung geändert hat«. Es folgt die Auflistung der Anfragen der Zimbabwe African People’s Union (ZAPU), der Frente de Libertação de Moçambique (FRELIMO), der Movimento Popular de Libertação de Angola (MPLA), der Partido Africano da Independência da Guiné e Cabo Verde (PAIGC) aus Portugiesisch Guinea, des südafrikanischen African National Congress (ANC) sowie aus Equador für diverse lateinamerikanische Befreiungsbewegungen. ANC, FRELIMO und ZAPU hätten nicht nur um Waffen, sondern auch um die mili- tärische Ausbildung ihrer Kämpfer, die ZAPU darüber hinaus um Transportmittel gebeten. Gegenüber anderen Gruppen wie der Zimbabwe African National Union (ZANU) und der União Democrática Nacional de Moçambique (UDENAMO) habe sich das AASK bei Anfragen »dumm gestellt, als ob wir nicht verstanden hät- ten, worum es geht.«18 Auf Anfrage des kubanischen Verteidigungsministeriums richtete Ver­teidigungs­ minister Heinz Hoffmann 1966 einen Fragenkatalog an Erich Honecker zur mögli- chen Unterstützung der DDR für die lateinamerikanischen Befreiungsbewegungen: »Verfügt die DDR über Schulen zur Ausbildung von Kämpfern für Partisanen- oder subversiven Krieg? Ist die DDR in der Lage, Waffen und Ausrüstungsgegenstände­ zu liefern, die von Partisanengruppen benötigt werden? Bestehen evtl. Möglichkeiten, dass ein oder mehrere kubanische Offiziere diese Probleme in der DDR studieren bzw. sich an Ort und Stelle einen Überblick über die vorhanden Möglichkeiten verschaf- fen können?«19 Honecker, damals Sekretär für Sicherheitsfragen des ZK der SED, no-

16 ZK der SED, Sekretariatssitzung 9.9.1959, TOP 39, SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/3A/673, 674. 17 Beispielsweise die Anfrage der »Regierung der kongolesischen Freiheitsbewegung« in Stanleyville (Zaire) 1964. MfAA an Ulbricht, Stoph, Honecker, 14.12.1964, PA AA, MfAA/A 14593, Bl. 1‑3. 18 Aktennotiz AASK 6.11.1964, BArch, DZ 8/31. 19 MfNV, Hoffmann, an Honecker, 10.11.1966, darauf der Vermerk Honeckers »EH. 13.11.66« und weitere handschriftliche Notizen, BArch, VA-01/19230, Bl. 508 f. Die DDR als Akteur im »Globalen Kalten Krieg«? 131 tierte neben allen zitierten Fragen sein Nein. Das Papier verdeutlicht, dass die DDR- Führung im November 1966 noch nicht bereit war, »Partisanenaktivitäten« in der Dritten Welt zu unterstützen. Weder sollten Kämpfer ausgebildet noch Waffen und Ausrüstung geliefert werden. Bereits im Januar 1967 änderte ein Politbürobeschluss die ablehnende Haltung der DDR in Fragen der Waffenabgaben. Die zuneh- menden afrikanischen Wünsche an die DDR haben sicherlich ihren Beitrag zur Entscheidungsfindung in der SED-Führung ge­leistet. Am 10. Januar 1967 beschloss das Politbüro »die Lieferung nichtziviler Güter an nationale Befreiungsbewegungen in Afrika«. Die Beschlussvorlage trägt die Unter­ schriften der Minister für Staatssicherheit, des Verteidigungsministers, des Innen­ ministers sowie des stellvertretenden Außenministers. Diese im Vergleich zu den anderen Vorlagen ungewöhnliche Vorgehensweise kann als Indiz für die auch von den Entscheidungsträgern erkannte Bedeutung des Beschlusses gewertet warden.20 Er sah im Detail vor, dass neben MfS und der Volkspolizei auch die NVA militäri- sche Ausrüstungen und Waffen aus ihren Beständen bereitzustellen hatte. Mit der Koordinierung, dem Transport und der Übergabe vor Ort wurden das Außen­minis­ terium­ und das MfS beauftragt. Als Empfänger wurden die simbabwische ZAPU, die mosambikanische FRELIMO, die PAIGC in Portugiesisch-Guinea und die angolanische MPLA benannt. In den Anlagen des Beschlusses fanden sich bis ins kleinste Detail aufgelistet die zu liefernden Waffen und Munition.21

Aufstellung über die gemäß SED-Politbürobeschluss vom 10. Januar 1967 an af- rikanische Befreiungsbewegungen zu liefernden Waffen und Munition (Auszüge)22

Position Bezeichnung FRELIMO ZAPU MPLA 1 Karabiner 98 K 7,9 mm 4800 3200 1600 2 Leichtes MG 34 7,9 mm 110 75 40 3 Patronen 7,9 mm für Pos. 1 u. 2 900 000 470 000 240 000 5 Scharfschützengewehr 7,62 mm 60 40 20 8 MPi K. 7,62 mm 80 60 30 9 Patronen 7,62 mm für Pos. 8 76 000 57 000 28 500 10 MPi 43/44 7,9 mm 80 50 30 13 Schützenminen 2000 1000 500

20 Politbürositzung 10.1.1967, TOP 15 und Anl. 5, SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2/1093 auch in: DY 30/J IV 2/2A/1200; DY 30/4709; BArch, AZN 32605. 21 Alle vier Empfänger erhielten die gleichen Ausrüstungen und Waffen, lediglich deren jeweilige Stückzahl­ variierte. Die Liste reichte von Decken und Stahlhelmen (sowjetischer Ausführung) über Scharf­schützengewehre bis hin zu leichten Maschinengewehren. Politbürositzung 10.1.1967, TOP 15 und Anl. 5, SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2A/1093. 22 Die Lieferungen an die westafrikanische PAIGC werden in dieser Aufstellung aus Gründen der Über­sichtlichkeit ausgeklammert. Politbürositzung 10.1.1967, TOP 15 und Anl. 5, SAPMO- BArch, DY 30/J IV 2/2/1093. 132 Klaus Storkmann

Der Vergleich verdeutlicht die klare Priorisierung der FRELIMO bei der Auf­ teilung. Bei den gelieferten Waffen handelte es sich großteils noch um Be­stände der Wehrmacht, die sich in den Depots der NVA, aber in den 1960er Jahren auch noch im aktiven Gebrauch befanden. Moderne Waffen wie die MPi Kalasch­nikow (Position 8) wurden nur in kleinen Stückzahlen geliefert. Was im Wortlaut wie eine Einzelfallentscheidung aussah, war de facto ein richtungweisender Grundsatz­ ­ beschluss. In den Folgejahren befassten sich Politbüro und Sekre­ta­riat wiederholt mit Waffen- und Ausrüstungslieferungen in die Dritte Welt. Waffenliefer­ ungen an Organisationen und Regierungen resultierten nicht selten aus Aufenthalten ei- ner DDR- beziehungsweise SED-Delegation in den jeweiligen Ländern oder aus Besuchen der Gruppen in Ostberlin.

»Honeckers Krieg gegen Israel«? DDR-Waffen für Ägypten und Syrien 1967

Honeckers besondere Aufmerksamkeit galt der Unterstützung für die arabischen Staaten. Ägypten und Syrien waren – wie der Nahe Osten insgesamt – einer der Brennpunkte des Ost-West-Konflikts. Dabei sind die Ursachen und Wurzeln der Konflikte im Nahen Osten älter als der Ost-West-Konflikt und zu komplex, um sie nur mit dem globalen Ringen der Supermächte um Einfluss erklären zu können. Mit dem israelischen Überraschungsangriff begann am 5. Juni 1967 der drit- te Nahostkrieg, später bekannt als »Sechstagekrieg«. Zur Überraschung und zum Entsetzen der arabischen Welt wie des Ostblocks gleichermaßen endete der Krieg mit der nahezu vollständigen Niederlage Ägyptens, Syriens und Jordaniens. Die Blitz-Niederlage der mit sowjetischen Waffen ausgerüsteten ägyptischen und syri- schen Streitkräfte verunsicherte Moskau genauso wie Ost-Berlin. Die nach sowjeti- schem Vorbild organisierten, ausgebildeten und trainierten Streitkräfte Ägyptens und Syriens hatten ein Debakel der Extraklasse erlitten. Hier betrat nun auch die DDR das nahöstliche Schlachtfeld – nicht mit Soldaten, wohl aber mit Waffenlieferungen. Zwei Tage nach Kriegsbeginn reagierte die SED-Spitze: Das Politbüro beschloss am 7. Juni 1967 militärische Soforthilfen inklusive Waffenlieferungen. Einen Tag später meldete das DDR-Verteidigungsministerium, was es umgehend oder innerhalb eini- ger Wochen oder Monate an Ägypten und Syrien abgeben könne: Die DDR als Akteur im »Globalen Kalten Krieg«? 133

Aufstellung des DDR-Verteidigungsministerium vom 8. Juni 1967 über mögliche Abgaben an Ägypten und Syrien (Auszug)23

Bezeichnung Anzahl Möglicher Liefertermin Panzer T-34/85 35 sofort Schützenmine PMN 150 000 sofort 82 mm Geschütz B-10 5 innerhalb einiger Wochen 107 mm Geschütz B-11 5 innerhalb einiger Wochen Granatwerfer 82 mm 6 innerhalb einiger Wochen Granatwerfer 120 mm 6 innerhalb einiger Wochen MiG-17F 30 innerhalb von zehn Tagen MiG-17F 20 Nach Instandsetzung innerhalb mehrerer Monate

Die Abgaben waren sowohl für Kairo wie für Damaskus bestimmt. Eine Zuor­ d­ nungsentscheidung hatte die NVA zu diesem frühen Zeitpunkt nicht getroffen; sie lag wohl auch nicht auf militärischer, sondern auf politischer Entscheidungsebene. Ägyptens Präsident wollte mehr: Die Vereinigte Arabische Republik (VAR, wie sich Ägypten damals offiziell bezeichnete) sei »schwer zu Boden geschlagen worden (knocked down)« und müsse ansonsten gegenüber den USA kapitulieren. Sein Land bräuchte zuallererst Flugzeuge mit Piloten, »gleich ob man sie als Freiwillige oder sonst wie bezeichnet«. Von der UdSSR habe er bereits »Tanks, Kanonen und Flugzeuge« bekommen, »das sei aber nicht genug«. Die VAR betrachte sich als »erste Verteidigungslinie für das sozialistische Lager« und sei be- reit, die Nichtpaktgebundenheit aufzugeben. Konkret bat Nasser die DDR auch um Kampfflugzeuge. Gerhard Weiss, der stellvertretende Vorsitzende des Minister­ rates, erwiderte, die DDR habe keinen eigenen Flugzeugbau. Nasser zeichnete ein düsteres Bild der Lage. Er habe die UdSSR gebeten, »Flugzeuge mit Piloten zu schicken und auch das Luftkommando der VAR zu übernehmen«. Israel habe die Luftherrschaft.­ Der einzige Weg sei »ein entscheidender Schritt der Sowjetunion, um die Luftüberlegenheit der Israelis zu brechen«24. In einer ersten Einschätzung seines Gesprächs mit Nasser folgerte Weiss, dass Kairo von einem weiteren israe- lischen Angriff in nächster Zeit ausgehe. Das Drängen Nassers nach sowjetischen Militärberatern resultiere nicht nur aus dem »Unvermögen« der ägyptischen Militär­ führung, sondern auch aus »berechtigtem politischem Misstrauen Nassers gegenüber den höheren Offizierkorps« seines Landes25. Der SED-Funktionär und ZK-Ab­tei­ lungs­leiter für Internationale Beziehungen Paul Markowski und Weiss sagten den Ägyptern militärische Hilfe im Wert von 180 Mio. Mark zu. Nasser zufolge betrachte sich Ägypten als »erste Verteidigungslinie für das sozi- alistische Lager« und sei bereit, die Nichtpaktgebundenheit aufzugeben. Konkret

23 Stoph an Soliman, 8.6.1967 (Original mit Unterschrift Stoph), BArch, DC 20/17264, Bl. 1‑3; Kopie auch in BArch DC 20/4537, Bl. 39 f. 24 Ebd. 25 Bericht Gerhard Weiss über Gespräche in VAR, 6.7.‑11.7.1967, hier Bl. 115 f., SAPMO-BArch, NY 4182/1337, Bl. 112‑124. 134 Klaus Storkmann bat Nasser die DDR um mehr Kampfflugzeuge und ostdeutsche Piloten. Ulbricht lehnte ab: keine Piloten. Nasser insistierte: Im November 1967 wandte sich der Vizepräsident der regierenden Arabischen Sozialistischen Union (ASU), Ali Sabri, mit der Bitte um Militärpiloten der NVA an Ulbricht. Ulbricht entgegnete mit kla- ren Worten, es »sei doch nicht die Frage, ob 20 oder 40 Flieger aus der DDR der VAR helfen, Freiwillige würden sich sicherlich finden«.26 Er lehnte das Ansinnen aber mehrfach als »Demonstration einer militärischen Lösung« unumwunden ab: »Wozu also sollte eine militärische Demonstration unsererseits gut sein?« Auch vom Standpunkt der VAR aus erscheine ihm dies nicht zweckmäßig.27 Ulbricht schien sich hier implizit gegen einen neuen Waffengang und zu einer politischen Lösung des Nahostkonflikts zu bekennen. Sabri entgegnete, die Entsendung von Fliegern diene nicht einer militärischen Lösung, sondern lediglich der Wiederherstellung der mili- tärischen Kraft seines Landes. Auch schwere Waffen und Flugzeuge könne die DDR nicht liefern, da diese von ihr nicht hergestellt würden, argumentierte Ulbricht, Kairo solle sich direkt an Moskau wenden.28 Nassers Stellvertreter wiederholte mehrfach, das Problem sei nicht schlechthin ein Waffenproblem, seinem Land fehlten ausgebil- dete Piloten. Deren Ausbildung dauere vier Jahre. Die Hinweise auf die langwierige Ausbildung und die akut fehlenden Kampfpiloten führten die Versicherung ad ab- surdum, die Piloten würden nur zur Ausbildung und nicht zu Kämpfen eingesetzt werden. Ulbricht ging auf diesen offenkundigen Widerspruch nicht ein, entgegnete aber, er habe »Zweifel, ob Flieger eine solche Rolle spielen könnten«. Viel wichtiger erscheine ihm eine »wirksame Abwehr tieffliegender Flugzeuge durch schnellfeuern- de Schusswaffen«. Sabri erwiderte, außer Schusswaffen bräuchte man Flieger, die angreifende Flugzeuge abfangen könnten; der VAR fehlten diese Piloten. Ulbricht riet stattdessen, den Aufbau der Parteiorganisation der ASU in den Streitkräften zu forcieren. Es müssten die »führende Rolle der Partei in der Armee durchgesetzt« und Arbeiter zu Kommandeuren ausgebildet werden: Eine »starke und einflussreiche [Partei] in den Streitkräften sei weit wichtiger als 20 oder 40 Flieger«, belehrte er den Ägypter. Die SED sei bereit, den Ägyptern Hilfe beim organisatorischen Aufbau der Partei zu leisten. Sabri insistierte dagegen, angesichts der akuten Bedrohung bräuch- te die VAR »vor allem eine wirksame Luftverteidigung«. Das überlieferte Protokoll belegt, dass beide Politiker sich nicht einig wurden. Sie redeten eher aneinander vorbei. Entscheidend blieb letztlich Ulbrichts festes Nein zur »Demonstration einer militärischen Lösung«. Umso bemerkenswerter ist UIbrichts Meinungsänderung zwei Jahre später. In einem geheimen Schreiben an Brežnev erklärte Ulbricht im Oktober 1969, die Unter­stützung der arabischen Truppen in ihrem »Zermürbungskrieg« gegen Israel

26 Protokoll Gespräch Ulbricht – Ali Sabri, Moskau, 8.11.1967 (Vermerk »Streng geheim«), SAPMO- BArch, NY 4182/1337, Bl. 164‑176, hier Bl. 171. 27 Ebd. 28 »Die DDR selbst produziere keine Waffen, [...] weil die Staaten des Warschauer Vertrages einheit- lich mit sowjetischen Waffen ausgerüstet sind [...] Es hätte also auch keinen Sinn, dass wir der VAR sowjetische Waffen lieferten. Diese könne die VAR besser direkt aus der Sowjetunion beziehen.« Ebd., Bl. 174. Die DDR als Akteur im »Globalen Kalten Krieg«? 135

»durch Freiwillige aus den sozialistischen Ländern« sei »notwendig«.29 Dies »erfor- dere aber gründliche interne Vorbereitungen«: »Es ist also nicht zweckmäßig, vorher öffentlich über Freiwillige zu sprechen, bevor bestimmte Kommandoaufgaben erfüllt wurden«.30 Den brisanten Vorschlag hatte Ulbricht mit Honecker, dem Minister für Staats­ sicher­heit Erich Mielke sowie Verteidigungsminister Hoffmann abgestimmt.31 Im Februar 1970 wiederholte Ulbricht seine Idee. Gegenüber dem sowjetischen Bot­ schafter in Ost-Berlin erinnerte er an seinen Vorschlag, »sich mit Präsident Nasser über die Zweckmäßigkeit und den Zeitpunkt des Einsatzes von Freiwilligen aus so- zialistischen Ländern zu konsultieren«.32 Die Reaktion Moskaus oder gar eine Ent­ scheidung über den Einsatz von »freiwilligen« Soldaten und Piloten in Ägypten ist nicht bekannt. Der ungewöhnliche Vorschlag aus Ost-Berlin ist jedoch im Zu­sam­ menhang mit dem zunehmenden militärischen Engagements Moskaus für Kairo und Damaskus zu sehen. Der nächste Krieg kam drei Jahre später.

DDR-Waffen für Syrien im Krieg gegen Israel 1973

Im Oktober 1973 griffen Syrien und Ägypten Israel an. Wieder war Ostdeutschland sofort zur Stelle, um Waffen zu liefern. Diesmal erhielt nur Syrien die volle Unter­ stützung. Dass Verhältnis zu Ägypten unter Anwar as-Sadat, dem Nachfolger Nassers, hatte sich bereits merklich abgekühlt. Am 10. Oktober 1973 hatte Syriens Staats­schef Hafez al-Assad die DDR-Regierung um Waffenhilfe ersucht. Honecker erteilte Strausberg am selben Tag Order zu prüfen. Drei Tage später meldete Ver­tei­ digungs­minister Hoffmann Honecker, dass die NVA »unter Ausschöpfung aller uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten« folgende Waffensysteme abgeben könne: zwölf MiG-Abfangjäger, 62 Panzer des modernen Typs T-54 A inklusive Munition und rund 75 000 Artilleriegranaten diverser Art sowie 30 000 Panzerminen.33 Noch während der aktiven Kampfhandlungen des sogenannten Yom-Kippur-Krieges im Oktober 1973 stellte die NVA zwölf Abfangjäger des ebenso modernen Typs MiG‑21 mit jeweils drei Kampfsätzen Munition und Raketen sowie kompletter Boden­aus­ rüstung bereit. Weiterhin lieferte die DDR 62 Panzer des damals ebenfalls moder- nen Typs T-54 A inklusive drei Kampfsätzen Munition. Hinzu kamen rund 75 000

29 Ulbricht an Honecker vom 17.10.1969 und Antwort Honeckers vom 24.10.1969, SAPMO- BArch, DY 30/3666, Bl. 114 f. 30 Ebd. 31 »Ich bitte Dich, den anliegenden Brief an Genossen Brežnev zu lesen und Dich mit den anderen Genossen des Politbüros zu verständigen (aber nicht als Umlauf vervielfältigen lassen), außerdem sollen ihn die Genossen Hoffmann und Mielke lesen.« Honecker antwortete, sowohl das Politbüro als auch Hoffmann und Mielke hätten ihre Zustimmung gegeben. Ebd. 32 Ulbricht: »Sollte das Politbüro des ZK der KPdSU eine solche Situation für gegeben halten, so würden wir vorschlagen, dass eine Beratung der Ersten Sekretäre nach Moskau einberufen wird.« Ulbricht an Botschafter Abrassimov, 3.2.1970 (deutsch und russisch), SAPMO-BArch, DY 30/3666, Bl. 154 f. 33 MfNV, Hoffmann, an Honecker, 13.10.1973, mit Vermerk »EH. Einverstanden, 14.10.83« und erneuter Gegenzeichnung durch Hoffmann, BArch, DVW 1/114483, Bl. 169‑172. 136 Klaus Storkmann

Artilleriegranaten und 30 000 Panzerminen. Der Gesamtwert der Lieferungen be- trug dem MfNV zufolge 84,3 Mio. Mark.34 Zwölf Abfangjäger MiG-21 sollten als Soforthilfe an die Luftwaffe übergeben wer- den. Die MiG-21 wurden kurzfristig aus einem Jagdfliegerausbildungsgeschwader ab- gezogen. Unter größter Geheimhaltung lief die Aktion an: Die DDR-Hoheitszeichen und alle Hinweise auf die Zugehörigkeit zur NVA wurden entfernt, die Maschinen dann demontiert und vom 18. bis 21. Oktober, also noch während der Kämpfe, in sechs sowjetischen Transportflugzeugen des Typs Antonov AN-12 verladen und nach Aleppo transportiert. Die Flugroute der zwölf MiG im Bauch der Antonovs führte zunächst auf den Militärflughafen Tököl bei Budapest. Von Ungarn ging es über Jugoslawien hinaus auf die Adria, dann zwischen Italien und Griechenland hindurch auf das Mittelmeer bis zur Landung in Aleppo. Aus Gründen der Geheimhaltung und wohl auch zum Schutz vor etwaigen Angriffen der israelischen Luftwaffe über dem Mittelmeer wurden die sowjetischen Militärmaschinen in den Farben der zivi- len Fluggesellschaft »Aeroflot« getarnt. Auf einer Luftwaffenbasis bei Aleppo wurden die ostdeutschen Abfangjäger wieder montiert, aufgerüstet und in den Farben der syrischen Luftwaffe lackiert. Trotz des am 22. Oktober für die Syrienfront in Kraft getretenen Waffenstillstands blieb die Lage äußert angespannt. Nur einen Tag vor dem Eintreffen der ersten NVA- Maschinen hatte die israelische Luftwaffe den Zielflughafen bei Aleppo angegriffen. Ostdeutsche Piloten flogen die MiG im syrischen Luftraum ein. Zu einer Begeg­ nung mit israelischen Kampfflugzeugen kam es während dieser Flüge nicht. Ent­ gegen mancher bis heute geäußerten Vermutung in der Presse waren auch keine Kampfeinsätze der NVA-Piloten vorgesehen. Ende Oktober 1973 wurden die zwölf MiG dann, wie sich Zeitzeugen erinnern, an »syrische Piloten, die perfekt russisch sprachen«, übergeben. Eine geheime Meldung des Chefs der DDR-Luftstr­ eit­kräfte erwähnt die Übergabe an »sowjetische Piloten«, ein Hinweis, dass 1973 sehr wahr- scheinlich sowjetisches Personal in syrischen Uniformen im Einsatz war.35 Journalisten nannten das Agieren des ostdeutschen Staats-und Parteichefs »Honeckers Krieg ge- gen Israel«.36 Kein Zweifel: Die Militärhilfen für Syrien und andere arabische Staaten wa- ren ein Ausdruck der Gegnerschaft der DDR zu Israel. Die Ostdeutschen lieferten Waffen an die Erzfeinde Israels. Außer den Hilfen für Ägypten und Syrien erhielten auch die in Israel und den USA als Terrororganisation eingestufte Pälestinenische Befreiungsorganisation (PLO) und weitere radikale palästinensische Gruppen Waffen und Munition aus Ostdeutschland. Ost-Berlin bewegte sich aufgrund der deutschen Geschichte, insbesondere der deutschen Verantwortung für den Holocaust, mit sei-

34 MfNV, Fleißner, an Weiss, 26.11.1973, BArch, DC 20/13070, Bl. 225 f.; Gesamtsumme auch angegeben in MfNV, Hoffmann, an Axen, 1.11.1973, BArch, DVW 1/114483, Bl. 190‑192. 35 Ausführlich dazu: Klaus Storkmann, Geheimoperation Aleppo. DDR-Waffen für Syrien im Krieg gegen Israel 1973. In: Militärgeschichte. Zeitschrift für historische Bildung, 1/2016, S. 22 f. 36 Stefan Meining, Honeckers Krieg gegen Israel, ARD-Sendung »Report aus München«, 6.10.2008 (Hintergrundinformation zur Sendung); Stefan Meining, Geheimoperation Aleppo. Die gehei- me Beteiligung der DDR am Oktober-Krieg 1973, Hintergrundinformationen zum TV-Bericht »Honeckers Krieg gegen Israel«, gesendet im »Report aus München«, ARD, am 6.10.2008. Die DDR als Akteur im »Globalen Kalten Krieg«? 137 nen Waffenlieferungen an die Feinde Israels auf sehr dünnem Eis. Die Syrienhilfen waren aber kein Ausdruck einer Feindschaft zu Israel als dem jüdischen Staat; viel- mehr ordneten sie sich in die Logik des Ost-West-Konflikts ein. Die Spitzen von SED und NVA sahen die Kriege zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn primär als Teil der globalen Systemkonfrontation. Die einseitige Fixierung führte die DDR an der Seite der arabischen Staaten in eine Gegnerschaft zu Israel. Die Lieferung der MiG durch NVA-Piloten ins syrische Aleppo war auf eine sowjetische Weisung zurückzuführen. Der Transport in sowjetischen Antonovs ist ein klarer Beleg. Ein weiterer Beweis ist die laut Zeitzeugen »riesige Anzahl von Militärflugzeugen« aus anderen Ostblockstaaten auf dem Budapester Flughafen. Neuesten Forschungen37 zufolge lieferten auch die Tschechoslowakei und die Volks­ republiken Polen und Ungarn jeweils zwölf MiG-21. Die sowjetischen Waffen­lie­fe­ rungen an Syrien (und an Ägypten) waren viel umfangreicher und sind im Detail bis heute nicht vollständig bekannt. Interessant wäre es zu erfahren, ob auch Rumänien 1973 Syrien oder Ägypten mit Waffen im Krieg gegen Israel unterstützte.

Unkalkulierbare Risiken

Nicht nur Ägyptens Staatschef Nasser drängte Ost-Berlin auf den Einsatz seiner Kampfpiloten. Mehrfach wandten sich auch andere arabische und ebenso afrika- nische Staaten an Ostberlin mit der Bitte, NVA-Personal einzusetzen; gewünscht wurden vor allem Militärberater, Ausbilder und Kampfpiloten. Sambias Präsident Kenneth Kaunda und sein Verteidigungsminister Gray Zulu baten beispielsweise 1979 und 1980 wiederholt um Einsätze der NVA in ihrem Land. NVA-Piloten sollten mit ihren Maschinen den sambischen Luftraum schützen. Hoffmann lehnte sofort ab: Er habe den Einsatz von Piloten und Flugzeugen als »nicht realisierbar zurückgewiesen«, meldete der Minister im Juni 1979 an Honecker.38 Ebenfalls 1979 äußerte der Vorsitzende der simbabwischen Befreiungsbewegung ZAPU, Joshua Nkomo, bei seinem Besuch in der DDR den Wunsch nach dem Einsatz von NVA- Offizieren in den ZAPU-Camps in Sambia. In seinem Bericht an Honecker lehnte Armee­general Hoffmann die Entsendung von militärischen Personal der NVA wie- derum als »politisch nicht vertretbar« ab. Stattdessen wies er auf die Möglichkeit zur militärischen Ausbildung in der DDR hin.39 Über die Einzelfälle Sambia und Simbabwe hinaus zeigte sich bei der Ablehnung von Berater-, Ausbilder- und Piloteneinsätzen eine generelle Linie der Zurückhaltung der DDR-Streitkräfte. Die Quellen lassen den Schluss zu, dass die DDR allen Bitten um Entsendung von militärischem Personal in Drittstaaten reserviert, wenn nicht ab- lehnend gegenüberstand. Die »Staats- und Parteiführung« und vor allem die Spitzen

37 Ausführlich dazu Storkmann, Geheime Solidatrität (wie Anm. 6). 38 Politbürositzung 12.6.1979, TOP 11, Anlage 10, Bericht Militärdelegation nach Sambia, Mosam­ bik und Äthiopien, SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2A/2237, hier Bl. 82, 86; auch in: MfNV, Hoffmann, an Honecker, 7.6.1979, BArch, AZN 32638, Bl. 135‑154, hier Bl. 146, 153. 39 MfNV, Hoffmann, Notiz über Gespräch mit J. Nkomo, 18.6.1979, BArch, AZN 32638, Bl. 163‑165. 138 Klaus Storkmann der NVA sahen zu Recht die Gefahr, in die dortigen Konflikte und Kriege hinein- gezogen zu werden. Eine direkte Beteiligung von NVA-Soldaten oder gar Einheiten an Kampfhandlungen hätte vermutlich weitreichende Folgen gehabt – politische wie militärische. Derlei Auslandseinsätze stellten somit ein unkalkulierbares Risiko für die DDR dar. Dennoch agierte die DDR widersprüchlich. Wenn auch nicht mit Kampfpiloten, größeren Einheiten oder gar Verbänden war die NVA dennoch vereinzelt im Ausland präsent. Bis 1970 waren nach einer vertraulichen Meldung des DDR-Ver­ tei­di­gungsministers an Walter Ulbricht beispielsweise bereits 15 Unteroffiziere und Offiziere der Volksmarine zum Aufbau der Küstenverteidigung nach Sansibar entsandt worden. In einzelnen Fällen wurden, zumeist auf wenige Wochen begrenzt, Berater und »Spezialisten« beispielsweise nach Angola und in den Irak abgestellt. Einen grö- ßeren Umfang hatten die Einsätze von Offizieren und Transportfliegern in Äthiopien und Mosambik. Im Dezember 1984 töteten oppositionelle Guerillakämpfer in Mosambik neben anderen Ausländern auch acht zivile Entwicklungshelfer aus der DDR. Als Reaktion darauf entsandte die NVA im Jahr 1985 mehrere Gruppen von zum Teil hochrangigen Offizieren, darunter zwei Generale, ins Land, um den Generalstab­ , Kommandos, Stäbe und Einheiten vor Ort zu beraten. Über den laufenden Einsatz der Offiziere vor Ort hinaus trat die mosambikanische Regierung 1985 und 1986 mehrfach an die DDR mit dem Wunsch nach Ausbildern und »Instrukteuren« der NVA heran. Im Juni 1986 ließ Armeegeneral Heinz Keßler, Hoffmanns Nachfolger als Verteidigungsminister, SED-Generalsekretär Honecker und Egon Krenz wissen, dass auch er einen solchen Einsatz ablehne. Einen Einsatz von »Instrukteuren« bei der Ausbildung vor Ort bewertete er aus »politischen Gründen« als »nicht zweckmäßig«.40

Der Königsweg? Ausbildung in der DDR statt Auslandseinsätze

Auf ausländische Wünsche nach Ausbildungsunterstützung dagegen ging die DDR ab Mitte der 1970er Jahre in der Regel bereitwillig an. Ostberlin bot zudem auf eigene Initiative ausgewählten Partnern die Ausbildung von Militärangehörigen in der NVA an. Die NVA hat rund 3000 Militärs aus 22 Nationen ausgebildet, da- von aus 19 regulären Streitkräften und aus drei bewaffneten Formationen bezie- hungsweise Parteiarmeen. Das größte Kontingent stellte die Volksrepublik Kongo mit 424 Militärs, gefolgt wiederum von Vietnam (390). Syrien hatte nach dieser Zusammenstellung 355 Militärs in der DDR ausbilden lassen, Nicaragua 329, Libyen 283 und Mosambik 281. Alle anderen Partner folgten mit deutlich geringe- ren Zahlen: Südjemen 138, Kuba 130, 103, Nordjemen 97, Äthiopien 79, Nordkorea 58, Laos 49, Sambia 44, Kambodscha 30, Tansania 28 und Simbabwe 15. 1989 bildeten die DDR-Luftstreitkräfte 14 iranische Piloten und 34 Techniker

40 MfNV, Keßler, an Honecker, Durchschlag an Krenz, 19.6.1986, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2.039/298, Bl. 280‑283; auch in: BArch, AZN 32 649, Bl. 39‑42, darauf Einverständnisvermerk Honeckers vom selben Tag. Die DDR als Akteur im »Globalen Kalten Krieg«? 139 auf MiG-21 aus. Für den Irak wurden 1977 zehn Sportoffiziere ausgebildet. Für die bewaffneten Formationen der palästinensischen PLO wurden 90 Kämpfer zu Offizieren ausgebildet, für den militärischen Arm der libanesischen Drusenpartei Walid Dschumblatts sechs »Offiziere«. Zudem wurden während der Pinochet- Dik­tatur 21 »Kader« der Kommunistischen Partei Chiles in der NVA militärisch ge­schult.41 Keine einheitliche Regelung gab es für die Finanzierung der anfallenden Kosten. Die Spanne reichte von der vollen Begleichung in Devisen durch die Entsende­ staaten bis hin zur vollständigen Übernahme aller Kosten durch die DDR. Libyen und Syrien zahlten für die Ausbildung ihrer Militärs in US-Dollar. Anteilig zahlte auch Tansania für die Ausbildung seiner angehenden Offiziere. Den anderen Staaten und Organisationen finanzierte die DDR die Ausbildung, zumeist sorgte sie auch für Taschengeld und sonstige Beihilfen. Für Afghanistan, Laos, Kambodscha und Nicaragua übernahm die DDR größtenteils die Kosten für die Flüge. Einer Infor­ mation­ des Hauptinspekteurs der NVA vom März 1990 zufolge trug die DDR-Re­ gier­ung 86 Prozent der gesamten Ausbildungskosten.42

Handlungsspielraum der DDR gegenüber der Sowjetunion

Eine Analyse der Entscheidungen in Ost-Berlin und Strausberg für oder gegen Militärhilfen nach Afrika, den Nahen Osten oder andere Weltregionen wäre un- vollständig ohne einen weiteren Akteur in den Blick zu nehmen: Moskau. Bevor sie über Waffenlieferungen oder andere Militärkontakte zu Drittstaaten entschie- den, bat die Führung in Ost-Berlin und Strausberg den Kreml in der Regel um »Meinungs­äußerungen«. Die Adressaten waren das sowjetische Verteidigungs­minis­ terium, hier zumeist der Generalstabschef, vereinzelt auch der Minister. Politisch be- sonders brisant waren die an anderer Stelle bereits dargelegten Abgaben von Panzern, Kampflugzeugen und Bewaffnung an Syrien unmittelbar nach Ende des Yom- Kippur-Krieges 1973. Dass die DDR zwölf Abfangjäger des Typs MiG-21, der 62 Panzer T-54 A und umfangreiche Munition nicht ohne Beteiligung und Zustimmung der sowjetischen Partei- und Militärführung liefern konnte, liegt auf der Hand. Ein Beleg für Absprachen findet sich im Schreiben des Verteidigungsministeriums an den stellvertretenden Ministerpräsidenten Weiss vom November 1973. »Wie Ihnen bereits bekannt«, hieß es hier, sei die »Hilfslieferung von militärischer Technik« an Syrien im Oktober des Jahres »in Abstimmung mit der Sowjetarmee« erfolgt.43 Hinweise auf Absprachen zwischen dem ostdeutschen Verteidigungsministerium und dem sowjetischem Generalstab finden sich bereits in der Meldung Armeegeneal Hoffmanns an Honecker vom 13. Oktober 1973. Der Verteidigungsminister in- formierte über »Konsultationen« mit dem Chef des Generalstabs der Streitkräfte der UdSSR über Hilfen für Syrien und, wie zunächst geplant, für Ägypten. Abge­ ­

41 Ausführlich dazu: Storkmann, Geheime Solidarität (wie Anm. 6). 42 MfNV, Hauptinspekteur an Chef des Hauptstabes, 20.3.1990, BArch, AZN 32 325. 43 MfNV, Generaloberst Fleißner, an Stv. Vorsitzenden Ministerrat Gerhard Weiss, 26.11.1973, BArch, DC 20/13070, Bl. 225 f. 140 Klaus Storkmann sprochen wurden demnach Details des Seetransports von Rostock nach Alexandria und Latakia sowie die Umstellung des Freund/Feind-Erkennungssystems der Fla-Ra­ ke­ten­komplexe »Dvina« durch sowjetische »Spezialisten«. Aufschlussreich ist auch Hoffmanns Meldung an Honecker, er sei »darüber informiert [worden], dass für die Kampftechnik keine Besatzungen beziehungsweise Bedienungen [der NVA] bereit­ gestellt werden sollen«. Die DDR-Streitkräfte sollten stattdessen »nur das Begleit­ personal« für die Transporte stellen.44 Die Meldung lässt erkennen, dass der sowjetische Generalstab 1973 den mögli- chen Syrien-Einsatz von DDR-Soldaten als Besatzungen der Panzer und Flugzeuge sowie als Bediener der Fla-Rak-Batterien abgelehnt hatte. Zugleich forderte die so- wjetische Militärführung Begleitpersonal der NVA für die Übergabe der Panzer und Flugzeuge an Syrien an. Die Überführung der MiG durch NVA-Piloten nach Aleppo ging demnach auf eine sowjetische Weisung zurück. Die Meldung lässt nicht er- kennen, ob der Einsatz von NVA-Personal als Besatzungen und Bediener vonseiten des ostdeutschen oder des sowjetischen Militärs gedacht oder geplant gewesen war. Ohne Absprachen mit Moskau hätte sich die DDR kaum auf eine so brisante Aktion eingelassen. Deutliche Hinweise auf eine in der WVO koordinierte Aktion unter so- wjetischer Führung bietet auch die auf dem Budapester Flughafen versammelte »rie- sige Anzahl von Militärflugzeugen« aus anderen Warschauer Vertragsstaaten.45 Die Beteiligung der Sowjetunion an der Entscheidung über die Syrienhilfe im Oktober 1973 bedarf noch weiterer Forschungen. Von Interesse wäre auch, ob, wo und wann entschieden wurde, sämtliches zunächst für Syrien und Ägypten vorgesehenes NVA- Material ausschließlich nach Syrien zu liefern. Im Schriftwechsel zwischen dem MfNV der DDR und dem sowjetischen Generalstab sowie dem Oberkommando der Vereinten Streitkräfte (VSK) der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages des Jahres 1973 finden sich keinerlei Hinweise auf die Ägypten- und Syrien-Hilfen im Oktober 1973.46 Wegen der Dringlichkeit der Lieferungen ist nicht anzuneh- men, dass die Anordnungen auf dem militärischen Dienstweg von Moskau an Strausberg gingen. Hoffmanns Meldung an Honecker vom 13. Oktober 1973 nahm nicht klar auf einen expliziten Auftrag Honeckers Bezug. Statt der üblichen Formel »Entsprechend Deiner Weisung [...]« begann sein Schreiben mit der eher unge- wöhnlichen Formulierung »Entsprechend der mir übertragenen Aufgaben [...]«.47 Diese »Aufgaben« könnten auch aus Moskau gekommen sein. Eine Beteiligung oder Initiative der sowjetischen Führung könnte es auch auf der Ebene der politischen Spitze der DDR gegeben haben. Es ist aber unwahrscheinlich, dass Honecker nach

44 Verteidigungsminister Hoffmann an Honecker, 13.10.1973, mit Vermerk »EH. Einverstanden, 14.10.83«, BARCH, DVW 1/114483, Bl. 169‑172. 45 Dietbert Lang und Materna Horst, Der Flugplatz Neuhardenberg – Marxwalde – Neuhardenberg. Vom geheimen Einsatzhafen des Dritten Reiches zum Regierungsflughafen der DDR, Berlin 2004, S. 45 und S. 50. Meining erwähnt zwar die Umstände des Transports, die anderen Maschinen in Budapest und sogar – vermutlich – sowjetische Piloten in syrischen Uniformen, den Schluss einer sowjetischen Initiative oder Koordination der Aktion zieht er aber nicht. Vgl. Meining, Geheim­ operation Aleppo (wie Anm. 40). 46 BArch, AZN 28054 und AZN 28056. 47 BArch, DVW 1/114483, Bl. 169‑172. Die DDR als Akteur im »Globalen Kalten Krieg«? 141

Eingang der dringenden und politisch brisanten Bitte Assads um Waffen nicht bei der Führung in Moskau nachgefragt hat. Die Entscheidungen für oder gegen Militärhilfen nur unter DDR-eigenen oder DDR-internen Gesichtspunkten zu bewerten würde die historischen Zusammen­ hänge des Kalten Krieges verkennen. Von besonderem Forschungsinteresse ist da- her die Frage nach dem nationalen Handlungsspielraum der DDR. Grundsätzlich stimmte die DDR ihre Aktivitäten mit der Blockführungsmacht ab. Die Bitten des DDR-Ver­teidigungsministeriums um »Meinungsäußerung« des sowjetischen Generalstabs waren eine Form der höflichen Untertreibung. Die erbetenen Stellung­ nahmen der sowjetischen Militärführung waren für die NVA-Spitze nicht nur »von großem Nutzen«, wie es hieß, sondern entscheidend für ihr Handeln. Dies galt für die Militärhilfen ebenso wie für nahezu alle Felder der Außen- und Sicherheitspolitik der DDR. Erst in den späten 1980er Jahren wurde die Distanz der Führung in Ost- Berlin zu Moskau größer, das unter Generalsekretär Gorbačev einen neuen Kurs eingeschlagen hatte. Nicht in jedem Fall ist eine solche Abstimmung durch archivierten Schriftverkehr nachweisbar. Dennoch sollte Beachtung finden, was Verteidigungsminister Hoffmann­ 1978 gegenüber seinem sowjetischen Amtskollegen erklärte und was der als Zeitz­ euge befragte langjährige Chef des Hauptstabs, Generaloberst Fritz Streletz, ausdrück­ lich bestätigte: »Vonseiten des MfNV der DDR wurden bisher alle Lieferungen und Leistungen zur militärischen Unterstützung von Entwicklungsländern mit dem General­stab der UdSSR koordiniert.«48 Der vom Verfasser befragte Streletz unterstrich, bei Militärkontakten und Mili­ tär­hilfen habe es keinen Alleingang der DDR gegeben, alle Maßnahmen seien mit der Sowjet­union abgestimmt worden. Konkret sei die Abstimmung mit dem sowjeti- schen Verteidigungsministerium durch den Schriftwechsel des Chefs des Hauptstabs mit dem sowjetischen Generalstabschef erfolgt. Die Abstimmungsergebnisse seien dann den Ministern zur Entscheidung vorgelegt worden. Streletz gab auch Auskunft über die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen sowjetischem Generalstab und dem Stab der Vereinten Streitkräfte. Der Oberkommandierende der VSK sei für alle Fragen der Ausbildung und des Grundbetriebs im Frieden verantwortlich gewesen. Für operative Fragen und für die Verteidigungsplanung sei dagegen nur der sowje- tische Generalstab zuständig gewesen, da er der Stab des Obersten Befehlshabers des Warschauer Vertrages, des Generalsekretärs der KPdSU, war. Militärbeziehungen und Militärhilfen für Staaten der Dritten Welt waren von außenpolitischem und glo- bal-strategischem Interesse, daher habe sich der sowjetische Generalstab diese Fragen nicht aus der Hand nehmen lassen, teilte Streletz mit. Nach seiner Einschätzung besaß die DDR einen Spielraum bei der Durchführung der Militärhilfen, nach- dem die Sowjetunion im Grundsatz zugestimmt hatte: Das »Ob« der Militärhilfen habe Moskau entschieden, das »Wie« sei der DDR oder den anderen WVO-Staaten überlassen worden. Nach Streletz’ Erinnerungen stimmte sich die DDR mit der Sowjetunion, nicht jedoch mit den anderen Staaten des Warschauer Vertrages ab.

48 MfNV, Hoffmann, an MfV UdSSR, Ustinov, 21.2.1978, BArch, AZN 30552, Bl. 14 f. 142 Klaus Storkmann

Zugleich unterstrich Streletz, dass nicht nur die DDR, sondern auch die anderen WVO-Staaten ihre Militärbeziehungen und Militärhilfen für die Dritte Welt mit der Sowjetunion geklärt hätten. Es habe aber keinen »Masterplan« der Militärhilfen für die Dritte Welt gegeben und kein Muster, nach dem die Sowjetunion bestimm- te Aufgaben an die Warschauer Vertragsstaaten verteilt habe. Stattdessen seien je- weils Einzelentscheidungen durch Abstimmung mit der Sowjetunion getroffen wor- den.49 Die Vorstellung, dass jeder Ostblockstaat ein Land der »Dritten Welt« nach einem »Verteilungsschema Moskaus« zu unterstützen hatte,50 lässt sich bislang durch Quellen nicht bestätigen und erscheint eher unwahrscheinlich. Am Rande der regulären Sitzungen des Komitees der Verteidigungsminister tra- fen sich sowjetische und DDR-Militärs regelmäßig zu bilateralen Konsultationen.51 In Dezember 1979 kamen auch die Militärhilfen der NVA für die »Dritte Welt« zur Sprache. Hoffmann führte einleitend aus, dass die Zusammenarbeit der NVA mit Entwicklungsländern auf »Weisung der Partei- und Staatsführung der DDR« erweitert worden sei; dabei stimme sich die DDR-Armee stets mit dem sowjetischen Generalstab ab. Hoffmann dankte Generalstabschef Nikolaj Ogarkov ausdrücklich für die »ständige Unterstützung und das entgegengebrachte Verständnis für unsere Probleme«. Hoffmanns Dank an Ogarkov bestätigte, dass die Abstimmungsprozesse hauptsächlich zwischen dem Chef des Hauptstabs der NVA und dem sowjetischen Generalstabschef liefen. Die Anfragen auf Ministerebene konzentrierten sich auf militärpolitisch brisante Fragen und persönliche Berichte des Ministers. Konkret bat Hoffmann den sowjetischen Verteidigungsminister Dimitrij Ustinov 1979 um Zustimmung zur Ausbildung von mosambikanischen Offizieren und Unteroffizieren sowie zur Ausbildung von libyschen Kampfschwimmern in der Volksmarine.52 Die Praxis, sich in Moskau rückzuversichern, wurde in den 1980er Jahren bei- behalten. Der möglichen Zusammenarbeit der NVA mit der iranischen Armee er- teilte Ustinov 1982 eine klare Absage: »Die iranische Führung bezieht eine äußerst negative Einstellung zu den Hilfsmaßnahmen der UdSSR in Afghanistan und nutzt dafür weitestgehend den islamischen Glauben aus. Aus Sicht der Sowjetunion wäre es zweckmäßig, keine Aktivierung der Zusammenarbeit mit der iranisch-islamischen Armee gegenwärtig vorzunehmen.«53

49 Zeitzeugengespräch Generaloberst (NVA) a.D. Fritz Streletz, Strausberg, 12.3.2009. 50 So beispielsweise in: Roman Smolorz, Tagungsbericht: Ostmitteleuropa im Kalten Krieg 1945- 1989, Warschau, 16.10.‑18.10.2008, , letzter Aufruf 25.10.2019. 51 Fritz Streletz, Der Nationale Verteidigungsrat der DDR und das Vereinte Kommando des War­ schauer Vertrages. In: Rührt euch! Zur Geschichte der Nationalen Volksarmee der DDR. Hrsg. von Wolfgang Wünsche, Berlin 1998, S. 130‑173, hier S. 154. 52 Mögliche Probleme für die Beratung des MfNV der DDR mit dem MfV der UdSSR, Warschau, Dezember 1979. Bl. 522 f.: Beitrag für das Gespräch MfNV mit MfV UdSSR, vermutlich erstellt vom Chef des Hauptstabs, BArch, DVW 1/71036, Bl. 351‑371. 53 Aktennotiz Gespräch Hoffmann – Ustinov, undatiert, Abzeichnungsvermerk Honecker 7.4.1982, SAPMO-BArch, DY 30/5223, Bl. 19‑28. Die DDR als Akteur im »Globalen Kalten Krieg«? 143

»Gegenseitiges Ausspielen verhindern«: Koordinierungsbedarf in der WVO

Bereits in den 1960er Jahren wurden Dissonanzen zwischen den Ostblockstaaten in Fragen der Militärhilfen aktenkundig. Waffenlieferungen waren besonders um- stritten. 1965 beklagte sich der rumänische Botschafter in Burma (Myanmar) bei seinem sowjetischen Amtskollegen, dass die DDR und die ČSSR die Absicht hätten, Waffen in den südostasiatischen Staat zu liefern. Burma nutze diese Waffen, um ge- gen Kommunisten vorzugehen. Es wäre daher notwendig, »dass solche Einzelheiten vorher mit den anderen sozialistischen Staaten abgesprochen werden«, mahnte Rumänien.54 Nach seinen Verhandlungen in Tripolis berichtete Generalleutnant Helmut Borufka 1978, zwischen den sozialistischen Staaten seien für Ausbildungsleistungen keine einheitlichen Preise festgelegt worden. Vielmehr herrschte eine Art Preiskampf: Borufka monierte, Bulgarien lasse »bedeutende Preisnachlässe«55 zu. Die mangelhaf- ten Abstimmungsprozesse innerhalb der WVO wussten auch die Regierungen der Dritten Welt für ihre Zwecke zu nutzen. Im Mai 1981 besuchte eine Delegation des iranischen Verteidigungsministeriums die DDR. Im Verteidigungskrieg gegen den Irak suchte das Regime in Teheran hän- deringend Waffen aller Art zu bekommen. Nach internen Informationen des Chef- Devisen­beschaffers der DDR,Alexander Schalck-Golodkowski, verhandelten die iranischen Militärs nicht nur mit der DDR, sondern auch mit der ČSSR, Ungarn, Rumänien, Syrien und Nordkorea.56 Die sowjetische Führung drang auf eine Entscheidung. Auf der 11. Tagung des Komitees der Verteidigungsminister57 im Dezember 1978 in Ost-Berlin brachte der Stellvertretende sowjetische Verteidigungsminister Generaloberst Sotov den Entwurf der neuen Grundsätze ein und trug zur Begründung der Vorlage vor. Nach Schil­ der­ung der Weltlage und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit, nach den Prinzipien und Pflichten des »proletarischen Internationalismus« den befreundeten Entwicklungsländern allseitige Unterstützung zu erweisen, wurde Sotov konkret. Bislang hätten vor allem Äthiopien, Vietnam, Angola Afghanistan, Südjemen, Syrien, Irak, Libyen und Algerien militärische Hilfe erhalten. Einige Länder seien bestrebt, gleichzeitig mit mehreren sozialistischen Staaten Verhandlungen über Militärhilfen zu führen. Dadurch versuchten sie, Preisnachlässe für Bewaffnung und Technik zu erzielen. In einigen Fällen wären Spezialisten aus Armeen anderer sozialistischer

54 Generalkonsulat der DDR in Burma, Vermerk, 19.8.1965, Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA), MfAA/C 127/73, Bl. 18. 55 MfNV, Hoffmann, an Honecker, 13.4.1978, BArch, AZN 32637, Bl. 120‑123. 56 Alexander Schalck-Golodkowski an Günter Mittag, 12.5.1981, SAPMO-BArch, DY 30/3177, Bl. 71‑74. 57 Dem 1969 gebildeten Komitee der Verteidigungsminister kam nach Einschätzung von Fritz Streletz eine herausragende Rolle bei der Entscheidungsfindung innerhalb der WVO zu. Es tagte mindestens einmal jährlich. Außer den Verteidigungsministern gehörten ihm auch der Oberkommandierende und der Chef des Stabes der Vereinten Streitkräfte der WVO an. Den Vorsitz hatte nicht der sow- jetische Vertreter, sondern der gastgebende Minister. Vgl. Streletz, Nationaler Verteidigungsrat der DDR (wie Anm. 51), S. 154. 144 Klaus Storkmann

Staaten gerufen worden, um Schäden an Militärtechnik aus anderen Ostblockstaaten zu beheben. Dies habe zum »Entstehen von Misstrauen« und zu einer »ungesun- den« Konkurrenz zwischen den sozialistischen Staaten geführt. Im Gegenzug wür- den einige WVO-Staaten versuchen, ihren Export von Bewaffnung und Technik an Drittstaaten aus Lieferungen innerhalb der WVO abzuzweigen und zu steigern, ohne den Ausrüstungsstand der eigenen Streitkräfte zu gewährleisten. Zudem gebe es Fälle, in denen Militärtechnik ohne Zustimmung des Herstellerlandes an Dritte wei- tergegeben worden sei. Außerdem seien die Grundsätze der Geheimhaltung mehr- fach verletzt, vertrauliche Daten weitergegeben und unbefugten Personen Zugang zur Technik ermöglicht worden. Als konkrete Beispiele nannte Sotov wiederholt Libyen, vereinzelt Irak, Syrien und den Iran. Der sowjetische General vermied es, die verantwortlichen Ostblockstaaten, zumindest im Plenum, beim Namen zu nen- nen. Insgesamt würde der gegenwärtige Zustand der »Einheit und Geschlossenheit der Länder der sozialistischen Gemeinschaft Schaden zufügen«. Die Hauptursache sah er in der ungenügenden Abstimmung innerhalb des Warschauer Vertrages. Daher sei die Festlegung von Grundsätzen unerlässlich. Sotov verwies ausdrück- lich auf entsprechende Vorschläge des ungarischen Verteidigungsministers und des DDR-Ministers.58 Im Oktober 1979 wurde das Thema nochmals auf der Arbeitstagung der General­ stabschefs der WVO in Moskau beraten.59 Den Informationen aus Strausberg zufol- ge gab es während des Abstimmungsprozesses der WVO-Staaten »einige Einwände« von rumänischer Seite.60 In leichter Abänderung des Entwurfs wurde im später beschlossenen Papier »in erster Linie [der] volle[n] Abdeckung des abgestimmten Bedarfs« der Bündnisstreitkräfte Priorität eingeräumt. Die im Entwurf angestreb- ten »Konsultationen« wurden zu einem »systematischen Informationsaustausch und Konsultationen« aufgewertet.61 Auf der 12. Tagung des Komitees der Verteidigungsminister im Dezember 1979 in Warschau endete der langwierige und stark formalisierte Entscheidungs- und Abstimmungsprozess. Die Grundsätze wurden auf höchster militärischer Ebene be- schlossen.62 In der Pressemitteilung fand die Zusammenarbeit mit Ent­wick­lungs­ ländern indes keine Erwähnung.63 Unberücksichtigt blieben die rumänischen

58 Protokoll der 11. Sitzung des Komitees der Verteidigungsminister der Teilnehmerstaaten des War­schauer Vertrages, 4.12. 7.12.1978, Ost-Berlin, TOP 4, hier Bl. 318‑357: Rede und Thesen Generaloberst­ Sotov, BArch, DVW 1/71035. 59 MfNV, Streletz, Aktennotiz, 27.11.1979, BArch, DVW 1/71036, hier Bl. 439 f.; Ober­kom­man­ dierender Veinigte Streitkräfte der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages, Kulikov, an MfNV, Hoffmann, 5.11.1979, BArch, DVW 1/71036, hier Bl. 466. 60 »Es ist zu erwarten, dass auch auf der Sitzung [in Warschau] wiederum Vorbehalte geäußert wer- den«, MfNV, Hoffmann, an Honecker, 15.11.1979, BArch, DVW 1/71036, Bl. 449 459. 61 ‑ Entwurf Grundsätze, BStU, MfS, AGM 580, Bl. 1‑12: Grundsätze der Koordinierung der Hand­ lungen der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages bei der Verwirklichung der militärtechni- schen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern vom 11.4.1980, BArch, DVW 1/71035, hier Bl. 359‑377. 62 Protokoll der 12. Sitzung des Komitees der Verteidigungsminister der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages, 2.12.‑6.12.1979, Warschau, TOP 5, BArch, DVW 1/71036 und 1/71037. 63 Dokumente zur Außenpolitik der Deutschen Demokratischen Republik. Hrsg. vom Institut für Inter­nationale Beziehungen an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften der DDR, Die DDR als Akteur im »Globalen Kalten Krieg«? 145

Einwände, auf die Berücksichtigung der militärpolitischen Lage und Konsultationen in den jeweiligen Entwicklungsländern zu verzichten sowie das Papier nicht »Grundsätze« sondern »Hinweisende Empfehlungen« zu nennen.64 Im Komitee der Verteidigungsminister hatte jedes Mitglied das gleiche Stimmrecht. Es gab Einzelfälle, in denen der rumänische Vertreter einem Beschluss seine Zustimmung­ verweiger- te. Das beeinträchtigte aber nicht die Verbindlichkeit für die anderen Warschauer Ver­trags­staaten.65 Nunmehr bedurfte es noch der formellen Zustimmung der Re­ gierungs­chefs. Am Ende der sich über gut zwei Jahre hinstreckenden Absprachen, Ab­stimmungen, Vorlagen und Beschlüsse standen die am 11. April 1980 erlassenen und sofort in Kraft gesetzten »Grundsätze der Koordinierung der Handlungen der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages bei der Verwirklichung der militärtech- nischen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern«.66

Fazit

Das Ergebnis lässt sich in vier Thesen zusammenfassen. Erstens stand die DDR-Füh­ rung Bitten und Anfragen um Entsendung von militärischem Personal nach Afrika und den Nahen Osten grundsätzlich reserviert und skeptisch gegenüber. Partei- und Militärführung agierten vorsichtig: Auslandseinsätze stellten ein unkalkulierbares Risiko für die DDR und ihre Streitkräfte dar, das sie, von kleineren Ausnahmen abgesehen, nicht eingingen. Zweitens lässt sich festhalten, dass die NVA stattdessen Ausbildungsleistungen in der DDR anbot. Die militärischen Auslandsbeziehungen der DDR waren, drittens, eng mit Moskau abgestimmt. Viertens: Die DDR und ihr Militär waren global betrachtet im Vergleich zu den Aktivitäten anderer Staaten ein kleiner Akteur. Gemessen an ihrer wirtschaftlichen Schwäche engagierte sich die DDR aber erstaunlich stark im globalen Süden, zudem meist »solidarisch«, das hieß auf eigene Kosten. Die überlieferten Akten zeigen Differenzen und Spannungen zwischen den einzelnen Blockmitgliedern, vor allem mit der Blockführungsmacht. Die Regierungen in Budapest, Bukarest oder Prag vertraten durchaus ihre eigenen Interessen. Die Differenzen in Fragen der Militärkontakte zur Dritten Welt zeigen wiederum, dass die Warschauer Vertragsorganisation kein monolithischer Block war. Die ostdeutsche Außenpolitik bewegte sich im Spannungsfeld des Ost-West-

Potsdam-Babelsberg, in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, hier Jahresband 1979 (Bd 27), Berlin 1984, S. 170. 64 MfNV, Hoffmann: Bericht über die wichtigsten Ergebnisse der 12. Sitzung des Komitees der Ver­ tei­digungsminister 3.12.‑6.12.1979, mit Vermerk »Umlauf Politbüro. EH. [Erich Honecker] 9.12.79«, BArch, AZN 32639, Bl. 148‑154, hier Bl. 152. 65 Reinhard Brühl, Im Gefolge Moskaus? Sowjetischer Einfluss und Eigenständigkeit in der Militär­ politik der SED. In: Im Gleichschritt? Zur Geschichte der NVA. Hrsg. von Walter Jablonsky und Wolfgang Wünsche, Berlin 2001, S. 11‑67, hier S. 36. 66 Oberkommandierender Veinigte Streitkräfte der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages, Mar­ schall Kulikov, an MfNV, Hoffmann, 8.5.1980, BStU, MfS, AGM 580, Bl. 1‑12; Grundsätze der Koordinierung der Handlungen der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages bei der Ver­wirk­ lichung der militärtechnischen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern vom 11.4.1980, für die DDR in Vertretung Stophs durch Werner Krolikowski unterzeichnet, BArch, AZN 30557, Bl. 106 f. 146 Klaus Storkmann

Konflikts und war fest angebunden an die Politik der östlichen Supermacht. Nur im Rahmen dieses politischen Bedingungsgefüges lassen sich daher auch die militäri- schen Beziehungen der DDR zu verschiedenen Entwicklungsländern in Afrika und im Nahen Osten erklären. Wie in dieser Studie nur angerissen werden konnte, war die DDR nicht das einzige Land, das weltweit militärisch aktiv war. Folglich bedarf eine angemesse- ne Bewertung des ostdeutschen Engagements zwingend der Vergleiche mit den Aktivitäten anderer Staaten in beiden Blöcken, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreichs, Groß­britanniens, Italiens, Polens, der ČSSR, Ungarns und nicht zuletzt Rumäniens. Dokumententeil

Bilder 149

Abb. 1: Unterzeichnung der ge- meinsamen Erklärung und des Abkommens zwischen Rumänien und der DDR, 22. September 1950; in der 2. Reihe (2. v.l.) der Generalsekretär des ZK der SED Walter Ulbricht Online-Fotobibliothek des rumänischen Kommunismus, GA086

Abb. 2: Besuch der rumänischen politischen Führung in der DDR vom 24. bis 29. April 1957; in der Mitte Gheorghe Gheorghiu-Dej, Generalsekretär der Rumänischen Arbeiterpartei, erster von links Nicolae Ceauşescu Online-Fotobibliothek des rumänischen Kommunismus, E202

Abb. 3: Ion Gheorghe Maurer, Präsident des Ministerrates Rumäniens, zusammen mit Kurt Schmücker, dem westdeutschen Bundesminister für Wirtschaft (links), 1966 Online-Fotobibliothek des rumänischen Kommunismus, A362.

Abb. 4: Besuch des rumänischen Außenministers Corneliu Mănescu (Mitte) in der Bundesrepublik Deutschland vom 30. Januar bis 3. Februar 1967 Online-Fotobibliothek des rumänischen Kommunismus, CA049 150 Bilder

Abb. 5: Treffen zwischen Honecker und Ceauşescu in Bukarest, 4. bis 6. Februar 1967 Online-Fotobibliothek des rumänischen Kommunismus, LA397

Abb. 6: Manöver »Waffenbrüderschaft 70« – Armeegeneral Heinz Hoffmann, Marschall Ivan I. Jakubovskij und Armeegeneral Sergej M. Štemenko während des Besuchs in Lieberose, 10. Oktober 1970. Rechts im Bild Generalmajor Paul R. Cheler, Kommandeur der 6. Pan­ zerdivision der Rumänischen Volksarmee BArch, Bild 183-J1011-0002-001 Bilder 151

Abb. 7: Besuch von Bundeskanzler Helmut Schmidt in Bukarest. Feierliche Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung, 7. Januar 1978 Online-Fotobibliothek des rumänischen Kommunismus, BA245

Abb. 8: Titelbild des »Spiegel« vom 3. März 1980 Spiegel-Archiv

Textdokumente

1. Aktenvermerk des Militärattachés der DDR in Rumänien über ein Ge­spräch mit der rumänischen Militärdelegation, die am Herbst-­ manöver »Ok­to­ber­sturm« in der DDR teilgenommen hat, 1.11.1965 �������� 155

2. Verteidigungsminister Armeegeneral Heinz Hoffmann an Erich Honecker bezüglich der Unterstützung der Revolutionären Streitkräfte Kubas durch die DDR, 10.11.1966 ����������������������������������������������������������� 161

3. Vorlage des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der DDR für das Politbüro des ZK der SED vom 2.1.1967 über die Lieferung nichtziviler Güter an nationale Befreiungsbewegungen in Afrika (Auswahl)...... 163

4. MfNV, Generalmajor Werner Fleißner, an den Stellvertretenden Vor­sitzen­den des Ministerrates der DDR, Gerhard Weiss, 14.6.1967, nebst Anlagen (Listen über die Lieferung von Waffen und Gerät an die Vereinigte Arabische Republik und an die Syrische Arabische Republik)..... 165

5. Walter Ulbricht an den Generalsekretär des ZK der KPdSU Leonid Breznev vom 27.10.1967 (dt. und russ. Fassung) bezüglich der Unterstützung der Arabischen Sozialistischen Union ������������ 168

6. Anträge und Genehmigungen für das Durchqueren des Territoriums Rumäniens 1969‑1989 (Auswahl, rum. Original und dt. Übersetzung) ���������������������������������������������������������������������������������������� 174

7. Richtlinie betreffend die Ergebnisse der Einsatz- und Kampfausbildung der Vereinten Streitkräfte der Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes für die Winterperiode und die Aufgaben für die Ausbildung in der Sommerperiode­ des Jahres 1969 (rum. Original und dt. Übersetzung) ������� 188

8. Bericht des Ersten Stellvertretenden Verteidigungsministers und Generalstabs­ ­chefs betreffend die Gespräche zwischen der Delegation des rumänischen Verteidigungsministeriums und der Führung der Vereinten Streitkräfte über die gemeinsame taktisch-operative Truppenübung im Oktober 1969 auf dem Territorium Rumäniens (rum. Original und dt. Übersetzung) ��������������������������������������������������������� 205 154 Textdokumente

9. Bericht des Verteidigungsministers Rumäniens betreffend die Gespräche zwischen der Delegation der rumänischen Streitkräfte und der Führung der Vereinten Streitkräfte über das Konzept der gemeinsamen Übung im Oktober 1970 auf dem Territorium Rumäniens (rum. Original und dt. Übersetzung) ��������������������������������������� 212

10. Programmentwurf zum Besuch der DDR-Militärdelegation in Rumänien am 17./18.4.1972 (rum. Original und dt. Übersetzung) ����������� 222

11. Brief von Walter Ulbricht an Nicolae Ceauşescu mit der Bitte um einen Kuraufenthalt am Ana-Aslan-Institut, 18.1.1973 ������������������������������ 224

12. Beziehungen DDR – Rumänien wurden weiter gefestigt. Politisches Exe­kutiv­ ­komitee des ZK der RKP zum Freundschaftsbesuch Erich Honeckers, Neues Deutschland, 11.7.1980 ������������������������������������������������ 225

13. Information des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, Haupt- ­ab­tei­lung I (NVA und Grenztruppen), zur Sozialistischen Republik Rumänien, 5.1.1984 ���������������������������������������������������������������������������������� 228

14. Bitte des rumänischen Militärattachés in der DDR an den Chef Verwal­tung Internationale Verbindungen des MfNV um eine Konsultation bezüglich Erholungsheimen für NVA-Kader, 14.2.1985 ������� 230

15. Abkommen zwischen der DDR und dem Exekutivkomitee der Palästi­nensi­ ­schen Befreiungsorganisation über die Ausbildung von Militärkadern der Streitkräfte der Palästinensischen Revolution in der DDR, 30.8.1985 ���������������������������������������������������������������������������������� 231

16. Aktennotiz über den Vortrag des rumänischen Militärattachés in der DDR im Politorgan des Hauptstabes des MfNV anlässlich des rumänischen Nationalfeiertages, 17.8.1989 ������������������������������������������ 235 Dokument 1 155

Sălăjan, Leontin Gheorghe, Ion Nicolescu, Marin Crişan, Nicolae Maršenko, E. (Generalleutnant, SU) Zander (Oberstleutnant, NVA) Ulbricht, Walter Hoffmann, Heinz

Quelle: BArch, MA DVW 1/114472, Bl. 222‑227. 156 Dokument 1

Hoffmann, Heinz Sălăjan, Leontin Maršenko, E. Ulbricht, Walter Dokument 1 157

Sălăjan, Leontin Hoffmann, Heinz Stalin, Iosef V. Gretčko, Andrej A. Maršenko, E. 158 Dokument 1

Gheorghe, Ion Maršenko, E. Castro, Raoul Sălăjan, Leontin Dokument 1 159

Gretčko, Andrej A. Sălăjan, Leontin 160 Dokument 1

Sălăjan, Leontin Crişan, Nicolae Maršenko, E. Zander (Oberstleutnant, NVA) Dokument 2 161

Honecker, Erich Hoffmann, Heinz

Quelle: BArch, MA VA-01/19230, Bl. 508 f. 162 Dokument 2

Hoffmann, Heinz Dokument 3 163

Dickel, Friedrich Hoffmann, Heinz Mielke, Erich Winzer, Otto

Quelle: BArch, SAPMO DY 30/43059. 164 Dokument 3 Dokument 4 165

Weiß, Gerhard Fleißner, Werner

Quelle: BArch, DC 20/13002. 166 Dokument 4 Dokument 4 167 168 Dokument 5 (dt. Fassung)

Brežnev, Leonid I.

Quelle: BArch, SAPMO DY 30/3666, Bl. 118‑124. Dokument 5 (dt. Fassung) 169

Fawzi, Mohammed 170 Dokument 5 (dt. Fassung)

Ulbricht, Walter Dokument 5 (russ. Übersetzung) 171

172 Dokument 5 (russ. Übersetzung) Dokument 5 (russ. Übersetzung) 173 174 Dokument 6 (rum. Original) Dokument 6 (rum. Original) 175 Dokument 6 (rum. Original) 176 177 Dokument 6 (rum. Original) 178 Dokument 6 (rum. Original) Dokument 6 (rum. Original) 179 180 Dokument 6 (rum. Original) Dokument 6 (dt. Übersetzung) 181

Anträge und Genehmigungen für das Durchqueren des Territoriums Rumä­niens 1969‑1989 (Auswahl)

Offizielle Nr. 155 Geheim Datum: 16.4.1969 (nach Fertigstellung)

[hs. Vermerk unleserlich]

[Eingangsstempel] Eingang Nr. C.U. 071 19. April 1969 Telegramm1

An den ersten Stellvertretenden Verteidigungsminister und Generalstabschef Genosse Generaloberst Ion Gheorghe

Sehr geehrter Genosse General, hinsichtlich der Teilnahme an der Übung auf dem Territorium der UdSSR, welche vom 10. bis 20. Mai d.J. stattfinden wird, ist es notwendig, dass 3 Staffeln mit insge- samt 420 Mann die Sozialistische Republik Rumänien durchqueren, wie folgt: – am 4./5. Mai d.J. Staffel Nr. 35108 – am 5./6. Mai d.J. Staffel Nr. 35109 – am 5./6. Mai d.J. Staffel Nr. 35010 Dieselben Staffeln werden im Zeitraum vom 22. bis 30. Mai d.J. unter der Nr. 35111, 35112 und 35113 zurückkehren. Bitte geben Sie die Erlaubnis, damit die oben ge- nannten Staffeln die Sozialistische Republik Rumänien durchqueren können.

Hochachtungsvoll Erster Stellvertreter des Verteidigungsministers, Generalstabschef der Bulgarischen Volksarmee Generaloberst Smerdjiev

Registrierungs-Nr. 196 Zur Kenntnis genommen Erhalten am 17.4.69/8.00 Uhr [Unterschrift unleserlich]

Mr. Erscoi Vladimir [zahlreiche hs. Anm., unleserlich]

1 Das Telegramm liegt gleichlautend auf Russisch vor. Quelle: Rumänisches Nationalarchiv (ANR), Fonds Politisches Exekutivkomitee des ZK der RKP, Abteilung Kanzlei, Akte 1/1974; Politisch-administrative Abteilung, Akte Nr. 2/1976 und Nr. 8/1989; Fonds Warschauer Pakt (Verteidigungsministerium), Akte Nr. 29/1969. 182 Dokument 6 (dt. Übersetzung)

Sozialistische Republik Rumänien Geheim [Landeswappen] Exemplar Nr. 1 [Rest hs., unleserlich]

Verteidigungsministerium Der Minister

Nr. M. 0790 vom 10.2.1977

An den Genossen

Nicolae Ceauşescu Generalsekretär der Rumänischen Kommunistischen Partei Präsident der Sozialistischen Republik Rumänien Durch ein Telegramm teilt der Generalstabschef der Vereinten Streitkräfte, Armee­ general A.I. Gribkov, mit, dass gemäß dem gemeinsamen Aktionsplan der Vereinten Streitkräfte für 1977, zwischen dem 26. Februar und 5. März d.J. auf dem Territorium der VR Bulgarien eine Kommando- und Generalstabsübung stattfinden wird. An der Übung wird seitens der sowjetischen Armee ein Divisionskommando mit Übertragungsmitteln aus der Militärregion Odessa teilnehmen, bestehend aus 160‑174 Personen und 50‑60 Fahrzeugen. Zu diesem Zweck möchten wir Sie bitten, den Durchmarsch zu ermöglichen und die Fortbewegung der Kolonne auf dem Territorium der SR Rumänien sowohl bei dem Hinzug als auch bei der Rückkehr sicherzustellen, auf der Route: Galați, Brăila, Bărăgan, Ţăndărei, Hîrşova, Constanța, Negru Vodă. Die Überquerung der Staatsgrenze zwischen der UdSSR und der SR Rumänien erfolgt am Grenzübergang Reni-Galați am 26.2.1977 von 16.00 bis 17.00 Uhr beim Hinzug und am 5.3.1977 von 18.00 bis 19.00 Uhr bei der Rückkehr; die Überquerung der Staatsgrenze zwischen der SR Rumänien und der VR Bulgarien erfolgt am Grenzübergang Negru Vodă am 27.2. diesen Jahres. Dokument 6 (dt. Übersetzung) 183

Nr. 039 vom 11.2.1977 503/11.2.1977

[Amtsstempel] [Amtsstempel] Archiv des Kanzlei des ZK der RKP Politischen Exekutivkomitees Nr. 0576/12.2.1977 des ZK der RKP Nr. 391/14.3.1977

[seitlich gez., unleserlich]

An den Genossen

Nicolae Ceauşescu Generalsekretär der Rumänischen Kommunistischen Partei Präsident der Sozialistischen Republik Rumänien Ich unterbreite die Vorschläge des Verteidigungsministers zur Genehmigung be­ treffend den Durchmarsch und die Sicherstellung der Fortbewegung einer sowjeti- schen Militärkolonne durch unser Land, welche vom 26. Februar bis 5. März d.J. an einer Kommando- und Generalstabsübung auf dem Territorium der VR Bulgarien stattfinden wird. Die Übung erfolgt im Rahmen des gemeinsamen Aktionsplans der Vereinten Streit­kräfte unter Beteiligung eines Divisionskommandos, bestehend aus 160‑174 Per­sonen und 50‑60 Fahrzeugen. gez. [unleserlich]

C.E. 3 Ex. 184 Dokument 6 (dt. Übersetzung)

Sozialistische Republik Rumänien Geheim [Landeswappen] Exemplar Nr. 1

Verteidigungsministerium Der Minister

Nr. M. 03839 vom 23.5.1989

An den Genossen

Nicolae Ceauşescu Generalsekretär der Rumänischen Kommunistischen Partei Präsident der Sozialistischen Republik Rumänien Der Generalstab der sowjetischen Streitkräfte bittet darum, dass 3 Einsatzgruppen der sowjetischen Armee unser Land durchqueren – eine Armeegruppe und 2 Di­vi­sio­ nen, die eine einzige Kolonne bilden, bestehend aus 83 Fahrzeugen und 240 Mann, welche an der Kommando- und Generalstabsübung auf dem Territorium der VR Bulgarien vom 4. bis 9. Juni 1989 teilnehmen werden. Der Durchmarsch erfolgt in den Nächten vom 2./3. Juni beim Hinzug und vom 10./11. Juni d.J. bei der Rückkehr auf der Route Galaţi, Brăila, Ţăndărei, Hîrşova, Medgidia, Negru Vodă. Ich melde Ihnen, dass gemäß Ihrer Genehmigung solche Durchquerungen unse- res Landes auch in den vorigen Jahren stattfanden. Wir schlagen vor und bitten Sie respektvoll, die Durchquerung der SR Rumänien durch die Einsatzgruppen der sowjetischen Armee zu genehmigen, wie am Datum und auf der Route auf der beiliegenden Karte vorgesehen. Das Verteidigungsministerium wird zusammen mit dem Innenministerium die notwendigen Maßnahmen ergreifen für die Fortbewegung der sowjetischen Mili­tär­ kolonne auf dem Territorium unseres Landes.

Verteidigungsminister Generaloberst Vasile Milea gez. [unleserlich]

[Amtsstempel] Sozialistische Republik Rumänien Verteidigungsministerium

[Landeswappen] Dokument 6 (dt. Übersetzung) 185 gez. [unleserlich] 1340/25.5.1989

[Amtsstempel] [Amtsstempel] Archiv des ZK der RKP Politischen Exekutivkomitees Nr. 01313/24.5.1989 des ZK der RKP Nr. 813/2.6.1989

An den Genossen

Nicolae Ceauşescu Generalsekretär der Rumänischen Kommunistischen Partei Präsident der Sozialistischen Republik Rumänien Ich unterbreite die Vorschläge des Verteidigungsministers zur Genehmigung betref- fend die Durchquerung unseres Landes durch 3 Einsatzgruppen der sowjetischen Armee in einer einzigen Kolonne, bestehend aus 83 Fahrzeugen und 240 Mann, welche an einer Übung auf dem Territorium der VR Bulgarien teilnehmen werden. Der Durchmarsch erfolgt in den Nächten vom 2./3. Juni beim Hinzug und 10./11. Juni d.J. bei der Rückkehr. gez. [unleserlich] 186 Dokument 6 (dt. Übersetzung)

I. Coman, V. Milea

H. 01383 Geheim 26. Mai 1989

Wir teilen Ihnen mit, dass der Vorschlag des Verteidigungsministers genehmigt wur- de, enthalten in dem Bericht M. 03839/1989, betreffend die Durchquerung der SR Rumänien in der ersten Hälfte des Monats Juni durch eine Kolonne von Fahrzeugen und Soldaten der sowjetischen Armee.

Kanzlei des ZK der RKP

89/01/3 Exemplare Dokument 6 (dt. Übersetzung) 187

[Karte]

Organisation der Durchquerung des Territoriums der Sozialistischen Republik Rumänien durch Einsatzgruppen der Sowjetischen Armee

Grenzübergang Galați Einreise am 2.6., 18.00 Uhr Ausreise am 11.6., 6.00 Uhr

Hanul Morilor 45’ Stationierung

Grenzübergang Negru Vodă Ausreise am 3.6. um 6.00 Uhr Einreise am 10.6. um 18.00 Uhr 188 Dokument 7 (rum. Original) Dokument 7 (rum. Original) 189 190 Dokument 7 (rum. Original) Dokument 7 (rum. Original) 191 192 Dokument 7 (rum. Original) Dokument 7 (rum. Original) 193 194 Dokument 7 (rum. Original) Dokument 7 (rum. Original) 195 196 Dokument 7 (rum. Original) Dokument 7 (rum. Original) 197 198 Dokument 7 (dt. Übersetzung)

Richtlinie betreffend die Ergebnisse der Einsatz- und Kampfausbildung der Vereinten Streitkräfte der Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes für die Winterperiode und die Aufgaben für die Ausbildung in der Sommerperiode des Jahres 1969

Anhang zur F.I.-Nr. 001628/1969 Streng geheim Exemplar Nr. 2

Anhang zur Nr. M. 007941 Anhang zur Nr. C.U. 00239 18.6.1969 18.9.1969

Nr. 0069/2 28. Mai 1969

Während der Winterperiode des Ausbildungsjahres 1969 wurden die Vorbereitungen für den Kampf und die Mobilisierung durch die Generalstäbe und Truppen fort- gesetzt. Diese waren dazu bestimmt, die Vereinten Streitkräfte zusammenzustellen, indem sie die Aufgaben der Zentralkomitees der kommunistischen (sozialistischen) und Arbeiterparteien und Regierungen sowie die Richtlinien des Oberkommandos der Vereinten Streitkräfte und die Befehle der Verteidigungsminister der Länder des Warschauer Paktes ausführten. In Übereinstimmung mit den Einsatzplänen betreffend die operative und Kampf­ ausbildung der Vereinten Streitkräfte der Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes unter der Führung des Vereinten Kommandos, der Verteidigungsminister, der (wich- tigsten) Generalstabschefs, der stellvertretenden Verteidigungsminister, wurden in der Winterperiode alle geplanten Aktivitäten durchgeführt: Manöver, Kriegsspiele, Einberufungen und Beratungen. All diese Aktivitäten fanden sowohl gemeinsam als auch separat nach den Plänen der Nationalen Kommandos statt.

– 2 –

Die wichtigsten davon, welche bis zum 25. Mai d.J. stattfanden, sind: Die technisch-operative Einberufung der Führungskräfte der Armeen der Länder des Warschauer Paktes, welche in der Deutschen Demokratischen Republik stattfand. Bei der Einberufung wurden die Hauptprobleme im Zusammenhang mit den mo- dernen Operationen auf den Schauplätzen der Kämpfe, den Militärdoktrinen der wichtigsten kapitalistischen Staaten und den Wegen, den psychologischen Krieg ge- gen die Länder der sozialistischen Gemeinschaft zu führen, untersucht. Außerdem wurden die Teilnehmer der Einberufung über die Organisation und Durchführung von taktischen Manövern und Schießübungen mit verschiedenen Waffentypen in-

Quelle: Rumänisches Nationalarchiv (ANR), Fonds Warschauer Pakt (Verteidigungs­ministerium), Akte Nr. 29/1969, Bl. 91‑100. Dokument 7 (dt. Übersetzung) 199 formiert. All dies ermöglichte es, den taktisch-operativen Horizont der Teilnehmer des Treffens zu erweitern und die Methodik zur Vorbereitung der Generalstäbe und der Truppen zu verbessern.

Das operative Kriegsspiel auf der Karte in Richtung Südwest mit der Teilnahme der operativen Generalstäbe der Volksrepublik Bulgarien, der Streitkräfte der Sozialistischen Republik Rumänien und der Streitkräfte der UdSSR. Im Rahmen des Kriegsspiels wurden die Probleme der Mobilisierung und Zu­sam­ menführung der Truppen auf großen Strecken erörtert, desgleichen die Sicherung der Staatsgrenze, die Abwehr des feindlichen Erstschlags und die Führung von Kampfhandlungen sowohl mit konventionellen Waffen als auch unter Anwendung von nuklearen Mitteln. Das Kriegsspiel zeigte das hohe operative Vorbereitungsniveau der Generäle, Admiräle, Offiziere und Führungskräfte insgesamt, ihre Fähigkeit, ent- schlossene Offensiven der Boden-, Luft- und Seestreitkräfte und der AAT-Truppen der verbündeten Länder effektiv zu organisieren und zu sichern.

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Die Truppenübung »Frühling« mit der Beteiligung der Großeinheiten und Einheiten der Nationalen Volksarmee der DDR und der sowjetischen Truppen aus der DDR. Die Übung hatte einen positiven Einfluss auf die Qualität der Vorbereitung der Kommandanten, Generalstäbe, Truppen und auf die Pflege einer hohen moralisch- psychologischen Kampfqualität in den Reihen des Personals. Sie trug zur stetigen Festigung der Waffenbruderschaft bei, zur gegenseitigen Zusammenarbeit und dem Verständnis zwischen den verbündeten Armeen.

Die Übung der Raketentruppen mit taktisch-operativem Ziel der Armeen der Volksrepublik Bulgarien, der Volksrepublik Ungarn, der Streitkräfte der Sozialistischen Republik Rumänien und der Streitkräfte der UdSSR unter der Führung des Kommandanten der Raketen- und Artillerietruppen der sowjetischen Streitkräfte. Während der Übungsdurchführung erwarben die Truppen Praxis in der Vorbereitung und Durchführung von gruppierten und massierten Raketenangriffen während des Marsches, Tag und Nacht, mit dem praktischen Abschuss von Kampfraketen.

Die Einberufung der (wichtigsten) Generalstabschefs der Armeen der Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes zu den Problemen der Vorbereitung der Truppenmobilisierung. Die Einberufung erlaubte die Ausarbeitung vereinbarter Standpunkte, die auf eine kontinuierliche Steigerung der Mobilisierungs- und der Kampfvorbereitung der Truppen abzielten.

Die operative Kommando- und Generalstabsübung mit Teilnahme der operativen Ge­ ne­ralstäbe­ der Nationalen Volksarmee der DDR und der sowjetischen Truppen aus der DDR, angeführt von dem Verteidigungsminister der DDR. In der Übung wurden die Fertigkeiten der Kommandanten und Generalstäbe in der Truppenführung in komplexen und schnell wechselnden Situationen verbessert. 200 Dokument 7 (dt. Übersetzung)

– 4 –

Die Führungskräfte haben bei den Feldübungen während der Offensive viel Erfah­ rung in der Truppenführung gesammelt.

Die Übung der Luftabwehrtruppen aus den Ländern des Warschauer Paktes, geführt vom Kommandanten der AAT-Truppen der Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes, an welcher teilnahmen: bis zu 100 Zielflugzeuge, über 2000 Jagdflugzeuge und circa 500 Bataillone der Raketentruppen für die Luftabwehr. In der Übung erwarben die Führungskräfte, Einsatzkräfte und Kampfmittel Praxis in der Abwehr feindlicher Luftschläge unter intensiver Funkstörung als auch in der Zusicherung der Zusammenarbeit der AAT-Truppen der Nachbarländer.

Die Kommando- und Generalstabsübung mit ausgewählten Truppen, geführt vom stell- vertretenden Verteidigungsminister der Sozialistischen Republik Tsche­chos­lo­wakei. Die Generalstäbe und Truppen der tschechoslowakischen Volksarmee und der Mittleren Heeresgruppe, welche an der Übung teilnahmen, erwarben Fertigkeiten in der Organisation und Führung von Schlachten und Begegnungskämpfen, in der praktischen Anwendung der Luftlandung der Fallschirmjäger aus Hubschraubern unter den Bedingungen der Anwendung von konventionellen Vernichtungsmittel als auch von Nuklearwaffen.

Die taktische Sonderübung der Fernmeldetruppen der polnischen Armee, der tschecho- slowakischen Volksarmee, der Nationalen Volksarmee der DDR und der sowjetischen Truppen aus der DDR, geführt vom Generalstabschef der polnischen Armee. In der Übung haben die Fernmeldetruppen ihre Kenntnisse verbessert, und zwar bei der Sicherung der Kommunikationsverbindungen zwischen den Generalstäben der ope­rativen Großeinheiten und den Großeinheiten der verbündeten Armeen, durch die praktische­ Einrichtung der Übertragungsknoten und den Aufbau der Über­tragungs­leitungen.

– 5 –

Insbesondere wurden Fernmeldelinien auf einer Länge von über 4500 km gelegt, welche drei verbündete Länder durchquerten. Generalstabsübungen für die Ausarbeitung der Probleme betreffend die Zu­sam­ men­arbeit der verbündeten Flotten im Schwarzen Meer und der Ostsee, geführt von den Generalstabschefs der militärischen Flotten der DDR und der Volksrepublik Bulgarien.­ Bei den Übungen lag der Schwerpunkt in der Ausarbeitung der koordi- nierten Aktionen der verbündeten Flotten während der gemeinsamen Durchführung der Kampfhandlungen. In den folgenden Tagen wird auf dem Territorium der Volksrepublik Ungarn eine bedeutende Kommando- und Generalstabsübung an der Front, am Boden, statt- finden, mit der Teilnahme der Kommandanten der operativen Generalstäbe und Generalstäbe der ungarischen und sowjetischen Armeeeinheiten. Dokument 7 (dt. Übersetzung) 201

In der Übung werden Aufgaben bearbeitet betreffend die Führung der Truppen zu einer hohen Kampffähigkeit, die Abwehr des feindlichen Überraschungsangriffs und der Übergang zu einer entschlossenen Offensive unter Verwendung von kon- ventionellen und nuklearen Waffen. Gemäß den Plänen der nationalen Kommandos wurden eine Reihe von takti- schen Divisionsübungen und taktischen Sonderübungen durchgeführt, welche zur ständigen Steigerung der Fertigkeiten am Boden, zur See und in der Luft der Groß­ ein­heiten, der Einheiten und Schiffe während der Aktionen mit konventionellen und nuklearen Waffen führte. Alle Übungen, Kriegsspiele und Einberufungen erfolgten auf einem hohen Niveau und waren sehr nützlich für die Teilnehmer. Sie trugen zur Steigerung der Kampf­ fähigkeit der Truppen, der Brüderschaft der Waffengattungen der Vereinten Streit­ kräfte und zur Steigerung der moral-psychologischen Vorbereitung der Soldaten bei.

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Die Aktivitäten um Truppen, Streitkräfte und Mittel auf verschiedene Ausbildungs­ niveaus zu bringen, werden organisierter durchgeführt. Die Kommandanten und Generalstäbe zeigten mehr Kreativgeist bei der Lösung der ihnen anvertrauten Aufgaben, sie befassten sich eingehender mit den Problemen der Planung und Organisation der Operation und des modernen Kampfes. Einige durchgeführte Übungen erlaubten die Ausarbeitung von gemeinsamen Vorschlägen zur ständigen Verbesserung der Einsatz- und Kampfvorbereitung. Diese Vorschläge wurden den Generalstäben durch die jeweiligen Richtlinien übermittelt. Parallel zu den positiven Ergebnissen gibt es in der Einsatz- und Kampfvorbereitung der Truppen und der Generalstäbe auch Mängel, die in den Bestandsaufnahmen der Übungen und Kriegsspiele hervorgehoben wurden. Die Generalstäbe einiger Armeen und Divisionen sind noch nicht genug vor- bereitet auf die entschlossene und ununterbrochene Führung der Truppen un- ter den Bedingungen einer starken Funkstörung und in sich ständig wechselnden Situationen. Einige Großeinheiten, Kampfeinheiten und Schiffe werden einheitlich ausgebil- det, ohne den Charakter des Militärszenarios, die Kampfvorbereitung des Feindes und die moral-psychologischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Bei der Planung der Kampfhandlungen ohne Nuklearwaffen übersehen die General­stäbe die Verwendung der konventionellen Waffen, sie schöpfen die Mög­ lich­keiten der Artillerie und der Luftwaffe nicht völlig aus, um die nuklearen An­ griffsmittel­ des Feindes zu vernichten. Während dem Übergang zur Atomwaffen­ver­ wendung werden nicht immer die nötigen Maßnahmen ergriffen für die rechtzeitige Einführung der taktisch-operativen Nuklearwaffen in den Kampf.

– 7 –

Während der gemeinsamen Kampfhandlungen ist die Zusammenarbeit zwischen den Kategorien der Streitkräfte und den Waffengattungen, sowie zwischen den großen 202 Dokument 7 (dt. Übersetzung)

Einheiten und den Einheiten der verbündeten Armeen nicht vollständig organisiert. Die unterbrochene Zusammenarbeit stellt sich immer noch langsam wieder her. Der Gewährleistung der Führungskontinuität wird immer noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Bei der Ausarbeitung der Truppenbewegungspläne für große Entfernungen wird die Auswahl von Marschrouten, Konzentrationsgebieten und Einsätzen in einigen Fällen getroffen, ohne die Straßen, Wasserläufe und die Bodenbeschaffenheit zu be­rück­sichtigen. In einigen Armeen ist die Sicherung der marschierenden Truppen, insbesondere der Spähtrupps und Aufklärungstrupps und der Luftabwehr nicht ausreichend ge- währleistet. Während des Marsches sind die Verbindungen nicht immer durchdacht organisiert, was sich auf die Führung der Truppen auswirkt. All dies führt dazu, dass einige Großeinheiten und Einheiten niedrige Marschgeschwindigkeiten haben (am Tag 10‑11 km pro Stunde). * * *

Während der Ausbildung in der Sommerperiode werden günstigere Voraussetzungen für die kontinuierliche Verbesserung der Einsatz- und Kampfvorbereitung der Generalstäbe­ und Truppen geschaffen. Zu diesem Zweck müssen die Generalstäbe und Truppen, welche für die Zusammensetzung der Vereinten Streitkräfte bestimmt sind, beharrlich und entschlossen weiterarbeiten, um die Kampf- und Mobi­ li­­sie­ rungsfähigkeit­ zu erhöhen und ihre Fähigkeiten im Feld zu verbessern. Die Hauptaufgaben der Einsatz- und Kampfvorbereitung der Vereinten Streit­ kräfte der Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes für die Sommerperiode bleiben dieselben, wie in der Richtlinie Nr. 0069 vom 26. November 1968 vorgesehen.

– 8 –

Die Sommerperiode ist eine intensive Periode, in der eine große Anzahl gemeinsa- mer Aktivitäten durchgeführt wird. Die wichtigsten sind: – das operative Kriegsspiel in Richtung Westen unter der Leitung des Verteidi­ ­ gungsministers­ der UdSSR; – das operative Kriegsspiel hinter den feindlichen Linien auf der Karte, angeführt vom Generalstabschef der Vereinten Streitkräfte; – die taktisch-operative Übung der Vereinten Streitkräfte mit der See- und Luft­ landung­ auf dem Territorium der Volksrepublik Polen unter der Leitung des Verteidigungsministers der Volksrepublik Polen; – die taktisch-operative Übung der Vereinten Streitkräfte mit der Donautruppe auf dem Territorium der Sozialistischen Republik Rumänien und der Volksrepublik Bulgarien unter der Leitung des Verteidigungsministers der Sozialistischen Repu­ ­ blik Rumänien; – die Luftwaffenübung Richtung Westen, die vom Obersten Befehlshaber der Sow­ jetischen­ Luftwaffe angeführt wurde. Dokument 7 (dt. Übersetzung) 203

All dies erfordert eine gut durchdachte Planung und ein genau definiertes Ziel, eine gründliche Vorbereitung, die eine hohe Qualität aller Aktivitäten gewährleistet, die auf die Erhöhung der Kampffähigkeit, der Einsatz- und Kampfvorbereitung abzie- len, wobei während ihrer Durchführung die Lernziele und die Übereinstimmung mit den modernen Anforderungen des Kampfes und des Einsatzes erfüllt werden. Bei den Kriegsspielen, den Kommando- und Generalstabsübungen mit Truppen und Spezialtaktiken muss mehr Aufmerksamkeit der Ausarbeitung der Organisation und Aufrechterhaltung einer entschiedenen und ununterbrochenen Führung der Truppen und ihrer Zusammenarbeit geschenkt werden, desgleichen der Verbesserung der Feldfähigkeiten der Truppen, insbesondere muss die Vorbereitung der Märsche der Großeinheiten und Einheiten sowie die Organisation und Durchführung von Kampfhandlungen mit sowohl konventionellen als auch Atomwaffen verbessert werden.

– 9 –

Die Sommerperiode muss maximal für die Steigerung der Qualität der Feldfertigkeiten für alle Waffengattungen verwendet werden, für welche die Durchführung von Schieß- und Bombardierungsübungen Tag und Nacht fortgesetzt wird. Es werden die Untereinheiten und Einheiten am Boden, in der Luft und zur See ausgebildet, indem ihre Aktionen sich der Kampfsituation annähern. Während der Truppenausbildung werden die Gewandtheit, überraschende takti- sche Aktionen und irreführende Aktionen, basierend auf der Analyse der Fähigkeiten des Feindes und der eigenen Truppen mehr verwendet, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Militärszenarien. Die Ausbildung des gesamten Personals der Großeinheiten und Einheiten im Geiste von schlagkräftigen Offensivaktionen wird fortgesetzt, um die Hartnäckigkeit sowie die Fähigkeit zu pflegen, in den kritischsten Momenten des Kampfes, den Kampfbefehl­ mit eiserner Ausdauer zu erfüllen. Die Aufmerksamkeit der Offiziere, Generäle und Admirale ist darauf zu lenken, dass ihre Liebe zur Arbeit und die Ausführung von Befehlen eine der Hauptbedingungen für die Bildung hoher moralischer Qualitäten und Kampfqualitäten der Soldaten und ihre Mobilisierung für die erfolgreiche Erfüllung der Truppenaufgaben ist. Konzepte und Pläne für die Durchführung gemeinsamer Kriegsspiele, Kom­man­ do- und Generalstabsübungen, taktischer und speziell taktischer Übungen werden mir zwei Monate vor Beginn der Übungen vorgestellt. Die Konzepte der auszuführenden Übungen (Spiele) werden vorgestellt:

– 10 –

– das operative Kriegsspiel hinter den feindlichen Linien auf der Karte bis zum 1. Juni; – die taktisch-operative Übung auf dem Territorium der Volksrepublik Polen bis zum 15. Juni (der angegebene Plan und andere Materialien, gemäß dem Tele­ gramm Nr. 484 vom 06.05. d.J.); 204 Dokument 7 (dt. Übersetzung)

– die taktisch-operative Übung auf dem Territorium der Sozialistischen Republik Rumänien und der Volksrepublik Bulgarien bis zum 1. August; – die Luftwaffenübung in Richtung Westen bis zum 1. Juni.

Der Oberbefehlshaber der Vereinten Streitkräfte Marschall der Sowjetunion I. Jakubovskij

Der Generalstabschef der Vereinten Streitkräfte Armeegeneral Štemenko Dokument 8 (rum. Original) 205 206 Dokument 8 (rum. Original) Dokument 8 (rum. Original) 207 208 Dokument 8 (rum. Original) Dokument 8 (dt. Übersetzung) 209

Bericht des Ersten Stellvertretenden Verteidigungsministers und Generalstabs­chefs betreffend die Gespräche zwischen der Delegation des rumänischen Verteidigungs­ministeriums und der Führung der Vereinten Streit­kräf­te über die gemeinsame taktisch-operative Truppenübung im Oktober­ 1969 auf dem Territorium Rumäniens

Sozialistische Republik Rumänien Streng Geheim [Landeswappen] Exemplar Nr. 1

Verteidigungsministerium Generalstab

Nr. O.K. 0010 Eingang 10. September 1969 Nr. C.U. 00263 Stadt Bukarest 29. September 1969

[hs. Vermerk] wurde diskutiert im Präsidium des Zentralkomitees der Rumänischen Kommunistischen Partei [Rest unleserlich]

An den Genossen

Ion Gheorghe Maurer Vorsitzender des Ministerrats der Sozialistischen Republik Rumänien Gemäß der Genehmigung des Ständigen Präsidiums des Zentralkomitees der Kom­ munistischen Partei Rumäniens am 9.9.1969 sprach die vom Unterzeichneten ange­führte Delegation des Verteidigungsministeriums in Moskau mit dem General­ stabs­chef des Vereinten Kommandos, Armeegeneral S.M. Štemenko, über die geneh­ ­ migten Probleme und vor allem über das Problem der gemeinsamen taktisch-ope­ ra­tiven Truppenübung, welche im Oktober diesen Jahres auf dem Territorium der Sozia­listischen Republik Rumänien (SRR) durchgeführt werden soll, geführt vom Ver­teidigungsminister der Sozialistischen Republik Rumänien.

1. In den Gesprächen habe ich argumentiert, dass es in diesem Jahr aus vielen Gründen nicht mehr möglich ist, eine Kooperationsübung auf dem Territorium un- seres Landes durchzuführen, und ich schlug vor, 1970 eine Kooperationsübung auf der Karte durchzuführen, geführt vom Verteidigungsminister der Sozialistischen Re­

Quelle: Rumänisches Nationalarchiv (ANR), Fonds Warschauer Pakt (Verteidigungs­ministerium), Akte Nr. 29/1969, Bl. 214‑217 210 Dokument 8 (dt. Übersetzung) publik Rumänien, an der Kommandos (Einsatzgruppen) der Streitkräfte der So­zia­ listischen Republik Rumänien, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und der Volksrepublik Bulgarien teilnehmen. Armeegeneral Štemenko wiederum sagte, er würde die Verschiebung der Truppen­ übung in diesem Jahr verstehen, aber es ist unvorstellbar, dass sie vollständig aus dem Plan entfernt

– 2 – und durch eine andere auf der Karte ersetzt wird, umso mehr, da es keinen Präze­ denz­fall dieser Art gibt. Er argumentierte weiter, dass Truppenübungen auf dem Territorium aller Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes stattfanden, an denen auch Truppen der Streitkräfte der SR Rumänien, wie z.B. in der VR Bulgarien 1967 teil- nahmen; sowie Schießübungen mit Raketen, die jährlich auf dem Schießübungsplatz der UdSSR stattfinden. Die Nichtausführung dieser Übung, sagte er, werde einerseits zu einigen Kom­ mentar­ en und Spekulationen führen, dass es ernsthafte Risse im Warschauer Pakt geben würde, und andererseits würden die anderen Mitgliedsstaaten des Paktes ih- nen vorwerfen, dass auf dem Territorium ihrer Länder solche Übungen stattfänden, jedoch nicht auf dem Territorium der SR Rumänien, als ob die SR Rumänien eine Präferenzregelung hätte. Aus der gesamten Argumentation des Armeegenerals Štemenko ging deutlich hervor, dass dies ein prestigeträchtiges Thema für das Vereinte Kommando war, so- wohl gegenüber den anderen Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes als auch für jene außerhalb davon. Da wir nicht zu einer gemeinsamen Ansicht kamen, habe ich dieses Gespräch offen gelassen, um die anderen Themen zu besprechen. Schließlich, indem wir zu dem Thema der Übung zurückkehrten, vereinbarten wird, dass im Herbst 1969 keine Zusammenarbeit auf rumänischem Gebiet durchge- führt wird, und die für 1969 geplante Übung wird für 1970 umdisponiert und ohne Truppen als Kommando- und Generalstabsübung mit Feldübertragung auf dem Territorium unseres Landes stattfinden, unter der Leitung des Verteidigungsministers der SR Rumänien, an der die SR Rumänien,

– 3 – die UdSSR und die VR Bulgarien teilnehmen. Sowohl ich als auch General Štemenko haben uns in keiner Weise auf die Teilnahme der VR Ungarn bezogen, obwohl er bemerkt hat, dass dies keine zufällige Unterlassung meinerseits war. Ich erwähnte auch, dass diese Aktivität nach den Gesetzen unseres Landes den Abschluss von Abkommen zwischen den Regierungen der oben genannten Länder voraussieht, welche soweit es uns betrifft, die Zustimmung der Großen National­ versammlung der SR Rumänien erfordern. Angesichts dieser Erwähnung erhob General Štemenko keine Einwände und er- klärte, dass die Gesetze unseres Landes respektiert würden. Dokument 8 (dt. Übersetzung) 211

Bezüglich der Durchführungsperiode der Übung argumentierte Armeegeneral Štemenko, dass diese im Frühjahr 1970 (März‑April) und nicht erst gegen Ende 1970 stattfinden soll, da sie sonst nicht mehr als Verschiebung jener aus 1969 er- scheinen kann. Wir waren uns einig, dass über diese abgestimmt werden soll, bevor der Entwurf des gemeinsamen Aktionsplans für 1970 fertiggestellt wird.

2. In Bezug auf die anderen diskutierten Themen gab es keine speziellen Punkte, die in diesem Bericht hervorgehoben werden müssten.

3. Am Ende der Themenbesprechung mit General Štemenko wurde unsere Dele­ ga­tion vom Oberbefehlshaber, Marschall Jakubovskij, empfangen, der nach der üb­lichen protokollarischen Begrüßung sagte, dass er von General Štemenko infor- miert wurde und persönlich damit einverstanden ist, dass die für 1969 geplante Übung nicht mehr stattfindet und für 1970 umdisponiert wird; ohne Truppen, als Kommando- und Generalstabsübung

– 4 – mit Feldübertragung soll diese auf dem Territorium unseres Landes stattfinden, unter der Leitung des Verteidigungsministers der SR Rumänien, an der die SR Rumänien, die UdSSR und die VR Bulgarien teilnehmen. Es ist jedoch wünschenswert, dass die Durchführungsperiode mit den an der Übung teilnehmenden Ländern abgestimmt werden soll, bevor der Entwurf des gemeinsamen Aktionsplans für 1970 fertigge- stellt wird.

Ich schlage vor, dass Sie genehmigen, dass die für 1969 geplante Truppenübung um- disponiert wird auf 1970 und dass sie ohne Truppen, als Kommando- und General­ stabsübung mit Feldübertragung stattfindet, mit der Beteiligung der SR Rumänien, der UdSSR und der VR Bulgarien, unter der Leitung des Verteidigungsministers­ der SR Rumänien. Bitte genehmigen Sie, dass das Verteidigungsministerium darauf besteht, dass die Übung im Herbst stattfindet, und wenn dies nicht möglich ist, soll sie im Frühjahr (März‑April) stattfinden.

Erster Stellvertretender Verteidigungsminister und Generalstabschef Generaloberst Ion Gheorghe gez. [unleserlich]

[Amtsstempel, unleserlich]

Ein Bericht mit gleichem Inhalt wurde Genosse Nicolae Ceauşescu, General­se­kre­tär der RKP, Präsident des Staatsrates, übermittelt. 212 Dokument 9 (rum. Original) Dokument 9 (rum. Original) 213 214 Dokument 9 (rum. Original) Dokument 9 (rum. Original) 215 216 Dokument 9 (rum. Original) Dokument 9 (rum. Original) 217 218 Dokument 9 (dt. Übersetzung)

Bericht des Verteidigungsministers Rumäniens betreffend die Gespräche zwischen der Delegation der rumänischen Streitkräfte und der Führung der Vereinten Streitkräfte über das Konzept der gemeinsamen Übung, welche im Oktober 1970 auf dem Territorium Rumäniens stattfinden soll

Sozialistische Republik Rumänien Streng Geheim [Landeswappen] Exemplar Nr. 3

Verteidigungsministerium Der Minister

Nr. M. 001020 vom 7.3.1970 Eingang Nr. C.U. 20267 11.3.1970

An den Genossen

Nicolae Ceauşescu Generalsekretär der Rumänischen Kommunistischen Partei Präsident des Staatsrates Am 3. und 4. März 1970 befand sich Generaloberst Ion Gheorghe, Erster Stell­ ver­tretender Verteidigungsminister und Generalstabschef, in Begleitung von Oberst Nicolescu Marin, Stellvertretender Verteidigungsminister, Generalleutnant Orban Octavian und Generalleutnant Lefter Gheorghe in Moskau. Sie führten Gespräche mit Marschall I.I. Jakubovskij, dem Oberbefehlshaber der Vereinten Streitkräfte, und dem Armeegeneral S.M. Štemenko, Generalstabschef der Vereinten Streitkräfte, über das Konzept der gemeinsamen Übung, welche im März 1970 auf dem Territorium der SR Rumänien unter der Leitung des Verteidigungsministers stattfinden soll, und vor allem über den Abschluss eines Abkommens zwischen den Regierungen der SR Rumänien und der UdSSR. Generaloberst Ion Gheorghe wurde zusammen mit seinen Begleitern ein- mal von General Štemenko und zweimal von Marschall Jakubovskij empfangen. Die Gespräche dauerten insgesamt 5 Stunden, davon 3 Stunden mit Marschall Jakubovs­kij.

– 2 –

Nachdem Generaloberst Ion Gheorghe sie über die Hauptelemente des Übungs­ konzeptes informiert hatte, wies er darauf hin, dass es nach dem Gesetz unseres Landes erforderlich ist, bilaterale Abkommen zwischen den Regierungen der SR

Quelle: Rumänisches Nationalarchiv (ANR), Fonds Warschauer Pakt (Verteidigungs­ministerium), Akte Nr. 48/1970, Bl. 54‑59. Dokument 9 (dt. Übersetzung) 219

Rumänien und der UdSSR einerseits und der SR Rumänien und der VR Bulgarien andererseits zu schließen; was uns betrifft, müssen diese Abkommen dann von der Großen Nationalversammlung der SR Rumänien abgesegnet werden.

1. Marschall I.I. Jakubovskij und General S.M. Štemenko sagten im Wesentlichen Folgendes: – In der bisherigen Praxis wurden bisher keine derartigen Abkommen für die Durch­führung gemeinsamer Übungen geschlossen. Kein Staat, einschließlich der SR Rumänien, forderte dies an, als seine Truppen oder Kommandos an Schieß­ übungen auf dem Territorium anderer Staaten teilnahmen. – Aus rechtlicher Sicht wird das Oberkommando und der Generalstab der Vereinten Streitkräfte nach den im März 1969 bei der Budapester Tagung genehmigten Dokumenten geführt. In den Statuten der Vereinten Streitkräfte und des Vereinten Kommandos, Artikel 11 und 25, wird die Notwendigkeit des Abschlusses solcher Ab­kommen nicht erwähnt, um gemeinsame Übungen durchzuführen. Bei der Ausarbeitung­ des Statuts forderte niemand die Aufnahme einer solchen Be­stim­ mung, obwohl die Erklärung der Großen Nationalversammlung der SR Rumä­ nien am 22. August 1968 verabschiedet wurde, vor seiner Unterzeichnung.

– 3 –

– Es ist wahr, dass jeder Staat seine eigenen Gesetze hat, die eingehalten werden müssen, aber da es in der UdSSR kein Gesetz gibt, das den Abschluss eines Ab­kommens in solchen Situationen vorsieht, können »weder Štemenko, noch Jakubovskij oder Grečko« der Sowjetregierung vorschlagen, sie zu bevollmächti- gen, es zu unterschreiben. Abschließend erörterte Marschall I.I. Jakubovskij, dass »vom Abschluss eines Ab­ kom­mens zwischen den Regierungen gar nicht die Rede sein kann.« Marschall Jakubovskij und Armeegeneral Štemenko behaupteten, dass wir un- ter verschiedenen Vorwänden keine Übungen auf dem Territorium unseres Landes durchführen wollen, an denen auch Truppen anderer Armeen teilnehmen. Wenn sie 1969 die Gründe verstanden, warum die Übung nicht durchgeführt werden konnte, erachten sie es nun als vorsätzlich, ihre Durchführung durch den Abschluss eines Abkommens zu bedingen, damit so die Übung nicht stattfinden kann. Sie schlugen vor, das in der SR Rumänien bestehende Gesetz zu beachten; doch ihrer Meinung nach sollen anstelle der Eintragung im Abkommen, die Daten über die Übungsteilnahme der Kommandos der Armeen der UdSSR und der VR Bulgarien auf dem Territorium unseres Landes entweder auf der Karte mit dem Konzept der Übung oder als separater Anhang zum Konzept stehen, wie es in den Beziehungen zu den anderen Armeen der Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes üblich ist. Der Vorschlag wurde damit begründet, dass die Übung nicht einmal mit Truppen ausgeführt wurde, da seitens der sowjetischen Armee nur eine Einsatzgruppe eines Divisionskommandos bestehend aus 30‑40 Offizieren teilnahm und das Kommando der Großeinheit der bulgarischen Armee nur 3‑4 km in das Hoheitsgebiet der SR Rumänien einmarschierte. 220 Dokument 9 (dt. Übersetzung)

– 4 –

Aus diesem Grund wäre es ausreichend, wenn die so erstellten Dokumente vom Generalstabschef der Streitkräfte der SR Rumänien und vom Generalstabschef des Vereinten Kommandos unterzeichnet und von der Regierung der SR Rumänien ge- mäß den verfassungsrechtlichen Bestimmungen unseres Landes genehmigt würde.

2. In dem Gespräch warf der Armeegeneral S.M. Štemenko vor, dass in den letzten Monaten eine negative Einstellung unsererseits zu beobachten war, und gab hierzu folgende Beispiele: – die Nichtteilnahme unseres Landes an der Juli-Übung, die in der VR Ungarn stattfinden sollte; – die Tatsache, dass wir uns nicht zum Statutenentwurf der Vertreter des Ober­kom­ man­dos geäußert haben; – die Tatsache, dass wir mit der Ausarbeitung gemeinsamer Anweisungen zur Geheimhaltung nicht einverstanden waren; – das Versäumnis, Daten über den Abschluss des Entwicklungsprotokolls der Streit­kräfte für den Zeitraum 1971‑1975 zu übermitteln. Marschall I.I. Jakubovskij fügte hinzu, dass wir nicht an der Truppenübung teilneh- men wollen, welche im September in der DDR stattfinden soll.

3. In seiner Rede präsentierte Generaloberst Ion Gheorghe unseren Standpunkt in Übereinstimmung mit dem genehmigten Standpunkt und sagte im Wesentlichen: – Die Probleme beim Abschluss bilateraler Abkommen zur Durchführung gemein- samer Übungen sind kein neues Problem. Es wurde schon 1968 von Vertretern der Streitkräfte der SR Rumänien bei verschiedenen Sitzungen und Versammlungen erhoben.

– 5 –

Es ist wahr, dass wir mit Truppen und Kommandos an Übungen und anderen Aktivitäten außerhalb unseres Landes teilgenommen haben, ohne Abkommen zu schließen, aber wir haben dies getan, weil das nicht von uns gefordert wurde. Wenn wir in Zukunft das Problem haben sollten, Abkommen zur Teilnahme an Übungen und Schießübungen abzuschließen, sind wir damit einverstanden, das zu tun; – Artikel 10 des Statuts der Vereinten Streitkräfte und des Vereinten Kommandos sieht vor: »Der Oberbefehlshaber ... organisiert und führt mit Zustimmung der Verteidigungsminister und notfalls auch der Regierungen Aktivitäten in- nerhalb der Vereinten Streitkräfte durch, um deren Kampfvorbereitung und Mo­bilisierung zu verbessern.« Unter den Aktivitäten, die darauf abzielen, die Kampfv­ orbereitung zu verbessern, zählen unserer Ansicht nach auch die gemein- samen Übungen. Die bisherige Praxis, einige Details der beteiligten ausländi- schen Truppen auf der Konzeptkarte einzutragen, kann das von der rumänischen Gesetzgebung vorgesehene Abkommen nicht ersetzen. Dokument 9 (dt. Übersetzung) 221

Abschließend gab er an, dass ohne den Abschluss des Abkommens zwischen den Regierungen keine gemeinsame Übung auf dem Territorium unseres Landes statt- finden kann. Generaloberst Ion Gheorghe sagte im Zusammenhang mit den Vorwürfen des Armeegenerals S.M. Štemenko, dass wir unsere Verpflichtungen erfüllen, einschließ- lich jener im Plan mit gemeinsamen Aktivitäten, und in einigen Fällen erfüllen wir auch die Forderungen, welche außerhalb des Plans gestellt werden.

4. Auf ausdrücklichen Wunsch von Marschall I.I. Jakubovskij wurde ihm am zwei- ten Gesprächstag das Übungskonzept vorgestellt. Er sagte, es sei ein interessantes Konzept, und bedauerte, dass es nicht umgesetzt werden kann.

– 6 –

5. Am Ende der Gespräche forderte Marschall I.I. Jakubovskij Generaloberst Ion Gheorghe auf, dem Verteidigungsminister der SR Rumänien und, falls er die Mög­ lichkeit­ habe, auch Genosse Nicolae Ceauşescu, sein Ersuchen zu überbringen, zuzu- stimmen, dass die Übung auch ohne Abschluss der Abkommen durchgeführt wird. In dieser Hinsicht zeigte er, dass er eine Antwort von uns erwarte. Generaloberst Ion Gheorghe versicherte ihm, das Aufgetragene zu übermitteln und wies darauf hin, dass er keine Möglichkeit für die Durchführung der Übung ohne Abschluss des Abkommens sieht, da die Gesetze des Landes von allen Bürgern gleichermaßen eingehalten werden. Die Gespräche fanden in einer ruhigen, normalen Atmosphäre statt. Bemerkens­ wert ist die gemäßigte und aufmerksame Haltung von Marschall I.I Jakubovskij.

6. Da Marschall Jakubovskij gebeten hat, dass seine Meinung mir und Ihnen zur Kenntnis gebracht wird und auf eine Antwort wartet, schlage ich vor, ihm mitzutei- len, dass sich unser Standpunkt nicht geändert hat und dass daher die Durchführung der Übung von dem Abschluss der beiden Abkommen bedingt wird.

Bitte genehmigen.

Der Verteidigungsminister der Sozialistischen Republik Rumänien

Generaloberst Ion Ioniţă 222 Dokument 10 (rum. Original) Dokument 10 (dt. Übersetzung) 223

Programmentwurf zum Besuch der DDR-Militärdelegation unter der Leitung des Verteidigungsministers Genosse Armeegeneral Heinz Hoffmann

1. Tag – Montag, 17. April 1972

10.30 Ankunft der Delegation am internationalen Flughafen Otopeni 10.30–10.45 Empfangszeremonie am Flughafen 10.45–12.15 Anreise und Einrichtung im Gästehaus 12.15–12.30 Fahrt zum Verteidigungsministerium 12.30–14.00 Protokollbesuch beim Verteidigungsminister und Gespräche 14.00–14.45 Niederlegung von Blumenkränzen 14.45–16.45 Dinner und Zeit zur Verfügung 16.45–17.00 Fahrt zum Rathaus von Bukarest 17.00–18.00 Protokollbesuch beim Bürgermeister von Bukarest 18.00–18.15 Fahrt zum Wohnort 19.30–21.30 Empfang durch den Verteidigungsminister zu Ehren der Delegation

2. Tag – Dienstag, 18. April 1972

07.30 Frühstück 08.00–09.00 Ausflug nach Ploieşti 09.00–10.30 Besuch des Artillerieausbildungszentrums 10.30–12.00 Fahrt zu den Cheile Postăvarului 12.00–14.00 Präsentation der Übungen einer Gebirgsjägereinheit und deren Ausrüstung 14.00–15.00 Fahrt nach Kronstadt und Einrichtung im Armeehaus 15.00–16.45 Dinner und Zeit zur Verfügung 16.45–17.00 Fahrt zur Offizierschule der Luftabwehr und Feldübertragung

Quelle: Rumänisches Nationales Militärarchiv. 224 Dokument 11

Ceauşescu, Nicolae Aslan, Ana Ulbricht, Lotte Ulbricht, Walter

Quelle: Rumänisches Nationalarchiv. Dokument 12 225

Beziehungen DDR – Rumänien wurden weiter gefestigt. Politisches Exeku­ ­tiv­ komitee des ZK der RKP zum Freundschaftsbesuch Erich Honeckers

Neues Deutschland, 11. Juli 1980

Das Politische Exekutivkomitee des ZK der RKP hat sich, wie »Neues Deutschland« be- reits berichtete, am Mittwoch unter Vorsitz von Nicolae Ceauşescu mit den Ergebnissen des Freundschaftsbesuches der DDR-Delegation unter Leitung Erich Honeckers in Rumänien befasst. Die darüber von der amtlichen rumänischen Nachrichtenagentur Agerpres veröffentliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Das Politische Exekutivkomitee hat eine von Genossen Nicolae Ceauşescu dar- gelegte Information über den offiziellen Freundschaftsbesuch der Partei- und Staatsdelegation der DDR, geführt vom Genossen Erich Honecker, Generalsekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Vorsitzender des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik, in Rumänien gehört. Das Politische Exekutivkomitee hat die Ergebnisse der Treffen und Gespräche zwischen den Genossen Nicolae Ceauşescu und Erich Honecker einheitlich gebilligt und hoch gewürdigt. Es hat die außerordentliche Bedeutung dieses neuen Dialogs auf höchster Ebene zwischen den Führern beider Parteien und Staaten für die weitere Festigung der Beziehungen der Freundschaft der aktiven Zusammenarbeit zwischen der Rumänischen Kommunistischen Partei und der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, zwischen Rumänien und der DDR, zwischen unseren Völkern unterstrichen. Die Gefühle der Achtung und der Freundschaft, von denen unsere Völker er- füllt sind, haben während des Besuchs anlässlich der Überreichung des Karl-Marx- Ordens, der höchsten Auszeichnung der DDR, durch den Genossen Erich Honecker an den Genossen Nicolae Ceauşescu eine weitere Bestätigung gefunden. Der Orden wurde wurde aus Anlas des 60. Geburtstages und des 45. Jahrestages der revolutionä- ren Tätigkeit der außerordentliche Verdienste im Kampf für Frieden und Solidarität, für die Verständigung zwischen den Völkern und für die Entwicklung kamerad- schaftlicher Beziehung zwischen Rumänien und der DDR verliehen. Die Gespräche zwischen Genossen Nicolae Ceauşescu und Erich Honecker, die in einer Atmosphäre der Freundschaft und des gegenseitigen Verständnisses ver- laufen sind, haben die Entschlossenheit unserer Parteien und Länder ergeben, die gegenseitigen Beziehungen der brüderlichen Freundschaft und der multilateralen­ Zusammenarbeit auf der Grundlage der Achtung der Prinzipien der Gleich­ berechtigung, der Unabhängigkeit und nationalen Souveränität, der Nicht­ein­ mischung in die inneren Angelegenheiten, des gegenseitigen Vorteils, der gegenseiti- gen kameradschaftlichen Hilfe und internationalen Solidarität im Interesse unterer Völker, der Festigung des Sozialismus, des Friedens und der Entspannung zu entwi- ckeln und auszubauen. Diese Entschlossenheit findet ihren überzeugenden Ausdruck in den beschlosse- nen Dokumenten sowie in den während des Besuches getroffenen Vereinbarungen. 226 Dokument 12

Das Politische Exekutivkomitee unterstreicht die Bedeutung der von den Genossen Nicolae Ceauşescu und Erich Honecker unterschriebenen gemeinsamen Erklärung. Es drückt seine Befriedung aus über die Übereinkunft hinsichtlich der Koordinierung der nationalen Wirtschaftspläne im Zeitraum 1981‑1985, die ein weiteres Ausdehnen der wirtschaftlichen, wissenschaftlich-technischen und kultu- rellen Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern, ein wesentliches Anwachsen des Warenaustauschs, die Erweiterung der Kooperation und der Spezialisierung in der Produktion besonders auf solchen Gebieten wie Werkzeugmaschinenbau, me- tallurgische und energetische Ausrüstungen, elektrotechnische und elektronische Ausrüstungen, Rechentechnik, Feinmechanik und Optik sowie in der chemischen Industrie, in der Landwirtschaft und in anderen Volkswirtschaftszweigen vorsieht. Positiv eingesetzt wurde das Programm der Hauptziele der Zusammenarbeit auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technik für den Zeitraum 1981‑1985, das eine Intensivierung der gegenseitigen Zusammenarbeit bei Fragen der Grundstoff- und Energieressourcen, der Industrie und der Landwirtschaft vorsieht. Das Politische Exekutivkomitee hat ferner die Bedeutung des Beschlusses beider Staaten unter- strichen, auf der Basis langfristiger Verträge die Zusammenarbeit auf den Gebieten Kultur, Wissenschaft, Bildungswesen, Gesundheitswesen, Tourismus und Sport wei- ter zu entwickeln. Dies wird nach seiner Meinung zur Vertiefung des gegenseitigen Kennenlernens beider Völker und zur Entwicklung der Freundschaft zwischen ih- nen beitragen. Unterstrichen wurde die Bedeutung der Übereinkunft über die wei- tere Entwicklung des Erfahrungsaustausches auf allen Gebieten des sozialistischen Aufbaus zwischen beiden Parteien und Ländern. Das Politische Exekutivkomitee hat den Meinungsaustausch zwischen den Genossen Nicolae Ceauşescu und Erich Honecker zu Problemen der gegenwärti- gen internationalen Lage und der kommunistischen Arbeiterbewegung hoch ein- geschätzt und mit großer Befriedigung den Beschluss beider Länder zur Kenntnis genommen, ihre Zusammenarbeit in der internationalen Arena im Kampf für die Durchsetzung der Politik des Friedens, der Sicherheit, der Entspannung und der Zusammenarbeit in der Welt noch mehr zu festigen. Das Politische Exekutivkomitee drückt seine volle Zustimmung aus gegenüber den Schlussfolgerungen, zu denen die beiden Führer von Partei und Staat hinsicht- lich der Haupttendenzen des internationalen Lebens gekommen sind. Es bekundet seine Zustimmung zum Willen unserer beiden Staaten, noch intensiver zu handeln für die Beendigung der Verschärfung des internationalen politischen Klimas und die Verhinderung der Politik, die auf Spannung und kalten Krieg gerichtet ist, für die Verteidigung und Fortsetzung des Entspanungskurses, für die Beseitigung al- les dessen aus den Beziehungen zwischen den Staaten, was diesen Prozess bremst, der Methoden des Drucks und des Diktats, der Verletzung der Souveränität, der Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten. Es wurde die Bedeutung der Entschlossenheit beider Parteien betont, für die Reduzierung der Militärausgaben, der Stärke der Streitkräfte und Rüstungen, für die Auflösung der fremden Militärstützpunkte und den Rückzug der Truppen von fremden Territorien, für die Gründung atomwaffenfreier Zonen und Zonen des Friedens in den verschiedenen Gebieten der Welt, einschließlich in Europa, Dokument 12 227 zu kämpfen. Als Teilnehmerstaaten des Verteidigungsbündnisses einiger sozialis- tischer Länder unterstützen Rumänien und die DDR die gleichzeitige Auflösung der NATO und des Warschauer Vertrages und – als ersten Schritt – die Auflösung der Militärorganisationen beider Gruppierungen, beginnend mit der beiderseitigen Reduzierung militärischer Aktivitäten. Das Politische Exekutivkomitee hat den Willen Rumäniens und der DDR hoch gewürdigt, zusammen mit den anderen sozialistischen Staaten, mit allen europä- ischen Ländern zu wirken für die konsequente und vollständige Verwirklichung der Schlussakte von Helsinki und in diesem Sinne für die gute Vorbereitung des Treffens von Madrid, das in erster Linie zu praktischen Maßnahmen der militäri- schen Entspannung und der Abrüstung des Kontinents führen soll. Beide Seiten haben die Notwendigkeit unterstrichen, dass die NATO-Länder den Beschluss übe die Produktion und Stationierung neuer Atomraketen in Europa an- nullieren oder aufschieben und so Bedingungen für den Beginn von Verhandlungen schaffen. Es ist notwendig, zu einer Übereinkunft über die Beseitigung der Raketen sowohl der einen als auch der anderen Seite zu gelangen. Rumänien und die DDR sind entschlossen, zusammen mit den anderen Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages, mit anderen sozialistischen Ländern, mit allen friedliebenden Staaten, mit den fortschrittlichen und demokratischen Kräften in der ganzen Welt für die Verwirklichung der Vorschläge zu wirken, die in den Dokumenten formuliert sind, die in Warschau angenommen wurden. Das Politische Exekutivkomitee würdigt die Bedeutung der Tatsache, dass sich Rumänien und die DDR für die Beseitigung der Gewalt und der Gewaltandrohung aus dem internationalen Leben, für die Achtung der Prinzipien des Völkerrechts in den zwischenstaatlichen Beziehungen, für die Teilnahme aller Staaten am inter- nationalen Leben auf der Basis völliger Gleichberechtigung, für die Lösung aller Konfliktherde in Europa, im Nahen Osten, in Afrika und Asien auf friedlichem Wege durch Verhandlungen, für Maßnahmen zur Liquidierung der Unterentwicklung und zur Schaffung einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung aussprechen. Das Politische Exekutivkomitee hebt die Bedeutung der erneuten Bestätigung der Entschlossenheit der Rumänischen Kommunistischen Partei und der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands seitens der Genossen Nicolae Ceauşescu und Erich Honecker hervor, aktiv beizutragen zur weiteren Festigung der Einheit und Zu­ sam­menarbeit zwischen den kommunistischen und Arbeiterparteien sowie der Zusammenarbeit mit den sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien, mit allen demokratischen und fortschrittlichen Partien, mit allen friedliebenden Kräften für Entspannung und Abrüstung, für nationale Unabhängigkeit, sozialen Fortschritt und Frieden. Das Politische Exekutivkomitee hat die vereinbarten Dokumente und Über­ein­ kommen einstimmig gebilligt. Es hat die Regierung und die Ministerien beauftragt, mit aller Konsequenz und Entschlossenheit zu handeln für die Verwirklichung die- ser Dokumente und Übereinkommen, die zur Entwicklung der Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Rumänien und der DDR im Interesse des Wohlstandes beider Völker, der allgemeinen Sache des Sozialismus des Fortschritts und des Friedens in der Welt beitragen. 228 Dokument 13

Dietze, (Generalmajor, NVA) Müller, Karl-Heinz Stănculescu, Victor

Quelle: BStU, MfS, ZAIG, 14072: MfS, HA I. Dokumente 13 229

Stănculescu, Victor Grawunder (Oberst) 230 Dokument 14

Winkler, Heinrich Burbulea, Mihai

Quelle: BArch, 1/42411, Bl. 99. Dokument 15 231

Quelle: BArch, DVW 1/54347. 232 Dokument 15 Dokument 15 233 234 Dokument 15

Handke, Heinz Al-Wazir, Khalil Dokument 16 235

Quelle: BArch, DVW 1/42411, Bl. 132 f. 236 Dokument 16

Ceauşescu, Nicolae Hitler, Adolf Ceauşescu, Elena Kusch (Generalmajor, NVA) Gaube (Major, NVA) Abkürzungen

AA Auswärtiges Amt AASK Afroasiatisches Solidaritätskomitee (der DDR) Abt. Abteilung a.D. außer Dienst ANC African National Congress ANIC Arhivele Naționale Istorice Centrale ANR Arhivele Naționaleale României ASU Arabische Sozialistische Union BArch Bundesarchiv BRD Bundesrepublik Deutschland Brig Brigade BStU Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR BUL Bulgarien CIA Central Intelligence Agency ČSLA Československá Lidová Armáda (Tschechoslowakische Volksarmee) ČSSR Československá Socialistická Republika (Tschechoslowakische Sozialistische Republik) CSU Christlich-Soziale Union in Bayern DDR Deutsche Demokratische Republik Div Division ENAM Ecole Nationale d’Aviaçao Militar FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung Fla- Flugabwehr- FRELIMO Frente de Libertação de Moçambique (Mosambikanische Befreiungsfront) Gen. Genosse(n) GenKdo Generalkommando GenSt Generalstab GSSD Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland GT Grenztruppen HA Hauptabteilung (des MfS) ISPAIM Institutul pentru Studii Politice de Apărare şi Istorie Militară KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion KSZE Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa KVP Kasernierte Volkspolizei LKW Lastkraftwagen 238 Abkürzungen

LSK/LV Luftstreitkräfte/Luftverteidigung Lw Luftwaffe MAE Ministerul Afacerilor Externe (Außenministerium, Rumänien) MdI Ministerium des Innern mech. mechanisiert MfAA Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR MfAV Ministerium für Abrüstung und Verteidigung MfNV Ministerium für Nationale Verteidigung MfS Ministerium für Staatssicherheit MfV Ministerium für Verteidigung MGFA Militärgeschichtliches Forschungsamt mot. motorisiert MiG Mikojan i Gurevič (Flugzeugbaugesellschaft, nach Artem I. Mikojan und Michail I. Gurevič) MPi Maschinenpistole MPLA Movimento Popular de Libertação de Angola (Volksbewegung zur Befreiung Angolas) NATO North Atlantic Treaty Organization NVA Nationale Volksarmee Offz Offizier(e) PAIGC Partido Africano da Independência da Guiné e Cabo Verde (Afri­ ka­nische Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und Kap Verde) PBA Politischer Beratender Ausschuss PCC Political Consultative Committee PCR Partidul Comunist Român (Rumänische Kommunistische Partei) PHP Parallel History Project PHV Politische Hauptverwaltung PLO Palestine Liberation Organization PMR Partidul Muncitoresc Român (Rumänische Arbeiterpartei) POL Polen Pz Panzer PzKp Panzerkompanie Rgt Regiment RGW Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe RIAS Rundfunk im amerikanischen Sektor RKP Rumänische Kommunistische Partei RUM Rumänien SANIC Serviciul Arhivele Naționale Istorice Centrale SAPMO-BArch Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv SBZ Sowjetische Besatzungszone SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SK Solidaritätskomitee (der DDR) SM-70 Splittermine-70 Abkürzungen 239

SSR Sozialistische Republik Rumänien SU Sowjetunion TAROM Transporturile Aeriene Române (Rumänische Luftfahrtgesellschaft) TS Teilnehmerstaaten (der WVO) UDENAMO União Democrática Nacional de Moçambique (Nationale Demokratische Union Mosambiks) UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken UNG Ungarn UNO United Nations Organization Uffz Unteroffizier US United States USA United States of America USSR Union of Soviet Socialist Republics VAR Vereinigte Arabische Republik VM Valutamark VOK Vereintes Oberkommando (WVO) VR Volksrepublik VSK Vereinte Streitkräfte (WVO) WEU Westeuropäischen Union WVO Warschauer Vertragsorganisation ZAIG Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe ZANU Zimbabwe African National Union ZAPU Zimbabwe African People’s Union ZK Zentralkomitee ZMSBw Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr Personenregister d’Aço, Bonga 124 Dubček, Alexander 55, 78, 97 Adenauer, Konrad 9 Džur, Martin 110 Antonescu, Ion 10, 14 Džurov, Dobri 104 f., 107‑110, Aslan, Ana 224 113 al-Assad, Hafez 135 Engels, Friedrich 19, 80 Balaur, Dumitru 122, 123 Eppelmann, Rainer 66 Batizkij, Pavel F. 109 Erhard, Ludwig 41 Baumgarten, Klaus-Dieter 62 Erscoi, Vladimir 181 Beutling, Horst 43 Fawzi, Mohammed 169 Bock, Siegfried 60 Fleißner, Werner 165 Borufka, Helmut 143 Gartenschläger, Michael 29 Botelho, Ruy Nelson 125 Gato (stellv. Verteidigungsminister Brandt, Willy 17, 33, 45 Angolas) 122, 124 Brežnev, Leonid I. 25, 39, 53, 55, 78, Gaube (Major) 236 82, 134, 168 Gaulle, Charles de 55, 60 f., 76 Brünner, Horst 46, 64 f. Gehmert, Manfred 46 Burbulea, Mihai 63, 230 Gestewitz, Hans Rudolf 46 Călinoiu, Constantin 62 Gheorghe, Ion 44, 81 f., 96, 155, 158, Carol II., König von Rumänien 10 181, 211, 218, 220 f. Castro, Raoul 158 Gheorghe, Lefter 218 Ceauşescu, Elena 11, 17, 63, 66, Gheorghiu-Dej, Gheorghe 10, 37‑39, 120 f., 236 41, 53‑55, 67, 76, 149 Ceauşescu, Ilie 46, 65 Gorbačev, Michail 17 f., 49, 64 f., 67, Ceauşescu, Nicolae 10 f., 14 f., 17‑20, 141 38‑40, 42, 44‑49, 53‑57, 60‑67, Gorškov, Sergej G. 108 76, 78, 82, 88, 94, 96, 99, 101, Grawunder (Oberst) 229 103 f., 117, 120 f., 149, 182‑185, Grečko, Andrej A. 12, 79, 91, 106, 211, 218, 221, 224‑227, 236 157, 159 Cheler, Paul R. 150 Gribkov, Anatolij I. 182 Chruščëv, Nikita S. 37, 54, 76 Grünler, Egon 43 Coman, Ion 42, 99, 122, 186 Handke, Heinz 43, 234 Constantin, Dan 100 Hesse, Gustav 46 Crişan, Nicolae 155, 160 Hitler, Adolf 236 Cyrankiewicz, Józef 82 Hoffmann, Heinz 26, 28, 42 f., Czinege, Lajos 110, 112 45‑48, 60‑62, 79 f., 84, 86, 106, Dickel, Friedrich 163 110, 112, 130, 135, 137‑142, 150, Dietze, Manfred 228 155‑157, 162 f., 223 Personenregister 241

Hofmann, Hans 43 Mihai I., König von Rumänien 10 Honecker, Erich 10, 18, 20 f., 25, Milea, Vasile 15, 46, 61, 65, 99, 184, 29 f., 32, 35, 45, 48 f., 53, 57, 186 60, 64‑67, 77, 127, 130, 132, Mocanu, Mircea 65 f. 135‑140, 150, 161, 225‑227 Moraru, Ion 124 Hothmann, Harry 43 Müller, Karl-Heinz 228 Iliescu, Ion 14, 66 Nagy, Imre 55 Ioniţă, Ion 11, 42, 44, 83 f., 96, 99, Nasser, Gamal Abdel 133‑135, 137 109‑111, 221 Neto, Agostinho 122, 124 Jakubovskij, Ivan I. 12, 83, 86, 92, Ngouabi, Marien 19, 117 96, 103, 107‑111, 150, 204, 211, Nicolescu, Marin 155, 158 218‑221 Niculescu, Aurel 43, 122‑126 Jaruzelski, Wojciech 109, 111 f. Nixon, Richard 55, 76 Kaminski, Josef 94 Nkomo, Joshua 137 Kaunda, Kenneth 137 Nzo, Alfred Baphethuxolo 120 Keita, Fodéba 117 Ogarkov, Nikolaj V. 99, 142 Keßler, Heinz 138 Olteanu, Constantin 38, 46, 61, Kissinger, Henry 40 98‑101, 105, 112 f. Kohl, Helmut 17 Orădean, Titus 122 Konev, Ivan S. 12 Orban, Octavian 218 Koševoj, Pëtr K. 107 Palmerston, Henry John Temple Krenz, Egon 138 Viscount 60 Kulikov, Viktor G. 12, 99 f., 105, Pedala, Samuel 124 112 f. Petruț, Vasile 62 Kusch, Ernst 64, 236 Poungui, Ange Edouard 118 Kutakov, Pavel S. 109 Preda, Gheorghe 125 Lacatusu, Victor 71 Reinhold, Wolfgang 46 Lenin, Vladimir I. 19, 80 Sabri, Ali 134 Lomský, Bohumír 107 as-Sadat, Anwar 135 Lušev, Pëtr G. 12 Sălăjan, Leontin 79, 95, 101, 106 f., Machel, Samora Moises 121 117, 155‑160 Macri (Oberst, Rumänien) 124 Santos, José Eduardo dos 124 Mănescu, Corneliu 39, 41, 44, 149 Schalck-Golodkowski, Alexander 143 Mănescu, Manea 11 Scheel, Walter 33 Mao Tse-tung 54 Scheibe, Herbert 43 Mariakhin, Sergej S. 108 Schmidt, Helmut 151 Markowski, Paul 133 Schmücker, Kurt 149 Maršenko, E. (Generalleutnant, Schröter, Joachim 46 UdSSR) 155‑158, 160 Skripko, Nikolai S. 92 Marteş, Grigore 43 Smerdjiev (Generaloberst, Bulgarien) Marx, Karl 18 f., 225 181 Maurer, Ion Gheorghe 11, 39, 44, 51, Sotov (Generaloberst, UdSSR) 143 f. 82, 149, 209 Spychalski, Marian 106 f. Meeker, Leonard C. 83 Stalin, Iosif V. 157 Mielke, Erich 135, 163 Stănculescu, Victor 46, 62, 228 f. 242 Personenregister

Štemenko, Sergej M. 81, 83 f., 96, Ulbricht, Lotte 224 108‑110, 150, 204, 209‑211, Ustinov, Dimitrij F. 141 f. 218‑221 Vâlciu, Cristinel 122 Stoian, Maurică 123 Verner, Waldemar 43 Stoica, Chivu 11, 117 Voss, Hans 44 Stoph, Willi 45 al-Wazir, Khalil 234 Strauß, Franz Josef 127 Weiss, Gerhard 133, 139, 165 Streletz, Fritz 61, 141 f. Weiss, Siegfried 43 Tambo, Oliver 120 Winkler, Heinrich 46, 230 Tănase, Gheorghe 124 Winzer, Otto 163 Truţă, Florian 96 Zander (Oberstleutnant) 155, 160 Tutoveanu, Ion 95 Zărnescu, Gheorghe 122 f. UIbricht, Walter 9 f., 20, 25, 39, Živkov, Todor 51 42‑44, 57, 77, 134 f., 138, 149, Zulu, Gray 137 155 f., 170, 224 Autoren

Sorin Cristescu, PhD, Mitarbeiter am Institutul pentru studii politice de apărare şi istorie militară, Bukarest Jörg Echternkamp, Prof. Dr., Wissenschaftlicher Direktor, Projektbereichsleiter »Militärgeschichte der DDR« am Zentrum für Militärgeschichte und Sozial­ wissen­schaften der Bundeswehr, Potsdam, und apl. Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Sorin-Vasile Negoiță, Oberst a.D., Projektleiter am Institutul pentru studii politice de apărare şi istorie militară, Bukarest Christoph Nübel, Dr., Wissenschaftlicher Oberrat, Historiker am Zentrum für Mili­ tär­geschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam Manuel Stănescu, Mitarbeiter am Institutul pentru studii politice de apărare şi istorie militară, Bukarest Klaus Storkmann, Dr., Oberstleutnant, Historiker am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam Rüdiger Wenzke, Dr., Leitender Wissenschaftlicher Direktor, Leiter des Forschungs­ bereichs »Militärgeschichte nach 1945« am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam Potsdamer Schriften des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Band 31

Was bedeutete »sozialistische Waffenbrüderschaft« unter den Bedingun- gen des Ost-West-Konflikts? Um die Rolle der Streitkräfte des Warschau- er Paktes militärgeschichtlich einordnen zu können, müssen sie von drei Seiten betrachtet werden: Als die bewaffnete Macht eines Staates präg- ten sie die nationale Pfadabhängigkeit; als Teil der östlichen Militärallianz waren sie in Bündnisstrukturen eingebunden und mit dem sowjetischen Führungsanspruch konfrontiert; schließlich wirkten sich bilaterale Bezie- hungen auf das jeweilige Militär aus.

Der gemeinsame Blick auf die Streitkräfte der DDR und Rumäniens von den 1950er Jahren bis zum Ende des Kalten Krieges lässt dieses Bezie- hungsdreieck deutlich erkennen. Deutsche und rumänische Historiker un- tersuchen zum einen die Kontakte führender Militärs auf der politischen

Ebene, zum anderen die Teilnahme beider Seiten an Manövern des War- Sozialistische Waffenbrüder? schauer Paktes. Darüber hinaus gilt das Interesse der Militärhilfe in Afrika und im Nahen Osten. Unterm Strich wird deutlich, wie sehr die Nationale Volksarmee und die Armata Română von den politischen Konjunkturen abhingen. Der politische Anspruch auf sozialistische Solidarität im Sinne des proletarischen Internationalismus stand nicht selten in einem Span- nungsverhältnis zu den nationalen Interessen der einzelnen Staaten.

Die militärgeschichtlichen Analysen werden ergänzt durch die Präsenta­ Sozialistische tion ausgewählter deutscher und rumänischer Dokumente. Waffenbrüder?

Rumänien und die DDR im Warschauer Pakt

ISBN 978-3-941571-40-2

ZMS Herausgegeben von Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Jörg Echternkamp Bundeswehr