BADEN NACH 1952 – MENTALE RESISTENZEN UND NEUE TRADITIONEN? Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.)

vorgelegt von Bauer Gereon an der Universität Konstanz Geisteswissenschaftliche Sektion Fachbereich Geschichte und Soziologie

1. Referent: Prof. Dr. Rainer Wirtz 2. Referent: Prof. Dr. Lothar Burchardt

Tag der mündlichen Prüfung: 10.12.2012 1. Referent: Prof. Dr. Rainer Wirtz 2. Referent: Prof. Dr. Lothar Burchardt 3. Referent: Prof. Dr. Helmut Maurer

Konstanz, 2012

Inhaltsverzeichnis Seite I Einleitung - Forschungsstand und Fragestellung 8 Die schwierige Gründung und die Notwendigkeit des Zusammenwachsens – ein Problem aller Binde-Strich-Staaten

II Staatliche Integrationsversuche in -Württemberg 52 1. Landesausstellungen 53 2. Die Gemeindegebiets- und Kreisreform von Baden-Württemberg 58 3. Heimattage 65 4. Haus der Geschichte 68 5. Öffentlich rechtliche Sender 71 6. Untersuchung der Feierlichkeiten zu den Landesjubiläen im Zehnjahresrhythmus 74

III Historische Einbettung und Legendenbildung 112 1. Der Kampf für Baden 112 a) Frühes badisches Selbstbewusstsein / Sonderbewusstsein 112 b) Vormärz und die Revolution von 1848 118 c) Zusammenfassung 137 2. Ökonomie in Baden und Württemberg 140 3. Leo Wohleb 147 4. Die Vierteilung des Landes 1948-1952 159 5. Einigung auf Verdacht – Die politische Auseinandersetzung zwischen Badenern und Südweststaatlern (1948-1951) 177 6. Argumente im Abstimmungskampf 1951 187 7. Zwischenfazit 201

IV Baden 1970 205 1. Die Abstimmung des Jahres 1970 205 2. Verhandlungen des Landtages im Vorfeld der Abstimmung vom 7. Juni des Jahres 1970 219 3. Die Bindestrichdebatte (1999) und die Schlussstrichdebatte (2002) Walter Dörings 227 4. Zwischenfazit 231

V Fortleben des Badischen und Phänomene der Gegenwart 234 Organisatorische / politische Aspekte 234 1. Die kirchliche Gliederung des Landes 235 2. Badische Heimat 241 3. Vereinsleben (Sport) 243 4. Zusammenfassung 254

VI Mentalitäten und Gegensätze: Die Schwaben als Widerpart 257 1. Formen des Gesellens 257 a) Die neuen „Kriegsschauplätze“ im Fußball 257 b) Das Badnerlied 262 c) Das Gasthaus „Zum Odenwald“ in 268 d) „Landesvereinigung Baden in Europa“ 270 e) „Bund Freiheit statt Baden-Württemberg e.V.“ 272 f) Einrichtung eines Stammtisches für Badener in Schwaben 277 2. Neue Konfliktfelder 278 a) Schwaben dominierte SWR-Programme 278 b) Das Drama um den neuen Firmennamen bei Daimler im Jahre 2007 281 c) Die Donau – ein Fluss aus Baden oder Württemberg? Der Streit um den Donau-Ursprung 286

d) Villingen-Schwennigen – Paradebeispiel landsmannschaftlichen Misstrauens am Beispiel der OB-Wahl im Herbst 2010 289 e) Witze, Sprichwörter 296 f) In Baden ist die Elite zu Hause 303 g) Fahnen, Symbole, Devotionalien 311 h) Sonstige Beispiele des badischen Beharrens 312 3. Zwischenfazit 314

VII Schlussbetrachtung 316 Badener und Württemberger, verbunden nur durch den Bindestrich?

VIII Anhang 335 1. Austragungsort und Zuständigkeitsbereich der Heimattage Baden- Württemberg , 1978-2012 335 2. Plakate zur Volksabstimmung von 1951 337 3. Rede Leo Wohlebs im Badischen Landtag am 7. September 1948, 345 Rundfunk Ansprache Leo Wohllebs vom 19. September 1948, Rede Leo Wohlebs im Badischen Landtag am 24. September 1948 4. Interview des Südwestfunks mit Staatspräsident Wohleb am 13. Juli 1949 (Südweststaat-Frage) 353 5. dpa-Interwiew von Staatspräsident Wohleb vom 1. Februar 1951 zur Volksbefragung 358 6. Die Stimmung in Baden im Juli 1950 – Bericht über eine Umfrage vor der Volksabstimmung am 24.09.1950 361 7. Die Stimmung in Baden im Juni/Juli 1951 – Eine Umfrage vor der Volksabstimmung im Herbst 1951(IfD-Bericht 126) 367 8. Auszüge aus der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgericht zum Zweiten Neugliederungsgesetz vom 30. Mai 1956 386

9. Die Stimmung in Baden 1963 – Analyse der altbadischen Bewegung in 16 badischen Kreisen (IfD-Bericht 1037) 390 10. Kartenmaterial: Das Erzbistum Freiburg und Bistum Rottenburg-Stuttgart 412 11. Sammlung inoffizieller Strophen des Badnerliedes der Freunde Badens 414 12. Sammlung inoffizieller Strophen des Badnerlieder der Universität 429 13. Schwabenwitze, Auszug der Homepage von Jochen Birk 441 14. Schwabenwitze, Auszug der Homepage von „Elkes Schwaben-Seiten“ 444

IX Literatur- und Quellenverzeichnis 452

Dank Die vorliegende Arbeit wurde als Dissertation der geisteswissenschaftlichen Sektion an der Universität Konstanz im Sommersemester 2012 eingereicht und angenommen. Ich möchte mich in erster Linie bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Rainer Wirtz, der diese Arbeit betreut und begleitet hat, bedanken. Dank sagen möchte ich aber auch Herrn Prof. Dr. Lothar Burchardt, der sich bereit erklärt hat, das Zweitgutachten zu übernehmen. Des Weiteren gilt mein Dank allen Institutionen und Einrichtungen des Landes, die mich im Rahmen der Arbeit stets hilfsbereit und engagiert unterstützt haben. Ein besonderer Dank geht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung des Landtags von Baden-Württemberg in Stuttgart. Außerdem möchte ich mich sehr herzlich bei allen Personen bedanken, die mir in Form von zahlreichen Gesprächen zur Verfügung standen und mir im Rahmen der Arbeit hilfreiche Informationen zukommen ließen. Danken möchte ich aber auch all denjenigen Menschen, die mir im Zuge der Arbeit stets Zuspruch spendeten.

Die vorliegende Dissertation zum Thema „Baden nach 1952 – Mentale Resistenzen und neue Traditionen?“ widme ich meinen Eltern Frau Kristina Bauer-Morgenthaler und Herrn Günter Bauer

BADEN NACH 1952 – MENTALE RESISTENZEN UND NEUE TRADITIONEN? I EINLEITUNG – FORSCHUNGSSTAND UND FRAGESTELLUNG Den Anstoß zur vorliegenden Arbeit liefern in erster Linie Beobachtungen im engeren und weiteren Freundes- und Bekanntenkreis. Immer wieder stieß und stößt man bis auf den heutigen Tag auf pro badische Äußerungen, die zum einen lokale badische Heimatbezüge herstellten und zum anderen häufig auch badisch patriotisch eingefärbt sind. Die pro badischen Aussagen sind meist begleitet von unterschiedlich stark ausgeprägten Ressentiments gegenüber den Mitbewohnern des württembergischen Landesteils. Nicht zuletzt gab meine Tätigkeit als Lehrer in einem Sanatorium mit schulischem Betrieb in Buchen-Eberstadt den Anstoß zu der im Weiteren Verlauf der Arbeit formulierten Fragestellung. Die pro badischen Äußerungen und die Ressentiments gegenüber den württembergischen Mitbewohnern konnten von Kindern, über Jugendliche und Erwachsene bis hin zu Rentnern festgestellt werden. Es scheint bemerkenswert, dass bereits Kinder im Grundschulalter das Badnerlied intonieren und z.T. belustigend und schäbig über ihre württembergischen Nachbarn sprechen. Da dieser immer wieder auflebende Badenpatriotismus nicht erblich bedingt sein kann, muss dieses Phänomen seine Wurzel, speziell bei der jüngeren Generation, in der jeweiligen Erziehung durch Eltern bzw. Bezugspersonen oder durch verschiedene soziale Gruppen haben. Nicht zu unterschätzen dürfte auch der Einfluss der Medien, der Sportverbände und –vereine sowie des gesamten Marketings, bezüglich allen Badischen, sein. Hier sind allen voran die Fußballvereine SC Freiburg, Karlsruher SC und neuerdings die TSG Hoffenheim zu erwähnen, bei deren Heimspielen vor Spielbeginn stets das Badnerlied angestimmt wird. Auch die badischen Weingenossenschaften verstehen es auf das Trefflichste, in ihren Werbespots emotional auf ihre Kundschaft einzuwirken. Man wirbt mit dem

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Slogan „Badischer Wein, von der Sonne verwöhnt“. Da sich der Jahrestag des Zusammenschlusses der durch die Besatzungsmächte nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen drei Länder Württemberg-Baden, Württemberg- Hohenzollern und (Süd-) Baden zum gemeinsamen Land Baden-Württemberg im Jahr 2002 zum fünfzigsten Male jährte, ist dieses Landesjubiläum Anlass genug, die Befindlichkeiten des badischen Bevölkerungsteils im Bezug auf die eigene Identität nach über fünfzig Jahren nach der Gründung Baden- Württembergs zu überprüfen. Für die nachfolgende Arbeit ist es wichtig anzumerken, dass es sich um keine Südweststaatsdiskussion handelt. Es geht nicht um Pro – Contra-Diskussionen und Argumentationen, sondern um das heutige Bewusstsein der badischen Bevölkerung von eigener Identität innerhalb Baden-Württembergs, sechzig Jahre nach der Gründung des Südweststaates im Jahre 1952. Der vorliegenden Arbeit liegt daher folgende Fragestellung zugrunde: Existiert nach sechzig Jahren Baden-Württemberg ein Bewusstsein von badischer Identität? Auf jeden Fall – Baden lebt! Dies lässt sich an unzähligen Beispielen belegen. Doch sind die damit verbundenen mentalen Resistenzen ernst zu nehmen und historisch begründbar oder handelt es sich um aktuelle von Zeit zu Zeit immer wieder aktualisierte Aufladungen eines Bewusstseins um Baden? Auf welcher Ebene spielen sich derartige mentale Resistenzen ab? Und haben diese Einfluss auf politische Entscheidungen bzw. Handlungen, oder spielt sich dieses Phänomen ausschließlich auf der Ebene des Kommunizierens ab? Von besonderem Interesse scheint in diesem Zusammenhang die Zeit nach 1970 zu sein, da mit der letzten Abstimmung über den Verbleib von Baden im Südweststaat zumindest politisch das letzte Wort gesprochen war und sich die badische Bevölkerung mit großer Mehrheit auch für den Verbleib im Südweststaat entschieden hatte. Deshalb verdienen gerade die badischen

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Resistenzen nach 1970 besondere Aufmerksamkeit. Man hatte sich schließlich für und nicht gegen den Verbleib entschieden. Aus diesen Beobachtungen resultiert die zentrale Fragestellung der Arbeit: Handelt es sich bei den Resistenzen nach 1970 um tradierte, historisch verwurzelte Resistenzen, in dem man versucht - in Anlehnung an den Widerstand aus den Jahren vor 1970 - im Sinne einer Erinnerungsleistung anzuknüpfen, oder sind diese Resistenzen Kennzeichen einer Suche nach neuen Identitätsformen? Anders ausgedrückt: Hat das rasch entstandene badische Sonderbewusstsein echte Wurzeln, oder handelt es sich um die Ausbildung einer Neuidentität? In diesem Zusammenhang ist der Aufsatz von Eric HOBSBAWM, „The Invention of Tradition“1 zu erwähnen, der sich mit Identitätsfindung bzw. mit der Konstruktion neuer Identitäten befasst. Hobsbawm vertritt die Ansicht, dass viele sogenannte Traditionen, die den Anspruch erheben, herkömmlich zu sein, in Wirklichkeit erst jüngeren Ursprungs und zuweilen sogar erfunden beziehungsweise konstruiert sind. Der Begriff „invented tradition“ wird in recht allgemeiner und vagen Art und Weise verwendet, allerdings ohne dabei seinem Sinn nach unpräzise zu sein. Der Bergriff umfasst einerseits „Traditionen“, die gegenwärtig erfunden, konstruiert und formell institutionalisiert werden; andererseits diejenigen, die auf weniger leicht nachweisbare Art und Weise – innerhalb einer datierbaren Zeitspanne - in Erscheinung treten. Das kann innerhalb von ein paar Jahren geschehen, wobei sich diese Art der „Tradition“ rasch etabliert. „Invented tradition“ bedeutet eine Vielzahl von Lebensgewohnheiten, die normalerweise unverhohlen oder durch stillschweigend akzeptierte Regeln gelebt werden. Von Bedeutung ist dabei der rituelle oder symbolische Charakter dieser Gewohnheiten, welche durch stete Wiederholung danach trachten, sittliche Werte und Verhaltensnormen einzuschärfen, um auf diese Weise eine zwangsläufige Kontinuität mit der Vergangenheit herzustellen.

1 Hobsbawm / Ranger, The Invention of Tradition, Cambridge, 1984 (13. Auflage)

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Die neue Tradition, welche in die Vergangenheit quasi eingepflanzt wird, benötigt zeitlich betrachtet keine allzu weit zurück liegende Verankerung in der Vergangenheit. Anders ist dies bei Revolutionen und progressiven Bewegungen, die schon per Definition einen Bruch mit der Vergangenheit darstellen und sich bewusst einen Fixpunkt wählen – wie z.B. das Jahr 1789, der Ausbruch der Französischen Revolution - und ab diesem Datum eine neue Zeit anbrechen lassen. Die Eigentümlichkeit der „invented tradition“ besteht darin, dass die Kontinuität mit der Vergangenheit größtenteils konstruiert ist, auch wenn sie mit der historischen Vergangenheit durchaus in Beziehung steht. Es handelt sich dabei um Antworten auf aktuelle und neue Situationen mit Rückbezug auf ähnliche vergleichbare Situationen der Vergangenheit. Dabei wird durch stete Wiederholung gepflegter Rituale eine eigene, quasi konstruierte Vergangenheit begründet. „The Invention of Tradition“ ist für Historiker gerade deshalb so interessant, da es sich dabei auch um den Versuch handelt, in der modernen Welt, welche von einem ständigen Wandel und ständiger Innovation geprägt ist, wenigstens an einigen Gepflogenheiten des gesellschaftlichen Lebens festzuhalten, um sie einem möglichen Wandel zu entziehen. Hobsbawm unterscheidet zwischen den Begriffen „custom“ und „tradition“. „Custom“ im Sinne von Sitte, Gebrauch oder Gewohnheit ist für ihn der Kern, also das Substanzielle einer Handlung, während er unter „tradition“ das ganze Beiwerk einer oft ritualisierten Handlung versteht, welche den substanziellen Kern umgibt. Ein Verfall von Sitten und Gewohnheiten, so Hobsbawn, führt zwangsläufig zu einem Wandel von Traditionen, welche üblicherweise mit den Bräuchen eng verwoben sind. Eine eher marginale Bedeutung misst Hobsbawm der Unterscheidung zwischen „tradition“ und „convention“ oder „routine“ bei. Im Gegensatz zu Traditionen haben Übereinkünfte und Routinen keine symbolhafte oder rituelle Funktion und sind lediglich für die Effizienz gesellschaftlicher Handlungen, z.B. in der Bürokratie, von Bedeutung. Diese Netzwerke von Übereinkünften und

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Routinehandlungen sind keine „invented traditions“, zumindest solange sie keine ideologische, sondern rein technokratische Funktionen erfüllen. Laut Hobsbawm ist das „Erfinden von Traditionen“ ein Prozess der Formalisierung und Ritualisierung, der bereits durch die Pflege steter Wiederholung mit der Vergangenheit verbunden ist. Der genaue Prozess dieser „invented traditions“ ist bis heute von Historikern nicht angemessen erforscht worden, so dass weiterhin großer Klärungsbedarf besteht. Neue Traditionen entstehen auch aufgrund der Unfähigkeit, alte Traditionen zu gebrauchen bzw. diese an neue Gegebenheiten anzupassen. Die Anpassung alter Gebräuche an moderne Rahmenbedingungen findet dadurch statt, dass man Althergebrachtes zu neuen Zwecken gebraucht. Als Beispiel hierfür nennt Hobsbawm die katholische Kirche und moderne Armeen, die sich an die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bzw. an die veränderte weltpolitische Lage anpassen müssen. Die Verwendung alter historischer Gegebenheiten zur Konstruktion neuer Traditionen eines neuen Typus mit neuen Absichten ist allerdings für die vorliegende Arbeit von größerem Interesse. Dort, wo alte Traditionen bis heute lebendig sind, dort bedarf es weder einer Wiederbelebung noch einer Neuerfindung von Traditionen. Die Entstehung neuer Traditionen, so vermutet Hobsbawm, hat ihre Ursachen häufig nicht darin, dass diese alten Traditionen nicht verfügbar oder lebensfähig sind, sondern darin, dass sie bewusst nicht gelebt werden oder schlicht und einfach nicht an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden. Zusammenfassend lassen sich einige grundsätzliche Beobachtungen im Zusammenhang mit den „invented traditions“ seit der Zeit der Industrialisierung feststellen.

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Es sind drei sich überschneidende Beobachtungen festzustellen: a) Traditionen, die sozialen Zusammenhang begründen oder symbolisieren oder durch Mitgliedschaft in Gruppen manifestieren, wobei es sich dabei um echte oder plakative Gruppenzugehörigkeit handeln kann. b) Traditionen, die Institutionen begründen oder legitimieren und das interne Ansehen und Gruppenverhältnis regeln. c) Traditionen, deren Hauptabsicht darin besteht, zu sozialisieren im Sinne des Einschärfens von Gesinnungen, Überzeugungen, Wertsystemen und Verhaltensübereinkünften. Es ist mit einer gewissen Vorsicht zu vermuten, dass Typ a) den vorherrschenden Typus darstellt, während Typ b) und c) wohl eher erdacht sind. Als zweite Beobachtung scheint sich herauszukristallisieren, dass beim alltäglichen Zerfall von Traditionen und Bräuchen – im Gegensatz zu viel Erfundenem – die so genannten neuen Traditionen nicht mehr als einen kleinen Teil des Raumes einnehmen. Es ist in der Tat zu erwarten, dass die Vergangenheit für die Gesellschaften zunehmend weniger bedeutsam werden wird im Sinne eines Modells oder Präzedenzfalles für die meisten Formen menschlichen Verhaltens. Aus der Studie über die „erfundenen Traditionen“ können Historiker verschiedenen Nutzen ableiten: Der erste und wohl wichtigste Nutzen besteht darin, dass wir davon ausgehen dürfen, dass sie wichtige Symptome und damit Indikatoren für Probleme darstellen, die ansonsten nicht erkannt würden und für Entwicklungen, die ansonsten nur schwierig identifiziert und beschrieben werden können. Die Studie über „ invented tradition“ ist interdisziplinär und bringt Historiker, Sozialanthropologen und andere Wissenschaftszweige zusammen. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen ist für eine fruchtbare Zusammenarbeit unabdingbar. Mit der Thematik der Identitätsbildung befasst sich aber auch der Soziologe

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Bernhard GIESEN in seinen Abhandlungen über kollektive Identität. „Kollektive Identität ist bis heute ein aktuelles Thema. Als nationale, kulturelle, regionale oder ethnische Identität bestimmt diese Frage nicht nur die politische Rhetorik, sondern auch die Ziele alter und neuer sozialer Bewegungen. Sie begründet politische Konflikte und territoriale Ansprüche, sie gibt Minderheiten das Recht auf Widerstand gegen Mehrheiten und fordert des Weiteren unbedingte Solidarität, auch jenseits von Verwandtschaft und persönlicher Bekanntschaft, ein.“2 Bernhard Giesen entwirft eine Typologie von Codierungen kollektiver Identität (primordiale, traditionalistische, universalistische Codes) und beschreibt deren situative Bedingungen. Giesen betrachtet Gemeinschaft bzw. kollektive Identität als eine Suche nach persönlicher Identität bzw. individueller Selbstbestimmung. Die kollektive Identität räumt der eigenen Persönlichkeit quasi eine Art Schutzraum ein, der wiederum als Grundlage angesehen wird, die eigene individuelle Identität zu bilden und zu entfalten. Für Giesen ist kollektive Identität konstruiert. Das bedeutet, dass diese „kollektiven Identitäten nicht rein zufällig entstehen, sondern inszeniert und geglaubt werden. Sie begünstigen Interessen und geben unklaren Lebenslagen eine klare Kontur, aber sie sind weder natürlich noch sind sie selbstverständlich gegeben. Sie sind vielmehr sozial konstruiert.“3 Hierbei unterscheidet Giesen richtigen und falschen Gemeinschaftsglauben voneinander. Unter richtigem bzw. gutem Gemeinschaftsglauben versteht Giesen ein „selbstbestimmtes und vernünftiges Gemeinschaftsbewusstsein, das von identitätsbezogenen Motiven geleitet wird. Der falsche Gemeinschaftsglauben hingegen trägt einen verwerflichen und instrumentellen Charakter. Eine solche Unterscheidung kann allerdings nur von außen, also aus der Beobachterperspektive vorgenommen werden.“4

2 Giesen, 1999, S. 9 3 ebenda, Giesen, 1999, S.12

4 ebenda, Giesen, 1999, S.12/13 14

Auch Helmut BERDING5 befasst sich in seinem Werk „Nationales Bewusstsein und kollektive Identität“ mit den Entstehungsvoraussetzungen nationalen Bewusstseins und kollektiver Identität. Gerade im Zuge der Vergrößerung der Europäischen Gemeinschaft sieht er eine zugleich gegenläufige Bewegung der Betonung kleinstaatlicher bzw. regionaler Identitäten. Die Sorge um den Verlust der kulturellen Eigenart und damit der befürchtete Verlust regionaler Identität sind vermutlich die Triebkräfte, die dieses Phänomen erklären können. In direkter Anknüpfung an den Erkenntnissen Bernhard Giesens betrachtet auch Berding das Entstehen kollektiver Identitäten als eine Konstruktion. Berdings Annahme geht davon aus, „daß Nationen, wie alle anderen kollektiven Identitäten auch, keine naturwüchsigen Gebilde sind, sondern vielmehr als Resultat politischer Auseinandersetzungen und kultureller Veränderungen begriffen werden müssen.“6 So wird gerne durch Rituale Gemeinschaft konstruiert. Ein Beispiel für ein solches Ritual wäre etwa das Singen eines Liedes oder einer Hymne, z.B. das Singen des Badnerlieds. Das Singen eines gemeinsamen Liedes ist besonders geeignet zur Konstruktion von Gemeinschaft. „Auch Rituale im Allgemeinen können die Unterschiedlichkeit der einzelnen Individuen nivellieren und die Grenzziehung zwischen Teilnehmern und Nichtteilnehmern unterordnen. Es handelt sich dabei um die Ermöglichung eines Gemeinschaftsgefühls, welches individuelle Interessen und Nutzenerwägungen ausblendet.“7 Bei der Konstruktion kollektiver Identität wird eine künstliche Grenze zwischen dem Innenraum einer Gemeinschaft und seiner Außenwelt gezogen. Giesen spricht in diesem Zusammenhang von einer „elementaren Operation zur Herstellung sozialer Wirklichkeit.“8 „Kollektive Identität gründet sich demzufolge auf eine gemeinsame Vergangenheit, an der Außenstehende nicht teilhaben. Sie kann sich aber auch

5 Berding, Nationales Bewußtsein und kollektive Identität, Frankfurt a.M., 1994 6 ebenda, Berding, 1994, S. 10 7 Giesen, 1999, S. 15 8 ebenda, Giesen, 1999, S. 24 15 auf eine gemeinsame Vorstellung von der Zukunft gründen, die von den Außenstehenden nicht geteilt wird. Mit der steten Erinnerung an bestimmte Ereignisse versuchen die Mitglieder einer solchen Gemeinschaft sich wechselseitig auszuzeichnen, um sich von den Außenstehenden abzugrenzen.“9 Demselben Zwecke dient die Verwendung von diversen Abzeichen oder Emblemen mit einer entsprechend spezifischen Symbolik. Giesen unterscheidet drei Typen kollektiver Identität und spricht in diesem Zusammenhang von verschiedenen Codierungen bzw. Codes. „Unter Codes versteht Giesen die Bündelung einer Vielzahl von zentralen Differenzen. Diese Codes verbinden meist mehrere elementare und früh erlernte Unterschiede und haben Einfluss auf das Handeln der betroffenen Personen.“10 Giesen unterscheidet zwischen primordialen, traditionalen und universalistischen Codes. Primordiale Codes beschreiben eine grundlegende Differenz zwischen denen, die einer Gemeinschaft zugehören und denjenigen, die an dieser Gemeinschaft nicht teilhaben. Entscheidende Zugehörigkeitsmerkmale sind Geschlecht, Verwandtschaft, Generation, Herkunft, Rasse oder Ethnizität. All diesen Merkmalen ist eine gewisse Unveränderbarkeit gemeinsam. Die Grenze zwischen Innen- und Außenwelt ist bei derartiger Gemeinschaftsbildung bewusst trennscharf gezogen, so dass es zu einer spürbaren Konfrontation zwischen Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit kommen kann. Primordiale Gemeinschaften sind somit sehr stabil und exklusiv. Die Zugehörigkeit zu einer primordialen Gemeinschaft ist quasi elementar festgeschrieben. „Aussehen, Herkunft, Abstammung eignen sich gerade deshalb als Fundament zur Herstellung kollektiver Identität, weil sie bei der Vielzahl an Unterscheidungsmerkmalen der Mitglieder einer Gemeinschaft gerade die natürliche Gleichartigkeit und Ähnlichkeit hervorheben.“11 Eine

9 ebenda, Giesen, 1999, S. 25 10 ebenda, Giesen, 1999, S. 26 11 ebenda, Giesen, 1999, S. 35 16

Grenzüberschreitung zwischen Innen- und Außenwelt der Gemeinschaft ist in zwei Fällen denkbar. Entweder wenn ein Mitglied der Gemeinschaft aus gruppeninternen Gründen ausgestoßen wird oder wenn es darum geht, neue Mitglieder aus der Außenwelt für seine Gemeinschaft zu gewinnen. Grundsätzlich streben primordiale Gemeinschaften eine innere Homogenität an und versuchen tendenziell das Fremde von der Eigengruppe fernzuhalten. Ein weiteres Merkmal primordialer Identität ist die Dämonisierung der Außenwelt, also derjenigen, die nicht zu dieser Gemeinschaft dazu gehören. Fremde sind von der primordialen Gemeinschaft ausgeschlossen, weil sie fundamental anders sind und im Regelfall können diese auch nicht in die Gemeinschaft assimiliert werden. Diese Andersartigkeit wird von der eigenen sozialen Gruppe als Gefahr begriffen. Gerade die Wahrnehmung des Anderen – in unserem Fall des Württembergers - als Gefährdung für den eigenen sozialen Kontext ist in Baden durchaus anzutreffen. Es sollte allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass diese festgestellte Andersartigkeit der Württemberger für den badischen Landesteil heute wohl kaum als existenzielle Bedrohung wahrgenommen wird und sich somit eher auf den Bereich des Kommunizierens beschränkt. Aber in der Tat werden auf beiden Seiten Feindbilder gezeichnet, um sich voneinander abzugrenzen und die eigene Identität zu bewahren. Die Dämonisierung wird somit zu einem wichtigen Bestandteil primordialer Konstruktion von Grenzziehung. Des Weiteren führt Giesen traditionale Formen zur kollektiven Identitätsfindung an. Kennzeichnend für die traditionelle Identitätsbildung sind gesellschaftliche Routinen, das Einhalten bestimmter, oft ungeschriebener Verhaltensregeln und die Traditions- und Brauchtumspflege. Eine gewisse Vertrautheit innerhalb der sozialen Gruppe spielt bei dieser Form der Identitätsbildung eine wichtige Rolle. Diese traditionalen Formen bedürfen keiner externen Grundlage, sondern ganz im Gegenteil, gerade die Traditionen und Erinnerungen einer Gemeinschaft werden als Kern der kollektiven Identität betrachtet. Damit kann an der eingangs

17 formulierten Frage angeknüpft werden, nämlich ob das badische Sonderbewusstsein vielleicht eine Art Erinnerungsleistung darstellt? Die kollektive Identität hat in diesem Fall vor allem eine zeitliche Komponente. Von entscheidender Bedeutung ist in diesem Fall allerdings nicht die reale Kontinuität zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sondern vielmehr der Versuch, die Gegenwart in ein konstruiertes Identitätsmuster einzureihen, um auf diese Weise ein kollektives Bewusstsein von Identität zu schaffen. Das wichtigste Mittel zur Schaffung traditionaler kollektiver Identität ist ein behauptetes gemeinsames, wie auch immer hergestelltes Konstrukt der Erinnerung. Das bedeutet, dass man sich die Vergangenheit mittels Erinnerung aneignet und zwar im Sinne der eigenen Vergangenheit im Gegensatz zu den Vergangenheiten anderer. Diese Art der Identitätsbildung wird nicht hinterfragt und keinesfalls in Frage gestellt. Derjenige, der dieser Tradition auf den Grund gehen will, macht sich schnell zum Außenseiter dieser sozialen Gemeinschaft. Traditionale Identitätsbildung ist sehr Gemeinschaft stiftend, obwohl oder vielleicht gerade weil sie oft sachlich nicht begründbar ist. Es geht also um die Herstellung von Gemeinsamkeit und nicht um die Suche nach sachlicher Wahrheit. Die traditionale Gemeinschaft basiert meist auf einem Gründungsmythos, der die Gemeinschaft zusammen brachte. Auf diesem Wissen beruhend, existieren auch in Baden bestimmte Orte der Erinnerung, an denen zu bestimmten Zeiten der gemeinsamen Vergangenheit gedacht wird. Diese Feiern und Festlichkeiten sind eine Art Veranstaltung der Erinnerung, bestehend aus öffentlichen Reden, Märschen, Trachtenumzügen, Fahnenträgern und Gesängen. In diesem Zusammenhang sollte an das Badnerlied erinnert werden. An dieser Stelle sollte auch der Aufsatz von Eckhard JOHN „Was ist Badens Glück? Baden-Lieder in der Südweststaatdebatte 1950/51“12 Erwähnung finden, der sich mit der politischen

12 John, 2003, S. 15-38

18 wie sozialgeschichtlichen Bedeutung von populärem Liedgut in Baden- Württemberg auseinandersetzt. Seine Ausführungen verdeutlichen die Bedeutsamkeit des Liedgutes als Identität stiftendes Medium, das zeitgleich der Abgrenzung gegenüber anderen dient. Die traditionelle Form der kollektiven Identität hat häufig lokale Bezüge, was die Thematik der vorliegenden Abhandlung zeigt. Ein zweiter wichtiger Bestimmungsfaktor traditionaler Identität ist die Lokalität. Die traditionale Identität ergibt sich aus einem konkreten lokalen Zusammenhang und folgt damit keiner abstrakten Gesetzmäßigkeit. Traditionale Identität hat aber auch die Eigenschaft, der Entstehung von Neuem im Wege zu stehen. Und auch hierin findet man einen Berührungspunkt zur eingangs bereits formulierten Frage, ob badisches Identitätsbewusstsein historisch tradierte Wurzeln hat oder eine Neubildung von Identität darstellt. Traditionale Identitäten stabilisieren somit kulturelle, soziale und regionale Unterschiede. Neben der Erinnerung und der Lokalität stellt die Personalisierung den dritten Bestimmungsfaktor traditionaler Identitätsstiftung dar. Die schnelle Entwicklung eines badischen Sonderbewusstseins im 19. Jahrhundert ist sicherlich u.a. auch auf die Person des Großherzogs von Baden zurückzuführen, der integrierend und für seine Untertanen Gemeinschaft stiftend wirkte. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Abhandlung ist natürlich vor allem der Zeitraum nach 1952 bzw. die Zeit nach der Volksabstimmung des Jahres 1970 von besonderem Interesse, denn für das heutige badische Bewusstsein von Identität dürften die Herrscher des einstigen Fürstenhauses von eher untergeordneter Bedeutung sein. Die letzte Bestimmungsgröße eines kollektiven Bewusstseins von Identität stellt laut Giesen die so genannte universalistische Identitätsbildung dar. Es handelt sich dabei um eine Art religiöser Überzeugung als verbindendes Element der Gemeinschaft. Man unterscheidet hierbei reale Wirklichkeit von einem transzendenten jenseitigen Bereich. Die Form der Grenzziehung und das Verhältnis zu denjenigen, die nicht dieser Gemeinschaft

19 angehören, stellen den wesentlichen Unterschied zu den primordialen und traditionalen Gemeinschaften dar. Außenstehende werden als potentielle künftige Mitglieder betrachtet, das heißt, es besteht die grundsätzliche Möglichkeit des Übertritts zu dieser Gemeinschaft, sofern sich Außenstehende von ihrem Irrglauben bekehren lassen. Außenstehende werden also nicht dämonisiert, sondern eher als unmündige Wesen betrachtet, die noch nicht vom richtigen Weg überzeugt werden konnten. Folglich neigen universalistische Gemeinschaften zu missionarischer Tätigkeit. Universalistische Formen kollektiver Identität sehen zwischen Vergangenheit und Gegenwart keine Kontinuität und wollen diese auch nicht herstellen; im Gegenteil, man sagt sich bewusst von der Vergangenheit los. Während traditionale Gemeinschaften sich der Vergangenheit verpflichtet fühlen, streben universalistische Identitätsformen stets nach Veränderung der bestehenden Ordnung, durchaus auch im Sinne revolutionärer Veränderungen. Entgegen der Beharrlichkeit traditionaler Identitäten zeigen universalistische Gemeinschaften die Tendenz zur Wandelbarkeit und zum Fortschritt und sind somit von einem Sendungsbewusstsein geprägt. Identität und Identitätsfindung sind gerade in unserer Zeit aktueller denn je. So befasst sich beispielsweise Stefan SEIDENDORF13 schwerpunktmäßig mit diesen Themenkomplexen. Seidendorf ist Mitarbeiter des deutsch- französischen Instituts in Ludwigsburg. „Das Deutsch-Französische Institut ist ein unabhängiges Forschungs-, Dokumentations- und Beratungszentrum für Frankreich und die deutsch-französischen Beziehungen in ihrem europäischen Umfeld. Als Plattform für den Dialog von Akteuren beider Länder begleitet und gestaltet es seit mehr als sechzig Jahren die deutsch-französische Kooperation in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das deutsch-französische Institut verbindet praxisrelevante Forschung mit der gezielten Förderung des grenzüberschreitenden Informations- und Erfahrungsaustausches und schafft so

13 Seidendorf, Europäisierung nationaler Identitätsdiskurse – Ein Vergleich französischer und deutscher Printmedien (Regieren in Europa Bd. 13), Baden-Baden, 2007 20 die Grundlage für einen offenen Dialog und eine konstruktive Zusammenarbeit beider Länder im europäischen Kontext. Dank der umfassenden Dokumentation und Archivierung sämtlicher relevanter Materialien zu Frankreich und den deutsch-französischen Beziehungen ist das dfi in der Lage, Adressaten in Politik, Medien, Verwaltung, Wirtschaft und Verbänden mit wissenschaftlichen Analysen sowie aktuellen Informationen und Hintergründen beratend bei ihrer Arbeit zu unterstützen.“14 Sein Projekt befasst sich mit dem nationalstaatlichen Aspekt der Identitätsbildung im europäischen Kontext. Seidendorf vergleicht Presse- und Politikerstimmen zur nationalstaatlichen Identität in Deutschland und Frankreich. Ihm geht es also um Identitätsbildung auf nationaler bzw. staatlicher Ebene, während die vorliegende Arbeit einen regionalen Aspekt von Identitätsbildungen beleuchtet. Auch Seidendorf geht es um die Neu- und Weiterentwicklung von Identitäten und den Einfluss der Existenz der Europäischen Union auf diesen Prozess. Sowohl regionale wie auch nationale Identität sind bedeutsam für die Entstehung demokratischer Legitimität. Für Seidendorf sind Kenntnisse über die Art von Identitätskonstruktionen die Grundlage für ein besseres Verständnis von Akzeptanz bzw. Nicht-Akzeptanz europäischer Entscheidungen. Diese Erkenntnisse lassen sich ebenso auf die landespolitische Ebene transformieren, da hier – lediglich auf geographisch kleinerem Raum - die gleichen Prozesse stattfinden. Gibt es überhaupt eine baden-württembergische Identität? Haben die Menschen in diesem Lande ein Gefühl des „baden-württembergisch Seins“ und existiert somit ein baden-württembergisches Identitätsgefühl? Sicher spielen eine Vielzahl gruppendynamischer Prozesse eine Rolle, die erst eine gemeinsam konstruierte Identität ermöglichen und hervorbringen. Der kulturelle Kontext, vor dessen Hintergrund diese mögliche Neuformierung von Identität stattfindet, ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Dabei ist das

14 www.dfi.de/de/DFI/ueber_wir.shtml (23.02.2012) 21

Verhältnis eines jeden einzelnen Bürgers von Baden-Württemberg in Bezug auf seinen Landesteil von Interesse. Pierre MOSCOVICI (1984, 1994, 1998) zeigte die immense Bedeutung der sozialen Rahmenbedingungen, unter denen Menschen aufwachsen und leben auf im Bezug auf die Ausbildung von Identität. Eine Art „Baden- Württembergisierung“ spielt sich nicht allein auf rein technischer und administrativer Ebene ab, sondern sie schließt einen Wandel von Einstellungen, Mentalitäten und schließlich von Identitäten mit ein. Es ist zu vermuten, dass gerade in diesem bürokratisch-administrativen Bereich eine Abgrenzung festzustellen ist und festzustellen bleibt. Ein solches Fortbestehen beispielsweise im Bereich der Verwaltung oder des Vereinswesens könnte somit durchaus als Resistenz bewertet werden bzw. als eine Ausdrucksform in der sich eine bestimmte Identität widerspiegelt. Doch welches sind die Voraussetzungen für die Existenz einer politischen Identität? Diesbezüglich erinnert Peter GRAF KIELMANSEGG (1996) an drei Identitätskategorien, die für politische Identität charakteristisch sind: die Sprachgemeinschaft, die Erfahrungsgemeinschaft und die Erinnerungsgemeinschaft. Das Gefühl für ein gemeinsames größeres Staatsgebilde manifestiert sich vermutlich relativ langsam. Die Entwicklungsgeschwindigkeit dürfte u.a. von der Stärke der drei genannten Identitätskategorien abhängig sein. Zwecks Verständigung ist eine gemeinsame Sprachwurzel natürlich primäre Voraussetzung. Unter der Erfahrungsgemeinschaft ist das gemeinsame Diskutieren und Beratschlagen über politische Angelegenheiten, Vorhaben und dergleichen zu verstehen. Vor allem die erfolgreiche Erörterung politischer Themen, die durch gemeinsamen Austausch und Kompromisse zustande kommen und somit fruchtbar sind, trägt enorm zur Entwicklung einer gemeinsamen politischen Identität bei. Die Erinnerungsgemeinschaft fußt vor allem auf dem Bewusstsein einer gemeinsamen historischen Vergangenheit. Begriffe wie kollektive Identität und Geschichtsbewusstsein treten vor allem

22 dann in Erscheinung, „...wenn psychosoziale und politische Orientierungsschwierigkeiten, Krisen und Konflikte die kollektive Praxis prägen...“15 Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich somit auch die Auseinadersetzung um den Südweststaat und seine psychosozialen Folgen begreifen. Für Baden ging es sicherlich primär um den politisch-staatlichen Fortbestand seiner Eigenständigkeit. Aber für die Bevölkerung Badens spielte sicherlich auch die Furcht vor dem Verlust beziehungsweise der Verwässerung kultureller und ethnischer Eigenständigkeit und Zugehörigkeit im Sinne eines Orientierung gebenden Lebensrahmen eine Rolle. Aber auch Einzelpersonen verstehen ihre Gegenwart und Zukunft nicht selten aus der Vergangenheit heraus, mit der sie sich und ihr Schicksal, im Sinne gegebener Voraussetzungen, eng verknüpft sehen. Dementsprechend werden viele Ressentiments, in unserem Falle gegenüber den Schwaben, dadurch begreiflich, dass man sich mit der eigenen Landesgeschichte sehr stark verwoben sieht, unabhängig davon, ob man die Querelen um die Gründung des Landes Baden-Württemberg 1952 selbst miterlebt hat oder nicht. Denn die Ressentiments beschränken sich schließlich keineswegs nur auf diejenige Generation, welche die Geschehnisse zeitgenössisch erfahren hat, sondern gerade auch Generationen nach 1952 bzw. 1970, dem Jahr der endgültigen Abstimmung über den Verbleib Badens im neu gegründeten Bundesland. Straub bringt diesen Sachverhalt folgendermaßen auf den Punkt: „Personen verstehen geschichtlich, was ihnen einst widerfuhr und wie sie handelnd zur Welt Stellung nahmen, und sie begreifen nicht zuletzt ihre heutige Lage sowie das, was sie gegenwärtig tun und lassen oder künftig unternehmen wollen, teilweise eben historisch.“16 Sowohl die Konstruktion wie auch die Subjektivität historischen Bewusstseins wird in den Ausführungen Straubs deutlich. Wirft man einen Blick zurück auf die Gündung des Landes Baden-Württemberg 1952, so wird unschwer festzustellen sein, dass diese Gründung begleitet war von unzähligen Schwierigkeiten, die auf die

15 Straub, 1998, S. 81 16 ebenda, Straub, 1998, S. 82 23 unterschiedliche Prägung durch unterschiedliche Traditionsbestände in den Landesteilen zurückzuführen sind. Allein die Frage nach dem Namen des neuen Bundeslandes stellte die Beteiligten vor größte Schwierigkeiten. Zwar konnte Reinhold Maier am 25. April 1952 die erfolgreiche formale Vereinigung der drei Landesteile verkünden, doch noch immer fehlte dem Land ein Name, eine Verfassung und ein Landeswappen. An Vorschlägen für die Namensgebung des neuen Landes mangelte es wahrlich nicht. Letztlich kristallisierten sich vier mögliche Namen heraus, welche favorisiert wurden. „Bei einer Probeabstimmung am 26. Februar 1953 erhielt „Schwaben“ die meisten Stimmen. Es folgten Rhein-Schwaben, Baden-Württemberg, Alemannien. Doch gerade am Namen „Schwaben“ schieden sich die Geister.“17 Bis heute wird die Bezeichnung „Schwabe“ in Baden als eine Beleidigung angesehen. „(...), die Pforzheimer litten jetzt schon unter der Bezeichnung „Dachtraufschwaben“ und in würde man gar „gesteinigt, wenn man den Namen Schwaben vorschlägt“. Zudem seien der „Schwäbische Gruß“ und die „Schwabenstreiche“ nur allzu bekannt.“18 All diese Schilderungen verdeutlichen, wie tief die Gräben und wie groß das Misstrauen zwischen den Landsmannschaften waren. Um dem badischen Landesteil nicht das Gefühl der Annexion durch Württemberg zu geben, entschied man sich für den Namen Baden-Württemberg, in welchem der badische Landesteil, nicht nur wegen der alphabetischen Reihenfolge, zuerst genannt wird. Eine Verfassung für das neue Bundesland konnte erst nach achtzehnmonatiger Debatte am 11. November 1953 verabschiedet werden. Das Große Landeswappen wurde erst am 3. Mai 1954 per Gesetz konstituiert und sollte vor allem die Intention verfolgen, die verschiedenen Landsmannschaften und regionalen Kulturräume zu integrieren. Während man in der Namensfrage aus den entsprechenden Motiven und Überlegungen heraus Baden quasi den Vortritt ließ, so konnte sich in Sachen Gestaltung des Landeswappens, welche

17 Setzler, „Ein Symbol so gut wie der Name“: Das Große Landeswappen von Baden-Württemberg, in: Weber, Der deutsche Südwesten, Regionale Traditionen und historische Identitäten, Stuttgart, 2008, S. 191/192 18 ebenda, Setzler, 2008, S .192

24 vorwiegend auf den Vorschlag der beiden württembergischen Archivdirektoren zurück ging, eher die württembergische Seite durchsetzen. Setzler zweifelt jedoch die Integrationskraft des Landeswappens stark an und glaubt nicht, dass dieses ernsthaft zur Stiftung einer gemeinsamen Identität im neuen Bundesland Baden-Württemberg beigetragen hat. Einen interessanten und aufschlussreichen Beitrag zur Frage der Identitätsbildung bzw. Identitätsstiftung leistet der Aufsatz von Klaus-Jürgen Matz19 über die historische Identität der deutschen Bundesländer. Was ist überhaupt Identität stiftend? Unterschwellig Identität stiftend sind sicherlich auch sämtliche repräsentativen Bauwerke wie Burgen und vor allem Schlösser, von denen in Baden- Württemberg und in Deutschland überhaupt historisch bedingt eine Vielzahl existiert. Sind es für Württemberg etwa die Schlösser in Stuttgart oder Ludwigsburg, so sind es für Baden beispielsweise , Bruchsal, Rastatt, Schwetzingen u.v.m.. In beiden Fällen findet durch die bloße Präsenz und Gegenwärtigkeit eine permanente und somit latente Erinnerung an Zeiten von Macht, Einfluss und Prunk statt, auf welche man sowohl in Baden als auch in Württemberg gerne zurückblickt. Somit ist unser heutiges Bewusstsein von Identität durchaus auch geprägt von Erinnerungen und politischen Zuständen der Vergangenheit. „Akte historischer Sinnbildung sind also alle Handlungen, die in irgendeiner Weise zur Konstruktion und Repräsentation von Wirklichkeiten führen, die wir als spezifisch historisch auffassen.“20 Die Präsenz dieser Bauwerke ist bis heute nicht nur in den heutigen Machtzentren Stuttgart und Karlsruhe, sondern landauf, landab in vielen kleineren Schlössern und Burgen kleinerer einstiger selbständiger Adelsherrschaften sichtbar. Sie werden damit sowohl Kerne der Erinnerung als auch zu Orten heutiger Identitätsstiftung.

19 Matz, Über die historische Identität der deutschen Bundesländer, in: Weber, Der deutsche Südwesten, Regionale Traditionen und historische Identitäten, Stuttgart, 2008 20 Straub, 1998, S. 85 25

Einen Beleg für die existierende Diskrepanz zwischen der tatsächlichen und der gefühlten Landesgrenze bot die „Tour de Ländle“ des Jahres 2011. Politisch mögen die alten Landesgrenzen zwar keine Rolle mehr spielen, aber in den Köpfen der Bevölkerung ist die alte Landesgrenze zwischen Württemberg und Baden durchaus von emotionaler Bedeutung. So betonte die SWR- Berichterstattung während der 5. Etappe der „Tour de Ländle“ vom württembergischen Tettnang ins badische Salem, „dass man im Begriffe sei, die gefühlte Landesgrenze just in diesem Augenblicke überschritten zu haben“21. Die „Tour de Ländle“ wird jährlich von SWR4 und der EnBW veranstaltet. Es handelt sich dabei um eine Freizeitradrundfahrt durch verschiedene Regionen Baden-Württembergs in ursprünglich acht Etappen und einer Strecke von etwa 600 km Länge. Seit 2010 werden in sieben Tagesetappen weniger als 500 km zurückgelegt. Im Vordergrund steht die Freude an der Bewegung und das Gemeinschaftserlebnis. Dem entsprechend ist die Bezeichnung „Tour de Ländle“ als eine Verballhornung des wichtigsten Radsportereignisses der Welt, der „Tour de France“, zu betrachten. Bei der „Tour de Ländle“ geht es also nicht um sportlichen Ehrgeiz, stattdessen werden die Etappen von einem vielfältigen Rahmenprogramm wie etwa Stadtführungen, Besichtigungen, Musikveranstaltungen und einem Kinderprogramm begleitet. Die alljährliche Tour wird u.a. von einem SWR4-Radiobus begleitet, aus welchem die SWR4- Reporter zum Teil live berichten. In den Köpfen der Menschen scheint man von einer echten Einheit des Landes offensichtlich weiter entfernt zu sein, als es die Landesregierung nach außen gemeinhin propagiert. Einen wichtigen Beitrag zum Thema Identität und kulturellem Gedächtnis leistet Aleida Assmann.22 Dass das Wissen um Ereignisse aus der Vergangenheit ein wesentlicher Kristallisationspunkt für die Ausbildung eines Bewusstseins von Identität ist liegt auf der Hand, da die Geschichte Auskunft gibt über die eigene Herkunft

21 SWR-Berichterstattung vom 03.08.2011 22 Assmann, Erinnerungsräume, Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München, 2009 (4. Auflage) 26 und damit nicht zuletzt über die eigene Identität und den politischen Kulturraum zu dem man sich zugehörig fühlt. Nicht zuletzt dient dieses Bewusstsein von Identität auch der Legitimation politischer und staatlicher Ansprüche. Die Genese, Stärke und Bedeutung einer Landesidentität hängt laut Matz von drei entscheidenden Faktoren ab, die zu ganz unterschiedlichen Anteilen in den Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland wirksam werden. Dabei handelt es sich zum einen um die sog. Ancienität. Das meint das Phänomen, dass, in einem Bundesland Strukturen feststellbar sind, die auf Traditionen des Alten Reiches (Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation) zurückzuführen sind und deren Strahlkraft bis in die Gegenwart reicht. Zum anderen geht es um die Frage, inwiefern die Strukturen konfessioneller Verteilung in einem Land zur Ausbildung eines spezifischen Landesbewusstseins eine Rolle spielen? Des Weiteren kann auch eine gemeinsame Resistenzerfahrung zur Landesidentität beitragen. Landauf landab ist man in der Bundesrepublik darum bemüht, Landesidentität zu stiften. So sind beispielsweise auch die Versuche verschiedener Landesregierungen zu werten. Sowohl der Werbe-Slogan der baden-württembergischen Landesregierung „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ als auch derjenige der bayerischen Landesregierung „Laptop und Lederhose“ verdeutlichen die Integrationsversuche der Landesregierungen, die häufig auf kultureller Vielfalt beruhenden Landesidentitäten. Mangels einer erfolgreichen Nationalgeschichte in der Bundesrepublik kommt laut Matz den ökonomischen Faktoren eine umso größere Bedeutung bei der Ausbildung von Identität und Systemakzeptanz zu. Matz zeigt auf, „dass Länder, in denen ganz unterschiedliche historische Traditionen und Identitäten zusammengebunden sind, gerade aus diesem vermeintlichen Manko ein spezifisches Profil entwickeln können.“23 Dies ist sicherlich auch in Baden-Württemberg ein gangbarer Weg, um gemeinsame Landesidentität zu stiften. Matz kommt zu der Erkenntnis, „dass die Mehrzahl der deutschen Bundesländer nicht über einen

23 ebenda, Matz, 2008, S. 206 27 gemeinschaftlichen Identitätsstrang verfügt, der weit in die Vergangenheit zurückweist.“24 Neben Bremen und Hamburg weisen vor allem Brandenburg und Sachsen die stärksten historischen, kaum unterbrochenen Traditionsstränge auf. „Das Land (Bayern) ist das einzige überhaupt, das seine Ursprünge bis in vorterritoriale Zeiten, ja bis in die Zeit eines vorkarolingischen Herzogtums zurückverfolgen kann (und) zugleich (...) noch heute in seiner Gestalt dem Willen Napoleons entspricht.“25 Ein Land mit junger, aber starker Landesidentität stellt das Saarland dar, welches seine Landesidentität vorwiegend aus einer gemeinsamen Resistenzerfahrung speist. Für die Landesidentität Schleswig Holsteins gilt vergleichbares, auch wenn der Nationalitätenkonflikt in diesem Falle bereits etwas älteren Datums ist und ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Die Bindestrich-Länder verdanken ihre territoriale Zuschneidung den strategischen und politischen Vorstellungen der Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg. Wäre die Besatzungszeit ohne den Einfluss der Franzosen vonstatten gegangen, dann wären mit großer Wahrscheinlichkeit sowohl die preußische Rheinprovinz als auch die von Napoleon geschaffenen Länder Baden und Württemberg in ihrer ursprünglichen Territorialität erhalten geblieben. Da die Zersplitterung des Alten Reiches, auch in konfessioneller Hinsicht, gerade im deutschen Südwesten am größten war, besitzt auch das Land Baden-Württemberg keinen historischen staatlichen Kern, abgesehen von der Gestalt des alten Herzogtums Württemberg, welches allerdings lediglich ein Drittel des heutigen Bundeslandes ausmacht. Zwecks Identitätsstiftung sieht Matz folglich für Baden-Württemberg die größeren Erfolgsaussichten bei einer Betonung der kulturellen Vielfalt als in einer krampfhaften Betonung einer nicht existierenden Landeseinheit, die wenn überhaupt, ausschließlich aus seiner Wirtschaftskraft heraus resultiert. So erscheint die regionale Vielfalt nicht nur für Baden-Württemberg, sondern für ganz Deutschland einen besonderen Reichtum darzustellen.

24 ebenda, Matz, 2008, S. 208/209 25 ebenda, Matz, 2008, S. 220 28

Ein für Baden stark ausgeprägtes Bewusstsein von Identität attestiert auch Hans Georg Wehling26 in seinem Aufsatz über die Genese der politischen Kultur in Baden-Württemberg. Schon aufgrund der unterschiedlichen politischen Traditionsräume stellte die Gründung des Landes Baden-Württemberg im Jahre 1952 eine schwere Geburt dar. Zu unterschiedlich waren die Einflüsse vor allem in Baden und Württemberg gewesen. „Altwürttemberg hatte gegenüber den Neuerwerbungen ein geradezu chauvinistisch zu nennendes Überlegenheitsbewusstsein.“27 Es ist durchaus denkbar, dass dieser Sachverhalt die Verhandlungen über die Gründung des Südweststaates beeinflusste und das bereits vorhandene Misstrauen Badens gegenüber dem württembergischen Landesteil zusätzlich verschärfte. Sowohl Badens politische Kultur wie auch dessen Lebensart resultieren aus dem französischen, aber auch aus dem Einfluss der Schweizer Eidgenossenschaft. In Baden entwickelte sich auch eine andere Streitkultur heraus, welche auf seine insgesamt heterogene Gesamtbeschaffenheit zurückzuführen ist. Württemberg stellte dagegen hinsichtlich politischer und gesellschaftlicher Strukturen ein vergleichsweise homogenes Gesamtbild dar, was die Notwendigkeit von Konflikten und internen Streitigkeiten deutlich verringerte. Der stete Zwang zur Selbstbehauptung führte in Baden andererseits aber auch zu einem stark ausgeprägten Zusammengehörigkeitsgefühl und Selbstbewusstsein. Nicht von ungefähr kommt die Verärgerung des Badeners, wenn er außerhalb Baden-Württembergs auf Speisekarten das Tannenzäpfle der badischen Rothaus-Brauerei unter der Rubrik „Schwäbische Gerichte und Getränke“ wiederfindet. Macht man den Restaurantbetreiber auf diesen Lapsus aufmerksam, so darf man sich über ein erstaunten Blick oder gar Unverständnis nicht wundern. „Das „Tannenzäpfle“ gilt beispielsweise in den Szene-Vierteln Berlins, in denen es tatsächich gerne getrunken wird als „schwäbische Spezialität“. Lokale werben mit „schwäbischer

26 Wehling, Die Genese der politischen Kultur Baden-Württembergs, in: Thierfelder / Uffelmann, Der Weg zum Südweststaat, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung, Stuttgart, 1991 27 Wehling, 1991, S. 325 29

Küche“ und „schwäbischen Bieren wie Tannenzäpfle“, an Theken wird „das leckere Bier aus dem Schwabenland“ bestellt, auf Speisekarten steht das „Tannenzäpfle“ direkt unter den „schwäbischen Spätzle“ und den „schwäbischen Maultaschen“ und wer den Wirt oder Pächter einnes Lokals auf den Fauxpas anspricht, der erntet verständnislose Blicke nach dem Motto: Schwaben oder Baden, wo ist da der Unterschied? Wir sehen also: Der überaus rührige „Bund Freiheit statt Baden-Württemberg“ hat noch viel Arbeit vor sich. Unser Vorschlag: Die staatliche Rothaus-Brauerei wird dazu überredet, das beliebte Bier in „badisches Tannenzäpfle“ umzubenennen.“28 Dieses Beispiel verdeutlicht, dass der Blick auf Baden-Württemberg von außen nicht nur ein gänzlich anderer ist, sondern auch dem realen inneren sozialen Gefüge nicht entspricht. Der Baden-Württemberger, allen voran der Badener, legt einen ganz ausdrücklichen Wert darauf, in welchem Landesteil er zu Hause ist. In parteipolitischen Auseinandersetzungen wird dieser Sachverhalt bisweilen bis auf den heutigen Tage sichtbar. Selbst nach vierzig Jahren Baden- Württemberg stellt Wehling die Frage, „ob der Bindestrich-Charakter des neuen Landes je überwunden werden könne“29. Und auch anlässlich des bevorstehenden sechzigjährigen Landesjubiläums im Jahre 2012 drängt sich weiterhin die Frage auf, ob der Bindestrich im Namen des Bundeslandes, vielleicht nicht doch eher einen Trennungsstrich, zumindest in den Köpfen der Menschen, darstellt. Auch die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland im Jahre 2006 hat nur zu deutlich offengelegt, dass in Deutschland keine gesamtdeutsche Identifikationsinstanz vorhanden ist. Die Nationalelf und Jürgen Klinsmann als Bundestrainer haben quasi für vier Wochen in Sachen Identifikation die Funktion früherer Kaiser, Könige, Großherzöge und Herzöge und anderer Machthaber erfüllt. Für die Stiftung von Identität ist es dabei nicht entscheidend, ob es den Menschen unter der einen oder anderen Herrschaft gut oder schlecht, besser oder schlechter ging, sondern um die bloße Symbolik einer

28 „Schwaben-Bier“, Badische Neueste Nachrichten, vom 13.03.2011, S. 2 29 ebenda, Wehling, 1991, S. 324 30 solchen Herrschergestalt als einer Art kollektiver Instanz, die allen Untertanen einen Orientierungsrahmen bot. Entscheidend ist die Tatsache bzw. die Existenz etwas Gemeinsamen und nicht deren Bewertung. Francois Etienne30 und Hagen Schulze befassen sich intensiv mit der Thematik der Erinnerungskultur und der Entstehung von Erinnerungsorten der Geschichte, welche als Kristallisationspunkte des kollektiven Gedächtnises fungieren und im Laufe der Zeit durchaus einen Bedeutungswandel erfahren. Diese Wandelbarkeit der Bedeutung verschiedener Erinnerungsorte könnte auch für die Entstehung und Entwicklung badischer Identität eine Rolle spielen, da sich die badische Identität nach der letzten Volksabstimmung des Jahres 1970 unter Umständen zusätzlich aus anderen Quellen speist beziehungsweise sich um andere Kristallisationspunkten gruppiert und somit einen Wandel im Bezug auf ihre historischen Bezugspunkte erfahren hat. Folglich spricht einiges dafür, dass das badische Bewusstsein von Identität insbesondere nach 1970 eine neue Tradition darstellen könnte. Der Volkskundler Hermann BAUSINGER hat sich in seinen Forschungen besonders der Landesteile Baden-Württembergs angenommen. So stellt er unzweifelhaft fest, das es durchaus Differenzen zwischen Württemberg und Baden gibt und dass es sich hierbei keineswegs um ein unbeschwertes Verhältnis handelte. Dies verdeutlicht vor allem der Städtezusammenschluss von 1972 zwischen dem badischen Villingen und dem württembergischen Schwenningen, der als Paradebeispiel für die Einheit des Landes dienen sollte. Somit wurde Villingen-Schwenningen zum pars pro toto – allerdings weniger Einheit stiftend als vielmehr trennend. Dieser Zusammenschluss im Kleinen verdeutlicht entgegen den Erwartungen keine Einheitlichkeit des Landes, sondern verweist vorwiegend auf Schwierigkeiten, Probleme und mentale Resistenzen zwischen beiden Bevölkerungsgruppen. So ist es beispielsweise in über 30 Jahren, und damit bis heute, den Verantwortlichen nicht gelungen eine

30 Etienne/Schulze, Deutsche Erinnerungsorte Bd. 3, München, 2001 31 gemeinsame Telefonvorwahl einzurichten. Auch im kulturellen Bereich herrschen bis heute kurios anmutende Zustände - vor allem wenn man sich die Organisation der örtlichen Sportvereine genauer betrachtet. So ist es Vereinen aus Villingen formal nicht möglich, Wettkämpfe gegen das benachbarte Schwenningen zu bestreiten, während man sich in Schwenningen wie selbstverständlich zum Leistungsvergleich auf die Reise bis nach Tauberbischofsheim begibt. Der Grund für dieses Phänomen liegt darin, dass die örtlichen Vereine getrennten Dachorganisationen des Sports angehören. Von außen betrachtet, so konstatiert Bausinger, wird im Bezug auf die Südwestdeutschen Ländereien keine Binnendifferenzierung vorgenommen. Alles südlich des Maines wird als Schwaben bezeichnet. Und so machte man sich bereits zur Zeit des Norddeutschen Bundes über die Schwaben in Form von Witzen lustig. Dieses Nord-Süd-Gefälle ging vor allem von Sachsen aus. Somit wurden die Schwaben quasi zur Zielscheibe der Kritik seitens der nördlichen Provinzen Deutschlands. Auf Grund der aufgeklärten Kultur am Karlsruher Hof, ist man dort von derartigem Spott verschont geblieben. Ebenso bot der pfälzische Hof in Mannheim wenig Angriffsfläche für Häme. Die Schwäbischen Wanderrouten Gustav Schwabs führten ebenso durch badische Gebiete. An dieser, territorial betrachtet, nicht korrekten Bezeichnung nahm allerdings niemand Anstoß. Zu einer schwäbischen Selbststilisierung kam es erst nach der Neugründung der beiden Staaten zu Beginn des 19. Jahrhunderts und man legte wieder größeren Wert auf die entsprechenden Benennungen. Die Bezeichnung württembergisch bzw. Württemberg wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend verdrängt und an deren Stelle rückte zusehends der Begriff Schwaben bzw. schwäbisch. Insbesondere die einfachen Leute des neu entstandenen Königreiches bezeichneten sich eher als Schwaben und nicht als Württemberger. Die Bezeichnung Schwabe ist quasi eine Art Sammelbegriff, während sich der Begriff „Württemberger“ in der amtlichen Bürokratie wiederfindet und tendenziell auf die Oberschicht abzielte.

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Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Länder Württemberg, Hohenzollern und Baden durch die Alliierten in Besatzungszonen aufgeteilt. Diese Zwangseinteilung erwies sich als unbeabsichtigte Voraussetzung für eine spätere Vereinigung der drei genannten Länder. Allerdings löste der geplante Südweststaat erheblichen Widerstand vor allem im französisch besetzten Südbaden aus. Da die wirtschaftliche Lage gerade in Südbaden von besonders großer Not gekennzeichnet war, ist es alles andere als selbstverständlich, dass sich gerade hier ein derartig hartnäckiger Widerstand gegen die Zusammenlegung der Länder formierte. In der Hoffnung auf eine bessere Gesamtsituation wäre es durchaus auch denkbar gewesen, dass man sich bereitwillig einem größeren gemeinsamen Staatsgebilde angeschlossen hätte. In diesem Zusammenhang spielten allerdings Ressentiments eine ebenso große Rolle wie rationale Überlegungen. So formuliert Bausinger pointiert, dass „man Stuttgart fast noch weniger traute als den französischen Militärs“.31 In Baden pochte man gerade deshalb auf die Eigenständigkeit und damit auf die Wiederherstellung des alten Landes, weil diese Lösung auch als traditionell verstanden wurde. Das Argument der Autonomie war nicht spezifisch badisch, da man sich in der Nachkriegszeit in ganz Deutschland auf das eher Kleinräumige zurückbesann, weil gerade während der NS-Zeit regionale Besonderheiten dem nationalen Ganzen zum Opfer fielen und somit ein rein organisatorisches Dasein fristeten. „Von historischer Wirklichkeit ist immer dann die Rede, „wenn es um Zustände und Umstände, Verhältnisse und Ereignisse geht, die in ihrer Gewordenheit und / oder in ihrem Werdegang thematisiert werden.“32 Für Straub ist das historische Bewusstsein eine Konstruktion von Wirklichkeit. In Folge dessen spielt auch hier wiederum das subjektive Moment eine entscheidende Rolle. So betrachtet ist Geschehenes, also die Vergangenheit, nicht als endgültig abgeschlossen zu betrachten, da künftige Generationen über ein und denselben Sachverhalt der Vergangenheit

31 Bausinger, 2002, S. 83 32 ebenda, Straub, 1998, S. 86/87 33 einen anderen Blickwinkel einnehmen werden und ganz andere äußere Rahmenbedingungen zur Reflexion zur Verfügung haben werden. Daher geht Straub von der Annahme aus, dass historisches Bewusstsein „nicht unterscheidet, ob solche Konstruktionen (...) auf unbewusste, vorbewusste oder bewusste Vorgänge im Subjekt zurückzuführen sind, ob sie kognitiv anspruchsvoll oder weniger anspruchsvoll sind, rational oder irrational, emotional bewegt, moralisch konnotiert oder eher nüchtern gehalten (sind).“33 Neben vielen anderen Traditionsbeständen spielte in Baden auch die Orientierung an der katholischen Konfession eine wichtige Rolle für das badische Selbstverständnis. Der sentimental aufgeladene Begriff der Heimat, welcher hier ins Spiel gebracht wird, ist an und für sich nichts Ungewöhnliches. „Was im Falle Badens allerdings tatsächlich als ungewöhnlich zu bezeichnen ist, ist die Energie und Durchschlagskraft, mit der man den Heimatbegriff auf ganz Baden – also auch auf den nordbadischen Landesteil, welcher in der amerikanischen Zone lag – ausdehnte.“34 Da Karlsruhe als ehemalige Hauptstadt des Großherzogtums in dem von Amerikanern besetzten Landesteil lag, verstand von nun an „Freiburg sich als Sprachrohr und Treuhänderin des gesamten badischen Volkes im Sinne der Grenzen des Großherzogtums und damit auch als Interessensvertreterin der badischen Bevölkerung im neu entstandenen Land Württemberg-Baden.“35 Im ersten Kabinett Württemberg-Badens saßen mehrheitlich schwäbische Minister. Durch eine Weisung seitens der amerikanischen Besatzer sollte das bestehende Ungleichgewicht behoben werden. Im April 1952 war es dann soweit – die Landesteile wurden vereinigt und es dauert nicht lange, bis man der Gründung Baden-Württembergs einen Geburtsfehler attestierte. Diese Wahrnehmung erklärt sich aus folgender Tatsache: In der neuen Regierung war nur je ein Vertreter aus Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern als Minister vorgesehen, so dass die

33 ebenda, Straub, 1998, S. 92 34ebenda, Bausinger, 2002, S. 84 35ebenda, Bausinger, 2002, S. 84/85 34

Proportionen zwischen den Landesteilen nicht stimmten. Die Wirkung dieser Tatsache war höchst bedenklich, da sie v.a. in Südbaden den Widerstand gegen den Südweststaat forcierte. „Die Bevölkerung Südbadens sah in der Stuttgarter Regierungsbildung all ihre Befürchtungen bestätigt. Die Basler National-Zeitung sprach sogar von einer Vergewaltigung Badens.“36 Mit dem Regierungswechsel und Gebhard Müller (FDP) als neuem Ministerpräsidenten kam es zu einer ausgeglicheneren Besetzung der Regierungsämter und damit zu einer allmählichen Befriedung zwischen den alten Ländern. Wenn wir einen Blick auf die alten Länder werfen, dann können wir sofort folgendes feststellen: Dem liberalen Großherzogtum stand ein konservatives Königreich gegenüber. Der Ausgewogenheit wegen muss man aber auch fragen dürfen, wie liberal das Großherzogtum Baden und andererseits wie konservativ das Königreich Württemberg wirklich war? Im Zusammenhang mit der liberalen badischen Tradition sind aus heutiger Sicht die Leistungen und Kerne der Erinnerung an diese Leistungen für das badische Selbstverständnis von großer Bedeutung. Die Revolution von 1848/49 zeigt einen deutlichen Mentalitätsunterschied. „Baden war unbestritten ein Kern der revolutionären Geschehnisse, während es in Württemberg offenbar keine Revolution gegeben haben soll.“37 Hier sollte allerdings erwähnt werden, dass es auch in Württemberg liberale Elemente gegeben hatte. Der stark verbreitete Pietismus in Württemberg hat sicher einen Einfluss auf die Mentalität der Menschen ausgeübt, aber er allein reicht bestimmt nicht als Erklärungsmuster aus. „Dennoch sollen zur württembergischen Eigenart ein Mangel an offener Geselligkeit sowie eine gewisse verhockte Selbstzufriedenheit zählen. Des Weiteren spricht man gerne von der württembergischen Prüderie, einer übertriebenen Sparsamkeit und einer demonstrativen Frömmigkeit.“38

36 ebenda, Bausinger, 2002, S. 96 37 ebenda, Bausinger, 2002, S. 149 38 ebenda, Bausinger, 2002, S. 146/147 35

Man sollte auch hier wieder erwähnen, dass die eben beschriebenen Verhaltensweisen durchaus auch im badischen Landesteil anzutreffen sind. Die kulturelle Vielfalt, die in Baden-Württemberg anzutreffen ist, hat ihre Wurzeln in vornapoleonischer Zeit. In Deutschland gab es eine Vielzahl von Territorien, die weitgehende Hoheitsrechte besaßen. „Es gab über tausend Territorien. Am dichtesten war die territoriale Zerstückelung im Südwesten, wo etwa sechshundert Herrschaftsgebiete existierten. Ein Beispiel: Das Herzogtum Württemberg war mit 10.000 Quadratkilometern etwa 500 Mal so groß wie das Gebiet der Reichsstadt Bopfingen und 1000 Mal so groß wie das Territorium mancher ritterschaftlichen Dörfer. Über die politischen Zustände und die Lebensart der Bewohner entschied aber nicht nur die Größe eines Territoriums, sondern auch die Form der Herrschaft, die wirtschaftliche, religiöse und kulturelle Ausrichtung.“39 So überquert man in den meisten Teilen des heutigen Landes Baden-Württembergs innerhalb sehr kurzer Zeit einige ehemalige Grenzen früherer Territorien. Aufgrund dieser Gegebenheiten erscheint es unmöglich, dem neugeschaffenen Bundesland von heute auf morgen eine gemeinsame Identität zu verordnen. Dies ist aufgrund unterschiedlichster lokaler Besonderheiten nicht ohne weiteres möglich. Wehling sieht zwar durchaus die Möglichkeit, dass „auch Staatsneugründungen auf Dauer ein eigenes Zusammengehörigkeitsgefühl und eine eigene politische Kultur entwicklen können.“40 Ein solches Zusammengehörigkeitsgefühl kann man aber nicht erzwingen und schon gar nicht von staatlicher Seite versuchen zu verordnen. „In einem demokratischen Staat ist heute vor allem Behutsamkeit gefragt, die regionale und lokale Besonderheiten anerkennt, ja geradezu pflegt. Eine gemeinsame neue politische Kultur muss vorsichtig darübergelegt werden.“41 Man könnte es auch so formulieren, dass alte gewachsene Strukturen unter der

39 ebenda, Bausinger, 2002, S. 178/179 40 ebenda, Wehling, 1991, S. 326 41 ebenda, Wehling, 1991, S. 326 36

Oberfläche fortexistieren, auch wenn man sie durch neue politische Grenzen überdeckt werden. Bausinger verwendet zur Erklärung und Veranschaulichung dieses Phänomens den Bergiff des Palimpsests. Sowohl das Königreich Württemberg als auch das Großherzogtum Baden besaßen eine eigene Gemeindeordnung. Die württembergische Gemeindeordnung stammt aus dem Jahre 1822, die badische Gemeindeordnung aus dem Jahre 1831. In beiden Gebieten wird den Gemeinden eine Vielzahl von Aufgaben und Rechten überlassen. „Bei denjenigen Städten, die sich als Reichsstadt bezeichnen durften, gab es im Bezug auf Größe und Einfluss beträchtliche Unterschiede. Außerordentlich mächtig waren die Städte Rottweil, Ulm und Hall. Daneben existierten auch eine nicht geringe Zahl mittelgroßer Städte wie etwa Überlingen Ravensburg, Reutlingen, Esslingen oder Heilbronn. Die Zahl der ritterschaftlichen Gebiete war wesentlich größer als die der Reichsstädte. Die Vielfalt und Verschiedenheit wird noch größer, wenn man die wichtigste Bestimmungsgröße, nämlich die der Konfession, hinzu nimmt.“42 Mit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 bestimmte von nun an der Herrscher bzw. der Rat über die Konfession seiner Untertanen. Diese Regelung galt bis zum westfälischen Frieden 1648. Somit konstatiert Bausinger, „dass die Menschen in den katholischen Ortschaften, Territorien und Gegenden tendenziell eher aufgeschlossen waren für die freundlichen Seiten des Daseins.“43 „Die hohe Dichte unterschiedlicher und kleiner Herrschaften führte auch zu einer Vielfalt kultureller Leistungen. So entwickelte sich fast immer von einem prägenden Kern ausgehend eine eigene kulturelle Tradition.“44 Bei der Beschreibung des zerstückelten Landes sind Übertreibungen kaum möglich und somit stoßen wir auf eine entsprechend große Zahl von Identitätsräumen. Worauf auch immer wir unseren Blick richten – überall erkennen wir kleine und kleinste Herrschaftsgebiete. An sehr vielen Orten Baden-Württembergs lebt die

42 ebenda, Bausinger, 2002, S. 183/184 43 ebenda, Bausinger, 2002, S. 186 44 ebenda, Bausinger, 2002, S. 190 37 früher territoriale Tradition in lokalem Selbstbewusstsein und lokalen Heimatgefühlen weiter. Um die Vielfalt der Identitätsräume erklären zu können bezieht sich Bausinger auch auf Hans-Georg Wehling, „der in den kleineren Identitätsräumen des Südwestens, das Erbe einer Protest- oder mindestens distanzierten Haltung gegenüber den Staatsgründungen des frühen 19. Jahrhunderts sieht.“45 So entstand auch das Selbstverständnis Oberschwabens als Einheit aus einer gewissen Frontstellung gegen Stuttgart, da man sich ebenso wie in Baden von der Stuttgarter Regierung nicht ernst genommen und benachteiligt fühlte. Für das oberschwäbische Selbstverständnis spielt aber auch das vorderösterreichische Erbe als Besonderheit eine Rolle bei der Identitätsfindung. Die Gebiete Vorderösterreichs gingen Anfang des 19. Jahrhunderts zu einem beträchtlichen Teil in der Herrschaft Badens auf und zu kleineren Anteilen in den Herrschaften Württembergs und Bayerns. „Durch wissenschaftliche Vortagsreihen und andere Veranstaltungen, die an den vorderösterreichischen Einfluss in diesen Gebieten erinnern, ist es durchaus denkbar, dass sich durch das Aktualisieren historischer Zusammenhänge eine Art vorderösterreichisches Bewusstsein in der Bevölkerung entwickelte.“46 Diese aktualisierten Aufladungen historischer Erinnerungen kann natürlich auch in anderen Gegenden – z.B. in Baden – ein Bewusstsein von Identität schaffen. „Dabei ist allerdings zu beachten, daß sich Identitätsräume (teilweise) überlagern und daß die politisch-historische Zugehörigkeit nur eine Bestimmungsgröße unter anderen ist. Durch politische und oder wirtschaftliche Kooperation entstehen auch in der Gegenwart neue Räume, in denen die Bewohner durchaus ein Bewusstsein entwickeln und sich ein Gefühl der Zusammengehörigkeit ergeben kann.“47 Im Sinne einer Integrationsleistung kommt es seit 1952 auf eine besonders ausgewogene Gleichbehandlung beider Landesteile an. Integration ist somit ein

45 ebenda, Bausinger, 2002, S. 204 46 ebenda, Bausinger, 2002, S. 207 47 ebenda, Bausinger, 2002, S. 207 38 wichtiges Ziel der Politik, insbesondere dann, wenn es um neue Staatsbildungen geht wie im Falle Baden-Württembergs, das durch die Vereinigung heterogener Landesteile entstanden ist. In zuvor selbständigen Landesteilen hatte sich über fast 150 Jahre hinweg ein Eigenleben entwickeln können. Aus der Vielfalt der Territorien eine Einheit zu schaffen war und ist eine der wichtigsten und zugleich schwierigsten Aufgaben. An einen verordneten Integrationsprozess durch die Regierung war nicht zu denken, und es war allen Beteiligten klar, dass Badener und Württemberger als Gleichberechtigte zu behandeln waren. Um nicht in noch kleinräumigeren regionalen Zugehörigkeitsgefühlen zu sprechen, kann man sagen, dass ein Badener ein Badener und ein Württemberger ein Württemberger bleibt. Gerade der anzutreffende badische Habitus dient der bewussten oder unbewussten Abgrenzung zum Württemberger. Der Begriff des Habitus ist ein Fachterminus der Soziologie. Geprägt und determiniert wurde der Habitus-Begriff vor allem von Pierre Bordieu48. Nach Bordieu ist der Habitus zu verstehen „als in der Sozialisation erworbebes Bündel von Dispositionen, der Regelmäßigkeit, Erfolg, interaktives Funktionieren und kollektive Geltung der sozialen Praxis ermöglicht.“49 Dieser Versuch einer Annäherung an den Habitus-Begriff lässt sich auch auf die Badener – und natürlich jede beliebige andere Volksgruppe – übertragen, denn auch diese haben Dispositionen bewusst oder unbewusst durch Sozialisation, Vorurteile und Zuschreibungen erlernt, um sich in unserem Falle gegenüber den Schwaben abzugrenzen und um sich ein Bewusstsein für die eigene badische Identität anzueignen. „Der Habitus ermöglicht den Individuen den praktischen Sinn, also die Fähigkeit sich im sozialen Leben allgemein und in speziellen sozialen Feldern angemessen und auch findig bewegen zu können. Auch dieser praktische Sinn funktioniert zumeist ohne reflektierendes Bewusstsein.“50 Und dennoch gab es durchaus einige Versuche von Seiten des Staates, eine

48 Fuchs-Heinritz / König, Pierre Bordieu, Eine Einführung, Konstanz, 2005 49 ebenda, Fuchs-Heinritz, 2005, S. 117 50 ebenda, Fuchs-Heinritz, 2005, S. 119/120 39 gemeinsame Landesidentität zu kreieren. Diese Versuche scheiterten allerdings allesamt. Kaum ein Bewohner des Landes wird sagen, „ich bin ein Baden- Württemberger“, bestenfalls kann man auf die Äußerung stoßen, „ich komme aus Baden-Württemberg.“ Dies ist ein klares Zeichen für felhlende emotionale Identifikation mit dem gesamten Bundesland, die bewusst oder unbewusst vollzogen wird. „Unbewusst darf (…) nicht so verstanden werden, als ob sich der Habitus nur bei verdunkeltem Bewusstsein bemerkbar mache.“51 Diese Erläuterung im Zusammenhang mit dem Habitus-Bergiff erklärt in der zugrundeliegenden Thematik die bewusste Traditionspflege in Baden, aber auch die gezielte Abgrenzung vom Schwaben, da man nicht nur anders ist, sondern auch anders sein möchte. Ein gänzlich misslungener Versuch zur Schaffung von gemeinsamer Landesidentität war der Versuch der Landesregierung eine Landeshymne ins Leben zu rufen. Identitätsgefühle konnten mit diesem Unternehmen nicht ausgelöst werden. Es stellt sich ohnehin die Frage, ob die Bevölkerung dieses Bundeslands überhaupt das Bedürfnis nach einer Landeshymne verspürt? Es scheint kein Bedürfnis zu sein, da mit den bestehenden regionalen Liedern bzw. Hymnen, wie etwa dem Badenerlied, dem württembergischen Äquivalent und dem Hohenzollernlied, bereits deutlich stärkere Identifikationsgefühle abgerufen werden können. Die Identifikation mit dem 1952 geschaffenen Bundesland scheint bis heute weniger eine sentimentale als vielmehr eine nüchtern-rationale zu sein. Durch den Zusammenschluss von Nordwürttemberg und Nordbaden zum vorläufigen Land Württemberg-Baden geriet Karlsruhe ins Hintertreffen, denn die dortigen Behörden erlitten einen Bedeutungsschwund von der Landesregierung zur Landesverwaltung. Außerdem saßen in der Stuttgarter Regierung unter Reinhold Maier zunächst nur Schwaben. Auf Weisung der amerikanischen Besatzer wurde dieses Ungleichgewicht behoben.

51 ebenda, Fuchs-Heinritz, 2005, S. 116 40

Allerdings fanden sich im ersten Kabinett des neuen Bundeslandes erneut fast ausschließlich Württemberger. „In der Folgezeit wurde geradezu ängstlich auf eine ausgewogene Besetzung der Stellen geachtet. Durch die Verlagerung von Institutionen und die Dezentralisierung von Entscheidungen wurde ein Ausgleich zwischen den beiden Ländern angestrebt.“52 Karlsruhe profitierte von diesen Ausgleichsbemühungen am meisten – aber es hatte durch den Zusammenschluss auch am meisten verloren. Bemerkenswert ist v.a., „dass nicht nur wichtige Institutionen erhalten blieben, sondern auch neue eingerichtet wurden. Mit dem Bundesverfassungsgericht und dem bereits ansässigen Bundesgerichtshof waren nun die beiden höchsten deutschen Gerichte in Karlsruhe und machten die ehemalige Landeshauptstadt zur „ des Rechts“.“53 Bis ins Jahr 1970 bemühte man sich kontinuierlich um Kompensation, denn in diesem Jahr stand die endgültige Abstimmung über den

Verbleib im neuen Bundesland an. Der Ausgleichsprozess beschränkte sich aber nicht nur auf den klassischen politischen Sektor, sondern umfasste auch den kulturpolitischen Bereich des neuen Bundeslandes. Als Eigenheit des neuen Bundeslandes, aber auch als Folge der Bemühungen um Ausgewogenheit ist die Tatsache zu betrachten, dass beide Landesteile sowohl ihr eigenes Landesmuseum als auch ihre eigene Landesbibliothek besitzen. Im Bereich der Kunst entstand im Gegenzug zur Staatsgalerie in Stuttgart, das Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe. Zusätzlich entstanden in Mannheim das Landesmuseum für Technik und Arbeit sowie die Landesbuchmesse in Karlsruhe. „In fast allen Bereichen ist eine gewisse Ausgewogenheit festzustellen: Staatstheater in Stuttgart und Karlsruhe; Landesbühnen in Esslingen und Tübingen, nur eine badische in Bruchsal, aber dafür wesentlich mehr badische (National-) theater in Mannheim, Stadttheater in Heidelberg, Pforzheim, Baden-Baden, Freiburg und Konstanz; große

52 ebenda, Bausinger, 2002, S. 213 53 ebenda, Bausinger, 2002, S. 213 41

Musikfestspiele in Ludwigsburg und Baden-Baden, (aber auch in Schwetzingen) u.s.w..“54 In der Hochschullandschaft hat Baden seinen Bedeutungsvorsprung behaupten können. In diesem Zusammenhang ist auch die Errichtung des Kernforschungszentrums in Karlsruhe sowie die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder zur Förderung der Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen zu erwähnen. Der entscheidende Ausgleich stellte der wirtschaftliche Ausgleich der beiden Landesteile dar. Badener wie Württemberger betonen zuweilen die wirtschaftliche Überlegenheit ihres Landesteils. Für die Gegenwart heben diese Behauptungen sich gegenseitig auf. Das Großherzogtum hingegen zeigte sich in fast allen Branchen im Vorteil. „Württemberg als gewerbliches Land hinkte der Industrialisierung nach. Dafür gab es natürliche Ursachen wie Rohstoffmangel und landschaftliche Hindernisse. Entscheidend allerdings war die konservative Wirtschaftspolitik des Königreiches. Im Schwäbischen gibt es bis heute eine ausgeprägte Tendenz zur Ablehnung alles „Unnötigen“.“55 Sowohl für diese Haltung als auch für die gebremste industrielle Entwicklung hat man den Pietismus als Erklärungsmuster herangezogen. Baden war ein offenes Land und durch die Grenzlage waren weiträumige Handelsbeziehungen möglich. Diese wurden natürlich durch den Rhein als Verbindungsweg begünstigt und die Rheinebene schuf früher günstige Voraussetzungen für den Aufbau von Verkehrswegen. In Pforzheim wurden Ende des 18. Jahrhunderts Schmuckfabriken angesiedelt und die Stadt wurde zur „Goldstadt“ und erlangte großes Ansehen. „In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts entstanden in Karlsruhe eine Lokomotivfabrik, in Ettlingen eine Spinnerei und in Waghäusel eine Zuckerfabrik. In allen drei Fällen handelt es sich seiner Zeit um große Industrieanlagen.“56 Erst im 20. Jahrhundert kam Baden als Folge der Weltkriege wirtschaftlich ins Hintertreffen. Die

54 ebenda, Bausinger, 2002, S. 214 55 ebenda, Bausinger, 2002, S. 215/217 56 ebenda, Bausinger, 2002, S. 215/218 42 wirtschaftliche Unterstützung Badens, vor allem Südbadens, war zentraler Punkt bei den Verhandlungen zu einem Südweststaat. Sowohl die Verlängerung des Neckarkanals bis Stuttgart und sogar weiter bis Plochingen als auch der Ausbau der Bodenseewasserversorgung wurden kritisch zur Kenntnis genommen, während der Hochrhein nicht schiffbar gemacht wurde. Die wirtschaftlich stärkere Förderung Nordbadens gegenüber Südbadens hatte allerdings rein strukturelle Ursachen. Gerade im Zusammenhang mit einer möglichst ausgewogenen Behandlung beider Landesteile tauchte nach der Gründung Baden-Württembergs immer wieder die so genannte „Badenfrage“ auf. Aber auch schon in der Zeit vor der neuen Staatsgründung war hin und wieder die Rede von der Gefahr aus dem Osten. So sagte man den Bewohnern Südbadens nach, dass sie darunter die Menschen östlich des Schwarzwaldes, also die Württemberger, meinten. „Eine ähnliche Verwechslung der Maßstäbe soll es auch heute noch geben, denn völlig spannungsfrei verlief und verläuft die Entwicklung im neu geschaffenen Bundesland nicht und es kommt immer wieder zu Irritationen.“57 Unter der so genannten Badenfrage versteht man die tatsächliche oder zumindest befürchtete Benachteiligung des badischen Landesteils in jeder denkbaren Hinsicht. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass die Badenfrage in den Anfängen des Landes eine größere Rolle spielte als heute. Es wäre aber falsch zu glauben, dass dieses Thema vom Tisch wäre. Wenn die Badenfrage heute scheinbar weniger häufig aufzutauchen scheint, dann liegt das vor allem daran, dass diese Problematik bereits im Vorfeld der Entscheidungen mitbedacht wird. So sind zwei der vier Regierungspräsidien in Baden-Württemberg badisch und entsprechend die beiden anderen württembergisch. Bei der Besetzung von Regierungsämtern und überhaupt von politischen Posten spielt die Badenfrage nach wie vor eine große Rolle. „Auf jeden Fall ist die Regionalquote von erheblich größerer Bedeutung als die vieldiskutierte Frauenquote.“58 Und dabei

57 ebenda, Bausinger, 2002, S. 215/223 58 ebenda, Bausinger, 2002, S. 224 43 geht es tatsächlich fast immer um den badischen Anteil innerhalb Baden- Württembergs. Im Zusammenhang mit separatistischen Bewegungen, die ein unabhängiges Land Baden favorisieren, ist die Badenfrage natürlich seit 1970, als sich die badische Bevölkerung mit überdeutlicher Mehrheit für den Verbleib im neuen Bundesland aussprach, nicht mehr virulent. Für eine anteilsmäßige ausgewogene Verteilung setzt sich vor allem auch die „Landesvereinigung Baden in Europa“ ein. Ihr geht es weniger um die politische Souveränität Badens, sondern vielmehr um die Eindämmung des der Landesregierung unterstellten Stuttgarter Zentralismus. „Man spricht in diesem Zusammenhang gerne auch von der sog. „Spätzle-Connection“.“59 Der Vorwurf der Bevorzugung des mittleren Neckarraumes durch die Landesregierung taucht immer wieder mal auf. So forderte 1998 der Stadtrat von Karlsruhe, dass man in Stuttgart ein „Karlsruher Haus“ errichten solle, das ähnliche Funktionen erfüllen sollte wie die Landesvertretungen in der Bundeshauptstadt. Auch wenn diese Institution nie Wirklichkeit wurde, so wird dennoch von badischer Seite sehr aufmerksam kontrolliert, ob nicht der mittlere Neckarraum zu sehr begünstigt wird. Das Hauptproblem bei der Zusammenlegung von Institutionen in beiden Landesteilen besteht darin, dass es nach einer Vereinigung eben nur einen einzigen Vorsitzenden, Präsidenten oder Vorstandsvorsitzenden geben kann. Somit wird die Vereinigung zweier Einrichtungen auch zu einer persönlichen machtpolitischen Angelegenheit. In den verschiedenen Sparten des Sports und der Kultur gibt es auch aus diesen Gründen getrennte Dachverbände, wobei man sich jeweils nicht ohne Grund auf unterschiedliche Traditionen beruft. Ein Beispiel für eine gelungene Fusion ist die Zusammenlegung der jeweiligen Landesbildstellen zum Landesmedienzentrum. Bei derartigen Fusionen spielen aber nicht nur Personalfragen eine Rolle, sondern auch die Wahl des Standortes ist von Bedeutung. Die Lösung im Falle des Landesmedienzentrums ist nicht untypisch,

59 ebenda, Bausinger, 2002, S. 225 44 da sich der Sitz der Direktion in Karlsruhe befindet, während Teilfunktionen in der vorher selbständigen württembergischen Landesbildstelle in Stuttgart ansässig sind. Eine ebenso schwierige Aufgabe stellte die Neuordnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Mitte der neunziger Jahre dar. Zuständig für das „Übergangsland“ Württemberg-Baden war der Süddeutsche Rundfunk (SDR), während der Südwestfunk (SWF) Südwürttemberg-Hohenzollern, Südbaden und ganz Rheinland Pfalz versorgte. Aus SDR und SWF wurde schließlich der SWR. Es ist allerdings auch durchaus fraglich, ob die Neuordnung des öffentlichen Rundfunks in die Schablone Baden kontra Württemberg hineinpasst; denn in den Sendebereich des Baden-Badener SWF fielen ebenso auch Teile Württembergs, wie zum Gebiet des Stuttgarter SDR Teile Badens gehörten. Im Zuge der Integrationspolitik spielt natürlich auch der Versuch einer vereinheitlichenden Symbolik eine gewisse Rolle. Als man das 25-jährige Bestehen Baden-Württembergs feierte, erinnerte man zugleich an 900 Jahre Staufer60, die quasi schon früher als Ganzes über das Gebiet der beiden heutigen Landesteile herrschten. Die historische Verbindungslinie, die man zwischen dem neuen Land und den Staufern herstellte, erwies sich zwar als ziemlich brüchig, aber man wollte vermutlich mit einer entsprechenden Ausstellung die Einheit des Landes symbolisch überhöhen. In derselben Absicht einzuordnen ist der Versuch der Landesregierung Mitte der achtziger Jahre eine Art Landeshymne zu schaffen. Dieser letztlich vergebliche Versuch verdeutlichte nur all zu gut, „daß man das Gefühl der Einheit nicht ohne weiteres herbeizaubern kann und daß die alten, emotional unterfütterten Zugehörigkeiten nicht einfach überspielt werden können oder sich einfach addieren lassen.“61

60 Ganzenmüller, Festakt des Landtags, 25 Jahre Baden-Württemberg, Rückblick auf die Entstehung des Bundeslandes, Mittwoch, 9. März 1977, Stuttgart, 1977, S. 5/6

61 ebenda, Bausinger, 2002, S. 239 45

Auch bei der Landesgartenschau wird bei der Festlegung der Veranstaltungsorte auf eine gewisse Ausgewogenheit zwischen den beiden Landesteilen geachtet. Dasselbe gilt für die staatlich geförderten Veranstaltungen im kulturellen Bereich, wie zum Beispiel die Landeskunstwochen, Baden-Württembergische Literatur-, Theater- oder Heimattage. Besonders die seit 1978 jährlich stattfindenden Heimattage Baden-Württemberg versuchen einerseits regionale Besonderheiten hervorzuheben, bei gleichzeitiger Betonung der Landesidentität. Der Austragungsort wechselt zwar zwischen den vier Regierungsbezirken, allerdings wider Erwarten nicht nach dem Prinzip der Ausgewogenheit. In Fällen, in denen sachliche Ziele und Aufgaben im Mittelpunkt stehen, die Badener und Württemberger gleichermaßen aktivieren, scheint der Integrationseffekt im Sinne einer gemeinsamen Heimat Baden-Württemberg größer zu sein, als in Fällen, bei denen man krampfhaft versucht zu integrieren um der Integration willen. Die heutige Identifikation mit dem Land kommt vor allem über die relativ nüchterne Orientierung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes und durch das Vertrauen der Menschen in politisch stabile Verhältnisse. Bei der Vielzahl von Versuchen, Einheit zu stiften, erscheinen diese Bemühungen zum Teil künstlich, zwanghaft oder erzwungen. „Während der Historiker Dieter Langewiesche keine gemeinsame Entwicklungslinie im Sinne einer historischen Tradition in Baden und Württemberg konstatiert, sieht Bausinger ebenso nur begrenzte Gemeinsamkeiten und Parallelitäten. (…) Es geht um historische bis heute gegenwärtige Querverbindungen zwischen den beiden Landesteilen, die eine solide Vernetzung darstellen, aber deren Existenz von den meisten Bürgern nicht bewusst wahrgenommen wird.“62 Eine solche Querverbindung ist durchaus räumlich zu betrachten, da die Landesgrenze zwischen Baden und Württemberg im Wesentlichen von Nord

62 ebenda, Bausinger, 2002, S. 247/248 46 nach Süd verläuft. Ein geeignetes Beispiel für eine derartige Querverbindung stellt die Verteilung der Dialekte dar, die an früheren politischen Grenzen nicht halt machen. „Die Ursache dafür dürfte darin liegen, dass die Mundartengrenzen auf ältere historische Abgrenzungen, nämlich die der Stammesherzogtümer, zurückzuführen sind. Im Norden des Landes finden sich fränkische Mundarten, während im Süden alemannisch-schwäbische Mundarten anzutreffen sind.“63 Eine speziell badische Mundart im Sinne einer besonderen Ausprägung der Sprache gibt es eigentlich nicht, auch wenn das in Baden nur ungern zur Kenntnis genommen wird. „So gehört beispielsweise die Karlsruher Mundart ebenso wie die in Heilbronn gesprochene Mundart derselben gemeinsamen fränkischen Mundart an. Und dennoch sagt man in Karlsruhe, man spreche karlsruherisch bzw. badisch. Man stellt hier quasi bewusst den Gegensatz zum Schwäbischen heraus und nicht die Übereinstimmung mit dem Fränkischen in Nordwürttemberg.“64 Ebenfalls bemerkenswert erscheint die Tatsache, dass man erst seit Beginn des 19. Jahrhunderts eine Unterscheidung zwischen alemannisch und schwäbisch macht, wobei „in der Sprachforschung das Alemannische ein Oberbegriff darstellt und das Schwäbische als Teilgebiet des Alemannischen in Erscheinung tritt.“65 Da die Dialekte in den verschiedenen Regionen ineinander übergehen, ist die Vorstellung einer sprachlichen Frontlinie zwischen Baden und Württemberg eher eine Illusion. So finden wir z.B. alemannische Sprachformen im gesamten Bodenseegebiet, inklusive des württembergischen und oberschwäbischen Anteils davon. Auch sprachlich betrachtet findet sich in Villingen-Schwenningen hinsichtlich einer vermeintlich gelungenen Integration der beiden Landesteile, ein interessanter Befund für Integrationsschwierigkeiten bzw. für die Betonung eigener Identität. So betont man in Villingen seit dem Städtezusammenschluss die Verkleinerungsendung –li, statt –le. Der Vergleich

63 ebenda, Bausinger, 2002, S. 248 64 ebenda, Bausinger, 2002, S. 248/249 65 ebenda, Bausinger, 2002, S. 250 47 zwischen den sprachlichen Gegebenheiten in Baden und Württemberg zeigt Gemeinsamkeiten und statt scharfer Trennlinien kontinuierliche Übergänge. Aber nicht nur die Sprachgrenzen, sondern auch andere Kulturgrenzen verlaufen eher von West nach Ost bzgl. der früheren Landesteile. Hier ist vor allem der Fastnachtsbrauch zu erwähnen, der sich unter dem Begriff der schwäbisch- alemannischen Fastnacht eingebürgert hat. Hier spielt natürlich auch die unterschiedlich stark ausgeprägte Konfessionalisierung eine Rolle. Im Bereich der Wirtschaftsbranchen werden und wurden durch die Überbrückung von Wirtschaftsräumen die Landesgrenzen überschritten und es wurde somit auch durch gemeinsame sich ergänzende Wirtschaftskraft ein Stück gemeinsamer Identität geschaffen. Als Beispiel wäre die Schwarzwälder Uhrenfabrik zu nennen, die ihren Schwerpunkt im Badischen hat und sich allmählich im Verlauf des 19. Jahrhunderts nach Schwenningen und Schramberg ausdehnte. Auch in den während der Industrialisierung entstandenen Arbeitervereinen und –parteien spielte eine landsmannschaftliche Zugehörigkeit eine gewisse Rolle – allerdings spielte dieser Aspekt in bürgerlichen Kreisen eine größere Rolle als in Arbeiterkreisen, da die Arbeiterschaft zudem vor einem internationalen Hintergrund agierte. Es ist bemerkenswert, dass die ersten Kur- und Verkehrsvereine, die am Bodensee und am Rhein entstanden waren, sich zu einem gemeinsamen Verband zusammenschlossen. Landsmannschaftliche Zusammengehörigkeiten spielten eine untergeordnete Rolle. Am Bodensee wurde die Badenfrage vor allem dann wieder zum Thema, als es um den Ausbau der Bodenseewasserversorgung ging, die vor allem den Schwaben zugute kam. Was ebenfalls mit gemischten Gefühlen betrachtet wurde, war die Zuordnung fast des gesamten nördlichen Seeufers zum Regierungsbezirk Tübingen. Der Touristenstrom aus Schwaben an den Bodensee trug dem Dorf Wallhausen (eingemeindet nach Konstanz) den Spottnamen Klein-Stuttgart ein. Aus dieser Gegebenheit heraus entstand auch der Witz, dass Wallhausen der einzige Vorort von Stuttgart sei, der nicht mit der Straßenbahn erreicht werden könne. Die

48 genannten Irritationen waren eher von kurzer Dauer und von marginaler Bedeutung. Des Weiteren sollte man den nach Baden-Württemberg Zugezogenen eine angemessene Bedeutung im Sinne einer Integrationsleistung zuordnen. Da der größte Teil der baden-württembergischen Bevölkerung bereits in diesem neuen Land aufgewachsen ist, stellt sich natürlich auch die Frage, ob der bekennende Badener bzw. Württemberger allmählich zum Auslaufmodell werden wird. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg kamen sehr viele Vertriebene in das Land und fanden hier eine neue Heimat. Der Zustrom Vertriebener siedelte sich vorwiegend in der nördlichen Landeshälfte an, da dort die Aussicht auf einen Arbeitsplatz bessere Chancen versprach. Auch während des Berliner Mauerbaus kamen einige Zuwanderer aus der DDR nach Baden-Württemberg. Ein erneuter Anstieg der Zuwanderungszahlen lässt sich zunächst mit der Erleichterung der Ausreisebedingungen aus den osteuropäischen Ländern und schließlich mit dem Mauerfall erklären. Wenn man die innerdeutsche Zuwanderung aus anderen Bundesländern berücksichtigt, dann wird man feststellen, dass „ca. 40 % der in Baden-Württemberg lebenden Menschen als Zugezogene zu bezeichnen sind.“66Auch in sprachlicher Hinsicht vollzog sich der Assimilationsprozess der Zuwanderer innerhalb sehr kurzer Zeit. In vielen Fällen verraten heute lediglich noch die Familiennamen die Herkunft der einstigen Zuwanderer. Die Mehrheit der Zugezogenen empfinden Baden- Württemberg als Einheit und nicht als eine Zusammenstückelung verschiedener Länder. Das hängt wohl damit zusammen, dass diese Menschen das Land Baden-Württemberg als geschaffene Tatsache vorgefunden hatten und sich dort rasch assimilieren konnten. Auf Grund dieser Wahrnehmung vieler Zugezogener darf man durchaus behaupten, dass gerade auch die Zugezogenen dazu beigetragen haben, Gegensätzlichkeiten zwischen den alten Landesteilen abzubauen. Ein weiterer Integrationsfaktor scheint der Konflikt bzw. die Konkurrenz zwischen beiden Landesteilen zu sein – auch wenn das zunächst

66 ebenda, Bausinger, 2002, S. 267 49 seltsam klingen mag. Der Konflikt kann somit quasi als Bindemittel fungieren, denn die Verbindung zweier Staaten erzeugt auch eine gewisse Bindung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dies auch die negativen Bindungen zueinander mit einschließt. Dadurch erhalten auch die wechselseitigen negativen Zuschreibungen eine Scharnierfunktion zwischen den beiden Landesteilen. Somit kann der Konflikt zum Bindemittel werden, was im Alltag des politischen Handelns eher unüblich ist, da man dort bemüht ist, Gegensätzlichkeiten nicht zu betonen bzw. diese zu überbrücken versucht, um größtmögliche Einheitlichkeit herzustellen. Was ist dran am Prinzip „Einheit durch Gegensätze“? Die belebende Kraft der Konkurrenz greift hier sicherlich, denn der Zusammenschluss führte keineswegs zur völligen Beseitigung jeglichen Konkurrenzdenkens. Selbst in einer Zeit knapper Haushaltsmittel geht von bemerkenswerten Initiativen und Fortschritten eines der beiden Landesteile immer noch ein besonderer Impuls aus, der beim benachbarten Landesteil nicht nur Begehrlichkeiten weckt, sondern vielmehr parallele Entwicklungen anstößt. Dieser latente Wettstreit wird vor allem durch regionale und kommunale Instanzen sowie durch Privatinitiativen regionaler und lokaler Honoratioren und Schlüsselpersonen gefördert und entzieht sich nicht selten der Steuerung und Verwaltung durch die zentrale Regierung. Die hin und wieder auftauchende Badenfrage stellt quasi ein Argument im Verteilungskampf um Kompetenzen auf verschiedensten Ebenen und in unterschiedlichsten Bereichen dar. „Die Wachsamkeit gegenüber einer vermeintlichen Bevorzugung eines Landesteils ist aber auch eine Art Zentrum-Peripherie-Problematik, die zur Überwindung von Strukturschwächen beitragen kann.67 Gibt es nach der letzten Abstimmung des Jahres 1970 über den Verbleib Badens im gemeinsamen Land überhaupt noch eine Badenfrage? Zweifelsfrei gibt es diese im politisch-rechtlichen Sinne nicht mehr. Es ist allerdings festzustellen, dass es seit etwa Mitte der 1980er Jahre, ausgehend von der ursprünglichen Badenfrage, eine quasi moderne Badenfrage

67 ebenda, Bausinger, 2002, S. 278 50 herausgebildet hat. Die Existenz und Lebendigkeit dieser Badenfrage neueren Typus zu belegen ist für den vorliegenden Kontext ein weiteres Ziel dieser Arbeit. Darüber hinaus hat man festgestellt, „daß die kulturell vitalen Ortschaften, kleineren Städte oder größeren Dörfer gerade nicht einheitlich sind, sondern eine bunte Vielfalt in ihrer sozialen Zusammensetzung darstellen.“68 Es ist charakteristisch, dass sich in solchen Orten leicht Streitigkeiten innerhalb der Gemeinde entzünden, der Zusammenhalt aber gleichzeitig sehr groß ist, wenn versucht wird diese Gegensätze von außen hochzuspielen. Diese Beobachtung lässt sich auch auf größerere Zusammenhänge, wie zum Beispiel das Land übertragen. „Baden-Württemberg bildet eine Einheit, deren Charakteristikum die Vielfalt ist.“69 Und trotz des Wissens um die innere Vielfalt, das nicht nur ein Spezifikum des Landes darstellt, sondern gerade auch seine Stärke ausmacht, ist das Land immer wieder darum bemüht nach außen Einheitlichkeit zu demonstrieren und Landesidentität zu stiften. „Denn staatliche Identitätsanstregungen wie Landesgartenschauen, Landeskunstwochen, Landestheatertage, Landesliteraturtage bis hin zu den Heimattagen sind Bemühungen, die zeigen, dass immer wieder versucht wird, gerade auf der emotionalen Ebene eine Einheit des Bundeslandes zu formieren. Diese Aktivitäten werden jedoch auch kritisch beäugt, denn Einheit wird oftmals erst dann möglich, wenn man gleichzeitig die Vielfalt reduziert.“70 Im wirtschaftlichen Bereich gilt Baden-Württemberg als das Land des Mittelstandes. Daneben gibt es aber auch etliche Großindustrien, vor allem in der Automobilbranche. Es ist wohl die Mischung, die Baden-Württemberg ausmacht. Schon im Kleinen ist es in der Regel einfacher, aus einem sehr gemischten Kreis von Personen eine gewisse Einheit zu bilden, als zwei in sich geschlossene homogene Sozialgruppen miteinander zu verbinden. „Jedenfalls dürfte die Verschiedenartigkeit historischer Räume und Zugehörigkeiten dazu

68 ebenda, Bausinger, 2002, S. 279 69 ebenda, Bausinger, 2002, S. 280 70 Zinn-Thomas, 2003, S. 105 51 beigetragen haben, daß die Vereinigung von Baden und Württemberg leichter akzeptiert wurde.“71 Die kleinräumige historische Aufteilung schuf ein dichtes Netz von Beziehungen, welches sich über das ganze Land erstreckt. Nicht nur die Kleinteiligkeit, sondern auch die vielfältigen historischen Überlagerungen tragen zu einem vielfältigen Beziehungsgefüge bei. Bausinger vergleicht Baden- Württemberg mit einem „Palimpsest.“72 Dieser Begriff ist zwar etwas holprig in seiner Aussprache, aber durchaus zutreffend, da er sich auf das Ineinandergreifen historischer Räume bezieht. Das Bewusstsein für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Landsmannschaft „spielt im Selbstverständnis der Bevölkerung noch immer eine Rolle. Und somit bleibt es wohl dabei: Ein Land, zwei Hälften.“73

II STAATLICHE INTEGRATIONSVERSUCHE IN BADEN-WÜRTTEMBERG Ist es nicht als solches schon verdächtig, dass das Land Baden-Württemberg mittels verschiedener Institutionen, Einrichtungen und vielerlei Veranstaltungen den Versuch unternimmt, eine gemeinsame Identität in unserem Land herzustellen? Bei diesen Versuchen geht es darum, dass sich die Bürgerinnen und Bürger mit dem Land identifizieren. Das bedeutet aber zugleich eine Aufweichung der alten Identitätsbefindlichkeiten, die von einer Unterscheidung zwischen Badenern und Württembergern ausgeht. Hier ist es angebracht, beispielsweise auf die zahlreichen Landesausstellungen74, die Heimattage75 oder

71 ebenda, Bausinger, 2002, S. 281 72 ebenda, Bausinger, 2002, S. 282 73 ebenda, Bausinger, 2002, S. 282 74 Große Landesausstellung Baden-Württemberg, Staufer-Ausstellung, Stuttgart, 1977 Landesausstellung, Baden und Württemberg im Zeitalter Napoleons, Stuttgart, 1987 Landesausstellung, „Revolution der deutschen Demokratenin Baden 1848/49“, Karlsruhe, 1998 Große Landesausstellung, „Alte Klöster – neue Herren“, Bad Schussenried, 2003 Große Landesausstellung, Das Königreich Württemberg 1806-1918, Stuttgart, 2006

75 Erstmals 1978 nach hessischem Vorbild in Baden-Württemberg veranstaltet 52 auch auf das Haus der Geschichte76 zu verweisen. Offenbar sieht das Land Baden-Württemberg durchaus eine Notwendigkeit Einheit stiftend zu wirken. Und diese Versuche werden immerhin auf höchster landespolitischer Ebene erörtert, diskutiert und erarbeitet. Es geht quasi um staatlich gewünschte Integrationsförderung unter den Mitbürgerinnen und Mitbürgern dieses Landes. Sind diese Anstrengungen allein nicht schon ein Beweis dafür, dass Schwierigkeiten und Resistenzen landsmannschaftlicher Art existieren?

1. Diverse Landesausstellungen Im nachfolgenden Abschnitt soll verdeutlicht werden, wie das Land versucht, mittels seiner Landesausstellungen, Einheit stiftend zu wirken. Einen sehr eindeutigen Versuch, Landesidentität zu stiften unternimmt die große Landesausstellung Baden-Württemberg, die „Staufer-Ausstellung“ des Jahres 1977 anlässlich des 25-jährigen Landesjubiläums. Das Vorwort von Ministerpräsident Dr. Hans Filbinger hebt ausdrücklich hervor, dass das Land sich in den ersten 25 Jahren seines Bestehens ausgezeichnet bewährt habe und von weiten Kreisen der Bevölkerung angenommen wird. „So schwierig seinerzeit das Zustandekommen dieses staatlichen Zusammenschlusses im deutschen Südwesten gewesen ist, so hervorragend hat er sich bewährt. (...) Breiteste Kreise der Bevölkerung haben die erweiterte und gestärkte staatliche Heimat in erstaunlich kurzer Frist und mit erfreulicher und nachhaltiger Zustimmung bejaht.“77 Hierin spielt Filbinger auf die Abstimmung des Jahres 1970 an, in welcher sich der badische Landesteil endgültig für den Verbleib im neugeschaffenen Bundesland aussprach. Filbinger versucht eine konsistente Traditionslinie von den Staufern bis in unsere Zeit hinein zu zeichnen. Er betont die herausragenden Leistungen dieser Stauferepoche und deren

76 1987 gegründetes landesgeschichtliches Museum in Stuttgart 77 Filbinger, Große Landesausstellung Baden-Württemberg, Staufer-Ausstellung, Ausstellungskatalog (Vorwort) Vom Sinn dieser Ausstellung, Stuttgart, 1977, S. V 53

Befruchtungsprozesse für weitere Entwicklungen, die unser Land im weitesten Sinne bis heute prägten und somit in unserem Land fortleben. Somit geht es ihm vor allem um die Herausbildung eines Geschichtsbewusstseins, welches in seiner Bedeutung nicht ausschließlich rückwärtsgewandt zu verstehen ist, sondern stets in die Gegenwart und Zukunft hinein wirkt. Die Reflexion über die Vergangenheit soll dem Ausstellungsbesucher helfen, diese Vergangenheit zu deuten, um die Gegenwart zu bewältigen und die Zukunft aus der Erfahrung heraus zu gestalten. Die Beschäftigung mit Geschichte soll den Besucher in die Lage versetzen, die Vergangenheit rekonstruieren zu können und vor allem bestehende Zustände auf die Bedingungen ihres Werdens zurückzuführen. Auf diese Weise kreiert Filbinger eine z.T. sehr überzogene und künstliche Traditionslinie, um auf ein vermeintlich gemeinsames, Landesidentität stiftendes Erbe zu verweisen. Da diese Ausstellung landesweit von ergänzenden Veranstaltungen begleitet wurde, hat sich im Jahre 1977 der Begriff des „Staufer-Jahres“ eingebürgert. In diesem Zusammenhang beteuert Filbinger zwar, dass die Landesregierung diese Begrifflichkeit weder initiiert noch verwendet habe. Dennoch wird im Vorwort Filbingers deutlich, dass ihm bzw. der Landesregierung die Einbürgerung dieses einprägsamen Begriffes und dessen Zusammenfallen mit dem 25-jährigen Landesjubiläum keineswegs unpässlich und ihm, zwecks Stiftung von Landesidentität, sogar opportun erscheint. „In der Öffentlichkeit ist für die Staufer-Ausstellung und alle die begleitenden Aktivitäten, die sich in Baden-Württemberg um sie ranken und ihr anschließen, der zusammenfassende Begriff “Staufer-Jahr“ geprägt worden. Die Landesregierung hat diesen vielleicht etwas zu weit gefaßten und zu anspruchsvollen Begriff weder initiiert noch bisher verwendet.“78 In romantisch verklärt anmutender Sehnsucht an eine große deutsche Vergangenheit erinnert Filbinger, mittels verschiedener Zitate, an die Leistungen und die Wirkmächtigkeit von Barbarossa und Heinrich VI. Man müsse von heute (1977)

78 ebenda, Filbinger, 1977, S. VII 54 lediglich 25 Generationen zurückrechnen und schon befände man sich mitten in der Staufer-Ära. „ Gemessen an der Gesamtentwicklung der Menschheit, die nach Hunderttausenden von Jahren zu rechnen ist, rückt uns die Stauferzeit mit ihren „nur“ acht Jahrhunderten Distanz auf einmal wieder nah – eine Frage des Standpunkts und des Maßstabs. Verlängern wir in Gedanken die Reihe von Eltern, Großeltern, Urgroßeltern zurück ins, sagen wir, 25. Glied – eine durchaus noch überschaubare Zahl menschlicher Gestalten -, dann befinden wir uns mitten in der staufischen Ära.“79 Auf diese Weise versucht er die uns von dieser Zeit trennenden acht Jahrhunderte kürzer erscheinen zu lassen. Nur 25 Generationen vor unsere Zeit und das zum 25-jährigen Landesjubiläum – das ist sicherlich ein bewusst gewähltes sprachliches Mittel, um die gewünschte Traditionslinie zu bestärken und somit auf die Landeseinheit zu verweisen. Auch das Grußwort Lothar Späths80 anlässlich der Landesausstellung „Baden und Württemberg im Zeitalter Napoleons“ im Jahre 1987 versucht gemeinsame Wurzeln beider Landesteile herauszustellen, allerdings ohne Pathos und in sehr sachlicher Art und Weise. Ohne Napoleons Grenzziehungen wäre weder ein badisches noch ein württembergisches Staatswesen entstanden, auf deren Territorien das heutige gemeinsame Land Baden-Württemberg weitgehend liege. „Das Thema dieser kulturgeschichtlichen Ausstellung (...) soll auf die Tatsache hinweisen, dass sich das heutige Baden-Württemberg aus Gebieten zusammensetzt, deren Grenzen in napoleonischer Zeit festgelegt wurden. Ohne Napoleon wären wohl weder jenes badische noch jenes württembergische Staatswesen entstanden, die zusammen mit Hohenzollern heute unser Bundesland bilden."81 Das Bindemittel zwischen den beiden Landesteilen stellt im Rahmen dieser Ausstellung offenbar die vermeintlich gemeinsame staatliche Geburtsstunde dar. Im Jahre 1998 fand anlässlich des 150 jährigen Gedenkens

79 ebenda, Filbinger, 1977, S. VIII 80 Späth, Landesausstellung, Baden und Württemberg im Zeitalter Napoleons, Grußwort Ausstellungskatalog, Stuttgart, 1987 81 ebenda, Späth, 1987, S. 1

55 der Revolution von 1848 im badischen Landesmuseum die Landesausstellung „Revolution der Deutschen Demokraten in Baden 1848/49“ statt. Im Grußwort des Ministerpräsidenten Erwin Teufel geht es um eine Würdigung der badischen Freiheitskämpfer ihrer Zeit, nämlich Friedrich Hecker und Gustav Struve, die von Baden ausgehend sich für Freiheit und nationale Einheit einsetzten. Erwähnung finden aber auch der Württemberger Gottlieb Rau, der ebenso wie die beiden badischen Vertreter von derselben Vision angetrieben wurde. In diesem Zusammenhang erwähnt Teufel eine zeitgenössische Begebenheit. „Das beginnt mit den Bürgern aus Knittlingen und Bretten: Sie verbrannte zu jener Zeit auf dem Brettener Marktplatz die Grenzpfähle, die Baden und Württemberg voneinander trennten, um so für ein einheitliches Deutschland zu demonstrieren.“82Auch an dieser Stelle des Grußwortes wird der aufmerksame Leser bzw. Zuhörer latent auf das Gemeinsame und Verbindende beider Landesteile hingewiesen. Offenbar verfolgten schon damals badische wie württembergische Landsmänner im Grunde genommen dieselben Ziele. Die logische Schlussfolgerung, die sich daraus ergeben kann, besteht darin, dass Badener und Württemberger gar nicht so grundverschieden sein können. Bei soviel offenkundigem Gemeinsinn scheinen Mutmaßungen über vermeintliche Ressentiments eher unangemesssen zu sein. Dass badische und württembergische Bürger schon damals nicht kleinräumig dachten, sondern eher visionär und im europäischen Kontext, verdeutlicht Teufel durch den vermeintlichen Schulterschluss zwischen Hecker und dem ungarischen bzw. italienischen Freiheitskämpfern Lajos Kossuth und Giuseppe Garibaldi, welche auf einer zeitgenössischen Druckgrafik gemeinsam zu sehen sind. Auch an dieser Stelle drängt sich natürlich die visionäre Weitsichtigkeit der Beteiligten Revolutionäre auf, welche kleingeistiges und engstirniges

82 Teufel, Landesausstellung, „Revolution der deutschen Demokratenin Baden 1848/49“, Grußwort Ausstellungskatalog, Karlsruhe, 1998, S. 1

56 landsmannschaftliches Denken in Resistenzen kontrastiert und somit ad absurdum führt. Das Vorwort des Direktors des badischen Landesmuseums Karlsruhe Harald Siebenmorgen hingegen zeigt klare Unterschiede zum Grußwort des Ministerpräsidenten. Während Teufel das Engagement für liberale Ideen wie Freiheit, Gleichheit und nationaler Einheit bewusst auf Persönlichkeiten beider Landesteile verteilt, konzentriert sich Siebenmorgen deutlich auf die Darstellung des badischen Freiheitskampfes und betont somit die badische Vorreiterrolle im Kampf um Freiheitsrechte. Im Jahre 2003, also ein Jahr nach dem 50. Geburtstag Baden-Württembergs, eröffnete Erwin Teufel die Große Landesausstellung „Alte Klöster – neue Herren“ in Bad Schussenried. In seinem Grußwort betont der Ministerpräsident das gemeinsame Schicksal und Erbe beider Landesteile im Rahmen der Säkularisierung. Dies macht dahingehend Sinn, dass schließlich beide Landesteile von der Trennung zwischen staatlicher und kirchlicher Macht gleichermaßen betroffen waren. „ Andererseits war die Trennung von geistlicher und weltlicher Macht, ganz im Geiste der Aufklärung, ein wesentlicher Schritt hin zu einem modernen Staatswesen. Die Entwicklungen, die damals eingeleitet wurden, führten zur Auflösung des Alten Reiches und letztlich zur Bildung der Länder Baden, Württemberg und Hohenzollern. (...) ist die Gründung Baden- Württembergs 1952 der Schlusspunkt eines historischen Prozesses, der in der Säkularisation seinen Anfang genommen hat.“83 Auch bei dieser Landesausstellung findet die Betonung des gemeinsamen Ganzen Erwähnung und auf eine getrennte Behandlung beider Landesteile wird bewusst verzichtet. Das Grußwort des Ministerpräsidenten Günther Oettinger anlässlich der großen

83 Teufel, Große Landesausstellung, „Alte Klöster – neue Herren“, Grußwort Ausstellungskatalog, Bad Schussenried, 2003, S. 9 57

Landesausstellung „Imperium Romanum“84 des Jahres 2005 ist inhaltlich wie auch sprachlich geprägt von einem eher schlichten, technokratischen und unpolitischem Stil. Anzeichen für gezielte Identitätsstiftung zwischen den Landesteilen sind nicht erkennbar. Dennoch ist eine Auffälligkeit, wenn auch nicht konkret im Grußwort, so doch in der Gesamtkonzeption dieser Ausstellung zu erkennen. Die Ausstellung „Imperium Romanum“ bestand im Prinzip aus zwei Ausstellungen bzw. aus zwei Teilen. Die eine war in Stuttgart, die andere in Karlsruhe zu sehen. So befasste sich die Ausstellung in Stuttgart mit den römischen Provinzen an , Rhein und Donau. Das badische Landesmuseum in Karlsruhe konzentrierte sich inhaltlich auf die Römer, Christen und Alamannen in der Spätantike am Oberrhein. Sollten hier vielleicht beide Landesteile gleichermaßen zum Zuge kommen und wurden daher im Bezug auf Veranstaltungsrecht und Veranstaltungsort paritätisch behandelt? Wurde hier im Vorfeld die „Badenfrage“ wohlwissentlich mitbedacht, um Eifersucht zwischen den Landesteilen erst gar nicht aufkommen zulassen? Mehr als 50 Jahre nach der Landesgründung würde dies einmal mehr belegen, dass man beide Landesteile eben nicht über einen Kamm scheren kann, sondern sie in einem gemeinsamen Bundesland getrennt zu berücksichtigen sind.

2. Die Gemeindegebiets- und Keisverwaltungsreform von Baden- Württemberg Die große Verwaltungsreform der Siebziger Jahre veränderte den verwaltungspolitischen Zuschnitt des Landes gravierend. Die bis dahin nie dagewesenen, umfassenden verwaltungspolitischen Veränderungen wurden vor allem unter dem Einfluss begünstigender Faktoren realisierbar. So stand der

84 Große Landesausstellung Baden-Württemberg (Doppelausstellung), „Imperium Romanum“, Stuttgart/Karlsruhe, 2005

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Ministerpräsident Hans Filbinger an der Spitze einer Großen Koalition, die Baden-Württemberg von 1966-1972 regierte. Des Weiteren erwiesen sich die wirtschaftliche Hochkonjunktur der späten Sechziger und frühen Siebziger Jahre sowie die deutliche badische Zustimmung zum neu geschaffenen Bundesland durch das Plebiszit des Jahres 1970 als günstige Rahmenbedingungen zur Durchführung der geplanten Gebietsreform. Auch das geschlossene Auftreten der Parteien gegen den Links-Terrorismus der RAF, der die Politik stark polarisierte und als Nebeneffekt vorhandene Differenzen zwischen badischer und württembergischer Landsmannschaft, inbesondere entlang der alten historischen Landesgrenzen überdeckte und somit in den Hintergrund rücken ließ, kam dem Vorhaben einer Gebietsreform durch die Landesregierung sehr entgegen. Dass die Zeichen für die Realisierung einer Gebietsreform günstig standen, belegt auch eine Pressemitteilung des Staatsministeriums vom 17. Februrar 1971: „ Das Klima für die Verwirklichung einer Verwaltungsreform in Baden-Württemberg ist günstig; mit diesen Worten kommentierte Ministerpräsident Dr. Hans Filbinger (…) das Ergebnis einer vom demoskopischen Institut in Allensbach durchgeführten Umfrage zur Verwaltungsreform.“85 Die Repräsentativumfrage bestärkte die Landesregierung in ihrem Vorhaben, die Verwaltungsreform durchzusetzen. „Wir wissen jetzt, daß das Maß an Zustimmung zur Verwaltungsreform weit größer und das Maß an Ablehnung weit geringer ist, als es in der öffentlichen Diskussion, die vorwiegend von den Betroffenen geführt wird, gelegentlich den Anschein hat. Das naturgemäß stark von Protesten geformte Bild der öffentlichen Meinung sei nicht identisch mit der Stimmung im Lande. (…) Die regionale Einschätzung der Verwaltungsreform ist unterschiedlich, die Gegnerschaft übersteigt jedoch in keinem regionalen Bereich ein Fünftel der Stimmen. (…) Die wichtigste Einsicht aus der vorliegenden Untersuchung sei wohl die, daß der Landtag mit der Gewißheit ans Werk gehen könne, daß eine wohlbegründete sachliche

85 Filbinger, Staatsministerium Baden-Württemberg (Pressestelle), Pressemitteilung Nr. 55/71, Stuttgart, 1971, S. 2 59

Entscheidung über die Verwaltungsreform von der Bevölkerung auch als solche akzeptiert werde.“86 Zwei Kommissionen, nämlich die so genannte „Dichtel-Kommission“ des Jahres 1967 und die so genannte „Reschke-Kommission“ aus dem Jahre 1968 bereiteten aus kommunaler und staatlicher Sicht die Kreisreform vor. Im Vorfeld der geplanten kommunalen Gebietsreform wurden auch die für Gebietsveränderungen nötigen Vorschriften in der Landesverfassung bewusst gelockert. „Die Neufassung von Artikel 74 LV ermölgicht die Umgliederung von Gebietsteilen gegen den Willen der Gemeinde auf Grund einer allgemeinen gesetzlichen Ermächtigung auch durch die Exekutive, sofern damit nicht die Auflösung der Gemeinde verbunden ist. Entsprechende Eingriffe in den Bestand von Landkreisen bedürfen nur dann noch eines Gesetzes, wenn sie die Auflösung des Kreises zum Gegenstand haben. Nach Artikel 74 Abs. 1 LV dürfen das Gebiet von Gemeinden und Gemeindeverbänden nur noch aus Gründen des öffentlichen Wohls geändert werden.“87 Im Rahmen des erfolgreichen Abschlusses der Gebiets- und Kreisreform sind zwei verabschiedete Gesetze zu erwähnen. Zum einen das so genannte Kreisreformgesetz vom 26. Juli 1971, wodurch das Land einerseits in 9 Stadtkreise und 35 Landkreise eingeteilt wurde und andererseits die Regierungsbezirke neu abgegrenzt wurden. Zum anderen das so genannte Regionalverbandsgesetz vom 26. Juli 1971, das die Regionalverbände von 20 auf 12 Planungsgemeinschaften reduzierte. Am 3. und 4. Juli 1974 verabschiedete der Landtag die beiden Gemeindereformgesetze, die eine Reduzierung der Anzahl der Gemeinden auf 1111 zur Folge hatte. Schlussendlich fielen zwei Drittel aller Gemeinden und fast die Hälfte der bestehenden Kreise der Gebietsreform zum Opfer. Neben vermeintlichen Einsparungseffekten, deren Nachweis man bis heute schuldig geblieben ist, verfolgte die Kreisreform aber auch eine bewusste und

86 ebenda, Filbinger, 1971, S. 3 87 Schneider, 1983, S. 124 60 gezielte Verwischung der historischen Landesgrenzen. „ (…) man achtete besonders darauf, die historischen Grenzen zwischen Baden und Württemberg zu überschreiten und womöglich ganz zu verwischen.“88 Auf diese Art und Weise wechselten altwürttembergische Gebiete wie die Kreise Calw und Freudenstadt zum Regierungsbezirk Karlsruhe. Im Gegenzug wurden badische Gebiete an Main, Tauber und Bodensee den Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen zugeschlagen. „Den radikalsten Bruch mit der Vergangenheit vollzog man vielleicht, indem man das altwürttembergische Schwenningen mit dem ehemals vorderösterreichischen und später badischen Villingen zur Doppelstadt Villingen-Schwenningen vereinigte.“89 Den von der Landesregierung scheinbar erwarteten Einsparungseffekt durch die Gebietsreform zweifelt auch Klaus- Jürgen Matz an: „Dafür, dass mit der Verwaltungsreform etwas gespart wurde, ist man jedenfalls nachfolgend jeden Beweis immer schuldig geblieben.“90 Das mit der Gebietsreform angestrebte Ziel der Kostendämpfung wird auch im Denkmodell der Landesregierung aus dem Jahr 1969 deutlich: „Bei allen Reformüberlegungen spielt auch die Frage der Verwaltungskosten eine wichtige Rolle.“91 Der Gesetzestext zur Verwaltungsreform (Kreisreformgesetz) regelt im ersten Teil die Neuordung des Gebiets der Kreise und Überleitungsregelungen. § 1 behandelt die Stadt- und Landkreise. „Das Landesgebiet ist in die Stadtkreise Freiburg i.Br., Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim, Pforzheim, Stuttgart und Ulm sowie folgende 35 Landkreise (zuvor 63 Landkreise) eingeteilt: Aalen, Baden-Baden, Balingen, Biberach, Böblingen, Calw, Emmendingen, Esslingen, Freiburg, Freudenstadt, Friedrichshafen, Göppingen, Heidelberg, Heidenheim, Heilbronn, Karlsruhe, Konstanz, Lörrach, Ludwigsburg, Mosbach, Nürtingen, Offenburg, Pforzheim, Ravenburg,

88 Matz, 2012, S. 222 89 ebenda, Matz, 2012, S. 223 90 ebenda, Matz, 2012, S. 223 91 Innenministerium Baden-Württemberg, Denkmodell der Landesregirung zur Kreisreform in Baden- Württemberg, Stuttgart, 1969, S. 15 61

Reutlingen, Rottweil, Schwäbisch Hall, Sigmaringen, Tauberbischofsheim, Tübingen, Tuttlingen, Ulm, Villingen, Waiblingen und Waldshut.“92 § 2 befasst sich mit der Auflösung bisheriger Landkreise. „Es werden aufgelöst die bisherigen Landkreise Aalen, Backnang, Balingen, Biberach, Böblingen, Bruchsal, Buchen, Bühl, Calw, Crailsheim, Donaueschingen, Ehingen, Emmendingen, Freiburg, Freudenstadt, Hechingen, Heidelberg, Heilbronn, Hochschwarzwald, Horb, Karlsruhe, Kehl, Konstanz, Künzelsau, Lahr, Leonberg, Lörrach, Ludwigsburg, Mannheim, Mergentheim, Mosbach, Müllheim, Münsingen, Offenburg, Öhringen, Pforzheim, Rastatt, Ravensburg, Reutlingen, Rottweil, Saulgau, Schwäbisch Gmünd, Schwäbisch Hall, Säckingen, Sigmaringen, Sinsheim, Stockach, Tauberbischofsheim, Tettnang, Tübingen, Tuttlingen, Ulm, Überlingen, Vaihingen, Villingen, Waiblingen, Waldshut, Wangen und Wolfach.“93 Im zweiten Teil des besagten Gesetzesentwurfs geht es in den § 8-11 sowie § 26 und § 27 um die Neuordnung der Regierungsbezirke. „Der Regierungsbezirk Stuttgart umfaßt die Stadtkreise Stuttgart und Heilbronn sowie die Landkreise Aalen, Böblingen, Esslingen, Göppingen, Heidenheim, Heilbronn, Ludwigsburg, Nürtingen, Schwäbisch Hall, Tauberbischofsheim und Waiblingen.“94 Besonders heftig umstritten war der Landkreis Nürtingen, der letztlich im Landkreis Esslingen aufging. Die SPD wollte unbedingt an der Gesamtkreiszahl von maximal 35 festhalten, während die CDU ihrerseits aus wirtschaftlichen Interessen auf die Eigenständigkeit des Landkreises Künzelsau beharrte. „Der Regierungsbezirk Karlsruhe umfaßt die Stadtkreise Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim und Pforzheim sowie die Landkreise Baden-Baden, Calw, Freudenstadt, Heidelberg, Karlsruhe, Mosbach und Pforzheim. (…) Der Regierungsbezirk Freiburg umfaßt den Stadtkreis Freiburg sowie die Landkreise

92 Landtag von Baden-Württemberg – 5. Wahlperiode, Drucksache 4000 (Gesetzesentwurf zur Verwaltungsreform), Stuttgart, 1971, S. 3 93 ebenda, Landtag von Baden-Württemberg , 1971, S. 3 94 ebenda, Landtag von Baden-Württemberg , 1971, S. 21 62

Emmendingen, Freiburg, Konstanz, Lörrach, Offenburg, Rottweil, Tuttlingen, Villingen und Waldshut. (…) Der Regierungsbezirk Tübingen umfaßt den Stadtkreis Ulm sowie die Landkreise Balingen, Biberach, Friedrichshafen, Ravensburg, Reutlingen, Sigmaringen, Tübingen und Ulm.“95 Die Kreisreform wurde auf politischer Ebene durchaus kontrovers diskutiert und es ging vorrangig um politische Interessen, die letztlich ein Geschacher um Gebiete, Kreise und Gemeinden auslösten. „Die Zahl der zu erhaltenden Landkreise schwankte zwischen 12 („Schiess-Plan“) über 38 (CDU-Modell) bis zu 46 („Person-Plan“), 47 („Birn-Plan“) und 49 („Seiterich-Plan“).“96 Urprünglich plante man auch die Zahl der Regierungsbezirke von vier auf zwei zu reduzieren, was letztlich aber nicht realisiert wurde. Neben der Verwischung historischer Landesgrenzen und der vermeintlichen Kosteneinsparung, verfolgte die damalige Landesregierung mit der Verwaltungsreform natürlich auch weitere Absichten. Für den Ausbau des Berufsschulwesens, die Umsetzung einer umweltverträglichen Abfallbeseitigung, aber auch für den Ausbau eines leistungsfähigen Krankenhauswesens waren kleinere und finanzschwache Landkreise nicht gewappnet. Hier glaubte man offenbar, dass die Gebietsreform in diesen Bereichen Abhilfe schaffen könnte. „Koordinierungsschwierigkeiten in den Verdichtungsräumen zwischen einem wirtschaftlich dominierendem Zentrum einerseits und den mit ihm stark verwobenen Umlandgemeinden andererseits waren ein Auslösefaktor für die Reformen. (…) Ein weiterer Gesichtspunkt war die Leistungsschwäche der kleinen Gemeinden auf dem Lande. Die Vergrößerung der Gemeinden (bei Zusammenschlüssen) sollte als Mittel dienen, das Stadt- Landgefälle abzubauen, die Chancengleichheit zwischen Stadt und Land, vor allem im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen, war intendiert. (…) Die Entleerung des flachen

95 ebenda, Landtag von Baden-Württemberg , 1971, S. 22

96 Wertel, 1982, S. 5 63

Landes sollte gebremst werden. Gleichzeitig war es eine Voraussetzung für die Ansiedlung von Unternehmen des Produktions- und Dienstleistungssektors (…). Die Vergrößerung der Gemeinden sollte die Selbstverwaltung stärken und die Gemeinden in die Lage versetzen, den kommunalen Bereich betreffende Entscheidungen selbst zu treffen.“97 Bei der Lösung des Stadt-Umland-Problems ging es vor allem um eine ausgewogene Berücksichtigung der Interessen sowohl der Städte, wie auch des jeweiligen Umlandes, in dem man die Ordnungs- und Entwicklungsbedürfnisse der Zentren, aber auch der Peripherie gerecht wird. Des Weiteren sollte zwecks Erfüllung sämtlicher Verwaltungsaufgaben, eine angemessene Lastenverteilung zwischen Stadt und Umland gewährleistet sein. Die durch die Gebietsreform entstehende neue Landkreisgeometrie sollte sich in die bestehende Verwaltungsgliederung nach Gemeinden und Kreisen möglichst einfügen, ohne diese oder gar die Regionalverbände in ihrer Bedeutung und Funktion zu beeinträchtigen. Ein vermutlich nicht erwünschter Effekt der Gebietsreform war ein zunehmender Lokalpatriotismus, den bereits Olaf Stoffel im Rahmen seiner Abhandlung feststellt. „ Andererseits zeigt sich verstärkter Lokalismus.“98 Trotz veränderter Landkreisgeometrie und Vergrößerung von Gemeinden durch Gemeindezusammenschlüsse blieb letztlich das Denken in kleineren sozialen Zusammenhängen bestehen. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Gebietsreform Fakten schaffen wollte und Fakten schaffte, um entlang der ehemaligen Landesgrenze, Landeseinheit zu stiften. Dies hat sich allerdings bis heute nicht bewahrheitet - Trotz oder vielleicht gerade wegen der beabsichtigten Verwischung ehemaliger Landesgrenzen. Hieraus erklärt sich u.a., dass die „badische Idee“ gerade heute lebendiger denn je ist. Argumentiert wurde zwar mit der Leistungskraft der Landkreise und Gemeinden, deren Wirtschaftskraft gestärkt werden sollte, in dem man ausgewogenere und gleichkräftigere Gemeinwesen schaffte. Der bestehenden Diskrepanz bzw. der

97 Stoffel, 1991, S. 12/13 98 ebenda, Stoffel, 1991, S.16 64

Unausgewogenheit der Lebensverhältnisse zwischen reichen Städten und armen Landkreisen wollte man entgegenwirken. Ob durch eine Zusammenlegung von Landkreisen und Gemeinden tatsächlich Verwaltungskosten eingespart werden konnten bzw. sollten, darf weiterhin angezweifelt werden. Vor allem vor dem Hintergrund der Tatsache, dass im Zuge der Gebietsreform etliche Landräte sowie Oberbürgermeister vorzeitig, unter Mitnahme ihrer Bezüge, in den vorzeitigen Ruhstand geschickt werden mussten. Nicht zu vergessen, mussten auch die neuen Verwaltungsspitzen finanziert werden.

3. Die Heimattage In Baden-Württemberg finden seit 1978 in jährlichem Rhythmus die Heimattage Baden-Württemberg statt. Heimattage als solches sind keineswegs etwas Ungewöhnliches, da auch andere Bundesländer wie zum Beispiel Hessen, Rheinland-Pfalz oder Sachsen Heimattage veranstalten. Auffallend in Baden- Württemberg, aber politisch durchaus nachvollziehbar, finden sie erst seit der Zeit nach der letzten Abstimmung über den Verbleib Badens im Südweststaat aus dem Jahre 1970 statt. Als Vorbild für die baden-württembergischen Heimattage diente das hessische Landesfest, wo 1961 erstmals der so genannte Hessentag in Alsfeld begangen wurde. Heimattage dienen natürlich grundsätzlich der Stiftung von Identität und der Demonstration von Einheitlichkeit des Landes. Sabine Zinn-Thomas99 ist allerdings in Ihrem Aufsatz „Aktuelle Beobachtungen zu Sinnstiftungen eines Baden-Württemberg-Gefühls“ der Ansicht, dass die Heimattage Baden-Württembergs auf Grund ihrer inhaltlichen Ausgestaltung nicht wirklich zukunftsorientiert, sondern vielmehr rückwärtsgewandt seien.

99 Zinn-Thomas, Aktuelle Beobachtungen zu Sinnstiftungen eines „Baden-Württemberg-Gefühls“, in: John, Volkslied – Hymne – politisches Lied, Populäre Lieder in Baden-Württemberg, Volksliedstudien Bd. 3, Münster, 2003

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„ Dieser rückwärtsgewandte Blick kommt auch in der Namenswahl des Landesfestes zum Ausdruck. Dabei macht es keinen Unterschied, dass es bei den vergleichbaren Veranstaltungen in Hessen, Rheinland-Pfalz oder Sachsen auch um eine Auseinandersetzung mit der Heimat geht. Anders als dort aber, wo der Name des Bundeslandes auch gleichzeitig das Landesfest bezeichnet, wie etwa „Hessentag“ oder „Rheinland-Pfalz-Tag“, hat man sich in Baden- Württemberg – übrigens als einzigem Bundesland – dafür entschieden, den Fokus Heimat auch bei der Namenswahl nach außen hin deutlich zu machen.“100 Ist dieser Sachverhalt unter Umständen als ein Indiz dafür zu werten, wie schwierig es offenbar um die Stiftung einer gemeinsamen baden- württembergischen Landesidentiät bestellt ist? So wird mit den Heimattagen der Versuch unternommen, das gemeinsame Landesbewusstsein zu fördern. Für die Ausrichtung und Organisation dieser Heimattage ist jedes Jahr eine andere Stadt verantwortlich. Die ersten Heimattage fanden 1978 in Konstanz statt. Höhepunkt der Heimattage stellt stets der sonntägliche Umzug dar, in dessen Rahmen Trachtenvereine und Musikkapellen aus allen Regionen des Landes mit ihren regionalen Besonderheiten aufmarschieren und sich präsentieren. Für die Festlegung des Veranstaltungsortes der Heimattage ist das Staatsministerium Baden-Württemberg verantwortlich. Bei genauer Betrachtung der bisherigen Austragungsorte und der bereits bis 2012 festgelegten Austragungsorte der Heimattage ist zu beobachten, dass man offenbar nicht genau darauf achtet, beide Landesteile paritätisch zu behandeln. Das heißt, dass der Veranstaltungsort eigentlich in regelmäßigem Turnus zwischen den beiden Landesteilen Baden und Württemberg bzw. zwischen den vier Regierungspräsidien Stuttgart, Karlsruhe, Tübingen und Freiburg hin und her wechseln sollte. Entgegen der Erwartungen scheint man nicht bestrebt zu sein, einer vermeintlichen Bevorzugung eines der beiden Landesteile entgegenzuwirken. Anders ausgedrückt könnte man sagen, dass die so genannte

100 ebenda, Zinn-Thomas, 2003, S. 105 66

Badenfrage im Vorfeld der Entscheidung hier offenbar nicht sorgfältig mitbedacht wird. Eine detailierte Darstellung über die bisherigen Austragungsorte der Heimattage in Baden-Württemberg ist im Anhang zu finden. Die Buchstaben in den Klammern hinter dem jeweiligen Austragungsort kennzeichnen zum einen den Landesteil, z.B. B = Baden, W = Württemberg und zum anderen das verantwortliche Regierungspräsidium, z.B. S = Stuttgart, KA = Karlsruhe, TÜ = Tübingen und FR = Freiburg, in dessen Zuständigkeitsbereich die Heimattage stattfanden. Betrachten wir die Tabelle (Anhang, Seite 323), die die angeführten Austragungsorte und zuständigen Regierungspräsidien subsummiert, so lassen sich über die Abfolge der Austragungsorte zu den Heimattagen Baden- Württemberg folgende Ergebnisse zusammenfassen: Bis zum Jahr 2012 werden von 34 veranstalteten Heimattagen 13 im badischen Landesteil - das entspricht 38,3 % - und 21 im württembergischen Landesteil - das entspricht 61,7 % - stattgefunden haben. Dabei tritt das Regierungspräsidium Stuttgart elf mal, das Regierungspräsidium Karlsruhe sechs mal, das Regierungspräsidium Tübingen acht mal und das Regierungspräsidium Freiburg acht mal als Gastgeber in Erscheinung. Deutlich häufiger ist Württemberg in zwei aufeinanderfolgenden Jahren der Veranstalter der Heimattage. In der Dekade von 1999 bis 2009 finden die Heimattage, mit Ausnahme des Jahres 2002, ausschließlich im Württembergischen statt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sowohl Wertheim als auch Eppingen einstmals badisches Terrain darstellt und erst im Zuge der Gemeinde- und Kreisreform von 1973 Württemberg zugeteilt wurden. Diese Verwaltungsreform erstreckte sich genaugenommen über den Zeitraum von 1968 bis 1975. Von einem ausgewogenen und fairen Wechsel zwischen den beiden Landesteilen bezüglich des Austragungsrechts der Heimattage kann also nicht die Rede sein. Es findet eine klare Präferenz des württembergischen Landesteils statt. Ob diese Präferenz beabsichtigt oder als reiner Zufall zu betrachten ist, sei dahingestellt. Lässt man die Frage nach badischem oder

67 württembergischem Austragungsort außen vor und betrachtet die Heimattage unter dem Gesichtspunkt des veranstaltenden Regierungspräsidiums, dann relativiert sich das Ungleichgewicht zwischen badischem und württembergischen Veranstalter ein wenig. Dennoch fanden innerhalb der beiden „württembergischen“ Regierungspräsidien Stuttgart und Tübingen 19 von 34 Heimattagen statt – das entspricht 52,9 % - während die beiden „badischen“ Regierungspräsidien Karlsruhe und Freiburg lediglich 16 von 34 Heimattagen veranstaltet – das entspricht 47,1 % - . Einen Sonderfall stellen die Heimattage von Villingen-Schwennigen aus dem Jahre 1985 dar. Hier wurden die Heimattage von beiden Landesteilen quasi gemeinsam ausgetragen, da die Gemeinde- und Kreisreform 1972 den Städtezusammenschluss zwischen dem badischen Villingen und dem württembergischen Schwenningen bewirkte.

Tabelle 1: Häufigkeit des Austragungsrechts zu den Heimattagen Baden- Württemberg 1978-2010 bzw. 2012, bezogen auf beide Landesteile und das zuständige Regierungspräsidium: Veranstalter Landesteil Landesteil RP RP RP RP Heimattage Baden Württemberg S KA TÜ FR Bis 2010 11 21 11 6 8 8 Bis 2012 13 21 11 7 8 9

4. Das Haus der Geschichte Ein weiteres Beispiel zur Integrationsförderung seitens des Landes stellt das Haus der Geschichte in Stuttgart dar. Diese besondere Form eines Museums, welches 1987 gegründet wurde, befasst sich mit der Präsentation und Vermittlung von Landesgeschichte. „Spannende Begegnungen mit der Landesgeschichte - Gespräche über Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft von Baden-Württemberg - kreative Beschäftigung mit der regionalen Geschichte -

68 diese Zielsetzungen verfolgt die Geschichtsvermittlung im Haus der Geschichte für junge und ältere Besucher.“101 Treibende Kraft bei der Gründung war der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel. Die Dauerausstellung des Hauses der Geschichte gliedert sich in drei Teile. Zunächst erwartet die Besucher im Eingangsbereich das so genannte Baden-Württemberg ABC. Hier werden landestypische Gegenstände ausgestellt, die die Besucher einstimmen und helfen sollen, Schwellenängste zu überwinden. Von „Äffle und Pferdle“ über „Musterländle“ oder „Kehrwoche“ bis „Zeppelin“ wird zu Beginn auf assoziative Weise ein ungewöhnliches Bild landestypischer Eigenheiten entworfen. Im zweiten Teil geht es dann um die eigentliche Landesgeschichte der vergangenen 200 Jahre, die in chronologischer Reihung mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 beginnt und mit dem letzten Thema zur Bedeutung des Landes Baden-Württemberg für seine Bewohnerinnen und Bewohner endet. Durch die Aufforderung an jeden Einzelnen, diese Frage für sich selbst zu beantworten, wird es deutlich, wie an dieser Stelle der Ausstellung der Versuch unternommen wird eine „Bindestrichmentalität“ zu erzeugen, denn Landesspezifika werden bewusst zugunsten des gesamten Landes nicht explizit betont. In mehreren Abschnitten erzählen historische Objekte mit ihren dazugehörigen Geschichten die Entwicklung der letzten 200 Jahre im deutschen Südwesten. Hierzu zählen die Zeit des Vormärz, die Revolution von 1848, die Reichsgründung und damit die Einbindung in den Nationalstaat, die beiden Weltkriege sowie die Zwischenkriegszeit, der Aufbau des Südweststaates und die parlamentarische Demokratie im Medienzeitalter. Durch die stark inszenierten Ausstellungsexponate wird die Wahrnehmung des Besuchers gelenkt. Da dem Besucher keine Interpretation der Geschichte aufgezwungen werden soll, hat man auch auf in den historischen Kontext einbettende Texttafeln verzichtet, um die eigene Meinungsbildung zu gewährleisten. Das ist

101http://hdgbw.de/geschichtsvermittlung (29.10.2012) 69 auf jeden Fall ein interessanter Vermittlungsansatz, der allerdings den Nachteil mit sich bringt, dass sich der historische Laie in mitten der Exponate zuweilen etwas verlassen vorkommen kann. Der Themenpark im dritten Teil der Ausstellung versucht Gegenwartsthemen im historischen Kontext zu erleuchten. Bedingt durch seine Konzeption nimmt das Haus der Geschichte in Baden- Württemberg eine Vorreiterrolle ein. „ Es zeichnet die Landesgeschichte der vergangenen 200 Jahre nach und stellt zugleich immer den gesamtgeschichtlichen Zusammenhang her.“102 Das Haus der Geschichte hat neben der zentralen Dauerausstellung auch noch dezentrale Zweigstellen an anderen Orten Baden-Württembergs, zum Beispiel die Erinnerungsstätte an Matthias Erzberger in Münsingen-Buttenhausen, die ehemalige Synagoge in Haigerloch, das Turenne-Denkmal in Sasbach bei Kehl, die Stauffenberg- Erinnerungsstätte im Stuttgarter Alten Schloss sowie die sechste und jüngste Dauerausstellung mit dem Titel „Hohenasperg – Ein deutsches Gefängnis“. Somit ist das Haus der Geschichte auch als historischer Dienstleister von Bedeutung. „ Jede Ausstellung, die vom Haus der Geschichte konzipiert wird, muss bestimmte Merkmale erfüllen. Ein besonders wichtiges Merkmal ist die Vorgabe, dass nur originale und authentische Objekte ausgestellt werden.“103 Es sollen sowohl diejenigen angesprochen werden, die sich bereits mit landesgeschichtlichen Themen befassen, als auch diejenigen, die einen landesgeschichtlichen Zugang suchen. Das Haus der Geschichte stellt auf diese Weise ein Forum der Begegnungsmöglichkeiten mit Landesgeschichte dar. Es geht aber natürlich auch darum, einen Dialog über die Vergangenheit anzuregen, um für unser heutiges Landesbewusstsein ein tieferes Verständnis zu erhalten. Und nicht zuletzt soll mit diesem Museum auch die Verbundenheit der Menschen mit diesem Land gestärkt werden, in dem man die historische Entwicklung und die Besonderheiten des Landes erforscht, die das Gebiet des

102 http://hdgbw.de/ausstellungen/ueber-uns (29.10.2012)

103Staatsvertrag über den Südwestrundfunk, http://hdgbw.de/ausstellungen/ueber-uns (29.10.2012) 70 heutigen Baden-Württembergs seit dem beginnenden 19. Jahrhundert kennzeichnen. Die Präsentationskonzeption verdeutlicht auf sehr anschauliche Art und Weise, dass Landesgeschichte alle etwas angeht und dank der zahlreichen historischen Ausstellungsobjekte auch nicht abstrakt, sondern greifbar bleibt.

5. Öffentlich-rechtliche Sender Auch die Entstehung des Südwestrundfunks (SWR) im Jahre 1997 durch eine Fusion von Süddeutschem Rundfunk (SDR) und Südwestfunk (SWF) verdeutlicht den Versuch des Landes, durch einen Landessender auch im medialen Bereich eine gewisse Einheitlichkeit zu schaffen. Bis zu diesem Zeitpunkt war Baden-Württemberg das einzige Bundesland, das von zwei öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalten bedient wurde. Die vom Land forcierten Fusionspläne stießen bei beiden Sendeanstalten zunächst auf wenig Begeisterung. Es ist allerdings zu betonen, dass weder der SWF noch der SDR eindeutig dem einen oder anderen Landesteil zuzuordnen sind, da sich das jeweilige Sendegebiet über beide Landesteile des heutigen Landes Baden- Württemberg erstreckte. Der Südwestfunk (SWF) war von 1946-1998 die Landesrundfunkanstalt des Landes Rheinland-Pfalz sowie des südlichen Baden-Württembergs. Die Grenze zum Sendegebiet des Süddeutschen Rundfunks (SDR) in Baden-Württemberg verlief entlang der ehemaligen Grenzlinie der Länder Baden und Württemberg- Hohenzollern im Süden zu Württemberg-Baden im Norden des Landes. Im März 1946 ging der Südwestfunk, mit Ausnahme des Saarlandes, als Rundfunkanstalt für die gesamte französische Besatzungszone auf Sendung. Er wurde somit zur Landesrundfunkanstalt für Rheinland-Pfalz und die südlichen, französisch besetzten Länder Baden und Württemberg-Hohenzollern. Auch nach der Bildung des Landes Baden-Württemberg 1952 blieb der SWF

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Landesrundfunkanstalt für dessen südlichen Landesteil. Der Sitz des Senders befand sich in Baden-Baden. Im Mai 1997 unterzeichneten die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz den Staatsvertrag104 über die Gründung der Zwei-Länder-Anstalt Südwestrundfunk (SWR). Anfang 1998 fusionierten SWF und SDR formal zum SWR und im Oktober desselben Jahres gingen die Rechte und Pflichten auf den SWR über. Somit waren SWF und SDR endgültig aufgelöst worden. Der Süddeutsche Rundfunk (SDR) war von 1949 bis 1998 die Landesrundfunkanstalt für den nördlichen Teil Baden-Württembergs, genauer gesagt für das Gebiet des bis zur Landesgründung 1952 bestehenden Landes Württemberg-Baden. Der Hauptsitz der Sendeanstalt befand sich in Stuttgart. Weitere Studios bestanden in Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg, Heilbronn und Ulm. Der Vorläufer des SDR war der Sender Radio Stuttgart, welcher bereits 1945 in der amerikanischen Besatzungszone gegründet wurde. Auch nach der Bildung des Landes Baden-Württemberg 1952 blieb der SDR die Landesrundfunkanstalt für den nördlichen Teil des Landes. Im März 1987 entschied das Bundesverfassungsgericht über die Klagen von SWF und SDR gegen das Landesmediengesetz von Baden-Württemberg. Danach ist die Absicht, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten regionale Hörfunkprogramme zu verbieten, nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Diese Streitigkeiten veranlassten den Ministerpräsidenten Lothar Späth im Juni 1988 mittels einer Regierungserklärung in die Frage einer Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Südwesten einzugreifen. Nach dem Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht startete im September 1988 mit „Radio Breisgau“ das erste Sub-Regionalprogramm auf SWF1 und löste damit das Stadtradio Freiburg ab. Die Unternehmensberatungsgesellschaft Mc Kinsey105 übergab im Oktober 1989 einen Bericht über die wirtschaftlichen Vorteile einer Zwei-Länderanstalt aus SWF und SDR. Dieser Bericht wurde zuvor von

104 http://artikel5.de/gesetze/swr-stv.html (29.10.2011) 105 www.mckinsey.de/html/publikationen/index.asp (05.11.2011) 72

Ministerpräsident Späth in Auftrag gegeben, was als Indiz gewertet werden kann, wie man versuchte, einer regionalen Zersplitterung entgegen zu arbeiten, zugunsten einer Vereinheitlichung der Senderlandschaft innerhalb des Landes. Die vorgelegte Studie wurde sowohl von SWF als auch vom SDR massiv kritisiert. Um die von der CDU-Landesregierung betriebene Debatte um eine mögliche Fusion zu beenden, beschlossen SWF und SDR im Februar 1990 weitreichende Kooperationsvereinbarungen. 1995 legte der SWF-Intendant Peter Voß eine Konzeption zur Neuordnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Südwesten vor. Auch er plädiert für die Schaffung einer Zwei- Länderanstalt Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz. Im Juni 1996 kündigte Ministerpräsident Erwin Teufel in einer Regierungserklärung im Landtag an, die Neuordnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Südwesten in Angriff nehmen zu wollen. Ziel Teufels sei eine noch engere Zusammenarbeit zwischen SWF und SDR mit dem Ziel einer Fusion. Auch die Intendanten beider Sendeanstalten waren zwischenzeitlich einer Fusion nicht mehr abgeneigt und veröffentlichten noch im selben Jahr ein Grundsatzpapier mit dem Ziel einer Zwei-Länder-Anstalt. Im April 1997 war es dann soweit und die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz paraphierten in Mannheim den Entwurf eines Staatsvertrags über die Fusion von SWF und SDR zur neuen Anstalt SWR. Unterzeichnet wurde der Vertrag am 31. Mai 1997 in Mainz. Der Landtag von Baden-Württemberg verabschiedete das Gesetz zum Staatsvertrag über den Südwestrundfunk am 16. Juli desselben Jahres.106 Zwei Tage später folgte der Landtag von Rheinland-Pfalz. Für die Verschmelzung von SWF und SDR zum SWR gab es natürlich auch verschiedene rationale und pragmatische Gründe. Die Hauptgründe waren finanzieller Natur, so wurden durch eine Straffung der Organisationsstrukturen und einer Reduzierung des Verwaltungsapparates beachtliche Mittel frei. Des Weiteren spielte die Präsenz zweier Landesrundfunkanstalten in einem

106 Landtag von Baden-Württemberg – 12. Wahlperiode, Drucksache 12/1560 73

Bundesland ebenfalls eine nichtunerhebliche Rolle, da diese Situation immer wieder zu unvermeidbaren Konkurrenzsituationen beitrug. Nicht zuletzt spielten auch demographische Gesichtspunkte eine Rolle, denn die Gebühreneinnahmen des SWF waren rückläufig, während der SDR mit seinen Ballungsräumen finanziell besserausgestattet war. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass der Prozessder Fusion der beiden Landesrundfunkanstalten von SWF und SDR zur Zwei-Länderanstalt SWR zwar vordergründig und nach außen hin nach rein pragmatischen und sachlichen Gesichtspunkten vorgenommen wurde, aber im Hintergrund sich durchaus auch mentale Widerstände auftaten, die eine Zerschlagung kleinräumiger Strukturen, in diesem Falle der Sendelandschaft, befürchteten. Somit wurde der Fusionsprozess zur Staatsangelegenheit und verschiedene gesellschaftliche Kreise befürchteten eine Benachteiligung der regionalen Strukturen zugunsten des befürchteten Stuttgarter Zentralismus. Diese Furcht, die seit Anbeginn der Landesgründung 1952 immer wieder auftrat, spiegelt sich auch im beschriebenen Fusionsprozess der Rundfunkanstalten wider.

6. Untersuchung der Feierlichkeiten zu den Landesjubiläen im Zehnjahresrhythmus Im Mittelpunkt der nachfolgenden Betrachtungen stehen die jeweiligen Feierlichkeiten und Festansprachen des Landtages von Baden-Württemberg zu den entsprechenden Landesjubiläen. Als Forschungsstrategie wurde eine Untersuchung der Jubiläumsfeierlichkeiten im Rhythmus einer Dekade vorgenommen. Das bedeutet konkret die Betrachtung der Feierlichkeiten nach 10, (20), 25, 30, 40 und 50 Jahren. Von der Konsequenz dieser Untersuchungsmethodik wird allerdings an einer Stelle abgewichen, so dass nach der Untersuchung der Feierlichkeiten zum 10-jährigen Bestehen Baden- Württembergs nicht, wie zu erwarten wäre, die genauere Betrachtung der

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Feierlichkeiten zum 20. Landesjubiläum steht, sondern sich der Fokus erst wieder auf die Feierlichkeiten nach einem Vierteljahrhundert richten wird. Der Hintergrund für dieses Vorgehen besteht darin, dass das 20. Landesjubiläum Baden-Württembergs eher als Randnotiz vermerkt wurde und keine ausgiebigen Feierlichkeiten begangen wurden. Über die Motive für sehr bescheiden ausgefallene Festivitäten und damit einer eher mageren Würdigung nach zwanzig Jahren Baden-Württemberg kann nur spekuliert werden. Vermutlich hat sich die Gesamtsituation des Landes, verglichen mit dem Gesamtbild des Landes nach zehn Jahren, nur unwesentlich verändert, so dass man von größeren Feierlichkeiten abgesehen hatte, da man sich zum 25-jährigen Bestehen wiederum in der Pflicht sah, in größerem Stile das Landesjubiläum zu begehen. So beschränkten sich die Feierlichkeiten nach zwanzig Jahren lediglich auf wenige Äußerungen des Abgeordeten Dr. Brandenburg (FDP/DVP) wie folgt: „Die Verfassungsgebende Landesversammlung des neuen Bundeslandes trat am 25. März 1952 zu einer konstituierenden Sitzung zusammen und verabschiedete am 22. April ein Gesetz über die Wahl des ersten Ministerpräsidenten und über die Bildung der Regierung.(...) In der Sitzung am 25. April 1952 – das ist der entscheidende Tag; ich sehe das noch heute vor mir – stand der damalige Ministerpräsident, Dr.Reinhold Maier, am Rednerpult in der Heusteigstraße und verkündete die Zusammensetzung der Regierung. Dann zog er die Uhr aus der Westentasche und sagte: Es ist 12.30 Uhr – so ungefähr - , ich stelle fest, daß gemäß dem bestehenden Gesetz von diesem Moment an, von der Bildung der Regierung an, das Bundesland, der Südweststaat besteht. Baden-Württemberg existierte als Name noch nicht; der wurde erst später durch die Verfassung festgelegt. Das war die eigentliche Stunde, Herr Ministerpräsident, in der rechtlich das Land entstand. (...) Ein Land ohne Verfassung mit drei Verfassungen, die weitergalten, war natürlich keine komplette Sache.“107

107 Verhandlungen des Landtags von Baden-Württemberg, 6.WP 1972-1976, Protokollband 3.1, 41.-50. Sitzung, 12.12.1973-1.3.1974, S. 2373 75

10 Jahre Baden-Württemberg (1962) Die Reflexionsgrundlage zum zehnjährigen Bestehen des Landes Baden- Württemberg bilden die Festansprachen des Landtages vom 18. Mai 1962. Untersucht wurden in diesem Zusammenhang die Ansprachen der nachfolgenden Landtagsabgeordneten: Dr. Franz Gurk, (Landtagspräsident, CDU), Camill Wurz (CDU), Dr. Hermann Veit (SPD), Dr. J. Peter Brandenburg (FDP/DVP), Dr. Karl Bartunek (GDP) und Kurt Georg Kiesinger (Ministerpräsident, CDU). Der Landtagspräsident Dr. Gurk (CDU) betont die Einzigartigkeit des Gründungsaktes von Baden-Württemberg und er glaubt die Bereitschaft aller zu erkennen, zum Wohle dieses Landes beitragen zu wollen. „Der in dieser Art erstmalige Akt der Bildung eines neuen Bundeslandes ist Geschichte genug, um ihn als Beispiel einer Staatsbildung in der Demokratie, wenngleich er erst zehn Jahre zurückliegt, würdig zu feiern.“108 Des Weiteren hebt er die Qualität der entstandenen Landesverfassung hervor und lobt die zum Aufbau des Landes zustande gekommenen notwendigen Gesetze. Es werden grundsätzliche Schwierigkeiten bei Staatsumbildungen erläutert und auf die damit häufig verbundene emotionale Problematik verwiesen. Hinsichtlich der noch ausstehenden Volksabstimmung mahnt er zu einer verantwortungsbewussten Mitarbeit. Wenn er auch das Heimatgefühl der Bürger als einen irrationalen Wert betrachtet, so scheint es ihm doch ein wichtiger Wert der Menschen zu sein, der nicht übergangen werden darf. Eine Verwurzelung mit dem neuen Land sei am ehesten zu erzielen, wenn alle Bürger sich an öffentlichen Angelegenheiten beteiligten. Schließlich spricht er all denjenigen seinen Dank aus, die beim Aufbau des Landes mitgewirkt haben. Der Abgeordnete Wurz (CDU) betont in erster Linie die Leistungen der vergangenen zehn Jahre und dankt den Regierungen des Landes für deren Arbeit. Er hebt gezielt den „Fleiß und die Arbeitsamkeit der Bevölkerung aller

108 Gurk, Festakt zum 10-jährigen Bestehen Baden-Württembergs, 3. Landtag von Baden-Württemberg, Haus der Landtags, Stuttgart, 1962, S. 5 76

Landesteile hervor. Als zentrale Zukunftsaufgabe ist eine harmonische, auf Ausgleich zwischen allen Landesteilen bedachte Entwicklung zu erkennen“109. Das ausstehende Plebiszit über den Fortbestand des Landes stellt eine schwere Belastung für das Land dar. Diese Badenfrage sieht er vor allem für weite Kreise der badischen Bevölkerung, aber auch für den Rest des Landes als schwere Belastung. „Aber wie eine dunkle Wolke liegt über dem Land Baden- Württemberg die sogenannte Badenfrage, das ausstehende Plebiszit über den Fortbestand des Landes.“110 Er apelliert an eine fruchtbare und respektvolle politische Zusammenarbeit. Der Abgeordnete Dr. Brandenburg (FDP/DVP) betont die Befürwortung des Südweststaates durch seine Partei. Baden-Württemberg habe sich bewährt, und er hebt vor allem die wirtschaftlichen Leistungen des Landes in den vergangenen zehn Jahren hervor.“Die gesetzgeberische Neuordnung und die administrative Leistung, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und der Prozeß des Angleichens, des Ausgleichens, über den heute schon gesprochen wurde, und des Zusammenwachsens verdienen nach diesen zehn Jahren doch als ein großartiger politischer Vorgang bezeichnet und gewürdigt zu werden.“111 Der Prozess des Zusammenwachsens der beiden Landesteile sei von großem Bemühen geprägt. „Durch seine Leistung habe sich das Land bereits seine innere Legitimität gegeben“112, daher sei es wichtig hinsichtlich der ausstehenden Volksabstimmung, dass das Land vereint bliebe. Er betont zudem die wirtschaftlichen Negativfolgen einer erneuten Teilung. Wirtschaftlicher Erfolg als Legitimation politischer Herrschaft ist ein Phänomen, das man auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges am Beispiel der jungen Bundesrepublik aufzeigen kann. Auch in diesem Falle, vor dem Hintergrund des einsetzenden Kalten Krieges, untermauerte die Bundesrepublik Deutschland ihre

109 ebenda, Wurz, 1962, S. 8 110 ebenda, Wurz, 1962, S. 8 111 Brandenburg, Festakt zum 10-jährigen Bestehen Baden-Württembergs, 3. Landtag von Baden-Württemberg, Haus der Landtags, Stuttgart, 1962, S. 12 112 ebenda, Brandenburg, 1962, S. 13 77

Rechtmäßigkeit und systemische Überlegenheit gegenüber der DDR durch ihren wirtschaftlichen Erfog, der entscheidend auf Adenauers Politik der Westintegration der westlichen Sektoren im geteilten Deutschland zurückzuführen war. Auch der Abgeordnete Dr. Karl Bartunek (GDP) als Vertreter der Heimatvertriebenen bezieht klar Stellung für den Südweststaat und bejaht somit vor allem aus wirtschaftlichen, aber auch aus gesamtdeutschen Motiven das neu entstandene Land. Im Unterschied zu allen anderen Festansprachen entwirft der Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger einen sehr weit ausgreifenden historischen Exkurs zur Entstehungsgeschichte des neuen Bundeslandes. Er hebt vor allem die weit zurückreichende Stammesgeschichte des Landes hervor, die schließlich älter sei als die Geschichte des Deutschen Reiches. „ Lange vor dem Jahre 962, vor der Gründung eines deutschen Königreichs diesseits des Rheines im Jahre 911, ja, vor dem Frankenreich Karls des Großen und vor dem des Merowingers Chlodwig, gab es hier eine gemeinsame Stammesgeschichte (...) Unsere Stammesgeschichte ist also viel älter als die deutsche Geschichte und die Geschichte des Deutschen Reiches.“113 In diesem Zusammenhang betont er die geistig-kulturellen Leistungen des besagten Landstrichs, der seinen politischen Höhepunkt mit dem Aufstieg der Staufer erfahren und nach deren Niedergang eine territoriale Zersplitterung eingesetzt habe, die erst durch Napoleon und dessen gewaltsame Neuordnung ein Ende genommen hätte. Somit seien die drei neuen Länder des Südwestens, nämlich das Königreich Württemberg, das Großherzogtum Baden und Hohenzollern kreiert worden. Eine erneute willkürliche Aufteilung habe das Land nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Siegermächte erfahren (Württemberg-Baden, Südbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern). Des Weiteren erläutert er das Zustandekommen des Landes Baden-Württemberg. Er erwähnt, dass „eine Vereinbarung der drei

113 Kiesinger, Festakt zum 10-jährigen Bestehen Baden-Württembergs, 3. Landtag von Baden-Württemberg, Haus der Landtags, Stuttgart, 1962, S. 16 78

Länder schon vor der Gründung der Bundesrepublik am Widerstand Südbadens gescheitert sei und auch nach der Annahme des Grundgesetzes nicht Zustande kam.“114 Betont wird auch die neu gewonnene Einheit des Landes im Jahre 1952. Er lobt die Arbeit des gesamten Landes der vergangenen zehn Jahre. So „gedieh das neu gegründete Bundesland Baden-Württemberg (seit) 1952 zu einer neuen Einheit.“115 Die Grußbotschaft des Bundespräsidenten Lübke wird vom Herrn Ministerpräsident vermutlich u.a. auch deshalb verlesen, da dieser ebenfalls die paritätische und nachhaltige Förderung aller Landesteile des neu geschaffenen Bundeslandes würdigt. In sehr pathetischer Art und Weise dankt Herr Kiesinger abschließend dem Herrgott für das gute Gelingen des neuen Bundeslandes in seiner ersten Dekade. Es ist deutlich erkennbar, dass die Reden der Regierungsparteien inhaltlich allesamt in ihrem Wesenskern sehr ähnlich gelagert sind. Sie betonen stets das bisher Erreichte und schwerpunktmäßig die positiven wirtschaftlichen Entwicklungen während der ersten Dekade. Durchgehend wird auch das gelingende Zusammenwachsen beider Landesteile hervorgehoben, und die vermeintlichen Schwierigkeiten in diesem Vereinigungsprozess werden eher am Rande erwähnt und mit dem Verweis auf ein möglichst verantwortungsvolles und betont konstruktives Abstimmungsverhalten für das noch ausstehende Plebiszit über den Fortbestand des neuen Bundeslandes. Von den tatsächlichen Widerständen während dieser Dekade ist nicht nennenswert die Rede. In einem gewissen Gegesatz dazu steht die Festansprache der Oppositionspartei von Herrn Dr. Veit (SPD), die die genannten Schwierigkeiten bezüglich des Zusammenwachsens beider Landesteile herausstellt. Zwar wird ebenfalls die Leistung bei der Aufbauarbeit des Landes hervorgehoben, allerdings betont man den sozialdemokratischen Anteil daran. Es wird deutlich betont, dass der badische Landesteil wirtschaftlich, aber auch kulturell durch den

114 ebenda, Kiesinger, 1962, S. 17 115 ebenda, Kiesinger, 1962, S. 17 79

Zusammenschluss profitiert und somit keinen Schaden erlitten habe. Materielle Vorteile seien vor allem dem badischen Landesteil zugute gekommen. Eine Majorisierung Badens habe nie stattgefunden. „Nie ist die badische Bevölkerung in den vergangenen zehn Jahren majorisiert worden, nie haben die Abgeordneten aus den badischen Landesteilen eine Abstimmung im Landtag erlebt, bei der die Württemberger gegen die Badener gestanden haben. Nie ist im Lande Baden-Württemberg eine Regierung gebildet worden, in der nicht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Regierungsmitliedern aus Baden und Württemberg bestanden hat, mit Ausnahme der Koalitionsregierung des Jahres 1960.“116 Er betont die Rechtmäßigkeit des einstigen Zusammenschlusses und erwähnt die Unsachlichkeit und Demagogie im Vorfeld der Abstimmung von 1951, bei der vor allem die Württemberger verletzt und beleidigt worden seien. Er kritisiert im weiteren Verlauf den Wortlaut zur Begründung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes, in dem Baden als übergangen dargestellt wird.117 Alles in allem lässt die Rede der Oppositionsfraktion im Landtag erkennen, dass auch sie sich zwar zur Einheit des Landes bekennt und das bis dato Erreichte der ersten Dekade würdigt, sich aber aus parteipolitischen Gründen gegen ein allzu harmonisch gezeichnetes Bild, frei von landsmannschaftlichen Gegensätzen innerhalb des neu geschaffenen Landes zur Wehr setzt.

116 Veit, Festakt zum 10-jährigen Bestehen Baden-Württembergs, 3. Landtag von Baden-Württemberg, Haus der Landtags, Stuttgart, 1962, S. 10 117 DFR, BverfGE 5,34 – Baden-Abstimmung Auszüge aus der Urteilsbegründung, Anhang, S. 351 www.servat.unibe.ch/dfr/bv005034.html (05.03.2012) 80

25 Jahre Baden-Württemberg (1977) Grundlage der Reflexion stellen die Ansprachen im Landtagsgebäude anlässlich des Festaktes zur Eröffnung der Ausstellung des Landtags zum 25-jährigen Landesjubiläum vom 9. März 1977 dar. Das Ziehen von Staatsgrenzen in der Geschichte oblag stets der herrschenden Klasse oder einem einzelnen Herrscher oder den Siegern. Dabei wurde auf die landsmannschaftlichen Befindlichkeiten der betroffenen Bevölkerung keine Rücksicht genommen. Im Gegenteil, es war ein Akt der Willkür oder des politischen Kalküls absoluter Regenten. Insofern betont der Landtagspräsident Ganzenmüller (CDU) die historische Einzigartigkeit der Entstehung des Landes Baden-Württemberg, „bei welcher die Bevölkerung selbst über die Grenzen und die Form ihres Landes entscheiden konnte.“118 Ganzenmüller betont die Kleinräumigkeit und die Vielzahl territorialer Selbständigkeiten während der Zeit des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Erst Napoleons Staatsräson sei es gewesen, welche europäische Mittelstaaten - darunter das Großherzogtum Baden und das Königreich Württemberg – schuf. Des Weiteren hebt er die kluge Staatsführung und Verwaltung in beiden Staaten hervor. Besondere Erwähnung findet das rasch entstandene badische Staatsbewusstsein. Erstmals, so Ganzenmüller, „ging es nicht mehr um die Frage Alemanne oder Franke, sondern um die Frage Badener oder Württemberger.“119 Im Bezug auf die schwierigen Anfangsjahre des Landes zitiert Ganzenmüller ein Schreiben des württembergischen Landesbischof Dr. Wurm an den damaligen Staatspräsidenten Wohleb: „ Man wird später nicht danach fragen, ob der Staatspräsident des Südweststaates ein Württemberger oder Badener ist.“120 An dieser Stelle seiner Rede wird deutlich versucht die vorhandenen beidseitigen Ressentiments abzuschwächen und zu verharmlosen. Für Ganzenmüller stellt das 25-jährige Bestehen des Landes Baden-Württemberg keine Siegesfeier dar

118 Ganzenmüller, Festakt des Landtags, 25 Jahre Baden-Württemberg, Rückblick auf die Entstehung des Bundeslandes, Mittwoch, 9. März 1977, Stuttgart, 1977, S. 3 119 ebenda, Ganzenmüller, 1977, S. 3 120 ebenda, Ganzenmüller, 1977, S. 4 81 und in Folge dessen „müsse man auch der einstigen Gegenspieler, allen voran Leo Wohleb, gedenken. Dieser habe vor allem aus Sorge um seine Heimat gehandelt (…) und sein Wirken habe auch Früchte getragen.“121 So sei es großenteils ihm zu verdanken, dass man in unserem Bundesland peinlich genau auf die landsmannschaftliche Ausgewogenheit der Landesteile achte und auch weiterhin Gleichberechtigung eine Maxime bleibe. Auch der damalige Ministerpräsident Dr. Filbinger hebt in seiner Ansprache hervor, „dass es sich bei der Gründung des neuen Bundeslandes um den bis auf den heutigen Tag einzigen gelungen Fall einer Neugliederung innerhalb der Bundesrepublik handelte. Ohne die Vereinheitlichung des deutschen Südwestens wären vermutlich zwei der drei Länder zu Empfängerländern geworden. Doch stattdessen sei Baden-Württemberg im Rahmen des Länderfinanzausgleichs zum wichtigsten Geberland der Bundesrepublik geworden“122, so Filbinger. Durch seine Lage zwischen Frankreich, Österreich und der Schweiz sei dem deutschen Südwesten schon immer die Aufgabe der Vermittlung und des Ausgleichs zugekommen. Dieser Aufgabe müsse man nun, gerade wegen der Unterschiedlichkeit der Landesteile, auch innerhalb des Landes Baden Württemberg gerecht werden. So gelte es vor allem den wirtschaftlichen und sozialen Ausgleich zu sichern und zu fördern. Filbinger führt fort, „dass laut einer Umfrage der Landesregierung 85 % der Bürger gerne im neu geschaffenen Bundesland Baden-Württemberg lebten. Dies sei ein Beweis, daß gerade der wirtschaftliche und soziale Ausgleich zwischen den Landesteilen in den ersten 25 Jahren gelungen sei. (…) Ziel der Landesausstellung sei es vor allem, der jungen Generation das anfängliche Ringen um die staatliche Neugliederung bewusst zu machen.“123

121 ebenda, Ganzenmüller, 1977, S .4 122 Filbinger, Festakt des Landtags, 25 Jahre Baden-Württemberg, Rückblick auf die Entstehung des Bundeslandes, Mittwoch, 9. März 1977, Stuttgart, 1977, S. 7 123 ebenda, Filbinger, 1977, S. 7 82

Walter Krause (SPD), erster Stellvertretende Landtagspräsident, würdigt in seiner Ansprache zunächst die engagierten Vorkämpfer der CDU für den Südweststaat und hebt deren außergewöhnlich große politische Leistung hervor. Ebenso wie sein Vorredner Dr. Filbinger sieht er in der Neugliederung einen Glücksfall, der bis zum heutigen Tage kein zweites Mal stattgefunden habe und somit unvergleichbar bleibe. Der Glücksfall bestand darin, „daß es im Parlamentarischen Rat gelang, die Südweststaatsfrage von der übrigen Neugliederungsproblematik des Artikels 29 des Grundgesetztes abzutrennen und im Artikel 118 des Grundgesetzes eine Sonderreglung zu treffen.“124 Die Schwierigkeiten der ersten Jahre führt er weniger auf landsmannschaftliche Ressentiments zurück als vielmehr auf konkrete politische Streitfragen, allen voran in unterschiedlichen Auffassungen zur Gestaltung künftiger Schulpolitik. Der Wille zum Kompromiss aller Beteiligten sei bisher der Schlüssel zum Erfolg des Landes gewesen. So hebt Krause die Leistungen des Landes in den verschiedensten Bereichen ausführlich hervor. In diesem Zusammenhang finden vor allem die 1967 durchgesetzte christliche Gemeinschaftsschule im ganzen Land sowie der erfolgreiche Abschluss der Kreisreform von 1971 Erwähnung. Krause geht nochmals gezielt auf die Rechtmäßigkeit der Gründung des Südweststaates ein, die vom Verfassungsgericht 1956 bestätigt wurde, bei gleichzeitigem Einräumen eines Volksbegehrens zur möglichen Wiederherstellung des alten Landes Baden. Die erfolgreiche Durchführung des Volksbegehrens machte dann eine Volksabstimmung notwendig. Erst im Jahre 1969 - also 13 Jahre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum zweiten Neugliederungsgesetz - kam im Deutschen Bundestag eine Grundgesetzänderung zustande, welche den Weg zu einem Volksentscheid frei machte. Laut Krause wurde mit der Volksabstimmung vom 7. Juni 1970 ein Schlussstrich unter die Südweststaatsfrage gezogen.

124 Krause, Festakt des Landtags, 25 Jahre Baden-Württemberg, Rückblick auf die Entstehung des Bundeslandes, Mittwoch, 9. März 1977, Stuttgart, 1977, S. 8 83

Politisch ist dieser Einschätzung sicherlich zuzustimmen. Ob damit wechselseitige Ressentiments ebenfalls ausgeräumt waren, dieser Frage gilt es in diesem Zusammenhang nachzugehen. Für den Vize-Landtagspräsidenten gilt „das eindeutige Votum von 82 % der Abstimmenden zum Verbleib im Südweststaat als Beweis für die Richtigkeit der vor 19 Jahren getroffenen Entscheidung zur Gründung des Landes Baden-Württemberg. So betrachtet er dieses Votum als eine späte Quittung für die immer wieder zu Unrecht verbreitete Behauptung, daß der badische Landesteil benachteiligt werde.“125 Krause betont gegen Ende seiner Ansprache, daß es in Regierung und Parlament keine landsmannschaftlichen Ressentiments mehr gäbe. „ Hier in diesem Hause sind Gott sei Dank alle Ressentiments verschwunden.“126 Des Weiteren sollte im Zyklus der Festansprachen der Vortrag des ehemaligen Ministerpräsidenten Dr. Gebhard Müller (FDP) Erwähnung finden. Dieser geht sehr detailiert auf die Besatzungsjahre des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Er hebt die neuerlich gewaltsame Veränderung der Landesgrenzen hervor und die politischen Schwierigkeiten und Hemmnisse während der Nachkriegsjahre. Er betont die Not vor allem der südlichen Landesteile und die Bemühungen der drei südwestdeutschen Regierungschefs, diese Länder zu vereinen. Neben dem weiteren Fortgang zur Neugliederung des Südwestens geht er ebenso auf die Volksbefragung des Jahres 1950 ein, wie auch auf die Position Frankreichs bezüglich eines Länderzusammenschlusses. Gebhard Müller erläutert sehr ausführlich den Streit um die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens des neuen Landes Baden-Württemberg, zumal sich Baden von den Württembergern majorisiert sah. „Durch die vorgesehene Majorisierung, die Ablehnung der Durchzählung nach alten Ländern, wird das Sonderrecht des badischen Volkes auf Weiterführung seines staatlichen Lebens gegen seinen Willen und ohne seine Zustimmung verletzt.“127 Bei dieser

125ebenda, Krause, 1977, S. 9 126 ebenda, Krause, 1977, S. 10 127 Müller, Festakt des Landtags, 25 Jahre Baden-Württemberg, Rückblick auf die Entstehung des Bundeslandes, Mittwoch, 9. März 1977, Stuttgart, 1977, S. 16 84

Erörterung stellt er nochmals die Hauptargumente der Befürworter und der Südweststaatsgegner gegenüber. Um vermutlich alte Wunden nicht erneut aufzureißen, berichtet Gebhard Müller die einstigen harten Auseinandersetzungen in einer sehr humorvollen Art und Weise. Es fällt auf, dass er durchaus Verständnis für die Südweststaatsgegner zeigt, da diese in gewisser Weise ihr badisches Staatsgefühl verloren hätten. Er betont, dass der Wunsch nach einer staatlich verfassten Heimat ein durchaus ehrenhafter Wunsch sei. „Die eigentliche Triebfeder der Gegenwehr war, wie der Abgeordnete Kopf im Bundestag und vor dem Bundesverfassungsgericht offen und zutreffend aussprach, das badische „Staatsgefühl“, der durchaus ehrenhafte Wunsch nach Erhaltung des badischen Staates, der staatlich verfassten Heimat,(...) Diesen Staat und seine Verwurzelung in ihm aufgeben zu müssen, hat man vor allem in den führenden, die Volksmeinung maßgeblich beeinflussenden Kreisen als ungeheuer schmerzlich empfunden.“128 Er bedauert in seiner Ansprache die lange Zeit, welche bis zur endgültigen Abstimmung im Jahre 1970 verstrichen sei, betont aber ausdrücklich, dass die Badener nach 25 Jahren Baden-Württemberg in der Landesregierung und anderen Spitzenpositionen ein Übergewicht erhalten hätten. Erwähnt werden sollte auch das Geleitwort des Landtagspräsidenten Ganzenmüller zur Dokumentation der Landesausstellung von Paul Sauer .129 Ganzenmüller betont ausdrücklich die vermeintlich historische Tradition, die dem vereinten Land Baden-Württemberg zugrunde liegt. Gemäß seinen Ausführungen wurden 1952 nicht zwei künstlich entstandene Staaten miteinander vereint, sondern „unser Land knüpft bewusst an die Tradition des hochmittelalterlichen staufischen Herzogtums Schwaben an, in dem ein Großteil des heutigen Staatsgebietes schon einmal vereint war.“130 Für Ganzenmüller

128 ebenda, Müller, 1977, S. 18 129 Sauer, Die Entstehung des Bundeslandes Baden-Württemberg, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Stuttgart, 1977 130 Ganzenmüller, in: Sauer, Die Entstehung des Bundeslandes Baden-Württemberg, Hrg. Landtag von Baden- Württemberg in Verbindung mit dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Stuttgart, 1977, S. 6 85 stellt somit die Gründung des Landes Baden-Württemberg einen Glücksfall der Geschichte dar, zumal sich durch die alliierte Besatzung die einmalige Chance ergab, an eine jahrhunderte alte gemeinsame Tradition anzuknüpfen. Neben der Argumentation der historischen Tradition rechtfertigt er die Gründung des neuen Bundeslandes aber auch mit dem Hinweis darauf, dass man die Gunst des historischen Augenblicks ergreifen musste, da derartige Gelegenheiten in der Geschichte nur selten eine Wiederholung fänden. Denn der festgefahrene territoriale Zuschnitt der Länder sei erstmals wieder seit Napoleon in Bewegung geraten und es bot sich nun die Gelegenheit gescheiterte Pläne zu Beginn der Weimarer Republik bezüglich einer Neugliederung der Länder aufzugreifen. Die weitere Analyse der Festansprachen zum 25-jährigen Landesjubiläum bezieht sich auf die Vorträge vom 2. September 1977 im Vortragssaal des Generallandesarchivs Karlsruhe.131 Der dritte stellvertretende Präsident des Landtags Hans Albrecht (FDP) stellt die Stadt Karlsruhe in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Er betont ausdrücklich das schmerzvolle Opfer, das der badische Landesteil, und speziell Karlsruhe als ehemaliger Regierungssitz, mit der Gründung des Landes Baden-Württemberg, bringen musste. Des Weiteren betont Albrecht aber auch, dass Karlsruhe auch weiterhin der Chance nicht beraubt worden sei, kulturelles, wissenschaftliches und wirtschaftliches Zentrum zu sein. „Von Karlsruhe sind, (...) bedeutende geistige und politische Impulse ausgegangen, die auch weit außerhalb Badens mit großem Interesse aufgenommen worden sind und fruchtbar wurden.“132 Durch die Verbindung des großherzoglichen Hauses mit dem Liberalismus habe man von außen stets mit einem gewissen Neid auf die badische Residenz geblickt. In der Zeit des Vormärzes „hat ganz Deutschland interessiert und neugierig nach Karlsruhe in

131 Vorträge zur Landesausstellung 25 Jahre Baden-Württemberg, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 1977/78 132 Albrecht, Vorträge zur Landesausstellung 25 Jahre Baden-Württemberg, Hrg. Landtag von Baden- Württemberg, 1977/78, S. 25

86 den Ständesaal geblickt, da man von hieraus erstmals Fragen der Einheit und Freiheit öffentlich erörterte und der Kampf gegen das alte System oft einen dramatischen Verlauf genommen hat.“133 Vor diesem historischen Hintergrund zeigt Albrecht großes Verständnis für die Bedenken und Zunkunftssorgen Badens zum Zeitpunkt des Länderzusammenschlusses. Den Kampf eines großen Teils der badischen Bevölkerung betrachtet Albrecht als einen legitimen Kampf um den Erhalt Ihrer Heimat. Das heimatverbundene Ringen um den Erhalt der ideellen Integrität ist für ihn nachvollziehbar und liege vor allem im tendenziell kleinräumigen Denken nach dem Zerfall des Herzogtums Schwaben begründet. Somit verleiht Albrecht dem Kampf Badens um Fortführung der Eigenständigkeit auch ein klar historisch begründbares Fundament. Den zähen Kampf Leo Wohlebs134 gegen eine Neugliederung Südwestdeutschlands begründet Albrecht mit der traumatischen Erfahrung von Gleichschaltung im Dritten Reich, der strikten Unterordnung unter zentralistische Strukturen, die wenig Freiraum zur Entfaltung ließen. Für Albrecht ist die Gründung Baden-Württembergs aber auch eine einmalige Chance der Geschichte gewesen, die man ergreifen müsse, wenn sie einem schon geboten würde. Die Einzigartigkeit dieser Vorgänge belege die Tatsache, dass diese Länderneugliederung bis heute in der Bundesrepublik beispielhaft geblieben sei. Abschließend geht Albrecht auf die erfolgreichen Bemühungen der Regierung ein. „Das Land hat sich auch immer wieder – ich meine mit Erfolg – darum bemüht, lokalen und regionalen Traditionen ihren angestammten Stellenwert zu lassen, ja es fördert sogar nachhaltig das historische Bewußtsein der einzelnen Landesteile.“135 Abschließend in diesem Rahmen sei die Rede des Landtagspräsidenten a.D. Dr. Franz Gurk (CDU) erwähnt. Neben dem allgemeinen Lob für die

133 ebenda, Albrecht, 1977/78, S. 25 134 Schadek, Ilgen, Scherb, Ein badisches Leben – Leo Wohleb 1888-1955, Stadt und Geschichte, Neue Reihe des Stadtarchivs , Freiburg i.Br., 2002

135 ebenda, Albrecht, 1977/78, S. 25 87

Leistungen der vergangenen Jahre stellt er Nordbaden und vor allem das Abstimmungsverhalten der dortigen Bevölkerung von 1950 und 1970 in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Dr. Gurk betrachtet dieses Abstimmungsverhalten als einen Beweis für die Integration beider Landesteile. „Das neue Bundesland war nach dieser Volksabstimmung rechtlich und tatsächlich fundiert (...) (und) kann als Integrationsbeweis angesehen werden.“136 Dies ist allerdings mit einer gewissen Skepsis zu betrachten. Die Zahlen, die er anführt, sind natürlich korrekt, und sie scheinen auch einen Beleg für das Zusammenwachsen beider Landesteile zu liefern. Ein Wandel des Abstimmungsverhaltens im Zeitraum 1950 bis 1970 in Nordbaden ist unverkennbar. Stimmten 1950 noch über 70 % für den Erhalt Badens und ca. 28 % für den Südweststaat, so waren es 1970 noch knapp 36 % der nordbadischen Bevölkerung, die sich für den Erhalt Badens aussprachen und gut 64 % für den Südweststaat. Zum einen sollte man die Verhältnisse Nordbadens nicht gleichsetzen mit denen in Südbaden, zumal in Nordbaden die Kurpfalz und die hohe Anzahl der Vertriebenen zu berücksichtigen sind und somit Nordbaden niemals als pars pro toto betrachtet werden kann. Es ist außerdem eine Frage der Betrachtungsweise. 64 % für den Südweststaat sind zweifelsohne eine klare Mehrheit, schließen aber keineswegs Ressentiments gegen dieses neue Bundesland aus. Immerhin sind nach 20 Jahren Südweststaatsdiskussion weiterhin mehr als ein Drittel der Bevölkerung Nordbadens für den Erhalt Badens. Und wie schon erwähnt, ist dies unter Berücksichtigung der besonderen Sozialstruktur Nordbadens bemerkenswert. Da Dr. Gurk anlässlich des Jubiläums vermutlich die landsmannschaftlich verbindenden Elemente herausgestellt wissen will, wird er nachvollziehbar das bestehende Trennende nicht weiter ausführen. Somit wird auch nach 25 Jahren Baden-Württemberg in den Reden eine gezielte bzw. gewünschte Beeinflussung deutlich. Das zeigt gegebenenfalls schon die gewählte Wortwahl „für Baden - nur noch – 35,9

136 Gurk, Vorträge zur Landesausstellung 25 Jahre Baden-Württemberg, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 1977/78, S. 29 88

Prozent (...).“137 Dem Wörtchen nur, auf das man auch hätte verzichten können, schwingt zweifelsohne eine negative Konnotation mit. Die Ausführungen zum 25-jährigen Landesjubiläum soll mit der Analyse der Festvorträge, die bei der Wanderausstellung in Gaggenau, Mannheim, Schwäbisch Gmünd und Aalen gehalten wurden, abgeschlossen werden. In der Festansprache vom 2. Oktober 1977138 im Rathaus zu Gaggenau gibt der Zweite Stellvertretende Präsident des Landtags Dr. Lothar Gaa (CDU) einen historischen Überblick über die Nachkriegsgeschichte Südwestdeutschlands. Die durch die Kreisreform von 1971 zur Großen Kreisstadt erhobenen Stadt bezeichnet er als eine der „landschaftlich schönsten Industriestädte des nordbadischen Regierungsbezirks Karlsruhe (und) zu jenen Orten in Baden- Württemberg, die den wirtschaftlichen Aufschwung und die ökonomische Leistungskraft unseres Landes mit am deutlichsten symbolisierten.“139 Damit entkräftet er indirekt die von vielen Badenern befürchtete wirtschaftliche Vernachlässigung des badischen Landesteils durch die Stuttgarter Landesregierung. Des Weiteren betont er die Einzigartigkeit einer gelungenen Länderneugliederung in der Bundesrepublik. Das Land habe sich bewährt und ihm „gelang, alteingesessene badische und württembergische Alemannen und Franken, die Hohenzollern und Kurpfälzer mit über einer Millionen Flüchtlingen und Heimatvertriebenen in diesem Lande zu integrieren, wobei die kulturelle Eigenständigkeit und Vielfalt nicht nur vorbildlich respektiert, sondern bewußt gefördert wurde.“140 Mit der letzten Abstimmung aus dem Jahre 1970 sei die Badenfrage eindeutig zugunsten des neuen Bundeslandes entschieden worden und somit war in der Folgezeit der Weg frei für die Gemeindereform, die zu sinnvollen neuen Verwaltungseinheiten geführt habe.

137 ebenda, Gurk, 1977/78, S. 29 138 Vorträge zur Landesausstellung 25 Jahre Baden-Württemberg, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 1977/78 139 Gaa, Vorträge zur Landesausstellung 25 Jahre Baden-Württemberg, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 1977/78, S. 35

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In weiten Teilen stimmt diese Rede mit der Ansprache von Walter Krause (SPD), dem ersten Stellvertretenden Präsident des Landtags, im Nationaltheater Mannheim vom 6. November 1977, überein. Auch er sieht im Abstimmungsergebnis von 1970 eine eindrucksvolle Bestätigung des damaligen Länderzusammenschlusses. Zusätzlich führt er weitere Beispiele als vermeintliche Integrationsbeweise der beiden Landesteile an. So wurde man sich offenbar 1966 bei der Bildung der Großen Koalition erst im nachhinein bewusst, dass sich die neu gebildete Landesregierung mehrheitlich aus Politikern des badischen Landesteils zusammensetzte, was in der Regierungskoalition zu keinerlei Unruhe bezüglich irgendwelcher landsmannschaftlich paritätischer Zusammensetzungsvorgaben führte und somit als Integrationserfolg zu bewerten sei. Daneben betont Krause die großen Erfolge im Bereich der Rechtsangleichung. Man habe sowohl aus Baden als auch aus Württemberg Regelungen übernommen, die dem neuen Bundesland von Nutzen waren. Die Rechtsangleichung stelle somit einen fairen, rein an der Sache orientierten Prozess dar, welcher lediglich im Sinne des ganzen Landes vollzogen worden sei. Das Kumulieren haben die Badener von den Württembergern übernommen. „(...) Anders war es, als die badische Simultanschule, die christliche Gemeinschaftsschule badischer Prägung, im Jahre 1967 mit Verfassungskraft im ganzen württembergischen Landesteil eingeführt werden konnte.“141 Die Rede des Landtagspräsidenten Ganzenmüller (CDU) in Schwäbisch Gmünd vom 3. Dezember 1977142 zeigt gewisse Unterschiede zu den Festreden in Gaggenau bzw. Mannheim auf. Zwar hebt Ganzenmüller ebenfalls die Leistungen des Landes hervor, holt allerdings historisch erheblich weiter aus und versucht eine lange gemeinsame Traditionslinie herauszustellen, die bereits

140 ebenda, Gaa, 1977/78, S. 36 141 Krause, Vorträge zur Landesausstellung 25 Jahre Baden-Württemberg, Hrg. Landtag von Baden- Württemberg, 1977/78, S. 45 142 Vorträge zur Landesausstellung 25 Jahre Baden-Württemberg, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 1977/78 90 mit der römischen Besiedelung unseres heutigen Landes begonnen habe und sich über die Stauferherzöge bis heute erstrecke. Die Rede von Ulrich Pfeifle (SPD), dem Oberbürgermeister der Stadt Aalen, ist von derart großer Tendenz zu Einheitlichkeit und Gemeinsinn geprägt, dass die Betonung gerade dieser Sachverhalte fast schon wieder verdächtig erscheint. Pfeifele sieht im Länderzusammenschluss von 1952 „eines der wichtigsten innenpolitischen Ereignisse in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, (...) Die verschiedenartigsten Teile des neuen Bundeslandes sind eng zusammengewachsen, sie haben ein sehr hohes Maß an Integration erreicht.“143 Die Leistungen des neuen Landes hätten den Zusammenschluss allein schon gerechtfertigt und die Zweifler von damals sähen dies nach 25 Jahren ebenso. „Wir wissen auch, daß sich sich die Menschen in diesem Lande wohlfühlen und mit diesem Staat identifizieren.“144 Für Pfeifele besteht kein Zweifel, dass die Menschen in diesem Land zusammengefunden hätten und sich mit dem neuen Bundesland identifizieren könnten. Je nach Blickwinkel wird diese auffallend positive Bilanz von der Volksabstimmung des Jahres 1970 unterstrichen. Zwar werden all diejenigen, die bei der genannten Abstimmung in der Minderheit blieben berücksichtigt, doch scheint die Rede von Pfeifele bewusst auf Integration zu zielen und sämtliche unerwünschten Befindlichkeiten und Ressentiments unter den Teppich zu kehren. Ist der hier kreierte Grundtenor einer gelungenen und makellosen Integration beider Landesteile vielleicht ein Indiz für noch bestehende Mängel bezüglich der Integrationsleistung des Landes? Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Landesverfassung betont Ganzenmüller ein Jahr später in der Festsitzung vom 11. November 1978 im Haus des Landtags in Stuttgart die Bereitschaft zum Kompromiss bei der Erarbeitung der Landesverfassung. Durch das Verständnis für die

143 Pfeifele, Vorträge zur Landesausstellung 25 Jahre Baden-Württemberg, Hrg. Landtag von Baden- Württemberg, 1977/78, S. 57 144 ebenda, Pfeifele, 1977/78, S. 57 91

Argumentation des Verhandlungspartners und die beidseitige Bereitschaft, eigene Positionen und Anliegen aufzugeben oder gegebenenfalls zugunsten eines Kompromisses zu modifizieren, „sind für das weitere Zusammenwachsen der einzelnen Landesteile in den Folgejahren gute Bedingungen geschaffen worden, die über noch bestehende Gegensätze und Empfindlichkeiten hinwegzuführen (vermögen).“145 In sehr ähnlicher Weise hebt der erste stellvertretende Landtagspräsident Walter Krause (SPD) in derselben Festsitzung die große Kompromissbereitschaft aller Beteiligten hervor, welche bei der Entstehung einer Landesverfassung, auch aus einer gewissen politischen Notwendigkeit resultierte. Lothar Späth (CDU) hingegen betont als Ministerpräsident des neuen Bundeslandes die lange Tradition verbriefter Grundrechte in der Verfassung des Landes. „In beiden Verfassungen, der badischen wie der württembergischen, sind früher als anderwärts die vorstaatlichen Grundrechte des Individuums verbrieft worden. (...) Die baden-württembergische Landesverfassung, deren 25 jähriges Bestehen wir heute begehen, konnte deshalb nach dem Untergang des verbrecherischen NS-Regimes an geschichtlich Gewachsenes und politisch Gestaltetes anknüpfen.“146 Um die parlamentarische Tradition zu unterstreichen betont Späth die frühe Existenz des Staatsgerichtshofes in der württembergischen Verfassung, welcher zum Schutz der Verfassung und zur Sicherung des Dualismus zwischen Ständen und König diente. Die Festrede Späths zielt somit ganz deutlich auf die Betonung von Gemeinsamkeiten beider Landesteile. Dem Verzicht auf ein entsprechendes Beispiel aus der badischen Verfassung scheint hier keine landsmannschaftliche Motivation zugrunde zu liegen.

145 Ganzenmüller, Festsitzung des Landtags von Baden-Württemberg aus Anlaß des 25 jährigen Bestehens der Landesverfassung am Samstag, dem 11. November 1978 im Haus des Landtags, Hrg. Landtag von Baden- Württemberg, Stuttgart 1979, S. 4 146 Späth, Festsitzung des Landtags von Baden-Württemberg aus Anlaß des 25 jährigen Bestehens der Landesverfassung am Samstag, dem 11. November 1978 im Haus des Landtags, Hrg. Landtag von Baden- Württemberg, Stuttgart 1979, S. 7

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In dieselbe Stoßrichtung geht die Ansprache des ehemaligen Justizministers Dr. Wolfgang Haussmann (FDP), der zwar die anfänglichen Differenzen beider Landesteile erwähnt, aber letztlich die positive Entwicklung herausstellt. „Wer diese Zeiten erlebt hat, wird heute dankbar feststellen müssen, daß es keine Selbstverständlichkeit gewesen ist, wie sich die Dinge positiv entwickelt haben, wie die Landesteile und die Auffassungen zueinander gefunden haben und wir wirklich zu einem gemeinsamen Land geworden sind.“147 Somit überwiegt eindeutig die Betonung des Verbindenden beider Landeshälften, während Trennendes im Prinzip nicht oder nur am Rande erwähnt wird.

30 Jahre Baden-Württemberg (1982) Anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Landes betont der Landtagspräsident Dr. Lothar Gaa (CDU) in seinem Geleitwort zur Ausstellung des Landtags148 die parlamentarischen Wurzeln des 1952 gegründeten Bundeslandes. Erstmals in der Geschichte sei die Bevölkerung bei der Festlegung der neuen Staatsgrenzen befragt worden. Dies sei weder bei der Neuordnung Napoleons, noch während der Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall gewesen. Die ersten modernen Verfassungen, so Gaa, entstanden allerdings bereits 1818 bzw. 1819, in denen sowohl im Großherzogtum Baden als auch im Königreich Württemberg erstmals individuelle Grundrechte festgeschrieben wurden. Des Weiteren betont Gaa die Bedeutung der süddeutschen Landtage für die Entstehung der Revolution von 1848 und die Verfassungsberatungen der Paulskirche. „So gingen von den süddeutschen Landtagen auch entscheidende Impulse aus auf die Verfassungsbewegung von 1848. (...) Berühmte Parlamentarier aus den Landtagen von Karlsruhe und Stuttgart haben nicht nur eine wichtige Rolle beim

147 Haussmann, Festsitzung des Landtags von Baden-Württemberg aus Anlaß des 25 jährigen Bestehens der Landesverfassung am Samstag, dem 11. November 1978 im Haus des Landtags, Hrg. Landtag von Baden- Württemberg, Stuttgart 1979, S. 12 148 Gaa, in: Sauer, Baden-Württemberg – Bundesland mit parlamentarischer Tradition, Ausstellung des Landtags von Baden-Württemberg aus Anlaß des 30-jährigen Bestehen des Landes, Stuttgart, 1982 93

Zustandekommen der Paulskirchenversammlung gespielt, sondern beteiligten sich auch maßgeblich an den Verfassungsberatungen in der Paulskirche.“149 In diesem Zusammenhang erwähnt Gaa die Herren Welcker, Bassermann für Baden und Uhland, Römer und von Mohl für Württemberg. Durch den Verweis darauf, dass beide Landeshälften für die Entstehung parlamentarisch- demokratischer Gepflogenheiten von großer Bedeutung gewesen sind, versucht Gaa Einheit stiftend zu wirken und Identifikation über Gemeinsamkeiten und Errungenschaften in der Verfassungsgeschichte zu schaffen. „Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist der erste parlamentarische Mißtrauensbeschluß im badischen Landtag im Jahre 1842. (...) Gemeinsames Ziel (der Ausstellung) des Landtags im Jubiläumsjahr ist es, bei den Bürgern parlamentarisches Geschichtsbewußtsein zu wecken.“150 In der Feierstunde des Landtags151 spricht der Landtagspräsident Dr. Gaa in seiner Festrede von einem gelungenen Integrationsprozess der vergangenen 30 Jahre. Daher erscheint ihm eine Unterscheidung zwischen Badenern und Württembergern als nicht mehr angemessen. „Heute – 30 Jahre nach der Gründung – ist das Bekenntnis unserer Bevölkerung und aller politischen Kräfte dieses Landes zum Land Baden-Württemberg uneingeschränkt.Wir sprechen heute nicht mehr von Badenern und Württembergern, sondern fühlen uns gemeinsam als Baden-Württemberger.“152 Wenn man hingegen einen Blick auf das derzeitige Bewusstsein von Identität der badischen Bevölkerung innerhalb Baden-Württembergs wirft, dann wird man feststellen, dass man sich in Baden auch nach nunmehr fast 60 Jahren immer noch in erster Linie als Badener und erst in zweiter Linie als Baden-Württemberger fühlt. In Anbetracht dieses Indentitätsbekenntnisses erscheint die Einschätzung des Landtagspräsidenten nach 30 Jahren Baden-Württemberg illusionär und ist

149 ebenda, Gaa, 1982, S. 8 150 ebenda, Gaa, 1982, S. 9/10 151 Sauer, Baden-Württemberg – Bundesland mit parlamentarischer Tradition, Ausstellung des Landtags von Baden-Württemberg aus Anlaß des 30-jährigen Bestehen des Landes, Feierstunde des Landtags zur Eröffnung der Ausstellung am 25. April 1982, Stuttgart, 1982 152 ebenda, Gaa, 1982, S. 3 94 bestenfalls als Wunschdenken einzuordnen. Andererseits zeigt diese Einschätzung, dass man sich auch nach 30 Jahren gezielt von der Unterscheidung zwischen Badenern und Württembergern zu lösen versucht. An dieser Stelle sieht man unter Umständen erneut den Versuch, aus zwei unterschiedlichen Bevölkerungsteilen, zwanghaft und von staatlicher Seite, wenn auch nicht verordnete, so aber doch mindestens gewünschte gemeinsame Landesidentität zu stiften. Gegen Ende seiner Rede findet sich aber auch ein weiteres Indiz für die noch nicht vollständig vollzogene Integration beider Landesteile. „Die mannigfachen Überlieferungen, das reichhaltige Erbe der Vergangenheit – es zu wahren und zu pflegen und in das Ganze einzubringen ist eine nicht minder wichtige Aufgabe des vereinigten Landes, wie die wirtschaftliche Ausgeglichenheit zu sichern, den sozialen Ausgleich zu fördern und bei alledem die Freiheit zu erhalten und zu erweitern.“153 An dieser Stelle ist vor allem an eine vermeintliche Bevorzugung des mittleren Neckarraumes, aber auch an die paritätische Besetzung höherer politischer Ämter und die ausgewogene kulturelle Förderung beider Landesteile durch die Landesregierung zu denken. Die Rede des SPD-Abgeordneten und Ersten stellvertretenden Präsidenten des Landtags Dr. Geisel ist frei von Parteipolitik. Im Gegenteil, er betont ausdrücklich, dass jede der drei demokratischen Parteien ihren gebührenden Anteil am Auf- und Ausbau des Landes geleistet hätten. Die gemeinsame demokratische und parlamentarische Tradition „soll unsere Bürger auch daran erinnern, daß der krönende Abschluß dieser gemeinsamen Vergangenheit, die Vereinigung Badens und Württembergs zu einem geeinten Bundesland (darstellt).“154 Aus der gemeinsamen Geschichte leitet er vor allem die Verpflichtung für die gemeinsame Zukunft ab.

153 ebenda, Gaa, 1982, S. 8

154 Geisel, in: Sauer, Baden-Württemberg – Bundesland mit parlamentarischer Tradition, Ausstellung des Landtags von Baden-Württemberg aus Anlaß des 30-jährigen Bestehen des Landes, Feierstunde des Landtags zur Eröffnung der Ausstellung am 25. April 1982, Stuttgart, 1982, S. 13

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40 Jahre Baden-Württemberg (1992) Die Analyse der Festreden und Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen des Landes Baden-Württemberg unterscheidet sich deutlich von der Untersuchung der Ansprachen vergangener Landesjubiläen. Das Thema Ressentiments zwischen Badenern und Württembergern stellt keinen Inhaltsschwerpunkt der Ansprachen dar. Emotionale Befindlichkeiten aus den Anfangsjahren des Landes finden lediglich als angedeutete Randbemerkungen im Rahmen der Feierlichkeiten Platz. Im Geleitwort der vom Landtag 1992 herausgegebenen Veröffentlichung "Stationen 1951-1992"155, von Erwin Teufel (CDU), dem damaligen Ministerpräsidenten des Landes, ist lediglich von vereinzelten Animositäten zwischen Badenern und Württembergern die Rede. Herr Teufel vertritt die Ansicht, dass die Länderneugliederung des Jahres 1952 sich bewährt habe und dass man nach 40 Jahren von einem gelungenen Experiment und einem Glücksfall für die Menschen des Landes sprechen könne. „Die Ressentiments von damals sind einem überzeugenden Zusammengehörigkeitsgefühl gewichen. Schwaben und Badener sind stolz auf ihre Geschichte und auf die Erfolge, die sie gemeinsam in den vergangenen Jahren in Kultur und Wirtschaft erzielt haben.“156 In Teufels Ansprache zum 40. Jubiläumsjahr steht vorwiegend die wirtschaftliche Leistungskraft des Landes im Vordergrund. Zwar sind die erwähnten wirtschaftlichen Vorteile durch die Verschmelzung beider Länder keineswegs anzuzweifeln - allerdings entsteht dadurch bei den Feierlichkeiten der Eindruck, dass die Integration beider Landesteile ausschließlich auf Wohlstand und gemeinsam erbrachtem wirtschaftlichen Erfolg beruhe. An dieser Stelle wird einmal mehr deutlich, wie über den wirtschaftlichen Erfolg des Landes der staatliche Zusammenschluss von 1952 versucht wird politisch zu rechtfertigen. Zweifelsohne hat die Länderehe beiden Ländern wirtschaftlich gut getan und nicht umsonst ist das

155 "Stationen 1952-1992", anlässlich des 40- jährigen Bestehen des Landes Baden-Württemberg, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart, 1992 156 Teufel, in: Schaab, 40 Jahre Baden-Württemberg, Aufbau und Gestaltung 1952-1992, Stuttgart, 1992, S. 8

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Land Baden-Württemberg im Vergleich der Bundesländer sehr gut positioniert. Der Beitrag von Prof. Wirtz „Zwischen ökonomischer Realität und Klischee“157 anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Landes befasst sich vor allem mit den Ursachen des wirtschaftlichen Erfolges von Baden-Württemberg in den ersten vier Dekaden seines Bestehens. Prof. Wirtz entlarvt dabei aber auch eine Vielzahl von Zuschreibungen, die für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes verantwortlich sein sollen. Er zeigt die Wechselwirkung von sozialen, politischen und ökonomischen Voraussetzungen, aber auch den Einfluss der Mentalität der Menschen im Südwesten der Republik auf die Ökonomie des Landes auf. Die Mentalität betreffend steht der Fleiß der Menschen an oberster Stelle. „Die Menschen sind also richtige Schaffer, die nur ein Ziel vor Augen zu haben scheinen, nämlich ihr „Häusle“ zu bauen.“158 Neben der Zuschreibung des Fleißes, stellt natürlich auch der viel zitierte „Tüftlergeist“ einen wichtigen Baustein im Erklärungsmuster des ökonomischen Erfolges dar. Dieser „Tüftlergeist“, „zieht seine Traditionslinien von der Feinmechanik des 18. Jahrhunderts bis zur Softwareentwicklung unserer Zeit. Technologietransfer (…) und eine besondere Technologie-Politik sind Schlagworte der Ära Späth (1978-1991), die zusammen mit einer offensiven Kulturpolitik zu einem unausrottbaren Journlistenklischee über Baden-Württemberg führten, nämlich zu dem von „high tech und high culture“ (oder anders formuliert): „Vom Spätzle zum Chip“ “.159 In diesem Zusammenhang führt Prof. Wirtz weiter aus, dass „die für die Produktion so treffliche Seelenlage der arbeitenden Menschen hierzulande, die von ihnen hergestellten Produkte, die dazugehörigen Firmen mit dem guten Ruf von Solidität, Qualität und Preis und das Land als solches in ihrer Verkettung ein Image erzeugen, das sowohl für das Ganze wie auch für ein

157Wirtz, Zwischen ökonomischer Realität und Klischee, Anmerkungen zur Wirtschaft Baden-Württembergs 1952-1992, in: Tradition und Umbruch – 40 Jahre Wirtschaft in Baden-Württemberg, Beiträge zur Jubiläumsausstellung des Landesmuseums 2. Juni – 3. Juli 1992, Hrg. Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim, Mannheim, 1992 158 ebenda, Wirtz, 1992, S. 8 159 ebenda, Wirtz, 1992, S. 8 97 einzelnes Produkt stehen kann“.160 Eine weitere Erklärung für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes gründet auf der Mentalität der Menschen des Südwestens beziehungsweise auf den ihnen zugeschriebenen Eigenschaften. „Badener und Württemberger gelten als fleißig, beharrlich, gründlich und von handwerklichem Geschick. Dabei sind diese Eigenschaften im schwäbischen Raum vielleicht noch stärker ausgeprägt als im badischen; (…) In Schwaben ist ein starker Einfluß der Religion, genauer: des Pietismus, auf das Verhältnis der Menschen zur Arbeit und zum Geld unverkennbar.“161 Neben all diesen Ursachen und Erklärungsversuchen für den wirtschaftlichen Erfolg Baden- Württembergs darf man natürlich nicht vergessen, dass die wirtschaftlichen Bedingungen im Nachkriegdeutschland, zumindest in den Westsektoren, für einen raschen Wiederaufbau, in Verbindung mit den politisch gewollten Aufbauplänen und –hilfen, sich einigermaßen günstig darstellten. Zusätzlich erwies sich der Zustrom von Flüchtlingen und Vertriebenen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Baden-Württemberg als nicht ausschließlich ökonomisch hilfreich. Auch politisch kann das Land bis auf den heutigen Tag eine enorme Integrationsleistung für sich beanspruchen. „Man darf sich also nicht wundern, wenn der Blick auf die Wirtschaft des Südwestens ein wenig deformiert und eine realistische Annäherung erschwert ist, denn offizielle Stellen knüpfen selbst an die vorhandenen Vorurteilsstrukturen, soweit sie positiv sind, an.“162 Die wirtschaftliche Stärke Baden-Württembergs sowie deren Solidität und Qualität dienen nach wie vor auch einer staatlichen Legitimation. Denn die wirtschaftiche Stärke wird von Badenern wie Württembergern gleichermaßen als hauptsächlich verbindendes Merkmal im Sinne der Identifikation mit dem Bundesland geäußert. Seien es die bekannten Marken der Automobilindustrie, der Lebensmittelindustrie oder auch der Bekleidungsindustrie - „die zugeschriebenen Eigenschaften verweisen

160 ebenda, Wirtz, 1992, S. 8 161 ebenda, Wirtz, 1992, S. 8/9 162 ebenda, Wirtz, 1992, S. 8

98 unverkennbar auf das Land, aber in einer gesamtökonomischen Betrachtung unterscheidet sich Baden-Württemberg nicht wesentlich von der übrigen (alten) Bundesrepublik.“163 Gemeinsame Landesidentität existiert somit, wenn überhaupt, dann vorwiegend über den erlangten Wohlstand und die wirtschaftliche Stärke des Landes. Im Geleitwort des im Theiss-Verlag 1992 erschienen Bandes "40 Jahre Baden- Württemberg"164 bezeichnet Teufel die Sticheleien zwischen Badenern und Württembergern als rein spaßhaft. Auch in der Feierstunde des Landtags165 werden weder in der Ansprache des Landtagspräsidenten Dr. Fritz Hopmeier (CDU) noch in der Festrede des Ministerpräsidenten mögliche noch bestehende Ressentiments thematisiert. Die Stabilität und Anpassungsfähigkeit der Landesverfassung im Zuge des europäischen Einigungsprozesses wird von beiden deutlich hervorgehoben. Der Zusammenbruch der Sowjetunion, die unter anderem dadurch möglich gewordene deutsche Wiedervereinigung und der zunehmende europäische Einigungsprozess dominieren auch die thematischen Inhalte der Festansprachen anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Landes. In diesem Zusammenhang betont Teufel die Bedeutung der Region im zunehmenden Prozess der Vereinheitlichung des europäischen Binnenmarktes. „Als einzige Landesverfassung bekennt sich unsere Landesverfassung zum "unveräußerlichen Menschenrecht auf die Heimat" (LV, Art. 2 Abs. 2).“166 Dies erklärt sich vermutlich aus der Rücksicht auf die hohe Zahl Heimatvertriebener in Baden- Württemberg, aber auch auf die nicht geringe Anzahl all derjenigen, die damals mit der Gründung des neuen Bundeslandes Vorbehalte gegen einen gemeinsamen Südweststaat hatten. Die Aufnahme dieses Artikels in die

163 ebenda, Wirtz, 1992, S. 9

164 Schaab, 40 Jahre Baden-Württemberg, Aufbau und Gestaltung 1952-1992, Stuttgart, 1992 165 Festveranstaltung von Landtag und Landesregierung, 40 Jahre Landesverfassung Baden-Württemberg, 11. November 1993 im Haus des Landtags, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, Stuttgart, 1995 166 Teufel, Festveranstaltung von Landtag und Landesregierung, 40 Jahre Landesverfassung Baden- Württemberg, 11. November 1993 im Haus des Landtags, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, Stuttgart, 1995, S.12 99

Landesverfassung kann als Indiz gedeutet werden, dass man dem badischen Landesteil sein Recht auf Heimatgefühl im neuen Bundesland keineswegs rauben wollte und dieses vielmehr im neuen Bundesland fortleben sollte. Auch dieses Phänomen kann als Indiz gewertet werden, Ressentiments entgegen zu wirken. Die Aufnahme dieses Artikels berücksichtigt natürlich nicht alleine die kulturellen Traditionen der badischen Bevölkerung, sondern auch aller anderen Regionen innerhalb Baden-Württembergs, von denen es gerade im deutschen Südwesten aufgrund der großen territorialen Zersplitterung der vergangenen Jahrhunderte unzählige gab und gibt. Die Offenheit gegenüber großräumigen Organisationen, z.B. einem vereinten Europa, ohne dabei regionales Bewusstsein aufgeben zu müssen, stellt für Teufel ein wichtiges Zukunftsanliegen dar. Die Bedeutung eines vereinten Europas und die Aufgabe der Region Baden-Württemberg innerhalb dieser Staatengemeinschaft rückt in den Mittelpunkt der Feierlichkeit. Dies bestätigt auch die organisatorische Zusammenlegung des Europa Kolloquiums mit dem Festakt zum 40. Landesjubiläum am 24. / 25. April 1992. Dabei geht es Teufel ausschließlich um die wirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft, die zunehmende Verflechtung des Wirtschaftslebens sowie die Einbettung des regionalen Wirtschaftslebens in Baden-Württemberg in den kurz vor der Vollendung stehenden europäischen Binnenmarkt und die regionale Integration in die Wirtschafts- und Währungsunion.

50 Jahre Baden-Württemberg (2002) Ähnlich wie in den Festreden zum 40-jährigen Landesjubiläum finden auch in den Ansprachen zum 50-jährigen Bestehen des Landes mögliche landsmannschaftliche Ressentiments keine Erwähnung mehr. Während des Festaktes167 im Opernhaus des württembergischen Staatstheaters am 27. April

167 Alles Gute, Die Reden des Festaktes zum 50-jährigen Bestehen des Landes Baden-Württemberg, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, Stuttgart, 2002 100

2002 in Stuttgart betont der Ministerpräsident Erwin Teufel die Einheit des Landes. „Aus dem Trennungsstrich wurde ein Bindestrich. Seither ist aus der alten Bezeichnung badisch-württembergisch wie selbstverständlich ein baden- württembergisch geworden. Ein sprachlich kleiner, aber inhaltlich bedeutender Unterschied.“168 Teufel vertritt die Ansicht, dass das Land trotz der schwierigen Anfangsjahre seinen Zusammenhalt gefunden habe und vom Zusammenschluss profitiert habe, ohne an landsmannschaftlich-kultureller Vielfalt verloren zu haben. Die Geschichte des Landes Baden-Württemberg sei vor allem die Geschichte einer gelungenen Integration seiner Mitbürger. „Nicht nur Badener und Württemberger, sondern auch Hohenzollern und Hohenloher, Kurpfälzer und Franken, Schwarzwälder und Odenwälder, Alemannen und Oberschwaben bilden ein starkes Land, ohne ihre Herkunft, ihre Mentalität, ihre Mundart, ihre Bräuche, ihre Heimatfeste, ihre Küche aufzugeben. Sie finden ihre Identität in ihrer näheren Heimat und in unserem gemeinsamen Land und beides ist inzwischen unzertrennlich miteinander verwoben.“169 Im weiteren Verlauf seiner Ansprache zieht Teufel insbesondere eine wirtschaftliche Bilanz der vergangenen 50 Jahre und verweist auf den erreichten Wohlstand des Landes. Die parlamentarischen Traditionen des Landes, aber auch die Geistesgrößen des Landes finden in der Festrede Teufels ihren Platz. Nicht zuletzt betrachtet Teufel seine Landsleute als Europäer der ersten Stunde, da die Befürworter des Südweststaates in diesem Länderzusammenschluss den ersten Schritt zu einem vereinten Europa sahen. An dieser Stelle erwähnt Teufel die Bedeutung der Heimatvertriebenen, die mit ihrer großen Zustimmung zur Bildung des Südweststaates bei der Volksabstimmung 1951 einen nicht geringen Anteil an der späteren Gründung des neuen Bundeslandes hatten. Teufel betont unter anderem die Eigeninitiative der Bürger und Bürgerinnen des Landes und deren unermüdlicher Einsatz für das Gemeinwohl. „Solidarität begreifen die

168 Teufel, in: Alles Gute, Die Reden des Festaktes zum 50-jährigen Bestehen des Landes Baden-Württemberg, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, Stuttgart, 2002, S. 9 169 ebenda, Teufel, 2002, S. 10 101

Bürgerinnen und Bürger in unserem Land primär als Selbstverpflichtung, nicht zuerst als eine Forderung an den Staat, sondern als Selbstverpflichtung, sich für das Gemeinwesen und das Gemeinwohl, für die Mitmenschen und Hilfsbedürftigen einzusetzen.“170 Dies beweise im Vergleich mit anderen Bundesländern die höchste Anzahl der ehrenamtlich Tätigen. So existiere das dichteste Selbsthilfenetz in Baden-Württemberg und im Länderfinanzausgleich stehe das Land als Geberland an erster Stelle. Erwin Teufel hebt mehrfach die regionale Vielfalt des Landes hervor und stellt diese Vielfalt des Landes in den Mittelpunkt seiner Festrede. In dieser Vielfalt liege eine besondere Stärke des Landes. Ist diese Feststellung und Betonung der Vielfalt des Landes nicht ein deutlicher Beweis dafür, dass Baden-Württemberg gerade nicht einen naturgegebenen einheitlichen Siedlungsraum darstellt und somit landsmannschaftliche Animositäten geradezu naturgemäß erscheinen? Steht der in manchen Festansprachen, auch vergangener Landesjubiläen, viel zitierte historisch gemeinsame Siedlungsraum somit nicht in einem gewissen Widerspruch zur gleichzeitig verkündeten Vielfalt des Landes? Sicherlich macht diese Vielfalt das Land Baden-Württemberg leistungsstark, aber diese Vielfalt zeigt uns auch, dass es sich quasi um ein Konglomerat verschiedener Kulturräume handelt, die auf eine eigene Geschichte und eigenes Brauchtum zurückblicken können, sich aneinander reiben und vielleicht gerade dadurch zu dem unbestrittenen Erfolg dieses Bundeslandes beitragen. Der Landtagspräsident Peter Straub (CDU) betont vor allem die in den vergangenen Jahrzehnten erbrachten Leistungen des Landes. Ihm geht es aber in seiner Festansprache auch um eine grundsätzliche Stärkung der Landesparlamente und somit um eine Stärkung des Föderalismus. In diesem Zusammenhang lobt er das pragmatische und ergebnisorientierte Politikverständnis des Landes, welches auf einer bewusst ausgewogenen

170 ebenda, Teufel, 2002, S. 15 102

Landesentwicklung beruhe. Dieses Bemühen um eine paritätische Förderung der Landesteile basiert vorwiegend auf den Auseinandersetzungen um die Gründung des Südweststaats, die ein hohes Maß an Sensibilität in allen Fragen der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung zutage förderte. „Im Landtag von Baden-Württemberg gab es zu keiner Zeit eine Baden- und eine Württemberg- Fraktion.“171 Auch an dieser Stelle wird zwischen den Zeilen deutlich, dass Ressentiments vorhanden waren, die man durch eine ausgewogene Landespolitik, die beiden Landesteilen gleichermaßen gerecht werden sollte, zu beseitigen versuchte. Im weiteren Verlauf geht es um die Analyse der Festansprachen des Landtagspräsidenten Peter Straubs und des Ministerpräsidenten Erwin Teufels anlässlich des 50. Jahrestages der Verabschiedung der Landesverfassung am 11. November 2003 im Haus des Landtags.172 Straub betont die große Kompromissbereitschaft aller Beteiligten bei der Erarbeitung der Landesverfassung. Er geht auch auf die inhaltliche Ausgestaltung der Landesverfassung ein, in welcher die Sorge um das Allgemeinwohl sichtbar wird und die einen Grundkonsens bekundet und darauf ausgerichtet ist, Einheit zu stiften. Somit wird auch die Landesverfassung zum Beleg für die weit gestreuten unterschiedlichen Mentalitäten in unserem Land, die zumindest mittels eines Grundkonsenses zum gemeinsamen Wohl des Landes beitragen sollen. Man beachte, dass dieses Anliegen eines möglichst harmonischen Miteinanders der Landesteile von so großer Bedeutung ist, dass es Verfassungsrang besitzt. Die Intention der Festansprache Teufels173 ist dieselbe Intention wie die des Landtagspräsidenten. Auch für Teufel spiegelt sich in der Landesverfassung von

171 Straub, in: Alles Gute, Die Reden des Festaktes zum 50-jährigen Bestehen des Landes Baden-Württemberg, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, Stuttgart, 2002, S. 39 172 Festakt von Landtag und Landesregierung aus Anlass des 50. Jahrestags der Verabschiedung der Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Hrg. Haus des Landtags, Stuttgart, 2003 173 Festakt von Landtag und Landesregierung aus Anlass des 50. Jahrestags der Verabschiedung der Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Hrg. Haus des Landtags, Stuttgart, 2003 103

Baden-Württemberg der Ausdruck eines einheitlichen Gemeinwesens sowie der Ausdruck des politischen Konsenses unseres Volkes wider. Der Ministerpräsident unterstreicht die Landesverfassung vor allem dahingehend, dass diese kein ausschließliches Regelwerk zur Erfüllung von Staatsaufgaben sei, sondern dass in diese Landesverfassung die Erfahrungen sowohl der Geschichte Badens als auch Württembergs eingegangen seien. Teufel beklagt ebenso wie sein Vorredner den zunehmenden Machtverlust der Landesparlamente, „obwohl das Grundgesetz den Ländern eine eigene, nicht vom Bund abgeleitet Staatsqualität zugesprochen habe. Verfassungsidee und Verfassungswirklichkeit stimmten immer weniger überein.“174 Somit ist die Stärkung des Föderalismus auch Anliegen des Ministerpräsidenten. Im Rahmen dieser Feierlichkeiten sollte aus der Vortragsreihe von Landtag und Staatsministerium175 auch die Rede von Frau Dr. Köcher, der Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie in Allensbach vom 12. November 2002, Erwähnung finden. Sie versucht, mit Hilfe von Umfragen aus der Zeit der frühen 1950er Jahre dem Auditorium ein Bild von den Lebensbedingungen der Menschen zur Zeit der Südweststaatsdiskussion zu vermitteln. Mit Hilfe dieser Umfrageergebnisse wird deutlich die Sinnhaftigkeit des Länderzusammenschlusses hervorgehoben, indem eine Entwicklungslinie aufgezeigt wird. „Schon 1948 votierten 54 Prozent für den Zusammenschluss von Württemberg und Baden, nur ein Viertel für die Selbständigkeit beider Landesteile in der alten Form, ein Fünftel war unentschieden. 1953, ein Jahr nach dem Zusammenschluss der beiden Länder überwog im Verhältnis zwei zu eins die Zustimmung zu dem neuen Südweststaat. 52 Prozent der baden- württembergischen Bevölkerung sprachen sich im Sommer 1953 für den

174 ebenda, Teufel, 2003, S. 10 175 Baden-Württemberg 1952-2002, Vortragsreihe von Landtag und Landesregierung, Hrg. Staatsministerium Baden-Württemberg, 2002 104 erfolgten Zusammenschluss aus, nur 22 Prozent wäre eine Trennung in die alten Länder Baden und Württemberg lieber gewesen.“176 An dieser Stelle ist es wichtig einen differenzierenden Blick beizubehalten, denn „so waren in Südbaden zu diesem Zeitpunkt noch 42 Prozent der Bevölkerung der Auffassung, ein getrenntes, selbständiges Baden sei dem neuen Südweststaat vorzuziehen.“177 Mit dem Umfrageergebnis des Jahres 1963 wird diese Entwicklungslinie im Vortrag konsequent weiterverfolgt. „ 80 Prozent der badischen Bevölkerung sprachen sich zu diesem Zeitpunkt für den Südweststaat bzw. für Baden-Württemberg aus, nur noch 20 Prozent für die Wiederherstellung des selbständigen Landes Baden.“178 Die Ernsthaftigkeit, mit der viele Diskussionen über die grundlegende Wesensverschiedenheit beider Volksgruppen seinerzeit geführt wurden, betrachtet Dr. Köcher im Rückblick als eher amüsant. Dass die Diskussionen um den Südweststaat spätestens nach der letzten Abstimmung des Jahres 1970 allmählich ein Ende fanden, ist leicht nachzuvollziehen. Ob allerdings die Wesensverschiedenheiten beider Bevölkerungsgruppen aus heutiger Sicht ausschließlich der Unterhaltung und dem spaßhaften Witze dienen, könnte bezweifelt werden, aber zumindest abhängig sein vom Standpunkt des Betrachters und dessen Blickwinkel. Immerhin räumt Frau Dr. Köcher ein, dass seinerzeit 64 % der Altbaden- Anhänger in Südbaden die Befürchtung hegten, von den Schwaben benachteiligt zu werden. Sie betont die große Identifikation der Bevölkerung mit dem Land Baden-Württemberg nach 50 Jahren und den Stolz seiner Bürger auf dessen Leistungsfähigkeit. Dieser Feststellung ist sicherlich wenig entgegenzusetzen. Auch mag die Feststellung richtig sein, dass 50 Jahre nach der Länderehe, 96% der Bevölkerung gerne in Baden-Württemberg leben, allerdings sollte man berücksichtigen, dass diese Aussage in keiner Weise gegenseitige Ressentiments

176 Köcher, in: Baden-Württemberg 1952-2002, Vortragsreihe von Landtag und Landesregierung, Hrg. Staatsministerium Baden-Württemberg, 2002, S. 56 177 ebenda, Köcher, 2002, S. 56 178 ebenda, Köcher, 2002, S. 56 105 ausschließt. Sie betont in Ihrer Rede ausdrücklich, dass „die Diskussionen um Württemberg und Baden für die überwältigende Mehrheit der baden- württembergischen Bevölkerung kein Thema mehr sind. Auch die oft behandelten Unterschiede zwischen Württembergern und Badenern sind für 70 Prozent der Bevölkerung heute höchstens noch eine humorvolle Reminiszenz einer bewältigten Vergangenheit.“179 Ob es sich dabei wirklich ausschließlich um eine Reminiszenz vergangener Streitigkeiten handelt sollte in Frage gestellt werden dürfen, da auch heute noch beidseitig unzählige und auch bösartige Witze und Sticheleien von Mund zu Mund, aber auch durch die Medien weit verbreitet sind. Außerdem haftet dem Witz, bei allem Humor, bekanntlich ein ernst zu nehmender tieferer Sinn an, an dem es sich gilt zu reiben. Die Zentrale für politische Bildung veröffentlichte aus Anlass des 50. Geburtstags des Landes Baden-Württemberg, einen Jubiläumsband.180 Im dazugehörigen Geleitwort des Ministerpräsidenten betont Erwin Teufel die wirtschaftliche Stärke, die Innovationsfreude des Landes aber auch seine kulturelle Lebendigkeit. Nur durch die Fusion beider Landesteile sei der wirtschaftliche Aufschwung des Landes möglich geworden, so Teufel. Des weiteren hebt er hervor, dass „Baden-Württemberg kein zentralistisches Land ist, in dem alles auf einen Mittelpunkt ausgerichtet ist. Im Gegenteil: Wir sind stolz darauf, dass sich das politische, wirtschaftliche und kulturelle Leben über das ganze Land verteilt.“181 An dieser Stelle fühlt man sich sofort an den von badischer Seite immer wieder befürchteten Stuttgarter Zentralismus erinnert, der der Landesregierung bzw. den Schwaben eine gezielte Benachteiligung des badischen Landesteils unterstellte. Auch hier wird versucht, alte Wunden und

179 ebenda, Köcher, 2002, S. 59

180 Wehling, Hauser-Hauswirth, Sepaintner, Vielfaltund Stärke der Regionen, im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart, 2002 181 Teufel, in: Wehling, Hauser-Hauswirth, Sepaintner, Vielfaltund Stärke der Regionen, im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart, 2002, S. 6 106

Vorwürfe zu entkräften und zu egalisieren. Abschließend wird nun der Blick auf die Festsitzung des Landtages182 vom 2. März 2002 gerichtet. Der Landtagspräsident Peter Straub geht in seiner Begrüßungsansprache auf die anfänglichen Vorbehalte gegen die staatliche Neugliederung ein. „Mit der Wahl zur Verfassungsgebenden Landesversammlung am 9. März 1952 waren die Vorbehalte gegen die staatliche Neugliederung natürlich noch nicht vom Tisch. Aber sie konnten nun durch eine gedeihliche Entwicklung des deutschen Südwestens faktisch widerlegt werden.“183 Straub spricht von einer gelungen Fusion beider Landesteile. Das mag durchaus sein. Es stellt sich aber die Frage ob eine gelungene Fusion gleichzusetzen ist mit einer gelungenen Integration? Hierbei handelt es sich doch um zwei verschiedene Sachverhalte. Straub hebt explizit hervor, dass „die Landespolitik sensibel darauf achtet, dass sie alle Landesteile ausgewogen erreichte, ohne die regionalen Kulturen und Profile zu nivellieren oder gar zu zerstören.“184 Im anschließenden Festvortrag des aus Hamburg stammenden Professors Robert Leicht, der ehemaliger Schüler des Internats Schloss Salems ist, geht es unter anderem um die Frage, inwiefern man in Baden-Württemberg von einer Art organischem Wachstum, natürlich im historischen Sinne zu verstehen, gesprochen werden kann. Im Hinblick auf die gewaltsamen Ein- und Übergriffe von außen sei diese Frage durchaus bedingt berechtigt. In diesem Zusammenhang sei natürlich zuerst an Napoleons Neuordnungspolitik, aber auch an die Besatzungsmächte nach dem Zweiten Weltkrieg zu denken, die nach Belieben in die vorherrschenden landsmannschaftlichen Strukturen eingegriffen haben. Als außenstehender objektiver Betrachter zeigt Professor Leicht durchaus Verständnis. „ Bei der Auszählungsregelung für die Volksabstimmung am 9. Dezember 1951 ist das Volk der Badener insgesamt doch ein wenig -–wie heißt

182 Festsitzung des Landtags aus Anlass der Wahl und der konstituierenden Sitzung der Verfassungsgebenden Landesversammlung vor 50 Jahren, Hrg. Präsident des Landtags von Baden-Württemberg, Stuttgart 2002 183 Straub, in: Festsitzung des Landtags aus Anlass der Wahl und der konstituierenden Sitzung der Verfassungsgebenden Landesversammlung vor 50 Jahren, Hrg. Präsident des Landtags von Baden- Württemberg, Stuttgart 2002, S. 7 184 ebenda, Straub, 2002, S. 8 107 das? – ausgebremst worden. (...) Und dass es schließlich bis zum 7. Juni 1970 dauerte, bis diese Wunde in einer letzten Volksabstimmung geheilt werden konnte, war gewiss kein Ruhmesblatt in der Geschichte der plebiszitären Demokratie.“185 Im Verlauf seiner Festrede ist Leicht aber der festen Ansicht, „dass das Land nach fünfzig Jahren von den Gründungsschmerzen gänzlich genesen ist.“186 Im Rückblick auf die Analyse von fünf Dekaden Landesjubiläen scheint jeweils mit unterschiedlicher Intensität der Versuch unternommen worden zu sein, Schwierigkeiten und Animositäten zwischen beiden Landesteilen aus der Vergangenheit mit unterschiedlichen Mitteln zu begegnen und zu bewältigen, um ein möglichst harmonisches und einträchtiges Bild des Landes zu zeichnen. Bei genauer Betrachtung handelt es sich auch bei der Imagekampagne zum 50- jähigen Landesjubiläum um den staatlichen Versuch, künstlich gemeinsame Identität zu stiften, indem man die beiden Wappentiere des Landeswappens aus ihrer statischen sich gegenüberstehenden Haltung herauslöst und sie miteinander fröhlich tanzen lässt. Ihrer eigentlichen Funktion als Schildhalter werden sie quasi entbunden und begegnen einander in tänzerischer Leichtigkeit der Bewegung. Es handelt sich dabei eher um das Vorgaukeln einer gewünschten Harmonie, welche zumindest auf gefühlter Ebene auch nach fünfzig Jahren offenbar nicht existiert. Nach der eingehenden Untersuchung der Feierlichkeiten zu den Landesjubiläen, soll nun versucht werden, das nicht ganz leichte Verhältnis zwischen Badenern und Württembergern bezüglich der bestehenden Ressentiments einmal mit umgekehrten Vorzeichen durchzudenken. Die nachfolgenden Überlegungen und Gedankengänge sind zwar rein hypothetischer Natur, sollen es aber ermöglichen, von der vermeintlichen einseitigen Benachteiligung Badens im

185 Leicht, in: Festsitzung des Landtags aus Anlass der Wahl und der konstituierenden Sitzung der Verfassungsgebenden Landesversammlung vor 50 Jahren, Hrg. Präsident des Landtags von Baden- Württemberg, Stuttgart 2002, S. 18

186 ebenda, Leicht, 2002, S. 34 108

Zuge der Gründung des Landes Baden-Württemberg im Jahre 1952, zumindest im Sinne eines Gedankenspiels, Abstand zu nehmen, ohne dabei echte und gefühlte Benachteiligungen abmildern oder gar leugnen zu wollen. Was wäre geschehen, wenn bei der Landesgründung 1952 Karlsruhe und nicht Stuttgart zur Landeshauptstadt auserkoren worden wäre und somit auch der Sitz der Landesregierung, der einzelnen Ministerien, des Landtags, des Hauses der Abgeordneten sowie das Staatsministerium als Sitz des Ministerpräsidenten in Karlsruhe ansässig geworden wäre? Dieselbe Fragestellung ließe sich für den Sitz des Landesrechnungshofes, des statistischen Landesamts, des Landesmedienzentrums und fürviele weitere Behörden des Landes denken. Hätte sich unter diesen umgekehrten Voraussetzungen anstelle der Badenfrage eine vergleichbare „Schwaben-“ oder „Württembergfrage“ gestellt? Hätte man in Württemberg eine echte oder gefühlte Benachteiligung empfunden und sich mit derselben landsmannschaftlichen Vehemenz gegenüber den Badenern zur Wehr gesetzt? Hätte man sich in Württemberg ebenfalls um sein Recht betrogen gefühlt? Hätten die Württemberger ebenso den Gang vor das Bundesverfassungsgericht gewagt, um ihren Ansprüchen Geltung zu verschaffen? Hätte die Landesregierung in Karlsruhe, im Sinne einer Entschädigung, den Sitz des Bundesgerichtshofes sowie des Bundesverfassungsgerichts nach Stuttgart verlegt? Wäre Stuttgart zur Hauptstadt des Rechts geworden? Hätte Stuttgart, als einstige Landeshauptstadt von Württemberg, diesen Zentralitätsverlust einfach so hingenommen und sich zum reinen Verwaltungssitz degradieren lassen? Hätte das Bundesverfassungsgericht dem Antrag der Württemberger stattgegeben und eine Volksabstimmung in Württemberg angeordnet, die über den Verbleib Württembergs in einem Südweststaat entschieden hätte? Wäre diese Abstimmung ebenfalls über Jahre hinweg verschleppt worden? Und hätte sich die Bevölkerung Württembergs ebenso wie die Bevölkerung Badens 1970 mit klarer Mehrheit für den Fortbestand des gemeinsamen Bundeslandes

109 entschieden? Hätte das neu geschaffene Bundesland vielleicht den Namen Württemberg-Baden anstelle Baden-Württemberg getragen? Hätte man eine denkbare „Württembergfrage“ im Vorfeld der Entscheidung bei der Besetzung von hohen Regierungsämtern mitbedacht, um eine landsmannschaftliche Ausgewogenheit zu erreichen? Wäre folglich eine Regionalquote mit umgekehrten Vorzeichen ebenso virulent geworden? Hätte man in diesem Zusammenhang ebenfalls versucht, den Vorwurf einer vermeintlichen Benachteiligung Württembergs zu entkräften? Ist es denkbar, dass sich der mittlere Neckarraum um Stuttgart herum, gegenüber dem Großraum Karlsruhe zurückgesetzt gefühlt hätte? Hätten sich darüber hinaus die ländlichen Räume Württembergs gegenüber den badischen Regionen wirtschaftlich und finanziell vernachlässigt gefühlt? Diese und viele andere Fragen lassen sich natürlich nicht beantworten, da die politische und geschichtliche Entwicklung des Landes anders verlief als soeben fiktiv angedacht. Und dennoch lohnt es sich, vor dem Hintergrund der auch heute offenensichtlich noch bestehenden landsmannschaftlichen Ressentiments, ein solches Gedankenspiel zu wagen. Man kann unterstellen: Die Württemberger hätten es so niemals ertragen! Des Weiteren wäre es interesssant zu wissen, ob beispielsweise der Stuttgarter Stadtrat ein „Stuttgarter Haus“ in Karlsruhe fordern würde, in Anlehnung an die auf Bundesebene bestehenden Ländervertretungen in Berlin? Spräche man in Württemberg auf Grund einer ständig gefühlten Bevorzugung Badens vielleicht von einer „Specksalat-Connection“? Hätten sich vielleicht umgekehrt Badener- Witze als literarische Gattung entwickelt, so wie die heute existierenden Schwabenwitze? Hätten sich in Württemberg ähnliche Sprüche entwicklet wie etwa in Baden folgender Satz häufig zu hören und zu lesen ist: „Es gibt Badische und Unsymbadische“? Als Ausgleich für den Karlsruher Zentralitätsverlust hätten man vielleicht um des langfristigen Friedens willen dafür sorgen können, dass nicht alle Ministerien, Behörden, etc. in Stuttgart anzutreffen gewesen wären. Auch wenn

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Stuttgart die Landeshauptstadt darstellt, hätte man theoretisch die Landesregierung in Karlsruhe verorten und Stuttgart als Außenstelle in Erscheinung treten lassen können. Es gibt sogar Beispiele, in denen man diese Gedanken ansatzweise verfolgt hat. Zum Beispiel im Falle des Landesmedienzentrums. So befindet sich heute der Sitz der Direktion in Karlsruhe, während Teilfunktionen in der zuvor selbständigen württembergischen Landesbildstelle in Stuttgart ansässig sind. Vergleichbare Anwendung findet diese Lösung im Bereich des Kommunalen Versorgungsamtes für Landesbeamte in Baden-Württemberg. Auch hier ist die Direktion und damit der Hauptsitz in Karlsruhe, die Außenstelle in der Landeshauptstadt Stuttgart. Auch im Bereich der Wirtschaft lässt sich dieses Phänomen beobachten. So ist beispielsweise der Sitz der durch Fusion der Badenwerke in Karlsruhe mit der Energieversorgung Schwaben entstandenen EnBW in Karlsruhe anzutreffen. Nach diesem Vorbild ließen sich die Landesregierung, Ministerien und weitere Behörden des Landes nach Karlsruhe verlegen, während staatliche Sonderbehörden und untergeordnete Behörden in Stuttgart anzutreffen wären. Eine für Württemberg verträglichere Lösung könnte in einer anteilmäßgen Verteilung der Landesministerien auf Karlsruhe und Stuttgart darstellen. Als Vorbild könnte das so genannte Bonn-Berlin Gesetz dienen, wonach folgende Ministerien und Behörden auch nach der deutshen Wiedervereinigung des Jahres 1990 weiterhin ihren ersten Dienstsitz in Bonn haben: Bundesministerium der Verteidigung, Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bundeministerium für Gesundheit sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Könnte eine gleichmäßige Verteilung der Ministerien und anderer Landesbehörden die nach wie vor bestehenden Ressentiments beenden oder würde dies vielleicht nur zu einem ständigen Gerangel um Standorte und

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Behörden führen? Vielleicht ließe sich durch diverse umfassende Maßnahmen im Bereich der Verwaltungsorganisation eine Lösung finden, den Zwist zwischen Badenern und Württembergern langfristig zu befrieden. Ein freiwilliger Machtverlust Stuttgarts zugunsten Badens ist allerdings nahezu ausgeschlossen. Warum sollte der in der Geschichte stets mächtigere Staat freiwillig seine Dominanz abgeben? Letztlich bleibt zu vermuten, dass dieses Gedankenspiel bereits auf Grund demographischer Voraussetzungen nicht realisierbar wäre, da Württemberg den bevölkerungsreicheren Landesteil darstellt und dieser sich sicherlich nicht freiwillig dem politisch kleineren Gemeinwesen unterordnen würde. Ob paritätische Maßnahmen ausschließlich auf Verwaltungsebene einer dauerhaften Befriedung beider Landesteile dienen könnte, bleibt weiterhin Spekulation. Abgesehen davon, wie hätte sich Freiburg als Hauptstadt Südbadens zu einer Dominanz Karlsruhes verhalten? Wären hier vielleicht innerbadische Machtkämpfe zwischen Nord- und Südbaden zu erwarten gewesen?

III HISTORISCHE EINBETTUNG UND LEGENDENBILDUNG 1) Der Kampf für Baden a) Frühes badisches Selbstbewusstsein / Sonderbewusstsein „Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, im Zeichen einer neuen, von Kaiser Napoleon bestimmten europäischen Ordnung entstand auch der badische Staat.“187 Somit stellt Baden einen von Napoleon künstlich geschaffenen Staat dar, dessen äußeres Erscheinungsbild, bezüglich seiner Territorialgrenzen, auf rein strategischen Überlegungen des französischen Kaisers fußt. Auf historisch gewachsene Gebiete oder gar auf die Zusammengehörigkeit bestimmter Volksgruppen wurde dabei keine Rücksicht genommen. Neben etlichen geistlichen Territorien und weltlichen Kleinstaaten sowie Reichsstädten gab es

187 Schwarzmaier, 2005, S. 12 112 auch verschiedene Markgrafschaften. All diese Territorien stellten selbständige Herrschaftsbereiche dar. Als Kernland des späteren Großherzogtums Baden sind die beiden Markgrafschaften Baden-Baden und Baden-Durlach zu betrachten, die sich bereits 1771 zusammenschlossen. „Grob gesagt bildete sich als badisches Kernland ein Territorium heraus, das im Wesentlichen auf dem Gebiet der heutigen Städte Karlsruhe, Pforzheim und Baden-Baden, der Landkreise Karlsruhe und Rastatt sowie in Teilen des Enzkreises lag.“188 Es ist erstaunlich, wie früh sich in Baden ein gemeinsames Bewusstsein von Identität entwickelte, zumal es aus willkürlich zusammengesetzten Territorien bestand. Wie schwer es gewesen war, ein badisches Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln, bestätigt auch Klaus Koziol.189 Schließlich verdankt Baden seine Staatlichkeit den strategischen Überlegungen Napoleons, die auf lanndsmannschaftliche Befindlichkeiten und regionale Besonderheiten keine Rücksicht nahmen. „Eine Folge dieser Ausgangsbedingung war, dass sich ein Gefühl der Zusammengehörigkeit innerhalb des neuen Großherzogtums nur schwer entwickelte und sich somit regionale Identifikationsmöglichkeiten für den einzelnen kaum ergaben. Dadurch war der Badener gezwungen, seine Handlungsmuster eher aus überregionalen Orientierungen zu beziehen.“190 Diese Feststellung untermauert auch die Vermutung, dass sich badische Identität tatsächlich gerade am Widerpart des Württembergers und damit von außen her manifestiert. Und vielleicht entwickelte sich gerade deswegen so rasch ein badisches Sonderbewustsein. Die Gründe für dieses Phänomen liegen vermutlich u.a. in der Dynastie des Herrscherhauses, das sehr integrative Funktion vorzuweisen hatte. Dabei spielte insbesondere die Person Karl Friedrichs (1728-1811) eine bedeutsame Rolle. Karl Friedrich als Markgraf und späterer Großherzog war ein Vertreter des aufgeklärten Absolutismus. „Kein Fürst hat hierzulande von den

188 Bochardt-Wenzel, 2011, S. 43 189 Koziol, 1987 190 ebenda, Koziol, 1987, S. 117 113

Zeitgenossen so ungeteiltes Lob erfahren wie Karl Friedrich, seit 1746 Markgraf zunächst von Baden-Durlach, seit 1771 von den (wieder)vereinigten gesamtbadischen Markgrafschaften, dann 1803 Kurfürst und von 1806 bis zu seinem Tod 1811 Großherzog von Baden.“191 Durch seine Hinwendung zu neuen Formen des wirtschaftlichen, sozialen, geistigen und politischen Lebens, leistete er einen enormen Beitrag zur allmählichen Ablösung von Strukturen der Vergangenheit. Hinzu kommt natürlich auch die Bürokratie, d.h. die napoleonische Leistungsverwaltung. Der Verwaltungsaufbau nach französischem Vorbild war sehr effizient. „Insbesondere in der Landwirtschaft sorgte er durch Modernisierung und Rationalisierung für die materielle Aufwärtsentwicklung des Landes. (...) Neben Reformen im Bildungswesen setzte er vor allem schrittweise die Toleranzidee, die religiöse und allgemeine geistige Freiheit durch.“192 Bei aller Fortschrittlichkeit bleibt festzuhalten, dass in den Kernbereichen an der Vergangenheit festgehalten wurde. „ Doch bei aller Aufgeschlossenheit gegenüber den im Nachbarland verkündeten Freiheitsideen blieb doch in der Markgrafschaft das Gefühl für staatliche Ordnung bestehen, die Karl Friedrich und sein Beamtenapparat zu gewährleisten versprachen.“193 Die Grenzen der Hinwendung zu den Ideen der Aufklärung seitens des Großherzogs Karl Friedrich kommen betont auch bei Lothar Gall deutlich zum Ausdruck. „Das gilt besonders für die ständischen Grundlagen mit der gesamten sozialen Ordnung sowie für die soziale und wirtschaftliche Privilegierung bestimmter sozialer Schichten.“194 Als Begründer eines badischen Staatswesens darf man den Freiherrn Sigismund von Reitzenstein betrachten. „Als Landvogt der Landgrafschaft Sausenberg und der Herrschaft Rötteln (im späteren Oberbadischen) hatte er unmittelbar beobachten können, wie die Habsburger Monarchie, unbekümmert um die kaiserliche Schutzfunktion gegenüber den kleineren Reichsständen, ihren

191 Hug, 1992, S. 178 192 Gall, 1979, S. 12/13 193 ebenda, Schwarzmaier, 2005, S. 164 194ebenda, Gall, 1979, S. 13 114

Herrschaftsbereich ständig zu vergrößern suchte.“195 Dem Gebot der Selbsterhaltung folgend schloss man sich dem siegreichen revolutionären Frankreich an, in der Hoffnung in ihm einen Beschützer zu finden, da man ansonsten vermutlich zwischen den Großmächten aufgerieben worden wäre. „Denn es zeigte sich, dass auf die Dauer die Möglichkeit einer eigenständigen, auf Neutralität hinzielenden Politik Badens nicht bestand; zu exponiert war die Stellung im Glacis der Kriegsparteien (Österreich/Preußen und Frankreich), und in der Tat massierten sich auf badischem Gebiet die Heere der Verbündeten, vor allem der österreichischen Truppen.“196 Folgende Stationen kennzeichnen den Aufstieg der beiden kleinen Markgrafschaften zu einem Mittelstaat: - 1796/97: Sonderfrieden von Baden mit Frankreich; dies war ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einem Bündnis mit Frankreich. - Der Rastatter Kongress bringt erste territoriale Gewinne, vor allem aus säkularisierten Kirchengütern. Zeitgleich führte Reitzenstein Verhandlungen in Paris. - Französisch-russische Konvention 1802: Baden erhält ein Vielfaches für die sehr geringen Verluste auf dem linken Rheinufer. - Reichsdeputationshauptschluss von 1803 bekräftigte die Erwerbungen und Baden wird Kurfürstentum. - Preßburger Frieden von 1805 bringt erneute territoriale Gewinne. - 1806 Gründung des Rheinbundes: Baden wird Großherzogtum und erhält u.a. den Breisgau und die Ortenau. Die Heiratsverbindung zwischen dem kaiserlichen und dem badischen Haus, zwischen Stephanie Beauharnais, der Nichte und Adoptivtochter Napoleons, und dem Erbprinzen Karl verstärkte die dynastische Verbindung. „Baden war im Verhältnis zu seinem bisherigen Besitzstand stark gewachsen. Zwischen 1802 und 1810 wuchs Baden von rund 3.500 Quadratkilometer auf ca. 15.000

195 ebenda, Gall, 1979, S. 14 196 ebenda, Schwarzmaier, 2005, S. 165 115

Quadratkilometer. Für die links des Rheins verlorenen 35.000 Einwohner hatte es gut 800.000 erhalten, und nach Reichsdeputationshauptschluß, Preßburger Frieden und Beitritt zum Rheinbund lebten nahezu 975.000 Einwohner in dem neuen Staatsgebiet – vormals hatte die Markgrafschaft rund 192.000 Einwohner. Baden reichte nun vom Bodensee bei Konstanz bis zum Main bei Wertheim. “197 Der Preis, den der Großherzog für den außerordentlichen Gewinn an Land und Leuten zu zahlen hatte, war sehr hoch. Das Land musste personelle und materielle Leistungen in Form von Soldaten und Geldzahlungen erbringen und wurde somit behandelt wie eine eroberte und unterworfene Provinz. „Nach der äußeren Einheit galt es nun die zusammengerafften Gebiete höchst unterschiedlicher Tradition auch zu einer inneren Einheit zusammenzufassen.“198 Den gewaltsam Hinzugekommenen sollte die Einverleibung dadurch versüßt werden, dass man deren Sonderwünschen möglichst weitgehend entgegen kam. In diesem Sinne schaffte der Hofratsdirektor Friedrich Brauer die 13 Organisationsedikte, die unter anderem als neue Verwaltungseinheit die Provinzen schafften. „Auch wurde der Code Civil in modifizierter Form übernommen. Die alte Agrarverfassung und damit die alte feudale Ordnung ließ man bestehen.“199 Trotz aller Bemühungen um die innere Einheit war der Zusammenhalt zwischen den einzelnen Teilen des neuen Staates nur schwach begründet. Der Fortbestand der alten Verwaltungsstrukturen erwies sich nach der enormen Vergrößerung des Staatsgebiets als nachteilhaft, da es dem inneren Zusammenwachsen des bisherigen Staatsgebiets mit den hinzugekommennen Neuerwerbungen, entgegenstand. „Der Zusammenhalt von Staat und Volk wurde in erster Linie durch die staatlich-administrative Organisation gewährleistet, die Reitzenstein mit dem Organisationsreskript vom 26. November 1809 durchgesetzt hatte.“200 Um die innere Staatsgründung zu

197 Wilhelm, 2007, S. 5 198 ebenda, Gall, 1979, S. 18 199 ebenda, Gall, 1979, S. 18 200 Hug, 2006, S. 104 116 vollenden, war eine umfassende Verwaltungsreform unumgänglich. „So wurde im Frühjahr 1809 Sigismund Karl Freiherr von Reitzenstein an die Spitze der Verwaltung berufen, um die grundlegende Konsolidierung des Landes zu erreichen. Reitzenstein trieb den inneren Akt der Staatsgründung voran. Das dreigliedrige Provinzialsystem fand sein Ende. Es wurde nach französischem Vorbild ein streng rationaler und zentralistischer Staatsaufbau nach französischem Vorbild mit zehn etwa gleich großen Kreisen geschaffen.“201 „Nach der Beseitigung der grundherrlichen Gerichtsbarkeit im Mai 1813 wurde auch die Patrimonialjustiz zum Hoheitsrecht des Zentralstaates.“202 Nicht zuletzt stellten auch machtlüsterne Nachbarn einen Kristallisationspunkt zur raschen badischen Identitätsfindung dar. Österreich, Bayern, aber auch Württemberg zweifelten die territoriale Integrität Badens stets an. „Die Neuordnung von 1814/15 stellte zusätzlich die Legitimität der badischen Erbfolge in Zweifel, da Großherzog Karl keine männlichen Nachfolger vorweisen konnte. (...) Um die Integrationskraft und das Staatsgefühl zu steigern, sollte neben die Regierung eine parlamentarische Vertretung treten. Grundlage für die geplante Repräsentativverfassung war Artikel 13 der Wiener Bundesakte.“203 Die Verfassung von 1818 war ein Werk des Finanzrates Karl Friedrich Nebenius. Sie war im Wesentlichen ein Herrschaftsinstrument, da sie die Einheit und Macht des Staates zum Ziel hatte und weniger die Selbstbestimmung der Untertanen verfolgte. Die Verfassung von 1818 „beinhaltete einen Katalog der staatsbürgerlichen Rechte, zu denen unter anderem die Gleichheit vor dem Gesetz, die Freiheit des Eigentums und der Religionsausübung, aber auch die unterschiedslose Steuerpflicht und die Abschaffung von Privilegien bei der Besetzung von Staatsämtern zählten.“204 Auch wenn von politischer Mündigkeit nicht die Rede sein konnte, so blieb die Einrichtung einer Volksvertretung und die Fixierung einer Verfassung ein

201 ebenda, Wilhelm, 2007, S. 6/7 202 ebenda, Gall, 1979, S. 20 203 ebenda, Gall, 1979, S. 22 204 ebenda, Bochardt-Wenzel, 2011, S. 98 117 verbindender und Volksgruppen übergreifender Kristallisationspunkt, der gemeinsame Identität stiftete.

b) Vormärz und die Revolution von 1848 Auch die Zeit des Vormärzes bot Ansatzpunkte zur badischen Identitätsstiftung. Baden widersetzte sich als erster Staat dem durch die Karlsbader Beschlüsse 1819 festgelegten Verbot der Presse- und Versammlungsfreiheit und spielte somit eine Vorreiterrolle. Für die Zeit des Vormärzes wie auch für die Geschehnisse im Zusammenhang mit der Revolution 1848 bescheinigt Schwarzmeier Baden eine exponierte Rolle. „(...) in keinem anderen deutschen Bundesstaat hatte hier der revolutionäre Funke gezündet, wurden die freiheitlichen Ideen aufgegriffen, diskutiert und in Forderungen umgewandelt, (...). Nur hier entstand eine demokratische Bewegung und schließlich eine Republik, die für mehrere Monate so etwas wie einen deutschen Modellfall abzugeben schien, (...).“205 Im Vormärz war Baden einer der liberalsten Staaten des Deutschen Bundes. Nirgendwo sonst in Deutschland bestand eine so freiheitliche Verfassung, nirgendwo in Deutschland durfte ein höherer Prozentsatz der Männer wählen. In keinem anderen Mitgliedsstaat des Deutschen Bundes war das parlamentarische Leben so ausgeprägt. Außerdem wurden die politischen Geschehnisse in Baden in besonderem Maße von der doppelten Grenzlage des Landes bestimmt. Die Nähe zu Frankreich und der republikanischen Schweiz sorgte nicht nur für einen ständigen Austausch politischer Ideen, sondern ermöglichte auch den Rückzug ins Ausland in Zeiten politischer Verfolgung. Liberale Ideen und der Wunsch nach Freiheit, Gleichheit sowie politischer Mitbestimmung wurde nach der Französischen Revolution auch in den Staaten des Deutschen Bundes lauter. Grundsätzlich konnten daran auch die reaktionären Beschlüsse in Folge des

205 ebenda, Schwarzmaier, 2005, S. 217 118

Wiener Kongresses nichts ändern. Der Wunsch nach Einheit und Freiheit war mit der Französischen Revolution geboren und ließ sich trotz verstärkter Repressalien seitens der Staaten des Deutschen Bundes in der Zeit des Vormärzes langfristig nicht mehr ersticken. Nicht nur in Baden verbreiteten sich die Ideen und Errungenschaften der Französischen Revolution, sondern im gesamten Gebiet des Deutschen Bundes. Bemerkenswert ist allerdings die Tatsache, dass sich die Ideen der Aufklärung gerade in Baden mit einer besonderen Vehemenz und durchaus auch mit gewissem Erfolg Bahn brachen. Die Geisteshaltung der badischen Regenten spielte dabei eine wesentliche Rolle, da sie gemessen an der Zeit verhältnismäßig fortschrittlich eingestellt waren. Zu dieser Einschätzung gelangt auch Hansmartin Schwarzmeier.206 „Was die revolutionären Forderungen anbelangte, so sei man ihnen doch im liberalen Geiste entgegengekommen, soweit dies einer monarchischen Regierung möglich war, aber durchaus im Gegensatz zu einer reaktionären Politik der anderen deutschen Staaten.“207 An dieser Stelle wird deutlich, dass Baden im Vergleich zu den anderen Staaten des Deutschen Bundes, bezüglich der Realisierung liberalen Gedankengutes, verhältnismäßig fortschrittlich eingestellt war. Es wäre allerdings ein Trugschluss, zu glauben, dass Baden während der gesamten Zeit des Vormärzes uneingeschränkt einen progressiv liberalen Politikstil praktizierte. In Wahrheit wechselten Phasen liberaler Regierungspolitik mit Phasen, die eindeutig als repressiv und reaktionär einzuordnen sind. So musste beispielsweise der „Großherzog Leopold, der 1830 seinem Halbbruder Ludwig auf den Thron gefolgt war, eine von der Ständeversammlung durchgesetzte liberale Pressegesetzgebung zurücknehmen und die Zensur wieder einführen.“208 Diese Entwicklung stand ganz im reaktionären Sinne der Karlsbader Beschlüsse von 1819 und spiegelt die restaurativen Vorstellungen der Herrschenden seiner Zeit wider. So kann man sagen, dass die Zeit zwischen dem Wiener Kongress

206 Schwarzmaier, Baden, Dynastie – Land – Staat, Stuttgart, 2005 207 ebenda, Schwarzmaier, 2005, S. 218 208 ebenda, Bochardt-Wenzel, 2011, S. 101 119 und der Revolution von 1848 mal von stärkerer, mal schwächerer Hinwendung zu aufgeklärtem Gedankengut seitens der regierenden Fürsten geprägt war. Liberales und reaktionäres Gedankengut standen fortan in einem ständigen Wettstreit um Einflussnahme. Wie liberal beziehungsweise reaktionär sich die Alltagspraxis darstellte, hing größtenteils vom jeweilig herrschenden Regenten und von den Amtmännern vor Ort ab. Preußen und Österreich waren liberalem Gedankengut der Zeit keineswegs zugeneigt gewesen, im Gegenteil, man ignorierte sogar das einzige Zugeständnis des Wiener Kongresses an die Liberalen, nämlich das Versprechen, in den Staaten des Deutschen Bundes Ständeversammlungen einzurichten. Zwar repräsentierten die Verfassungen der Einzelstaaten des Deutschen Bundes einen Fortschritt, da sie die Mitwirkung zumindest eines Teils der Bürger an der Gesetzgebung ermöglichten, in der Summe waren es nur wenige Länder, die Verfassungen besaßen. Beispielsweise betrug in Baden die Anzahl der wahlberechtigten Bürger etwa 70 %, während in Bayern lediglich 6 % Mitbestimmungsrechte verwirklicht sahen. Angefacht durch die revolutionären Ereignisse in Frankreich im Juli 1830, erfuhr die liberale Bewegung auch in Deutschland erneut Aufwind. Diese erneute Aufbruchstimmung gipfelte zunächst 1832 im Hambacher Fest, auf welchem vehement für liberale Ideen und für konkrete demokratische Beteiligungsrechte demonstriert wurde. Hug attestiert Baden, sogar in konservativ-reaktionären Regierungsphasen ein hohes Maß an Fortschrittlichkeit im Sinne des aufkommenden Liberalismus. „Rechtsstaatliches Denken galt Ministern und der ganzen Bürokratie als selbstverständlich. Mit dem Innenminister Winter und seinem Ministerialdirektor Nebenius sowie dem Außenminister von Türckheim saßen gemäßigt liberal denkende Männer an führender Stelle. Sie wollten vernünftige, vor allem aber effiziente Politik im Interesse des Landes und seiner Bürger machen. Marksteine auf diesem Weg waren der Beginn der Rheinregulierung, der Beitritt Badens zum Zollverein und

120 der Bau einer Staats-Eisenbahn von Mannheim nach Basel."209 Mit dem Amtsantritt des erz konservativen von Blittersdorff, der die Nachfolge von Winter im Innenministerium antrat, wurde eine Phase heftiger Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Landtag eingeläutet, die in der Auflösung des Landtags durch den Großherzog gipfelte. Die Neuwahlen bestätigten allerdings den liberalen Geist, der sich in Baden zusehends ausbreitete. An der Spitze der liberalen Bewegung standen Persönlichkeiten wie Friedrich Hecker, Itzstein, Welcker, Bassermann und Mathy. An dieser Stelle sei erwähnt, dass der Liberalismus zunehmend keine geschlossene Einheit darstellte, da die dahinterstehenden Vorstellungen von politischer Beteiligung auch innerhalb des liberalen Lagers weit auseinanderlagen. Die Differenzen innerhalb des Liberalismus führte schließlich zur Spaltung der liberalen Bewegung in ein weit links stehendes demokratisch, republikanisches Lager und ein eher gemäßigt konstitutionelles Lager. Es ist davon auszugehen, dass sich das badische Identitätsgefühl in nicht unerheblichem Maße auch aus der revolutionären Vergangenheit, im Sinne einer Erinnerungsleistung, generierte und somit Bewusstseins bildend wirkte. Gerade die Deutsche Revolution von 1848 lieferte in der Tradierung mehrere Ansatzpunkte zur badischen Identitätsstiftung, sei es durch bestimmte Ereignisse, die in der Rückschau als fortschrittlich gewertet wurden oder auch durch Persönlichkeiten, die durch ihr Handeln und Wirken zum Vorbild für Widerstandskraft und den Willen zur politischen Veränderung stilisiert wurden. Die Revolution von 1848 wird häufig als die erste bürgerliche Revolution auf deutschem Boden bezeichnet. Inwiefern diese Einschätzung stimmt oder nicht ist eine andere Frage. „Bereits 1931 hat Veit Valentin in seiner Geschichte der deutschen Revolution von 1848/49 darauf hingewiesen, dass der auf Bruno Bauer zurückgehende Begriff der „bürgerlichen Revolution“ eine Auffassung hat begründen helfen, „die bis heute herrschend geblieben, aber durchaus irrig

209 ebenda, Hug, 1992, S. 241 121 ist.“210 Dass die Revolution von 1848 keine rein vom Bürgertum getragene Revolution gewesen ist, ergaben die Forschungsergebnisse von Reinhold Reith. Gemäß seiner Forschungsergebnisse stützte sich die Revolution von 1848 auf erheblich breitere soziale Schichten als ausschließlich auf die des Bürgertums. „Mit dem Postulat der „bürgerlichen Revolution“ als Kampf um nationale Einheit und politische Freiheit ist die deutsche Revolution von 1848/49 in der Retrospektive (...) als bürgerliche Erfahrung simplifiziert und idealisiert worden, und damit in der Historiographie eine Uniformität der Motive unterstellt worden, die tatsächlich nie bestand.“211 Die Sonderrolle, die Baden innerhalb der revolutionären Geschehnisse zukommt, wird aber schon daran deutlich, dass Selbige von Wolfgang Hug auch als „badisch-deutsche-Revolution“212 bezeichnet wird. Der Anstoß zur Revolution kam abermals aus Frankreich, als die Pariser Februarrevolution ausbrach und sich die Nachricht vom Sturz des Königs Louis Philippe wie ein Lauffeuer schnell im angrenzenden Baden verbreitete und somit die liberale Bewegung in Baden ermunterte, ihren Ideen, Forderungen und Vorstellungen Nachdruck zu verleihen. Begünstigt wurden die revolutionären Ereignisse natürlich durch eine schwere Agarkrise des Jahres 1846/47, die eine Hungersnot und enorme Teuerung, vor allem der Brotpreise, zur Folge hatte. Besonders hart betroffen waren der Schwarzwald, der Odenwald und die Region an Main und Tauber. Durch eine einigermaßen gute Ernte im Folgejahr normalisierten sich die Brotpreise relativ rasch. „Eine akute sozial-ökonomische Krise gab es somit in Baden nicht mehr, als im Februar 1848 die Revolution ausbrach.“213 Dieser Sachverhalt lässt den Rückschluss zu, dass es sich bei der Revolution offenbar nicht mehr nur um rein existenziell begründete Motive handelte, sondern dass es in Baden um eine weitaus breiter angelegte Motivelage weit gefasster

210 Reith, 1982, S .8 211 ebenda, Reith, 1982, S. 9 212 Hug, 2006, S. 121 213 ebenda, Hug, 2006, S. 121 122

Bevölkerungsschichten handelte und somit eine breite Masse auf die Straßen rief. Auch Schwarzmaier sieht in der badischen Revolution eine Volksbewegung. Danach erfasst die Revolution in Baden „knapp 40.000 Personen, von denen rund 33.000 Personen als „Revolutionäre“ zu bezeichnen sind. (...) Bei knapp 1,5 Millionen Einwohnern Badens sind dies etwa 5 % der männlichen Bevölkerung des Landes. (...) So nehmen die Handwerker, entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung, eine durchaus hervorgehobene Position ein, und auch die Bauern scheinen stark repräsentiert gewesen zu sein.“214 Nachfolgend sollen die zentralen Stationen der Revolution von 1848 in Baden aufgezeigt werden, um deren Potential zur badischen Identitässtiftung beispielhaft zu verdeutlichen. Zum Ausgangspunkt und Zentrum innerhalb Badens entwickelte sich Mannheim als Zentrum der Liberalen Bewegung, sowohl der demokratisch- radikalen Liberalen um Hecker und Struve, wie auch der gemäßigten konstitutionellen Liberalen um Bassermann und Welcker. So kam es am 27. Februar 1848 in Mannheim zu einer Volksversammlung, welche von Hecker und Struve organisiert wurde.215 Darin wurden die ersten Märzforderungen verfasst. Diese Forderungen wurden der Zweiten Badischen Kammer übergeben und erfüllt. Von Mannheim ausgehend, bildeten sich im ganzen Land Volksvereine und Vaterländische Vereine, die ihre liberalen Forderungen artikulierten und die Bevölkerung zu mobilisieren versuchten. Mannheim war durch seinen Freihafen am Rhein und den Anschluss an die Eisenbahn die größte Handels- und Gewerbestadt des Landes mit ersten Ansätzen zur Industrialisierung. Die Gegensätze zwischen den alten Handwerkern und den neueren Industriearbeitern sowie dem wohlhabenden Bürgertum wurden zunehmend sichtbar. Da das badische Hofgericht in Mannheim ansässig war, versammelte sich dadurch auch eine juristische und

214 Schwarzmaier, 2005, S. 219 215 ebenda, Hug, 2006, S. 122 123 intellektuelle Elite in der Stadt. Als das Programm von Struve vom Vorparlament in Frankfurt abgelehnt wurde, sahen sich die Liberalen radikaler Prägung in der Minderheit und entschlossen sich, von nun an radikalere Wege einzuschlagen. Heckers Reaktion auf die Ablehnung des Programms verdeutlicht die zunehmende Radikalisierung seiner Haltung. „Hier in Frankfurt ist nichts zu machen, es gilt, in Baden loszuschlagen!“216 Bereits am 12. September des Jahres 1847 kam es zur so genannten 1. Offenburger Versammlung.217 Offenburg war ein Zentrum des demokratischen Aufbruchs geworden. Diese Versammlung war eine Zusammenkunft demokratisch gesinnter Männer und Frauen. Die führenden Köpfe der Versammlung waren Gustav Struve und Friedrich Hecker. In den so genannten „13 Forderungen des Volkes in Baden“ verabschiedeten sie das erste politische Programm in Deutschland, das die Forderung nach unveräußerlichen Menschenrechten enthielt. Das war dahingehend bemerkenswert, als Offenburg zu dieser Zeit gerade mal 4.000 Einwohner zählte. Am 18. März 1848 kamen vor dem Rathaus ca. 20.000 Menschen zusammen. Der Bürgermeister Gustav Ree war demokratisch gesinnt und unterstützte Hecker und Struve, die feurige Reden vom Balkon des Rathauses halten durften. Trotz nicht unerheblichen beruflichen wie auch persönlichen Risikos bewies in dieser politisch zugespitzten Situation ein Honoratior der Stadt großen Mut für sein Eintreten für politische Ideale. Die Erinnerung und auch teilweise stattfindende Glorifizierung derartiger Persönlichkeiten, trug sicherlich zur Identitätsstiftung bei. Im Jahr darauf organisierte der stellvertretende Vorsitzende der badischen Volksvereine Amand Goegg erneut eine große Volksversammlung in Offenburg. Die etwa 30.000 Teilnehmer wollten diesmal mehr als nur Sympathiebekundungen leisten. Es wurden 16 Forderungen beschlossen. Unter anderem der Rücktritt der badischen Regierung. Als Militärmeutereien auch die

216 ebenda, Hug, 2006, S. 124 217 ebenda, Hug, 2006, S. 122 124

Hauptstadt ergriffen, flohen der Großherzog und seine Regierung, und die Revolutionäre übernahmen für kurze Zeit die Regierungsgewalt. Eine besondere Betrachtung innerhalb der revolutionären Geschehnisse von 1848/49 verdient der so genannte Heckerzug bzw. Hecker- und Struveputsch. Die Person Friedrich Heckers und sein, wenn auch gescheiterter Heckerzug bot durch die entsprechende nachträgliche Glorifizierung in einschlägigen gesellschaftlichen Kreisen ausgezeichnetes Potential, um Identifikation und Identität zu stiften. Dabei muss sich der Prozess der Identitätsbildung nicht allein auf die Person Friedrich Heckers konzentrieren, sondern auch um die damit verbundene Ereignisgeschichte rund um den Heckerzug. Nach dem Scheitern der Revolution waren die bestehenden konservativen Fürsten und Regierungen natürlich daran interessiert, die Erinnerungen an die Revolution klein zu halten oder die Ideen des Liberalismus in ein schlechtes Licht zu stellen, da sie naturgemäß von der Warte ihrer eigenen Machtposition aus argumentierten. „ Die staatlichen Behörden interpretierten im Sinne der Rädelsführertheorie, die die Ursachen des Aufruhrs in der Agitation der Rädelsführer sah, denen es ihrer Ansicht nach gelungen war, eine ansonsten friedliebende und zufriedene Bevölkerung zum Aufstand und Ungehorsam zu verleiten, und tendierten dazu, Angriffe auf die Staatsgewalt nicht der einheimischen Bevölkerung, sondern durchreisenden Ausländern zuzuschreiben. Wenn man nicht generell auf Fremde als Anstifter der Exzesse zurückgriff, dann waren es der Pöbel oder auch Jugendliche, d.h. verantwortungslose Raufbolde.“218 Vielleicht kristallisierte sich im aufgeklärten Baden gerade deshalb um die Person Friedrich Heckers ein besonderer Ansatz zur Identitätsstiftung, weil man sich bewusst gegen die vorherrschenden politischen Verhältnisse zu wehren versucht hat und gegen Repressalien des Staates zu protestieren. Hierbei spielt im Sinne einer gemeinsamen Erinnerungsleistung vor allem die Tatsache eine Rolle, dass die Revolution von 1848 eben keine

218 ebenda, Reith, 1982, S. 20 125 ausschließliche bürgerliche Erfahrung darstellt, sondern eine Erhebung, die die gesamte Gesellschaft in ihrer ganzen sozialen Breite ergriffen hatte. Die großherzögliche Regierung wertete dies erwartungsgemäß anders und sah die Verantwortung für die Unruhen, gemäß der Rädelsführertheorie, in den Händen Einzelner. „Auch das badische Innenministerium bediente sich zur Erklärung des Klischees des Kriminellen und des Verfalls der Sitten.“219 Dass die Deutsche Revolution von 1848 entgegen der bisweilen bis heute vorherrschenden Meinung eben keine reine bürgerliche Erhebung darstellte, belegt auch Reinhold Reith, da „besonders die Berufsgruppen, die durch die Not- und Teuerungskrise 1846/47 starke Beeinträchtigungen erlitten haben, und die Berufsgruppen, deren Tätigkeit langfristig durch den Industrialisierungsprozess bedroht waren, eine hohe Repräsentanz an der Aufstandbewegung aufzuweisen hatten.“220 Die Analyse der Berufsstruktur zeigt laut Reith „eine sozial heterogene Struktur, (...) (die) die freien Berufe der Kauf- und Handelsleute und die Gruppe der Handwerksberufe (repräsentiert).“221 Die Studie Reiths zeigt deutlich, dass sich gerade auch die Handwerker am Aufstand beteiligten. „Die größte am Aprilaufstand beteiligte Berufsgruppe bildeten die Schuster mit 11 Beteiligten und 9,2 % der Gesamtbeteiligten.“222 Bei den Teilnehmern des Heckerzuges handelt es sich um radikale Demokraten, die über keine Armee verfügten, und sich in Folge dessen darauf verlassen mussten, dass die Bevölkerung bereit war, einen bewaffneten Aufstand gegen die Monarchen und die neuerdings z.T. liberalen Regierungen der Einzelstaaten mitzutragen. Die badische Regierung erfuhr allerdings von den Aufstandsplänen, woraufhin der liberale Minister Karl Mathy den an den Planungen beteiligten Redakteur der Konstanzer Seeblätter, Joseph Fickler, am 8. April in Karlsruhe verhaften ließ. Gustav Struve verließ Karlsruhe noch am selben Tag in Richtung Konstanz, wohingegen Hecker, unter Inkaufnahme eines

219 ebenda, Reith, 1982, S. 21 220 ebenda, Reith, 1982, S. 30 221 ebenda, Reith, 1982, S. 27 222 ebenda, Reith, 1982, S. 39 126 strategisch motivierten Umweges, erst einen Tag später, am 9. April aufbrach. Um einen möglichen Zugriff durch die badische Polizei zu vermeiden, wählte er eine Route, die ihn über die Pfalz, das Elsaß und die Schweiz nach Konstanz führte, wo er am 11. April eintraf. Unter den Revolutionären befand sich auch Franz Sigel, der als Offizier von den Regierungstruppen übergelaufen war und sich den Aufständischen angeschlossen hatte. Die Ereignisse der Paulskirchenversammlung in Frankfurt sowie die Verhaftung Ficklers veranlassten Friedrich Hecker nun seine politischen Ideen auf radikalem Wege zu verwirklichen. In der Annahme, dass die Zeit reif sei, beschloss er von Konstanz aus seinen revolutionären Marsch in Richtung Karlsruher Residenz zu starten. Konstanz galt seinerzeit als besonders liberale Stadt im Seekreis, was Hecker dazu veranlasste, Konstanz als Ausgangspunkt seines revolutionären Unternehmens zu wählen. Hecker überschätze offenbar das revolutionäre Potential der südbadischen Bevölkerung, denn er rechnete damit, dass ihn die dortige Stadt- und Landbevölkerung zahlreich unterstützen würde. Fickler allein hatte ihm die Beteiligung von 50.000 revolutionären Mitstreitern in Aussicht gestellt. Zudem plante der in Paris lebende Revolutionär Georg Herwegh mit seiner „Deutschen Demokratischen Legion“ Hecker zu Hilfe zu eilen. Die Hoffnungen erfüllten sich allerdings nicht. Weniger als 1.000 Mitstreiter schlossen sich dem Heckerzug an, der zudem Gefahr lief, auf württembergische Regierungstruppen zu treffen. Das erhoffte Volksheer konnte Hecker letztlich nicht rekrutieren, stattdessen handelte es sich eher um eine bunt gemischte Truppe Aufständischer. Um den Regierungstruppen auszuweichen, marschierten Hecker und seine Mitstreiter durch den Schwarzwald nach Freiburg, um von dort aus auf Karlsruhe vorzurücken. Hinzugezogene Bundestruppen versperrten mittlerweile die Schwarzwaldpässe, so dass der Anschluss einzelner Sympathisantengruppen an den Heckerzug vereitelt wurde. Gesandte des Paulskirchenparlaments waren inzwischen dem Heckerzug entgegen gezogen, um Hecker von seinem Vorhaben, in dem sie Inaussichtstellung der allgemeinen

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Amnestie für die Aufständischen, abzubringen. Hecker zeigte sich allerdings unbeirrt und setzte seinen Marsch auf die badische Residenz fort. Am 20. April stieß die Revolutionsarmee bei Kandern auf badische und hessische Regierungstruppen. Das Gefecht forderte mehrer Tote, zu denen auch der Befehlshaber der Regierungstruppen, Friedrich von Gagern, Bruder des Paulskirchenabgeordneten Heinrich von Gagern, zählte. Die regulären Truppen behielten die Oberhand. Hecker und viele seiner Anhänger flohen in die Schweiz. Herwegh und seine „Deutsche Demokratische Legion“ wurden eine Woche später bei Dossenheim besiegt, ohne dass sie sich zuvor mit Heckers Freischaren hatten vereinigen können. Das getrennte Marschieren der revolutionären Kolonnen erwies sich ebenfalls als ein Nachteil, so dass die Kontingente der Revolutionäre nacheinander durch die Überlegenheit der Regierungstruppen vernichtend geschlagen wurden. „Am 20. April: Niederlage Heckers auf der Scheideck bei Kandern, 21. April: Zerschlagung der vom Hochrhein kommenden Kolonne Weißhaar/Struve bei Steinen im Wiesental, 23. April: Zurückschlagung der aus dem oberen Wiesental kommenden, von Günterstal gegen Freiburg vorrückenden Kolonne Sigel, 27. April: Aufreibung der deutsch-französischen Legion aus Paris, die am 24. April unter der Führung des schwäbischen Dichters Georg Herwegh bei Kleinkems über die Rheingrenze eingedrungen war, bei Niederdossenbach.“223 Ein erbitterter Kampf wurde am 24. April um die Stadt Freiburg geführt, der ebenfalls für die Revolutionären verloren ging. Heckers weiter nördlich befindlichen Truppen warteten nun vergebens auf eine Zusammenführung mit dem Revolutionsheer Heckers. Trotz der Unruhen und kriegerischen Ereignisse in Baden wurden die Wahlen zur Nationalversammlung durchgeführt. Die Wahl Friedrich Heckers im Seekreis wurde jedoch annuliert, so dass er nicht zum Paulskirchenparlament zugelassen wurde. Hecker floh zunächst in die Schweiz. Da er keine Chance mehr sah,

223 Gall, 1979, S. 52/53 128 seine politischen Ziele zu erreichen, wanderte er im September 1848 nach den USA aus. In der Folgezeit entwickelte sich ein regelrechter Hecker-Kult, der den Revolutionär mit Liedern bzw. Gedichten, in Bildern oder durch das Tragen von „Heckerhut“ oder „Heckerbart“ feierte. Der Heckerzug endete mit der vollständigen Niederlage der radikalen Demokraten. Dennoch bleibt bis zum heutigen Tage ein, wenn auch auf bestimmte gesellschaftliche Kreise beschränkter Heckerkult erhalten. In Erinnerung an Friedrich Hecker existiert in Radolfzell ein Friedrich Hecker Gymnasium, in Sinsheim eine Friedrich Hecker Schule. Aber auch die ASTA der Universität Konstanz hat Ende der 1990er Jahre seinen Studierenden einen Getränkebecher aus Plastik entworfen, der neben einer typischen Heckerdarstellung auch den Schriftzug trägt „Friedrich- Hecker-Universität Konstanz“. Auch hier spiegelt sich eine Geisteshaltung wider, die mit Stolz auf die revolutionären Geschehnisse in Baden zurückblickt. Für die Mehrheit der badischen Bevölkerung kam eine gewaltsame Veränderung des politischen Systems nicht in Frage. Stattdessen vertraute die Mehrheit auf den friedlichen parlamentarischen Weg, der sich in der Einberufung des Paulskirchenparlaments widerspiegelt. Somit zeigte das badische Volk schon damals, nach unserem heutigen demokratischen Politikverständnis eine reifere und verantwortungsbewusstere Haltung gegenüber Gepflogenheiten des demokratischen Entscheidungsprozesses als Hecker und seine revolutionären Mitstreiter dies taten. Diese Einschätzung wird auch von Gall wie folgt hervorgehoben: „Und bewiesen die Badener nicht mehr politische Weitsicht als Hecker und Struve, wenn sie es mit Welcker hielten, der schon am 19. März in Offenburg ausgerufen hatte, dass die Form der politischen Gestalt Deutschlands nicht in einem südwestlichen Winkel Deutschlands entschieden werden könne, sondern von der ganzen Nation Deutschland entschieden werden müsse.“224 Vielleicht generierte sich eine badische Identität gerade über die Mehrheit des

224 ebenda, Gall, 1979, S. 56

129 badischen Volkes, das sich am gewaltsamen Umsturzversuch bewusst nicht beteiligte? Es liegt natürlich auf der Hand, dass die mangelnde Unterstützung und Gefolgschaft für Hecker und seine Revolution nicht allein in weitsichtiger Geisteshaltung und Respekt für demokratische Verfahrensweisen zu suchen ist, die seinerzeit und nach unseren heutigen Maßstäben noch gar nicht existent waren. Aber als gedanklicher Ansatz sollte dieser Gedanke gedacht werden dürfen, um neben dem rein revolutionären Zugang, einen anderen Zugang zur Fundierung des Bewusstseins badischer Identität zu eröffnen. Während Hecker sich dazu entschieden hatte, sich von Deutschland abzuwenden, war Struve immer noch von der Hoffnung beseelt, der Revolution eine erfolgreiche Wendung geben zu können. Er überschritt die Grenze zu Baden, rief am 21. September in Lörrach die Republik aus und setzte eine provisorische Regierung ein. Trotz des energischen Vorgehens der Revolutionäre litt der Struveputsch jedoch an denselben Problemen wie der Heckerzug. Die von Struve erhoffte massenhafte Unterstützung der Bevölkerung blieb aus. Sein Versuch, zwangsweise Gefolgsleute zu rekrutieren blieb letztlich erfolglos. Struve beabsichtigte, mit seinen Freischaren auf Freiburg zumarschieren, traf jedoch bei Staufen auf reguläre badische Truppen, die die Revolutionäre um Struve aufrieben. Gustav Struve und sein Mitstreiter Karl Blind wurden verhaftet und wegen Hochverrats vor eines der neu geschaffenen Geschworenengerichte gestellt. Die Angeklagten und Struves Verteidiger Lorenz Brentano benutzten den Prozess, um propagandistisch für die Republik zu werben. Da die Geschworenen von den Zuschauern und der demokratischen Presse mächtig unter Druck gesetzt wurden, sahen sie über unbestreitbare Straftaten der Angeklagten hinweg. Im März 1849 wurden Struve und Blind zu einer vergleichsweise milden Strafe von acht Jahren Zuchthaus verurteilt und in Bruchsal inhaftiert. Während die radikalen Demokraten in Baden zu den Waffen griffen, setzten die Liberalen auf parlamentarischem Wege wichtige Reformen um. In zahlreichen Gesetzen wurde die Abschaffung des Feudalsystems, die

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Einrichtung von Bürgerwehren, die Vereidigung des Militärs und der Beamten auf die Verfassung, die Gleichstellung der Konfessionen, die Abschaffung der adeligen Sondergerichte, die Einrichtung von Geschworenengerichten beschlossen und man unternahmen zudem erste Schritte zur Judenemanzipation. Die radikalen Demokraten organisierten sich nach dem gescheiterten Hecker- und Struveputsch deutlich besser. Man bildete revolutionäre Zellen, die miteinander regelmäßig in Kontakt standen und enger miteinander vernetzt waren. Dieses Mal konnte man mit etwa 35.000 Gefolgsleuten rechnen. Als der Preußenkönig die ihm angetragene Kaiserkrone abgelehnt hatte und die Hoffung auf eine politische Veränderung in Richtung Errichtung einer Republik schwand, betrachtete man den Zeitpunkt als geeignet, um erneut loszuschlagen. Die Rechnung schien anfänglich aufzugehen, nachdem der Großherzog, unter dem Eindruck einer Meuterei in der Karlsruher Garnison, in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 1849 zunächst in die Festung nach Germersheim und von dort ins französische Lauterburg floh. Die Revolutionären konnten den polnischen General Ludwig Mieroslawski als Oberbefehlshaber für ihre Streitkräfte gewinnen. Dem Großherzog gelang es jedoch abermals, mit Hilfe der Unterstützung von Bundestruppen, allen voran preußischen Truppen, die Aufständischen auseinaderzutreiben. Die preußische Armee unter dem Oberbefehl des Prinzen Wilhelm, des späteren Kaisers Wilhelm I., überquerte am 20. Juni 1849 den Rhein bei Germersheim. Der Aufstand wurde in der Schlacht von Waghäusel am 21. Juni niedergeschlagen. Nachdem sich die verbleibenden Revolutionäre zunächst in der Rastatter Festung verschanzt hatten, mussten sie am 23. Juli ihre Kapitulation eingestehen. Somit war auch der dritte Umsturzversuch in Baden gescheitert. Dass das „aufständische Baden aus dem Bündnisgefüge des monarchischen Deutschen Bundes ausscheren könnte, erwies sich als eine Illusion.“225 Am Beispiel der revolutionären Ereignisse in Baden lassen sich besonders die

225 Gall, 1979, S. 62 131

Wurzeln der südwestdeutschen Demokratie aufzeigen. Kristallisationspunkte badischer Identität erstrecken sich von Süd nach Nord durch badisches Territorium. Von Konstanz über Lörrach, Freiburg, Offenburg, Rastatt, Karlsruhe, Bruchsal, Heidelberg bis nach Mannheim. Nachfolgend werden die historischen Ereignisse von Konstanz, Lörrach, Freiburg, Offenburg, Rastatt, Karlsruhe, Bruchsal, Heidelberg und Mannheim für deren jeweilige Bedeutung für die Entstehung einer badischen Identität zusammenfassend dargelegt werden. Sowohl in Konstanz als auch in Lörrach wurde die deutsche Republik ausgerufen. Auch wenn diese Geschehnisse weitgehend eigenmächtige und wenig durchdachte Aktionen Heckers bzw. Struves darstellten, denen es zwar an revolutionärem Elan nicht mangelte, dafür aber um so mehr an strategisch- konzeptioneller Planung und Herangehensweise sowohl im Vorfeld als auch während der Durchführung, so gingen von diesen Aktionen doch Impulse für allmähliche politische Veränderungen aus. Die Grenzlage beider Städte stellte für die Revolutionären einen Vorteil dar. Da ein Grenzübertritt nach Frankreich oder in die Schweiz leicht war, weil der Personenverkehr noch nicht ständig überwacht wurde, konnte man revolutionäre Umtriebe vom benachbarten Ausland aus relativ leicht organisieren. Beispielsweise konnte über die Schweiz die in den Staaten des Deutschen Bundes vorherrschende Zensur umgangen werden. Im Falle von Schwierigkeiten konnte man immer noch schnell über die Grenze fliehen. Somit war die Grenzlage beider Städte während der Revolution von 1848/49 von großer Bedeutung. Sowohl die bereits im März in Lörrach formulierten „Märzforderungen“ als auch der von Konstanz ausgehende Heckerzug markieren wichtige Eckpfeiler in der späteren Erinnerungskultur und konnten somit Identität stiftend wirken. Freiburg stellt bis heute eine Bastion südbadischen Patriotismuses dar. In Freiburg manifestiert sich bis auf den heutigen Tag ein Kristallisationspunkt für badische Identität. Aber auch für die Geschichte des deutschen Frühliberalismus

132 spielte die Stadt eine herausragende Rolle. Vehement setzten sich nämlich die beiden Freiburger Professoren Karl von Rotteck und Karl Theodor Welcker für die Weiterentwicklung der Badischen Verfassung von 1818 ein, um mehr Freiheiten und Bürgerrechte zu erlangen. „ Das Recht auf politische Teilhabe unterlag (...) vielfachen Einschränkungen und doch hatte Großherzog Karl mit der Verfassung aus eigener Machtvollkommenheit mit dem Absolutismus gebrochen und in Baden war das Zeitalter der konstitutionellen Monarchie angebrochen.“226 So wurde in Baden 1831 ein neues Pressegesetz erlassen, das weitgehende Freiheiten beinhaltete. Als 1832 das besagte Pressegesetz wieder zurückgenommen wurde, formierte sich unter den Freiburger Studenten Protest, der von Welcker und Rotteck unterstützt wurde. Die Unterstützungsleistung beider Professoren führte zur Schließung der Universität und zur Suspendierung der beiden Professoren. Als im Februar 1848 das revolutionäre Feuer Freiburg erreichte, wurde Freiburg zum Schauplatz diverser Massenversammlungen, auf denen demokratische Rechte gefordert wurden. Außerdem erfuhr der Heckerzug von Freiburg aus Unterstützung. Ebenso wie Freiburg kristallisierte sich Offenburg zur Begegnungsstätte der Demokraten. Bereits im Vorfeld der Revolution kam es hier zu einer ersten Kundgebung im Jahre 1847. In der zweiten Offenburger Versammlung vom 19. März 1848 konnten gemäßigte Kräfte des liberalen Lagers wie Mathy und Welcker im Vorfeld verhindern, dass es bei der Massenkundgebung nicht zur Ausrufung der Republik kam. „Auch Hecker beugte sich in der Erwartung, das Vorparlament werde diesen Schritt für ganz Deutschland vollziehen. So blieb es in der Versammlung bei der Forderung nach einem frei gewählten deutschen Parlament und einer Reihe von Misstrauenserklärungen gegen reaktionäre Beamte und Abgeordnete im Land.“227 Während die zweite Offenburger Versammlung insgesamt gemäßigten Charakter hatte, wollte man in der dritten

226 Bochardt-Wenzel, 2011, S. 99 227 Hug, 2006, S. 123 133

Offenburger Versammlung vom 12. / 13. Mai 1849 Fakten schaffen, indem man die Regierung zum Rücktritt aufforderte, den Landtag auflösen und einen Landesausschuss einrichten wollte, der provisorisch bis zur Neuwahl des Landtages die Regierungsgewalt übernehmen sollte. Somit stellt Offenburg einen zentralen Ort für demokratische Vorkämpfer dar und spielt auf diese Weise eine bedeutende Rolle als Kristallisationspunkt badischer Identität. Als Bundesfestung kam Rastatt eine besondere Rolle zu. Im März 1848 verfassten die Soldaten eine Petition an die Zweite Badische Kammer, in der sie demokratische Rechte für Soldaten forderten. Dies allein stellt schon einen gleichsam revolutionären Akt dar, da das Militär als ausführendes Organ im Regelfall gegenüber der Regierung loyal und Pflicht erfüllend eingestellt war. Eine zentrale Rolle spielte Rastatt erst im Mai 1849, als sich Soldaten und Bürger verbrüderten und gemeinsam für Freiheitsrechte eintraten. Als daraufhin die ersten Soldaten verhaftet wurden, kam es unter den Soldaten zu einer Meuterei, in deren Folge die verhafteten Kameraden befreit wurden. Der herbeigeeilte Kriegsminister Hoffmann konnte mit seinen Offizieren die Befehlsgewalt nicht mehr aufrechterhalten. Die Verantwortlichen der Meuterei verbündeten sich mit den Anführern der badischen Volksvereine, die zu dieser Zeit in Offenburg tagten. Unter dem Eindruck der Geschehnisse floh der Großherzog in das benachbarte Frankreich nach Lauterburg. Die Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung fanden am am 3. Juni 1849 statt. Eine Woche darauf trat das neu gewählte Parlament in Karlsruhe zusammen und Baden avancierte somit zur ersten Republik auf deutschem Boden. Als badische Residenzstadt hat Karlsruhe von Anfang an Bedeutung für die Geschichte der Demokratie in Deutschland. Von hier aus wurde 1818 die freiheitlichste Verfassung im Deutschen Bund erlassen. Diese Verfassung ermöglichte es, demokratisches Leben zu entwickeln. Historischer Ort der Ereignisse war das Ständehaus, in dem der Badische Landtag zu seinen

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Sitzungen zusammentrat. Viele Entwicklungen im Vormärz, aber auch während der Revolution 1848/49 sind nur vom Ausgangspunkt des freiheitlicheren, liberaleren Denkens her verständlich, das hier im Parlament artikuliert wurde. 1849 wurde Karlsruhe Sitz der revolutionären Regierung der einzigen Republik in Deutschland. Noch heute ist Karlsruhe als Sitz des Bundesverfassungsgerichtes und des Bundesgerichtshofs ein geradezu prädestinierter Ort für die Demokratie in Deutschland. Bruchsal war und ist wegen seines Zuchthauses berühmt und berüchtigt. Während der badischen Mairevolution des Jahres 1849 saßen hier etliche politisch Gefangene ein. Gustav Struve und Karl Blind waren die berühmtesten Gefangenen Bruchsals. Zu diesem Zeitpunkt saßen vorwiegend Gefangene ein, die wegen ihrer Beteiligung an den revolutionären Erhebungen zu Haftstrafen verurteilt waren. Mehrheitlich handelte es sich dabei um Soldaten, die sich den Revolutionären angeschlossen hatten. Zur Befreiung der Gefangenen kam es in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 1849, um die Führer der vorigen Revolution in Baden zu befreien. Bruchsal wird somit ebenso wie die anderen Städte zu einem Kristallisationspunkt badischer Identität, da man hier mit geradezu wilder Entschlossenheit für die Befreiung demokratisch gesinnter Politiker eintrat. Damit wird Rastatt zu einem wichtigen, für die badische Identität maßgebenden Ort der Erinnerung. Heidelberg war durch seine Universität ein Zentrum des geistigen und politischen Lebens in Süddeutschland. Die von Georg Gottfried Gervinius, Ludwig Häußler und Karl Mathy ab Juli 1847 herausgegebene „Deutsche Zeitung“ wurde schnell zum Sprachrohr des liberalen Baden und beeinflusste die demokratische Bewegung in ganz Deutschland. Das eigentliche revolutionäre Ereignis, das von Heidelberg während der Märzrevolution 1848 ausging, war eine Versammlung am 5. März 1849 im Badischen Hof. „ In Heidelberg trafen sich 49 führende Liberale, 21 kamen aus Baden.“228

228 ebenda, Hug, 2006, S. 123 135

Dort trafen sich 51, vor allem aus Süddeutschland stammende liberale Politiker. Hinzu kamen einige wohl gesonnene Journalisten. Von hier aus berief man selbsttätig und in revolutionärer Manier ein Vorparlament nach Frankfurt ein. Dieses Vorparlament führte letztlich zur Nationalversammlung. Doch noch überraschender als dieser revolutionäre Akt war die Zustimmung des Deutschen Bundes zur Einberufung des Vorparlaments. Somit steht die Wiege des deutschen Parlamentarismus in Baden – genaugenommen in Heidelberg. Mannheim war der Ausgangspunkt der Märzrevolution von 1848 in Deutschland. Dafür gab es verschiedene Ursachen. Zum einen war Baden damals der liberalste Staat im Deutschen Bund, zum anderen siedelte sich in Mannheim ein intellektuelles, den Gedanken der Aufklärung zugewandtes Bürgertum an. Die prominentesten Vertreter sind sicherlich die beiden in Mannheim tätigen Anwälte Friedrich Hecker und Gustav von Struve. Überzeugt von liberalen Grundanschauungen kämpften sie gegen die Zensur und für die Verwirklichung von umfassenden Grundrechten. Die Bedeutung für die Revolution wird auch bei Hug unterstrichen. „Die Vorgänge in Mannheim wirkten als Signal im ganzen Land. Mannheim war im Vormärz zur Hochburg der Liberalen beider Richtungen geworden, vor allem zum Zentrum der Presse und Agitation.“229 Von hier aus organisierten die beiden Juristen Volksversammlungen und bildeten Volksvereine und vaterländische Vereine, die im ganzen Land zum Vorbild wurden. Abschließend sollte noch angemerkt werden, dass bei der endgültigen Niederschlagung der letzten Verteidigungslinie der Revolutionäre bei Furtwangen und somit auch der Revolution im Sommer 1849 ausgerechnet auch württembergische Regierungstruppen beteiligt gewesen sind. Diese Tatsache verstärkte sicherlich zusätzlich bestehende Ressentiments gegenüber dem mächtigen und größeren Nachbarn im Osten, dem man ohnehin schon misstraute. Somit wurden alle Hoffnungen - zumindest in der Projektion -, die man in die Revolution gesetzt hatte, nicht nur durch die reaktionäre

229ebenda, Hug, 2006, S. 121 136

Obrigkeit, sondern eben auch vom verhassten württembergischen Nachbarn zunichte gemacht. Dabei spielt es für die badische Identitätsstiftung keine Rolle, ob der württembergische Anteil bei der Niederschlagung des Aufstandes wirklich von entscheidender Bedeutung gewesen ist, vielmehr steht hier die Tatsache im Vordergrund, dass sich badische Identität gerade am Widerpart des Württembergischen generiert und aus der Retrospektive gerne die eigene Wahrheit und Geschichte konstruiert wird.

c) Zusammenfassung: Wenn wir den Kampf für Baden in seiner historischen Dimension und unter Berücksichtigung seines früh entstandenen badischen Selbstbewusstseins nun zusammenfassen, so wird man feststellen können, dass dieses frühe Sonderbewusstsein verschiedene Bezugsgrößen beinhaltet, die unter anderem auch in der Zeit des Vormärzes sowie den Ereignissen rund um die Revolution von 1848/49 festzumachen sind. Das frühe badische Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelte sich zu einem nicht unerheblichen Teil am Widerpart des Württembergers, schließlich begann die Staatlichkeit beider Länder mit einer vermeintlichen Ungerechtigkeit seitens Napoleons. Immerhin erhob dieser das Herzogtum Schwaben zum Königreich, während die Markgrafschaft Baden „nur“ zum Großherzogtum avancierte. Eine besondere Rolle für die frühe Entwicklung eines badischen Bewusstseins für Identität spielte die badische Dynastie, insbesondere in der Person Karl Friedrichs (1728-1811). Die Grundsätze der Toleranzidee verfolgend, setzte er konsequent die religiöse und allgemeine geistige Freiheit durch. Dass die Ideen der Aufklärung gerade in Baden auf einen offenbar sehr fruchtbaren Boden fielen, hängt sicherlich mit der doppelten Grenzlage des Landes, zu Frankreich und der republikanischen Schweiz, zusammen. Die Ideen der Freiheit und

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Selbstbestimmtheit stießen in Baden nicht nur auf offene Ohren, sondern sie wurden auch zu deren Realisierung in konkretes Handeln umgesetzt. Hinzu kam, dass eine nicht von der Hand zu weisende Gefahr bestand, seinerzeit zwischen den Mächten aufgerieben zu werden. Somit war der Anschluss Badens an das siegreiche revolutionäre Frankreich nicht nur eine Überzeugungsfrage ideeller Werte, sondern folgte auch um Willen der staatlichen Selbsterhaltung. Der nach französischem Vorbild erfolgte Staats- und Verwaltungsaufbau trug entscheidend dazu bei, dass Territorien sehr unterschiedlicher Tradition, die durch den napoleonischen Länderschacher, der das badische Staatsgebiet erheblich vergrößert hatten, schneller als erwartet zu einer Art inneren Einheit gefunden hatten. Von wesentlicher Bedeutung war an dieser Stelle die Einführung des Code Civil in modifizierter Form, der im Zusammenhang mit der Verfassung von 1818 dem badischen Volk staatsbürgerliche Rechte eingeräumt hatte und somit eine Identifikation des Volkes mit dem neuen Staatswesen förderte. Auch wenn die Einführung der, seinerzeit liberalsten Verfassung auf dem Gebiet des Deutschen Bundes, als Herrschaftsinstrument eingesetzt wurde, bleibt die Identität stiftende Wirkung dennoch unbestritten. Rechtsstaatlichkeit war in Baden durchaus eine Handlungsmaxime politischen Handelns gewesen. Auch im Sinne der Protestkultur nahm Baden eine Vorreiterfunktion ein. Immerhin widersetzte man sich in Baden gegen das Verbot der Presse- und Versammlungsfreiheit, das im Zuge der Karlsbader Beschlüsse von 1819 anderswo konsequent durchgesetzt wurde. Von der Zeit des Vormärzes ausgehend, lässt sich ein roter Faden des politischen Widerstands und damit einhergehend eine entsprechende Kultur des Protests nicht nur bis in die jüngere Vergangenheit, sondern auch bis in die Gegenwart ziehen. An dieser Stelle sei beispielsweise an den erfolgreichen Protest der 1970er Jahre gegen das geplante Atomkraftwerk in Wyhl am Kaiserstuhl oder auch an den jüngsten Streit um den geplanten Tiefbahnhof in Stuttgart seit 2010, erinnert.

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Der dem badischen Volk mitunter (z.T. auch selbst) zugeschriebene revolutionäre Charakter findet seinen Anknüpfungspunkt nicht zuletzt in den revolutionären Geschehnissen in Baden während der Deutschen Revolution von 1848/49. An dieser Stelle sind die beiden prominentesten Vertreter der badischen Revolution, nämlich Friedrich Hecker und Gustav von Struve zu erwähnen, deren Handeln und Wirken bis in die Gegenwart hinein ihren Nachhall, z.B. in Form des betriebenen Heckerkultes, findet. Die nachträgliche Glorifizierung des Heckerzuges stellt das faktische Scheitern dieses Unternehmens letztlich in den Hintergrund. Heinrich Hauß urteilt über den Hecker-Mythos folgendermaßen: „Was ihn berühmt, berüchtigt, aber auch beliebt gemacht hatte, war ein Zuviel an Übermut und Ungehaltenheit, war der Rigorismus, mit dem er sich sebst zum tugendhaften Bürger disziplinierte, war schließlich aber auch seine Fähigkeit, das Herz auf der Zunge zu tragen und geradeheraus zu sagen, wonach ihm der Sinn stand. Es war vor allem aber wohl jene für einen Volkshelden unverzichtbare Mischung aus Sinnlichkeit und Verstand, (…)“230 Demgegenüber steht der bereits erwähnte andere Zugang zur Fundierung des Bewusstseins badischer Identität über die Tatsache, dass die Mehrheit des badischen Volkes den Revolutionären die Unterstützung und Gefolgschaft verweigerte und sich eher für den friedlichen und gewaltfreien Weg zur Durchsetzung politischer Veränderungen entschied. Ob dies aus Überzeugung demokratischer Gepflogenheiten, aus Feigheit oder aus Angst vor staatlicher Repression geschah lässt sich rückblickend schwer beantworten. Sicher ist aber, dass man neben dem revolutionären Zugang zu einem Bewusstsein badischer Identität auch den nicht revolutionären Ansatz zumindest in Betracht ziehen sollte. Dieser nicht revolutionäre Zugang zu einem Bewusstsein badischer Identität spielt gerade in der Gegenwart eine wichtige Rolle in der Entstehung neuer Traditionen eines badischen Selbstverständnisses. Der Geist der

230 Hauß, Freiburg, 2011, S. 356 139

Aufklärung und das daraus resultierende revolutionäre Verhalten in Baden konzentrierte sich nicht allein auf ein einziges Zentrum, sondern erstreckte sich durch das gesamte Großherzogtum von Konstanz und Lörrach im Süden bis nach Heidelberg und Mannheim im Norden. Dieser immer wieder in Erscheinung tretende Widerstand gegen Obrigkeiten wird bis zum heutigen Tage als Bestandteil badischer Identität offenkundig und stellt somit einen Teil badischen Selbstbewusstseins dar. Nach der bishierhin vollzogenen Suche nach Kristallisationspunkten badischer Identität in der Vergangenheit des 19. Jahrhunderts soll im nachfolgenden Abschnitt der Zeitraum vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum Jahre 1970 untersucht werden. Die Zeit der Vierteilung des Landes (1948-1952), aber auch die Gründung Baden-Württembergs 1952, die quasi eine Vereinigung auf Verdacht darstellte war vor allem auch von der Person Leo Wohlebs geprägt, der wie kaum ein anderer für die Selbständigkeit Badens kämpfte.

2. Ökonomie in Baden und Württemberg Wenn heute vom „Musterländle“ die Rede ist, dann weiß jeder, was damit gemeint ist und wo dieses zu finden ist. Mit diesem Prädikat schmückt sich heute das 1952 geschaffene Bundesland Baden-Württemberg. Weniger bekannt ist die Tatache, dass sich die Bezeichnung des „Musterländles“ ursprünglich im 19. Jahrhundert auf den badischen Landesteil, genaugenommen auf das Großherzogtum Baden bezog. Baden war zu dieser Zeit Württemberg gegenüber ökonomisch überlegen und galt als vorbildhaft, nicht nur im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung. Die wirtschaftliche Überlegenheit Badens endete nach dem Ersten Weltkrieg. Dieser stellte in Baden eine besondere Zäsur, auch in Sachen ökonomischer Entwicklung, dar. Baden erwies sich in den von Krisen gebeutelten frühen und späten Zwanzigerjahren der Weimarer Republik als besonders anfällig im Vergleich zu seinem württembergischen Nachbarn.

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Baden wurde in dieser Zeit von Württemberg nicht nur ökonomisch eingeholt, sondern sogar überholt. Durch die Ereignisse und Folgen des Ersten Weltkriegs geriet Baden im Vergleich mit Württemberg ökonomisch ins Hintertreffen. Das bis auf den heutigen Tag in Baden existierende Gefühl einer wirtschaftlichen Benachteiligung gegenüber Württemberg, erklärt sich daher nicht allein aus den Geschehnissen rund um die Auseinandersetzungen um die Landesgründung des Jahres 1952 und den Folgejahren bis zum Plebiszit des Jahres 1970. Das Gefühl einer Zurücksetzung ist somit schon deutlich älter als das Bundesland selbst. Natürlich haben die Querelen im Zusammenhang mit der Landesgründung, das bereits latent vorhandene Gefühl der Benachteiligung zusätzlich verstärkt, da es dabei natürlich auch um viel weitreichendere Fragen, wie etwa die der politischen Selbständigkeit, ging. Der badische Vorwurf, die Stuttgarter Landesregierung bevorzuge den württembergischen Landesteil und insbesondere den mittleren Neckarraum, ist zumindest aus wirtschaftspolitischer Sicht, zumindest für die Zeit von der Landesgründung 1952 bis zum badischen Plebistzit von 1970, nicht haltbar. Dennoch fürchtet man in Baden bis auf den heutigen Tag eine Benachteiligung seines Landesteils. Die permanente Sorge, vor allem vor einer ökonomischen Benachteiligung, wird regelmäßig und im Besonderen von der „Landesvereinigung Baden in Europa“ formuliert. Seit langem warnt die Landesvereinigung vor einer Zentralisierung der Landespolitik, gerade wenn es um die wirtschaftliche Entwicklung und Förderung des Landes geht. Dahingehend äußerte sich deren Vorsitzender Robert Mürb gegenüber dem Südkurier.231 „ Das Bahnprojekt Stuttgart 21 (…) sei auch eine Bedrohung des Schienenverkehrs jenseits der Ballungsräume. Es sei abzusehen, dass bald schon immer weniger Mittel dort ankommen. (…) Das ländlichere Baden hinke bei den Mittelvergaben in einigen Bereichen hinter dem Württembergischen hinterher.“232 Mit vergleichbarer Intention äußert sich auch der Chef der südbadischen CDU, Andreas Jung: „ In der Prioritätenliste 1 ist

231 Südkurier Nr. 291, vom 15. Dezember 2012 232 Köhler, Die Sorge vor dem Ausbluten, in: Südkurier Nr. 291, vom 15. Dezember 2012, S. 3 141 kein einziges Projekt aus Südbaden dabei. (…) Wir müssen darauf achten, dass unsere Region nicht abgehängt wird.“233 Nachfolgend sollen die Vorzüge und Nachteile der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und deren Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert in Baden und Württemberg in ihren groben Zügen aufgezeigt werden. Hierzu ist es notwendig, dass man auch die Mentalität der Menschen und ihre religiöse Prägung in beiden Ländern beleuchtet, da beide Faktoren in einer gewissen Wechselwirkung zueinander stehen und einander beeinflussen. Der Standort Baden erwies sich für eine rasche wirtschaftliche Entwicklung zunächst einmal aufgrund naturgegebener sowie mentalitätsspezifischer Merkmale als günstiger gegenüber den Startbedingungen in Württemberg. Kennzeichnend für Württemberg war ein kontinuierliches wirtschaftliches Hinterherhinken im 19. Jahrhundert. Württemberg war agrarisch geprägt, verfügte über nahezu keine Rohstoffe und lag darüber hinaus auch fernab der großen Handelswege seiner Zeit. Hinzu kamen eine durch Erbteilung bedingte Zerstückelung der Besitzverhältnisse. Während in Württemberg deutliche Skepsis gegenüber der einsetzenden industriellen Entwicklung vorherrschte, verzeichnete Baden eine kontinuierliche und dynamische Entwicklung. Beispielhaft kann hier die Entwicklung der Eisenbahn angeführt werden. „ Als auf dem (württembergischen) Landtag von 1842/43 der Eisenbahnbau auf die Tagesordnung gesetzt wurde, hatte Bayern bereits 65 km und Baden 19 km Bahn gebaut.“234 Die in Württemberg vorherrschenden Vorbehalte gegenüber der Eisenbahn erklären sich vorwiegend aus der mentalitätsgeschichtlichen Prägung. Zweifel an allem Neuen und mangelnde Offenheit für neue technische Entwicklungen sowie mangelnde Bereitschaft zur Modernisierung waren hier kennzeichnend. Ideologische Vorbehalte führten dazu, dass die Entwicklung der Infrastruktur nur zögerlich vorankam. Vor allem die Groß- und Schwerindustrie kam in Württemberg nur schleppend voran. „ Bis weit in die vierziger Jahre (des

233 ebenda, Köhler, 2012, S. 3 234 Vgl. Scharfe, Kaschuba, Lipp, 1977, S. 45, zitiert nach Koziol, 1987, S. 73 142 letzten Jahrhunderts) herrschte in Württemberg die Meinung vor, dass Württemberg ein Agrarstaat sei und dies auch bleiben müsse.“235 Hingegen beruhte Badens beispielgebende und vorbildhafte Funktion der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem auf der sozialen und religiös stärkeren Heterogenität des Landes, bei zusätzlich günstigeren natürlichen Rahmenbedingungen. „ (…) so scheint doch das, was in der ersten Jahrhunderthälfte (des letzten Jahrhunderts) als typisches Erscheinungsbild der Industrie angesprochen wurde, sich in Baden stärker und früher herausgebildet zu haben als in Württemberg.“236 Auch um die Jahrhundertmitte befand sich Baden in einem Zustand industriell-technischer Entwicklung, wie ihn Württemberg bis dato nicht kannte. In Baden war man gegenüber technischen Neuerungen im Zuge der Industrialisierung erheblich offener und zugewandter als in Württemberg. Zusätzlich wirkten sich die besseren Transportwege in Baden für eine rasche industrielle Entwicklung positiv aus. Mentalitätsbedingte Skepsis gegenüber wirtschaftlichem Wachstum wirkte hier, anders als in Württemberg, nicht als Hemmschuh. Der Mut in ökonomischen Fragen neue Wege einzuschlagen, zahlte sich für Baden aus. Die Weichen für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik waren gestellt und Baden wurde rasch zum „Musterländle“. „Das Großherzogtum Baden war vor dem Ersten Weltkrieg einer der hochindustrialierten Bundesstaaten des Deutschen Reiches, nur etwa ein Drittel der Bevölkerung (1907) lebte noch von der Landwirtschaft.“237 Die sehr schnelle wirtschaftliche Entwicklung in Baden, die das Großherzogtum zum „Musterländle“ werden ließ, erwies sich allerdings in Krisenzeiten als wenig stabil und überaus anfällig. Somit stellte das Ende des Ersten Weltkriegs die badische Wirtschaft vor massive Schwierigkeiten, während Württemberg weitaus besser gewappnet und anpassungsfähiger war gegenüber wirtschaftlichen Krisenerscheinungen. Die in Württemberg im Zuge der

235 Vgl. Wauschkuhn, 1977, S. 15f, zitiert nach Koziol, 1987, S. 74 236 Vgl. Winkel, 1983, S. 20, zitiert nach Koziol, 1987, S. 149 237 Vgl. Schäfer, 1983, S. 359, zitiert nach Koziol, 1987, S. 150 143

Industrialisierung langsamer angelaufene Modernisierung der Wirtschaft, erwies sich in wirtschaftlichen Krisen als stabiler und eher in der Lage, die schlimmsten Folgen von Wirtschaftskrisen abzufedern. Was in Baden durch seine Grenzlage zu Frankreich zusätzlich erschwerend hinzukam, waren die Folgen des Versailler Vertrages. So musste Baden immense Reparationsleistungen erbringen. Außerdem blieb eine entmilitarisierte Zone von den Franzosen besetzt gehalten. Dies verringerte zwangsläufig die Investitionsbereitschaft von Unternehmern. In Baden versäumte man es, die wirtschaftswichtigen Prozesse an die durch den Versailler Vertrag entstandenen veränderten und erschwerten Rahmenbedingungen anzupassen. Anders war die Situation in Württemberg. „Die langsam angelaufene Diversifizierung und Modernisierung seiner Industrie begann sich (gerade in der Zeit der Weltwirtschaftskrise) auszubezahlen. (…) Hohe Flexibilität der Klein- und Mittelbetriebe, regionale Steuerung und Einbindung in ein agrarisches Umfeld sicherten (in Württemberg) Rückzugspositionen, die sich in Krisenzeiten als stabilisierend erwiesen.“238 In Baden dagegen waren unflexible Wirtschaftsstrukturen in der Industrie zu erkennen, die es in den Krisenjahren gegen Ende der Weimarer Republik und zu Beginn der dreißiger Jahre nicht erlaubten adäquat auf die Wirkungen der Weltwirtschaftskrise zu reagieren. „ Ende Januar 1933 kamen auf tausend Einwohner im Reich etwa 92 Arbeitslose, in Württemberg 50 und in Baden 76. Die Arbeitslosenquote erlangte zwar in Baden nicht die Höhe anderer deutscher Länder, doch hatte das einstige „Musterländle“ nun ein Heer von Arbeitslosen zu verzeichnen.“239 Zum besseren Verständnis der unterschiedlichen Mentalitäten in beiden Ländern ist auch ein Blick auf die religiöse Ausrichtung lohnenswert. Baden war mit Beginn seiner Staatlichkeit im 19. Jahrhundert ein überwiegend katholisch geprägtes Land - allerdings nicht vergleichbar mit der religiösen Homogenität Württembergs. Baden war und ist bis heute in konfessioneller Hinsicht ein

238 Vgl. Winkel, 1983, S. 26/27, zitiert nach Koziol, 1987, S. 150/151 239 Koziol, 1987, S. 151 144

Fleckenteppich. Schon die Gebiete der früheren Markgrafschaft waren nicht homogen und die zahlreichen Gebietszugewinne im Zuge der napoleonischen Flurbereinigung brachten sowohl katholisches als auch protestantisches Terrain hinzu. Von der Industrialisierung profitierten vor allem die Städte, die mehrheitlich protestantisch geprägt waren, während die Katholiken mehrheitlich auf dem Land lebten und somit vom industriellen Aufschwung nicht profitierten. Es überrascht daher nicht, dass sich ein Gegensatzbewusstsein zwischen Stadt und Land entwickelte und konfessionell verstärkte. Da Baden seine Staatlichkeit Napoleon verdankte, fehlt ihm auch ein historisch gewachsener originärer Zusammenhalt. Lothar Gall erklärt dies folgendermaßen: „Wirkten in den anderen Staaten (bei der Neuordnung im Gefolge der Französischen Revolution und der napoleonischen Kriege) die Traditionen der Kernlande bewußt oder unbewußt immer noch mit und drückten so mancher der Reformen doch ihren Stempel auf, so konnte in Baden hiervon kaum die Rede sein. Baden hatte nicht nur, gemessen an seinem ursprünglichen Umfang, den größten Zuwachs an Bevölkerung und Gebieten erhalten – es vereinigte auch die heterogensten Elemente in dem neuen Staatswesen.“240 Äußere Rahmenbedingungen stellten Baden vor die außerordentlich schwierige Aufgabe, aus ganz heterogenen Gebieten, eine Einheitlichkeit und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit in Baden zu schaffen. Zusätzlich mussten zunächst die beiden sehr unterschiedlichen Kernlande, der eher rückständigen kathlolischen Linie Baden-Baden und der protestantischen, reformzugewandteren Linie Baden- Durlachs, zueinanderfinden. Eine Folge dieser Ausgangsbedingungen war es, „(dass) der Badener gezwungen war, seine Handlungsmuster eher aus überregionalen Orientierungen zu beziehen (…) Die Freisinnigkeit der Verfassung von 1818 wie auch später die revolutionären Bewegungen waren zum einen Importware und wurden zum andern schon immer als Schaufensterpolitik für andere Länder verstanden.“241

240 Vgl. Gall, 1968, S. 6f., zitiert nach Koziol, 1987, S. 116 241 ebenda, Koziol, 1987, S. 117 145

Doch nun zurück zu den unterschiedlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen beider Länder und deren wirtschaftlicher Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert. Auf Grund des Rohstoffmangels in Württemberg entstand hier zunächst auch kein wirtschaftlicher Ballungsraum, was insgesamt zu eher dezentralen ökonomischen Strukturen führte, die sich wiederum für Württemberg nach dem Ende des Ersten Weltkriegs als vorteihaft erweisen sollten. „(Alt-) Württemberg hatte kein dezidiertes „Ruhrgebiet“, sprich Wirtschaftszentrum, hat aber auch kein „württembergisch Sibirien“ (…) Die Zentren des industriellen Aufschwungs waren der Stuttgarter Raum, die alten Reichsstädte im Neckartal (Reutlingen, Eßlingen, Heilbronn) und der Raum zwischen Göppingen, Heidenheim und Ulm. (…) Aus diesem Grund konnte keine dominierende Schwerindustrie entstehen, vielmehr wies die handwerkliche Tradition in Württemberg der wirtschaftlichen Entwicklung in Richtung Spezialindustrie die Bahn. Dies gab unter anderem dafür den Ausschlag, daß Württemberg die Wirtschaftskrisen unseres Jahrhunderts relativ gut überstand. So gesehen war die Gereimtheit in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (keine dominierende Großindustrie, keine bevorzugte Wirtschaftsregion) auch ein Grund für das spätere Gewappnet-Sein gegen den wirtschaftlichen Zusammenbruch in der Weimarer Republik.“242 Ebenso spielte die weitgehend homogene Konfessionalität in Württemberg eine wichtige Rolle. Somit mag es zwar in Württemberg einfacher gewesen sein, ein geschlossenes staatliches Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln, andererseits bremste die Einheitlichkeit in Sachen Mentalität den industriellen Aufschwung, so dass Württemberg im Vergleich zu Baden lange Zeit das Nachsehen hatte. Erst die ökonomischen und politischen Folgen des Ersten Weltkriegs, mit denen Württemberg aus den dargestellten Gründen besser zurecht kam, führten dazu, dass Baden in ökonomischer Hinsicht allmählich zurückfiel und Württemberg

242 ebenda, Koziol, 1987, S. 34 146 die Nase vorn hatte. Die bis heute existierende und zu gegebenen Anlässen immer wieder geäußerte badische Sorge einer wirtschaftlichen Benachteiligung gegenüber dem württembergischen Landesteil ist folglich schon deutlich älter als das Bundesland Baden-Württemberg selbst. Das in Baden oft erlebte Gefühl einer, wie auch immer gearteten Benachteiligung, scheint historisch bedingt und erklärbar zu sein. So kommt etwa Wolfram Fischer zu nachfolgender Einschätzung: „ Immer wieder geht gerade aus den Landtagsdebatten ein politischer Minderwertigkeitskomplex hervor, der ursprünglich in der Unsicherheit der napoleonischen Schöpfung gegründet haben mag, (…) und zu einem konstitutiven Faktor der badischen Geschichte wurde. (…) Es ist nicht einfach Heimatstolz, der sich darin ausspricht, sondern ein Gefühl der Unzulänglichkeit, der Furcht, nicht ganz ernstgenommen zu werden. Die Steigerung der Verfassungsfragen (man denke an die Verfassung von 1818 oder die juristischen Streitigkeiten im Zuge der Landesgründung von 1952) bis zu ihrer letzten Konsequenz scheint daher auch z.T. in dem Bedürfnis begründet gewesen zu sein, der Umwelt zu zeigen, daß man hier etwas Besonderes darstelle, daß Baden im europäischen Konzert nicht die letzte Geige spiele.“243

3. Leo Wohleb Leo Wohleb war ein glühender Anhänger des alten Landes Baden, das 1945 geteilt worden war und für dessen Wiederherstellung er sich als Staatspräsident von (Süd-)Baden hartnäckig eingesetzt hatte. Als Kämpfer für Baden hat sich in Form einer Erinnerungsleistung um seine Person ein wichtiger Kristallisationspunkt für die badische Identität gebildet. Er ist als entschiedenster Gegner der Vereinigung der einstigen drei Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern in Erscheinung getreten

243 Vgl. Fischer, 1972, S. 93, zitiert nach Koziol, 1987, S. 118 147 und hat sich somit - wie kaum ein anderer - für fundamentale badische Interessen eingesetzt. Als entschiedener Demokrat steht Leo Wohleb als Staatspräsident und Minister des damaligen Landes Baden auch für den politischen Neuanfang und Wiederaufbau. Er war Gründungsvorsitzender der Badisch Christlich-Sozialen Volkspartei (BCSV), die später in CDU Baden umbenannt wurde und das politische Leben Südbadens prägte. Als überzeugter Föderalist war er als einer der elf westdeutschen Ministerpräsidenten an der Gründung der Bundesrepublik beteiligt. Nach der Gründung des Landes Baden- Württemberg schied Wohleb im Mai 1952 aus seinem Amt. Einige Monate später ging er als Erster Gesandter der Bundesrepublik ins Ausland nach Portugal. Leo Wohleb wurde im Dreikaiserjahr 1888 am Sedanstag in Freiburg im Breisgau geboren. Mit zwei jüngeren Geschwistern wuchs er in der Freiburger Altstadt auf. Sein Vater war Buchhalter und arbeitete als Büroleiter einer Rechtsanwaltskanzlei. Trotz der protestantischen Dominanz im Kaiserreich etablierte sich im Großherzogtum Baden ein starkes katholisches Milieu. „In diese in Freiburg, dem katholischen Vorort des Großherzogtums und Sitz des für Baden zuständigen Erzbischofs, besonders stabile und mit hoher innerer Bindungskraft ausgestattete katholische Lebenswelt wurde der kleine Leo als erstes Kind des Joseph Wohleb (1861-1927) und seiner Ehefrau Louise, geb. Streicher (1858-1933), hineingeboren.“244 Die Erziehung Wohlebs war folglich geprägt vom katholischen Glauben der Familie. Nach dem Besuch der Volksschule wechselte er an das Freiburger Berthold- Gymnasium. 1907 legte er dort sein Abitur ab. „Unter den 58 Abiturienten war er einer der Jüngsten und Jahrgangsbester, so dass er die Abschlussrede halten durfte.“245 „ Sein Thema „Caesar, Cromwell und Napoleon im Zeichen von Carleyles` Heldenverehrung“ entsprach seinen philologischen und historischen Neigungen und bewegte sich innerhalb des konventionellen humanistischen Bildungskanons. (…) Alle ausgewählten Persönlichkeiten waren wie Wohleb

244 Hochstuhl, 2009, S. 10/11 245 Wöhrle, 2008, S. 42 148 klein von Gestalt, doch ausgestattet mit einer großen Energie und einem gesunden Ehrgeiz, was auch den jungen Abiturienten in den kommenden Jahren charakterisieren sollte.“246 Prägenden Einfluss auf Wohleb nahm auch der Freiburger Stadtpfarrer und Heimatschriftsteller Heinrich Hansjakob. „Dieser Rebell im Priesterrock besaß Eigenschaften, die prägend für den jungen Wohleb werden sollten.“247 Leo Wohleb studierte in Freiburg und Greifswald. „Aufgrund seines philosophischen, sozialpolitischen und volkswirtschaftlichen Interesses legte er sein Studium eher breit gefächert an und nicht konkret auf ein bestimmtes Berufsziel hin aus. Daher belegte er anfänglich die Fächer Archäologie, Bibelforschung und Patrologie.“248 Erst später entschloss er sich Gymnasiallehrer zu werden und belegte die Fächer Griechisch und Latein, sowie Germanistik im Nebenfach. Auffallend ist, dass Wohleb während seiner Studienzeit entgegen dem Zeitgeist niemals einer studentischen Verbindung angehörte. Da er seit dem Wintersemester 1907/1908 in seiner Heimatstadt Freiburg studierte, lebte er weiterhin bei seinen Eltern. Darin könnte ein Grund für seine Nichtmitgliedschaft liegen. „Aber auch die Ablehnung des Nationalliberalismus im katholischen Milieu Freiburgs war wohl ein weiterer Grund für das distanzierte Verhältnis zu vielen Verbindungen.“249 Wohleb interessierte sich während seines Studiums besonders für soziale Fragen, so dass sich „ aus den Teilnehmern volkswirtschaftlicher Vorlesungen ein „sozialer Zirkel“ Gleichgesinnter bildete, der sich nicht nur mit der Funktionsweise der Wirtschaft und dem Verhältnis von Kapital und Arbeit beschäftigte, sondern auch Kontakt mit Arbeitern der freien und christlichen Gewerkschaften suchte und sich bei Fabrikbesichtigungen ein eigenes Bild von der sozialen Wirklichkeit machte.“250 Initiator dieses Zirkels war Wohleb, doch als Vorbild fungierte bei der Priester Carl Sonnenschein. „In seiner Bewunderung für Carl

246 ebenda, Hochsstuhl, 2009, S. 14 247 ebenda, Hochstuhl, 2009, S. 12 248 Schadek, Ilgen, Scherb, 2002, S. 19 249 ebenda, Wöhrle, 2008, S. 42 250 ebenda, Hochstuhl, 2009, S. 17 149

Sonnenschein traf sich Wohleb übrigens mit Gebhard Müller, seinem späteren Mitstreiter und Kontrahenten in der Nachkriegsszeit, mit dem ihm trotz aller Differenzen in der Südweststaatsfrage weit mehr verband als nur das gemeinsame Parteibuch. Ihrer beider Grunderfahrungen im katholischen Milieu, ihre geistigen Wurzeln in der katholischen Soziallehre, ihre natürliche und keinesfalls als Mittel zum Zweck praktizierte Volksverbundenheit schufen gegensseitiges Vertrauen und eine zudem durch persönliche Sympathie geprägte Verständigungsebene.“251 Nach erfolgreichem Staatsexamen 1912 absolvierte er sein Probejahr an seiner alten Schule, dem Berthold-Gymnasium. An den Gymnasien in Lörrach und Donaueschingen leistete er zusätzlich Vertretungsstunden und absolvierte diverse Praktika. Im Oktober 1913 kam er als Lehramtspraktikant an das Gymnasium in Bruchsal. „Der Schriftsteller Emil Belzner, Schüler Wohlebs in Bruchsal, berichtet gar von einer Aura, die diesen „grundgütigen Menschen“ schon nach kurzer Zeit umgab. Die Schüler spürten seine Zuneigung und die Aufmerksamkeit, die er ihnen widmete, schätzten seinen offenen Umgang mit ihnen im Unterricht, der sich methodisch wohltuend von der sturen Paukerei vieler Kollegen unterschied und der Begeisterung zu wecken verstand an der Bildung, am Wissen, am Erfahren an sich.“252 „Darüber hinaus zeigte er sich sehr engagiert und organisierte 1916 ehrenamtlich die Milch- und Eierversorgung der Stadt Bruchsal und leitete die Kontrollstelle für Fleischversorgung. Seine guten Leistungen sowohl als Lehrer als auch darüber hinaus blieben auch dem Unterrichtsministerium in Karlsruhe nicht verborgen, so dass er während des Krieges im Sommer 1918 als Sekretär ins Ministerium versetzt wurde.“253 1920 kehrte Wohleb in den aktiven Schuldienst zurück und wurde schon bald darauf zum Gymnasialprofessor befördert. Durch seine Tätigkeit am

251 ebenda, Hochstuhl, 2009, S. 17/18 252 ebenda, Hochstuhl, 2009, S. 21/22 253 ebenda, Schadek, Ilgen, Scherb, 2002, S. 21 150 angesehenen Freiburger Berthold-Gymnasium gehörte Wohleb zu den Honoratioren der Stadt. „Er verfasste wissenschaftliche Abhandlungen und gab eine Lateingrammatik heraus, die viele Jahre zu den Standardwerken an badischen Gymnasien zählte. Des Weiteren engagierte er sich in Vereinen und wurde Mitglied der Paneuropa-Bewegung, die als europäische Einigungsbewegung 1923 von Nikolaus von Coudenhove-Kalergi gegründet worden war.“254 Der katholischen Zentrumspartei stand Wohleb nahe, vor allem dem sozialen Flügel der Partei fühlte er sich verbunden, ohne jemals Mitglied der Partei gewesen zu sein. „Josef Schofer, Zentrumspolitiker, wurde vor allem nach 1918 als Führer des badischen Zentrums zu einer der wichtigsten Figuren der Landespolitik. (…) Er hatte vor allem einen guten Ruf als Sozialpolitiker, der auf den Grundlagen des Christentums argumentierte.“255 Die Persönlichkeiten Sonnenschein, Hanjakob und Schofer blieben für Wohleb zeitlebens prägend und hatten auch auf Wohlebs Sozialisation maßgeblichen Einfluss. Wie Wohleb, „besaßen alle drei große Popularität und Charisma. Hansjakob und Schofer waren volkstümlich und tief verwurzelt in ihrer badischen Heimat. Sonnenschein und Schofer bemühten sich besonders um soziale Anliegen. (…) Alle drei wraen katholische Priester. Die Bewunderung Wohlebs für diese Männer ist auch Ausdruck seiner Sozialisation im katholischen Milieu.“256 Nach sechsjähriger Tätigkeit an der Universität Freiburg wurde er 1930 zum Direktor des Gymnasiums in Donaueschingen ernannt. In seinen öffentlichen Reden bekannte er sich zur Demokratie und den Werten der Weimarer Republik. „ In den Sommerferien 1931 ereilte ihn der Ruf nach Karlsruhe, wo er Referent für Alte Sprachen in der Abteilung für Höherer Schulen wurde.“257

254 Landeskunde Baden-Württemberg, Menschen aus dem Land, Leo Wohleb 1888-1955, Landeszentrale für politische Bildung 11/2008 255 ebenda, Wöhrle, 2008, S. 45 256 ebenda, Wöhrle, 2008, S. 46 257 ebenda, Hochstuhl, 2009, S. 31 151

In der NS-Zeit wechselte er zwischen Anpassung und Opposition. „Wohleb suchte, trotz innerer Distanz zur neuen Staatspartei, den Weg des Arrangements. Den von den höheren Ministerialbeamten erwarteten Schritt eines Parteibeitritts konnte er – vielleicht unter Ausnutzung der am 19. April 1933 verhängten Aufnahmesperre – umgehen. Die Beitritte zum NS-Lehrerbund im Jahre 1934, 1937 dann zum Reichskolonialbund und Reichsluftschutzbund, waren aus seiner Sicht notwendige Konzessionen, um persönliche und berufliche Nachteile zu vermeiden.“258 Nach einer Auseinandersetzung mit dem Gauleiter Robert Wagner wurde Wohleb 1934 beurlaubt und vom Dienst suspendiert. Wohleb gelang es allerdings mit Hilfe seines direkten Vorgesetzten, sich nach Baden- Baden als Direktor an das dortige Gymnasium versetzen zu lassen. Wohleb hielt sich in den folgenden Jahren mit politischen Meinungsaüßerungen weitgehend zurück. „In allen Untergliederungen der Partei fungierte er lediglich als Beitragszahler, besaß weder Ämter noch trat er aktiv in Erscheinung. Nach außen allerdings übernahm er die offiziellen Sprachregelungen über die Bedeutung des mit dem 30. Januar eingetretenen Systemwechsels, besonders dann, wenn er bei offiziellen Anlässen in Vertretung des Kultusministers auftrat.“259 Als einer der wenigen Gymnasialdirektoren in Baden war Wohleb kein Mitglied der NSDAP. Aufgrund seines christlichen Grundverständnisses und seiner humanistischen Bildung lehnte er den Nationalsozialismus ab. „Durch den ihm wohl gesonnenen direkten Vorgesetzten im Ministerium wurde Wohleb ab 1938 in seinen kritischen Äußerungen mutiger. Auch im Unterricht schlug er zuweilen regimekritische Töne an. Wohleb soll die Schüler 1939 sogar in einem Erdkundebuch diejenigen Dinge durchstreichen lassen, welche er für falsch erachtete.“260 Nach dem Krieg wurde Wohleb, da er politisch unbelastet war, in die im Wiederaufbau befindliche badische Kultusverwaltung in Karlsruhe geholt. „Er

258 ebenda, Hochstuhl, 2009, S. 34/35 259 ebenda, Hochstuhl, 2009, S. 35 260 ebenda, Landeskunde Baden-Württemberg, 11/2008 152

übernahm die Leitung für Kultus, Hochschulen und Künste und wurde in kurzer Zeit stellvertretender Leiter der Behörde. Da die ursprünglich französisch besetzte badische Landeshauptstadt der amerikanischen Besatzungszone zugeschlagen wurde, musste Wohleb mit einem Großteil seiner Behörde nach Freiburg umziehen. In Freiburg etablierte sich eine für das französisch besetzte südliche Baden zuständige Landesverwaltung.“261 Nach der Wiedergründung politischer Parteien wurde Wohleb am 20. Dezember 1945 zum Vorsitzenden der Badisch Christlich-Sozialen Volkspartei gewählt und im Februar 1946 auf dem ersten Landesparteitag bestätigt. Er genoss großes Vertrauen beim Freiburger Erzbischof und durch seine berufliche Tätigkeit auch das der französischen Besatzungsmacht. Politisch galt er als nicht sonderlich exponiert, wodurch er quasi ideale Voraussetzungen für das Amt des Parteivorsitzenden mitbrachte. „ Dass der bis dahin politisch kaum in Erscheinung getretene Hochschulreferent der badischen Landesverwaltung, Leo Wohleb, als ihr erster Voritzender auserkoren wurde, musste selbst Insider überraschen.“262 Es war vermutlich gerade seine unbelastete Vergangenheit, die ihn zum Vorsitz der Partei prädestinierte. Diejenigen, die in Wohleb lediglich einen Übergangsvorsitzenden sahen und ihn für eine schwache und leicht zu beeinflussende Persönlichkeit hielten, konnte er in der Folgezeit eines Besseren belehren. „ Als Vorsitzender der BCSV hatte er die Chance, seine eigenen Vorstellungen in die neue Partei einzubrigen und die verschiedenen überkonfesssionellen Gruppierungen in Südbaden unter das Dach der neuen Landespartei zu führen. Dazu hatte Wohleb auf dem ersten Landesparteitag, am 24. Februar 1946 im Historischen Kaufhaus in Freiburg Gelegenheit(…).“263 Die BCSV war als bewusst badische Partei in Leben gerufen worden. Die Gemeinderats- und Kreistagswahlen 1946 gewann die BCSV landesweit mit der absoluten Mehrheit der Stimmen. Die französische Militärregierung erlaubte zur

261 ebenda, Landeskunde Baden-Württemberg, 11/2008 262 ebenda, Hochstuhl, 2009, S. 68 263 ebenda, Wöhrle, 2008, S. 148 153

Ausarbeitung einer Verfassung die Einberufung einer Beratenden Landesversammlung, die auf Grundlage des Wahlergebnisses der Kommunalwahlen zusammengesetzt war. „Die BCSV konnte 37 von 61 Abgeordneten entsenden“ und bestimmte somit die Verfassungsarbeit maßgeblich. Wohleb wurde sogleich in der ersten Sitzung am 22. November 1946 zum Präsidenten der Beratenden Landesversammlung gewählt. Dieses Amt übte er allerdings nur wenige Tage aus, da er von der französischen Militärregierung bereits am 2. Dezember 1946 zum Präsidenten des Staatssekretariates ernannt wurde. Dabei handelte es sich um eine Art vorläufige südbadische Landesregierung, welche eine Allparteienregierung darstellte.“264 Darüber hinaus übernahm Wohleb die Leitung der Kultusverwaltung. Das französisch besetzte Südbaden erhielt im Vergleich zu den anderen Ländern erst sehr spät den Status eines Landes verliehen, da die französische Besatzungsmacht lange darauf hoffte, mit den Amerikanern Südwürttemberg gegen Nordbaden zu tauschen. Außerdem gab es Überlegungen, Südbaden und Südwürttemberg zu einem Land Südschwaben, entsprechend den Planungen für Rheinland-Pfalz, zusammenzufassen. Daher zögerten die Franzosen, trotz des immer wieder geäußerten Wunsches von deutscher Seite, definitive Verordnungen zu erlaassen.“265 Mit dem ersten Landesparteitag der BCSV wurde Leo Wohleb im ganzen Land bekannt. Er „wusste bei seinen zahlreichen Auftritten im Land aus dieser Bekanntheit Sympathie ja Beliebtheit wachsen zu lassen. Seine unverkrampfte Art des Umgangs mit Menschen, sein Eingehen auf ihre Wünsche und Sorgen, seine ungekünstelte Sprache, sein alemannisches Idiom, seine Volksnähe und Volksverbundenheit kamen an bei den Menschen und ließen den kleinen Mann bald zum populären Star seiner Partei werden.“266

264 ebenda, Landeskunde Baden-Württemberg, 11/2008 265 ebenda, Wöhrle, 2008, S. 163 266 ebenda, Hochstuhl, 2009, S. 71 154

„Nach der Landtagswahl vom 18. Mai 1947 wurde Wohleb vom Badischen Landtag zum Staatspräsidenten gewählt. Sein Versuch, eine Allparteienregierung zu bilden scheiterte, so dass er letztlich einer Koalitionsregierung aus BCSV und Sozialdemokratischer Partei (SP) vorstand.“267 Um den Jahreswechsel 1947/48 brach diese Koalition auseinander. Äußerer Anlass waren Differenzen über die Ausgestaltung eines Agrarreformgesetzes, allerdings brachen hier lediglich die tiefer liegenden programmatischen und ideologischen Unterschiede beider Parteien hervor. Anfang Februar 1948 bildete Wohleb eine Alleinregierung der inzwischen in CDU Baden umbenannten BCSV, die bis zur Auflösung des Landes Baden 1952 amtierte. „ Innerhalb weniger Monate hatte Leo Wohleb eine fast atemberaubende Karriere hingelegt. Von einem geschätzten Fachbeamten in der neuen Kultusverwaltung, über erste parteipolitische Gehversuche, die ihn als Kompromisskandidaten an die Spitze der neuen christlichen Sammlungspartei in Südbaden katapultiert hatten, bis hin zum Präsidenten des Staatssekretariats und damit an die Spitze der Regierung verlief sein Aufstieg.“268 Wöhrle beschreibt den Aufstieg Wohlebs folgendermaßen: „Mehr zufällig als gezielt war er politisch altiv geworden.“269 Im Vordergrund seiner Regierungspolitik standen anfangs grundsätzliche Probleme wie etwa die Versorgungslage der Bevölkerung, Fragen des Wiederaufbaus und der Reparationen sowie Demontagen durch die französische Besatzungsmacht. Konfliktfrei war das Verhältnis zu den Besatzern keineswegs. Immer wieder gab es Auseinandersetzungen, die Wohleb nicht in die Öffentlichkeit hinaus zu tragen versuchte. Wohleb verzichtete auf einen vielleicht populäreren Konfrontationskurs, da er einen solchen für wenig Erfolg versprechend gehalten hätte. Er besann sich daher auf eine Politik der kleinen Schritte und des Kompromisses. Seine Kritiker sahen in Wohleb, auf Grund

267 ebenda, Schadek, Ilgen, Scherb 2002, S. 57 268 ebenda, Hochstuhl, 2009, S. 77 269 ebenda, Wöhrle, 2008, S.167 155 seines eher zurückhaltenden Auftretens gegenüber der Besatzungsmacht, einen Knecht der Franzosen. Während sich innerparteiliche Kritik formierte stand die Besatzungsmacht eindeutig hinter ihm und seiner Regierung. Gemäß der Präambel der Badischen Verfassung von 1947, auf die er seinen Eid als Staatspräsident geleistet hatte, sah sich Wohleb als „Treuhänder der alten badischen Überlieferung“ und damit als Repräsentant eines wiederherzustellenden gesamtbadischen Staates. Das Nachkriegsland Baden betrachtete er als legitimen Rechtsnachfolger des gesamtbadischen Staates von vor 1933. Diese Rechtsauffassung hatte zur Folge, dass er sich in vielen Politikbereichen an den Verhältnissen im Großherzogtum und im Freistaat Baden (1918-1933) orientierte. Gerade im Schul- und Hochschulbereich wurde dies deutlich. Beispielsweise hielt er an der 1876 eingeführten Simultanschule fest. Auch in diesem Falle waren Konflikte mit den Katholiken, vor allem innerhalb der eigenen Partei vorprogrammiert, da diese die Konfessionsschule forderten. Als ehemaliger Pädagoge lag ihm die Kultus- und Bildungspolitik besonders am Herzen. Leo Wohleb besaß einen ausgeprägten Heimatsinn und damit eine stark ausgeprägte badische Identität. Als Verfechter des süddeutschen föderalen Patriotismus avancierte er wenig später zu einem vehementen Gegner eines Südweststaates. Bereits mit dem nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Land Württemberg-Baden hatte „die nordbadische Landesverwaltung in den Augen der Freiburger Ministerialdirektoren mit dieser „Unterwerfung unter die Botmäßigkeit Württembergs“ das Recht verloren, für das Land Baden zu sprechen. Es war Paul Zürcher, der schon im Sommer 1946 den südbadischen Anspruch der Treuhänderschaft für ganz Baden formuliert und damit eine Richtung vorgab, die bis zum Ende Badens sein Selbstverständnis wesentlich bestimmte.“ 270 Gerade durch seinen beharrlichen Widerstand in dieser für Baden entscheidenden staatlichen Überlebensfrage manifestiert sich bis heute in weiten Kreisen der badischen Bevölkerung ein

270 ebenda, Hochstuhl, 2009, S. 72 156 badisches Selbstverständnis bzw. ein dezidierter badischer Patriotismus. Als Staatspräsident und Kultusminister kümmerte er sich daher besonders um die Pflege heimatlicher Traditionen. Seine Partei, die BCSV, die sich als badische Heimat- und Staatspartei definierte, spielte dabei für ihn eine besondere Rolle. Der Begriff der Heimat wurde somit auch in seiner Regierungspolitik ein Kerngedanke. Als guter Redner galt er als volkstümlich und konnte auf die Menschen zugehen. Neben den politischen Ergebnissen, die er erzielte, wie etwa die betriebliche Mitbestimmung, die Sozialgesetzgebung, die Denkmalpflege, der Naturschutz, etc., waren es gerade die genannten Eigenschaften, die ein positives Bild Wohlebs zeichnen. Das Betriebsrätegesetz „galt als eines der fortschrittlichsten und arbeitnehmerfreundlichsten Gesetze dieser Art und diente später anderen Ländern als Vorbild. Das Bundesbetriebsverfassungsgesetz, durch das 1952 die badische Regelung abgelöst wurde, blieb hinter dieser zurück.“271 Das Denkmalschutzgesetz und das Naturschutzgesetz waren Bausteine der Kultur- und Heimatpolitik Wohlebs. Trotz der zeitlichen Nähe ihrer Entstehung zur Südweststaatsfrage können sie nicht direkt als Teil oder Mittel der Agitation der Regierung Wohleb im Kampf um die Wiederherstellung Badens angesehen werden.“272 Auch seine Staatskanzlei stand jedem Mitbürger offen. Charakteristisch für seinen Politikstil war sein stetes Streben nach Konsens und Harmonie, was ihn allerdings nicht selten in Konfliktsituationen brachte. Ab Januar 1948 trug die Regierung Wohleb die alleinige Verantwortung. Wohleb hatte eine Alleinregierung seiner Partei nie angestrebt, da er eine solche zur Lösung der Nachkriegsnotlage für ungeeignet hielt. „Sorgen machten ihm die geringen Kompetenzen der Regierung und die Einflussnahme der Besatzungsmacht. Wohleb suchte daher eine engere Bindung an die Militärregierung in Freiburg. Häufiger als zuvor bat er in den ersten Monaten des Jahres 1948, nach dem Bruch der Koalition, um deren Unterstützung und Zustimmung zu seinen Plänen und Vorhaben. (…) Aus dieser

271 ebenda, Wöhrle, 2008, S. 333 272 ebenda, Wöhrle, 2008, S. 299 157

Rückbindung an die Besatzungsmacht ist zum einen deutlich eine gewisse Angst Wohlebs vor der Alleinverantwortung abzulesen, zum anderen schwingt aber auch die Kritik an den immer noch geringen Kompetenzen der Landesregierung und des Landtags mit.“273 Jedoch in einer Frage blieb Wohleb zeitlebens hart und unnachgiebig – in der Debatte um die Bildung eines Südweststaates war er unbeirrbar zu keinen Kompromissen bereit. Unermüdlich setzte sich Wohleb für die Wiederherstellung des Landes Baden in seinen Grenzen von vor 1933 mit der Landeshauptstadt Karlsruhe ein. Durch die Besatzungspolitik nach Kriegsende waren drei willkürlich konstruierte und in der Bevölkerung ungeliebte südwestdeutsche Nachkriegsländer entstanden. Die Idee, aus den Nachkriegsländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern ein einziges Land zu bilden, fand zunehmend mehr Befürworter. Wohleb jedoch stellte sich aus fester Überzeugung dagegen. Die zahlreichen Treffen und Beratungen der drei Landesregierungen blieben ohne Ergebnis. Die Südweststaatsbefürworter konnten sich nicht durchsetzen und auf dem Verhandlungswege war keine Lösung absehbar. Jedoch gelang es ihnen kurz vor der Verkündigung des Grundgesetzes, mit Artikel 118 eine Sonderregelung zur Länderneugliederung im deutschen Südwesten festzuschreiben. Der Artikel bestimmte, dass bei Scheitern einer vertraglichen Lösung eine Volksbefragung durchgeführt werden müsse. Eine sehr wichtige Bedeutung kam hierbei dem Abstimmungsmodus zu. Während Wohleb für eine Stimmauszählung nach den alten Ländern kämpfte, konnten sich die Südweststaatbefürworter um Reinhold Maier, Ministerpräsident von Württemberg-Baden, und Gebhard Müller, Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollern, erfolgreich durchsetzen. Diese sprachen sich für vier Abstimmungsbezirke Nordwürttemberg, Württemberg- Hohenzollern, Nordbaden und Südbaden aus. Auch die Klage Wohlebs vor dem Bundesverfassungsgericht konnte die Entscheidung nicht verhindern.

273 ebenda, Wöhrle, 2008, S. 212 158

Der Wahlkampf in den Monaten vor der Volkabstimmung war von heftigen Angriffen beider Seiten und persönlichen Diffamierungskampagnen geprägt. „Bei der Volksabstimmung am 9. Dezember 1951 votierten in Südbaden 62,2 % der Wähler für die Wiederherstellung Badens. Dies ist sicher als persönlicher Erfolg Wohlebs zu werten. Jedoch stimmten große Mehrheiten der Wähler in Nord- und Südwürttemberg und eine knappe Mehrheit in Nordbaden für den Südweststaat.“274 Das staatsrechtliche Ende des Landes Baden war damit fürs Erste besiegelt. Hätte man die Stimmen in Gesamtbaden zusammengezählt, dann hätte sich eine knappe Mehrheit für die Wiederherstellung Badens ergeben. Mit der politischen Niederlage konnte sich Wohleb nur schwer abfinden. „Seine Amtszeit als Staatspräsident und Kultusminister endete am 17. Mai 1952.“275 Somit sahen und sehen sich die Badener bis zum heutigen Tage von den Schwaben ausgetrickst und um ihre Staatlichkeit betrogen. Das Gefühl der badischen Bevölkerung über den Tisch gezogen worden zu sein, blieb in der Folgezeit nicht ohne Wirkung. Bereits vor dem Ausscheiden aus seinem Amt hatte Konrad Adenauer Wohleb den Posten eines Ersten Gesandten der Bundesrepublik in Portugal angeboten. Wohleb nahm das Angebot an. „Mehrfach brachte er seinen Unmut über die Gründung Baden-Württembergs zum Ausdruck. Im Frühjahr 1955 wollte Wohleb seinen Gesandtenposten aufgeben und nach Freiburg zurückkehren. Seine letzte Amtshandlung war die Begleitung des portugiesischen Wirtschaftsministers auf dessen Staatsbesuch in der Bundesrepublik. Am Ende dieser Reise verstarb Wohleb überraschend in Frankfurt am Main. Am 16. März 1955 wurde er unter großer Anteilnahme mehrerer tausend Menschen auf dem Freiburger Hauptfriedhof beigesetzt.“276

4. Die Vierteilung des Landes 1948-1952

274 ebenda, Landeskunde Baden-Württemberg, 11/2008 275 ebenda, Landeskunde Baden-Württemberg, 11/2008 276 ebenda, Landeskunde Baden-Württemberg, 11/2008 159

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges stand das heutige Land Baden- Württemberg unter amerikanischer und französischer Besatzung. Da die Grenzen der Besatzungszonen gänzlich unhistorisch gezogen wurden, entstand Handlungsbedarf bezüglich einer Neugliederung der Landesteile. Da die Franzosen ürsprünglich das gesamte Gebiet von Bruchsal bis zum Bodensee erobert hatten, fiel auch Stuttgart zunächst unter deren Kontrolle. „Die Amerikaner bestanden (allerdings) darauf, dass die gesamte Autobahn von Frankfurt über Karlsruhe bis München in ihrer Besatzungszone verlaufen müsse. Die Franzosen mussten sich schließlich hinter eine Linie südlich der Autobahn Karlsruhe-Pforzheim-Stuttgart-Ulm zurückziehen.“277 Die amerikanische Zone umfasste Nordbaden und Nordwürttemberg mit den beiden Zentren Stuttgart und Karlsruhe. Der Regierungssitz fiel an Stuttgart, das Bundesverfassungsgericht wurde in Karlsruhe ansässig. In Südwürttemberg residierte die Regierung in Tübingen, während Freiburg zum Sitz der Alt- Badener um Leo Wohleb wurde. Vor allem von Südbaden ging der Kampf um die Wiederherstellung des über Jahrhunderte entstandenen historischen Zustandes eines selbständigen Landes Baden aus. Sogar während des Dritten Reichs und der von den Nationalsozialisten betriebenen Gleichschaltung der Länder „zeigt sich in Baden, wie in kaum einem anderen Land, der Kampf um die Beibehaltung einer gewissen Autonomie.“278 Die Länder wurden nach 1933 schrittweise ihrer Hoheitsrechte beraubt, bei gleichzeitiger Beibehaltung ihrer formellen Staatlichkeit. Die Landesregierungen wurden durch einen Reichsstatthalter, welcher zugleich die Funktion eines Gauleiters der NSDAP innehatte, ersetzt. Es war seinerzeit kennzeichnend, dass die Partei zunehmend in originär staatliche Bereiche vordrängte. Baden stellte diesbezüglich einen Sonderfall dar. „In Baden hatte

277 Bochardt-Wenzel, 2011, S. 157 278 Neumayer, 1988, S. 265 160 sich bis Kriegsende eine komplette Landesregierung mit Reichsstatthalter, Ministerpräsident und zwei weiteren Fachministern erhalten können. Dies spricht für eine ausgeprägte Beharrlichkeit des badischen Reichsstatthalters bzw. des badischen Ministerpräsidenten, die Reste der badischen Eigenständigkeit, dort wo es möglich war, gegenüber dem Reich zu verteidigen. Andere Beispiele für diesen Sachverhalt liefert die Tatsache, dass sich allein in Baden eine begrenzte Mittelinstanz in den so genannten Landeskommissären erhalten konnte, obwohl andernorts der Verwaltungsaufbau nach preußisch nivellierendem Vorbild durchgesetzt wurde. Ein weiteres Beispiel ist die in Baden nie eingeführte Reichsnotarordnung. Somit blieben die Grundbuchämter im Zuständigkeitsbereich der Gemeinden.“279 Der Widerstand gegen die Gleichschaltung war unter allen deutschen Landesregierungen in Baden am erfolgreichsten. Somit konnte Baden seine historisch gewachsene Eigenständigkeit und Identität auch während des Dritten Reiches am weitreichendsten bewahren. Auch aus diesen Gegebenheiten heraus erklärt sich wiederum ein Teil des badischen Selbstverständnisses. „Die Verwaltungstätigkeit in den Landeskommissärbezirken Karlsruhe, Freiburg, Konstanz und Mannheim blieb nach Kriegsende durch die Einsetzung von Militärregierungen begrenzt.“280 In Nordbaden ließen die amerikanischen Besatzer die Verwaltungstätigkeit lediglich auf Gemeinde- und Kreisebene zu, so dass es dort die Tätigkeit einer übergeordneten Landesverwaltung vorläufig ruhte. Die an Nordbaden angrenzenden Territorien versuchten dieses ordnungspolitische Vakuum zu nutzen, um Teile Nordbadens in den eigenen Einflussbereich einzugliedern. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch dank des energischen Protests des Heidelberger Finanzpräsidenten Friedrich Brunner beim zuständigen Leiter für das amerikanisch besetzte Gebiet Nordbadens Oberstleutnant Winning. Somit konnte eine Abtrennung von badischem Territorium verhindert werden. Die auf Grund unterschiedlicher Interessenlage

279 ebenda, Neumayer, 1988, S. 264/265 280 ebenda, Neumayer, 1988, S. 266 161 verschiedene Besatzungspolitik der Amerikaner und der Franzosen stellte sich für Baden als nachteilhaft heraus. „Das führte dazu, dass sich die Zonen mehr und mehr gegeneinander abschotteten. Diese Tendenz übertrug sich mit zunehmender Demokratisierung des öffentlichen Lebens auch auf die Regierungen der neuen Länder.“281 Während beispielsweise in der französischen Besatzungszone eine eifrige Demontagepolitik betrieben wurde, sah man sich in der amerikanisch besetzten Zone dazu angehalten, das Land wirtschaftlich wieder aufzubauen und zu stabilisieren. Diese strukturellen, von außen verordneten Gegebenheiten, stellten neue Voraussetzungen dar, die bereits vorhandene Resistenzen zwischen Württemberg und Baden auf Grund struktureller Beschaffenheit zusätzlich verschärfen mussten. „Während Amerikaner und Briten zwischen 1946 und 1949 etwa ein Drittel des Steueraufkommens in ihren Zonen für sich reklamierten, betrug der Anteil der Besatzungskosten in der französischen Zone 1946 nicht weniger als 86, 1948 immer noch 41 Prozent. Durchschnittlich flossen in (Süd-) Baden bis 1950 zwei Drittel der Steuereinnahmen in die Kassen der Militärregierung.“282 Eine entscheidende Benachteiligung badischer Interessen entstand auch dadurch, dass die Amerikaner neben Mannheim eine zweite Militärregierung in Karlsruhe einrichteten, die vorerst noch mit den von der französischen Militärregierung in Karlsruhe bestätigten badischen Zentralbehörden, zusammenarbeiten mussten. „Aufgrund der Zersplitterung der Verhältnisse in Baden mit drei Militärregierungen, erscheint es folgerichtig, dass der Stuttgarter Militärregierung ein größeres politisches Gewicht zufallen musste.“283 Aus badischer Sicht ungünstig erwies sich auch der Umstand der Zusammenlegung der beiden nordbadischen Militärregierungen in Karlsruhe sowie die Versetzung von Oberstleutnant Winning nach Stuttgart, wo er als Stellvertreter von Dawson eingesetzt wurde. Die amerikanischen Interessen

281 ebenda, Bochardt-Wenzel, 2011, S. 159 282 Matz, Stuttgart, 1991, S. 49

283 ebenda, Neumayer, 1988, S. 267 162 zielten fortan auf eine politische Vereinigung von Nordbaden und Nordwürttemberg. „Nachdem ein letzter Versuch einer Vereinigung der beiden badischen Landesverwaltungen am 9. Oktober 1945 gescheitert war, war das Land Baden definitiv in zwei Teile zerrissen worden. Bereits in einer Proklamation der amerikanischen Militärverwaltung vom 19. September 1945 hatte dieselbe die Vereinigung des Landeskommissariatsbezirks Mannheim und der Kreise Bruchsal, Karlsruhe Stadt und Land, Pforzheim Stadt und Land mit den Kreisen des amerikanisch besetzten Gebiets Württembergs befohlen und die Bildung eines neuen Staates Württemberg-Baden bekannt gegeben.“284 Der verordnete Zusammenschluss war beidseitig nur ungern akzeptiert worden. Der amerikanische Außenminister Marshall bestätigte noch am 14. März 1947 den provisorischen Charakter dieses Zusammenschlusses. Dass dies von beiden Landesteilen auch so empfunden wurde, sollen nachfolgende Sachverhalte verdeutlichen. „Die am 24. September ernannte Stuttgarter Landesregierung setzte sich ursprünglich ausschließlich aus württembergischen Mitgliedern zusammen. Außerdem beschränkten sich die in Stuttgart eingerichteten Ministerien ausschließlich auf den württembergischen Landesteil und betrachteten den angehängten badischen Landesteil als eine Art Protektorat mit eigener Verwaltung. Jede verwaltungstechnische Verschmelzung beider Landeshälften wurde vermieden. So blieb in Nordbaden die Landesverwaltung Baden mit dem Landesbezirkspräsidenten als autonomes Organ bestehen.“285 Damit hatte die Landesverwaltung Baden beispielsweise ihren eigenen Staatshaushalt. Ebenso konnte sie in eigener Regie ihre Beamten ernennen und entlassen. Bis zur Südweststaatsgründung 1952 konnte der badische Landesteil seine autonome Stellung bewahren. Die nordbadische Verwaltungsautonomie zeigte sich auch im Fortbestand des badischen Hoheitszeichens. In Württemberg-Hohenzollern wusste die Stuttgarter Regierung ihre gesamtwürttembergische Legitimation anerkannt.

284 ebenda, Neumayer, 1988, S. 269 285 ebenda, Neumayer, 1988, S. 269/270 163

Größere Schwierigkeiten sollte die Stuttgarter Regierung mit einer möglichen Einbeziehung Südbadens bekommen, dessen Regierung die Legitimation für Gesamtbaden beanspruchte. Das staatsrechtlich einende Band zwischen den beiden badischen Landesteilen war die quasi fortbestehenden Reste einer einheitlichen Gebietskörperschaft. „Diese Reste traten durch die in Karlsruhe fortbestehenden gesamtbadischen Einrichtungen sichtbar in Erscheinung. (...) Anzuführen wären hier beispielsweise die badische kommunale Landesbank, die badische Landesversicherungsanstalt, die badische Gebäudebrandversicherung, der badische Gemeindeversicherungsverband, die badische Domänenverwaltung, das Generallandesarchiv und andere. Erst nach dem Tode des Präsidenten der nordbadischen Landesverwaltung Heinrich Köhler begann die Stuttgarter Zentralregierung damit, dem Landesbezirk Baden überlassenen Funktionen, an sich zu ziehen und die politischen Rechte Badens allmählich zu mindern und dessen autonome Stellung im Zwei-Länder-Staat anzutasten.“286 Zusammenfassend lässt sich die erste Phase unter dem Besatzungsregime folgendermaßen resümieren: Der Wille zur Bewahrung der staatlichen Einheit, aber auch der Versuch, die eigenen Interessen gegenüber den Besatzern durchzusetzen, ist sowohl in Württemberg als auch in Baden sichtbar geworden. Eine Verbindung der beiden Länder wurde beiderseits nicht zwingend angestrebt. „Die württembergischen Zentralbehörden konnten trotz Besatzungsstatut territorial uneingeschränkt ihre Arbeit fortsetzen. In Baden ließ sich diese Kompetenz für immerhin drei Viertel seines Territoriums aufrecht erhalten.“287 Die amerikanische wie die französische Besatzungsmacht operierte nach eigenen strategischen und machtpolitischen Interessen und nahm infolgedessen auch keine Rücksicht auf innerdeutsche Ländergrenzen. Während die französische Besatzungsmacht durchaus bestrebt gewesen war, die von Napoleon geschaffenen Ländergrenzen unangetastet zu lassen, so waren die amerikanischen Besatzer einer territorialen Neugliederung deutlich zugeneigter.

286 ebenda, Neumayer, 1988, S. 270/271 287 ebenda, Neumayer, 1988, S. 271 164

Die Freiburger Regierung verstand sich als Vertreterin der gesamtbadischen Interessen und setzte sich vehement für die Wiederherstellung des alten Landes Baden ein. „Für die Verfechter dieses Ziels bürgerte sich die Bezeichnung „Altbadener“ ein. Sie hoben zunächst auf das Recht historisch gewachsener Einheiten ab. Bedingung der politischen Identität eines Gemeinwesens war in ihren Augen nicht der finanzielle Vorteil, sondern die Eigenart des Volkes, seine gemeinsame Herkunft und Geschichte, Kultur und Geistesart.“288 „Durch das zweite Neugliederungsgesetz über die Volksabstimmung vom 9. Dezember 1951 durch den Bundesgesetzgeber ist die zweite Chance zur Wiederherstellung des alten Landes Baden gezielt verhindert worden.“289 Die inhaltliche Gestaltung dieses Gesetzes war darauf ausgerichtet, die Bildung des Südweststaates durch das Auszählungsverfahren vorwegzunehmen. Dabei wurde sowohl die Mehrheit im Gebiet des alten Landes Baden wie auch im Bundesland (Süd-)Baden missachtet. Eine einvernehmliche Lösung bezüglich des Zusammenschlusses von Baden und Württemberg wäre durchaus möglich gewesen. Man wird dem Sachverhalt auch nicht gerecht, wenn man das Scheitern einer staatsvertraglichen Lösung am Veto Leo Wohlebs versucht festzumachen. „Leo Wohleb ging es in erster Linie um die Erhaltung der badischen Identität, welche vorzugsweise durch die Wiederherstellung des alten Landes Baden erlangt werden sollte.“290 Nach der Wiederherstellung von Gesamtwürttemberg sollten dann Verhandlungen zweier gleichberechtigter Länder über einen möglichen Doppelstaat geführt werden. „Die badische Staatsregierung verlangte in den Verhandlungen eine Untergliederung des vereinigten Bundeslandes gemäß der historischen Grenzen in einen badischen und einen württembergischen Landesbezirk mit einer Garantie weitreichender Autonomie gegenüber einer zentralen Landesregierung in politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Bereich.“291 Wenn sich die württembergisch-

288 Hug, 2006, S. 198 289 ebenda, Neumayer, 1988, S. 272 290 ebenda, Neumayer, 1988, S. 272 291 ebenda, Neumayer,1988, S. 272 165 badische Regierung in Stuttgart diesen Vorstellungen nicht so vehement widersetzt hätte, dann hätte ein Zusammenschluss einvernehmlich erreicht werden können. Eine Zustimmung Württemberg-Hohenzollerns wäre zu erwarten gewesen, und zu einem Kampf um den Südweststaat wäre es erst gar nicht gekommen. „In Württemberg war man auf eine totale Verschmelzung beider Länder aus.“292 Dies hätte eine Verwischung der historischen Grenzen zur Folge gehabt. Dieses Vorhaben widersprach den badischen Vorstellungen vom Erhalt und der Bewahrung der eigenen Identität aufs schärfste. Die beiden vorliegenden Konzeptionen waren miteinander unvereinbar und erklären auch, weshalb sich im Württemberg kaum jemand für die Wiederherstellung des alten württembergischen Volksstaates einsetzte, während man sich in den beiden badischen Landeshälften erbittert gegen eine Eingliederung zur Wehr setzte. Allmählich erhielt die Auseinandersetzung zusätzlich bundespolitische Dimension. „Die Politikarena, in der die südwestdeutsche Frage nun zur Entscheidung gebracht werden musste, waren Bundestag und Bundesrat. Zu den staatspolitischen Gründen, die bislang die Auseinandersetzung beider Lager bestimmt hatten, traten vermehrt partei- und bundespolitische Interessen.“293 Nach dem die beteiligten Landesregierungen keine Einigung erzielen konnten, erging der Wunsch nach einer von oben verordneten Entscheidung durch Volksabstimmung zunächst an die Ministerpräsidentenkonferenz und die Militärgouverneure, im weiteren Verlauf auch an die inzwischen eingesetzte Bundesregierung. Umstritten war vor allem der Modus der erfoderlichen Volksbefragung. „Für Leo Wohleb stand fest, dass eine Abstimmung über die Zukunft des Südwestens nur auf der Basis der alten Länder erfolgen konnte. Der Stuttgarter Regierungschef Reinhold Maier hingegen plädierte für einen Abstimmungsmodus, den der Weinheimer Industrielle Richard Freudenberg, ein Vorkämpfer des Südweststaats, ersonnen hatte: Abgestimmt werden sollte demnach in vier Bezirken (Nordbaden, Südbaden, Nordwürttemberg und Süd-

292 ebenda, Neumayer, 1988, S. 272 293 Weinacht, 1991, S. 318/319 166

Württemberg-Hohenzollern).“294 „Ursprünglich war an zwei Abstimmungen gedacht gewesen, die erste über den Zusammenschluß und - für den Fall, daß dieser nicht in jedem der bestehenden drei Länder eine Mehrheit finden sollte – eine weitere über die Wiederherstellung der alten Länder. Über diese zweite Abstimmung konnte man sich erneut nicht einigen. Wiederum war es Reinhold Maier, der für den Fall, daß die zweite Frage verneint werden sollte, eine weitere Fragestellung nach der Bildung eines „kleinen Südweststaates“ ohne Südbaden wünschte. Der Ministerpräsident von Württemberg-Baden verlangte des Weiteren für den Fall einer Wiederherstellung der alten Länder eine Mehrheit sowohl in den drei bestehenden Ländern wie auch im Landesbezirk Nordbaden.“295 Nordbaden sollte dadurch in der Folgezeit eine Schlüsselposition zukommen. Letztlich sollte in einmaliger Abstimmung alternativ über die Bildung des Südweststaates oder die Wiederherstellung der alten Länder entschieden werden. „Erneut bestand die Schwierigkeit darin, dass die württembergisch-badische Regierung abermals verlangte, eine durch Wiederherstellung der alten Länder bedingte Auflösung des Bundeslandes Württemberg-Baden bedürfe einer Mehrheitsentscheidung in diesem Lande.“296 Die Festlegung der Abstimmungsbezirke wurde zum Kernproblem und das Abstimmungsverfahren war in der Tat laut Neumayer mit drei schwerwiegenden Fehlern behaftet. Die dahinter stehenden bundespolitischen Interessen formulierte Wehling zusammengefasst in folgender Gleichung: „“Alte Länder“ = Sicherung des Unionsgewichts, „Südweststaat“ = Gewichtsverlagerung zugunsten protestantischen, liberalen, sozialdemokratischen Einflusses.“297 Ausgangspunkt für die Einteilung in Abstimmungsbezirke waren die während

294 ebenda, Bochardt-Wenzel, 2011, S. 162 295 ebenda, Neumayer, 1988, S. 273 296 ebenda, Neumayer, 1988, S. 273 297 ebenda, Weinacht, 1991, S. 319

167 der Besatzungszeit entstandenen drei Länder Württemberg-Baden, Baden und Württemberg-Hohenzollern. Sowohl die Bildung eines Südweststaates als auch die Wiederherstellung der alten Länder hätte deren Aufhebung bedeutet. „Inwiefern die durch völkerrechtswidrige Besatzungswillkür geschaffenen drei neuen Länder überhaupt dazu geeignet waren als Ausgangspunkt für eine Neugliederung zu dienen, bleibt höchst fragwürdig. Zumal dieser Zustand von allen Seiten als ein Provisorium empfunden wurde.“298 Bereits die erste Allensbacher Umfrage zu diesem Thema 1947 bestätigt diesen Sachverhalt. 72 % der Bevölkerung hielt eine Veränderung der gegenwärtigen Lage für notwendig, 4 % hielten eine Änderung für nicht notwendig und der Rest war unentschieden. Der andere, wohl auch näher liegende Ansatz, war derjenige, von den beiden alten Ländern Baden und Württemberg auszugehen. Über deren Zusammenschluss oder Wiederherstellung die Bevölkerung von Gesamtbaden und Gesamtwürttemberg getrennt hätte abstimmen können. Wäre man den Gesetzen der Logik gefolgt, dann hätte man sicherlich einen der beiden genannten Ansätze gewählt. Dem gesunden Menschenverstand zum Trotz hatte man sich allerdings für vier Abstimmungsbezirke entschieden. (Süd-)Baden und Württemberg-Hohenzollern stellten jeweils einen Abstimmungsbezirk dar, während Württemberg-Baden in zwei getrennte Abstimmungsbezirke, Nordbaden und Nordwürttemberg, aufgeteilt würde. Somit wurde die Existenz dieses dritten Staates dahingehend ignoriert, dass man für Württemberg-Baden wieder auf den historischen Zuschnitt beider Landesteile zurückgriff. „Dies war eindeutig eine inkonsequente Kombination der beiden allein einwandfreien Kriterien der Auswahl nach dem historischen Bestand bzw. nach den gegenwärtigen Grenzen.“299 Die ausgeklügelte Wahlbezirksgeometrie hatte natürlich politische Gründe. Nach außen wollte man dem nordbadischenLandesteil damit seine damals noch weitreichende Autonomie unterstreichen, mit der unterschwelligen Botschaft, dass diese künftig in einem

298 ebenda, Neumayer, 1988, S. 274 299 ebenda, Neumayer, 1988, S. 274 168

Südweststaat ebenfalls Fortbestand haben könnte. Diese Option war aber von den württembergischen Regierungen definitiv nicht beabsichtigt gewesen. „In Wirklichkeit sollte durch die Einrichtung eines vierten Abstimmungsbezirkes die Bildung des Südweststaates mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorweggenommen werden. Wenn sich in drei von vier Abstimmungsbezirken eine Mehrheit für den Südweststaat finden würde, dann musste er zustande kommen. Dass dies zu erwarten gewesen ist, belegt die Probeabstimmung vom 24. September 1950. Dabei ergab sich zwar in Gesamtbaden eine Mehrheit fürdie Wiederherstellung der alten Länder, jedoch im nordbadischen, von Flüchtlingen stark überfremdeten Landesbezirk, erzielte man eine Mehrheit für den Südweststaat.“300 Mit dem Argument, dass Nordbaden nicht von Südbaden majorisiert werden dürfe, gab zunächst der Bundesgesetzgeber und ihm nachfolgend das Bundesverfassungsgericht grünes Licht für diesen Abstimmungsmodus. Es war absehbar, dass dadurch Südbaden von Nordbaden majorisiert werden musste. Dieser Umstand wurde offenbar aus politischem Kalkül bewusst ignoriert. Annette Borchardt Wenzel bezeichnet den „präferierten Abstimmungsmodus (sogar) als einen Trick.“301 „Die Unterteilung in vier Abstimmungsbezirke war zusätzlich mit einem weiteren schweren Fehler belastet. Und zwar wurde die entscheidende Sperrminorität, welche sich der Bildung des Südweststaates im Falle der Bildung von zwei (nach den alten Ländern) bzw. drei (nach den bestehenden Bundesländern) Abstimmungsbezirken widersetzen konnte, von dem selbständigen Bundesland Baden auf den unselbständigen Landesteil Nordbaden des Bundeslandes Württemberg-Baden verlagert. Dies wurde mit der Schutzbehauptung gerechtfertigt, dass Nordbaden nicht gegen seinen Willen aus der provisorischen Verbindung mit Nordwürttemberg gelöst werden dürfe. Außerdem müsse eine Majorisierung durch Südbaden verhindert werden und die Mehrheit in Gesamtbaden für eine Wiederherstellung Badens müsse vor diesem

300 ebenda, Neumayer, 1988, S. 274/275 301 ebenda, Bochardt-Wenzel, 2011, S. 162 169

Hintergrund zurücktreten.“302 Das diese gebastelte Logik eine Majorisierung Südbadens implizierte, ist offensichtlich. Somit stellte diese Argumentationslogik einen deutlichen Verstoß gegen das föderale Prinzip der Bundesrepublik dar. Auf diese Weise wurde die Möglichkeit eröffnet, dass ein Mehrheitsentscheid in zwei anderen Bundesländern, die Auflösung eines dritten Bundeslandes bedeuten konnte. „Aber nicht nur Artikel 23 des Grundgesetztes, sondern auch Artikel 29 werden klar missachtet. Es ist zwar im äußersten Ausnahmefall denkbar, dass der Bund die Interessen eines Landesvolkes übergehen kann, wenn Minderheitsinteressen existenzielle Lebensinteressen des Ganzen berühren.“303 In unserem Falle wird aber niemand behaupten können, dass die Wiederherstellung des alten Landes Baden den Lebensinteressen der Bundesrepublik entgegengestanden hätte. Eine solche Entscheidung konnte auf keinen Fall durch die Mehrheit in zwei anderen Ländern entschieden werden. Nicht zu vergessen, dass es sich dabei um eine württembergische Entscheidung handelte, die sich gegen eine badische Mehrheit richtete. Der dritte Fehler im Abstimmungsverfahren bestand in einem fehlenden regionalen Bezug der Fragestellung. „Es war von Grund auf verfehlt bei einer Mehrheitsfeststellung nicht von den historisch gewachsenen Einheiten oder zumindest von der durch die Besatzungsmächte geschaffenen Neuordnung auszugehen. Vielmehr noch sollte ein Volksentscheid eine bis dahin weder existierende noch eindeutig gewünschte Vereinigung der Landesteile erzielen.“304 Trotz aller Bedenken, die von entsprechender Seite vorgebracht wurden, hat der Gesetzgeber seine Zustimmung für den geplanten Abstimmungsmodus in vier Abstimmungsbezirken erteilt. Am 25. April 1951 wurde im Bundestag die Zustimmung zur Durchführung des Volksentscheids zur Bildung des Südweststaates beschlossen.

302 ebenda, Neumayer, 1988, S. 275 303 ebenda, Neumayer, 1988, S. 275 304 ebenda, Neumayer, 1988, S. 276 170

Die badische Staatsregierung hat am 25. Mai 1951 gegen das aus ihrer Sicht Fehler behaftete Abstimmungsverfahren Klage beim Bundesverfassungsgericht erhoben. Man stellte Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des 2. Neugliederungsgesetztes. „ Sie machte die Unvereinbarkeit dieses Gesetzes mit Art. 3, 20, 23, 25, 29 Abs. 1, 79, 118, ferner den Artikel 19 Abs. 4, 28 und 80 des Grundgesetztes geltend.“305 Am Rande sei erwähnt, dass das Bundesverfassungsgericht sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht konstituiert hatte. Somit konnte die für den 16 .September 1951 vorgesehene Volksabstimmung zu diesem Zeitpunkt nicht stattfinden. Das auf diesem Wege überstürzt eingerichtete oberste Gericht hatte am 8. September 1951 seine Tätigkeit aufnehmen können. Am 23. Oktober ist die Entscheidung des obersten Gerichts ergangen. Dabei erwies sich die Beschwerde zwar nicht durchsetzungsfähig, allerdings fand sich auch kein Mehrheitsbeschluss, der die Klage abweisen konnte. Die Stimmengleichheit des Gerichts reichte nicht aus, um die Verfassungswidrigkeit festzustellen. „Die dissentierenden Richter stellten im wesentlichen folgendes fest: Bezugnehmend auf Art. 118 und 29 des Grundgesetzes wurde klargestellt, dass der Wille eines Landesvolkes nur durch den Willen des Gesamtvolkes der Bundesrepublik gebrochen werden könne, nicht aber durch den Willen eines anderen Landesvolkes.(...) Es wurde auch bestätigt, dass der gewählte Abstimmungsmodus dem Ziel der Sicherung zur Bildung des Südweststaates diente und man zu diesem Zwecke die Entscheidung der Bevölkerung Nordbadens anvertraut habe. In dieser Vorgehensweise liege eine Unsachlichkeit und mache eine Volksabstimmung folgerichtig zur Farce.“306 Des Weiteren wird angeführt, dass der gewählte Abstimmungsmodus ersichtlich zum Nachteil all derjenigen werden musste, die sich für eine Wiederherstellung des alten Landes Baden stark machten. „Viertens habe es für das gesamte Abstimmungsgebiet keine einheitliche Frage gegeben, deren Beantwortung hätte einfach durchgezählt werden können. Da in der Bejahung

305 ebenda, Neumayer, 1988, S.277 306 ebenda, Neumayer, 1988, S.278 171 der Bildung eines neuen vereinten Landes zugleich die Verneinung der Fortexistenz der bestehenden Länder lag, diese Verneinung sich aber wiederum jeweils auf ein anderes Land beziehe, sei hier eine Ausgangslage entstanden, die jedem demokratischen Grundprinzip widerspreche. Daraus ergebe sich, dass die Stimmen nur in jedem Land für sich durchgezählt werden durften und dass das vorgesehene Gesetz die Bildung des Südweststaates nur für den Fall vorsehen durfte, sofern sich in allen drei Ländern dafür eine Mehrheit ergeben würde. So wie ausschließlich eine Vereinbarung der drei Länderregierungen die Neugliederung hätte bewirken können, so konnte auf dem Wege der Volksabstimmung in den Ländern die Neugliederung nur dann erreicht werden, wenn die drei Landesvölker übereinstimmte, d.h. eine Mehrheit für die Bildung des Südweststaates erzielt worden sei. Somit führe die Nichtigkeit des Abstimmungsverfahrens demgemäß zur Nichtigkeit des gesamten 2. Neugliederungsgesetzes.“307 In der „Volksabstimmung vom 9. Dezember 1951“308, votierten in Südbaden 62,2 %, in Nordbaden 42,5 % und in beiden Landesteilen zusammen 52,3 % für die Wiederherstellung des alten Landes Baden. Nach dem das Bundesverfassungsgericht den Antrag auf Nichtigkeit des 2. Neugliederungsgesetztes abgelehnte hatte, führte das Abstimmungsergebnis dennoch zur Bildung des Südweststaates. Der Abstimmungsmodus in vier Abstimmungsbezirken erwies sich, wie zu erwarten war, als Benachteiligung badischer Interessen. Dass sich eine Lösung hinsichtlich der Wiederherstellung der alten Länder nicht durchsetzen konnte, betrachtet Gall als eine „Schwächung der historischen Bundesstaats-Substanz in Deutschland und zu einer langen am Oberrhein nachwirkenden Irritation des Rechtsgefühls breiter Bevölkerungsschichten.“309 Baden zum Nachteil gereichte die Tatsache, dass die Südweststaatsidee von zwei Regierungen unterstützt wurde, die entsprechende

307ebenda, Neumayer, 1988, S. 279 308 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2011 online: http://www.statistik- bw.de/Wahlen/Volksabstimmung_2011/frAbstimmungen.asp (06.01.2012) 309 Gall, 1979, S. 230 172

Machtmittel zur Verfügung hatte, ihr Anliegen durchzubringen, während die Bemühungen Südbadens zwar nicht minder groß waren, aber deren Einflussmöglichkeiten auf den nördlichen Landesteil eher beschränkt blieben. Als weiteren Nachteil für die badischen Belange erwies sich der Umstand, dass im Raum Mannheim und Heidelberg ein beträchtlicher Anteil Heimatvertriebener angesiedelt wurde. Dieser Flüchtlingsstrom konnte nachvollziehbar nur wenig Verständnis für die badischen Angelegenheiten aufbringen. „Auch der sog. Franzosenschreck wirkte sich, obwohl längst überwunden, ungünstig für Baden aus. Diese Begrifflichkeit entstand während der französischen Besatzungszeit zwischen 1945 und 1947. Vor dem Hintergrund der französischen Bemühungen, im Falle einer Wiederherstellung der alten Länder, die französische Militärverwaltung im Austausch mit Südwürttemberg auf Nordbaden aus zu dehnen, wusste man diesen Umstand bestens für die Südweststaatspropaganda zu nutzen.“310 Das Unrecht, das dem badischen Volk widerfahren ist, wurde in der Folgezeit von verschiedener Seite eingeräumt. So äußerte sich der Bundesjustizminister Dr. Dehler in einer Sitzung des Bundestages am 4. März 1953 dahingehend, „dass es nicht sein dürfe, dass der festgestellte objektive Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz offenbar nicht zur Feststellung der Nichtigkeit eines Gesetztes ausreiche, sondern dass zusätzlich der Nachweis für diesen Verstoß hinzukommen müsse. Diese Auffassung stünde im Widerspruch zur Rechtsprechung und zur Rechtslehre. Der objektive Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz müsse auch zur Nichtigkeit eines Gesetzes führen.“311 In seinem zweiten zur badischen Frage erlassenen Urteil vom 30. Mai 1956 tadelte das Bundesverfassungsgericht erneut seine zum 2. Neugliederungsgesetz getroffene Entscheidung. Durch die gewählten Modalitäten bei der Neugliederung der Länder wurden der badischen Bevölkerung Rechte verwehrt (Art. 29 GG). Der badischen Bevölkerung wurde als Gesamtheit weder die

310 ebenda, Neumayer, 1988, S. 279 311 ebenda, Neumayer, 1988, S.280 173

Gelegenheit zur Äußerung gegeben, noch stellte die Abstimmung die eigentliche Frage, die die badische Bevölkerung mit ihrer Initiative stellen wollte, nämlich die Frage nach der Wiederherstellung des alten Landes Baden. „Baden- Württemberg verdankt somit seine Entstehung der besonderen Ausgestaltung des 2. Neugliederungsgesetzes. Wenn der badischen Bevölkerung von Anfang an die Möglichkeit zur Durchführung eines Volksbegehrens gegeben gewesen wäre, dann wäre sie mit großer Wahrscheinlichkeit für die Wiederherstellung des alten Landes Baden eingetreten. Wäre seinerzeit der Art. 29 GG nicht suspendiert gewesen und hätte der Bundesgesetzgeber der starken Initiative des badischen Volkes Rechnung getragen, so hätte die Möglichkeit bestanden, die durch die Besatzungsmächte entstandene unnatürliche Gliederung des deutschen Südwestens, die alten Länder Württemberg und Baden wiederherzustellen.“312 An Stelle dieser Option trat allerdings, statt einer Normalisierung der Verhältnisse, die Gründung von Baden-Württemberg. In der Abstimmung vom 9. Dezember 1951 majorisierte eine zahlenmäßig stärkere Bevölkerung eine zahlenmäßig schwächere Bevölkerung. Auf diese Weise war es der badischen Bevölkerung aber gerade nicht möglich gewesen selbständig zu entscheiden, in welchem Staatsverband sie künftig leben wollte. „In Folge des Fehlurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 1951 hätte der Südweststaat nicht gegründet werden dürfen.“313 Die dritte Phase des Kampfes um die Wiederherstellung Badens stellte die längste Phase dar. Kennzeichnend für diese Phase war die Tatsache, dass sich keine erfahrene politische Persönlichkeit für den Einsatz um die Wiederherstellung des Landes fand, wie etwa ein Leo Wohleb in der zweiten Phase des Kampfes um Baden. Hinzu kam, dass es keine anerkannte politische Vertretung gab, die dieses Anliegen unterstützt hätte. Auch die Regierung und die von ihr abhängigen Behörden behinderten die Bemühungen des privaten

312 ebenda, Neumayer, 1988, S. 281 313 ebenda, Neumayer, 1988, S. 281 174

Heimatbundes Badenerland sehr wirksam. Somit war der Kampf des Heimatbundes Badenerland ein Kampf gegen die Windmühlen. Es erscheint unverständlich, dass ein verfassungskonformes Anliegen sage und schreibe 15 Jahre lang missachtet und hinausgezögert und somit gezielt verschleppt wurde. Nach der Volksabstimmung vom 9. Dezember 1951 mit einer gesamtbadischen Mehrheit für die Wiederherstellung eines selbständigen Landes Baden, wäre an und für sich zu erwarten gewesen, dass der Wille des badischen Volkes auf ein staatlichen Eigenleben zumindest innerhalb des neu gebildeten Südweststaates dahingehend berücksichtigt worden wäre, dass man dem badischen Landesteil einen eigenen Landschaftsverband zugestanden hätte. „Auf diese Weise hätte man das widerfahrene Unrecht durch das Abstimmungsverfahren durch ein entsprechendes Landesverfassungsgesetz wenigstens etwas abmildern können.“314 Doch die Chance auf einen gewissen Ausgleich wurde vertan. Stattdessen sollte die badische Identität im Südweststaat gänzlich aufgehen, was unter anderem zur Folge hatte, dass die gelb-rot-gelben Fahnen eingeholt werden mussten. Auch das badische Wappen, das noch im Landesschild Württemberg-Badens bewahrt wurde, verschwand. „Im Zeitraum vom 3.-16. September 1956 wurde in Baden ein Volksbegehren durchgeführt, bei dem sich über 15 % der Bevölkerung für eine Wiederherstellung des alten Freistaates Baden aussprachen. Dieses Votum lag deutlich höher als die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen notwendigen 10 %.“315 Es sei noch erwähnt, dass dieses Volksbegehren erst durch eine Klage Paul-Ludwig Weinachts beim Bundesverfassungsgericht gegen den Bundesminister des Inneren am 8. Februar desselben Jahres durchgeführt werden konnte. Nach dem Entscheid des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1956 schien der Weg frei, der badischen Bevölkerung alsbald die Gelegenheit zu bieten, durch Volksentscheid über die Frage der Wiederherstellung ihres Landes oder sein Verbleiben im

314 ebenda, Neumayer, 1988, S. 281 315 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2011 online: http://www.statistik- bw.de/Wahlen/Volksabstimmung_2011/frAbstimmungen.asp (06.01.2012) 175

Südweststaat zu entscheiden (Auszüge aus der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts zum Zweiten Neugliederungsgesetz vom 30. Mai 1956, siehe Anhang, Seite 374). Unter dem Vorwand, zeitgleich in den übrigen Volksbegehrensgebieten ehemaliger Freistaaten eine Abstimmung durchzuführen, wurde der Erlass des erforderlichen Bundesgesetzes zurückgehalten. „Ein zu diesem Zwecke am 21. März 1957 von 127 Abgeordneten des Bundestages eingebrachter und am 9. Mai 1958 von 140 Abgeordneten erneuter Antrag auf Verabschiedung eines Gesetzes, das die Durchführung eines badischen Volksentscheids über die Wiederherstellung des früheren Freistaates Baden als Bundesland zum Gegenstand hatte und der mit einer Mehrheit von dreizehn gegen zwei Stimmen bei einer Enthaltung vom Bundestagsausschuss für Rechtswesen und Verfassungsrecht schon am 21. Juli 1957 für mit Art. 29 des Grundgesetzes vereinbar befunden wurde, wurde unerledigt von Wahlperiode zu Wahlperiode verzögert und somit annähernd fünfzehn Jahre verschleppt.“316 Bei sofortiger Durchführung des Volksentscheides wäre es durchaus denkbar gewesen, dass sich eine Mehrheit für die Wiederherstellung des früheren Landes Baden ausgesprochen hätte. „Sowohl die Stuttgarter Landesregierung wie auch die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes haben offenbar seinerzeit einen solchen Ausgang des Volksentscheids befürchtet. Unverständlich bleibt jedoch, weshalb erst am 19. August 1969 bzw. 26. Februar 1970 die erlassenen Gesetze über die Modalitäten der erforderlichen Abstimmung so lange zurückgehalten wurden.“317 Nach so einem langen Zeitraum ist es leicht nachvollziehbar, dass sich die Zahl derjenigen, die sich für eine Wiederherstellung des alten Landes Baden einsetzten, verringert hat. Schon deshalb, weil viele nicht mehr in der Tradition des alten Großherzogtums bzw. des Freistaates aufgewachsen waren. Hinzu kommt natürlich auch, dass nach fast zwanzig Jahren Baden- Württemberg durchaus gewichtige Argumente gegen eine Wiederauflösung zum

316 ebenda, Neumayer, 1988, S. 282/283 317 ebenda, Neumayer, 1988, S. 282/283 176

Tragen kommen. Letztlich sprachen sich im Volksentscheid des Jahres 1970 lediglich 18,1 % der Abstimmenden für die Wiederherstellung eines Bundeslandes Baden aus.“318 „25 Jahre nach der Zerreißung Badens und 18 Jahre nach der Gründung des Bundeslandes Baden-Württemberg wird die normative Kraft des Faktischen einmal mehr augenscheinlich.“319

5. Einigung auf Verdacht Die politische Auseinandersetzung zwischen Badenern und Südweststaatlern (1948-1951) Für eine Wiederherstellung Badens in seinen alten Grenzen war es in den Nachkriegsjahren nicht gut bestellt. Das lag zum einen daran, dass die alliierten Besatzungsmächte an ihrer Deutschlandpolitik festhielten und für das badische Ansinnen wenig übrig hatten. Zum anderen gab es auf der Ministerpräsidentenkonferenz vom 8. / 9. Juli 1948 bezüglich der Neugliederung der Westzonen keine Einigung, und Baden stand mit seinen Interessen gegenüber den anderen Ländern isoliert da. Am 2. August 1948 trafen sich die Regierungschefs der Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg- Hohenzollern auf dem Hohen Neuffen zu Beratungen. Die Beratungen scheiterten jedoch, da die Standpunkte konträr zueinander standen. Während Leo Wohlebs Verhandlungsziel die Wiederherstellung des Landes Baden in seinen alten Grenzen war, so hatte Württemberg-Hohenzollern bereits feste Vorstellungen für einen Länderzusammenschluss im deutschen Südwesten ausgearbeitet. Am 10. August 1948 trafen sich die Delegationen der drei Länder zur Ausarbeitung des vereinbarten Staatsvertrages, welcher den Länderzusammenschluss regeln sollte. Wohleb strebte, vor einer möglichen Vereinigung der Länder, die Wiederherstellung der Traditionsländer Baden und

318 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2011 online: http://www.statistik- bw.de/Wahlen/Volksabstimmung_2011/frAbstimmungen.asp (06.01.2012)

319 Neumayer, 1988, S. 284 177

Württemberg in ihren historischen Grenzen an und forderte weitreichende Autonomierechte für Baden. Reinhold Maier hingegen beanspruchte aufgrund der wirtschaftlichen Vorrangstellung Württemberg-Badens eine Führungsrolle und erwartete einen Anschluss der südlichen Länder an den nördlichen Landesteil Württemberg-Baden. Zwar waren sich sowohl die Stuttgarter als auch die Tübinger Regierung weitestgehend einig bezüglich einer Länderehe, aber letztlich standen sich beide Positionen unnachgiebig gegenüber. Nach dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz sollte eine Volksabstimmung über die zukünftige Ländergestaltung entscheiden – natürlich das Einverständnis der jeweiligen Militärregierungen vorausgesetzt. Bis zur Gründung der Bundesrepublik sollten die provisorisch geschaffenen Nachkriegsgrenzen erhalten bleiben. „Somit schien eine Aussetzung des geplanten Artikels 29 des Grundgesetzes möglich. Dieser Artikel sollte eine allgemeine Neugliederung vorbereiten. Wenige Tage vor dem Abschluss der Beratungen des Parlamentarischen Rates legte Gebhard Müller im Einvernehmen mit Reinhold Maier einen Antrag vor, welcher als Artikel 118 angefügt werden sollte und eine Sonderregelung für die Neugliederung des deutschen Südwestens beinhaltete.“320 Mit der Annahme dieses Antrages wurde ein Artikel ins Grundgesetz aufgenommen, der einerseits keinen verfassungsrechtlichen Rang besaß, andererseits eine einmalige Sonderregelung darstellte und somit im restlichen Bundesgebiet keine Anwendung finden konnte. Durchsetzungsfähig war dieser Zusatz lediglich dadurch, dass darin keine anderen Länderinteressen tangiert wurden. Die Regierungen von Württemberg-Hohenzollern und Württemberg-Baden konnten auf diese Weise nicht nur ihre Südweststaatspolitik erfolgreich fortsetzen, sondern sie bewirkten damit auch, dass die Neugliederung des Südwestens allein im deutschen Zuständigkeitsbereich lag. Die Länderregierungen hatten nun die Aufgabe, die formalen Modalitäten für eine Abstimmung festzulegen. Allen Beteiligten war klar geworden, dass der

320 Bury ,1988, S. 296 178

Abstimmungsmodus und die Abstimmungsfrage den entscheidenden Einfluss auf das Abstimmungsergebnis haben würden. Von südbadischer Seite war vorgeschlagen worden, das Wahlrecht auf die Bewohner der alten Länder Baden und Württemberg vom 1. September 1939 zu beschränken. Dieser Vorschlag fand allerdings keine Zustimmung, da er einen unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand bedeutet und zusätzlich alle Flüchtlinge und Heimatvertriebenen von der Abstimmung ausgeschlossen hätte. Als Wohleb erkannte, dass er seine Vorstellungen einer Neugliederung, bedingt durch politische und institutionelle Vorgaben, nicht durchsetzbar erschienen, versuchte er den Konflikt in der Öffentlichkeit zuzuspitzen. Ab 1949 schien eine sachliche Auseinandersetzung zwischen Badenern und Südweststaatlern kaum mehr möglich und die Verhandlungsoptionen waren ausgeschöpft. Nun gingen beide Seiten daran, mittels Propaganda Anhänger zu mobilisieren und für ihre jeweiligen Neugliederungsvisionen zu gewinnen. Auf badischer Seite gründete man die Arbeitsgemeinschaft der Badener. Diese versuchte eine Volksabstimmung über das Schicksal Gesamtbadens propagandistisch insbesondere in Nordbaden vorzubereiten und zu begleiten. Um den Kommunikationsfluss und den Informationsstand zu optimieren, setzte man in Baden auf eine „enge personelle Verzahnung zwischen der Arbeitsgemeinschaft und der Landesregierung. So entstand ein dichtes Netzwerk von staatlichen Stellen, Kirchen und gesellschaftlichen Institutionen.“321 Wohleb operierte ab 1949 einerseits über die politische Schiene der Landesregierung, andererseits über die mit der Gesellschaft eng verzahnte Arbeitsgemeinschaft. Personell wurde Wohleb vor allem vom Ministerialdirektor in der Staatskanzlei Janz, dem städtischen Verwaltungsdirektor Benz, dem Oberlandesgerichtspräsidenten Zürcher und dem Kammerpräsidenten Kreuzer unterstützt. Klaus-Jürgen Matz322 sah von Anfang an wenig Chancen für das badische Ansinnen der Wiederherstellung des alten Landes Baden in seinen historischen Grenzen.

321 ebenda, Bury, 1988, S. 298 322 Matz, Stuttgart, 1991 179

Gründe dafür sieht er vor allem in den unterschiedlichen Voraussetzungen, die durch die Besatzungspolitik in Nord- und Südbaden geschaffen wurden. Diese Voraussetzungen waren denkbar ungünstig, bedenkt man, dass sich ausgerechnet das strukturschwächere Südbaden zum Sprachrohr und zur Interessensvertretung Gesamtbadens erklärte. Paul-Ludwig Weinacht ist soagar der Ansicht, dass der Heimatbund Badenerland eine Art „Schattenstaat“ bildete. „Als antizipierter gesamtbadischer Staat hatte sich bereits die Vorgängerorganisation, die Landesarbeitsgemeinschaft der Badener (1949- 1952), artikuliert. Quer zu den damaligen Besatzungs- und neu entstandenen Landesgrenzen verband sie die Bevölkerung Badens und mobilisierte in ihr einen mehrheitlichen Willen zur Wiederherstellung des alten Landes. Zum Schattenstaat-Konzept, passt, dass die Landesarbeitsgemeinschaft vom amtierenden Staatspräsidenten, Leo Wohleb, geführt wurde und die Staatssymbolik: Flagge, Heraldik und Hymne sich zueigen machte.“323 Die Hymne blieb auch für den Heimatbund ab 1952 in Kraft. Auch von Regierungsseite fand der Begriff der Bewegung der „Altbadener“ Verwendung, allerdings setzte die Stuttgarter Regierung diese Bewegung gleich mit Begriffen wie Unruhe, Unfrieden, welches, so Weinacht, „durch die Landesregierung zu dämpfen und so das Land zu befrieden galt. Auflösung und Zerstreuung der „Altbadenerbewegung“ waren angesagt.“324 Das von Leo Wohleb regierte Südbaden „umfasste zwar zwei Drittel des gesamtbadischen Staatsgebietes, jedoch lebten darin mit knapp 1,2 Millionen Menschen nicht einmal die Hälfte der badischen Bevölkerung.“325 Als Gegengewicht entstand auf Seite der Südweststaat-Befürworter die Vereinigung Südwest um die Staatssekretäre Württemberg-Hohenzollerns Theodor Eschenburg und Württemberg-Badens Konrad Wittwer. „Sowohl die

323 Weinacht, 1992 (2. Auflage), S. 301

324ebenda, Weinacht, 1992, S. 305/306

325 ebenda, Matz, 1991, S. 48 180

Arbeitsgemeinschaft der Badener als auch die Vereinigung Südwest waren keine eingetragenen Vereine, sondern eher lose Zusammenschlüsse interessierter Bürger.“326 Vor allem in Nord- und Südbaden warben beide Arbeitsgemeinschaften um Aufmerksamkeit und die Stimmen der Bevölkerung. Die Werbung erfolgte über spektakuläre Aktionen, öffentliche Veranstaltungen, Flugblätter, Plakate, Zeitungen und Broschüren. In Baden stellte man vorwiegend einen emotionalen Heimatbegriff in den Mittelpunkt der Werbemaschinerie. Der verwendete Heimatbegriff war kein regional bezogener Begriff, sondern vielmehr identisch mit dem Staat Baden und umfasste automatisch auch eine historisch-politische und staatsrechtliche Dimension. Dies verdeutlichen beispielhaft nachfolgende Werbeslogans: „Badnerland, Heimatland“ oder „Der Kampf um Badens Einheit und Freiheit ist nicht die Sache einer Partei, sondern eine Vernunft- und Herzensentscheidung aller Badener“ oder „Baden soll leben, und wir wollen leben in Baden“. Leo Wohleb personifizierte mit seiner Beliebtheit den Heimatgedanken. Aus dieser Logik der Altbadener heraus resultierte das badische Recht auf Selbstbestimmung. Folgerichtig konnte ein Zusammenschluss mit Württemberg nur dann erfolgreich sein, wenn dieser über gleichberechtigte zwischenstaatliche Verhandlungen und unter Wahrung badischer Interessen erfolgen würde. Diese Position prägte sowohl das Vorgehen der badischen Landesregierung als auch die publizistische und juristische Strategie der Altbadener bis zur letzten und endgültigen Abstimmung des Jahres 1970. Überzeugungsarbeit erhoffte sich Wohleb vor allem auch vom Versprechen der Stärkung der kleinen Städte und Landgemeinden. Gerade Gemeinden im ländlichen Raum wurden auf diese Weise zum Träger des badischen Widerstandes stilisiert. Ein beispielhafter Werbeslogan Altbadens lautete entsprechend, „wir geben den Löffel nicht aus der Hand“. Neben der empfundenen Verpflichtung für die badische Tradition und Geschichte und das badische Gemeinwesen kam als weitere

326 ebenda, Bury, 1988, S. 299 181

Machtressource des Heimatbundes die katholische Kirche hinzu. Der Erzdiözese Feiburg kam folglich eine zentrale Rolle zu. „Schon im Vorstand der Landesarbeitssgemeinschaft der Badener hatte der einflusssreiche Prälat Dr. Aloys Eckert vom Freiburger Domkapitel bis 1951 figuriert und mit bedeutsamen Argumenten in den Abstimmungskampf eingegriffen. Der Freiburger Prälat Dr. Ernst Föhr und viele andere Geistliche – unter ihnen der nordbadische Pfarrer Strobel – machten aus ihrer nicht in jedem Fall CDU- gebundenen badischen Grundhaltung auch danach keinen Hehl. Der Männerseelsorger der Erzdiözese, Dr. Aloys Stiefvater, gehörte unter die aktivsten Freunde des alten Baden, zugleich zu den Stützen der Westpolitik Adenauers gegen neutralistische und pazifistische Strömungen im kirchlichen Lager.“327 Ein weiterer Machtfaktor für den Heimatbund stellten die Kommunen dar, zumindest diejenigen, welche im Kerngebiet Badens lagen. Diese waren gegenüber dem badischen Staatswesen besonders loyal. Das lag unter anderem daran, dass die Freiburger Regierung etlichen Gemeinden die Stadtrechte verliehen hatte, die während der Kreisrefrom im Dritten Reich verloren gegangen waren. Der hohe Stellenwert der Selbständigkeit und die Dankbarkeit für diese Wiedergutmachung äußerte sich in einer starken Loyalität zum badischen Gemeinwesen. Somit ist es sicherlich kein Zufall, „dass der letzte unter den südbadischen Landtagsabgeordneten, Erhard Schrempp, der in Stuttgart die Sache Badens im Sinn des Heimatbundes verfocht, ein Bürgermeister aus der mittelbadischen Stadt Gengenbach war. Natürlich waren nordbadische Gemeinden und Gemeindevertretungen nicht erreicht worden. Anders als der kirchliche Machtfaktor war der kommunale also „halbiert“. Und so musste der Heimatbund organisationsmäßig ersetzen, was dem gesamtbadischen „Schattenstaat“ unter dem Dach des Landes Baden- Württemberg an badischen Organen mangelte.“328 Die Argumente der

327 ebenda, Weinacht, 1992, S. 309

328 ebenda, Weinacht, 1992, S. 309/310

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Südweststaat-Befürworter bezogen sich primär auf ökonomische Vorteile, die eine Länderfusion vorgeblich mit sich brächte und von der alle Bewohner des neuen Bundeslandes spürbar profitieren würden. Wirtschaftsverbände, Städte und Berufsorganisationen Nordbadens befürworteten einen Zusammenschluss und ließen sich überzeugen von der Zugkraft ökonomischer Argumente. Die raschere wirtschaftliche Genesung des unter amerikanischer Besatzung stehenden Nordbadens wurde aber auch durch den Zustrom von Flüchtlingen begünstigt, die als Arbeitskräfte dringend benötigt wurden. Die Alliierten hatten schließlich auf der Potsdamer Konferenz 1945 die ordungsgemäße Überführung von Flüchtlingen vertraglich geregelt. Da die Franzosen an dieser Konferenz offiziell nicht beteiligt waren, sahen sie sich auch nicht verpflichtet, in ihrer Zone Flüchtlinge aufzunehmen. Dies wiederum erwies sich, für die vor allem von Südbaden iniziierten Anstrengungen einer Wiedervereinigung mit Nordbaden, als nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch äußerst nachteilhaft. „ Das amerikanisch besetzte Württemberg-Baden sah sich innerhalb eines Jahres mit dem Zuzug von mehr als einer halben Millionen Menschen konfrontiert. Rund 180.000 der Neuankömmlinge entfielen auf Nordbaden.“329Aber auch überregionale Organisationen wie Gewerkschaften und einige Industrie- und Handelskammern, welche auch für Südbaden zuständig waren, begrüßten einen Zusammenschluss und schlugen kräftig die Werbetrommel. Durch die sich tatsächlich allmählich verbessernde wirtschaftliche Situation vor allem in der amerikanischen Besatzungszone entfaltete die Argumentation, dass ein leistungsstarkes Land auch einen einheitlichen Wirtschaftsraum benötige, enorme Überzeugungskraft. Es sollte in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, dass gerade in Südbaden und Südwürttemberg durch die französischen Demontagen, Lebensmittelentnahmen und Reparationen der Aufschwung stark behindert wurde, was den Südweststaat-Befürwortern argumentativ nutzte. Dass großräumige

329 Bochardt-Wenzel, 2011, S. 160 183 wirtschaftliche Zusammenhänge im Einklang mit politischen Grenzen stehen sollten und als vorteilhaft galten, erschien vielen Menschen seinerzeit als plausibel. Der Wunsch nach einem Neuanfang mit fortschrittlicher, zukunftsoptimistischer Ausrichtung bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum entsprach dem Bedürfnis vieler Menschen in der Nachkriegszeit. Aus dieser Sicht erschienen vielen Lokalpatriotismen und Sonderinteressen als tendenziell rückwärtsgewandt und nicht mehr zeitgemäß. Dass wirtschaftlich starke Länder für eine positive Entwicklung der jungen föderalistischen Bundesrepublik eine wichtige Grundlage darstellten, lässt sich ebenso als plausibles Argument nachvollziehen. Dennoch wurde der Begriff der Altbadenerbewegung auch von Seiten der Regierung verwendet. Obwohl die Verhandlungen und Vermittlungsversuche zwischen den Ländern bereits gescheitert waren, regten Leo Wohleb und Gebhard Müller Mitte März 1950 eine Volksbefragung an, um im Anschluss daran erneut in Verhandlungen treten zu können. Das Ergebnis der Volksbefragung vom 24. September 1950 interpretierten beide Seiten für sich. Fakt ist jedoch, dass in den württembergischen Abstimmungsbezirken eine überwältigende Mehrheit für den Südweststaat votierte, allerdings ergab sich in Gesamtbaden eine, wenn auch geringe Mehrheit für die Wiederherstellung der alten Länder. Allen Beteiligten wurde nun klar, dass bei einem Volksentscheid vor allem die Abstimmungsmodalitäten über Erfolg und Misserfolg entscheiden würden. Wirft man einen vergleichenen Blick auf die beiden Befragungen vom Juli und September 1950 und den Volksentscheid des Jahres 1951, so lässt sich folgendes feststellen: „In Nordbaden konnte man den 40 %-Anteil für Baden zunächst um gut zwei Prozent verbessern und somit von Juli bis September auf erhöhtem Niveau behaupten. In Südbaden waren die Steigerungsraten noch eindrucksvoller. Auf dem hohen Ausgangsniveau von 54 % wurden zunächst fünf, dann noch einmal zweieinhalb Prozentpunkte zugelegt. Die Stimmung in Baden hat sich also innerhalb von eineihalb Jahren um 10%-Punkte zu Gunsten

184 der alten Länder verschoben.“330 Im Jahre 1959 startet die Landesregierung abermals eine Umfrage, die über die Akzeptanz des Südweststaates in Baden Auskunft geben sollte. „Noch 1959 war (…) die Akzeptanz des Südweststaats im Gebiet Südbadens schwach, obgleich die Zustimmung zu einigen alt- badischen Sentenzen rückläufig war. (…) Jeder fünfte repräsentativ Befragte im Landesteil Baden sagte noch 1959, der Gedanke an die Geschichte und Tradition Badens reiche allein für sich vollständig aus, um die Wiederherstellung eines selbständigen Badens zu begründen.“331 „Nach dem sich die Länderregierungen in der Frage der Regelung ihrer Ländergrenzen nicht einigen konnten, ging die Kompetenz in dieser Frage nach Artikel 118, Absatz 2 des Grundgesetzes an den Bund über. Die Positionen blieben beidseitig unverändert und der Bund sollte nun die Abstimmungsmodalitäten für eine Volksabstimmung festlegen. Die südwürttembergische Regierung schlug eine Einteilung in vier Abstimmungsbezirke vor. Sofern sich in drei Abstimmungsbezirken eine Mehrheit ergab, sollte der Südweststaat gebildet werden. Wahlberechtigt sollten all diejenigen sein, die neben der deutschen Staatsbürgerschaft das Wahlalter erfüllten und mindestens seit einem Jahr im Abstimmungsbezirk lebten. Da der Freiburger Vorschlag die Flüchtlinge stimmrechtlich ausgrenzte, standen die FDP, SPD und die Vertriebenenverbände geschlossen hinter der Bildung des Südweststaates. Da die CDU sich in dieser Frage uneins war, blieb den CDU-Abgeordneten im Bundestag das Abstimmungsverhalten auch praktisch freigestellt. Die CDU-Bundesregierung versuchte die Neugliederungsfrage auszusetzen und eine bundesrechtliche Regelung zu vertagen. Die SPD, allen voran Carlo Schmid wies diesen Versuch zurück. Hinzu kam, dass die Legislaturperioden der Landtage von Württemberg-Hohenzollern und Baden im Mai 1951 endeten. Da man eine Dominanz der Neugliederungsfrage im Landtagswahlkampf befürchtete, wollte man die Neuwahlen und die

330 ebenda, Weinacht, 1992 , S. 306 331 ebenda, Weinacht, 1992, S. 307

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Volksabstimmung in unmittelbarer zeitlichen Nähe vermeiden. Der Bundestag brachte daher den gemeinsamen Entwurf ein, der die Wahlperiode des württemberg-hohenzollerschen und des badischen Landtages bis spätestens zum Außerkrafttreten der beiden Länderverfassungen verlängern sollte. Obwohl der Bundesrat dieses Gesetz mehrheitlich für verfassungswidrig einstufte, ließ er es dennoch passieren.“332 Dieses Blitzgesetz erhielt den Namen „Erstes Gesetz zur Durchführung der Neugliederung in dem die Länder Baden, Württemberg- Baden und Württemberg-Hohenzollern umfassenden Gebiete gemäß Artikel 118, Satz 2 des Grundgesetzes“. Zusammen mit dem eigentlichen Neugliederungsgesetz, das den Zusatz „Zweites“ erhielt, wurde es am 4. Mai 1951 verkündet. Am 25. Mai 1951 reichte die südbadische Regierung Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen das beschlossene Neugliederungsgesetz ein. Ein unglücklicher Umstand erwies sich dem badischen Anliegen als nicht gerade förderlich. Da das Bundesverfassungsgericht sich noch nicht konstituiert hatte, war es äußerst fraglich, ob die Klage noch vor der geplanten Volksabstimmung behandelt werden konnte. Die Nominierung seines Präsidenten bereitete dem obersten Gericht Schwierigkeiten. Im Mai 1951 war Gebhard Müller offiziell für das Präsidentenamt nominiert worden. Er forderte die Aussetzung der Konstituierung bis nach der Volksabstimmung. Wohleb hingegen agierte genau umgekehrt, er forderte die Aussetzung der Neugliederung bis das Bundesverfassungsgericht seine Tätigkeit aufgenommen habe. „Das Bundeskabinett kam in dieser Situation zu dem Entschluss, die für den 16. September geplante Volksabstimmung bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auszusetzen. (…) Die Undurchschaubarkeit der Vorgänge auf bundespolitischer Ebene weckten Mißtrauen auf beiden Seiten und heizten den emotional geführten Wahlkampf weiter an. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts erfolgte am 23. Oktober 1951 und wies die südbadische Klage in seinen wesentlichen Punkten ab.“333 Somit konnte die

332 ebenda, Bury, 1988, S. 304 333 ebenda, Bury,1988, S. 304/305 186

Volksabstimmung zum angesetzten Termin am 9. Dezember 1951 durchgeführt werden. „In Nordbaden votierten 57,1 % für den Südweststaat und 42,9 % für die Wiederherstellung der alten Länder, in Südbaden waren es 37,8 % gegenüber 62,2 %, in Nordwürttemberg 93,8 % gegenüber 6,2 % und in Südwürttemberg (einschließlich Hohenzollern) 91,4 % gegenüber 8,6 %. Wäre man bei der Einteilung der Abstimmungsbezirke dem Vorschlag Leo Wohlebs gefolgt, dann hätte sich für Gesamtbaden eine Mehrheit von 52,2 % ergeben.“334 Die badische Regierung trat Ende Mai 1952 nach Inkrafttreten des Überleitungsgesetzes zurück.

6. Argumente im Abstimmungskampf 1951 Im Vorfeld der Abstimmung des Jahres 1951 tobte ein zuweilig sehr emotionaler Wahlkampf um die Gunst der Stimmen. Politische Karikaturen, beidseitige Verunglimpfungen hatten Hochkonjunktur. Nichts desto trotz gab es auch an der Sache orientierte Argumente auf beiden Seiten. Im Vorfeld des Abstimmungskampfes ging es also nicht nur um die Bildung des Südweststaats oder die Rückkehr zu den alten Traditionsländern, sondern auch um ein Kräftemessen zwischen Emotion und rationalen Zwecküberlegungen. Betrachtet man die Argumente der Befürworter des Südweststaates, so treten vor allem ökonomische Argumente in den Vordergrund. Ein geeintes Bundesland hätte vor allem den Vorteil einer größeren Wirtschafts- und Finanzkraft, die sich auch bei der Beseitigung der Kriegsschäden und dem Wiederaufbau einer leistungsfähigen Infrastruktur durch die doppelte Finanzkraft beider Länder besser nutzen ließe. Der Länderzusammenschluss habe aber auch politisch erhebliche Vorteile gegenüber einer jeweiligen Autarkie. Insbesondere sei man nicht auf den Länderfinanzausgleich des Bundes angewiesen und man könne über ein stärkeres Gewicht im Bundesrat ein bundespolitisch größeres Gewicht

334 ebenda, Bury, 1988, S. 305 187 beanspruchen. Hinzu kamen Argumente von niedrigeren Verwaltungskosten in einem geeinten Bundesland. „Auch die Probleme von En- und Exklaven in den Grenzräumen könnten durch eine Länderehe behoben werden. Nicht zuletzt führten einige Gelehrte auch die vermeintliche Existenz einer historischen Traditionslinie der Staufer aus dem Mittelalter ins Feld, um einen landsmannschaftlichen Zusammenschluss zu rechtfertigen.“335 Auch die Verfechter einer badischen Traditionslösung waren um plausible Argumente nicht verlegen und versuchten z.T. die Argumente der Gegenseite zu widerlegen. Vor allem die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit Badens wurde immer wieder betont, zumal Baden über zahlreiche Industrie- und Kraftwerksbetriebe entlang der Rheinschiene verfüge und somit in einer zunehmend europäisch ausgerichteten Zukunft berechtigte Überlebenschancen habe. Die durch den Schwarzwald gegebene topographische Abgrenzung von Württemberg stelle einen naturgegebenen Widerspruch zu jedweden Vereinigungsplänen dar. Gerade der viel beschworene und befürchtete Stuttgarter Zentralismus spielte im Abstimmungsvorfeld eine zentrale Rolle. „Einer Stuttgarter Regierung misstraute man von Grund auf, zumal man aus badischer Sicht durch einen Länderzusammenschluss definitiv nicht nur geographisch, sondern auch politisch an die Peripherie gedrängt würde.“336 Diese Sorge wird auch bei Theodor Eschenburg in seiner Einschätzung von Leo Wohlebs Kampf für den Erhalt Gesamtbadens deutlich. „Das imperialistische Württemberg drohe Baden zu vergewaltigen. Ständig fühlte er sich und sein Land von den Schwaben betrogen und glaubte, diese Gefahr nur durch deren Übertrumpfung bannen zu können.“337 Es erschien geradezu unmöglich zu sein, dass sich eine Stuttgarter Landesregierung auch nur in Ansätzen für die badischen Interessen einzusetzen bereit gewesen wäre, zumal die Württemberger in einem gemeinsamen Parlament ohnehin die

335 Hepp, 1997, S. 258 336 ebenda, Hepp, 1997, S. 259 188

Mehrheit stellen würden und somit eine Majorisierung unumgänglich erschien. Dem Argument einer kostengünstigeren geeinten Verwaltung hielt man entgegen, dass in einem geeinten größeren Bundesland verwaltungspolitische Mittelinstanzen eingeführt werden müssten, die letztendlich teurer seien als zwei eigenständige Verwaltungsapparate. In Baden spielten neben den genannten Argumenten vor allem auch landsmannschaftliche Gesichtspunkte eine sehr große Rolle. „Man fürchtete, dass das über 150 Jahre gewachsene und überlieferte Heimatgefühl sowie das badische Staatsgefühl, württembergischen Zweckmäßigkeiten weichen müsse. In diesem Zusammenhang sprach man auch vom so genannten Stuttgarter „Reißbrettföderalismus“.“338 Wohleb verstand es meisterhaft, das badische Volk, insbesondere Südbadens, zu mobilisieren. „ Die badische Regierung in Freiburg unter der Leitung von Staatspräsident Leo Wohleb wurde zur Vorkämpferin für eine Wiedererrichtung der Vorkriegsländer, und sie verstand es, durch wirkungsvolle Propaganda in Südbaden, aber auch in Nordbaden weite Bevölkerungskreise für ihr politischesProgramm zu gewinnen.“339 Nicht zuletzt fühlte man das badische Rechtsbewusstsein und das badische Selbstbestimmungsrecht durch den Abstimmungsmodus des Zweiten Neugliederungsgesetzes aufs tiefste verletzt. Unter ökonomischen Aspekten war der Länderzusammenschluss ein voller Erfolg, der vor allem auch dem wirtschaftlich ärmeren Landesteil Baden zu Gute kam. So war Baden-Württemberg nach 25 Jahren zum zweitgrößten Industrieland der Bundesrepublik aufgestiegen. Die Südweststaat-Anhänger sahen sich dadurch natürlich bestätigt. Und selbst der Ministerpräsident Filbinger meinte als Badener im Vorfeld der Abstimmung von 1970, dass Baden zwar als eigenständiges Bundesland weder finanz- noch wirtschaftspolitisch

337 Eschenburg, Die Entstehung Baden-Württembergs, in: Bausinger/Eschenburg, Baden-Württemberg, eine politische Landesskunde, Stuttgart, 1975, S. 50 338 ebenda, Hepp, 1997, S. 259 339 Sauer, 1997, S. 255

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überlebensfähig, allerdings auch, gemessen an seiner Bevölkerungszahl, an den Leistungen des Landes überproportional beteiligt gewesen sei. „Es gab in Baden allerdings auch andere Stimmen, die die Dinge nicht nur etwas differenzierter, sondern mitunter auch genau umgekehrt betrachteten. Bestimmte Bevölkerungskreise sahen den wirtschaftlichen Aufschwung nicht als eine Leistung des geeinten Bundeslandes, sondern vielmehr in einem größeren Zusammenhang des allgemeinen Wirtschaftswunders der Nachkriegszeit, von dem die gesamte Bundesrepublik profitierte. Diese Einschätzung beruhte vor allem auf dem so genannten Luther-Gutachten des Jahres 1957.“340 Es handelte sich dabei um eine unabhängige Sachverständigenkommission, die dem badischen Landesteil auch eine selbständige solide finanz- und wirtschaftspolitische Überlebensfähigkeit bescheinigte. Heftige Kritik äußerte man auch gegen die schwäbischen Großprojekte wie der Ausbau des Neckarkanals bis Plochingen oder die Bodenseewasserversorgung des Stuttgarter Großraumes. Hierin sah man eine klare Bevorzugung Württembergs gegenüber badischen Großprojekten. Besonders die Elektrifizierung der Schwarzwaldbahn von Offenburg nach Konstanz und die Schiffbarmachung des Hochrheins vom Bodensee nach Basel empfand man als minderwichtig behandelt. Die Elektrifizierung der Schwarzwaldbahn wurde zwar nach langer Verzögerung 1977 endlich abgeschlossen, jedoch in Sachen Schiffbarmachung des Hochrheines gab es keine Fortschritte, obwohl auch die Schweiz an diesem Vorhaben Interesse bekundete und bereits 1963 der baden-württembergische Landtag in einer Resolution den baldigen Beginn des Ausbaus beschlossen hatte. Dennoch bleibt bei objektiver Betrachtung festzuhalten, dass bis zu diesem Zeitpunkt badische wie württembergische Projekte ungefähr in gleichem Maße gefördert wurden. Somit lässt sich unter finanzpolitischem Aspekt keine Benachteiligung des badischen Landesteils feststellen, auch wenn man es dort

340 ebenda, Hepp, 1997, S. 260 190 subjektiv anders empfunden hatte, weil die aus badischer Sicht vorrangigen Projekte zunächst keine Realisierung erfuhren. Württemberg konnte seinen wirtschafts- und finanzpolitischen Vorsprung gegenüber Baden zwar ausbauen, jedoch muss man berücksichtigen, dass Württemberg gegenüber dem badischen Landesteil in Sachen Finanzkraft bereits von einem höheren Niveau aus startet. Neben dem so genannten Hotzenwaldprogramm, der Wiederherstellung und Elektrifizierung der Bahnlinie Mannheim-Basel, dem Ausbau der Autobahn Karlsruhe –Basel, dem Wiederaufbau der Universität Freiburg und den Sonderhilfen für den Wiederaufbau besonders kriegszerstörter Städte wie Kehl, Neuenburg und Breisach könnte man noch viele weitere Projekte nennen, die tatsächlich realisiert wurden. Aufgrund der Vielzahl badischer Anliegen wäre es an dieser Stelle ebenso wenig ein Problem, eine Negativliste nicht realisierter Projekte zu erstellen. An dieser Stelle muss der Ausgewogenheit wegen erwähnt werden, dass man für den württembergischen Landesteil in gleicher Art und Weise Positiv- und Negativlisten aufstellen und gegenüberstellen könnte. Regionale Diskrepanzen treten dann eher zum Vorschein, wenn man den Blick nicht auf die beiden Landesteile wirft, sondern auf die vier Regierungsbezirke. Dass Nordwürttemberg, insbesondere der mittlere Neckarraum, in Sachen Wirtschaftskraft eine klare Spitzenposition innerhalb des Landes einnimmt, ist wegen des Großraums Stuttgart nicht verwunderlich. Auch Nordbaden schneidet dank des Industriepotenzials im Rhein-Neckar Gebiet verhältnismäßig gut ab und liegt mit seiner Wirtschaftskraft deutlich vor Südwürttemberg-Hohenzollern. Ein deutliches Nord-Süd-Gefälle erkennt man im Vergleich zwischen Nordwürttemberg und Südbaden. Nicht von ungefähr kam daher die Sorge der Bevölkerung Nordbadens, dass sie ökonomische Nachteile zu erleiden hätte, wenn sie zugunsten der Wiederherstellung der Traditionsländer aus dem Land Württemberg-Baden, herausgelöst würden. Dies spiegelte sich dann auch im Votum Nordbadens für den Südweststaat wider. Sauer sieht darin sogar einen

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„eindeutigen Vetrauensbeweis für das Land Württemberg-Baden, in dem im Verlauf von sechs Jahren Badener und Württemberger in gleicher Weise heimisch geworden waren, sich gemeinsam aus tiefster Erniedrigung und fast hoffnungsloser Not emporgearbeitet und die große demokratische Tradition ihrer beiden alten Länder in das neue politische Gemeinwesen eingebracht hatten“.341 Die Schaffung des durch die amerikanische Besatzungsmacht geschaffenen Landes Württemberg-Baden stellt somit eine entscheidende Weichenstellung für die Bildung des Südweststaates bzw. des Landes Baden- Württemberg dar. Südbaden stellt die wichtigste Ferien- und Freizeitregion Baden-Württembergs dar. Geplante Großprojekte wie der Bau der Schwarzwaldautobahn oder der Bau des Atomkraftwerkes Wyhl waren mit dem Charakter dieser Region nicht vereinbar und stießen folgerichtig bei Umweltschützern auf erbitterten und erfolgreichen Widerstand. Neben den Problemen beim Versuch, ein ausgewogenes Verhältnis unter ökonomischen Aspekten zwischen den Landesteilen zu generieren, stellte gerade die Absicht der Ausgeglichenheit im administrativen Bereich eine ungleich schwerere Herausforderung dar. „Das neue Bundesland hatte mit seiner neuen Gemeinde- und Landkreisordnung sowie mit dem Landesverwaltungsgesetz und in der Folgezeit mit dem Polizei-, Lehrerbildungs- und Schulgesetz durchaus erfolgreich zur Rechtsvereinheitlichung beigetragen. Große Schwierigkeiten ergaben sich bei der ausgewogenen Besetzung der leitenden Ministerialbehörden, da sich vor allem zahlreiche badische Beamte weigerten, ihren Dienst im württembergischen Stuttgart zu leisten. „Im Jahre 1955 arbeiteten insgesamt in neun Ministerien in leitender Funktion 338 Beamte, davon stammten 155 aus Nordwürttemberg, 64 aus Südwürttemberg-Hohenzollern, 57 aus Südbaden und 46 aus Nordbaden. Von zehn Ministerialdirektoren stammten sieben aus Nordwürttemberg, zwei aus Nordbaden und einer aus Südbaden. In Sachen

341 ebenda, Sauer, 1997, S. 256 192

Personalstruktur stammten seinerzeit 62 % aus Württemberg und 38 % aus Baden bei einem Bevölkerungsanteil von 57 % : 43 %.“342 Große Bestätigung erfuhren die Skeptiker des Südweststaates aber vor allem bezüglich der gestiegenen Verwaltungskosten im neuen Bundesland. Hatte man 1951 für die Parlamente, Regierungen und Ministerien der drei südwestdeutschen Nachkriegsländer Kosten in Höhe von 43,7 Millionen DM veranschlagt, so musste man 1957 feststellen, „dass sich die Kosten durch die neu hinzugekommenen Regierungspräsidien als Mittelinstanzen auf knapp 60 Millionen DM beliefen und sich somit die Kosten für die Einrichtung der neuen Verwaltung um fast 40 % teurer entpuppten gegenüber den Verwaltungen der drei Besatzungsländer.“343 Baden-Württemberg leistete sich eine der teuersten Verwaltungen im gesamten Bundesgebiet. Erschwerend kam hinzu, dass die geplante Gebietsreform erst dann umgesetzt werden konnte, als über den Verbleib Badens im Südweststaat endgültig entschieden worden war. Erst die Baden-Abstimmung vom 7. Juni 1970 machte den Weg für die Gebietsreform frei, die zum 01.01.1973 in Kraft trat. Somit verschwanden die Grenzen des ehemaligen Landes Baden zumindest von der Landkarte endgültig. „Der neue Regierungsbezirk Freiburg gab den Landkreis Rastatt, den Stadtkreis Baden-Baden, Teile des ehemaligen Landkreises Bühl an Karlsruhe sowie im Bodenseegebiet den Landkreis Überlingen und Teile des Landkreises Stockach an Tübingen ab. Aus dem ehemaligen Südwürttemberg-Hohenzollern kamen die Landkreise Tuttlingen und Rottweil neu hinzu. Der neue Regierungsbezirk Karlsruhe erhielt neben den erwähnten südbadischen Kreisen zusätzlich von Südwürttemberg-Hohenzollern die Kreise Calw und Freudenstadt, während der Landkreis Tauberbischofsheim an Stuttgart fiel.“344 Auch wenn man sich aus rein landsmannschaftlicher Tradition betrachtet über den Sinn und Unsinn des Gebieteaustausches zwischen Württemberg und Baden streiten kann, so bleibt

342 ebenda, Hepp, 1997, S. 263 343 ebenda, Hepp, 1997, S. 263 344 ebenda, Hepp, 1997, S. 265/266 193 festzuhalten, dass dieser Gebietsschacher ohne nennenswerte Widerstände in den betroffenen Gebieten erfolgte. Nach der Gründung des neuen Bundeslandes 1952 wäre bereits ein solches Ansinnen undenkbar gewesen. So gesehen ist dies durchaus als ein Stück erfolgreiche Integration zu bewerten. Allerdings ist es ein Irrtum zu glauben, dass damit alle landsmannschaftlichen Gegensätze verschwunden seien. Man muss dies eher als eine Verlagerung betrachten, die sich von höchster politischer Ebene wegverlagert hatte und sich nun auf kulturell-kommunikativer Ebene ein neues Betätigungsfeld suchte. Betrachtet man in diesem Zusammenhang den sozio-kulturellen Aspekt, so drängt sich natürlich auch die Frage auf, ob es sich beim Bindestrichland Baden- Württemberg nun tatsächlich um einen Bindestrich oder vielleicht doch eher um einen Trennungsstrich handelt? Mit der Herausbildung eines spezifischen baden- württembergischen Landes- und Staatsbewusstsein tut man sich in Baden naturgemäß sehr schwer. Kulturelle und regionale Eigenheiten haben sich schließlich über lange Zeit hinweg entwickelt und sind tief verwurzelt. Dementsprechend erscheint es nur logisch, dass ein Landes- und Staatsbewusstsein für ein neues und vor allem nicht geschichtlich gewachsenes und somit künstliches Gebilde, wenn überhaupt, dann nur sehr langsam entstehen kann. „Bis heute gibt es einen selbständigen badischen Landesverband bei einer Vielzahl von Körperschaften oder Anstalten des Öffentlichen Rechts. An dieser Stelle seien nur die wichtigsten, wie etwa der Landeswohlfahrtsverband Baden, die badische Gebäudeversicherungsanstalt, der badische Sparkassen und Giroverband, (sowie der badische Sportbund) genannt.“345 Konkrete Ausführungen zu dieser Thematik finden sich in einem späteren Kapitel. „Beleuchtet man den politischen Aspekt so wird der Abstimmungsmodus des Jahres 1951 und die gesamtbadische Mehrheit von 52,2 % und somit die Geburtsstunde des neuen Bundeslandes zu einer schweren Hypothek. In Baden

345 ebenda, Hepp, 1997, S. 267 194 wurde der Länderzusammenschluss als Zwangsehe empfunden, mitunter sogar als Unrechtsstaat bezeichnet.“346 Dass die Gründung Baden-Württembergs mit einem schweren Makel behaftet war, stellt auch Karl Glunk in seiner Chronik der Jahre 1960-1970 fest. „Ein Bundesland, das zustande gekommen ist, weil man erst nach einer Probeabstimmung (1950) den endgültigen Wahlmodus so festlegte, dass das erwünschte Resultat herauskam (1951); die Verzögerung eines vom Bundsverfassungsgericht 1956 vorgeschriebenen Volksentscheids um 14 Jahre; ein Land dessen Verfassung nie dem Volke zur Abstimmung vorgelegt wurde; ein Parlament, das von der selbst erlassenen Verfassung keine Notiz nimmt und sich um das darin vorgesehene Ministergesetz drückt. Das verletzte Recht schrie nach Wiedergutmachung und in vielen badischen Köpfen auch nach Rache!“347 Es war die Summe vieler Unstimmigkeiten während der Gründungsphase, die das politische Klima und die Emotionen vergifteten. Entgegen jedem demokratischen Verständnis konnte die neue Landesverfassung nicht vom Volk abgesegnet werden, da man dem Volk diese Mündigkeit vorenthielt. Somit konstituierte sich die Landesversammlung aus eigener Kraft zum ersten baden- württembergischen Landtag, der gemäß einer Bestimmung der Landesverfassung bis 1956 im Amt bleiben sollte. Weiteres Öl ins Feuer goss die erste Regierung mit einem denkbar unglücklichen Regierungsbeginn. „Aus taktischen Erwägungen schloss Reinhold Maier die CDU, als stärkste Fraktion des Landes, von der Regierungsbildung aus, was in Baden großen Unmut hervorrief. Nachdem sich Konrad Adenauer nach den erfolgreichen Bundestagswahlen in die Landespolitik einschaltete, wurde 1953 umgehend Gebhard Müller zum neuen Regierungschef. Während die SPD und FDP sowohl die Existenz wie auch das Zustandekommen des neuen Bundeslandes frei von jedem Makel betrachteten, so war die CDU auch weiterhin in diesen beiden Fragen in sich zerrissen. Auf dem CDU Parteitag in Offenburg 1953 bekannte

346 ebenda, Hepp, 1997, S. 268 347 Glunk, 1992, S. 291/292 195 man sich zwar zum neuen Staatswesen, kritisierte aber die Missachtung des in einer Demokratie verankerten Selbstbestimmungsrechts und legte gegen den undemokratischen Abstimmungsmodus des Zweiten Neugliederungsgesetzes Rechtsverwahrung ein.“348 So stellte vor allem das Abstimmungsverfahren den entscheidenden Knackpunkt für Streitigkeiten dar. „Während die Freiburger dafür eintraten, dass die Stimmen nach den beiden alten Ländern gezählt werden, verlangte man in Stuttgart die Zählung der Stimmen gesondert nach den vier Landesteilen Nord- und Südbaden, Nord- und Südwürttemberg. Die Freiburger vertraten den Standpunkt, dass über diese Frage nur die Gesamtbevölkerung des alten LandesWürttemberg und des alten Landes Baden, die von den Besatzungsmächten willkürlich geteilt waren, entscheiden könnte. Die Stuttgarter Regierung berief sich auf die Verfassung des neuen Landes Württemberg-Baden und auf ihren Eid. Sie könnte nicht in die Auflösung dieses Landes gegen den Willen der Mehrheit der nordbadischen Bevölkerung einwilligen.“349 Demgegenüber stand die altbadische Argumentation, die sich vor allem auf das historische Recht des Fortbestandes der Traditionsländer stützte. Damit standen sich das Recht der historischen Tradition und das bestehende Verfassungsrecht Württemberg-Badens unvereinbar gegenüber. Eine erhoffte Stabilisierung des Südweststaates brachte auch nicht die seit 1953 bestehende Allparteienregierung. Im Gegenteil, von Transparenz politischer Entscheidungen konnte nicht die Rede sein und wegweisende Reformen wie etwa die Gebietsreform oder die Sparpläne für die Verwaltung wurden auf Eis gelegt. Zusätzlich verschärfte sich die Situation durch das 1956 durchgeführte badische Volksbegehren, das eine Neuansetzung der Abstimmung über die Zugehörigkeit des badischen Landesteils zum Südweststaat zwingend vorschrieb. Solange die badische Bevölkerung nicht die faire Gelegenheit hatte, über den Verbleib im Südweststaat abzustimmen, erschien jede Handlung, Tätigkeit und Entscheidung des Parlaments bzw. der Regierung als

348 ebenda, Hepp, 1997, S. 269 349 ebenda, Eschenburg, 1975, S. 52 196

Entscheidung unter Vorbehalt bzw. von provisorischem Charakter. Die Badenfrage und deren Ausgang stellte somit weiterhin das landespolitische Hauptproblem dar. „ Dem Südweststaatsargument der erhöhten Lebenskraft stand die altbadische Begründung der Tradition und Heimtliebe gegenüber. 150 Jahre hatte das alte Baden bestanden, und man war damit gut gefahren. Warum sollte man es nicht wiederherstellen? Die Altbadener fürchteten, die Württemberger würden ihr Land unterdrücken und ausnutzen.“350 Auch Weinacht beschreibt die Stimmungs- und Motivlage in Baden in vergleichbarer Art und Weise, allerdings sieht er auch bei Wohleb mehr wie nur rein emotional begründete Heimatmotive. „ Für die so genannten Altbadener sprach alles gegen ein Zusammengehen mit dem „ellenbogenstarken Volk der Schwaben“: die strukturelle Minderheit, in der die badische Landsmannschaft künftig lebte, der Wechsel vom Subjekt zum Objekt der Politikgestaltung, die Ablösung der badischen Residenzstadt Karlsruhe durch Stuttgart, die unvermeidlich folgen musste. Zudem lag für sie auf der Hand, dass als Bedingung für Zuschüsse und Karrieren nur eines zählte: Wohlverhalten. Darum war die Parole im Abstimmungskampf: „Der Heimat die Treue, Baden die Stimme“ für Wohleb und die Seinen nicht nur eine Sache des Herzens, sondern auch der Vernunft.“351 Die Badenfrage beherrschte bis in die sechziger Jahre hinein die jeweiligen Landtagswahlen. Das Verzögern der endgültigen Entscheidung der Badenfrage fand seinen Ausdruck auch in auffallend niedriger Wahlbeteiligung vor allem im badischen Landesteil und innerhalb Badens war ein klares Nord-Süd-Gefälle erkennbar. Die badische Bevölkerung brachte darin einerseits ihren Unmut über die Art und Weise des Zustandekommens des Südweststaates zum Ausdruck, andererseits zeigte sie mangelnde Identifikation mit dem neu geschaffenen Bundesland. Die Schwierigkeiten, die eine mangelnde Identifikation mit dem neu geschaffenen politischen Gemeinwesen mit sich bringen konnte, prophezeite Leo Wohleb bereits im Jahre 1948 in einer

350 ebenda, Eschenburg, 1975, S. 51 351 Weinacht, 2002, S. 33 197

Rede, in der er sich vor allem für einen fairen Abstimmungsmodus für beide Landesteile, also sowohl für das alte Baden, als auch für das alte Württemberg aussprach. „ Denn die alleinige Zulassung der Frage nach der Vereinigung würde von den Anhängern der altbadischen Richtung mit Recht als unbillig empfunden werden. Vollends bedeutet das Absehen von einer vorherigen staatsvertraglichen Regelung in diesem Falle eine durch nichts gerechtfertigte Preisgabe altbadischer Belange und könnte unerwünschte innerpolitische Gegenwirkungen in dem dann neugebildeten Südweststaat zur Folge haben. Darum plädieren wir für eine klare, saubere und gerechte Entscheidung.“352 Diese Prophezeiung Wohlebs wurde in Gestalt der Badenfrage Wirklichkeit. Und bis zum heutigen Tage hat die Vorhersage Wohlebs Gültigkeit, wenn auch nicht mehr als politische Frage ersten Ranges, aber doch auf einer kommunikativen Ebene, auf der die Badenfrage weiterhin existent ist. Mit der Wiederwahl Kiesingers zum Ministerpräsidenten 1960 endete die Allparteienkoalition und die Regierung wurde nun von CDU und FDP/DVP gebildet. Da aber auch die Badenabstimmung weiterhin verzögert wurde konnte von landespolitisch ruhigen Zeiten nicht die Rede sein. Dementsprechend moderat fielen die Feierlichkeiten zum zehnjährigen Landesjubiläum 1962 aus. Beim Festakt im Landtag blieben die Hälfte aller badischen Abgeordneten demonstrativ fern. Der innenpolitische Friede zwischen den Landsmannschaften ließ weiter auf sich warten und das Misstrauen blieb erhalten. In jenen Tagen kursierte in der Presse eine Meldung aus Freiburg, wonach anlässlich des Landesjubiläums am Droste-Hülshoff-Gymnasium die badische Fahne gehisst worden sein soll, während zeitgleich am Wohnhaus des Hausmeisters des Kepler-Gymnasiums eine badische Fahne mit Trauerflor zu sehen gewesen sein soll. Im Verlauf der sechziger Jahre setzte sich allmählich die Macht des Faktischen durch. Forderte die CDU noch 1964 einen gesamtbadischen Landesverband, so kam 1966 erstmals die Idee eines südwestdeutschen

352 Landesarchiv Baden-Württemberg (Staatsarchiv Freiburg), Rede des Staatspräsidenten Leo Wohleb im Badischen Landtag am 7. September 1948, Staatsarchiv Freiburg, Bestand T1 Leo Wohleb Nr. 13 198

Landesverbandes ins Gespräch. Auch darin wird deutlich, dass man sich allmählich mit den geschaffenen Tatsachen wohl oder übel zu arrangieren begann. Auf jeden Fall stellte die weiterhin nicht beantwortete Badenfrage die Landes-CDU vor eine schwere innere Zerreißprobe, da sich vor allem die südbadische CDU mit dem Südweststaat und dem Verlust badischer Eigenständigkeit sehr schwer tat. Dies wurde dann im Vorfeld der endgültigen Abstimmung des Jahres 1970 über den Verbleib Badens im Südweststaat deutlich. In Baden hoffte man indes weiterhin, mittels eines Volksbegehrens und anschließendem Volksentscheid eine Revision der 1952 geschaffenen Tatsachen erwirken zu können. Nachdem der Heimatbund Badenerland beim Bundesverfassungsgericht Klage erhoben und dasselbe am 30. Mai 1956 den Weg zur Durchführung eines Volksbegehrens freigegeben hatte, schien eine Revision greifbar nah. „Das Bundesverfassungsgericht begründete sein Urteil damit, dass die Abstimmung von 1951 zwar formal legal gewesen sei, allerdings sei der Wille des badischen Volkes in der damaligen politisch-geschichtlichen Situation eindeutig überspielt worden.“353 Um den Landesfrieden endgültig herzustellen war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts dringend notwendig. Das Volksbegehren unterstützten im September 1956 15 % der badischen Bevölkerung. „Das Ergebnis entsprach den Erwartungen des Heimatbundes. Waren es in Nordbaden nur 8,7 %, so brachte man es in Südbaden auf 22 %. Den höchsten Wert verzeichnete man im Landkreis Bühl mit 42,34 %, den geringsten Wert im Stadtkreis Pforzheim mit 1,86 %.“354 Berücksichtigt man, dass die Landesregierung dieses Ereignis ignorierte und auch weitgehend aus den Medien fern hielt, ist der Ausgang des Volksbegehrens sehr beachtlich. Entsprechend wurde im März 1957 ein Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht, der den Volksentscheid in Baden ermöglichen sollte. Die endgültige Abstimmung in Baden sollte auf den badischen Landesteil beschränkt sein, zudem von konstitutivem Charakter und an keine

353 ebenda, Hepp, 1997, S. 272/273 354 ebenda, Hepp, 1997, S. 274 199

Mindestwahlbeteiligung gebunden sein. Was sich nun in der Folgezeit in Parlament und Ausschüssen abspielte, hatte mit einer funktionierenden Demokratie wenig gemein. Der badische Rechtsanspruch und damit die Badenfrage wurde buchstäblich zerredet und mittels Gutachten und Gegengutachten und einer Vielzahl juristischer Spitzfindigkeiten hinausgezögert und letztlich von einer Legislaturperiode in die nächste unerledigt weitergeschleppt. Diese jahrelange Verzögerungstaktik ging auf Kosten des legitimen Selbstbestimmungsanspruchs der badischen Bevölkerung. „Erst mit der Bildung der Großen Koalition im Jahre 1966 kam wieder Bewegung in diese Angelegenheit. Doch erst am 25.06.1969 kam es zu einem denkwürdigen Kompromiss, nachdem die CDU auf eine separate Behandlung der Badenfrage verzichtete (wie bereits im Innenausschuss 1964 geschehen) und damit den so genannten Erler-Entwurf vom 04.02.1964 akzeptierte. Mit einer großen Mehrheit und leichten Modifizierungen wurde der SPD-Entwurf am 02.07.1969 verabschiedet. Bis zum 30.06.1970 sollte in Baden der Volksentscheid durchgeführt werden. In den anderen Gebieten des Bundesgebietes, in denen Volksentscheide stattfinden sollten, wurde eine Durchführungsfrist bis zum 31.03.1975 festgesetzt.“355 Das Durchführungsgesetz vom 26.02.1970 legte schließlich noch fest, dass ausschließlich die badische Bevölkerung über den Verbleib im Südweststaat bzw. die Wiederherstellung des alten Landes Baden entscheiden sollte. Außerdem wurde ein Quorum von mindestens 25 % der wahlberechtigten Bevölkerung festgelegt, um die Entscheidung der Landeszugehörigkeit nicht in die Hände einer allzu kleinen Minderheit zu legen.

355 ebenda, Hepp, 1997, S. 277 200

7. Zwischenfazit : Die Gründung des Landes Baden-Württemberg im Jahre 1952 war in der Tat eine schwere Geburt mit anhaltenden Nachwehen. Die Ursachen für die Schwiergigkeiten und Querelen rund um die Landesgründung sind vielschichtig, liegen aber zunächst einmal in den territorialen Veränderungen durch die Besatzungsmächte nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese hatten die historischen Länder Württemberg und Baden derart unhistorisch, nach rein strategischen Gesichtspunkten zerteilt und somit nicht nur neue, sondern auch außerordentlich schwierige Voraussetzungen für eine Länderneugliederung bzw. einen möglichen Länderzusammenschluss geschaffen. Die durch die Besatzungsmächte vollzogene Vierteilung des Landes (1948-1952) erschwerte die politische Zusammenarbeit sehr und erwies sich insbesondere für das geteilte Land Baden als nachteilhaft. Da die amerikanischen Besatzer in Nordbaden die Verwaltungstätigkeit lediglich auf Gemeinde- und Kreisebene zuließen, lief Nordbaden Gefahr unter den Einfluss benachbarter Territorien zu geraten. Trotz des ordnungspolitischen Vakuums konnte eine vollständige Abspaltung von seinem Kernland verhindert werden. Die von Amerikanern und Franzosen gebildeten Nachkriegsländer schotteten sich auf Grund unterschiedlicher Interessenslage zusehends voneinander ab. Die Zersplitterung der badischen Verhältnisse ergab sich zudem durch die Existenz von drei Militärregierungen, nach dem die Amerikaner neben Mannheim auch noch in Karlsruhe eine solche eingerichtet hatten. Zwangsläufig musste der Stuttgarter Militärregierung ein größeres politisches Gewicht zukommen. Das Land Baden war definitiv zerissen worden, nachdem die Amerikaner die politische Vereinigung von Nordwürttemberg und Nordbaden zum Nachkriegsland Württemberg-Baden vollzogen hatten. Bis zur Gründung des neuen Bundeslandes Baden- Württemberg konnte Baden seine autonome Stellung bewahren. Die Wahrung der staatlichen Einheit war grundsätzlich sowohl das Interesse Badens wie auch Württembergs. Beide Länder sahen prinzipiell keine Veranlassung zu einer

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Vereinigung der beiden Länder und auch die Amerikaner betonten den provisorischen Charakter der geschaffenen Nachkriegsländer. Die Besatzungsmächte verfolgten ihre eigenen Interessen und nahmen auf innerdeutsche Grenzen keine Rücksicht. Auch waren die Amerikaner einer territorialen Neugliederung im Südwesten deutlich zugeneigter als die Franzosen. Das Zweite Neugliederungsgesetz über die Volksabstimmung vom 9. Dezember 1951durch den Bund, verhinderte die Option der Wiederherstellung des alten Landes Baden. Fortan verstand sich die Freiburger Regierung als die wahre Interessensvertretung gesamtbadischer Interessen und setzte sich entschlossen für eine Wiederherstellung des historischen Landes Baden ein. Nicht von ungefähr wird bis zum heutigen Tage der badische Patriotismus in Südbaden besonders intensiv gepflegt. Die Auseinandersetzungen um die Gründung des Südweststaats, die auch durch den territorialen Neuzuschnitt der Siegermächte deutlich erschwert wurde, und auf historisch gewachsene Einheiten keine Rücksicht nahm, trug zu den ohnehin bestehenden Ressentiments zwischen Badenern und Württembergern bei. In Baden fühlte man sich nach der Gründung des neuen Bundeslandes 1952 von den Schwaben ausgetrickst und über den Tisch gezogen. Das badische Rechtsgefühl war zutiefst verletzt, da man sich um das Selbstbestimmungsrecht betrogen sah und somit die eigenstaatliche Souveränität, mit allen sich daraus ergebenden negativen Konsequenzen, verloren hatte. Dieser Verlust der Eigenstaatlichkeit wirkt bis heute nach und zeigt sich immer wieder in der permanenten Sorge einer Benachteiligung badischer Belange innerhalb des neu geschaffenen Bundeslandes. Dabei spielte es auch keine Rolle, dass aus objektiver finanzpolitischer Sicht keine Benachteiligung Badens gegenüber dem württembergischen Landesteil festzustellen war. Nach dem sich die beteiligten Landesregierungen bezüglich einer Ländervereinigung nicht einigen konnten, wuchs der Wunsch nach einer

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Volksabstimmung. Streitpunkt wurden in der Folgezeit die Modalitäten des Abstimmungsmodus, da von diesem der Erfolg bzw. der Misserfolg der Gründung des Südweststaats abhängig zu sein schien. Gerade der für Baden nachteilhafte Abstimmungsmodus musste das Verhältnis zwischen Badenern und Württembergern nachhaltig belasten. Da man in Baden die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens des neuen Bundeslandes anzweifelte, konnte man die Gründung Baden-Württembergs als eine Art Vereinigung auf Verdacht begreifen, da man in Baden in der Folgezeit alle Hebel in Gang setzte, um die als Unrecht empfundene Länderehe gegebenenfalls durch die Option einer fairen Abstimmung in Baden zu revidieren. Ein Länderzusammenschluss konnte aus badischer Sicht nur dann erfolgen, wenn im Vorfeld gleichberechtigte zwischenstaatliche Verhandlungen unter der Wahrung badischer Interessen erfolgen würden. Da der Wunsch der Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem in einem Neuanfang mit wirtschaftlichem Aufschwung lag, erschienen vielen Menschen Lokalpatriotismen und heimatlich motivierte Sonderinteressen als zweitrangig und tendenziell rückwärtsgewandt und nicht mehr zeitgemäß. Folglich tat sich der als volkstümlich geltende Leo Wohleb, der in seiner badischen Heimat tief verwurzelt war, teilweise schwer, die Menschen argumentativ für die badische Sache zu überzeugen. Dies lag unter anderem daran, dass der Begriff der Heimat im Zentrum seines Kampfes gegen den Südweststaat stand. Es ist bemerkenswert, dass die Ressentiments zwischen Badenern und Schwaben erst mit dem Vorhaben eines gemeinsamen politischen Gemeinwesens so richtig an Brisanz und Intensität gewonnen hatte – zumal weder Württembeger noch Badener anfänglich Ambitionen hatten ihre Länder zu einem gemeinsamen neuen Bundesland zu vereinen. Da die Positionen beidseitig unverändert kompromisslos blieben sollte der Bund die Modalitäten für eine Volksabstimmung festlegen. Gegen die vom Bund beschlosssenen Abstimmungsmodalitäten reichte die südbadische Regierung am 25. Mai 1951 Klage beim Bundesverfassungsgericht ein, die allerdings am 23. Oktober

203 desselben Jahres in seinen wesentlichen Punkten abgewiesen wurde. Es waren, im Vorfeld der Abstimmung vom 9. Dezember 1951, die wirtschaftspolitischen Argumente, die den Abstimmungskampf der Befürworter des Südweststaats dominierten. Demgegenüber standen vor allem emotional aufgeladene Argumente der Befürworter der beiden Traditionsländer. In Baden befürchtete man vorwiegend mangelnden Raum für die badische Traditionspflege in einem gemeinsamen Bundesland, weshalb der Heimatbegriff in den Mittelpunkt gerückt und die Sorge vor einer Majoriesierung durch die Württemberger in den Vordergrund trat. Das Abstimmungsverfahren war der entscheidende Knackpunkt für Streitigkeiten und stellte sogar die CDU des Landes vor eine innere Zerreißprobe, da große Teile innerhalb der Partei sich zwar zum neuen Gemeinwesen bekannten, aber dennoch die Missachtung des badischen Selbstbestimmungsrechts kritisierten. In den Jahren nach der Landesgründung von 1952 generierte sich ein starkes badisches Baharrungsvermögen, das vor allem auf der Argumentation der Benachteiligung fußte. Demgegenüber setzte sich in den Jahren nach 1970 eine zusätzliche Form des badischen Bewusstseins von Identität im Sinne des Erfindens bzw. Konstruierens einer neuen Tradition durch. Zusammenfassend kann man feststellen, dass sich das Recht der historischen Tradition einerseits und das bestehende Verfassungsrecht Württemberg-Badens andererseits, unvereinbar gegenüberstanden. Nach dem am 30. Mai 1956 das Bundesverfassungsgericht der badischen Klage stattgegeben hatte, war der Weg für ein Volksbegehren in Baden, das über den endgültigen Verbleib Badens oder dessen Eigenständigkeit entscheiden sollte, frei. Die tatsächliche Durchführung des Plebiszits in Baden fand am 7. Juni 1970 statt. Bis dahin schien jede Entscheidung des Landes unter einem gewissen Vorbehalt zu stehen. Es waren die Querelen rund um die Landesgründung, die nicht nur das politische Klima des neu gegründeten Bundeslandes nachhaltig belasteten. Das sich um sein Recht auf Selbstbestimmung betrogene badische Volk, misstraute von nun an

204 jedem politischen Vorhaben bzw. jeder politischen Entscheidung des Landes. Man vermutete hinter jedem Vorhaben des Landes eine unangemessene Begünstigung Württembergs, bei gleichzeitiger gezielter Benachteiligung Badens. Die Auswirkungen dieser Vorgänge aus der Gründungszeit Baden- Württembergs sind von Zeit zu Zeit bis heute sichtbar. Folglich setzte man in Baden in den Jahren nach der Landesgründung von 1952 alles daran, dass vermeintlich erfahrene „Unrecht“ zu revidieren.

IV BADEN 1970 1. Die Abstimmung des Jahres 1970 Erst das klare Ergebnis des Plebiszits vom 7. Juni 1970 beendete das politische Ringen um den Südweststaat. Die Ängste und der Widerwillen des Heimatbundes Badenerland gegen den neuen Staat waren unübersehbar. Wie bereits erwähnt stellte die bevorstehende Volksabstimmung die Landes-CDU vor eine schwere innere Zerreißprobe. Diese wurde durch den Beschluss von Waldkirch im Januar 1970 ausgelöst. Darin hatte die Partei ihren Mitgliedern und Wählern bei der Stimmabgabe nahegelegt, für den Südweststaat zu stimmen. Freie Entscheidung nach eigenem Gewissen oder Parteidisziplin – vor dieser Entscheidung standen nun viele. „Will man das hartnäckige Festhalten an badischen Positionen innerhalb der südbadischen CDU erklären, muss man gerechterweise wohl auch auf den Einfluss und die Autorität hinweisen, die den Persönlichkeiten aus der Wohleb-Ära zu eigen waren und noch Wirkung zeigten. Mit Dr. Person (sen.), Dr. Föhr, Dr. Fleig, Dr. Zürcher (…) und Dr. Lais sind nicht alle, aber die einflussreichsten genannt, und die Spannungen, die dadurch innerhalb der Partei bestanden, waren allgemein bekannt. Erst jetzt konnten es die jungen, im Südweststaat arrivierten Funktionäre wagen, die badische Fahne einzuziehen.“356 Die politischen wie emotionalen Auswirkungen

356 Glunk, 1992, S. 289 205 dieses Beschlusses werden in einem Brief des früheren badischen Wirtschaftsministers und des Begründers der CDU in Lahr Dr. Lais an seinen Duz-Freund und seiner Zeit amtierenden Ministerpräsidenten Filbinger deutlich. Der Inhalt des Briefes lautet folgendermaßen: „Sollte der Boden der Neutralität verlassen werden, könnte die Folge nur sein, dass ich…meinen Austritt erkläre. Die schmierige Behandlung der Badener und ihres Führers Leo Wohleb, die widerliche Verfahrensweise bei der Bildung des Südweststaates und die aus reinem Opportunismus gewisser Persönlichkeiten der südbadischen CDU entscheidend geförderte und von der Bundes-CDU maßgeblich betriebene Verschleppung der vom Bundesverfassungsgericht 1956 angeordneten erneuten Abstimmung sind allein schon Ungeheuerlichkeiten, die zum Himmel schreien. Ist nun noch verbürgt, dass Herr Kiesinger vor Jahren in einer Gesellschaft einer ihn fragenden Dame, wann nun endlich die Baden-Abstimmung stattfinde, erklärte, dann, wenn der letzte Altbadener gestorben ist, dann frage ich Dich nunmehr allen Ernstes, soll unter Deiner Ägide diese erbärmliche politische Leichenflädderei weiterbetrieben werden? Noch hoffe und erwarte ich von Dir, dass Du eine neutrale Haltung der Partei durchsetzest. Wenn nicht, dann bleibt mir nur noch übrig, ein Pfui Teufel für eine Partei zum Ausdruck zu bringen, für die der Begriff Heimat sinnlos geworden ist…dann bleibt für mich und viele meiner Freunde nur noch der Weg der inneren Emigration. Und das bedeutet politische Heimatlosigkeit. Bedenke, das ist ein bitteres Los.“357 Dieser Brief verdeutlicht, dass grundsätzliche Normen und Wertvorstellungen offenbar auf dem Altar des politischen Erfolges geopfert werden sollten. Nicht allein die politische Dimension, die hinter diesem Brief steht, ist von großem Interesse, sondern auch die menschliche Dimension. Immerhin liefen vermeintliche persönliche Freundschaften Gefahr, an politischem Parteikalkül zu zerbrechen. Nachdem der Bundestag am 30. Januar 1970 das Durchführungsgesetz über den

357 ebenda, Glunk, 1992, S. 290 206

Volksentscheid in Baden verabschiedet hatte, setzte unmittelbar ein emotional geführter Wahlkampf ein. Auf badischer Seite dominierte in allen Bereichen die Furcht vor Benachteiligung, ob beim Straßenbau oder bei der Besetzung von Verwaltungsstellen. Bereits der Konflikt um die christliche Gemeinschaftsschule, wie man sie in Südbaden kannte, oder die katholische und evangelische Bekenntnisschule, stellte einen erheblichen Streitpunkt dar. Nach einer Intervention des Staatspräsidenten Gebhard Müller bei der verfassungsgebenden Landesversammlung fand die badische Regelung keinen Eingang in die neue Landesverfassung. Dies wurde in weiten badischen Kreisen als schmerzliche Niederlage empfunden und peitschte die Emotionen zusätzlich auf. „Auch bei anderen Themen, wie etwa der Einrichtung von Mittelinstanzen, konnten die Badener ihre Interessen nicht durchsetzen. Statt der von badischer Seite bevorzugten zwei Regierungsbezirke, wurden letztlich vier eingerichtet. (...) Besonders in der Gründungs- und Konsolidierungsphase war die Liste der badischen Vorwürfe gegenüber der Stuttgarter Regierung besonders lang.“358 Auf Grund der auch seinerzeit bereits herrschenden hohen Schuldenlast des jungen Bundeslandes von über 2 Milliarden DM wurde das Thema der Verschuldung immer wieder zum Streitpunkt, zumal knapp „drei Viertel davon auf Württemberg-Baden, 15 % auf Südbaden und 11 % auf Württemberg- Hohenzollern entfielen. Noch zum 40. Landesgeburtstag im Jahre 1992 stellten die Altbadener diesbezüglich ihre eigene Rechnung auf. Man verwies darauf, dass unter Heranziehung der Bevölkerungszahlen die nördlichen Landesteile pro Kopf doppelt so hoch verschuldet gewesen seien wie die südlichen Landesteile.“359 Eine befürchtete wirtschaftliche Benachteiligung, vor allem bei geplanten Großprojekten, stand an oberster Stelle des Argumentationsstranges: „Rhein-Neckar-Kanal gegen Mannheimer Rheinhafen; verspäteter Bau der Autobahn Karlsruhe –Basel, weil die zugeteilten Gelder für den Großraum

358 Raberg, 2002, S. 41 359 ebenda, Raberg, 2002, S. 41/42 207

Stuttgart verwendet worden waren; Bodensee-Fernwasser-Leitung für die Industrie des Neckarraumes mit badischen Steuergeldern; fehlende Rheinübergänge; nicht elektrifizierte Schwarzwaldbahn; fehlende Atomkraftwerke am Oberrhein und die Hinhaltetaktik bei der Schiffbarmachung des Oberrheins, die die Schweizer damals noch wünschten“. 360 Auch die geplante Kreisreform, die für viele Gemeinden den Verlust der Selbständigkeit bedeutete, hoffte man im Wahlkampf zu Gunsten Badens zu nutzen. Für Glunk „gab es in der Tat eine Reihe von guten praktischen Gründen, politische und wirtschaftliche, die für ein selbständiges Baden sprachen.“361 Letzten Endes lag es nicht am Mangel an Argumenten für die Wiederherstellung des selbständigen Landes Baden, sondern an den unzureichenden Mitteln, die dem Badenerland zur Verfügung standen, diese Argumente flächendeckend und werbewirksam unter die Bevölkerung Gesamtbadens zu bringen. Die altbadische Propaganda fuhr aber nicht nur gegen ihren politischen Gegner mit großem Geschütz ins politische Kampffeld, sondern ging auch gegen vermeintliche Abweichler in den eigenen Reihen hart ins Gericht. Die baden-württembergische Regierung berief die beiden ehrenamtlichen badischen Staatsräte Dichtel und Werber inklusive Stimmrecht ins Kabinett, um dem Landesproporz gerecht zu werden. Friedrich Werber war stellvertretender Vorsitzender des Heimatbundes Badenerland und Anton Dichtel war Vorsitzender der südbadischen CDU sowie späterer Regierungspräsident von Freiburg. „Im Falle Dichtels wurde behauptet, da er aus dem Sauerland stammte, könne er wohl kaum als Verfechter badischer Interessen angesehen werden. Werber wurde vorgeworfen, er habe durch seine Einbindung ins Kabinett das badische Anliegen verraten.“362 Werber wurde 1959 sogar aus dem Heimatbund ausgeschlossen, da er dem Vereinszweck geschadet habe. Einigermaßen nachvollziehbar wird diese unschöne Angelegenheit wohl erst vor dem Hintergrund eines im Vorfeld stattfindenden

360 ebenda, Glunk, 1992, S. 292 361 ebenda, Glunk, 1992, S. 292 362 ebenda, Raberg, 2002, S. 42 208 parteiinternen Kesseltreibens durch dessen parteipolitischen Gegner. Demgegenüber stand den Befürwortern des Südweststaats ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an Mitteln für den Wahlkampf zur Verfügung. Während die Badener-Bewegung sich vorwiegend aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen finanzierte, stand den Befürwortern des Südweststaats ein kompletter Regierungsapparat zur Verfügung, der alle Register zeitlicher und finanzieller Art ziehen konnte, um die Bevölkerung Badens von den Vorteilen eines gemeinsamen Bundeslandes zu überzeugen. „Schnell zeigte sich, dass die Zahl der zur Verfügung stehenden Redner zu klein war im Verhältnis zur riesigen Aufgabe, die in kurzer Zeit zu meistern war. Ein Dutzend Leute – mehr nicht – reiste durchs Land, aber auch nur, wenn der Beruf ihnen die Zeit dazu ließ. Angst und bange wurde es den Aktiven, als sie erkennen mussten, was die Befürworter des Südweststaates alles aufzubieten hatten. Die Regierungsmitglieder, allen voran der Ministerpräsident, waren dauernd unterwegs – sie hatten Zeit und Geld und versprachen jetzt vieles, was die Badener jahrelang als Benachteiligung durch Stuttgart angeprangert hatten.“363 Als das Bundesverfassungsgericht 1956 erneut über die Rechtmäßigkeit der Volksabstimmung von 1951 zu befinden hatte, erfuhr die Badenfrage durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1956 enormen Auftrieb. Die Überlegenheit des politischen Gegners blieb erdrückend, zumal sich auch der Großverleger Burda mit Veranstaltungen unter Einbeziehung geladener Gäste aus dem Showbusiness für den Südweststaat einsetzte. „In der öffentlichen Meinung des Landes, vor allem in der überregionalen Presse, hatte die Badener-Bewegung wenig Rückhalt. Sie wurde gerade von den Tageszeitungen in Mittelbaden (Offenburger Tagblatt) und in Karlsruhe (Badische Neueste Nachrichten) wohlwollend behandelt. (…) Überhaupt waren mobilisierbare Ressourcen seit dem Einholen der gelb-rot-gelben-Flagge

363 ebenda, Glunk, 1992, S. 292 209 geschrumpft.“364 Unterm Strich bleibt festzuhaten, dass hier ein Wahlkampf mit gänzlich unterschiedlichen Mitteln und Voraussetzungen geführt wurde, was sogar vom Bundesverfassungsgericht nach der Volksabstimmung des Jahres 1970 infolge einer badischen Klage bestätigt wurde. Nichts desto trotz setzten sich die Badener mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln und viel Herzblut für die badische Sache ein. Aufgrund des K räfteungleichgewichts schreibt Glunk sehr zutreffend: „Die „Altbadener“ mussten „alt“ aussehen“365 Die badische Propaganda sah sich erneut bestätigt in ihrer Einschätzung, dass bei der Landesgründung so manches nicht mit rechten Dingen zuging. „Der Heimatbund Badenerland sorgte für einen intensiven Wahlkampf und bediente sich einer langen Mängelliste, die eine Fülle tatsächlicher und vermeintlicher Benachteiligungen Badens beinhaltete.“366 Umgekehrt verwies die Landesregierung ihrerseits auf die erfolgreiche Regierungsbilanz und die großen Integrationsanstrengungen. Das Argument einer vermeintlichen Benachteiligung Badens in einem gemeinsamen Bundesland mit Württemberg spielte in den Auseinandersetzungen um den Südweststaat für die badische Seite stets eine zentrale Rolle. Tatsächliche oder befürchtete Benachteiligung durch die Stuttgarter Dominanz war und ist bis heute von Bedeutung, auch wenn die Frage einer vermeintlichen Benachteiligung seit der Abstimmung von 1970 nicht mehr von höchster politischer Bedeutung ist, so ist sie doch weiterhin existent und tritt auch sichtbar in Erscheinung. Konkrete Erscheinungsformen dieses Phänomens werden im Abschnitt über die Gegewartsphänome dargelegt werden. So ist die Vermutung anzustellen, dass die Auseinandersetzungen um das Milliarden- Bahnprojekt Stuttgart 21 für manch einen Badener als eine späte Rache für die seit 1956 verschleppte Volksabstimmung des Jahres 1970 empfunden wird und

364 Weinacht, Die gebundenen Greife, Analyse und Würdigung der „Badenerbewegung“(1952-1970), in: Albiez/Glunk/Grund, Der überspielte Volkswille, Baden-Baden, 1992 (2. Auflage), S. 308

365 ebenda, Glunk, 1992, S. 294 366 ebenda, Raberg, 2002, S. 43 210 der massive Protest der Projektgegner gegen die Stuttgarter Regierung als Genugtuung für erlittenes Unrecht der Vergangenheit wahrgenommen wird. Auch wenn man berücksichtigt, dass nicht allein Stuttgarter, sondern auch Zugezogene diese Protestbewegung tragen, dann ist es erstaunlich, dass an dieser Stelle Protest durch Württemberger gegen ihre eigene Regierung artikuliert wird und es sogar zu einem kuriosen Schulterschluss zwischen Protestlern in Stuttgart und Projektgegnern aus der einstmaligen badischen Residenzstadt Karlsruhe gekommen ist. Das einigende Band des Protests gegen das Bahnprojekt lässt in diesem Falle offensichtlich landsmannschaftliche Ressentiments zurückstehen, zumindest zeitweilig. Mag sich in Baden zuweilen auch das Gefühl der Schadenfreude im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um das Bahnprojekt Stuttgart 21 breit machen, so bleibt zu bedenken, dass durch das „Ja“ zum Bahnprojekt durch den Volksentscheid im November 2011 letztlich die Gesamtbevölkerung Baden-Württembergs, also auch die Bevölkerung Badens, direkt oder indirekt zur Kasse gebeten werden wird. Interessant erscheint an dieser Stelle ein Blick auf das Abstimmungsergebnis367 der Volksabstimmung über das „S-21- Kündigungsgesetz“, die am 27. November 2011 durchgeführt wurde. Bei einer überraschend hohen Abstimmungsbeteiligung von 48,3 %, stimmten landesweit 41 ,2 % mit „Ja“ und damit gegen die Fortführung des Bahnprojekts, und 58,8 % mit „Nein“ und damit für die Fortführung des Bahnprojekts Stuttgart 21. In der Landeshauptstadt selbst war das Ergebnis nicht so deutlich wie im landesweiten Trend (Ja-Stimmen: 47,1 % , Nein-Stimmen: 52,9 %). Befürworter und Gegner des Bahnprojekts lagen hier erheblich näher beieinander, was der in der Landeshauptstadt über Monate hinweg umstrittenen Auseinandersetzung entspricht. Ohne eine Gesamtanalyse des Abstimmungsergebnisses vornehmen zu wollen, lohnt es sich, einen speziellen Blick auf das Abstimmungsverhalten vor allem in den badischen Großstädten zu werfen. Hier wird eine klare

367 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, www.statistik- bw.de/wahlen/volksabstimmung_2011/alleKreise.asp (11.02.2012) 211

Abweichung von der landesweit deutlichen Zustimmung für das Bahnprojekt Stuttgart 21 sichtbar. In den großen Städten Nord- wie Südbadens ergaben sich deutliche Mehrheiten zu Gunsten des „S21-Kündigungsgesetztes“: Heidelberg (Ja-Stimmen: 58,0 % gegenüber 42,0 % Nein-Stimmen), Mannheim (Ja- Stimmen:57,2 % gegenüber 42,8 % Nein-Stimmen), Karlsruhe (Ja- Stimmen:53,6 % gegenüber 46,4 % Nein-Stimmen), Freiburg (Ja-Stimmen: 66,5 % gegenüber 33,5 % Nein-Stimmen). Es ist bemerkenswert, dass bei einer landesweit vorherrschenden deutlichen Zustimmung für das Bahnprojekt Stuttgart 21 in den Großstädten Badens eine klare Ablehnung artikuliert wurde. Von noch größerem Interesse als das zahlenmäßige Ergebnis in den erwähnten badischen Großstädten dürften die hinter diesem Abstimmungsverhalten stehenden Motive sein. Spiegeln sich hier unter Umständen landsmannschaftliche Ressentiments wider, wie sie vor allem in den Jahren nach der Gründung Baden-Württembergs offen zutage traten? Befürchtet man in Baden erneut die Benachteiligung gegenüber dem Großraum Stuttgart? Werden erneut finanzielle Mittel freigegeben für Investitionen zugunsten des mittleren Neckarraumes und damit andere Projekte an der Peripherie des Landes vernachlässigt? Fühlt man sich in Teilen Badens erneut bestätigt, dass die Landesregierung Stuttgart und dessen Großraum gegenüber Investitionen und Bauvorhaben im badischen Landesteil bevorzugt? Sicherlich spielen auch zweckrationale Überlegungen eine Rolle, die zur Zustimmung zum „S21- Kündigungsgesetz“ in den badischen Großstädten führten. Dennoch liegt der Verdacht sehr nahe, dass das Abstimmungsverhalten zumindest unterschwellig von alten Ressentiments begleitet war. Es wäre zu naiv zu glauben, dass dieses Abstimmungsverhalten reiner Zufall sei. Inwiefern dieses Abstimmungsverhalten von rein sachlichen Erwägungen oder von der alten Feindschaft bzw. dem tief verwurzelten Misstrauen gegenüber Stuttgart geprägt war, lässt sich natürlich nicht zweifelsfrei klären. Allerdings bleibt zu vermuten,

212 dass das Abstimmungsverhalten in Badens Großstädten sicherlich kein Zufall sein kann. Für die Baden-Befürworter hatte im Wahlkampf die demokratische Grundsatzfrage bezüglich der Entstehung des neuen Landes oberste Priorität. Als die Wähler im Juni 1970 ihre Stimme abgaben, war das Ergebnis bedingt vorhersehbar und damit keine Überraschung. Wobei es durchaus auch Politiker der Landesregierung wie auch bei der parlamentarischen Opposition gab, für die das Ergebnis keineswegs von vornherein feststand und die folglich mit einem gewissen Unbehagen auf die Volksabstimmung vom 7. Juni des Jahres 1970 blickten. Über die Stimmungslage in Regierung und Parlament im Vorfeld der Abstimmung wird im nächsten Teilabschnitt näher eingegangen werden. Mit Gewissheit kann man sagen, dass die Zeit für den Südweststaat gearbeitet hatte, und Ministerpräsident Filbinger hatte durchaus eine erfolgreiche Bilanz vorzuweisen. „Selbst die südbadische CDU hatte bereits vor Eröffnung des Wahlkampfes auf ihrem Parteitag in Waldkirch den Bürgern empfohlen, für den Südweststaat zu stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 62,5 %. Für die Wiederherstellung des alten Landes Baden stimmten 18,1 %.“368 In Gesamtbaden entschieden sich 81,9 % für das Land Baden-Württemberg, ein knapp doppelt so hoher Anteil wie 1951 (47,8 %). In Nordbaden war dieser Anteil mit 84,7 % erwartungsgemäß größer als in Südbaden, doch wer hätte gedacht, dass dort, wo 1951 gut 60 % für Baden stimmten, jetzt beinahe vier Fünftel der Abstimmenden – genau 79,1 % - Baden-Württemberg ausdrücklich und nicht nur stillschweigend bejahen würden. Jedenfalls war jetzt klar, dass von einer Majorisierung eines Landesteils durch einen anderen nicht mehr gesprochen werden kann. Insgesamt hatte sich damit gegenüber der Entwicklung von 1950/51 auch in Nordbaden, vor allem aber in Südbaden, eine totale Tendenzumkehr vollzogen. Doch nicht nur im Ganzen, sondern auch im einzelnen. In keinem Stimmkreis

368 ebenda, Raberg, 2002, S. 43 213 gab es mehr eine Mehrheit für Altbaden, ganz zu schweigen von der Erreichung des zusätzlich erforderlichen Quorums. Spitzenreiter der Altbadener ist jetzt der Stadtkreis Karlsruhe, wo immerhin 36 % der stimmberechtigten für die Wiederherstellung Badens votierten, allerdings prozentual nur wenig mehr als die Hälfte von 1951. (...) Daraus erhellt, dass der erwähnte Tendenzumschwung selbst in den Hochburgen Altbadens – in Mittelbaden und am Hochrhein – eintrat.“369 Somit war das Ergebnis der Volksabstimmung für die Altbadener zwar nicht überraschend, aber dennoch sehr enttäuschend. Die Südweststaat- Anhänger hatten einen klaren Sieg verbuchen können und Filbinger konnte den Ausgang des Plebiszits als ganz persönlichen Erfolg für seine Integrationsbemühungen verzeichnen, nicht zuletzt deswegen, weil Filbinger selbst auch Badener war. „Andererseits widerlegte das Ergebnis den Amtsvorgänger Kiesinger, der im Jahre 1966 die altbadische Bewegung als ein zwergenhaftes Phänomen heruntergespielt hatte. Immerhin stimmte in Nordbaden jeder sechste und in Südbaden sogar jeder fünfte Bürger für die Wiederherstellung des Landes Baden. Dennoch kam es im Vergleich zur Abstimmung von 1951 in einstigen badischen Hochburgen zu einer Umkehrung der Verhältnisse. So wurde in den Landkreisen Bühl, Bruchsal, Freiburg, Waldshut, Säckingen und Offenburg aus Dreiviertel-Mehrheiten nun Viertel- Minderheiten. Spitzenergebnisse wurden in Waldhausen im Landkreis Donaueschingen mit 75,9 % und in Bergöschingen im Landkreis Waldshut mit 75,0 % erzielt.“370 In der Folgezeit löste sich der Heimatbund im Jahre 1972 auf. Dasselbe gilt für die aus Protest 1959 gegen die Verschleppung der Volksabstimmung entstandene Badische Volkspartei (BVP). Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Plebiszit waren nach Jahren der Verschleppung sehr ungünstig. Das „Abstimmungskomitee Vereintes Baden- Württemberg“ fand große Unterstützung durch den Weinheimer Fabrikanten

369 www.statistik-bw.de/wahlen/Analysen/Aufsaetze/MH_Volksentscheid_1970.pdf (Gawatz), 06.02.2012 370 Hepp, 1997, S. 280 214

Dr. Freudenberg und den Offenburger Verleger Dr. Franz Burda. Damit waren die Südweststaat-Anhänger sowohl finanziell als auch medial im Vorteil. Dem Geld und Einfluss der Verbände, der Wirtschaft und nicht zuletzt der Staatsorgane hatte der Heimatbund vergleichsweise wenig entgegenzusetzen. Immerhin beschloss der Landtag im Dezember 1970, die dem Heimatbund Badenerland im Wahlkampf entstandenen Kosten in Höhe von etwa 400.000 DM zu begleichen. Vielleicht kann man die Übernahme der entstanden Wahlkampfkosten durch den Bund und vor allem durch die siegreiche Landesregierung als einen Akt der Versöhnung mit der altbadischen Bewegung betrachten. „Die Badener, die vielgeschmähten „Altbadener“, hatten ihren Kampf ums Recht der Abstimmung zwar gewonnen, aber die Abstimmung selbst verloren. Warum? (…) Hatten sie über den rechtlichen die wirtschaftlichen Fragen zu sehr vergessen, oder war einfach das ganze Problem angesichts des Wirtschaftswunders in der Bundesrepublik uninteressant geworden? (…) Die Masse wollte keine Änderung der Verhältnisse in einer Zeit, wo es den meisten gut ging. (…) Die Vergangenheit und die Zukunft zählten wenig angesichts des gegenwärtigen Wohlergehens. (…) Außerdem fehlten unter den Aktiv-Badenern die dem Volk vertrauten Persönlichkeiten.“371 Die Badenfrage war damit endgültig entschieden, wobei der juristische Schlussstrich erst 1974 durch das Bundesverfassungsgericht gezogen wurde, nach dem dieses den Antrag von vier Bürgern auf Anfechtung der Abstimmung abgelehnt hatte. „Allerdings rügte das Gericht in seinem Beschluss auch das massive Eingreifen der Landesregierung mit seinen Staatsorganen in den Wahlkampf, wodurch die Chancengleichheit zu Ungunsten des Heimatbundes erheblich verletzt worden sei. Eine klare und offensichtliche Benachteiligung fand beispielsweise bei den Sendezeiten im Rundfunk und Fernsehen statt. Die dadurch entstandene Benachteiligung führte aber auf Grund der Eindeutigkeit des Ergebnisses zu keinen weiteren rechtlichen Konsequenzen.“372 Damit war

371 ebenda, Glunk, 1992, S. 294/295 372 ebenda, Hepp, 1997, S. 282 215 der Länderzusammenschluss erst fast ein Vierteljahrhundert nach der ersten Volksabstimmung von 1951 juristisch vollzogen. Die historischen Grenzen Badens und Württembergs waren bereits 1973 durch die Verwaltungsreform hier und da verwischt worden. Sicherlich wäre eine Zerreißung des Landes nach fast dreißig Jahren nicht sinnvoll gewesen. Aber hatte der Wähler durch die jahrelange Verschleppung des Plebiszits überhaupt noch eine wirkliche Alternative? Dass die Zeit für den Südweststaat arbeitete, dieser Ansicht ist auch Paul-Ludwig Weinacht. Indem er betont, „ (…), dass die Gelegenheit zur Wiederherstellung Badens verstrichen (ist), dass die Politiker im Lande die Zeit als Waffe gegen den Heimatbund einsetzten, …“373 Der Sieg für den Südweststaat war nach fast drei Jahrzehnten sicherlich ein Sieg der Vernunft, weniger einer des Herzens. „Das Land hatte nun die wichtige Aufgabe, auch mit den 18,1 % der badischen Bevölkerung, die man bisher als gelb-rot-gelbe Querulanten bezeichnet hatte, seinen Frieden zu machen.“374 Die Bewegung der Alt-Badener, die sich mit viel Herzblut für die Wiederherstellung und Selbständigkeit ihrer Heimat einsetzten, vor allem aus der Sorge heraus, in einem größeren gemeinsamen Gemeinwesen, ihre kulturelle Identifikation verlieren zu können, verdient an dieser Stelle eine differenziertere Betrachtung und Würdigung. Auch wenn die finale Abstimmung ds Jahres 1970 für die Badener verlorengegangen ist, so war die Bewegung als solche nicht sinnlos. „Denn die Bürger waren aus ihrem politischen Dämmerschlaf aufgeweckt, ja aufgeschreckt worden und zur Wahl gegangen. Außerdem hatte die Regierung dem badischen Landesteil doch einiges versprechen müssen, u.a. neue Rheinübergänge und die Elektrifizierung der Schwarzwaldbahn. (…) Auch die Süddeutsche Zeitung vom 19. November 1970 nannte die 18,1 Prozent badischer Stimmen einen „Teilerfolg, der manchen selbstzufriedenen Landespolitiker heilsam aufschreckte; (er) ist um so höher einzuschätzen, als ihn

373 ebenda, Weinacht, 1992, S. 300

374 ebenda, Hepp, 1997, S. 282 216 die von keiner Partei unterstützten Altbadener aus eigener Kraft erzwangen. Ob man ihre Ansichten teilt oder nicht: Das bürgerschaftliche Engagement, aus Heimatliebe gespeiste Engagement, das sie unter ungünstigen Umständen zu erheblichen Opfern an Geld und Zeit trieb, ist aller Ehren wert.“375 Es war keineswegs der Hass auf die Württemberger, wie einst der Mitarbeiter Gebhard Müllers, Theodor Eschenburg es formulierte, woraus der Heimatbund seine Motivation speiste, sondern vielmehr der „Zorn der Ohnmächtigen, die sich um ihr Recht betrogen sahen, mit glatten Worten hingehalten werden und zu guter letzt zum Schaden den Spott hatten.(…) Ihr Rechts-Sinn hatte die Badener im Heimatbund sorgen lassen, der junge demokratische Staat könne Schaden nehmen, wenn die Macht des Rechts der Macht des Faktischen erliege. Darum drängten sie auf Revision, wo die Unrechtsvermutung fortbestand. Und obgleich man ihnen diese Möglichkeit politisch vorenthielt, blieben sie auf dem Boden des Gewaltverzichts und der Verfassung.“376 Bei einem genaueren Blick auf die Geschehnisse müssen wir im Kampf für die Wiederherstellung des alten Landes Baden zwei Generationen unterscheiden, die vor dem Hintergrund unterschiedlicher Erfahrungen agierten. Im Kontext der Gründung des Landes Baden-Württemberg 1952 engagierte sich vor allem eine Generation von Menschen, die den Verlust von politischer Eigenständigkeit und Souveränität hautnah erlebt hat und die in Folge dessen eine föderative Struktur der Bundesrepublik Deutschland im Sinne ihrer Traditionsländer von größter Bedeutung war. Demzufolge sahen sie in jeglicher Vereinnahmung zugunsten eines größeren Ganzen eine Gefahr sowohl für den Bestand an politischer Souveränität als auch für den Erhalt kultureller Autonomie. Daher spielte folgerichtig der Heimatbegriff für diese Generation eine zentrale Rolle, den man

375 ebenda, Glunk, 1992, S. 296 376 ebenda, Weinacht, 1992, S. 318/319

217 natürlich auch verstand emotional aufzuladen. Die zweite Generation von Baden-Patrioten erhielt vor allem durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1956, das die Zulassung eines Volksbegehrens zur Wiederherstellung des Landes Baden anordnete und das im September desseben Jahres auch erfolgreich durchgeführt wurde. „Für die Bürger dieser Generation war der Begriff der Heimatliebe schon aus Traditionsbewusstsein durchaus bedeutsam, entscheidender aber wurde für sie die Tatsache des verletzten Rechtsgefühls (…) Da sie jünger waren, waren sie auch ungestümer, einseitiger, denn die wirtschaftlichen Erwägungen für oder gegen Baden bzw. den Südweststaat kümmerten viele erst in zweiter Linie, manche gar nicht. Wichtiger, weil grundsätzlicher, war für sie der demokratische Neubeginn…“377 Enttäuschung machte sich nach dem Votum für den Südweststaat durchaus breit, aber von Verzweiflung oder dergleichen konnte nicht die Rede sein. Immerhin hatte die badische Bewegung „einen Pfad in dieses juristische und politische Dickicht geschlagen, und nun klärte sich der Blick in ein freies, vom Bürger bestätigte Land.“378Auch für Erberhard Gawatz manifestiert sich im Abstimmungsverhalten von 1970 eine bemerkenswerte Leistung seitens der badischen Bevölkerung. „ Dank der weitsichtigen Haltung der badischen Bevölkerung beim Volksentscheid 1970 bleibt ein starkes Bundesland – Grundlage eines funktionsfähigen Föderalismus – weiter bestehen. (…) Diesem Land, das Theodor Heuss einmal als Modell der deutschen Möglichkeiten bezeichnete, das Signal auf freie Fahrt in eine verheißungsvolle Zukunft gestellt zu haben, muss als historisches Verdienst aller Bevölkerungsteile, vor allem auch der Badener gewertet werden.“379 Für Weinacht stellen sich die Leistungen des Heimatbundes bzw. aller, die sich für die Wiederherstellung des alten Landes Baden einsetzten, wie folgt dar:

377 ebenda, Glunk, 1992, S. 298 378 ebenda, Glunk, 1992, S. 299

379 www.statistik-bw.de/wahlen/Analysen/Aufsaetze/MH_Volksentscheid_1970.pdf (Gawatz, S.160; 06.02.2012). 218

„Den Badenern kam der (Heimatbund) darin entgegen, dass er ihr Gefühl der Empörung nicht einzuschläfern oder gar zu beschämen versuchte, sondern dem Konflikt freimütigen Ausdruck verlieh und seinen rechtsstaatlichen und politischen Austrag gewährleistete; dem Land Baden-Württemberg wurde er dadurch wertvoll, dass er Stachel im Fleisch war und die Regierungen zwang, dem westlichen Landesteil mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden, als dies ohne Regionalopposition wohl geschehen wäre (die Allparteienkoalition von 1953 bis 1960 war eine Überreaktion Gebhard Müllers und nicht vom Heimtbund zu verantworten). Indirekt jedenfalla trug der Heimatbund dazu bei, dass der Vorwurf der Einseitigkeit und Vernachlässigung zerstreut wurde und das Land auch in Südbaden akzeptiert wurde; dem Bund gegenüber sieht Weinacht Verdienste darin, dass der Heimatbund sich einer Mitwirkung an dem verschleppten Volksentscheid, der nunmehr ein nachgeholter Legitimierungsakt, keine echte Option mehr darstellte, nicht verweigerte, sondern das „Stück“, dessen Aufführung er postuliert hatte, bis zum Ende „mitspielte“. “380

2. Verhandlungen des Landtages im Vorfeld der Abstimmung vom 7. Juni des Jahres 1970 Im Vorfeld der Volksabstimmung vom 7. Juni 1970 kam es im Landtag von Baden-Württemberg am 27. März 1970 zu einer Sitzung, in deren Verlauf sich alle Fraktionen zur Wichtigkeit des anstehenden Plebiszits äußerten und in deren Verlauf stets auf die Tragweite der Folgen dieser bevorstehenden Entscheidung für das Land verwiesen wird. Der Abgeordnete Dr. Bender (CDU) hebt die staatspolitische Bedeutung der anstehenden Abstimmung hervor und betont die Tragweite dieser Entscheidung für die Entwicklung des deutschen Südwestens. „Wir geben der Hoffnung und Zuversicht Ausdruck, daß sich die

380 ebenda, Weinacht, 1992, S. 319

219 abstimmungsberechtigten Bürger des Landes Baden der existenziellen Bedeutung der Entscheidung und des Gewichts ihrer Stimme bewusst sind.“381 In Bezugnahme auf den Artikel 29 des Grundgesetzes bezeichnet er Baden- Württemberg als ein leistungsfähiges und starkes Bundesland. Eine Auflösung als Folge des Abstimmungsergebnisses würde beiden Ländern schaden und zudem das Vertrauen in die bundesstaatliche Ordnung grundsätzlich gefährden. Die neueste Konzeption der Altbadener, die nach einer Auflösung des Bundeslandes in Erwägung ziehen, sich mit Rheinland-Pfalz zu vereinigen, betrachtet die CDU-Fraktion als widersprüchlich und realitätsfremd, zumal der Ministerpräsident Dr. Kohl diesem Ansinnen bereits eine klare Absage erteilt habe. Im Falle einer Auflösung des Landes sieht Dr. Bender große finanzpolitische Probleme für beide Länder. „Die Auflösung unseres Landes in die alten Länder Baden und Württemberg würde unweigerlich die finanzpolitische Ausgewogenheit gefährden und eine Verschiebung des finanzpolitischen Gleichgewichts zu Lasten des badischen Landesteils mit sich bringen. So würde ein selbständiges Land Baden zu den finanzschwachen Ländern gehören und auf Zuschußleistungen aus dem Länderfinanzausgleich angewiesen sein.“382 Dieser Sachverhalt wird im weiteren Verlauf seiner Ausführungen durch konkrete Zahlenbeispiele zur Steuerschätzung des Jahres 1970 untermauert. Demnach würde die Investitionskraft des Landes sinken und durch die Hochschulausgaben käme es zu einer Überbelastung des Landes. Folgerichtig sprechen wirtschafts- und finanzpolitische Gründe eindeutig für den Fortbestand des Länderzusammenschlusses von 1952 und gegen dessen Auflösung. Dr. Bender betont gerade die gesellschaftliche und wirtschaftliche Integrationsleistung der zurückliegenden 18 Jahre. Eine weitere Fortentwicklung der badischen Fördergebiete zu gewährleisten, nur ein starkes und geeintes Land

381 Bender, Verhandlung des Landtags vom 27. Mai 1970, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 1970, Protokollband IV, S. 3995 382 ebenda, Bender, 1971 , S. 3995 220 in der Lage sei. „Die Entwicklung des Oberrheingebietes – Ausbau des Hochrheins – und die Fortentwicklung der übrigen Fördergebiete gerade auch im badischen Landesteil wird nur in einem wirtschaftlich und gebietsmäßig starken Land gewährleistet.“383 Eine Trennung der beiden Länder würde zudem eine Verdopplung des Staats- und Verwaltungsapparates bedeuten und synergetische Effekte könnten nicht mehr genutzt werden. Eine solche Entwicklung könne auch nicht im Interesse des badischen Landesteils liegen. Abschließend appelliert er dahin gehend an die badische Bevölkerung, dass „wahre Heimatliebe (…) sich nicht nur in undefinierbaren Gefühlen (zeige), nicht im Hochspielen von Vorurteilen, nicht in kleinlicher Kritik an allgemeinen, jedem Land, auch einem etwa wiederhergestellten Land Baden-Württemberg anhaftenden Mißständen, sondern primär im sachlichen Prüfen der Möglichkeiten staatlicher Gemeinsamkeit, im kritischen Abwägen der Folgen einer Aufspaltung gerade auch für die Zukunftsentwicklung des badischen Landesteils.“384 Wem es um die Heimatliebe ginge, der könne nur für den Fortbestand stimmen. Die SPD-Fraktion, vertreten durch den Abgeordneten Dr. Veit, thematisiert vor allem zweierlei. Zum einen die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Zustandekommens des Landes und zum anderen die Folgen im Falle einer Abspaltung. Die SPD wirft den Altbadenern vor allem eine bewusste Emotionalisierung und damit Aufheizung des Abstimmungskampfes vor, indem sie ständig von einem Unrechtsstaat sprächen. „ Die Altbadener (…) nennen dieses Land einen Unrechtsstaat. Mit diesem Schimpfwort sollen diejenigen, die Unrecht nicht wollen, gewonnen werden, für die Auflösung des Landes zu stimmen. Wer sich nicht durch Emotionen, mit denen die Altbadener den Abstimmungskampf führen, den Verstand vernebeln lässt, muß erkennen, daß die Geschichte vom Unrechtsstaat, wenn sie wahr wäre, zwar ein Argument, für die Wiederholung der Abstimmung, hergeben würde, aber nicht zur Lösung der

383 ebenda, Bender, 1971 , S. 3996 384 ebenda, Bender, 1971 , S. 3996 221

Frage, wie denn nun in einer wiederholten Entscheidung abzustimmen ist.“385 Die Rede betont die Rechtmäßigkeit, die auch durch die beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 1951 und vom 30. Mai 1956 bestätigt wurden. Im Falle einer Abspaltung sei der badische Landesteil über seine Kräfte hinaus belastet und würde in seiner bisherigen positiven Entwicklung um Jahre zurückgeworfen werden. Sämtliche Vorhaben, die man in einem gemeinsamen Land anstrebe, wären im Falle einer Abspaltung nicht fortsetzbar. Außerdem sei die Konkurrenzfähigkeit gegenüber den anderen Bundesländern gefährdet. „In einer Zeit, in der die Entwicklung darauf drängt, eine rasch handlungsfähige Regierung und ein handlungsbereites Parlament zu haben, darf die Handlungsfähigkeit nicht gelähmt werden, wenn man nicht im Wettstreit mit den anderen Bundesländern um erhebliche Zeit zurückgeworfen werden will.“386 Eine Abspaltung Badens betrachtet die SPD-Fraktion als eine Art „Schwabenstreich der Badener.“387 Während die Vorredner von CDU und SPD schwerpunktmäßig zum Einen die Leistungsfähigkeit des geeinten Landes sowie die wirtschaftspolitische und gesellschaftspolitische Integrationsbilanz in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellen, zum Anderen aber auch die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens der Länderehe von 1952 betonen, so widmet sich der Abgeordnete Dr. Brandenburg, stellvertretend für die FDP/DVP-Fraktion, der viel geäußerten Thematik einer vermeindlichen Benachteiligung des badischen Landesteils gegenüber dem württembergischen Landesteil. Er stellt zunächst einmal klar, dass die These von der Benachteilung, sofern diese überhaupt haltbar sei, nicht von Württembergern zu verantworten ist, sondern „daß es die verfassungsmäßig berufenen Organe des Landes sind, die über die Verteilung von Mitteln auf die einzelnen Landesteile oder über die Durchführung von Fördermaßnahmen jeglicher Art

385 Veit, Verhandlung des Landtags von Baden-Württemberg, 5. Wahlperiode, 72. Sitzung, Protokoll vom 27.05.1970, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, Stuttgart, 1971 , S. 3997 386 ebenda, Veit, 1971 , S. 3998 387 ebenda, Veit, 1971 , S. 3998 222 entscheiden und zu entscheiden haben werden.“388 Die FDP/DVP-Fraktion verwahrt sich ebenso vehement gegen die Behauptung, dass es im Landtag jemals eine badische bzw. württembergische Fraktion existiert habe. „Was gerade die letzten Jahre angeht, so müssen wir uns doch auch vergegenwärtigen, daß Baden sowohl in der Regierung als auch im Präsidium des Landtages zahlenmäßig und damit auch gewichtsmäßig sehr stark vertreten ist.“ 389 Des Weiteren wird der Vorwurf entkräftet, dass es im Land Baden-Württemberg keinen Landesentwicklungsplan gebe. Seit dem Jahre 1967 gebe es bereits einen Entwurf eines solchen Planes. Mit dem Verweis auf die Existenz der Regionalpläne, die nicht explizit im Landesentwicklungsplan Niederschlag finden müssen, aber dennoch Berücksichtigung finden, wird der Vorwurf weiter zu entkräften versucht. In Sachen Energieerzeugung wird vor allem die Inbetriebnahme der Kernkraftwerke Obrigheim und Philippsburg angeführt. Somit könne auch in diesem Bereich nicht von einer Benachteiligung gesprochen werden. Auf dieselbe Art und Weise werden im Verlauf seiner Rede die Benachteiligungsthesen der Altbadener in den Bereichen Wissenschaft und Verkehr - insbesondere Elektrifizierung der Eisenbahn und Straßenbautätigkeit- widerlegt. „Insgesamt seien die Altbadener in diesem Zusammenhang auch daran erinnert, (…) daß es dem Land Baden-Württemberg gelungen ist (…), eine Entscheidung herbeizuführen, wonach das deutsche Kernforschungszentrum nach Karlsruhe gelegt wurde. Hierfür hat das Land Baden-Württemberg bisher immerhin 208 Millionen DM bereitgestellt.“390 Ebenso tätigte das Land große Investitionen in die Technische Universität Karlsruhe, die für das gesamte Land von Bedeutung gewesen sei. Die ausstehende Elektrifizierung der Schwarzwaldbahn sei keine Landesangelegenheit, sondern primär eine betriebswirtschaftliche

388 Brandenburg, Verhandlung des Landtags von Baden-Württemberg, 5. Wahlperiode, 72. Sitzung, Protokoll vom 27.05.1970, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, Stuttgart, 1971 , S. 3998 389 ebenda, Brandenburg, 1971 , S. 3998 390 ebenda, Brandenburg, 1971 , S. 3998 223

Angelegenheit der Bundesbahn. „Die Altbadener verschweigen aber wohlweislich, daß ganz am Beginn des Südweststaates wichtige badische Strecken auf elektrischen Betrieb umgestellt wurden, wie z.B. die Strecken Basel-Karlsruhe-Mannheim, Stuttgart-Mannheim oder auch Karlsruhe- Pforzheim-Stuttgart. Hinzu kommt die Riedbahn zwischen Lampertheim und Mannheim sowie die neuerlich vom Lande als vordringlich anerkannte Strecke Heilbronn-Osterburken-Würzburg.“391 Auch im Straßenbau sei Baden stets großzügig bedacht worden. „Im Bau von Landesstraßen seien immerhin 43 Prozent des Etats nach Baden geflossen. Auch von den Zuschüssen an die Gemeinden und Gemeindeverbände seien 48 Prozent in Baden investiert worden. Auch bei den Investitionen für die Bundesstraßen gingen 47 Prozent nach Baden. Von 279 Kilometern Autobahn, die bis 1969 gebaut wurden, verliefen 252 km, also 90 Prozent, durch badisches Territorium. Der Geldgeber sei natürlich in diesem Falle der Bund gewesen, aber die Landesverkehrspolitik sei bei den Planungen stets beteiligt gewesen. (…) Auch bei den Zuschüssen für Krankenhausbauten und andere kommunale freigemeinnützige Bauten gingen 46 Prozent nach Baden, von den Zuschüssen für Schulhausbauten waren es 45 Prozent und vom Zuschussbedarf für wissenschaftliche Hochschulen waren es im Jahre 1970 sogar 56 Prozent. (…) Auch bei den Zuschüssen für den Fremdenverkehr (56 Prozent) und für die Gewerbeförderung (50 Prozent) sei Baden keineswegs benachteiligt worden. Auch im Generalobstbauplan und Rebaufbau flossen 52 Prozent bzw. 74 Prozent in den badischen Landesteil. Auch bei den regionalen Förderprogrammen ging der größere Anteil von insgesamt 405 Mio DM nach Baden (83 Mio DM in den Odenwald, 107 Mio DM an den Oberrhein und 38 Mio DM in den Hotzenwald).“392 Bei einem derartigen Investitionsaufkommen im badischen Landesteil könne wahrlich nicht von einer Benachteiligung seitens der Landesregierung gesprochen werden. Der Verlust der Eigenschaft

391 ebenda, Brandenburg, 1971 , S. 3998 392 ebenda, Brandenburg, 1971 , S. 3998 224

Karlsruhes als Residenzstadt müsste bei dieser aufgezeigten Entwicklung für Karlsruhe bzw. Baden leicht zu verkraften sein. Ebenso wie seine Vorredner appelliert Dr. Brandenburg an die Vernunft der badischen Bevölkerung, „sich nicht durch Ressentiments und Appelle an falsche Gefühle, sondern durch eine ganz klare und rationale Einsicht in die politischen Notwendigkeiten dieses Tages leiten (zu) lassen und demgemäß die Stimme für die Erhaltung des Landes Baden-Württemberg abzugegeben.“393 Die NPD-Fraktion, vertreten durch den Abgeordneten Krause, spricht sich ebenfalls für die Erhaltung des Bundeslandes aus. Die Abstimmung am 7. Juni sollte von Überlegungen motiviert sein, die sich an der zukünftig besten Entwicklung des Landes orientieren. Die NPD-Fraktion kritisiert aber auch deutlich die lange Verschleppung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1956, wofür sie die Verantwortung sowohl bei politischen Kräften des Bundes als auch des Landes sieht. „Allerdings – und das sagen wir mit deutlicher Betonung – muß hier gerade von der Opposition festgestellt werden, daß der Vollzug des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1956 allzu lange auf sich hat warten lassen. Es ist kein Ruhmesblatt für einen Rechtsstaat, daß das Recht der Badener, in einer Volksabstimmung zu entscheiden, lange Zeit auf der politischen Ebene nicht beachtet wurde. (…) Die Altbadener haben recht, wenn sie ein solches Verhalten anprangern. Jedoch haben sie nicht recht, wenn sie darauf die Argumentation für die Wiederherstellung eines Landes Baden aufbauen wollen.“394 Es dürfe bei der Abstimmung am 7. Juni weder um Ressentiments noch um politisches Prestige im Sinne einer Bestätigung der Regierungsarbeit der zurückliegenden Jahre gehen. Nicht zuletzt tritt die NPD für die Erhaltung des 1952 geschaffenen Bundeslandes ein, da sie eine grundsätzliche Reduktion der Bundesländer im Bundesgebiet favorisiert.

393 ebenda, Brandenburg, 1971 , S. 3998 394 Krause, Verhandlung des Landtags von Baden-Württemberg, 5.Wahlperiode, 72. Sitzung, Protokoll vom 27.05.1970, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, Stuttgart, 1971 , S. 4000 225

Nachfolgend brachte die SPD-Fraktion einen Entschließungsantrag ein, der der Bevölkerung demonstrieren sollte, dass der Landtag von Baden-Württemberg geschlossen hinter dem Bundesland steht und sich für den Erhalt dieses Landes einsetzt. Ebenso soll der Entschließungsantrag die Wichtigkeit der Abstimmung am 7. Juni verdeutlichen und nach draußen zur stimmberechtigten Bevölkerung transportiert werden, um diese zum Urnengang zu bewegen. Der Entschließungsantrag wurde bei einer Gegenstimme von den Abgeordneten des Landtages angenommen. Abschließend zu diesem Themenkomplex ergriff der Ministerpräsident Dr. Filbinger das Wort. Die Landesregierung begrüße die soeben verabschiedete Resolution, mit der Möglichkeit für die badische Bevölkerung ihren politischen Willen zu bekunden. „Wir treten jetzt treten in die letzte Phase der sogenannten Baden-Frage ein. Die Abstimmung bietet die Gelegenheit, Einwände auszuräumen, die in der Vergangenheit immer wieder gegen den früher gewählten Abstimmungsmodus vorgebracht wurden, wenngleich das Bundesverfassungsgericht den Abstimmungsmodus rechtlich billigte. Dieser Streit hat das Land jahrelang politisch belastet. Sowohl der Bund als auch die Landesregierung haben sich stets um eine baldige Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1956 bemüht.“395 Den Vorwurf einer gezielten Verschleppung durch den Abgeordneten Krause weist Filbinger somit entschieden zurück. Bei der anstehenden Abstimmung ginge es nicht mehr um den einst gewählten Abstimmungsmodus, zumal die Erinnerung der entsprechenden Generation an die einstige Auseinandersetzung inzwischen verblasst sei. Hingegen fragten sich vor allem die Bürger der jüngeren Generation, so Filbinger, weshalb man überhaupt erneut zur Abstimmung schreiten solle, um juristisch etwas zu bestätigen, was politisch in den vergangenen fast 20 Jahren seine politische Bestätigung längst erfahren habe. Eine unter Umständen geringe Wahlbeteiligung sieht Filbinger als das

395 Filbinger,Verhandlung des Landtags von Baden-Württemberg, 5. Wahlperiode, 72. Sitzung, Protokoll vom 27.05.1970, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, Stuttgart, 1971 , S. 4002 226 schwerwiegendste Problem bei der anstehenden Abstimmung. „Es ist sehr schwer der Bevölkerung die Notwendigkeit, gleichwohl zur Wahlurne zu gehen, begreiflich zu machen.“ Das Ansinnen der Altbadener, aus der Länderehe auszutreten, sich mit der Pfalz zu vereinen, um sich dann gegebenenfalls auch mit Württemberg wieder zu vereinen, wertet Filbinger insbesondere „als das Eingeständnis, daß Baden alleine nicht die Kraft haben würde, seine Zukunft zu bewältigen. (…) zunächst einmal soll also der einzige geglückte Versuch einer Neugliederung wieder auseinandergeschlagen werden, um dann das Getrennte nach Anrichtung von unendlichem Schaden wieder zusammenzufügen.“396 In Anlehnung an die Worte von Theodor Heuss, der Baden-Württemberg als ein Modell deutscher Möglichkeiten bezeichnete, zeigt sich der Ministerpräsident abschließend zuversichtlich, dass das Land nach der Bestätigung durch die Abstimmung vom 7. Juni noch stärker zusammen wachsen werde.

3. Die Bindestrichdebatte (1999) und die Schlussstrichdebatte (2002) Walter Dörings Wie sehr es sich bei der Länderehe von 1952 um eine Einigung auf Verdacht handelte, zeigt sich nicht allein an der langwierigen und ereignisreichen Zeitspanne bis zur endgültigen Abstimmung des Jahres 1970 bzw. dem juristischen Schlussstrich des Jahres 1974, sondern vor allem auch im Umgang mit diesen Ereignissen in den Folgejahren nach 1970. Dass eine vollständige Integration der beiden Landesteile bis heute nicht verwirklicht ist, wurde bereits an einigen Beispielen gezeigt und wird zudem im nächsten Kapitel noch ausführlicher behandelt werden. Dass entgegen zahlreicher Darstellungen vor allem anlässlich verschiedener Landesjubiläen, die emotionale Integration beider Landesteile mitnichten vollzogen ist, zeigt beispielhaft die Bindestrichdebatte des Wirtschaftsministers Walter Döring (FDP) aus dem Jahre 1999. Man

396 ebenda, Filbinger, 1971 , S. 4003 227 bedenke, dass diese Debatte mehr als 25 Jahren nach dem endgültigen juristischen Schlussstrich des Bundesverfassungsgerichts von 1974 und knapp 50 Jahre nach der Landesgründung 1952 stattfand. Walter Döring, seinerzeit Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident des Landes, schlug zwecks Stiftung von Identität vor, künftig auf den Bindestrich im Landesnamen zu verzichten. Dieses Ansinnen des Wirtschaftsministers führte am 31.08.1999 im Landtag zu einer Kleinen Anfrage397 seitens des SPD-Abgeordneten Walter Heiler. Dieser war der integrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Die Landesregierung sollte im Rahmen dieser Anfrage Stellung beziehen zum Vorschlag des Ministers Döring, des Weiteren sollten nachfolgende Fragen beantwortet werden: „Hat die Landesregierung eine Erklärung dafür, weshalb ein Bindesstrich integrationshemmend zwischen Baden und Württemberg wirken könnte (…), wie hoch beziffert die Landesregierung die Kosten für Sach- und Personalmittel für die notwendigen Umstellungen auf eine neue Schreibweise des Landesnamens, zum Beispiel bei Gesetzen, Briefbögen u.a., und wie schätzt sie den Kosten-Nutzen-Effekt ein? Wie lässt sich dieser Aufwand mit den von Wirtschaftsminister Döring immer wieder gepriesenen Abbau von Verwaltung und Kosten in Einklang bringen? Wird sich die Diskussion um die Änderung des Landesnamens auf die geplante „Image-Kamapagne“ des Landes auswirken in Betracht dessen, dass man zumindest den Namen des Produktes kennen sollte, für das ein Image kreiert werden soll? Plant die Landesregierung eine Bundesinitiative zum generellen Verzicht auf Bindestrich-Ländernamen, damit die Integration aller Landsmannschaften im Bundesgebiet gewährleistet wird?“398 In der Begründung der Kleinen Anfrage betont die SPD-Fraktion, dass sie selbst der Ansicht ist,

397 Kleine Anfrage des Abg. Heiler SPD und Antwort des Wirtschaftsministeriums vom 31.08.1999, Landtag von Baden-Württemberg, 12. Wahlperiode, Drucksache 12/4373, Hrg.Landtag von Baden-Württemberg, Stuttgart, 1999 398 ebenda, Heiler, 1999, S. 1/2 228 dass der Bindestrich nicht trennend, sondern integrierend wirke. „Alle Bindestriche dieses Antrags haben übrigens integrierende Wirkung.“399 Mit dem Schreiben vom 30. September 1999 beantwortete das Wirtschaftsministerium die Kleine Anfrage der SPD-Fraktion kurz und knapp mit dem Hinweis darauf, dass „Wirtschaftsminister Döring das Wegfallen des Bindestriches symbolisch gemeint hat, indem er sagte: Der Bindestrich in den Köpfen der Baden-Württemberger muss wegfallen, damit in Baden- Württemberg alle Bürgerinnen und Bürger mehr als ein Land denken, fühlen und empfinden. Unbestritten ist, dass das „Bindestrich-Land“ häufig genug nicht nur in der Schreibweise stattfindet, sondern auch in den Köpfen, was oftmals leider mehr Trennendes als Zusammenführendes zur Folge hat.“400 Die Kleine Anfrage des Abgeordneten Heiler und die entsprechende Antwort des Wirtschaftsministeriums stellt einen vorzüglichen Beweis dafür dar, dass auch die Landesregierung, entgegen vieler anderer öffentlichen Einschätzungen, sich noch weit entfernt von einer das gesamte Land betreffenden baden- württembergischen Identität sieht. Die Antwort der Landesregierung fiel zwar sehr kurz, dafür aber aufschlussreich aus. Sie ist einmal mehr ein klares Indiz dafür, dass Baden lebt. Anlässlich der Feierlichkeiten zum fünfzigsten Landesjubiläum legte der Minister Döring am 2. März 2002 in Stuttgart im Hotel Maritim (Alte Reithalle) mit seiner Rede nochmals nach. Für ihn sei die so genannte Badenfrage mit der Volksabstimmung des Jahres 1970 endgültig und eindeutig beantwortet worden und somit sei seit dem Ende der politischen und juristischen Streitigkeiten nun ein endgültiger Schlussstrich gezogen worden. „ Immerhin hat es ziemlich lange gedauert, bis nach langem politischen und juristischen Streit schließlich am 7. Juni 1970 von den Wählern in dem badischen Landesteil ein Schlussstrich unter

399 ebenda, Heiler, 1999, S. 2

400 ebenda, Heiler, 1999, S. 2 229 die sogenannte Baden-Frage gezogen wurde.“401 Nichts desto trotz sei der Bindestrich in den Köpfen der Bevölkerung weiterhin eher ein Trennungsstrich. Die Landesidentität stehe auch nach fünfzig Jahren bei vielen Bürgern des Landes noch immer nicht hoch im Kurs. „Bemerkenswert ist aber nach wie vor eine Tatsache, über die man bei einem derartigen Jubiläum offen sprechen muss, dass nämlich bei vielen Einwohnern des Südwestens die sogenannte „Landesidentität“ nach wie vor nicht hoch im Kurs steht.“402 Diese These einer mangelnden Landesidentität verdeutlicht Döring mit Hilfe der Meinungsforscher, die herausgefunden haben, dass sich beispielsweise „die meisten Befragten in Freiburg weiterhin als Badener oder etwa in Mannheim als Kurpfälzer bezeichnen. Aber auch in Württemberg erlebe man bei solchen Fragen manche Überraschung: Im Norden des Landes finde man mindestens so viele Hohenloher wie Württemberger, zwischen Ulm und Friedrichshafen bezeichneten sich die alteingesesssenen Bewohner als „Oberschwaben“.“403 Mehrfach beont Döring die auch nach fünfzig Jahren Baden-Württemberg weiterhin bestehenden Ressentiments. „Leider existiert in vielen Köpfen eine Grenze zwischen zwischen Badenern und Württembergern. (…) Schlimm bleibt, dass man da und dort im Lande immer noch Spuren der vor fünf Jahrzehnten ausgestreuten Gifte entdeckt.“404 Döring ruft in seiner Rede dazu auf, unter die bestehenden Ressentiments einen Schlussstrich zu ziehen. Unter Wahrung der überlieferten Vielfalt des Landes müsse das Land nach außen geschlossen und geeint auftreten und mit einer einzigen Stimme sprechen. Sein Bedauern über die Grenze in den Köpfen zwischen Badenern und Württembergern liefert nicht nur einen weiteren Beweis für existierende Resistenzen, sondern auch für das entsprechende Bewusstsein dieses Problems in Regierungskreisen. Das abschließend eingearbeitete Zitat Dörings belegt

401 Döring, Rede anlässlich des 50-jährigen Jubiläum der Gründung des Landes Baden-Württemberg, Samstag, dem 2. März 2002, um 11 Uhr in Stuttgart, Hotel Maritim, Alte Reithalle, www.fdp- bw.de/docs/Rededoepresse.rtf, S. 4 (14.10.2010) 402 ebenda, Döring, 2002, S. 4 (14.10.2010)

403 ebenda, Döring, 2002, S. 4 (14.10.2010) 230 einerseits abermals die weiterhin bestehenden Ressentiments auch nach nun mehr als fünfzig Jahren Landesehe, andererseits gibt es einen Vorgeschmack auf das sich anschließende Kapitel zum Fortleben des Badischen und den Gegenwartsphänomenen. „Es hat fünf Jahrzehnte gedauert, bis sich vor einem Jahr die Sparkassenverbände von Württemberg und Baden vereinigt haben – ich frage mich, ob es überhaupt gelungen wäre, der Vernunft und auch den Interessen unseres Landes zu entsprechen, wenn nicht einige der badischen Sparkassen als Folge gravierender Mängel in der Geschäftsführung und in den Verwaltungsräten in finanzielle Schieflagen geraten wären und Hilfe benötigt hätten. Eigenbröteleien und Eigenwilligkeiten im Verbands- und Vereinswesen sind dem Anschein nach immer noch ein Baden-Württemberg-Problem.“405 Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sind auch im Jahre 2012, nach nun mehr sechzig Jahren Baden-Württemberg, diese Grenzen in den Köpfen der Bewohner weiterhin existent. Diese Mutmaßung verifiziert sich im nachfolgenden Kapitel.

4. Zwischenfazit: Die Abstimmung des Jahres 1970, in der die badische Bevölkerung endgültig über den Verbleib im Südweststaat entscheiden sollte, stellt im Hinblick auf die so genannten Badenfrage eine Art Wendepunkt dar. Zwar wurde 1970 politisch über die Zugehörigkeit Badens zum Südweststaat bzw. über Badens Eigenstaatlichkeit zu Gunsten des Südweststaats entschieden, aber dennoch blieb auch nach 1970 die Badenfrage existent. Sie erfuhr allerdings, was im weiteren Verlauf der Arbeit noch dargestellt werden wird, einen Bedeutungswandel. Nach dem der Bundestag am 30. Januar 1970 das Durchführungsgesetz über den Volksentscheid in Baden verabschiedet hatte, setzte abermals ein emotionaler Wahlkampf ein. Auf badischer Seite stand

404 ebenda, Döring, 2002, S. 4/5/6 (14.10.2010) 405 ebenda, Döring, 2002, S. 9 (14.10.2010) 231 erneut, die in allen Bereichen befürchtete Benachteiligung Badens im Mittelpunkt. Insbesondere die befürchtete ökonomische Benachteiligung bei geplanten Großprojekten stellte das Hauptargument im Wahlkampf dar. Den Badenern fehlte es letztlich keineswegs an überzeugenden Argumenten für die Wiederherstellung eines selbständigen Landes Baden, als vielmehr an Mitteln, ihre Argumente sowohl in Nord-, wie auch in Südbaden werbewirksam zu verbreiten. Den Befürwortern des Südweststaats hingegen standen ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an Mitteln für den Wahlkampf zur Verfügung, der zusätzlich Unterstützung und Nachdruck durch den gesamten Regierungsapparat erhielt. Die unterschiedlichen Mittel und Voraussetzungen waren eine Ursache für das für die Badener-Bewegung enttäuschnende Abstimmungsergebnis. Auch der im Vorfeld der Abstimmung stattfindende Wahlkampf des Jahres 1970, verdeutlichte die faktische Dominanz der Stuttgarter Landesregierung. Die Befürworter eines selbständigen Landes Baden sahen sich einmal mehr in der Benachteiligung Badens bestätigt, so dass auch in der Folgezeit bis zum heutigen Tage ein gewisses Misstrauen gegenüber den Württembergern geblieben ist. Dieses Missstrauen führte in Baden zu einer verstärkten Abgrenzung gegenüber Schwaben. Durch das Sich-Abgrenzen von anderen entsteht ein Bewusstsein eigener Identität. Im vorliegenden Falle führte das aus badischer Sicht enttäuschende Abstimmungsergebnis zu einem verstärkten Bewusstsein badischer Identität, da man durch die Verschleppung des Plebiszits abermals das Nachsehen hatte. Und dennoch begann in den Jahren nach 1970 eine allmähliche Neuformierung, im Sinne einer neuen Tradition zu begreifenden, badischen Bewusstseins. Zwar spielt sich der Konflikt zwischen Badenern und Württembergern nicht mehr auf höchster politischer Ebene statt, so tritt er doch, wie bereits exemplarisch in den detailierten Abstimmungsergebnissen zum „S-21-Kündigungsgesetz“ dargelegt, punktuell sichtbar, immer wieder in Erscheinung. Es darf durchaus angenommen werden, dass das Abstimmungsverhalten in diesem Falle, zumindest unterschwellig von

232 alten Ressentiments begleitet war. Weitere ausführliche Beispiele dieses Phänomens werden in Kapitel VII (Neue Konfliktfelder) der Arbeit dargestellt werden. Was die Abstimmung des Jahres 1970 betrifft, hatte im Wahlkampf für die Baden-Befürworter die demokratische Grundsatzfrage bezüglich der Entstehung des Landes oberste Priorität. Die „klassische“ Badenfrage war 1970 zu Gunsten des Südweststaats entschieden worden. Die Zeit, sowie wirtschaftliche Überlegungen arbeiteten eindeutig für die Befürworter des neuen Bundeslandes. Dies verdeutlichte das eindeutige Bekenntnis der badischen Bevölkerung zum 1952 gegründeten neuen Bundesland Baden-Württemberg. Dennoch blieb die jahrelange Verschleppung des Plebiszits im Gedächtnis der badischen Bevölkerung. Somit bietet sowohl die umstrittene Landesgründung von 1952 als auch das bis 1970 verschleppte Plebiszit Nährboden für bestehende oder neue Ressentiments (neue Traditionen) gegenüber den Schwaben. Auch der Grundtenor in den Verhandlungen des Landtags im Vorfeld der Abstimmung von 1970 warnt aus wirtschafts- und finanzpolitischen Gründen vor einer Auflösung des Länderzusamenschlusses von 1952. Auch die dargestellte Bindestrichdebatte (1999) und die Schlussstrichdebatte (2002) Walter Dörings offenbaren auch nach mehr als 25 Jahren nach dem endgültigen juristischen Schlussstrich des Bundesverfassungsgerichts von 1974 und nahezu 50 Jahre nach der Landesgründung 1952, Defizite zumindest auf der gesellschaftlichen Ebene der Integration beider Landesteile und lassen folglich einen Mangel an Landesidentität, vermutlich bis zum heutigen Tage in diesem Bereich, annehmen. Hatte die Badenfrage bis 1970 eine konkret politische Dimension, so erfuhr sie in den Jahren nach 1970 offenbar eine Transformation von der politischen Ebene, hin zu einer eher gesellschaftlich-kommunikativen Ebene. Die Badenfrage des neuen Typus nach 1970 ist nicht mehr, wie etwa die alte Badenfrage bis zum Jahre 1970, von tatsächlichen oder vermeintlichen Benachteiligungen Badens motiviert. Vielmehr scheint sich in den Jahren bzw.

233

Jahrzehnten nach 1970 bis heute eine Art neue Tradition badischer Identität und Abgrenzung vom Schwaben zu manifestieren. Das heißt, dass offensichtlich neben die alten traditionellen Formen der Stitftung von Identität, nun eine nicht tradierte und somit neu konstruierte Form der Identitätsbildung hinzukommt.

V FORTLEBEN DES BADISCHEN Organisatorische / politische Aspekte Das folgende Kapitel der Arbeit ist dem Fortbestand des Badischen im gemeinsamen Bundesland Baden-Württemberg gewidmet. An zahlreichen Beispielen soll gezeigt werden, wie sich in Baden, nach dem Verlust der Eigenstaatlichkeit, dennoch oder vielleicht müsste man sagen gerade deswegen, eine vielfältige Eigenständigkeit und Kontinuität in zahlreichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens bis zum heutigen Tage erhalten hat. An dieser Stelle seien nur beispielhaft etwa der Landeswohlfahrtsverband Baden, die Badische Gebäudeversicherungsanstalt, der Badische Gemeindeversicherungsverband, der badische Sparkassen und Giroverband genannt. Bei letztgenannter Institution ist zu erwähnen, dass die Fusion zwischen dem badischen und württembergischen Sparkassenverband zur Landesbank Baden-Württemberg erst als Folge der Börsen- und Finanzkrise des Jahre 2008/2009 realisiert werden konnte, da man an einer derartigen landsmannschaftlichen Fusion zuvor nicht sonderlich interessiert gewesen war. So wurde die LBBW im Januar 1999 bereits gegründet, allerdings kamen erst in den Folgejahren, bedingt durch den schwächelnden internationalen Finanzmarkt, die Landesbanken von Sachsen und Rheinland-Pfalz sowie der badische und württembergische Sparkassenverband hinzu.

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1. Die kirchliche Gliederung des Landes Baden war von Beginn an in seiner staatlichen Existenz zwar mehrheitlich katholisch geprägt, stellte aber dennoch keineswegs ein konfessionell homogenes Gebilde dar. Bereits die beiden Kernräume Badens waren konfessionell nicht homogen. Während Baden-Durlach mehrheitlich protestantisch war, war die Linie Baden-Baden katholisch geprägt. Und auch nach der napoleonischen Flurbereinigung, die neben einer Rangerhöhung auch Territorialvergrößerung bedeutete, blieb das konfessionell heterogene Bild Badens erhalten, da sowohl protestantische als auch katholische Landerwerbungen hinzukamen. „Auch wenn der Anteil der Protestanten zwischen 1825 und 1925 von 31,2 % auf 39,4 % wuchs und der der Katholiken von 67,1 % auf 58,4 % zurück ging, blieb Baden ein überwiegend katholisches Land.“406 Trotz eines zahlenmäßigen Übergewichts waren die Katholiken in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht die benachteiligte Bevölkerungsgruppe. Dieser Sachverhalt wird erst bei einem Blick auf das Stadt-Land-Verhältnis deutlicher und nachvollziehbar. „12 % der gesamten evangelischen Bevölkerung lebte in den zehn größten Städten des Landes, während nur 7,5 % der Katholiken, die insgesamt zwei Drittel der Bevölkerung ausmachten, in diesen Städten wohnten.“407 Dies bedeutete für die Katholiken des Landes zweierlei. Einerseits hatten sie kaum Teilhabe am wirtschaftlichen Aufschwung der städtischen Handels- und Industriezentren, andererseits litten sie in besonderem Maße an den Folgen wirtschaftlicher Krisen. Von der Einführung der Gewerbefreiheit im Jahre 1863 profitierten vor allem die städtischen Regionen. Die Landbevölkerung hingegen war nicht selten auf Nebenerwerbstätigkeit angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Der Gegensatz zwischen Katholiken und dem protestantischen Staat verschärfte sich zusehends, so dass der Kulturkampf gerade in Baden besonders spannungsgeladen verlief. Gerade der Versuch des Staates, die Oberhoheit in bis dahin kirchlichen Belangen zu

406 Koziol, 1987, S. 112 407 ebenda, Koziol, 1987, S. 113 235 erringen, führte zu scharfer Opposition seitens der katholischen Kirche und trug keineswegs zu einer staats- und regierungsloyalen Haltung bei. Um an dieser Stelle zwei Beispiele zu nennen, sei hier das Schulaufsichtsgesetz aus dem Jahre 1864 und das Kulturexamensgesetz des Jahres 1867 erwähnt. Die Auseinandersetzungen zwischen Staat und katholischer Kirche bewirkten in Baden eine zunehmende Politisierung weiter katholischer Bevölkerungskreise. So gründete sich 1869 die Katholische Volkspartei Badens. Nach ihrer Neuformierung trat sie ab 1888 als Badische Zentrumspartei in der Öffentlichkeit in Erscheinung. So sollen die Auswirkungen dieser Auseinandersetzungen bis heute im politischen Verhalten der Badener sichtbar sein, wenn auch längst nicht mehr in dieser Schärfe. An die Tradition konfessionell gebundener Parteien konnte nach dem Zweiten Weltkrieg in der Zeit des Wiederaufbaus nicht mehr angeknüpft werden. So gab es in der badischen CDU kaum evangelische Vertreter. Demzufolge wurde die CDU auch nur zu geringem Anteil von den Protestanten gewählt. Die evangelische Kirche hatte in Baden eine vergleichsweise schwache Position gegenüber dem Staat. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass sie über keinen eigenen Kirchenbesitz verfügte und somit auf finanzielle Zuwendungen der staatlichen Rentkammer angewiesen war. Da die protestantische Kirche ihren Autonomieverlust bereits im Zuge ihres Entstehens zur Zeit der Reformation hinnehmen musste, geriet sie auch weniger in Konflikte mit dem Staat. Heute ist das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten nahezu ausgeglichen. Keine der beiden Konfessionen besitzt eine nennenswerte numerische Dominanz. „So leben im heutigen Baden-Württemberg 4,1 Millionen Katholiken - das entspricht etwa 38 % der Bevölkerung, 3,6 Millionen Protestanten - das entspricht etwa 34 % der Bevölkerung. Des Weiteren leben in Baden-Württemberg 600.000 Muslime. Somit stellt der Islam mit etwa 6 % die drittgrößte Glaubensgemeinschaft dar. Zu keiner Religionszugehörigkeit zählen sich 22 % der Bevölkerung. Der Rest verteilt sich auf die Neuapostolischen, Zeugen Jehovas, Buddhisten, Hindus und

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Menschen jüdischen Glaubens. Der Anteil der zuletzt genannten Religionsgemeinschaften an der Bevölkerung liegt unter 1 %.“408 Hintergründe für diese Veränderungen sind unter anderem der Zustrom von Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch die Binnenzuwanderung aus den anderen Bundesländern nach Baden-Württemberg, nicht zuletzt verstärkt in den Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung des Jahres 1990. Ein genauerer Blick auf die kirchliche Gliederung Baden-Württembergs lässt unschwer erkennen, dass die kirchliche Organisation sowohl der katholischen wie auch der evangelischen Kirche sich an den historischen Ländern des Großherzogtums Baden bzw. des Königreichs Württemberg orientierte. So finden wir auf Seiten des Katholizismus das Erzbistum Freiburg und die Diözese Rottenburg-Stuttgart. Es ist sehr bemerkenswert, dass die Grenzen des Erzbistums Freiburg bis heute nahezu deckungsgleich mit den Grenzen des badischen Großherzogtums sind. Das Erzbistum Freiburg wurde durch Zusammenlegung des Bistums Konstanz und Teilen der Bistümer Mainz, Straßburg, Worms und Würzburg im Jahre 1827 gegründet. „In seinen komplizierten Grenzen spiegeln sich noch heute die territorialen Verhältnisse der Gründungszeit.“409 Verwaltet wird das Erzbistum Freiburg durch die derzeit existierenden 26 Dekanate, die sich auf acht Verwaltungsregionen verteilen. Zum Erzbistum Freiburg zählt auch der frühere preußische Regierungsbezirk Hohenzollern. Auf dem Gebiet des ehemaligen Königreiches Württemberg entstand ebenfalls im Jahre 1821/1827 das Bistum Rottenburg, das seit 1978 die Bezeichnung Rottenburg-Stuttgart führt. „Das Bistum Rottenburg-Stuttgart wurde (…) als Landesbistum für das damalige Königreich Württemberg errichtet. Dessen Zusammensetzung aus zahlreichen Vorgängerterritorien erklärt den bis heute komplizierten Grenzverlauf.“410 Verwaltet wird das Bistum in 25 Dekanaten und

408 www.lpb-bw.de/publikationen/politischelandeskunde/religion.pdf (19.02.2012) 409 Gatz, 2009, S. 318

410 ebenda, Gatz, 2009, S. 351 237 es steht ebenso wie das Erzbistum Freibug in der Nachfolge des Bistums Konstanz. Für die Evangelischen Landeskirchen gilt im Grunde genommen dasselbe wie für die katholischen Landeskirchen. Beide Organisations- und Verwaltungsstrukturen wurden auch nach der Gründung des Südweststaates beibehalten. Auch in diesem Falle gibt es wieder eine badische und eine württembergische Landeskirche, beide entsprechen in ihrer territorialen Ausdehnung den historischen Ländern Baden und Württemberg. So stellt die badische Landeskirche eine von insgesamt 23 evangelischen Landeskirchen im Bundesgebiet dar, die unter dem Dach der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) zusammengefasst sind. Die Organisation der beiden großen Kirchen in Baden-Württemberg weist innerhalb eines politisch geeinten Landes eigenständige Strukturen auf, die im Fortbestand der beiden historischen Territorien Badens und Württembergs zu begreifen sind. Es gibt also auf dem Gebiet des heutigen Baden-Württembergs weder eine geeinte katholische noch eine geeinte evangelische Landeskirche. Zudem scheint es zwischen der evangelischen Landeskirche in Baden und der evangelischen Landeskirche Württembergs Konflikte zu geben. Zunächst einmal sind diese Konflikte durch die gegebenen Rahmenbedingungen zweier Landeskirchen als strukturell angelegtes Problem zu verstehen. Hinzu kommen aber weitere Indizien, die zum Beispiel auf den Äußerungen der Oberkirchenrätin Margit Rupp basieren. Diese äußerte sich auf der Herbsttagung der Landessynode 2006411 zum Thema der Kooperation zwischen der evangelischen Landeskirche in Baden und Württemberg. Im Rahmen ihrer Rede betont sie zwar schwerpunktmäßig die vielfältigen Kooperationsfelder beider Landeskirchen, stellt aber auch deutlich fest, dass „die Darstellung der Kooperationen zwischen

411 Rupp, Kooperationen mit der Badischen Landeskirche, Herbsttagung der Landessynode 2006 238 der württembergischen und der badischen Landeskirche im vorgegebenen Rahmen keine leichte Aufgabe ist.“412 Fortschritte habe man in der Kooperation vor allem in den Bereichen Diakonie und Seelsorge sowie im Themenfeld Bildung erzielt. Bemerkenswert ist der angesprochene dritte Bereich einer erfolgreichen Kooperation in Sachen Sparsamkeit und Effektivität in der personellen Besetzung von Funktionsträgern. So existieren mittlerweile Funktionen, die von einer einzigen Person für beide Landeskirchen wahrgenommen werden. „Beispielsweise haben beide Landeskirchen einen gemeinsamen Vertreter im Landtag und in der Landesregierung. Auch im Landesbeirat für Tierschutz, im Landesbeirat für Umwelt- und Naturschutz, in der Härtefallkommission, im Stiftungsrat der Stiftung Kinderland bis hin zum Stiftungsrat der Donauschwäbischen Kulturstiftung ist jeweils ein gemeinsamer Vertreter bzw. eine gemeinsame Vertreterin anzutreffen.“413 Dasselbe gilt für den gemeinsamen Rundfunkbeauftragten beim Südwestrundfunk. Es liegt auf der Hand, dass sich die parallel existierenden Strukturen nicht einfach so verändern, geschweige denn zu einer einzigen Landeskirche vereinen ließen. Dies müsste in seiner Konsequenz bedeuten, dass die evangelische Landeskirche sich in höheren Funktionsstellen, wie beispielsweise bei den Oberkirchenräten, selbst wegrationalisieren müsste, und das alles zugunsten einer gesteigerten Verwaltungseffizienz. Allein der menschliche Egoismus wird bereits einer solchen, zumindest denkbaren Entwicklung, erheblich im Wege stehen. Im Rahmen des Fortbestehens des Badischen sind natürlich die bestehenden Konfliktfelder zwischen der badischen und württembergischen Landeskirche von besonderem Interesse. Genaugenommen sind es nicht die konkreten Konfliktfelder als solche, sondern vielmehr die dahinterstehende Motivation dieser Konflikte. Interessant wäre natürlich herauszufinden, ob bei den auftretenden Spannungen auch landsmannschaftliche Animositäten eine

412 Rupp, Kooperationen mit der Badischen Landeskirche, Herbsttagung der Landessynode 2006, Stuttgart, 2006, www.elk-wue.de/landeskirche/landessynode/fruehere-tagungen/herbsttagung-2006/berichte-und-reden/ S. 1 (18.02.2011) 413 ebenda, Rupp, 2006, S. 3 (18.02.2011) 239

Rolle spielen oder ob diese Konflikte allein auf die unterschiedliche religiöse Tradition und Prägung zurückzuführen sind. So gehört die evangelische Landeskirche in Baden zur so genannten unierten Kirche. Das heißt, dass sowohl lutherische als auch reformierte Christen gemeinssam unter dem Dach der evangelischen Kirche Badens organisiert sind. Die evangelische Landeskirche Badens ist von deutlich liberalerer Prägung als die evangelische Landeskirche Württembergs. Diese ist lutherisch geprägt und legt das Augsburger Bekenntnis von 1530 zu Grunde. Da beide Landeskirchen in ihrer religiösen Ausrichtung nicht hunder Prozent homogen sind, spielt auch in Württemberg der streng reformatorische Einfluss Calvins und Zwinglis mit zum Teil pietistischen Zügen eine gewisse Rolle. Allerdings ist die pietistische Haltung nicht direkt auf den Einfluss Calvins und Zwinglis zurückzuführen ist, sondern sich eher als eine unabhängige Haltung herausbildete, aufgrund traditionell vielfältiger Glaubensgemeinschaften bereits im Herzogtum Württemberg. In einem Gespräch414 mit der evangelischen Landeskirche Württemberg wurde bestätigt, dass aktuell bestehende Konflikte zwischen beiden Landeskirchen tatsächlich zumindest teilweise auf die seit je her existierenden Animositäten zwischen den unterschiedlichen Landsmannschaften zurückzuführen sind. So beantwortete der badische Landesbischof Ulrich Fischer im Jahre 2009 in einem Interview mit dem Südwestrundfunk die Frage, ob er eine Fusion der beiden Landeskirchen für realistisch halte, mit einem klaren Nein und fügte scherzhaft hinzu, „dass dies unvorstellbar sei, zumindest nicht vor dem Jüngsten Gericht“.415 Zwar war die Antwort des Landesbischofs durchaus scherzhafter Natur, aber bekanntlich steckt hinter jedem Witz ein Funke Wahrheit bzw. Ernsthaftigkeit. Zusätzlich bedingt wird der Konflikt aber auch durch die unterschiedliche theologische Grundlegung beider Landeskirchen. So bekennt sich die badische Landeskirche zum evangelisch-lutherischen Bekenntnis, während die

414 Gespräch mit der Pressestelle der Evangelischen Landeskirche Württembergs, Stuttgart, 15.02.2011 415 Fischer, Interview mit dem Südwestrundfunk, 2009 240 württembergische Landeskirche das evangelisch-reformierte Bekenntnis zugrunde legt.

2. „Badische Heimat“416 Die „Badische Heimat“ ist eine Zeitschrift für Volkskunde und widmet sich besonders der Aufarbeitung und Erinnerung badischer Geschichte. Die „Badische Heimat“ wurde durch den Zusammenschluss der beiden Vereine „Badischer Verein für Volkskunde“ und „Verein für ländliche Wohlfahrtspflege“ 1909 gegründet. Sitz des Landesvereins Badische Heimat ist in Freiburg. Laut Satzung besteht die Zielsetzung des Verein darin, sich für Natur, Umwelt und Landschaft einzusetzen. Des Weiteren spielt die Denkmalpflege ebenso wie die Förderung der Regional- und Landesgeschichte eine wichtige Rolle für die Entwicklung einer heimatlichen Verwurzelung und für das Entstehen eines spezifischen Landesbewusstseins im Sinne der Heimatliebe. Gerade durch diese Zielsetzung trägt der Verein zur Erhaltung eines badischen Geschichts- und Kulturbewusstseins bei. Die Förderung der badischen Heimatkultur spricht naturgemäß die Emotion und die Mentalitäten der badischen Bevölkerung an und kreiert hierdurch, bewusst oder unbewusst, in Abgrenzung zum württembergischen Landesteil, eine spezifisch badische Landesidentität im gemeinsamen Bundesland Baden-Württemberg. Die „Badische Heimat“ zählt ca. 3000 Mitglieder und ist in 13 Regionalgruppen gegliedert. Diese sind in Baden-Baden, Bruchsal, Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Lahr, Lörrach, Mannheim, Pforzheim, Rastatt, Schwetzingen und Wiesloch ansässig. Die Regionalgruppen agieren selbständig und organisieren in Folge dessen ihre Veranstaltungen wie Vorträge, Ausstellungen etc. eigenverantwortlich. Als gemeinnütziger Verein verhält sich der Landesverein parteipolitisch neutral. Durch sein zentrales Anliegen der Erinnerungskultur

416 Zeitschrift für Landes- und Volkskunde, Natur-, Umwelt- und Denkmalschutz, Hrg. Landesverein Badische Heimat e.V., Freiburg 241 badischer Geschichte leistet der Verein bis heute einen wesentlichen Anteil an der Stiftung badischer Identität. Die Zeitschrift des Vereins erscheint in vierteljährlichem Rhythmus und versorgt auf diese Weise seine Mitglieder und alle Interessierten mit vielfältigen Informationen. Eine Wiedergründung des Vereins wurde im Laufe seiner Geschichte zweimal nötig, ein erstes Mal nach der Eingliederung Elsass-Lothringens in das Deutsche Reich und ein zweites Mal nach der alliierten Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg und der Gründung Württemberg-Badens. Während des Dritten Reiches musste sich der Heimatverein „Oberrheinischer Heimatbund“ nennen. Sowohl nach der Wiedergründung 1949 als auch nach der Gründung Baden- Württembergs 1952 wurde der Name „Badische Heimat“ beibehalten. Eine Kooperation mit dem Schwäbischen Heimatbund gibt es lediglich hinsichtlich der Tatsache, dass der Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg von beiden Vereinen gemeinsam alle zwei Jahre verliehen wird. Mit der Preisverleihung würdigt der Verein Leistungen im Bereich des Denkmalschutzes, die auf private Initiative und privates Engagement hin realisiert werden konnten. Anlässlich des hundertjährigen Bestehens im Jahre 2009 wurde eine Wanderausstellung organisiert, die mittels Exponaten eine Zeitreise durch hundert Jahre der Vereinsgeschichte, eingebettet in die badische Landesgeschichte, ermöglichte. Als einer der Festredner war der ehemalige Ministerpräsident Erwin Teufel vorgesehen, der allerdings absagen musste, da er kurzfristig mit Vorbereitungen zur Bundespräsidentenwahl betraut wurde. Es liegt auf der Hand, dass die kurfristige Absage und damit die Nicht-Teilnahme des Ministerpräsidenten an dieser Veranstaltung zu Ehren der Vereinsgeschichte in Baden zu keiner erfreulichen Resonanz führte. Es ist durchaus denkbar, dass sich in entsprechenden badischen Kreisen die Vermutung breit machte, dass der Ministerpräsident des Landes, seine Prioritäten zu Gunsten anderer vermeintlicher Verpflichtungen setzte und die badischen Belange für ihn von untergeordneter Bedeutung zu sein schienen.

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3. Vereinsleben (Sport) Die organisatorisch strikte Trennung entlang der historischen Ländergrenzen im politisch geeinten Land Baden-Württemberg wird in besonderer und zum Teil schon skurril anmutender Art und Weise im Vereins- bzw. Verbandswesen des Sportes deutlich. In Baden-Württemberg gibt es keine einheitliche, die Landesteile übergreifende Sportorganisation, sondern drei eigenständige regionale Sportbünde, in Baden zwei und in Württemberg einen. Innerhalb der formal existierenden Dachorganisation des Landessportverbandes Baden- Württemberg sind die Regionalverbände des Badischen Sportbundes Freiburg, der Badische Sportbund Nord und der Württembergische Landessportbund anzutreffen. An und für sich ist nicht die Existenz dreier regionaler Sportverbände als solches bemerkenswert, sondern die Tatsache, dass es offenbar weder in der Vergangenheit ernsthafte Bemühungen um eine Fusion gab, noch in der Gegenwart Anstrengungen in Richtung eines Zusammenschlusses unternommen werden. Zunächst aber ein paar Sätze zur Geschichte der drei Sportbünde. Der Württembergische Landessportbund (WLSB) ist 1951 durch die Fusion des 1946 gegründeten Landessportbundes Württemberg-Hohenzollern e.V. und des Landessportverbandes Württemberg e.V. entstanden. Bemerkenswerterweise strebt der Württembergische Landessportbund als einziger der drei regionalen Sportbünde in Baden-Württemberg, gemäß seiner Satzung, eine einheitliche Sportorganisation für das gesamte Bundesland an. „Der WLSB bekennt sich zu einem einheitlichen Landessportbund Baden-Württemberg, um die Einheit des Sports im Bundesland Baden-Württemberg zu erreichen, zu bewahren und die Interessen des Sports geschlossen zu vertreten.“417 Der WLSB hat seinen Sitz in der Landeshauptstadt und versteht sich als Vereinigung von Sportvereinen und deren Fachverbänden im württembergischen Landesteil. Er unterstützt seine Mitgliedsvereine und -verbände als Dienstleistungs- und Verwaltungsverband

417 Aus der Präambel der Satzung des Württembergischen Landessportbundes e.V. in der Fassung vom 08. Mai 2010, www.wlsb.de/cms/docs/doc7526.pdf. (21.02.2012) 243 und vertritt die Interessen seiner Mitglieder nach außen. Der WLSB zählt derzeit 2.047.943 Vereinsmitglieder, die in 5.613 Vereinen organisiert sind. Der WLSB ist in 24 Sportkreisen, sechs Geschäftsbereichen und drei Stabsstellen organisiert. „Am 3. November 1973 erklärten die drei Sportbünde von Württemberg, Baden-Nord und Baden-Süd sowie 75 Sportfachverbände ihren Beitritt zum neu gegründeten Landessportverband Baden-Württemberg (LSV).“418 Zumindest auf formaler Ebene hatten die drei Sportbünde nun eine gemeinsame Dachorganisation. Dies bedeutete aber keineswegs, dass es seit diesem Zeitpunkt eine tatsächliche Vereinheitlichung gegeben hat. Vielmehr ist die Gründung des LSV sportpolitisch motiviert gewesen, da man es für opportun hielt, gegenüber dem Deutschen Sportbund mit einer einzigen Stimme zu sprechen. Trotz der unzweifelhaften und anerkannten Eigenständigkeit der drei Regionalverbände innerhalb des Dachverbandes wollte man vermutlich eine baden-württembergische Einheit des Sports signalisieren. Der LSV hat seinen Sitz in Stuttgart und ist als Dachorganisation der baden-württembergischen Sportselbstverwaltung zu verstehen. Er hat die gemeinsamen Interessen des Sports in Baden-Württemberg gegenüber den Gebietskörperschaften und dem Deutschen Olympischen Sportbund zu vertreten. Auffallend ist in diesem Zusammenhang aber auch die Tatsache, dass die Gründung des LSV erst nach dem Ende der politischen Badenfrage im Rahmen der Volksabstimmung von 1970 stattfand. Im Vorfeld der endgültigen Entscheidung über den badischen Verbleib im Südweststaat wäre an ein solches Vorhaben sicherlich nicht zu denken gewesen. Der Badische Sportbund Freiburg (BSB) mit Sitz in Freiburg wurde 1949 gegründet und ist Gründungsmitglied des Deutschen Sportbundes. Der Badische Sportbund Freiburg zählt über 920.000 Mitglieder419, die in 3.200 Sportvereinen und über fünfzig Sportfachverbänden organisiert sind. Der BSB ist der Zusammenschluss der Sportfachverbände und Sportvereine aus Südbaden. Seine

418 Geschichte des Württembergischen Landessportbundes, www.wlsb.de/cms/iwebs/default.aspx (21.02.2012) 419 www.bsb.freiburg.de/cms/iwebs/default.aspx (21.02.2012) 244 wesentlichen Aufgaben sind die Sportförderung sowie die Unterstützung der Mitglieder in allen Fragen, die nicht von den Fachverbänden wahrgenommen werden. Einmal pro Monat erscheint die Verbandszeitschrift, die so genannte „BSB-Info“. Der Badische Sportbund Nord (BSB Nord) mit Sitz in Karlsruhe wurde bereits 1946 gegründet und ist etwas kleiner als der südbadische Verband. In ihm sind neun Sportkreise, fünfzig Fachverbände, 2.467 Sportvereine sowie 763.971 Mitglieder420 organisiert. Der BSB Nord ist die überfachliche Vereinigung aller Sport treibenden Vereine und der mit dem Sport befassten Verbände in der Region Nordbaden. Seine wesentlichen Aufgaben sind die Sportförderung und die Vertretung seiner Mitglieder. Die Vereins- und Mitgliederzahlen der drei regionalen Sportbünde beziehen sich auf den Stand des Jahres 2012. Auch in Nordbaden erscheint monatlich eine Verbandszeitschrift namens „Sport in Baden“. Eine gemeinsame, beide Landesteile übergreifende Zusammenarbeit findet lediglich in den weniger populären und weniger verbreiteten Sportsparten statt. So existiert beispielsweise der 1982 gegründete American Football und Cheerleading Verband Baden-Württemberg/Rheinland/Pfalz/Süd-Südwest) (AFCV) sogar über die Grenzen des Bundeslands hinaus, ebenso wie der 1973 gegründete Rugby-Verband Baden-Württemberg e.V. (RBW) als geeinter Landesverband. Bemerkenswert im Bereich des Rugby-Verbands und somit von Interesse für mögliche landsmannschaftliche Ressentiments ist die Tatsache, dass zur Zeit der Landesgründung Baden-Württembergs 1952 ein eigenständiger, ebenfalls 1952 gegründeter Badischer Rugby-Verband existierte. Eine Fusion zum geeinten Landesverband (RBW) gelang offensichtlich ebenfalls erst nach der Beantwortung der bis 1970 ausstehenden Badenfrage. Der Zeitpunkt der Fusion ist abermals markant und lässt Rückschlüsse auf landsmannschaftliche Ressentiments vermuten. Auch im Bereich der

420 www.badischer-sportbund.de/bsbka/iwebs/default.aspx (21.02.2012) 245

Printmedien gibt es erst seit 2009 eine gemeinsame Monatsbroschüre des Landessportverbandes Baden-Württemberg und seiner drei regionalen Sportbünde. Der Titel der Zeitschrift lautet „Sport in BW“. Zwar existiert nun eine gemeinsame Zeitschrift, deren Ausgaben neben einem ersten gemeinsamen identischen Teil einen zweiten Teil aufweist, der inhaltlich, in Form von Sonderseiten, auf spezifische Themen des jeweiligen regionalen Sportbundes zugeschnitten ist. Sport in BW beinhaltet einerseits baden-württemberg weite Inhalte, versteht sich andererseits aber als offizielles Organ des Badischen Sportbundes Nord. Somit erscheint es auch nicht wirklich verwunderlich, dass es auch in der neuen Zeitschrift in Anlehnung an das Vorgängerblatt „Sport in Baden“ einen Regionalteil für Nordbaden gibt. Die regionalen Abweichungen beinhalten für die nordbadische Ausgabe das zusätzliche Magazin „Fußball in Baden“. Die Probleme, die durch diese regionale Trennung der Sportbünde teilweise zum Vorschein kommen, werden besonders entlang der alten Landesgrenzen augenscheinlich. Das Paradebeispiel für den sportpolitischen und sportorganisatorischen Chaos stellt in diesem Zusammenhang das skurrile Vereinsleben Villingen- Schwennigens dar. Der Fall Villigen-Schwennigen wird im Rahmen dieser Betrachtungen einer eigenständigen und gesonderten Betrachtung, unter den Ausführungen zu den konkreten Gegenwartsphänomen, unterzogen werden. Es bleibt festzuhalten, dass in Baden-Württemberg keine sportpolitisch zentralistischen, sondern föderale Strukturen anzutreffen sind. Dies liegt ursächlich auch an der Tatsache, dass der Sport während der Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Siegermächte zu unterschiedlichen Zeiten wieder freigegeben wurde und sich somit eigenständige Strukturen bereits etablierten, bevor es zur Geburtsstunde Baden-Württembergs kam. Aufgrund der politisch stark emotional aufgeladenen Situation im Lande, die vor allem von landsmannschaftlichen Resistenzen und gegenseitigem Misstrauen bis in die 1970er Jahre hinein geprägt war, war an eine Fusion der drei regionalen

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Sportbünde vor der abschließenden Volksabstimmung des Jahres 1970 nicht zu denken. In der Folgezeit hatten sich diese föderalen Strukturen bis auf den heutigen Tag außerordentlich bewährt, so dass das Interesse an einer Fusion und damit an einer zentralistischen Umstrukturierung der Sportlandschaft in Baden- Württemberg zunehmend abnahm. Die gesamte Sportselbstverwaltung in Baden-Württemberg umfasst den LSV, die regionalen Sportbünde, sowie alle Sportfachverbände, Sportkreise und Sportvereine des Landes. Landesweite Dachorganisation der Sportselbstverwaltung ist der LSV. Auf regionaler Ebene wirken WLSB, BSB und BSB Nord. Daneben existieren die Sportfachverbände, die sich sowohl landesweit als auch regional organisieren. Die verschiedenen Sportarten sind in 88 Sportfachverbänden zusammengefasst. So bestehen 25 Fachverbände auf Landesebene, 24 in Gesamtbaden und in Württemberg sowie 39 getrennt in den drei eigenständigen Sportregionen. Die Sportbünde und alle Fachverbände sind Mitglieder des LSV. Darüber hinaus sind die regionalen Fachverbände und die Sportvereine Mitglieder des jeweiligen regionalen Sportbundes. Die drei regionalen Sportbünde vertreten zusammen 88 Fachverbände mit mehr als 11.000 Vereinen, in denen ca. 3,7 Millionen Mitglieder organisiert sind. Es gibt derzeit keine Bestrebungen zur Zentralisation des Sports. Die große Autonomie der Sportselbstverwaltung in Baden-Württemberg erklärt sich aber auch daraus, dass sie gegenüber dem Land eine verfassungsrechtlich gesicherte Autonomie besitzt, die einen staatlichen Eingriff sowohl in ihre Aufgaben als auch in ihre Organisationshoheit untersagt. Die einzelnen Sportorganisationen als Vereine haben das Recht, ihre Angelegenheiten auch in Abgrenzung zu den anderen Sportorganisationen selbständig zu regeln. Daher besitzen die regionalen Sportbünde ein eigenes Aufgabenverständnis sowie eine jeweils ganz spezifische Organisationsstruktur. Hinzu kommt, dass die vereinsinterne Aufgabenverteilung verschieden ist, ebenso die Aufgabenerledigung der Geschäftsstellen inklusive der jeweiligen Rechnungslegung. Im Gegenteil, „man ist sogar froh über die vorhandenen

247 dezentralen Strukturen, da sie durchaus zeitgemäß und modern sind“421, so der leitende Geschäftsführer des Badischen Sportbundes Freiburg, Herr Krause. Die großen Vorteile dieser föderalen Strukturen gegenüber anderen großen Flächenstaaten wurden von manchen anderen Bundesländern belächelt, weil sie darin einen Kleinkrieg zwischen badischer und württembergischer Landsmannschaft vermuteten. Natürlich lassen sich bis auf den heutigen Tag landsmannschaftliche Differenzen nicht negieren, aber sie dominieren nicht. Zunächst einmal muss festgestellt werden, dass sich diese föderalen Strukturen im Vergleich mit anderen großen Flächenstaaten wie etwa Bayern oder Niedersachsen als außerordentlich effizient und leistungsfähig erweisen. Die Folge des zentralistischen Aufbaus der Sportlandschaft in Bayern oder Niedersachsen führte nämlich dazu, dass der Sport in diesen Ländern auf verwaltungspolitischer Ebene im Ergebnis ineffizient wurde und sich zudem vor allem in der Peripherie des jeweiligen Landes ein sonderbares Eigenleben entwickelte, das sich für die sportliche Entwicklung sowohl in den ländlichen Räumen als auch für das gesamte Bundesland als nicht förderlich erwies. Die Folge der Erkenntnis, dass föderale Strukturen für ein Gedeihen der Sportlandschaft eines Landes zuträglich zu sein scheinen, führte zu einer beginnenden Umstrukturierung in den genannten Ländern zu Gunsten föderaler Strukturen. Dieser Umbau der sportorganisatorischen Strukturen ist natürlich verbunden mit Kosten in Millionenhöhe. So wurde aus anfänglichem und lange anhaltendem Belächeln der föderalen Sportverbandsstrukturen Baden- Württembergs heute echte Bewunderung und eine Vorbildfunktion, von der man bereit ist zu lernen. Im Jahre 1997 wurde in Baden-Württemberg eine Strukturkommission“422 durch den Landessportverband gebildet. „Der Abschlussbericht dieser Strukturkommission kommt vereinfacht ausgedrückt zu dem Ergebnis, dass man sich für die Zukunft von weiteren

421 Krause, Geschäftsführer des Badischen Sportbundes Freiburg, Gespäch vom 08.01.2011 422 Rechnungshof Baden-Württemberg, Beratende Äußerung nach §88 Absatz 2 Landeshaushaltsordnung, August 2006, Struktur der Sportselbstverwaltung in Baden-Württemberg, Az.:II – 0460 H – 0501.13, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, Drucksache14/243 vom 07.08.2006, Stuttgart, 2006, S. 7 248

Fusionsgedanken in Richtung Zentralisierung der Sportorganisation verabschiedet hat und an der bewährten föderalen Struktur mit drei weitestgehend eigenständigen regionalen Sportbünden festhalten wird, mit der Absicht, die Kooperation zwischen den Regionalverbänden weiter zu optimieren.“423 So lässt sich für den baden-württembergischen Sport das Motto konstatieren, so viel Eigenverantwortung der regionalen Sportbünde wie möglich und so wenig Zentralisierung durch den Dachverband wie nötig im Sinne von sinnvoll. So ist beispielsweise der Landessportverband Baden- Württemberg insbesondere für das strategisch-operative Geschäft zuständig. Konkret bedeutet das zwei wesentliche Aufgaben. Zum einen die Förderung des Nachwuchses und zum anderen die politische Repräsentation nach außen gegenüber anderen Dachorganisationen anderer Bundesländer, aber auch gegenüber dem Deutschen Sportbund. Beide Aufgaben wären von den regionalen Sportbünden allein nicht optimal zu leisten. Hierfür benötigt man eine zentrale Interessensbündelung und Interessensvertretung, um jungen Nachwuchstalenten auch die Chance zu eröffnen, den Sprung vom Landeskader in den Bundeskader zu ermöglichen. Auch im Bereich der Printmedien macht ein Stück zentraler Organisation, wie am Beispiel der gemeinsamen Landesbroschüre bereits aufgezeigt, Sinn. Ein weiteres Argument für die föderale Struktur der Sportlandschaft und deren Beibehaltung in Baden- Württemberg lieferte der Rechnungshof Baden-Württemberg im August des Jahres 2006424. Der Rechnungshof hat die Funktion der ökonomischen Beratung der politischen Entscheidungsträger. In einer Effizienzanalyse erhielt der Landessportverband Baden-Württemberg höchstes Lob. Die Untersuchung kommt abschließend zu dem Ergebnis, dass die föderale Organisation mit seinen drei regionalen Sportbünden in Baden-Württemberg eindeutig die

423ebenda, Krause, 2011 424 Rechnungshof Baden-Württemberg, Beratende Äußerung nach § 88 Absatz 2 Landeshaushaltsordnung, August 2006, Struktur der Sportselbstverwaltung in Baden-Württemberg, Az.:II – 0460 H – 0501.13, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, Drucksache 14/243 vom 07.08.2006, Stuttgart, 2006 249 kostengünstigere Variante gegenüber allen hin und wieder in den Raum gestellten zentralistischen Überlegungen der Sportorganisation darstellt. Der Rechnungshof Baden-Württemberg mit Sitz in Karlsruhe hat im Auftrag des Finanzausschusses des Landtages die Organisationsstrukturen der Sportselbstverwaltung im Land untersucht. „Die Untersuchung erbrachte im Ergebnis keine Hinweise auf signifikant unwirtschaftliches Verhalten der Sportspitzenorganisationen“425 im Umgang mit Landesmitteln. Daraus folgerte man, dass eine Zusammenführung der regionalen Sportbünde in Baden- Württemberg aus haushaltswirtschaftlicher Sicht nicht begründbar sei. Aufgrund der immer noch heterogenen Aufgabenwahrnehmung in den einzelnen Sportbünden war das Ziel der Untersuchung durch die Rechnungsprüfer, die Organisationsstrukturen der Sportselbstverwaltung auf Wirtschaftlichkeitspotenziale hin zu prüfen und dem Finanzausschuss des Landtags gegebenenfalls Vorschläge für veränderte Organisationsstrukturen zu unterbreiten. Ausgangspunkt der Überlegungen war es, dass es prinzipiell möglich ist, die drei Sportbünde mit dem LSV zu einem Landesdachverband zu vereinen. Eine ebenso denkbare Alternative ist die Zusammenlegung der beiden badischen Sportbünde, wie auf württembergischer Seite bereits geschehen. Eine Umstrukturierung der Sportorganisation in Richtung Zentralisierung ist aber nur dann als sinnvoll zu erachten, wenn dadurch eine Kostenreduktion, eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit, eine Erhöhung der Effektivität der Aufgabenerledigung oder eine Verbesserung der Leistungsqualität erreicht werden würde. Die Untersuchung des Rechnungshofes ergab keine Anhaltspunkte, dass unter Beibehaltung des aktuellen Angebots durch eine Vereinigung der Sportbünde Kosten tatsächlich gesenkt werden könnten. „Die Zusammenführung der regionalen Sportbünde wird immer wieder diskutiert. Durch eine Zentralisierung könnten bei der Verwaltung Synergieeffekte entstehen. Aufgrund der Ausdehnung des Landes und der

425 ebenda, Rechnungshof Baden-Württemberg, 2006, S. 8 250 regionalen Bindung vieler Sportvereine würde sie jedoch regionale Außenstellen nicht entbehrlich machen. Der Spareffekt dürfte daher gering ausfallen. (…) Auch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass bei deren Zusammenführung die Wirtschaftlichkeit in relevantem Umfang gesteigert werden könnte.“426 Hierbei ist zu beachten, dass der Sport das Leistungsangebot seiner Spitzenorganisationen autonom festlegt. Eine gesteigerte Wirtschaftlichkeit ist insbesondere auch deshalb nicht zu erwarten, „weil die Leistungsempfänger der Sportspitzenorganisationen, also vornehmlich die Sportfachverbände und die Sportvereine unverändert blieben und auch nicht damit zu rechnen ist, dass diese ihre Leistungsansprüche reduzieren.“427 Bei einer Zentralisierung entstehen erfahrungsgemäß zwar Synergieeffekte, allerdings blieben diese im Falle der Zusammenlegung der Sportbünde in den LSV nur gering, da bereits heute die Aufgaben der regionalen Sportbünde durch den LSV koordiniert werden. Zu bedenken ist auch, „dass die Förderhöhe sich nicht direkt an den Kosten der Sportorganisationen orientiert. Die Landeszuschüsse sind einerseits von der allgemeinen Haushaltslage, andererseits von der politischen Bedeutung des zu fördernden Vorhabens abhängig. Folglich bestimmen die jeweiligen Kosten der Sportorganisationen nicht unmittelbar die Höhe der Landeszuwendungen. Daraus folgt auch nur ein indirekter Zusammenhang zwischen einer möglichen Kostenreduzierung durch eine Zentralisierung der Sportorganisation und dem finanziellen Landesengagement. Ebenso muss man die Tatsache berücksichtigen, dass das Land nur einen Teil der Verwaltungskosten der Sportspitzenorganisationen finanziert.“428 Das Land Baden-Württemberg könnte jederzeit, auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Förderung des Sports, die Höhe der Zuwendungen reduzieren. In einem solchen Falle läge es dann wiederum bei den Sportorganisationen, darauf mit entsprechenden Maßnahmen zu reagieren. Da die regionalen Sportbünde am

426 ebenda, Rechnungshof Baden-Württemberg, 2006, S. 8 427 ebenda, Rechnungshof Baden-Württemberg, 2006, S. 27 428 ebenda, Rechnungshof Baden-Württemberg, 2006, S. 27 251 besten wissen, wie man am effektivsten auf Einnahmeeinbußen reagieren könnte, wäre es auch kontraproduktiv, wenn das Land beispielsweise organisatorische Vorschläge unterbreiten würde und sich damit in interne Angelegenheiten der Sportorganisationen einmischen würde. Abschließend sei erwähnt, „dass das Land seine Förderung mit konkreten Zielen verknüpfen kann, die der Sport als Zuwendungsempfänger erreichen soll. In Anbetracht der Autonomie des Sports sollte es auch diesem überlassen bleiben, mit welchen Mitteln die Umsetzung der Ziele erfolgen soll. Dies schließt auch Aspekte auf organisatorischer Ebene mit ein.“429 Nicht von ungefähr ist der Landessportverband Baden-Württemberg der einzige Verband im Bundesgebiet, der steigende Mitgliederzahlen verzeichnet. Um die durchaus auftretenden landsmannschaftlichen Resistenzen näher zu beleuchten, bietet es sich an, einen genaueren Blick auf die Fusionsbemühungen des Jahres 2005 zwischen dem badischen und württembergischen Judoverband zu werfen. Zum besseren Verständnis sei erwähnt, dass derzeit ein gesamtbadischer und ein württembergischer Judoverband existiert. Nachdem die Präsidenten beider Verbände bezüglich der Fusionsmodalitäten und Fusionsdetails bereits Einigkeit erzielt hatten, wurden die jeweiligen Vereine über das Vorhaben, mit dem Hinweis auf die damit verbundenen Vorteile, informiert. Bei der Vermittlung dieses Vorhabens wurden offenbar falsche Informationen an die Vereine kommuniziert. So wurde den Vereinen beispielsweise eine Fusion damit schmackhaft gemacht, dass diese den Vereinen finanzielle Unterstützung für den Leistungssport brächte. Diese in bereits weiten Kreisen kursierende Fehlinformation wurde durch den Geschäftsführer des Badischen Sportbundes Freiburg klargestellt. Es existieren bis heute ausschließlich Spekulationen darüber, wer diese Fehlinformation in Verbandskreisen gestreut hat. Ebenso bleibt es umstritten, ob diese Falschaussage gezielt oder versehentlich verbreitet wurde. Im Ergebnis

429 ebenda, Rechnungshof Baden-Württemberg, 2006, S. 28 252 scheiterten die Fusionsbemühungen. Das letztlich benötigte Quorum wurde in Baden nicht erreicht. Ob das Scheitern der geplanten Fusion zwischen den beiden Judoverbänden allein auf das falsche Versprechen eines Geldsegens zurückzuführen ist oder ob nicht doch dahinter badisches Beharren eine Rolle spielten, bleibt zwar reine Spekulation, die aber keineswegs völlig absurd erscheinen würde. So ist sich eine Spitzenjudoka des württembergischen Verbandes ziemlich sicher, dass im vorliegenden Falle von badischer Seite Ressentiments gegenüber dem württembergischen Verband ausschlaggebend gewesen seien. Nahrung erhält diese Vermutung vor allem dadurch, dass man im badischen Judoverband eine Benachteiligung und Zurückstufung befürchtete, da bereits der Olympiastützpunkt des Judosports in Baden-Württemberg im württembergischen Sindelfingen liegt. Vielleicht waren auch beide Sachverhalte für das Nicht-Erreichen des notwendigen Quorums in Baden verantwortlich. Insgesamt betrachtet bleibt dennoch festzuhalten, dass landsmannschaftliche Vorurteile sicherlich existieren, aber eher selten und dann auch eher konkret und punktuell in Erscheinung treten. Die Zusammenarbeit zwischen den regionalen Sportbünden funktioniert sogar sehr harmonisch. So sind die Sportbundgrenzen eher theoretischer Natur. Die Praxis gestaltet sich faktisch anders und relativ reibungslos. So können beispielsweise Vereine, die in Württemberg liegen, durchaus in Freiburg organisiert sein. Dieses Phänomen, sofern dieser Sachverhalt überhaupt als Phänomen betrachtet werden kann, finden wir zum Beispiel im Schachsport. Genauso können im umgekehrten Falle Vereine, die geographisch in Baden zu verorten sind, im Bereich des Sportbetriebes mit württembergischen Vereinen in einer gemeinsamen Liga zusammenspielen, weil es für einen Verein unter Umständen sportlich interessanter sein kann. Natürlich müssen im Vorfeld eines derartigen grenzüberschreitenden Anliegens die Argumente auf Sinnhaftigkeit geprüft werden. Werden solche Anträge als vernünftig eingestuft, so können sie auch problemlos realisiert werden. Vor allem in den Sparten Handball, Fußball

253 und Volleyball sind solche Sachverhalte nicht selten anzutreffen. Es besteht also in der Praxis keine zwingende Trennschärfe in Sachen Sportbundgrenzen in Baden-Württemberg, wenn man den Sonderfall der Sportorganisation Villingen- Schwenningens zunächst mal ausklammert.

4. Zusammenfassung Der vorangegangene Abschnitt zum Fortleben des Badischen in organisatorisch- politischer Hinsicht, verdeutlicht, dass Baden innerhalb des politisch geeinten Bundeslandes ein bemerkenswertes Eigenleben und eine vielfältige Eigenständikeit in zahlreichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens fortsetzt. Am Beispiel der kirchlichen Gliederung des Landes, der „Badischen Heimat“ sowie dem Vereinsleben im Bereich des Sports wird die Kontinuität badischen Beharrens bis heute deutlich. Die Ursachen dieser fortgesetzten Strukturen sind unterschiedlich begründet. Besonders stark ausgeprägt sind die autonomen Strukturen im Bereich der kirchlichen Gliederung des Landes. So orientiert sich die kirchliche Organisation sowohl der katholischen als auch der evangelischen Kirche an den historischen Ländergrenzen des Großherzogtums Baden bzw. des Königreichs Württemberg. Da beide Landeskirchen auch nach der Gründung Baden-Württembergs 1952 ihre Organisations- und Verwaltungsstrukturen beibehielten, existiert bis heute weder eine geeinte katholische noch eine geeinte evangelische Landeskirche. Die bestehenden Konflikte zwischen der evangelischen Landeskirche Baden und der evangelischen Landeskirche Württembergs erklären sich aber zunächt einmal aus der Tatsache strukturell vorgegebener Rahmenbedingungen zweier Landeskirchen, die auch nach der Gründung Baden-Württembergs 1952 ihre autonomen Strukturen beibehielten. Für beide Landeskirchen bestand keine Notwendigkeit diesbezüglich etwas zu verändern. Die Ursachen für die erwähnten Konflikte liegen aber auch in der unterschiedlichen religiösen Tradition und Prägung beider Landeskirchen. Beide

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Landeskirchen haben als religiöses Fundament eine unterschiedliche theologische Grundlegung. Die aktuell bestehenden Konflikte zwischen badischer und württembergischer Landeskirche sind zwar nur teilweise auf die ohnehin existierenden Animositäten zwischen den unterschiedlichen Landsmannschaften zurückzuführen, aber durchaus unterschwellig existent. Der Verein „Badische Heimat“ zeigt eine tiefe Verwurzelung in der badischen Regional- und Landesgeschichte auf und trägt in besonderem Maße zur Entwicklung einer heimatlichen Verwurzelung in Baden bei. Eine Kooperation mit dem Schwäbischen Heimatbund ist, wenn man überhaupt von Zusammenarbeit sprechen kann, nur ansatzweise existent. Auch das Vereinsleben im Bereich des Sports zeigt bis heute stark ausgeprägte autonome Organisationsstrukturen auf. Die drei regionalen Sportbünde in Baden-Württemberg, die zwar formal im Landessportverband Baden- Württemberg (LSV) als Dachorganisation organisiert sind, agieren dennoch vorwiegend regional eigenständig. Interessant ist das Datum der Gründung des Dachverbandes im Jahre 1973. Es bleibt zu vermuten, dass die Gründung eines gemeinsamen Dachverbandes vor der Beantwortung der politischen Badenfrage im Jahre 1970, auf Grund bestehender Ressentiments und der ohnehin emotional aufgeheizten Stimmung im Land, nicht möglich gewesen wäre. Die Gründung des Dachverbandes stellt allerdings keine Herzenssache der drei regionalen Sportbünde dar, sondern war ausschließlich sportpolitisch motiviert gewesen. Die Ursachen für die sportpolitisch dezentralen Strukturen in Baden- Württemberg liegen darin begründet, dass die Organisation des Sports während der Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu unterschiedlichen Zeiten wieder zugelassen wurde. Auf Grund dieser Tatsache haben sich bereits vor der Landesgründung Baden-Württembergs 1952, voneinander getrennte Organisationsstrukturen gebildet und manifestiert. In der Folgezeit sah man zudem keinen Handlungsbedarf in Richtung landesweiter Vereinheitlichung des Sports, da sich die föderalen Strukturen in jeder Hinsicht bewährt hatten.

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Und selbst nach der Gründung des Dachverbandes im Jahre 1973 gab es keine ernsthaften Bemühungen, zentrale Organisationsstrukturen in Baden- Württemberg zu schaffen. Zum einen hatte auch der Rechnungshof Baden- Württemberg in einer Effizienzanalyse die Vorteile der vorhandenen föderalen Strukturen gegenüber einer denkbaren zentralistischen Organisation des Sports bestätigt, zum anderen wäre eine sportpolitische Vereinheitlichung, schon durch die in der Verfassung des Landes verankerte und garantierte Autonomie der Sportselbstverwaltung, erschwert gewesen. Dennoch bleiben auch die beschriebenen landsmannschaftlichen Ressentiments zwischen den einzelnen regionalen Sportbünden von Bedeutung. Unabhängig von der Sinnhaftigkeit der föderalen Organisation der Sportstruktur in Baden-Württemberg, würde ein Zusammenschluss der regionalen Sportbünde und eine Umstellung auf zentralistische Strukturen vermutlich auch an landsmannschaftlichem Widerstand scheitern. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die beschriebene Tatsache, dass ausschließlich der Württembergische Landessportbund satzungsgemäß eine Vereinheitlichung des Sports in Baden- Württemberg festschreibt. Und dennoch muss abschließend konstatiert werden, dass trotz bestehender landsmannschaftlicher Vorurteile, sich die Kooperation der regionalen Sportbünde in der Praxis harmonisch und weitgehend reibungslos gestaltet, und die Sportbundgrenzen somit eher theoretischer Natur sind. Landsmannschaftliche Resistenzen treten nur vereinzelt und wenn, dann sehr konkret in Erscheinung. Zusammenfassend lässt sich für den Sport in Baden- Württemberg folgender Organisationsgrundsatz ableiten: So viel Eigenverantwortung der drei regionalen Sportbünde wie möglich und so wenig Zentralisierung durch den Dachverband wie nötig. Das Beharrungsvermögen im organisatorisch-politischen Bereich ist vorwiegend historisch-strukturell begründet. Landsmannschaftliche Animositäten spielen aber dennoch eine Rolle. Am deutlichsten treten diese im Bereich der Organisation des Sports in Erscheinung. Gerade im Bereich des Sports kommt die kulturell-kommunikative

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Dimension der Badenfrage ins Spiel, die deutlicher als in anderen Bereichen auf der Inszenierung einer neuen Tradition badischen Bewusstseins von Identität beruht.

VI MENTALITÄTEN UND GEGENSÄTZE: DIE SCHWABEN ALS WIDERPART 1. Formen des Gesellens a) Die neuen „Kriegsschauplätze“ im Fußball Politische und mentale Resistenzen finden sich natürlich nicht nur auf organisatorischer Ebene, wie beispielhaft u.a. im Vereins- und Verbandswesen dargelegt, sondern besonders auch im Alltagsgeschehen der Menschen in gesellschaftlichen Ereignissen. Hier gilt es vor allem den Bereich Sport, im Besonderen die Sparte Fußball zu erwähnen. Gerade im Fußball, dem Volkssport Nummer eins, werden medial äußerst wirksam, mentale Resistenzen und badisches Beharrungsvermögen augenscheinlich und für Jedermann sichtbar nach außen getragen, um eigene Identität in Abgrenzung zu anderen zu demonstrieren. Die am Wochenende ausgetragenen Spiele der Fußballbundesliga avancieren buchstäblich zu den neuen „Kriegsschauplätzen“ eines Problems, von dem man glaubte, dass es der Vergangenheit angehöre. Die Nachwirkungen um die Auseinandersetzungen im Rahmen der bereits 1970 politisch gelösten Badenfrage sucht sich hier auf emotionalem und kommunikativem Wege ein Ventil. So wird bei den drei badischen Vertretern der Fußballbundesliga vor jedem Heimspiel zur Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühl durch das Publikum das Badnerlied lautstark intoniert. Dieses Phänomen ist ganz konkret in Freiburg, Karlsruhe und neuerdings auch beim badischen Kraichgauvertreter Hoffenheim anzutreffen. Die Recherchen haben ergeben, dass dieses Ritual vor Spielbeginn beim SC

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Freiburg seit der Saison 1988/89 existiert.430 Der Eingang des Badnerlieds im Dreisamstadion in Freiburg ist im Rückblick als eine Art Experiment zu werten. So entstand die Idee durch den Leiter der Personalabteilung der Pädagogischen Hochschule Freiburg, Claus Köhn. Dieser ist seit 1988 auch als Stadionsprechers des SC Freiburgs tätig. Er hat das Lied, das im Rundfunk von „Radio Freiburg“ offensichtlich desöfteren gespielt wird, aufgenommen und im Stadion vor Spielbeginn abgespielt. „Was hier quasi als Experiment begann, fand in Freiburg sofort große Zustimmung und hat sich bis auf den heutigen Tag zu einem festen Bestandteil, man kann schon sagen zu einer geradezu rituellen Handlung im Vorfeld des sportlichen Kräftemessens entwickelt.“431 Die Idee, so Claus Köhn, kam spontan. Als Urbadener, wie er sich selbst bezeichnet, wollte er damit seine Gefühle zum Ländle zum Ausdruck bringen. Beratungen oder gar eine Abstimmung über das Abspielen des Badnerliedes im Stadion gab es nicht. Der SC Freiburg, der seinerzeit noch in der zweiten Bundesliga spielte, sei damals froh gewesen, dass jemand die Funktion des Stadionsprechers und DJs übernommen hatte. Im Gegensatz zu heute fanden die Spiele damals noch vor wenigen tausend Zuschauern statt. „So konnte ich autark handeln, ohne dass mir von irgendeiner Seite hineingeredet wurde.“432 Auf diese Weise hat der sportliche Erfolg des SC Freiburgs und vielleicht auch ein bisschen das Badnerlied zur wachsenden Popularität des Fußballs in Freiburg und über die Landesgrenzen hinaus geführt und das immer wiederkehrende Wochenendspektakel zu einem Großereignis mit zum Teil rituellem Charakter gemacht. Die Verwendung des Badnerliedes im Kontext Fußball konnte aufgrund seiner Popularität ein größeres Publikum erreichen. Somit diente und dient der Sport in diesem Falle als Vehikel zum Transport badischer Identität und hat sicherlich einen zusätzlichen Beitrag zu einer ganz spezifischen Heimatverbundenheit geleistet.

430 Köhn, Leiter der Peronalabteilung der Pädagogischen Hochschue Freiburg, Gespräch, 13.03.2011 431 ebenda, Köhn, Gespräch, 2011 432 ebenda, Köhn, Gespräch, 2011 258

Dasselbe Phänomen ist im Karlsruher Wildparkstadion anzutreffen, allerdings mit einer anderen Vorgeschichte als beim SC Freiburg. Während die Einführung des Badnerlieds in Freiburg auf eine Privatinitiative zurückzuführen ist, „so hatte beim Karlsruher SC die Staatsbrauerei Rothaus als wichtiger Sponsor maßgeblichen Einfluss auf den Eingang des Badnerliedes im Wildparkstadion.“433 Nach Auskunft von Herrn Martin Wacker, der seit 1999 die Funktion des Stadionsprechers in Karlsruhe ausfüllt, ist die Einführung des Badnerliedes auf Ende der 1980er Jahre zu datieren. Da sich das Badnerlied zuerst in Freiburg etablierte und von dort quasi seinen Weg nach Karlsruhe fand, muss die Einführung in Karlsruhe entweder im Verlaufe der Spielsaison 1988/89 oder in der Saison 1989/90 stattgefunden haben. Während man in Freiburg vor Spielbeginn nur die ersten beiden Strophen anstimmt, so singt man in Karlsruhe die ersten drei Strophen des Badnerliedes. Beiden Sportstätten gemeinsam ist der stark ritualisierte Charakter dieses Phänomens im unmittelbaren Vorfeld des Spiels. „In der Saison 2003/04 kam es zu einem buchstäblichen Eklat, nachdem man aus organisatorischen Schwierigkeiten bzw. personeller Mangelbesetzung in der Sprecherkabine auf das Einspielen des Badnerliedes in Folge Zeitmangels verzichten musste. Ein Sturm der Entrüstung in Form von Schmährufen, bösen Briefen sowie aggressiven und beleidigenden E-mails mussten die Vereinsführung inklusive des Stadionsprechers über sich ergehen lassen. Offenbar fühlten sich viele Zuschauer durch das Auslassen dieses Rituals in ihrer badischen Ehre ganz persönlich verletzt. Seitdem hat sich eine derartige Panne nicht mehr wiederholt.“434 Der geschilderte Vorfall verdeutlicht den hohen Stellenwert, den dieses Ritual eingenommen hat, und dass dieser Brauch zum unverzichtbaren Bestandteil geworden ist. Des Weiteren dokumentiert dieses Ereignis einmal mehr das offensichtlich tief verankerte badische Bewusstsein von Identität in dieser Region.

433 Wacker, Stadionsprecher des Karlsruher Sport Clubs (KSC), Gespräch, 15.03.2011 434 ebenda, Wacker, 2011 259

Die TSG 1899 Hoffenheim ist der dritte badische Vertreter im Oberhaus der Fußballbundesliga. Hoffenheim ist erst seit der Spielzeit 2008/09 in der ersten Fußballbundesliga. Nach einem bis dahin einzigartigen Durchmarsch von der Regionalliga (2005/06) über die zweite Bundesliga 2007/08 bis in die belle Etage des deutschen Fußballs dauerte es sage und schreibe gerade einmal drei Jahre. Solide sportliche Arbeit und konsequente Nachwuchsförderung, in Verbindung mit dem finanzkräftigen Sponsor und Mäzen Dietmar Hopp, Mitbegründer der SAP AG, lieferten die Grundlagen für den kometenhaften sportlichen Aufstieg. Dietmar Hopp war von 1988 bis 1998 Vorstandsvorsitzender der SAP AG, in der Zeit danach war er bis 2003 Vorsitzender des Aufsichtsrates und bis 2005 einfaches Mitglied in diesem Gremium. Zur Unterstützung gemeinnütziger Projekte in den Bereichen Sport, Bildung, Soziales und Medizin gründete er 1995 die so genannte Dietmar - Hopp- Stiftung. Nach seinem Rückzug aus der SAP AG trat Dietmar Hopp vor allem als finanzkräftiger Investor, insbesondere in der Rhein-Neckar-Region, der er sich besonders heimatlich verbunden fühlt, in Erscheinung. In verschiedenen sportlichen Bereichen zeigt er sich sehr aktiv, so unterstützte er für die Rhein-Neckar-Löwen (Handball) den Bau der SAP-Arena in Mannheim. Auch der Bereich der Förderung des Sportnachwuchses ist ihm ein Anliegen. In diesem Zusammenhang sind der Golf Club St. Leon-Rot, im Eishockey die Adler Mannheim, im Handball die Rhein-Neckar-Löwen und in der Sparte Fußball die FC Astoria Walldorf und vor allem die TSG 1899 Hoffenheim zu erwähnen. Seine besondere Liebe zur TSG Hoffenheim ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass er seine Kindheit dort verbrachte. Das von ihm erst 1999 finanzierte Stadion trägt seinen Namen, erwies sich aber aufgrund des bis in die Gegenwart anhaltenden sportlichen Höhenfluges des Vereins, in seinem Zuschauerfassungsvermögen sehr schnell als zu klein. Daraufhin sagte Hopp seine Beteiligung an der Finanzierung eines angemessenen Bundesligastadions zu. Im Januar 2009 war das neue Stadion, die so genannte Rhein-Neckar-Arena,

260 bezugsfertig. Ebenso wie bei den beiden anderen badischen Bundesligisten wird auch in Hoffenheim im Kraichgau vor Spielanpfiff stets das Badnerlied angestimmt. Es werden wie in Karlsruhe die ersten drei Strophen gesungen. Im Falle Hoffenheims ist die Idee ähnlich wie in Freiburg auf private Initiative während eines Stammtisches entstanden. Da die TSG Hoffenheim zu dieser Zeit noch in der Regionalliga spielte, existierten auch erst ungefähr fünfzig Fans, so dass die Entscheidung, im Vorfeld der Meisterschaftsspiele, das Badnerlied zu singen, bei diesen Stammtischen unproblematisch vonstatten ging. Der entscheidende Stammtisch, der diese Idee schuf, lässt sich nicht mehr exakt datieren. Ebenso lässt sich in diesem Zusammenhang auch keine konkrete Person im Sinne eines Ideengebers namentlich nennen. Dies lässt sich natürlich damit erklären, dass dieser Stammtisch zwar durchaus regelmäßig zusammengekommen ist, aber keine formelle Satzung oder gar ein Gremium besaß, das etwas hätte formal beschließen müssen. So entstand die Idee spontan aus dem Stammtisch heraus, allerdings mit dem Hinweis darauf, so der aktuelle Stadionsprecher Maik Diehls, „dass Hoffenheim schließlich badisch ist und man das Badnerlied schließlich schon als Kind in der Schule gelernt und regelmäßig gesungen hat.“435Mit dieser Vorgeschichte war die Akzeptanz des Liedes bei den Vereinsspielen gesichert. Die Vorgeschichte des Eingangs des Badnerliedes in die Vereinsgeschichte von Hoffenheim verdeutlicht ebenso wie in den Fällen Freiburg und Karlsruhe die große Bedeutung der heute gelebten badischen Identität für die Menschen dieser Region. Stimmten in Zeiten der Regionalligaspiele lediglich wenige Dutzend Fans das Badnerlied an, so sind es heute etwa dreißig Tausend. Bemerkenswert ist, „dass der Verein auch sehr viele Fans aus dem nahegelegenen württembergischen Heilbronn anzieht.“436 Wenn man seinerzeit gewusst hätte, dass der Verein direkt in die erste Bundesliga durchmarschieren würde und sich die Mannschaft dort bisher auch gut behaupten kann, dann hätte man durchaus auch ein noch größeres Stadion

435 Diehl, Stadionsprecher der TSG 1899 Hoffenheim, Gespräch, 22.03.2011 436 ebenda, Diehl, 2011 261 für noch mehr Zuschauer bauen können. Entsprechend sind die Bundesligapartien regelmäßig ausverkauft, und nur bei langfristiger Kartenvorbestellung erhält man Zutritt und die Gelegenheit, dieses Spektakel live mitzuerleben. Diese Entwicklung war allerdings in der Dimensionen nicht absehbar. Man bedenke an dieser Stelle, dass Hoffenheim nur etwas mehr als drei Tausend Einwohner zählt und somit eine kleine Gemeinde im Rhein- Neckar-Kreis darstellt, die im Zuge der Gemeindereform in Baden-Württemberg zu Sinsheim eingemeindet wurde.

b) Das Badnerlied Die Entstehung des Badnerlieds ist nicht vollständig geklärt. „Um 1865 soll das weitgehend in Vergessenheit geratene Sachsenlied als Vorlage gedient haben und umgedichtet worden sein. So ähnelt das Badnerlied in Text und Melodie dem Sachsenlied“437, das demnach älteren Datums als das Badnerlied sein muss. Sowohl über die Entstehungsgeschichte als auch über den genauen Entstehungszeitpunkt existieren unterschiedliche Spekulationen. „Der Entstehungszeitraum muss zwischen 1848 und 1890 datiert werden, da die erstmalige Belegung der Bundesfestung in Rastatt mit Soldaten 1848 erfolgte. Im Jahre 1890 wurde bereits mit den Abbrucharbeiten begonnen.“438 Hinweise auf die Datierung des Badnerliedes auf die Mitte des 19. Jahrhunderts liefern die Verse der 3. Strophe über die Festung in Rastatt und die Fabrik in Mannheim, die Rückschlüsse auf die Zeit der in Deutschland einsetzenden Industrialisierung zulassen. Im Unterschied zu anderen regionalen Lobliedern erfreut sich das Badnerlied bis zum heutigen Tage einer sehr großen Popularität. „Die früheste bekannte Druckfassung des Liedes umfasst fünf Grundstrophen, welche zuerst in einer kleinen Sammlung von Soldatenliedern zu finden sind. Leutnant Karl

437 www.lv-baden.de/a/web/badnerlied_geschichte.html (15.12.2010) 438 www.lv-baden.de/a/web/badnerlied_geschichte.html (15.12.2010) 262

Pecher vom 5. Badischen Infanterieregiment Nr.113 (Freiburg) hat diese Strophen nach dem Gesang seiner Einheit 1902 veröffentlicht.“439 Die Ursprünge des Badnerlieds sind nicht eindeutig geklärt. „In einer Liedersammlung von Friedrich Pfaff ist das Badnerlied 1906 niedergeschrieben und erneut veröffentlicht worden. Zur Feier der hundertjährigen Zugehörigkeit des Breisgaus zu Baden war die erwähnte Liedersammlung dem Großherzog Friedrich und seiner Gemahlin Luise von Baden dargebracht worden.“440 Auch die Entstehung der dazugehörigen Melodie ist nicht zweifelsfrei geklärt. Zumindest wird „die Melodie 1915 in einem Schulliederbuch als „alte badische Volksweise“ bezeichnet.“441 Die große Beliebtheit des Badnerliedes zeigt sich auch daran, dass neben den regulären fünf Strophen eine Vielzahl weiterer Strophen im Laufe der Zeit hinzugedichtet wurden, die entweder einzelne Regionen oder verschiedenen Städten Badens gewidmet sind (siehe Anhang, S.402ff). Auch bei offiziellen Anlässen, Festakten, Einweihungen, Schulfesten u.ä. hat das Lied Eingang gefunden und erhält dadurch einen quasi offiziellen Status. Sogar beim NATO-Gipfel 2009 in Kehl, Baden-Baden und Straßburg wurde das Badnerlied gespielt als die Staats- und Regierungschefs der NATO- Staaten badisches Terrain über den Rhein nach Straßburg verließen. Neben den Lobgesängen auf die badische Landschaft existieren auch einzelne Strophen, die die Schwaben verunglimpfen und meist als inoffizielle Strophen bezeichnet werden. Zuweilen entdeckt man auch den folgenden Hinweis: „Ich muss an dieser Stelle eine Warnung aussprechen, da das Weiterlesen für Nichtbadener anstößig sein kann.“442

439 www.lv-baden.de/a/web/badnerlied_geschichte.html (15.12.2010) 440 CDU-Landtagsfraktion, Haus der Abgeordneten, Lieder, die verbinden, Hrg. Landtag von Baden- Württemberg, Stuttgart, 2001 441 www.lv-baden.de/a/web/badnerlied_geschichte.html (15.12.2010) 442 www.brenneis.de/badnerlied-InoffizielleStrophen (17.12.2010) 263

Doch zunächst zu den ersten fünf regulären Strophen des Badnerlieds, die wie folgt lauten: Das schönste Land in Deutschlands Gau`n das ist mein Badner Land! Es ist so herrlich anzuschaun und ruht in Gottes Hand.

Refrain: Drum grüß ich dich mein Badner Land, du edle Perl im Deutschen Land! frischauf, frischauf, frischauf, frischauf, frischauf, frischauf, mein Badner Land.

In Haslach gräbt man Silbererz, in Freiburg wächst der Wein, im Schwarzwald schöne Mädchen, ein Badner möcht ich sein! Refrain

In Karlsruh ist die Residenz, in Mannheim die Fabrik, in Rastatt ist die Festung, und das ist Badens Glück! Refrain

Alt-Heidelberg, du feine, du Stadt an Ehren reich. Am Neckar und am Rheine, keine andre kommt dir gleich. Refrain

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Der Bauer und der Edelmann das liebe Militär, die sehn einander freundlich an und das ist Goldes wert! Refrain

Besonders eindrucksvoll ist – wie eben dargestellt - die Verwendung des Badnerliedes bei den Heimspielen badischer Fußballvereine wie dem Karlsruher SC, dem SC Freiburg und neuerdings auch bei der TSG 1899 Hoffenheim. Aber auch vor Spielbeginn bei Heimspielen der Rhein-Neckar- Löwen beim Handball wird das Badnerlied mittlerweile angestimmt. Das Badnerlied ist somit zur inoffiziellen Landeshymne Badens geworden. „Im Ringen Leo Wohlebs um die Zukunft Südbadens bzw. Gesamtbadens in den Jahren 1948-1952 erlebte das Badnerlied eine Renaissance“443, die sich weit in die fünfziger Jahren erstreckte, also rund um die Zeit der Landesgründung Baden-Württembergs. Vielleicht verlieh die Landesgründung dem Badnerlied gerade deshalb besondere Schubkraft, um sich in seiner badischen Identität gegenüber dem Schwaben abzugrenzen. Die Angst vor dem Verlust badischer Identität im geeinten politischen Gemeinwesen spielt sicherlich bewusst oder unterbewusst auch über das Jahr 1970 hinaus eine besondere Rolle. „Die Akzentuierung von „Badens Glück“ hat etwas geradezu Versonnenes gegenüber der gängigen verbalen Kraftmeierei, von der allerdings auch das Badner-Lied keineswegs frei ist: „Das schönste Land in Deutschlands Gau`n…an Ehren reich…du edle Perl`…keine andre kommt dir gleich!“Man sollte also die Wendung von „Badens Glück“ im Badner-Lied nicht überbewerten, (…)“444 Die Strophen zwei und drei werden je nach Region hin und wieder in der Reihenfolge des Singens vertauscht. Die letzte Strophe des Liedes wird bei den

443 www.lv-baden.de/a/web/badnerlied_geschichte.html (15.12.2010) 444 John, 2003, S. 15 265 meisten Anlässen nicht gesungen. Wenn man sich den Inhalt näher betrachtet, dann ist zu vermuten, dass diese Strophe heute als nicht mehr zeitgemäß empfunden wird, während die anderen Strophen als ganzes oder in weiten Teilen doch eher auf Resonanz stoßen. Die vierte Strophe, die einer Liebeserklärung an die Stadt Heidelberg gleichkommt, „stammt von dem badischen Dichter Josef Victor von Scheffel (1826-1886), aus seinem Werk „Der Trompeter von Säckingen“ (1852).“445 Da die Brauerei Rothaus beispielsweise beim Karlsruher SC als Sponsor auftritt und über diesen Weg das Badnerlied Eingang ins Stadion gefunden hat, hat die Brauerei Rothaus die Textzeile der 3. Strophe über Rastatt ersetzt durch „In Rothaus ist die Brauerei“. Zwar erscheint auf der Videowand vor den Heimspielen des KSC diese Textzeile, allerdings ist sie nicht im abgespielten Lied zu hören. Beim SC Freiburg konnte sich diese Textzeile nicht durchsetzen, da das Badnerlied beim SC Freiburg eine etwas andere Entstehungsgeschichte aufweist. Ebenso bemerkenswert ist das erfolgreiche Abschneiden des Badnerliedes bei einer Hitparade des SWR3 im Jahre 2005. „Dort haben die Badnener und Württemberger getrennt über1000 Titel abgestimmt. Bei uns Badenern belegte das Badnerlied den neunten Platz, vor „Yesterday“ von den Beatles.“446 Für ein regionales Lied stellt das ein bemerkenswert respektables Ergebnis dar und untertstreicht einmal mehr die Lebendigkeit des Badischen in Baden- Württemberg. Ein genauerer Blick auf die regionale Auswertung ergab, dass die inoffizielle Landeshymne Badens in Konstanz Platz 3, in Mosbach sogar auf Platz 1 landete. Als Folge für die Verbundenheit zu Baden wurden die Mosbacher vom „Bund Freiheit statt Baden-Württemberg“ im darauf folgenden Jahr mit dem Titel „Badener des Jahres“ 2006 gekürt. Die Wahl der Mosbacher war unter anderem verbunden mit der Verleihung einer Urkunde, die heute im Gasthaus „Zum Odenwald“ betrachtet werden kann. Im Jahr 2005 erhielt diese

445 www.lv-baden.de/a/web/badnerlied_geschichte.html (15.12.2010) 446 www.lv-baden.de/a/web/badnerlied_geschichte.html (15.12.2010) 266

Auszeichnung Ossi W. Pink, der mittlerweile mehr als 721 Strophen (Stand: September 2009) gesammelt hat. Das Badnerlied hat aber auch in den Schulunterricht Einzug gehalten. So hat die Landeszentrale für politische Bildung (LpB) in Stuttgart anlässlich des 50-jährigen Jubiläums von Baden-Württemberg in ihrer Zeitschriftenreihe „Politik und Unterricht“447 bereits im Jahr 2001 mit dem Titel „Das schönste Land…Historische Lieder aus dem deutschen Südwesten“ inklusive einer beigefügten CD mit 23 Liedern herausgebracht. Den Schülern wird auf diese zum Teil emotionale Weise ein Teil der Lokal- und Regionalgeschichte näher gebracht. So wird den regionalgeschichtlichen Aspekten auch im Unterricht ein Stück mehr Raum eingeräumt. Offenbar unterstützen und ermuntern sowohl die LpB als auch das Kultusministerium eine gezielte Auseinandersetzung mit den Landeshymnen. Neben dem Badnerlied geht es in diesem Kontext natürlich auch um die Landeshymne der Württemberger und um das Hohenzollernlied. „Die Landeshymne der Württemberger, gelegentlich auch „Schwäbische Nationalhymne“ genannt, wurde 1818 von Justinus Kerner als Ballade geschrieben – „Preisend mit viel schönen Reden“ . „Das Lied hat seine Melodie zu großen Teilen von dem Lied „In des Waldes tiefsten Gründen“, und in den Schlussakten klingt der Beginn der Marsaillaise an.“448 Gemäß einer anderen Quelle „spielt das Lied auch eine wichtige Rolle für den württembergischen Patriotismus nach der Teilung Württembergs in verschiedene Besatzungszonen nach 1945.“449 Das dritte, etwas weniger bekannte Landeslied stellt das Hohenzollernlied dar. „Das Hohenzollernlied wurde seit etwa 1860 von Soldaten und Handwerksgesellen verbreitet. (…) Als Verfasser handelt man

447 Politik & Unterricht, „Das schönste Land…Historische Lieder aus dem deutschen Südwesten“, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart, 2001 448 Bausinger, Warum singt niemand eine Baden-Württemberg-Hymne?, in: John, Volkslied – Hymne – politisches Lied, Populäre Lieder in Baden-Württemberg, Volksliedstudien Bd. 3, Münster, 2003, S. 44

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Hermann Vitalowitz, einen Postpraktikanten, der das Lied 1849 gedichtete haben soll, als Hohenzollern durch Regierungsverzicht der Fürsten von Sigmaringen und Hechingen an Preußen fiel.“450 Die Entstehungsgeschichte gilt allerdings auch hier als nicht eindeutig gesichert.

c) Das Gasthaus „Zum Odenwald“ in Mosbach Auf der Suche nach badischer Mentalität bzw. badischem Habitus sollte man die Große Kreisstadt des Neckar-Odenwald-Kreises unbedingt erwähnen, nicht allein weil man im Jahre 2006 vom „Bund Freiheit statt Baden-Württemberg“ zu den Badenern des Jahres gekürt wurde, sondern weil sich hier ein bemerkenswertes Gegenwartsphänomen regelmäßig beobachten lässt. Jeden Samstag auf die Sekunde genau um 11.45 Uhr wird im Gasthaus „Zum Odenwald“ vom Wirt Rolf Schill und von den Gaststättenbesuchern das Badnerlied lautstark angestimmt. Die meisten Gäste kommen nicht zufällig, sondern ganz bewusst, so dass das Lokal um diese Uhrzeit meist so voll ist, das man Schwierigkeiten hat, zu dieser Uhrzeit noch einen Sitzplatz zu finden. Das Lied wird pünktlich durch den Gastwirt angestimmt, nachdem dieser zuvor mit einer Art Taktstock einen lauten Gong durch die Gaststätte erschallen lässt. Gesungen werden alle fünf Strophen, wobei die fünfte reguläre Strophe durch eine eigens für Mosbach gedichtete Strophe ersetz wird. Diese lautet folgendermaßen: Mosbach uns`re Heimat ist, das Tor zum Odenwald, als Fachwerkstatt in Baden, ihr Ruf, er nie verhallt! Refrain

449 CDU-Landtagsfraktion, Haus der Abgeordneten, Lieder, die verbinden, Hrg. Landtag von Baden- Württemberg, Stuttgart, 2001 450 ebenda, CDU-Landtagsfraktion, 2001 268

Nach dem Absingen des Liedes erschallt durch den Wirt ein vernehmliches „Lied aus“ und der normale Gaststättenbetrieb wird fortgesetzt, als wenn nichts geschehen wäre. „Angefangen hat dieser Brauch im März 1997 aus einer geselligen Laune der Stammgäste heraus. Seit diesem Zeitpunkt wird jeden Samstag zur selben Zeit von den Gästen das Badnerlied gesungen, die nicht allein aus Mosbach, sondern aus dem gesamten Altkreis stammen, um diesem Brauch zu frönen. „Anstimmer“ in all den Jahren war bis zu seinem Tod im Januar 2005 Reinhard Woditzka. Auch zu seinen Ehren wird diese Tradition bis auf den heutigen Tag weitergeführt.“451 Dem „Gasthaus zum Odenwald“ haftet allerdings ein Makel an, da der Gastwirt in seinem Lokal Schwabenbräu ausschenkt, was in diesem Zusammenhang in einem Spannungsverhältnis zum hier gepflegten badischen Habitus steht. Seitdem die 1878 gegründete Mosbacher Privatbrauerei Hübner 1984 in Konkurs gegangen ist, steht das Gasthaus „Zum Odenwald“ in einer vertraglichen Bindung mit Schwabenbräu. Ein Wechsel zu einer badischen Brauerei würde im Kontext der dort betriebenen badischen Identitätspflege ein stimmigeres Gesamtbild ergeben. Es sei hier nur noch am Rande erwähnt, dass sich ein vergleichbares Spektakel in Neunkirchen abspielt. Neunkirchen liegt im kleinen Odenwald, östlich von Heidelberg, gehört aber verwaltungspolitisch zum Neckar-Odenwald-Kreis. Nach Auskunft des Bürgermeisters a. D. Hermann Vogt452, trifft sich der ortsansässige Männergesangsverein „Rauhe Kehlen“ unter der Leitung ihres Vorstandes Herrn Matthias Knörzer einmal wöchentlich im Gasthaus „Zum Goldenen Herzen“, um den Gesangesfreuden zu frönen. Traditionell wird diese „Gesangsstunde“ mit dem Badnerlied eröffnet. Dass es bei dieser wöchentlich stattfindenden Veranstaltung um mehr geht als um die reine Freude am Singen, nämlich vorwiegend um die Pflege badischer Heimatpflege und Unterstreichung badischer Identität gegenüber dem nahen ungeliebten württembergischen

451 Leskopf, „Drum grüß ich Dich mein Badner Land…“, Rhein-Neckar-Zeitung, vom 04. März 2006, S. 3 452 Vogt, Gespräch vom 24.02.2012 269

Nachbarn, wird vom mittlerweile pensionierten Bürgermeister Vogt bestätigt. Auch der Landrat ist Mitglied dieses Vereins. Dass die Jugend dieser ländlichen Region keineswegs ausschließlich gegenwartsbezogen ist, wird auch daran deutlich, dass die Jugendlichen der umliegenden Ortschaften anlässlich des Jubiläums „150 Jahre Heckerzug“ im Jahre 1998 einen Heckerzug nachstellten und sich in historischer Kostümierung auf eine Wanderung vom Kraichgau in den Odenwald nach Buchen begaben, da dort eine Sonderausstellung zum genannten Jubiläum veranstaltet wurde. So war der nachgestellte Heckerzug als ein Veranstaltungspunkt im Zuge der Jubiläuumsfeierlichkeiten zu betrachten. Auch dieses Beispiel belegt eindrucksvoll, dass in Baden Flagge gezeigt wird.

d) „Landesvereinigung Baden in Europa“ Die als Bürgerinitiative 1992, also im 40. Jubiläumsjahr des Landes Baden- Württemberg, in Karlsruhe ins Leben gerufene „Landesvereinigung Baden in Europa“ verfolgt damals wie heute zwei Kernziele. Zum einen geht es ihr um die Wahrung badischer Identität und um die Förderung der Entwicklung des badischen Landesteils im politisch geeinten Bundesland. Auf Grund der Lage Badens im Herzen Europas geht es dem Verein auch um die Einbeziehung Badens in den europäischen Kontext. Speziell dem Oberrhein als Kernregion Europas ist dies ein Ländergrenzen übergreifendes Anliegen. Vor dem Hintergrund, dass eine gezielte Förderung Badens auch dem gesamten Bundesland einen Nutzen bringt, ist es dem Landesverein ein besonderes Anliegen, badische Interessen gegenüber der Landesregierung mit Nachdruck zu vertreten. Dass hier die alte Angst vor einer Benachteiligung des badischen Landesteils gegenüber der Stuttgarter Landesregierung eine wesentliche Rolle spielt, liegt auf der Hand. „Die Landesvereinigung Baden in Europa“ macht daraus auch keinen Hehl, wenn sie sich auf ihrer Homepage dahingehend äußert,

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„dass man die Zukunft Badens nicht allein der Landespolitik überlassen darf.“453 Die Landesvereinigung wirft der Landesregierung sogar unverblümt einen überzogenen zentralistischen Politikstil vor. Dieser zentralistische Kurs „führte zu einer ungesunden Massierung von Landesbehörden, Institutionen und Verbänden in Stuttgart, denen die von Banken, Versicherungen und anderen Einrichtungen – oft mit Unterstützung der Landesregierung – folgten. Dahinter steht eine geradezu mit missionarischem Eifer betriebene Fusionierungswelle, also die Zusammenlegung großer Instituitionen aus beiden Landesteilen. Ihr Hauptsitz landet in der Regel am mittleren Neckar.“454 Die damit verbundene Bevorzugung Stuttgarts bzw. des mittleren Neckarraumes führt zwangsläufig zu einer Benachteiligung Badens und im Besonderen der Stadt Karlsruhe. Als abschreckende Beispiele für den betriebenen Stuttgarter Zentralismus führt die Landesvereinigung die Fusion der Rundfunkanstalten, aber auch die der Banken an. Auch hier spiegelt sich das bis heute offensichtlich nicht verwundene Trauma des Verlusts der Hauptstadtfunktion Karlsruhes und dessen Herabstufung zum reinen Verwaltungssitz wider. Ein weiteres Hauptanliegen der Landesvereinigung besteht darin, die unterstellten Ungleichgewichte im Bezug auf die Förderung der verschiedenen Regionen Baden-Württembergs zu beheben. Die Vorstellungen der Landesvereinigung gehen dahin, dass ein Bundesland mehrere gleichwertige Zentren benötige. „Baden-Württemberg braucht mehr als Stuttgart – ein Bundesland braucht mehrere Zentren“ - ist der Titel eines im Juli 1998 verabschiedeten Memorandums an die Landesregierung und den Landtag. Die Landesvereinigung fordert darin eine Abkehr von der Politik des Zentralismus hin zu einer ausgewogenen Stärkung aller Regionen des Landes.“455 Die konsequente Anwendung des föderalistischen Prinzips müsse absoluten Vorrang haben. Des Weiteren fordert die Landesvereinigung die Fortschreibung des Landesentwicklungsplanes unter Berücksichtigung der

453 www.lv-baden.de/a/web/portrat.html (28.12.2010) 454 www.lv-baden.de/a/web/portrat.html (28.12.2010) 455 www.lv-baden.de/a/web/portrat.html (28.12.2010) 271

Eigenständigkeit und Identität der Regionen. Die erwähnten Forderungen sind Ausdruck einer allgemeinen Stimmungslage, die von der Landesregierung bislang nur unzureichend Berücksichtigung fand. So startete die Landesvereinigung im Vorfeld des Memorandums in vielen badischen Städten eine Unterschriftenaktion, an der sich über 50.000 Bürgerinnen und Bürger beteiligten, um damit die Forderungen des Memorandums zu unterstützen. Die „Landesvereinigung Baden in Europa“ ist seit ihrer Gründung 1992 zum Sprachrohr badischer Interessen geworden und erfreut sich über derzeit mehr als 11.000 Mitglieder, die sich in dieser Vereinigung auf vielfältige Art und Weise engagieren. Die Landesvereinigung steht im regelmäßigen Dialog mit der Landesregierung und Mitgliedern des Landtags. Der organisatorische Aufbau der Landesvereinigung besteht aus einem Vorstand, dem Kuratorium, Arbeitskreisen und Regionalgruppen. Die bisherigen Regionalgruppen befinden sich Karlsruhe, Baden-Baden, Freiburg und Stuttgart. Ressentiments gegenüber den Schwaben sind unübersehbar. So strebt die Landesvereinigung gemäß § 3 seiner Satzung „die Volksverbindung und Völkerverständigung in der Region Baden, Elsaß, Pfalz und Nordschweiz unter Wahrung derer jeweiligen Identität an.“456 Von freundschaftlichen Beziehungen in Richtung Osten und damit in Richtung Württemberg ist hier auffallend nicht die Rede.

e) „Bund Freiheit statt Baden-Württemberg“ e.V. Der „Bund Freiheit statt Baden-Württemberg“ wurde am 19.12.1977 in Karlsruhe gegründet. Das Gründungsjahr des Vereins steht in einer relativen zeitlichen Nähe zur letzen Volksabstimmung im Jahre 1970, die endgültig über den Verbleib Badens im Südweststaat entscheiden sollte. Diese zeitliche Nähe spiegelt sich gewissermaßen auch im Namen des Vereins wider, der geradezu auf Widerstand und Opposition schließen lässt. Die drei Gründungsmitglieder

456Vereinssatzung § 3, www.lv-baden.de/a/web/satzung..html (28.12.2010) 272

Michael Obert (Jhg.1953), Alexander Schwarzer (Jhg.1955) und Johannes Schwarzer (Jhg.1959) sind gebürtige Karlsruher. Der Sitz des Vereins liegt folgerichtig in Karlsruhe. Der mindestens oppositionelle, wenn nicht fast schon rebellische Unterton im Namen des Vereins scheint sich beim Studium der Vereinssatzung vom 04.02.1989 zu bestätigen. Gemäß § 2 der Vereinssatzung besteht der Zweck des Vereins in der Wahrung der badischen Eigenständigkeit. Insbesondere wendet er sich gegen den „illiberalen schwäbischen Landesteil Baden-Württembergs.“457 Der Verein verfolgt laut Satzung ausschließlich unmittelbar gemeinnützige Zwecke und keine Erwerbszwecke. Satzungsgemäß besteht der organisatorische Aufbau des Vereins aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten, einem Geschäftsführer, einem stellvertretenden Geschäftsführer, einem Schatzmeister und vier Beisitzern, deren Geschäftsbereiche näher zu definieren sind. Damit aus der Homepage und aus der Satzung des Vereins keine falschen Schlüsse gezogen werden, soll nachfolgend das eine oder andere ins rechte Licht gerückt werden. Grundlage hierzu ist ein ausführliches Gespräch mit dem Geschäftsführer des Vereins Herrn Hans-Peter Köppel vom 08.01.2011. Die Satzung des Vereins löst bei einigen Lesern unter Umständen zunächst einmal Unverständnis oder gar Befremdung in der „heutigen Zeit“ aus. „Sie ist aber ganz im Gegenteil als eher frotzelnd, neckisch und spitzbübisch gegenüber unseren württembergischen Mitbürgern zu verstehen. Quasi dahin gehend: Wassich neckt, das liebt sich.“458 Für die Gegenwartsphänomene ist der Verein vor allem deshalb von großem Interesse, da dieser einmal im Jahr den Titel „Badener des Jahres“, wie im Falle Mosbachs, verleiht. Verdiente Persönlichkeiten, Institutionen oder Organisationen werden mit diesem Titel in Form einer Urkunde und einer Ehrenmedaille ausgezeichnet, da sie sich in besonderer Art und Weise in und um Baden für die badische Sache verdient gemacht haben. Ausgezeichnet werden, neben unternehmerischen, wissenschaftlich-kulturellen Leistungen auch

457 Bund Freiheit statt Baden-Württemberg e.V., Satzung vom 04.02.1989, § 2 Zweck des Vereins 458 Köppel, Geschäftsführer des Vereins „Bund Freiheit statt Baden-Württemberg e.V.“, Gespräch, 08.01.2011 273 herausragende sportliche Leistungen sowie großes soziales Engagement oder auch besonders gepflegter badischer Lebensstil und bemerkenswerte Verwurzelung und Identität mit der badischen Heimat. Gerade durch seine Aktivitäten versucht der Verein zu zeigen, dass badisches Bewusstsein im Südwesten weiterlebt. Eine Auflösung Baden-Württembergs ist kein Bestreben des Vereins. „Es ist uns, d. h. jedem unserer Mitglieder klar, dass der Zusammenschluss beider Landesteile viel Positives hervorgebracht hat. Und zudem ist uns auch klar, dass man das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen kann, dies ist auch nicht unser Bestreben. Deshalb distanziert sich der Verein von separatistischen Bestrebungen.“459 Man wünscht sich allerdings, dass die Regionen im Land – durchaus auch die württembergischen außerhalb des mittleren Neckarraumes – ihrer Wichtigkeit entsprechend größere Bedeutung erhalten. Der Verein möchte betont wissen, was in und durch Baden in der Geschichte bis heute Positives geleistet wurde. Man setzt sich allerdings auch augenzwinkernd für die badischen Angelegenheiten ein. So wünscht sich der Verein beispielsweise die Abschaffung der diskriminierenden Schilder an vielen Baggerseen wie etwa „Baden verboten!“ Die wichtigsten Aktivitäten des Vereins sind eine Jahreshauptversammlung am Fastnachtssamstag, die Proklamation und die Feierlichkeiten zum „Badener des Jahres“ sowie ein Jahresausflug jeweils am 1. November eines Jahres. „Die Wahl zum „Badener des Jahres“ ist uns sehr wichtig und dies betreiben wir auch sehr ernsthaft. Hier möchten wir Personen, Institutionen, Organisationen und dergleichen ehren, die sich in und um Baden verdient gemacht haben und den Namen „Baden“ im positiven Sinne in die Welt hinaus tragen bzw. getragen haben.“460 Ein Blick auf die Übersicht über die bisherigen Würdenträger verdeutlicht auch, dass der Verein sich eher als badisch liberal und nicht als badisch separatistisch definiert. Zu den Mitgliedern des Vereins zählen neben vielen weiteren Personen der Oberbürgermeister von Karlsruhe, Heinz Fenrich, sowie die gesamte

459 ebenda, Köppel, 2011 460 ebenda, Köppel, 2011 274

Bürgermeisterriege, eine Vielzahl von Karlsruher Gemeinderäten, Ortsvorsteher aller Couleur. All diese Persönlichleiten sind Mitglieder des Vereins geworden, „weil sie den Verein als humoristische Vereinigung ansehen, die weder parteipolitisch noch konfessionell ausgerichtet ist.“461 Im Unterschied zur „Landesvereinigung Baden in Europa“ ist der „Bund Freiheit statt Baden- Württemberg“ keine politische Interessensvertretung. Es bleibt somit festzuhalten, dass der „Bund Freiheit statt Baden-Württemberg“ gar nicht so separatistisch angehaucht ist, wie es auf den ersten Blick vielleicht erscheinen mag. Er agiert unpolitisch und vertritt badisches Können und fröhliche Lebensart. Augenzwinkernd, aber dennoch nicht weniger überzeugt, setzt sich der Verein für die Wahrung badischer Identität ein. Nun noch ein paar klärende Worte zu den Fragen, die sich vermutlich aus der Übersicht über die „Badener des Jahres“ ergeben haben könnten. Die allererste Wahl zum „Badener des Jahres“ erfolgte im Jahre 1993. Hier wurde rückwirkend für das Jahr 1992 der erste „Badener des Jahres“ (Kiriakow, seinerzeit Stürmer des Karlsruher Sportclubs) gewählt. Die Vorstandschaft bzw. das damalige Präsidium hatte darauf entschieden, dass die Wahl 1994 nicht rückwirkend, sondern für das aktuelle Jahr Gültigkeit haben sollte. Somit folgte die Wahl zum „Badener des Jahres 1994“ im Jahre 1994. Der „Badener des Jahres 1993“ fehlt daher in der Vereinssammlung. Ein denkwürdiges Jahr stellt auch das Jahr 1996 dar. Als „Badener des Jahres 1996“ wurde Herr Gerhard Goll, damals Vorstandsvorsitzender der Badenwerk AG, gewählt. Da sich dieser jedoch ausgerechnet in selbigem Jahr in Fusionsverhandlungen mit der EVS (Energieversorgung Schwaben) befand, hatte er die Annahme dieses Titels verweigert. Man hatte seinerzeit sogar Überlegungen angestellt, Herrn Goll in diesem Zusammenhang die „badische Zitrone“ zu überreichen. Letztlich hatte man davon aber Abstand genommen und diese „Schmach“ mit Würde ertragen. Seit diesen Ereignissen ist das Präsidium bereits im Vorfeld aktiv und klärt mit

461 ebenda, Köppel, 2011 275 dem oder der zu Wählenden ab, ob dieser/diese im Falle einer Wahl bereit wäre, den Titel anzunehmen. Der Karlsruher Kurier bemerkt in seiner Ausgabe vom 23.02.2007, als der Titel an den Trainer des KSC verliehen wurde, dass der SC Freiburg im Jahre 2005 den Titel abgelehnt hätte, da man schwäbische Sponsoren und auch Fans in Württemberg hätte. Ebenfalls hatte seinerzeit Herr Schmiederer, Inhaber des renommierten Spa und Wellnesshotels „Dollenberg“, diesen Titel abgelehnt. Seine politischen Freunde – sein Trauzeuge war der damalige Ministerpräsident Oettinger – hatten ihm abgeraten. „Der jetzige EU-Kommissar Günther Oettinger ist bereits seit vielen Jahren Mitglied in der „Landesvereinigung Baden in Europa“, was durchaus für den zivilen Umgang auch in dieser Vereinigung spricht.“462 Die nachfolgende Tabelle verschafft einen Überblick über die gekürten Titelträger seit 1992.

„Badener des Jahres“ 1992-2012 „Badener des Jahres“ Jahrgang Name des Titelträgers 2012 Annette Borchardt-Wenzel, Historikerin, Germanistin, Journalistin 2011 „Tannenzäpfle“, die badische Staatsbrauerei Rothaus 2010 Tony Marshall, Sänger und Entertainer, gelernter Opernsänger 2009 Markus Brock, SWR-Fernsehmoderator 2008 Hans Clauser, kenntnisreicher und humoristischer Experte für badische Geschichte und Geschichten 2007 Ede Becker, Trainer des Karlsruher Sport Clubs 2006 Bürger/innen der Stadt Mosbach 2005 Rudi Vogel, Brauingenieur und Gaststättenbetreiber 2004 Bernd Bechtold, IHK-Präsident 2003 Winfried Schäfer, Trainer des KSC und später Trainer der Nationalmannschaft Kameruns 2002 Robert Mürb, Vorsitzender der „Landesvereinigung Baden in Europa

462 ebenda, Köppel, 2011 276

e.V.“ 2001 Anton Goll, Geschäftsführer der Karlsruher Majolika (Keramik- Manufaktur) 2000 Regina Halmich, Karlsruher Profi-Boxweltmeisterin 1999 Dr. Jürgen Morlock, Chef des Baden-Airparks Baden-Baden 1998 Reinhold Grund, Architekt, Landesvorsitzender des „Heimatbundes Badener Land“ und Ehrenvorsitzender der „Landesvereinigung Baden in Europa“ 1997 Amalie Heck, Autorin von „Schicksalswege Badischer Geschichte“ so wie weiterer Schriften über den Bestand, die Geschichte und die Zukunft des Landes Baden. 1995 Ossi W. Pink, Sammler inoffizieller Strophen des Badnerliedes 1994 Harald Hurst, Schriftsteller 1992 Sergeij Kiriakow, Stürmer des KSC

f) Einrichtung eines Stammtisches für Badener in Schwaben Die „Landesvereinigung Baden in Europa“ unterstützt badische Anliegen verschiedenster Sorte und von unterschiedlichster politischer Tragweite. So unterstützte sie in einer Presseinformation vom 08.09.2008 die Einrichtung eines Stammtisches für Badener in Schwaben. „An jedem zweiten Dienstag im Monat treffen sich Exilbadener beim so genannten “Hax`n Wirt“ im Hauptbahnhof in Stuttgart. Initiator dieses Stammtisches ist der Badener Daniel Baur, der in Stuttgart arbeitet und lebt. Der Stammtisch beginnt bereits um 17 Uhr, damit es den Teilnehmern möglich ist, dem Stammtisch beizuwohnen und dennoch rechtzeitig in ihre badische Heimat zurückzukehren. Mitglieder des Landesvereinigungsvorstandes haben im Vorfeld des ersten Stammtisches für Badener am 9. September 2008 vor der Abfahrt der Pendlerzüge aus Stuttgart Flugzettel verteilt, in denen die Fahrgäste auf die Möglichkeit zur Teilnahme an diesen Stammtischen hingewiesen werden, um mit „Leidensgenossen“ ein

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Feierabendbier trinken zu können.“463 Ganz uneigennützig ist die Landesvereinigung bei der Unterstützung zur Einrichtung des Stammtisches nicht gewesen, da sie sich auf diese Weise Informationen verspricht, die Aufschluss über die „Nöte der Badener in Schwaben“464 geben. Seien es Informationen über den Zustand der Verkehrsverbindungen von und nach Stuttgart oder wenn es darum geht, wie man als Badener bei den Landsleuten in Schwaben aufgenommen wurde. Diese und andere Erkenntnisse lässt die Landesvereinigung in ihre künftige Arbeit einfließen, um ihren Einfluss auf die Landesregierung geltend zu machen.

2. Neue Konfliktfelder a) Schwaben dominiert SWR-Programme Eine umfangreiche Studie465 der „Landesvereinigung Baden in Europa“ glaubt eine Ungleichbehandlung der Landesteile nachgewiesen zu haben. In einer Nachricht an den Intendanten des SWR, Peter Boudgoust, versucht Robert Mürb, erster Vorsitzender der Landesvereinigung, die mangelnde Ausgewogenheit der Berichterstattung aus allen Regionen des Landes darzulegen. So hat die Landesvereinigung festgestellt, dass das Regionalmagazin „Landesschau Baden-Württemberg“ im TV-Programm des SWR-Fernsehens den badischen Landesteil benachteiligen würde. „Da es nur wenige Berichte aus bestimmten Regionen wie zum Beispiel der Kurpfalz, aus Oberschwaben, vom Bodensee, aus dem Hohenlohe oder aus badischen Städten wie etwa Konstanz gebe, würden viele Mitlieder der Landesvereinigung sich von der Landesschau abwenden, da sie sich dort nicht hinreichend repräsentiert fühlten. Geringe Einschaltquoten der Landesschau unterstreichen die

463 „Landesvereinigung Baden in Europa e.V.“, Presseinformation vom 08.09.2008, Stammtisch für Badener in Schwaben, Karlsruhe, 2008, S. 1 464 ebenda, „Landesvereinigung Baden in Europa e.V.“, 2008, S. 1 465 „Landesvereinigung Baden in Europa e.V“, Presseinformation vom 29.03.2010, Schwaben dominiert SWR- Programme, Karlsruhe, 2010 278

Notwendigkeit einer Regionalisierung nicht nur im Rundfunk, sondern auch im Fernsehen, so Mürb.“466 Im Zentrum der Kritik steht aber auch das Hörfunkprogramm des SWR4. Mürb erinnert beispielsweise daran, „dass SWR4-Bodenseeradio täglich gerade mal noch 90 Minuten für regionale Berichterstattung zur Verfügung habe, während von Radio Tübingen immerhin drei Stunden übernommen würden. Dass Programmteile von einem anderen Regionalprogramm zugeliefert würden, sei bei keinem anderen SWR4- Regionalprogramm der Fall. Die Tübinger Dominanz würde vor allem die Hörerinnen und Hörer des badischen Landesteils verärgern, da diese sich landsmannschaftlich eindeutig dem Freiburger Raum zugehörig fühlten. Ebenso stößt man sich an dem Logo „Baden-Württemberg – da sind wir daheim“, da dieses Motto an den Werbespruch der Landesregierung „Wir können alles außer Hochdeutsch“, erinnere. (…) Moniert wird des weiteren, dass die Sprecher von SWR4 eindeutig schwäbisch sprächen. Mürb bezeichnet daher den SWR4 sogar als „Spätzles-Sender“ und betont, dass Baden- Württemberg eine Verwaltungsgemeinschaft sei, und folglich seien die Bürger dieses Landes, wenn schon, dann in ihren jeweiligen Regionen daheim.“467 Die sprachlich schwäbische Einfärbung der SWR4 Programme ist der Landesvereinigung offenbar ein Dorn im Auge. Als besonders schmerzhaft empfindet man diese Einfärbung bei Berichten aus Baden. Die Moderatorin Sonja Schrecklein wird in diesem Zusammenhang besonders scharf kritisiert, da sie sich offenbar auch nicht einmal um die hochdeutsche Sprache bemühen würde. Die formulierte Sprachkritik ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass man sich in Baden im Gegensatz zu Schwaben in der Lage sieht, hochdeutsch sprechen zu können, wenn es der Kontext erfordert. Diese sprachliche Anpassungsfähigkeit wird dem Schwaben definitiv nicht zugetraut. Auch die Sendung „Die Welt auf Schwäbisch“ liefert ausreichende Angriffsfläche, „da der Titel dem Zuschauer suggeriere, dass das Schwäbische

466 ebenda, „Landesvereinigung Baden in Europa e.V.“, 2010, S. 1 467 ebenda, „Landesvereinigung Baden in Europa e.V.“, 2010, S. 2 279 der übliche Dialekt im Sendegebiet des SWR sei. Somit stünde das Schwäbische quasi pars pro toto und überginge andere Dialekte anderer Regionen des Landes.“468 Auch darin sieht man eine klare, wenn auch unterschwellige Benachteiligung Badens. Folglich wird auch das Titelbild als störend empfunden, das auf einer Medaille neben dem württembergischen Hirschen auch den badischen Greifen zeigt. Auch in diesem Fall empfindet man die Verwendung des badische Wappentiers verunglimpft durch die Einpassung in einen unpassenden Kontext. „Wenn schon schwäbisch, dann bitte nur für Württemberg, und nicht für Baden.“469 Mürb zählt weitere Beispiele auf, in denen der schwäbische Landesteil für das ganze Land benutzt wird. So wird beispielsweise das zu großen Teilen in Baden liegende obere Donautal als „schwäbischer Grand Canyon“ bezeichnet. Außerdem habe der SWR für die Serie „Die Fallers“ die Familie anfangs als eine „schwäbische Familie“ vorgestellt. Kritik erreicht aber auch die Sportberichterstattung des SWR. Demnach würde das dritte Fernsehprogramm ausführlicher und häufiger vom VfB Stuttgart als von der TSG 1899 Hoffenheim oder dem SC Freiburg berichten. Auch würde in der Sendung „Baden-Württemberg aktuell“ ein Bericht über die zweite Mannschaft des VfB Stuttgart einem Bericht über den Zweitligisten KSC vorgezogen werden. Eine Benachteiligung des badischen Landesteils sei sogar bei der Wettervorhersage feststellbar. So kritisiert die Landesvereinigung vor allem die Aufteilung der regionalen Wetterkarten. „Zum Einen würde Baden in seiner territorialen Ausdehnung im Verhältnis zu Württemberg nicht nur unverhältnismäßig klein dargestellt werden, sondern man unterschlage sogar bewusst badische Regionen wie etwa in der Karte für Nordbaden das Bauland

468 ebenda, „Landesvereinigung Baden in Europa e.V.“, 2010, S. 2 469 ebenda, „Landesvereinigung Baden in Europa e.V.“, 2010, S. 2 280 und Teile des Taubertals. Auch südbadische Städte wie Singen, Überlingen, Stockach, Konstanz und Radolfzell werden Oberschwaben zugerechnet.“470 Zuletzt stellt die Landesvereinigung Überlegungen an, „den Tatort des Südwestrundfunks in Karlsruhe spielen zu lassen, zumal bereits viele Szenen dort aus Kostengründen gedreht würden anstelle der vorgesehenen drei Tatort Drehorte Stuttgart, Konstanz, Ludwigshafen.“471 Die Liste der Kritikpunkte am SWR bezüglich einer Benachteiligung des badischen Landesteils ließe sich problemlos weiter fortführen. Die Vielzahl der Kritikpunkte einer vermeindlichen Benachteiligung Badens belegen die bis auf den heutigen Tage vorhandenen Resistenzen und führen zu einer geschärften Aufmerksamkeit.

b) Das Drama um den neuen Firmennamen bei Daimler im Jahre 2007 Ein besonders anschauliches Beispiel badischen Identitätsbewusstseins bzw. badischen Stolzes verdeutlichte der heftige Streit bei Daimler bei der Suche nach einem neuen Firmennamen. Nachdem die unter dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp betriebene transatlantische Automobilehe zwischen der Daimler-Benz AG und Chrysler im Jahre 2007 ein jähes Ende nahm, entflammte ein heftiger Streit um den neuen Firmennamen. Der im November 1998 erfolgte Zusammenschluss war seinerzeit sehr bedeutungsträchtig, da es sich bei Chrysler nach General Motors und Ford um den drittgrößten Autohersteller der USA handelte. „Mit der Daimler Chrysler AG entstand ein Konzernriese, den man heute als global player bezeichnen würde.“472 Erwartungen, aber auch Befürchtungen, die mit der Fusion verknüpft wurden, waren weltweit zu vernehmen. Zu Beginn war die Automobil-Allianz durchaus eine Fusion auf Augenhöhe. Dementsprechend „teilten sich Jürgen

470 ebenda, „Landesvereinigung Baden in Europa e.V.“, 2010, S. 2/3 471 ebenda, „Landesvereinigung Baden in Europa e.V.“, 2010, S. 3 472 www.dieterwunderlich.de/Dieter_Zetsche.htm (03.01.2011) 281

Schrempp in Stuttgart und Bob Eaton in Auburn Hills bei Detroit die Führung des Weltkonzerns. Nach nur vierzehn Monaten verließ Eaton den Konzern und Schrempp hatte das alleinige Sagen im Megakonzern der Dailmer Chrysler AG. Die Vision Schrempps bestand in der Gründung einer Art „Welt-AG“. Um diesem Vorhaben näher zu kommen, kaufte sich Daimler Chrysler im Juli 2000 bei den asiatischen Automobilherstellern Mitsubishi und Hyundai ein. Im Februar 2001 musste der Weltkonzern bereits rote Zahlen einräumen. Verantwortlich für diese Entwicklung wurden Chrysler und Mitsubishi gemacht. Um den Konzern aus den roten Zahlen zu fahren, wurde Dieter Zetsche in die Hauptverwaltung von Chrysler in die USA berufen. Die Amerikaner waren darüber ebenso wenig erfreut wie einst bei der Fusionierung, da sie den zunehmenden deutschen Einfluss fürchteten. Das von Zetsche durchgesetzte Sanierungskonzept verhalf dem Konzern zunächst wieder zu schwarzen Zahlen und brachte Zetsche in industriellen Kreisen wie auch bei Managern großen Respekt ein.“473 Nach dem Schrempp im Juli 2005 seinen Rücktritt angekündigt hatte, holte er Zetsche zurück nach Stuttgart und kürte diesen zum neuen Konzernchef der Daimler Chrysler AG. Zetsche, konnte sich offenbar mit den hochtrabenden Plänen seiner Vorgänger Edzard Reuter und Jürgen Schrempp nicht wirklich identifizieren und trennte sich von Chrysler, um einen bewussten Neuanfang zu signalisieren. Die Fusion von Daimler und Chrysler war letztendlich ein mit zu hohen Zielen und Risiken behaftetes und eher unerfreuliches Kapitel der Konzerngeschichte. Für Zetsche war dies ein Grund mehr, möglichst schnell einen Schlussstrich unter dieses Kapitel zu ziehen und einen Neuanfang anzugehen. Die Trennung von Chrysler warf aber auch die Frage nach dem neuen Firmennamen auf. Zetsche, der in Karlsruhe Elektrotechnik studiert hatte, setzte sich unmissverständlich für den neuen Firmennamen Daimler-AG ein. Dieses Vorhaben stieß allerdings bei den badischen Anteilseignern wie auch in der

473 www.dieterwunderlich.de/Dieter_Zetsche.htm (03.01.2011) 282 badischen Bevölkerung auf Empörung und heftige Kritik. Carl Benz, den badischen Erfinder des Motorwagens, in der neuen Firmenbezeichnung nicht zu berücksichtigen, musste geradezu als skandalös empfunden und auf schwäbische Arroganz zurückgeführt werden. Schließlich war der Erfinder des Kraftfahrzeuges nicht der Schwabe Gottlieb Daimler, sondern der Badener aus Mannheim, Carl Benz. „Für seine Erfindung des Motorwagens erhielt er vom kaiserlichen Patentamt bereits am 29. Januar 1886 die Patentschrift Nr. 37435, also noch ein Jahr bevor Daimlers Motorwagen fuhr.“474 Der Motorwagen des badischen Konstrukteurs war vollständig funktionsfähig, so dass seine Gattin Bertha Benz zusammen mit ihren beiden Söhnen am 05.08.1888 die weltweit erste automobile Fernfahrt von Mannheim nach Pforzheim absolvierte. Dabei legte sie eine Distanz von immerhin 106 km zurück. Die Appelle der Gegner „kein Daimler ohne Benz“ blieben ungehört. Am 04.10.2007 wurde auf der außerordentlichen Hauptversammlung des Automobilkonzerns „mit fast 99 % der Stimmen der neue Konzernname Daimler AG beschlossen.“475 In Baden fragte man sich vor allem, was gegen die Firmenbezeichnung Daimler-Benz AG gesprochen hätte, die beide Konstrukteure gleichermaßen gewürdigt hätte. „Der Zweiklang, wonach der Konzern Daimler AG und die Produkte Mercedes-Benz heißen, bringe Traditionspflege und Pioniergeist, Herkunft und Zukunft zum Ausdruck.“476 Der Zorn vieler Anteilseigner und vieler Badener richtete sich vor allem gegen Zetsche, da man den Namen Benz im Konzernnamen vermisste. Allein in Mannheim und der Region beteiligten sich 44.000 Bürgerinnen und Bürger an der Unterschriftenaktion „Kein Daimler ohne Benz“.“477 Zetsche hingegen rechtfertigte die erfolgte neue Namensgebung unter anderem damit, dass der Wert der Marke Mercedes-Benz und damit auch das Gedenken an Carl Benz gerade dadurch geschützt würde, dass man auf eine Vermischung

474 www.lv-baden.de/a/web/forum/board_entry.php (28.12.2010) 475 Albrecht/Ragge, Zetsche setzt „Daimler AG“ durch, in: Fränkische Nachrichten Nr. 229 (05.10.2007), S. 1 476 ebenda, Albrecht/Ragge, 2007, S. 1 477 Schröder, Heftige Kritik an „Daimler AG“, in: Fränkische Nachrichten, Ausgabe Buchen/Walldürn, Nr. 229, vom 04.10.2007, S. 1 283 mit anderen Aktivitäten, die nicht der Marke Mercedes-Benz zuzuordnen seien, verzichtete. „Auch die Urenkelin des Mannheimer Autopioniers Heidemarie Hirsch, geborene Benz, zeigte sich brüskiert und war entschlossen, auf der entscheidenden Hauptversammlung des Konzerns ihren Protest gegen die Nichtberücksichtigung ihres Vorfahren einzulegen. (…) Denn der Name Benz steht nicht nur für Lokalpatriotismus und Nostalgie, sondern für die erfolgreichste Geschichte des deutschen Automobilbaus. (…) Warum soll dann das Unternehmen nicht wie nach seinem berühmtesten Produkt genannt werden? (…) Für diesen Neuanfang soll der Name Benz geopfert werden – auf dem Altar einer kühlen Strategie-Entscheidung.“478 „Daimler ohne Benz sei wie ein Auto ohne Motor erklärte sie gegenüber der Zeitung „Die Welt“.“479 Der Streit um den neuen Firmennamen beschäftigte auch die „Landesvereinigung Baden in Europa“. Die Landesvereinigung erklärte in einer Presseinformation480 vom 13.09.2007, dass man den Kampf um den Namen Benz noch nicht aufgegeben habe. So forderte man den Aufsichtsrat des Konzern im Vorfeld der Entscheidung erneut auf, die Vorstandsvorlage zum künftigen Firmennamen abzulehnen. Die Landesvereinigung trug dem Aufsichtsrat des Weiteren die Bitte vor, man solle der Hauptversammlung am 04.10.2007 den Namen Daimler-Benz AG vorschlagen. Alle Versuche des Vereins blieben vergebens. Auch organisierter massiver öffentlicher Druck konnte die Entscheidung des Konzerns nicht mehr beeinflussen. Gemeinsam mit dem Citymanagement startet man eine Unterschriftenaktion in der Karlsruher Innenstadt, an der sich zahlreiche Geschäftsleute beteiligten. Die Bürgerinnen und Bürger konnten sich in Listen eintragen, um gegen die Pläne des Daimlerkonzerns zu protestieren. Man ließ wahrlich nichts unversucht, um den Namen Benz in die neue Firmenbezeichnung mit hinüberzuretten. Man verwies

478 Schröder, Kampf um Benz, in: Fränkische Nachrichten, Ausgabe Buchen/Walldürn, Nr. 229, vom 04.10.2007, S. 2

479 ebenda, Schröder, 2007, S. 1 480 „Landesvereinigung Baden in Europa e.V.“, Presseinformation vom 13.09.2007, Kampf um Namen Benz noch nicht aufgegeben, Karlsruhe, 2007, S. 1 284 sogar auf die Möglichkeit, während des verkaufsoffenen Sonntags in Durlach am 16.09.2007 den Kampf für den Namen Carl Benz per Unterschrift zu unterstützen. Die Karlsruher Geschäftsleute unterstützen die Unterschriftenaktion bereitwillig, zumal Carl Benz mit seinem Geburtsort Mühlburg auch den Namen Karlsruhe in die Welt hinaus trägt. Allein in Mannheim und Umgebung beteiligten sich 44.000 Bürgerinnen und Bürger an der Unterschriftenaktion „Kein Daimler ohne Benz“. Im Ergebnis trugen alle Bemühungen, dem Namen Benz zu angemessener Würdigung zu verhelfen, keine Früchte. Zurück blieb in Baden vor allem das Unverständnis darüber, dass Dieter Zetsche, als Karlsruher Uni-Absolvent, ausschließlich den Namen Gottlieb Daimlers ehren wollte. Dass die bisherigen Daimler-Chrysler-Werke künftig wieder Mercedes-Benz-Werke heißen sollen, ist kein adäquater Ersatz dafür, Benz nicht im Konzernnamen zu nennen.“481 Anlässlich der Diskussionen um den neuen Namen bei Daimler führte der Südkurier am Tag der Entscheidung der Konzernhauptversammlung eine Online-Umfrage durch. Allein die Formulierung der Frage zeigt eine deutlich gefühlte Vernachlässigung des badischen Landesteils in Baden-Württemberg. Die Frage lautet: Wird das Badische in Baden-Württemberg vernachlässigt? Zwei Antwortmöglichkeiten standen zur Auswahl. Die Online-Umfrage482 des Südkuriers vom 04.10.2007 brachte folgendes bemerkenswertes Ergebnis: 78,40 % waren der Ansicht, dass der Streit um die Namensgebung bei Daimler, die Benachteiligung Badens eindeutig widerspiegelte. Lediglich 21,60 % meinten, dass von einer Benachteiligung Badens nicht die Rede sein könne. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Auseinandersetzungen um den neuen Konzernnamen, einmal mehr, die alten Ressentiments zwischen Badenern und Württembergern wieder hervorriefen. So fährt man vermutlich umgangssprachlich auch weiterhin in Baden einen Benz und in Württemberg

481 ebenda „Landesvereinigung Baden in Europa e.V.“, 2007, S. 1 482 www.suedkurier.de/meinung/umfrage04102007 (08.11.2011) 285 einen Daimler. Auffallend bei den bisher geschilderten Gegenwartsphänomen ist der unermüdlich scheinende Einsatz der „Landesvereinigung Baden in Europa“ für die badischen Interessen. Auch wenn vielleicht die Argumentationsketten und manche Benachteiligungsvorwürfe zuweilen kleinkariert erscheinen mögen, als wolle man unbedingt das Haar in der Suppe finden, so zeigen die angeführten Beispiele aber ziemlich eindrucksvoll, dass der Stachel im Badischen Herzen durch den Souveränitätsverlust und den damit verbundenen Verlust des Hauptstadtstatus von Karlsruhe im Speziellen, der mit der Länderehe im Jahre 1952 einherging, sehr tief sitzt.

c) Die Donau – ein Fluss aus Baden oder Württemberg? Der Streit um den Donauursprung „Die Donau – ein Fluss aus Württemberg“483, so lautet die Überschrift eines Artikels der Nürtinger Zeitung vom 24. Oktober 2007. Dies würde die seit Generationen gelernte Schulweisheit, wonach Brigach und Breg die Donau auf den Weg bringen, hinfällig erscheinen lassen. Auch lassen Lexika bis heute keinen Zweifel daran, dass sich der Ursprung der Donau in Donaueschingen am Zusammenfluss der beiden Quellflüsse Brigach und Breg befindet. Wenn es nach dem Stuttgarter Rechtsanwalt Roger G. Widmann geht, dann müssen Bücher und Geschichte neu geschrieben werden, da seine gesammelten Erkenntnisse versuchen, frühere Annahmen zu widerlegen. Um der Wahrheit gerecht zu werden, muss man zugestehen, dass seine Erkenntnisse und Überlegungen gar nicht so abwegig erscheinen, auch wenn man aus badischer Perspektive den Ursprung des zweitlängsten europäischen Stromes auch künftig in Baden verortet wissen möchte. Der Konflikt, den der Stuttgarter Rechtsanwalt hier anstößt, beruht im Prinzip auf einem in Europa einzigartigen und auch

483 Sonderveröffentlichung der Nürtinger Zeitung und Wendlinger Zeitung, 24. Oktober 2007 286 weitläufig bekannten Naturschauspiel. Das meiste Wasser aus dem badischen Landesteil erreicht nämlich seinen Bestimmungsort, das Schwarze Meer nicht, da es bei Immendingen im porösen Untergrund versickert und erst 12 km südlich am 180 m tiefer gelegenen Aachtopf wieder an die Oberfläche gelangt. Diese Erkenntnisse würden die bisherige Donauquelle in den württembergischen Landesteil bei Tuttlingen verlegen, da man lange davon ausging, dass das Wasser, das in Immendingen versickert, bei Tuttlingen wieder an die Oberfläche austreten würde. „Immerhin versickert die Donau bei Immendingen an 200 Tagen im Jahr, so dass man an diesen Tagen trockenen Fußes die Uferseiten wechseln kann. Vor allem zwischen Mai und Oktober ist die Donau oft vollständig versickert. (…) In Baden betrachtet man dieses Phänomen als eine Art göttlicher Fügung. Die Donau würde bei Immendingen nur deshalb versickern, um nicht nach Württemberg hinein zu müssen. Der Stuttgarter Jurist stellte sich dennoch weiterhin die Frage, warum der Flussabschnitt zwischen Donaueschingen und Immendingen überhaupt als Donau bezeichnet, wo doch das Gros des Wassers weder Ulm, Wien oder Budapest je zu Gesicht bekommen wird, sondern recht ruhmlos in den Bodensee mündet.“484 Hinzu käme, so der Rechtsanwalt, „dass selbst an jenen 150 Tagen, an denen die Donau an der Versickerungsstelle nicht vollständig versickere, immer noch etwa 90 % des Donauwassers im Erdreich verschwänden.“485 Der Streit um die wahre Lehre des Donauursprungs war auf dem besten Wege ein Politikum ersten Ranges zu werden. Der Stuttgarter Rechtsanwalt trat nun an das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg, mit der Bitte um Klärung des Sachverhaltes, heran. Nach Ansicht des Anwalts müsse die alte Schulweisheit dahingehend umgeschrieben werden, „dass Brigach und Breg nicht die Donau, sondern die Aach zu Wege brächten. Das Innenministerium sah das Anliegen des Rechtsanwalts nicht in seiner Zuständigkeit und verwies den Stuttgarter Juristen

484 Hörner, Die Donau – ein Fluss aus Württemberg, Sonderveröffentlichung der Nürtinger Zeitung und Wendlinger Zeitung, 24. Oktober 2007, S. 30 485 ebenda, Hörner, 2007, S. 30 287 an das Ministerium für Umwelt und Verkehr, zuständig für fachlich- hydrologische Beurteilung, sowie an das Wirtschaftsministerium, zuständig für das Vermessungswesen.“486Auch hier stieß der Rechtsanwalt auf taube Ohren. „Das Wirtschaftsministerium sah keinen Handlungsspielraum, die Bezeichnung des Wasserlaufes zwischen Donaueschingen und Immendingen in den amtlichen Karten zu ändern, da der betreffende Wasserverlauf einerseits seit alters her als Donau bezeichnet würde, andererseits sei die Bezeichnung im Wassergesetz für Baden-Württemberg in dieser Form festgelegt.“487 Trotz des nicht unberechtigten Anliegens des Juristen bewegten sich die Behörden in diesem Streitfall keinen Millimeter von ihrem Standpunkt. Vielleicht scheute man neben einem Gelehrtenstreit den Verwaltungsaufwand, der eine Umschreibung des Donauursprungs nicht nur finanziell, sondern vermutlich auch politisch nach sich gezogen hätte. Man denke nur an die Tourismusverbände im Schwarzwald und speziell den zu erwartenden Aufruhr in Donaueschingen. Vielleicht wollte man von politisch höchster Ebene kein neues Öl in das Feuer des uralten Zwistes zwischen Badenern und Württembergern schütten. Nachdem das Anliegen des Stuttgarter Rechtsanwalts von den Behörden zurückgewiesen worden war, wandte er sich in einem Brief an den Bürgermeister von Donaueschingen. Die Stadt hatte sich in der Vergangenheit schon desöfteren erfolgreich gegen Angriffe auf das Urheberrecht zur Wehr gesetzt. In einem nicht gerade vor Freundlichkeit strotzenden Brief aus dem Donaueschinger Rathaus wurde der Gast aus Stuttgart mit „historischen Festlegungen“ und der „kurzen Zeit im Jahr“ abgespeist, in der sich die Donau bei Immendingen absetzt – wohlgemerkt 200 Tage im Jahr. Außerdem sei ein Stollen gebaut, der auch in der Trockenphasen Donaueschinger Donauwasser um die Versickerungsstelle herumleite.“488

486 ebenda, Hörner, 2007, S. 30 487 ebenda, Hörner, 2007, S. 30 488 ebenda, Hörner, 2007, S. 30 288

Es erscheint sehr ungewöhnlich, dass selbst die Stadt Tuttlingen, auf deren Gemarkung die bei Immendingen versickerte Donau vermeintlich wieder emporsteigt, den Argumenten des Stuttgarter Juristen nicht folgen mag und keine Anstrengungen unternimmt den Donauursprung für sich zu beanspruchen. „Selbst einem Faltblatt aus Immendingen kann man entnehmen, dass in Zeiten der vollständigen Versickerung der Donau sämtliches Wasser zur Aach strömt und in den Bodensee mündet. Und auch die Blätter des Schwäbischen Albvereins stellen Theorien zum Donauursprung auf, nach denen die Donau bei zunehmender Zahl der Vollversickerungstage in absehbarer Zeit gänzlich an die Aach und den Rhein verloren gehen könnte. Der Rechtsanwalt vermutet falsche Bescheidenheit oder Schlafmützigkeit.“489 Es bleibt rein hypothetisch, Mutmaßungen über den Verlauf der Auseinandersetzungen um den Donauursprung anzustellen, bei umgekehrter landsmannschaftlicher Ausgangslage.

d) Villingen-Schwennigen – Paradebeispiel landsmannschaftlichen Misstrauens am Beispiel der OB-Wahl im Herbst 2010 Villingen-Schwennigen im Schwarzwald-Baar-Kreis zählt heute etwas über 80.000 Einwohner und stellt landesweit eine Besonderheit dar. Im Zuge der Verwaltungsreform entstand 1972 die Doppelstadt durch den unfreiwilligen Zusammenschluss des badischen Villingen mit dem württembergischen Schwenningen. Das Zusammenleben der Bevölkerung beider Stadtbezirke gestaltet sich bis heute alles andere als reibungslos, so dass die Stadt bis auf weiteres um ihre gemeinsame Identität ringt. Dies wurde einmal mehr deutlich, als am 24. Oktober 2010 die Oberbürgermeisterwahl anstand. Bereits der im Vorfeld stattfindende Wahlkampf spiegelte die alten Bruchlinien zwischen den badischen Villingern und den württembergischen Schwenningern wider.

489 ebenda, Hörner, 2007, S. 30 289

So wurde deutlich, „dass zwischen den Stadtbezirken mehr als nur sechs Kilometer an geografischer Distanz liegen. Nachdem der Amtsinhaber Rupert Kubon (SPD) zu Jahresbeginn 2010 ankündigte, dass er seine Amtszeit fortsetzen wollte, machten sich seine Gegner, die vorwiegend in Villingen anzutreffen sind, auf die Suche nach einem Gegenkandidaten. Auf Betreiben von CDU, FDP und Freien Wählern wurde sehr bald in der Person Siegfried Loreks (CDU) ein Herausforderer präsentiert. Der Erfahrung und dem Amtinhaberbonus Kubons stand nun der Polizist mit CDU-Parteibuch und Tätigkeit im Stuttgarter Innenministerium gegenüber, der darüber hinaus das Oberzentrum aus seiner Studienzeit an der Polizeischule und seiner Tätigkeit in der dortigen Polizeidirektion kannte.“490 Beide Kandidaten leisteten sich während des Wahlkampfes keine entscheidenden Fehler, allerdings fehlte es beiden Kandidaten im Verlauf des Wahlkampfes an echten Themen und Inhalten. Neben Kubon und Lorek sind noch die beiden weiteren Kandidaten Seeburger und Natschke zu erwähnen, denen aber keine realistischen Chancen einzuräumen waren, so dass die Entscheidung zwischen Kubon und Lorek fallen musste. Amtsinhaber Kubon fand vor allem in Schwenningen Unterstützung. Kubon brachte die Landesgartenschau 2010 nach Villingen-Schwennigen, in deren Folge vor allem in Schwenningen etliche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, wodurch speziell das städtebauliche Bild Schwenningens profitierte. Folglich warf man Kubon von Seiten Villingens vor, dass er sich einseitig für den württembergischen Stadtbezirk engagieren würde. Dieser Vorwurf erhielt zusätzliche Nahrung durch die im selben Jahr fertig gestellte neue Eissporthalle für die Wild Wings, den Schwenninger Eishockey- Club. Neid und das Gefühl der Benachteiligung in Villingen brachten darüber hinaus viele kleinere, latent schwelende Missstimmungen und Ressentiments zwischen den beiden Stadtteilen erneut auf die Tagesordnung. „So fehlt es in

490Bäckermann, OB-Wahl spaltet Doppelstadt, www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.villingen-schwenningen-ob- wahl (13.11.2010) 290

Villingen-Schwenningen bis heute an gemeinsamen sozialen Milieus in Sportvereinen, Kirchen oder sonstigen kulturellen Einrichtungen. Zwar existieren die früheren Landesgrenzen zwischen beiden Stadtbezirken seit nun bald 40 Jahren nicht mehr, aber dennoch trennen weiterhin die Notariats-, Kirchen- und Verbandsgrenzen die Stadt.“491 Diese auch strukturell angelegte Problematik wird beispielsweise im Bereich der Sportverbände deutlich. So sind die Sportvereine Villingens im badischen Sportbund, die Sportvereine Schwenningens im Württembergischen Landessportbund organisiert. Dies hat zur Folge, dass die Vereine beider Stadtbezirke in keinen offiziellen Wettkampf miteinander treten können. „Dank einer Initiative der Stadt ist es mittlerweile immerhin möglich geworden, dass die Vereine beider Stadtbezirke im Bereich des Fußballs und des Tischtennis gemeinsame Stadtpokalturniere veranstalten können und somit auch landsmannschaftliche Begegnungen ermöglichen.“492 Auch im Bereich der Kirche herrscht strikte Trennung. Die Schwenninger Gläubigen gehören der württembergischen Landeskirche bzw. dem Bistum Rottenburg-Stuttgart an, während die Glaubensbrüder aus Villingen in der Badischen Landeskirche bzw. im Erzbistum Freiburg organisiert sind. Ein gelungener Versuch, die Barrieren zu überwinden, stellte der erste gemeinsame ökumenische Kirchentag 2007 dar, an dem Gläubige aller Konfessionen teilgenommen haben.“493 Auch in Sachen Infrastruktur weist das Oberzentrum im Schwarzwald-Baar- Kreis etliche Besonderheiten auf. „So existieren beispielsweise zwei Hallenbäder, zwei Stadtbüchereien, zwei Volkshochschulen, zwei Rathäuser und weitere zehn Dienststellen für die Verwaltung. Planungen für ein zentrales Rathaus wurden vom Gemeinderat offiziell wegen der ungünstigen finanziellen Haushaltslage vorerst auf Eis gelegt.“494 Auch im Bereich der Telekommunikation ist so manches noch nicht

491 Hofmann, Mühsamer Weg zur gemeinsamen Stadt, in: Südkurier Nr. 249, 27. Oktober 2010, S. 10 492 ebenda, Hofmann, 2010, S. 10 493 ebenda, Hofmann, 2010, S. 10 494 ebenda, Hofmann, 2010, S. 10 291 zusammengewachsen. Auch nach fast vierzig Jahren gibt es in Villingen- Schwenningen keine gemeinsame Telefonvorwahl, sondern „vier verschiedene Vorwahlen. Daran wird sich vermutlich auch in naher Zukunft nichts ändern, da die Umstellung auf eine gemeinsame Vorwahl-Nummer einen enormen Arbeitsaufwand für die Telekom bedeuten würde, der darüber hinaus von der Stadt bezahlt werden müsste“495, was in Zeiten allgemein knapper Haushaltskassen unrealistisch erscheint. Was die OB-Wahl im Oktober 2010 anbetrifft, so konnte sich der Amtsinhaber Rupert Kubon bereits im ersten Wahlgang mit einer absoluten Mehrheit von 54,7 %496 der Stimmen in der Gesamtstadt vor seinem Herausforderer Siegfried Lorek mit 35,9 %497 der Stimmen durchsetzen. Interessant ist ein Blick auf die Stimmenverteilung beider Kandidaten getrennt in beiden großen Stadtbezirken. Während der Herausforderer Lorek vor allem in Villingen mit 41,0 %498 der Stimmen punkten konnte, erhielt er in Schwenningen lediglich 22,1 %499 der Stimmen. Ein genauer Blick auf die Stimmenverteilung des Amtsinhabers Rupert Kubon zeigt, dass dieser sowohl in Villingen (46,9 %)500 als auch in Schwenningen (71,6 %)501 deutlich vor seinem Herausforderer landete. Zum besseren Verständnis muss erwähnt werden, „dass die Wahlergebnisse in den beiden großen Stadtbezirken grundsätzlich unterschiedlich ausfallen. Dies ist auf die unterschiedliche wirtschafts- und gesellschaftspolitische Entwicklung beider Städte in ihrer getrennten Stadtgeschichte zurückzuführen. Villingen ist seit je her bürgerlich und damit konservativ geprägt, während Schwenningen als traditionelle Arbeiterstadt tendenziell eine größere Affinität zu den Sozialdemokraten zu verzeichnen hat. Ähnlich gelagert war der Fall bei der

495 ebenda, Hofmann, 2010, S. 10 496 www.vilingen-schwenningen.de/fileadmin/wahl/ob_2010/html/ob10.html (14.11.2010) 497 www.vilingen-schwenningen.de/fileadmin/wahl/ob_2010/html/ob10.html (14.11.2010) 498 www.vilingen-schwenningen.de/fileadmin/wahl/ob_2010/html/ob10.html (14.11.2010) 499 www.vilingen-schwenningen.de/fileadmin/wahl/ob_2010/html/ob10.html (14.11.2010)

500 www.vilingen-schwenningen.de/fileadmin/wahl/ob_2010/html/ob10.html (14.11.2010)

501 www.vilingen-schwenningen.de/fileadmin/wahl/ob_2010/html/ob10.html (14.11.2010)

292

OB-Wahl von 2002, als der SPD-Kandidat Kubon mit 51 % der Stimmen in Schwenningen zehn Prozent mehr als der CDU-Bewerber Stein erreichen konnte, während in Villingen beide Kandidaten mit 48 % der Stimmen gleich auf lagen.“502 Nach einem Bericht des Südkuriers vom 27. Oktober 2010503 sieht die CDU aufgrund des Wahlausgangs „die Zukunft der Doppelstadt gefährdet und verweist in diesem Zusammenhang auf die Stimmendiskrepanz von fast 25 % für den Wahlsieger Kubon, betrachtet man dessen Stimmenanteile in Villingen bzw. Schwenningen.“504 Kubon hingegen äußerte sich nach seiner Wiederwahl gegenüber dem Schwarzwälderboten vom 30.10.2010 dahingehend, „dass er sich in der anstehenden Amtsperiode verstärkt für das Zusammenwachsen beider Stadtbezirke einsetzen werde. Man müsse vor allem das Zusammengehörigkeitsgefühl durch konkrete Projekte versuchen zu stärken. (…) In diesem Zusammenhang verwies er auf die gemeinsam erfolgreich gestaltete Landesgartenschau des Jahres 2010. In ähnlich einender Absicht sieht er den Bau des Zentralklinikums. Das bereits im Bau befindliche Krankenhaus soll nach seiner Fertigstellung Ende 2012 etwa 750 Betten zählen und die bis dahin getrennt bestehenden Krankenhäuser der Stadtbezirke ersetzen und darüber hinaus eine verbindende Funktion auf die Stadtbevölkerung von Villingen und Schwenningen ausüben.“505 Ob das gewünschte Ziel allein dadurch erreicht werden kann, darf, angesichts bestehender unglücklicher struktureller Vorgaben und gegenseitiger Vorbehalte, bezweifelt werden. Insbesondere vor dem Hintergrund des Ergebnisses einer Umfrage506 des Südkuriers drei Tage nach der OB-Wahl am 27.10.2010. In seiner Umfrage wollte der Südkurier wissen, ob in Villingen-Schwenningen eine gemeinsame Identität existiere. Die Antwort auf diese Frage war im Ergebnis unmissverständlich. 21,35 % der Befragten waren der Ansicht, dass

502 ebenda, Hofmann, 2010, S. 10 503 Südkurier Nr. 249, Mühsamer Weg zur gemeinsamen Stadt, Mittwoch, 27. Oktober 2010 504 ebenda, Hofmann, 2010, S.10 505 Kubon:VS soll stärker zusammenwachsen, www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.villingen-schwenningen- kubon , 30.10.2010 (13.11.2010) 506 Südkurier Online-Umfrage, Das erschwert das Zusammenwachsen ,vom 27.10.2010, 293

Villingen-Schwenningen trotz bestehender Unterschiede und ehemaliger Landesgrenzen es inzwischen geschafft habe, eine Einheit darzustellen. Demgegenüber beantworteten die Frage 78,65 % der Befragten mit einem klaren Nein, da sie der Ansicht seien, dass Villingen-Schwenningen zumindest in den Köpfen der Bevölkerung aufgrund der bestehenden zu großen Unterschiede, niemals richtig zusammenwachsen werde. Auch die Auseinandersetzungen um die Schaffung eines gemeinsamen Stadtwappens dokumentieren die Schwierigkeiten eines einst angedachten Zusammenwachsens beider Städte. Die Bemühungen um ein gemeinsames Stadtwappen dauerten sage und schreibe drei Jahrzehnte. Erst anlässlich des bevorstehenden dreißigjährigen Stadtjubiläums konnte am 11. Dezember 2001 das Regierungspräsidium Freiburg die Verleihung des neuen Stadtwappens vornehmen, auf das man sich im Stadtrat hatte verständigen können. Bis zu diesem Zeitpunkt existierte quasi kein gemeinsames Stadtwappen oder man könnte auch sagen, dass zwei verschiedene Stadtwappen vorhanden waren. In Villingen sollte die Verwendung des Adlers, in Schwenningen die des Schwanes unverzichtbarer Bestandteil eines gemeinsamen Stadtwappens sein. Weil keine der beiden Städte auf die Symbolkraft ihres Wappentieres verzichten wollte, schien die Einigung auf ein gemeinsames Stadtwappen unmöglich zu sein. In Anbetracht dessen, dass lange Zeit kein Konsens in dieser Frage in Aussicht stand, verwendete man bis auf Weiteres das baden-württembergische Landeswappen als Provisorium. Allerdings muss hier festgestellt werden, dass es sich dabei um eine wahrlich lange Übergangslösung handelte. Entwürfe zu einem gemeinsamen Stadtwappen gab es durchaus. Diese scheiterten aber stets am Widerstand eines der beiden Stadtbezirke. „Schon seit dem Jahr der Vereinigung lag ein Entwurf vor, der die Tiersymbole beiseite ließ und statt dessen mit kräftigen Wellenlinien einen sprechenden Bezug zu beiden Teilstädten erstellte: In Schwenningen entspringt der Neckar, Villingen liegt an

www.suedkurier.de/region/schwarzwald-baar-heuberg/villingen-schwenningen/ (16.11.2010) 294 einem der Quellflüsse der Donau, und zwischen den beiden Orten verläuft die europäische Wasserscheide.“507 Das genannte Beispiel zeigt deutlich, dass sinnvolle Entwürfe existierten, die durchaus auch Identität stiftendes Potential beinhalteten, wenn derartige Vorschläge auf mehr Kooperationsbereitschaft gestoßen wären. In dieser Streitfrage blieben beide Seiten unnachgiebig und unversöhnlich. Villingen pochte auf seinen habsburgischen Adler, während Schwenningen auf seinem Schwan beharrte. Der Streit um das gemeinsame Stadtwappen trieb auch in der Straßenfastnacht seine Blüten. So wurden karikierte Wappenentwürfe präsentiert, die jeweils auf die Furcht vor Unterdrückung durch den jeweils anderen Stadtbezirk anspielten. Beispielsweise wurde „der Schwan vom Adler am langen Hals gewürgt oder sogar unter die Wasseroberfläche gedrückt.“508 Reale Machtverhältnisse oder zumindest gewünschte Machtverhältnisse fanden auf diese Weise im fastnachtlichen Treiben ihren Ausdruck. Gemessen an drei Jahrzehnten der Auseinandersetzung erscheint die im Jahre 2001 erreichte Verständigung eher simpel als ausgesprochen einfallsreich. So einigte man sich auf die Verwendung der Wappentiere beider Städte inklusive der zur Geltung kommenden Wellen als Anspielung auf die beiden Flüsse. Streng genommen handelt es sich aber eher um ein zusammengesetztes Wappen mit gespaltenem Schild. „Heraldisch bezeichnet man ein derartiges Wappen als Allianzwappen, bei dem das gespaltene Schild nicht als strikte Trennung zu betrachten ist.“509 Auch wenn man die erzielte Einigung nach immerhin drei Jahrzehnten zumindest äußerlich auf rein heraldischer Ebene als einen Schritt der Annäherung interpretieren kann, so bleiben wir in Villingen-Schwenningen von einer echten gemeinsamen Identität auf symbolischer Ebene weit entfernt. Von einer solchen hätten man allenfalls dann sprechen können, wenn statt der Zusammensetzung der beiden getrennten Stadtwappen eine wirklich verbindende Neuschöpfung gewählt

507 Bausinger, 2002, S. 13 508 ebenda, Bausinger, 2002, S. 13 509 ebenda, Bausinger, 2002, S. 14 295 worden wäre. Somit ist das Ergebnis der jahrzehntelangen Auseinandersetzung doch eher dürftig ausgefallen und versteht sich vermutlich auch vor dem Hintergrund eines gewissen Einigungszwanges im Vorfeld des dreißigjährigen Stadtjubiläums und des fünfzigjährigen Landesjubiläums. Zu solchen Anlässen möchte man schließlich das vermeintlich Gemeinsame und nicht das Trennende betont wissen. Die historisch gewachsenen Eigenheiten beider Stadtbezirke lassen sich in der Doppelstadt bis zum heutigen Tage nicht leugnen, so dass der Versuch der Stadtverwaltung, diese doppelstädtische Besonderheit touristisch zu vermarkten, in dem man sich als „Baden-Württemberg-Stadt“ bezeichnet, zumindest hinsichtlich einer Doppelstadtidentität als gescheitert betrachtet werden darf.

e) Witze, Sprichwörter Betrachtet man die Welt der Witze, so wird man sehr schnell feststellen können, dass eine Unzahl von mehr oder weniger bösartigen Witzen, insbesondere über Schwaben existieren. Beispielsweise wird gefragt, wie Badener einen Tunnel einweihen. Die Antwort lautet: Sie bieten freie Getränke an, so dass alle Nachbarn aus dem Schwäbischen anreisen, dann wird der Tunnel geflutet. In einem anderen Fall wird nach dem Unterschied zwischen einem Unglück und einer Katastrophe gefragt. Von einem Unglück kann man demnach sprechen, wenn ein mit schwäbischen Gästen besetztes Schiff sinkt; wenn die Schwaben aber schwimmen können, dann ist es eine Katastrophe. Es ließen sich unzählig viele dieser z.T. sehr aggressiven Sorte von Schwabenwitzen anführen. Für den daran interessierten Leser finden sich im Anhang weitere Beispiele. Das Bemerkenswerte bei diesen Witzen ist aber vor allem die Tatsache, dass sich kaum Witze über Baden oder Badener in vergleichbarer Anzahl, geschweige denn in ähnlicher Bösartigkeit finden. Folgender Badenerwitz erscheint somit als Retourkutsche geradezu harmlos: Der Lehrer spricht zu seinem Schüler, der

296 sich etwas Gravierendes hat zu Schulden kommen lassen: „Büble, Du landesch emol später im Badische!“ So ist die Qualität des Spotts in Liedern, Sprüchen und Witzen weitgehend eine Einbahnstraße in Richtung Schwabenland, die sich zudem auf einer entschieden anderen Stilebene abspielt. Während die Schwabenwitze eine anerkannte eigenständige literarische Gattung darstellen, trifft dasselbe auf die Witze über Badener nicht zu. An dieser Stelle sei das Werk des deutschen Schriftstellers und schwäbischen Mundartdichters Thaddäus Trolls, „Deutschland Deine Schwaben“510 erwähnt. So gilt der Schwabe als fleißig und sparsam. Beide Eigenschaften verhelfen ihm auch über Baden hinaus nicht nur zu Freundschaften. Vor allem seine angeblich bis zum Geiz gesteigerte Sparsamkeit macht den Schwaben unbeliebt. Mitunter wird der Schwabe auch als doof und hinterwäldlerisch tituliert. Nicht von ungefähr kommt der in Baden gern geaüßerte Satz: „Schwobe schaffe, Badener denken“. „Die Schwabenwitze benützen und nähren ein Vorurteil, und die sie erzählen, wissen das. (...) das wichtigste dabei ist die Abwertung und Abstempelung der anderen. Schon allein das Wort „Schwabe“ ist eine solche Abstempelung.“511 In gleichem Atemzug wird dem Schwaben aber eine gewisse Listigkeit, ja zum Teil sogar Hinterfotzigkeit unterstellt. Habsucht, Sturköpfigkeit und Derbheit sind weitere klischeehafte Attribute, die den Schwaben zugeordnet werden. Bei all diesen vermeintlich schwäbischen Zuschreibungen verwundert die ebenso generalisierende Losung von „schaffe, putze, spare“ keineswegs. Die als liberal geltenden Badener, die den weltlichen Genüssen zugewandt, gesellig, weltoffen, freiheitsliebend sein sollen, sind im Gegenzug ebenso Verunglimpfungen ausgesetzt. Beispielsweise werden die Bewohner Badens von ihren schwäbischen Nachbarn gerne als Gelbfüßler oder im entsprechenden Dialekt als „Gelbfiassler“ bzw. „Gälfiassler“ bezeichnet, was man in Baden relativ gelassen hinnimmt, da man darin lediglich eine Anspielung auf einen Teil der historischen badischen Uniformen sieht, die in der Vergangenheit gelbe

510 Troll, Deutschland Deine Schwaben, München, 1967 511 Bausinger, 2006, S. 22 297

Strümpfe bzw. gelbe Gamaschen getragen hatten. In Schwaben hat man sich für die Bezeichnung des Badeners als Gelbfüßler eine andere Erklärung zurecht gelegt. Danach sollen badische Steuereintreiber in der Vergangenheit unzufrieden gewesen sein mit dem Fassungsvermögen ihres Eierkorbes. Um in diesen Körben für mehr Platz zu sorgen, sollen die Steuereintreiber in ihrer Einfältigkeit angeblich auf dem Eierkorb herum getrampelt sein, was in seiner Folge zu den gelben Füßen geführt haben soll. Eine weitere im Schwäbischen gerne verwendete Betitelung für die badischen Mitbewohner des Landes ist die in Baden ungern gehörte Bezeichnung des „Badensers“. Bei genauer Betrachtung stellt die Bezeichnung „Badenser“ eine Fehldeutung in Analogie zu der Betitelung der Bewohner der Stadt Halle dar, die im Gegensatz zu den Bewohnern Badens korrekterweise als Hallenser bezeichnet werden. Demgegenüber trifft die Bezeichnung Haller auf die Einwohner Schwäbisch Halls zu. Die Einseitigkeit der Spötteleien ist zwar merkwürdig, aber durchaus erklärbar. „Als Ursache dafür vermutet man in Baden häufig mangelnden Sinn für Humor bei den schwäbischen Nachbarn. Klischeehaft wird in diesem Zusammenhang gerne das Erbe der pietistischen schwäbischen Vorfahren ins Spiel gebracht. Diese Erklärung greift allerdings zu kurz und ist bestenfalls auf Altwürttemberg anzuwenden. Für Gebiete Neuwürttembergs wie etwa das Hohenlohische oder das katholisch geprägte Oberschwaben ist diese Erklärung nicht ausreichend.“512 Prinzipiell entdeckt der Witz am anderen grundsätzlich das Fremdartige. Es wäre auch ein Irrtum zu glauben, dass die Witze über Schwaben eine Begleiterscheinung im Zuge der Auseinandersetzungen um die Gründung des Landes Baden-Württemberg seien. Sie haben in diesem Zusammenhang aber vermutlich an Schärfe zugelegt. Der Schwabenwitz ist deutlich älter als unser heutiges Bundesland. Wenn man einen Blick auf die Motive richtet, die hinter diesen Witzen stehen, dann wird einem sehr schnell deutlich, ab welchem

512 Bausinger, Die feinen Unterschiede, im webmagazin vom 19.04.2002 , 50 Jahre Baden-Württemberg, www.freitag.de/2002/17/02170131.php ( 09.01.2011), S. 1 298

Zeitpunkt die jeweils entdeckte Fremdartigkeit des Nachbarn an Wichtigkeit zugenommen hat und somit zunehmende Bedeutung für die eigene Identität erlangt hat. „Dass es innerhalb der staatlichen Konstruktion Baden-Württemberg viele stabile Verstrebungen gibt (ist gewiss unstrittig), dennoch sind dadurch die Badener und Württemberger nicht verschwunden. Manchmal hat man den Eindruck, dass erst die Vereinigung der beiden früheren Länder den Unterschied und Gegensatz richtig ins Spiel brachte.“513 Die Vielzahl der oft grobschlächtigen Schwabenwitze erklärt sich aus dem in Baden empfundenen Gefühl der Benachteiligung gegenüber den Württembergern. Bereits die napoleonische Mediatisierung brachte sowohl Württemberg wie auch Baden einen erheblichen Territorialgewinn und eine Rangerhöhung der jeweiligen Regenten. Somit begann die Ungleichbehandlung bereits damit, dass Württemberg zum Königreich aufstieg, während Baden lediglich zum Großherzogtum avancierte. Man könnte diesen Sachverhalt als erste historische Benachteiligung, als Folge der an rein strategischen und machtpolitischen Gesichtspunkten orientierten Umgestaltung Europas durch Napoleon betrachten. Weitere Eckpunkte einer in Baden empfundenen Schmach sind beispielsweise die Beteiligung württembergischer Truppen an der Niederschlagung des badischen Aufstandes 1849 im Zuge der Deutschen Revolution von 1848. „Auch der wirtschaftliche Niedergang Badens durch die beiden Weltkriege und die Nachkriegszeit lieferte weiteren Zündstoff für die Frontstellung gegenüber den Schwaben. Zwar waren die Schwaben am wirtschaftlichen Niedergang Badens gewiss nicht schuld, aber es gelang ihnen dadurch mit den Badenern auf wirtschaftlicher Ebene gleichzuziehen.“514 Das eigentliche Trauma ist aber tatsächlich auf die Südwestsstaatsgründung 1952 und die verschleppte Volksabstimmung des Jahres 1970 und den damit

513 ebenda, Bausinger, (09.01.2011), S. 1 514 Bausinger, Warum singt niemand eine Baden-Württemberg-Hymne?, in: John, Volkslied – Hymne – politisches Lied, Populäre Lieder in Baden-Württemberg, Volksliedstudien Bd. 3, Münster, 2003, S. 51

299 verbundenen Querelen zwischen Badenern und Württembergern zurückzuführen, die im Endergebnis den Verlust der badischen Eigenstaatlichkeit bedeutete. Durch den gewählten Abstimmungsmodus fühlte man sich in Baden benachteiligt, betrogen und von den Schwaben über den Tisch gezogen. Dieser Souveränitätsverlust, der in der Sache auch nicht entschädigt werden konnte, wirkt bis zum heutigen Tage nach und äußert sich nicht zuletzt auch in Form von Schwabenwitzen. So betrachtet spiegeln die Schwabenwitze eine Art Verarbeitung verschiedener historischer badischer Traumata wider. Bei so viel landsmannschaftlichem Misstrauen verwundert es daher eigentlich nicht, dass das Land Baden-Württemberg im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie etwa Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Schleswig- Holstein, bis auf den heutigen Tag keine eigene Landeshymne besitzt. In der Vergangenheit gab es zwar Versuche, eine Landeshymne durchzusetzen, allerdings konnte sich keine Version landesweit etablieren. Hinzu kommt, dass eine solche Landeshymne im Idealfall nicht von staatlicher Seite verordnet, sondern aus dem Volk heraus generiert werden sollte. Genau darin scheint aber auch das Problem und die Ursache für das bisherige Scheitern aller Versuche zur Schaffung einer Landeshymne zu liegen. Es existieren in verschiedenen Regionen Baden-Württembergs bereits mehrere regionale Lieder, mit zum Teil hymnenartigem Charakter. Im badischen Landesteil ist das Badenerlied weit verbreitet - wie dargestellt - und genießt eine so große Akzeptanz, dass man es als inoffizielle Hymne Badens bezeichnen kann. Auch der württembergische Landesteil beruft sich auf sein eigenes Lied von Justinus Kerner „Preisend mit viel schönen Reden“ aus dem Jahre 1818. In unterschiedlichen Regionen existieren weitere Lieder wie beispielsweise das Hohenzollernlied und eine Vielzahl anderer Lieder, welche innerhalb der betreffenden Region quasi mehr oder weniger als Regionalhymne fungieren. Aufgrund der starken Ausprägung spezifisch regionaler Identitäten in Baden-Württemberg bestand und besteht für das baden-württembergische Volk sozusagen überhaupt keine Notwendigkeit

300 einer vereinheitlichenden Landeshymne, da Identität bereits über kleinräumigere Gebiete gestiftet wird und man in diesen Gebieten über regionale Lieder verfügt, die offenbar mehr im Stande sind, Identität zu stiften als eine Hymne, die inhaltlich über die Regionalgrenzen hinwegreicht. „Im Falle des Baden- Württemberg-Liedes kommt aber noch etwas anderes hinzu: Offensichtlich war der Bedarf überschätzt worden. Gewiss gibt es immer wieder Situationen, in denen es nahe liegt, das Gefühl der Gemeinsamkeit auch im Gesang auszudrücken. Aber die Gemeinsamkeit bezieht sich meist auf engere Grenzen, auf die vertraute Nähe.“515 So drängt sich die Vermutung auf, dass man in Baden-Württemberg bezüglich des Liedgutes eher regional und kleinräumiger fühlt und denkt. Wichtig für jede Art von Hymne und regionalen Lied ist die Verwendung einer einprägsamen und relativ einfachen Melodie. Oft handelt es sich dabei um von Generation zu Generation tradierte bekannte Melodien, die eine gewisse Entlehnung aus einer anderen bereits bekannten Melodie darstellen. Solche Entlehnungen sind sogar sehr vorteilhaft, da die Lieder auf diese Weise einprägsamer werden. Nichts desto trotz unternahm man Mitte der 1980er Jahre den Versuch, eine Landeshymne für das ganze Land Baden- Württemberg zu kreieren. Dass es sich dabei um kein scherzhaftes Vorhaben, sondern um ein seriöses Anliegen handelte, wird auch daran deutlich, „dass sowohl der Landtag wie auch die Landesregierung diese Idee tatkräftig unterstützten und entsprechend alle Hebel in Bewegung setzten und die Werbetrommel für dieses Vorhaben in Gang setzten.“ Hintergrund war das große internationale Musikfestival in Stuttgart. Dieses setzte Gespräche und Diskussionen im Landesmusikrat, unter den Abgeordneten des Landtages, aber auch im Staatsministerium in Gang. Ein Ausflug des Staatsministeriums im Sommer 1985 ins badische Wertheim forcierte dieses Vorhaben zusätzlich, als dort der Chor der Jugendmusikschule ein von einem Pensionär komponiertes Lied zum Besten gab. Das Lied stieß auf ein positives Echo, so dass sich die

515 ebenda, Bausinger, 2003, S. 47/48 301

Landesregierung an den Süddeutschen Rundfunk wandte und dessen Unterstützung für die Organisation und Durchführung eines landesweiten Wettbewerbs zur Ausschreibung einer Landeshymne fand. Eine erste Sichtung der 450 Einsendungen unternahmen die Musikhochschulen des Landes.“516 Eine daraus getroffenen Vorauswahl wurde im Rundfunk abgespielt, aus der wiederum die Zuhörer abstimmen sollten. Schlussendlich wurden in einer öffentlichen Fernsehsendung, als einer Gemeinschaftsproduktion von SDR und SWF, acht Lieder präsentiert, aus denen eines von den Zuschauern als Landeshymne gewählt werden sollte. Die Fernsehveranstaltung vom 5. Oktober 1986 begann mit dem Schleswig-Holstein-Lied und der Bayern- Hymne, die übrigens tatsächlich 1964 offiziell zur Landeshymne Bayerns erklärt wurde. „Im Anschluss daran eröffnete die Moderatorin Siggi Harreis die Sendung mit den Worten: „So haben viele ihr Lied - ond mir hond kois“517 Diese Formulierung ist deshalb erwähnenswert, da sie einen zentralen Kern des Problems bereits ungewollt ausdrückt. Mit dieser gewählten Formulierung steht das Schwäbische mal wieder als pars pro toto für das gesamte Land Baden- Württemberg. Da man in Baden-Württemberg, je nach regionaler Herkunft, sehr unterschiedliche Dialekte spricht, hat bereits diese Anmoderation auf viele Zuschauer des Landes eher befremdlich gewirkt. Es wird auch an diesem Beispiel wieder deutlich, dass Baden-Württemberg in Sachen Sprache und Landsmannschaft eben kein homogenes Gebilde darstellt, sondern von starken regionalen Identitäten geprägt ist. Das Saalpublikum stimmte über die acht Lieder ab. „Diejenigen drei Lieder mit den meisten Stimmen wurden erneut zur Wahl gestellt und anschließend wurden per Telefon die Fernsehzuschauer zur Abstimmung gebeten. Sieger des Wettbewerbs wurde ein Herr aus der Gegend des Schwäbischen Waldes. Man versicherte diesem, dass sein Lied künftig bei

516 ebenda, Bausinger, 2003, S. 39/40

517 ebenda, Bausinger, 2003, S. 41 302 offiziellen Anlässen gespielt und gesungen werden würde.“518 Die Freude währte allerdings nicht lange, denn bereits im Vorfeld kam heftige Kritik an den Auswahlkriterien der Einsendungen auf. So habe ein im Vorfeld der Sendung interviewter Volkskundler dahingehend Kritik geäußert, „dass von den insgesamt 450 Einsendungen die 442 besten bereits ausgeschieden seien und somit ausschließlich Murks zur Wahl gestanden habe.“519 Das gekrönte Lied geriet sehr schnell in Vergessenheit und eine Flut von Beschwerdebriefen ging bei den Fernsehanstalten ein, da sich viele Einsender übergangen fühlten und nicht nachvollziehen konnten, mit welchen Argumenten gerade dieses und nicht jenes Lied in die engere Auswahl geschickt wurde. Bis auf den heutigen Tag gehen im Staatsministerium hin und wieder Vorschläge bezüglich der Schaffung einer Landeshymne ein, wobei das Land mittlerweile erkannt hat, dass ein solches Lied mit dem Charakter einer Landeshymne, sich im Volk von selbst etablieren müsse und nicht dekretiert werden dürfe. In der bis heute lebendigen Spannung zwischen den verschiedenen regionalen Identitäten liegt vermutlich der Hauptgrund dafür, dass es in Baden-Württemberg bis heute keine offizielle Landeshymne gibt.

f) „In Baden ist die Elite zu Hause“520 Gleich vier badische Universitäten erhielten im Rahmen der Exzellenzinitiative das Prädikat exzellent und dürfen sich infolgedessen als so genannte Elite- Universitäten bezeichnen. Dass diese Auszeichnung insbesondere den badischen Universitäten zuteil wurde, ist für das badische Selbstverständnis und die badische Identität natürlich von unschätzbar großem Wert, da man sich auch auf diese Art und Weise auch in wissenschaftlichen Belangen vorzüglich von den württembergischen Nachbarn abzugrenzen versteht.

518 ebenda, Bausinger, 2003, S. 41 519 ebenda, Bausinger, 2003, S. 42 520 Badische Zeitung (Freiburg), vom 20.10.2007, In Baden ist die Elite zu Hause 303

„Bei der Exzellenzinitiative handelt es sich um eine Fördermaßnahme des Bundes und der Länder zur Förderung der Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen. Die Exzellenzinitiative zielt darauf ab, gleichermaßen Spitzenforschung und die Anhebung der Qualität des Hochschul- und Wissenschaftsstandortes Deutschland in der Breite zu fördern und damit den Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu stärken, seine internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und Spitzen im Universitäts- und Wissenschaftsbereich sichtbar zu machen. Nach Beschluss der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern im Jahr 2005 führt die DFG die Initiative gemeinsam mit dem Wissenschaftsrat durch.“521 Für die organisatorische Abwicklung, wie auch für die wissenschaftliche Begutachtung wurden die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Wissenschaftsrat beauftragt. Der so genannten Exzellenzinitiative liegt ein mehrstufiges Antrags- und Begutachtungsverfahren zugrunde, das in zwei Runden durchgeführt wird. Die erste Runde erfolgte in den Jahren 2005/2006, die zweite Runde folgte in den Jahren 2006/2007. Internationale Gutachter bewerten die Qualität der Anträge und geben Empfehlungen hinsichtlich einer in Frage kommenden Förderfähigkeit. Eine endgültige Entscheidung über die Förderfähigkeit deutscher Hochschulen trifft ein gemeinsames Gremium aus DFG und Wissenschaftsrat. Die Exzellenzinitiative ist als Wettbewerb von thematisch in sich geschlossenen Forschungskonzepten zu begreifen. Die Universitäten bekommen also kein Gesamtexzellent ausgesprochen, sondern vielmehr ein exzellent in bestimmten Forschungsbereichen. Die Qualität der Lehre spielt bei diesen Verfahren eine untergeordnete Rolle und ist lediglich im Bereich der Förderlinie der Graduiertenschule von einer gewissen Bedeutung. Die Exzellenzinitiative umfasst die Förderlinien Graduiertenschule, Exzellenzcluster und Zukunftskonzepte. „Graduiertenschulen sind ein wesentlicher Beitrag zur Profilierung und Herausbildung wissenschaftlich

521 Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), www.dfg.de/foerderung/programme/exzellenzinitative/ (23.02.2012) 304 führender, international wettbewerbsfähiger und exzellenter Standorte in Deutschland. Sie sind ein Qualitätsinstrument zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und folgen dem Prinzip der Qualifizierung herausragender Doktorandinnen und Doktoranden innerhalb eines exzellenten Forschungsumfelds.“522 Das Exzellenzcluster fasst einen wissenschaftlichen Forschungskomplex an einem konkreten Standort ins Auge. Es geht dabei vor allem darum, qualifizierte Wissenschaftler zu einem Thema zusammenzubringen, die gemeinsam an einem Forschungsthema arbeiten. „Mit den Exzellenzclustern sollen an deutschen Universitätsstandorten international sichtbare und konkurrenzfähige Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen etabliert und dabei wissenschaftlich gebotene Vernetzung und Kooperation ermöglicht werden.“523 Bei den Zukunftskonzepten geht es um die Universität als Ganzes. Insbesondere um die langfristige Entwicklung auf dem Forschungssektor. Allerdings findet auch hier eine Fokussierung auf bestimmte Themengebiete statt. Eine erfolgreiche Bewerbung setzt die Einwerbung von mindestens einem Exzellenzcluster und einer Graduiertenschule voraus. Die für ihr Zukunftskonzept ausgezeichneten Hochschulen werden als „Elite-Universitäten“ bezeichnet. „Zukunftskonzepte haben zum Ziel, die universitäre Spitzenforschung in Deutschland auszubauen und international konkurrenzfähiger zu machen.“524 Eine erfolgreiche Qualifizierung für eine der drei Förderlinien bringt der betreffenden Hochschule finanzielle Förderung in Millionenhöhe. In der ersten Runde der Exzellenzinitiative wurden von zehn Universitäten, die zur Antragstellung der Förderlinie Zukunftskonzept aufgefordert wurden, die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU München), die Technische

522 ebenda, Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), (23.02.2012) 523 ebenda, Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), (23.02.2012) 524 Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), www.dfg.de/foerderung/programme/exzellenzinitative/ (23.02.2012)

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Universität München (TU München) und die Universität Karlsruhe am 13.10.2006 ausgewählt. Auch die Universität Konstanz erhielt Fördergelder für die erfolgreiche Förderlinie im Exzellenzcluster mit dem Titel „Cultural Foundations of Integration“. Das Ergebnis der ersten Runde der Exzellenzinitiative fand auch in den Printmedien entsprechenden Niederschlag. So titelte der Südkurier in Konstanz vom 14. Oktober 2006 mit der Schlagzeile „Ein ausgesprochener Glückstag.“525 „Das Exzellenzcluster ist das einzige geistes- und sozialwissenschaftliche Cluster von allen 17 bewilligten Forschungsverbünden in ganz Deutschland. (…) Hinzu kommt, dass die Universität in den folgenden fünf Jahren jährlich 6,5 Millionen Euro an Fördergeldern erhält. (…) Für die zweite Runde im Jahre 2007 wolle sich die Universität um das Doktorandenkolleg und den Elite-Titel bewerben.“526 Auch die Badische Zeitung in Freiburg vom 20.10.2006 ist voll des Lobes für die Karlsruher Hochschule und titelt folgendermaßen: „Karlsruhe plant für die Weltliga – Elite-Uni will in die Spitzengruppe der Forschungsuniversitäten“527. „Die Karlsruher Universität hat es als einzige in Baden-Württemberg geschafft: Sie darf sich nach der Exzellenzinitiative zu den Elite-Universitäten zählen. (…) Von vier in die Endausscheidung gelangten Universitäten Baden-Württembergs hatte nur die „Fridericiana“ in Karlsruhe, die 1825 gegründete älteste Technische Hochschule Deutschlands, den Sprung in die Champions-League der deutschen Hochschulen geschafft.“528Von besonderem Interesse scheint der Blick in die Ausgabe der Karlsruher Badischen Neuesten Nachrichten vom 16.10.2006 zu sein. So titelte man dort folgendermaßen: „Karlsruhes neuer Adel“ oder „Elite-Unis: Heidelberg und Freiburg bleiben im Rennen“529. Es ist die Rede von einer „sensationellen Kür der TH Karlsruhe“530. Man betont in

525 Südkurier Nr. 238, vom 14. Oktober 2006, S. 12 526 van Bebber, Universität jubelt über Millionen, Südkurier Nr. 238, vom 14. Oktober 2006, S. 21 527 Badische Zeitung (Freiburg), vom 20.10.2006, S. 1 528 Jehle, Karlsruhe plant für die Weltliga – Elite-Uni will in die Spitzengruppe der Forschungsuniversitäten, Badische Zeitung (Freiburg),vom 20.10.2006, S. 1 529 Badische Neueste Nachrichten, vom 16.10.2006 530 Haendle, Elite-Unis: Heidelberg und Freiburg bleiben im Rennen, Badische Neueste Nachrichten, vom 16.10.2006 306 diesem Zusammenhang aber auch, „dass sich besonders die anderen badischen Universitäten große Hoffnungen machen dürften.“531 So geht man in Karlsruhe besonders auch auf die lange Geschichte und Tradition der Hochschule ein, „welche seit 1902 nach ihrem besonderen Förderer, dem badischen Großherzog Friedrich I. auch Fridericiana genannt werde. Die Gutachter waren von der Verschmelzung der Hochschule und des Forschungszentrums Karlsruhe zum „Karlsruher Institute of Technology“ überzeugt.“532 Der besondere Stolz der Stadt Karlsruhe über den erhaltenen Zuschlag ist unüberhörbar und wesentlich pathetischer als etwa in den Ausführungen in Freiburg oder Konstanz. Man betont ausdrücklich, dass die badischen Gefilde insgesamt von einer Langzeitwirkung profitieren würden. Die Betonung liegt dabei eindeutig auf badisch. Weiterhin zeichne sich die älteste TH Deutschlands, die bereits 1825 gegründet wurde, als „vorzügliche Denker-und-Lenker-Schmiede aus. Es handele sich in diesem Kontext um eine Veredelung, die zum Gefühl der Großstadt Karlsruhe passt – abseits badischer Gemütlichkeit. (…) Auch würde der Titel der Elite-Universität eine neue Wegstrecke des Selbstwertgefühls begründen.“533 An dieser Stelle kommt das badische Sonderbewusstsein ganz augenscheinlich zum Ausdruck, allerdings in einer sehr differenzierten und intelligenten Art und Weise. Es wird weiter ausgeführt, „dass sich der Wert Badens nicht allein in der Abgrenzung zum Württembergischen definieren dürfe, wie es langläufig in manchen Bürger-Sentenzen häufig der Fall sei. Es sei zwar wichtig die Landespolitik und die Stuttgarter Interessen im Auge zu behalten, aber Abgrenzung allein sei kein Programm der Zukunft. Echtes Selbstwertgefühl entstehe nicht durch das Schielen auf andere, sondern durch das Sammeln und Aufbauen eigener Kräfte. Es müsse darum gehen, sich auf die eigenen Stärken

531 ebenda, Haendle, 2006 532 ebenda, Haendle, 2006 533 Baur, Karlsruhes neuer Adel, Badische Neueste Nachrichten, vom 16.10.2006

307 zu besinnen, Synergien zu bündeln und diese wachsen zu lassen.“534 Hier wird ein sehr feinsinniges Bild des badischen Selbstwertgefühls propagiert, das von den reinen Abgrenzungsmechanismen und klischeehaften Zuschreibungen deutlich abweicht, ohne die grundsätzliche Skepsis und das prinzipielle Misstrauen gegenüber den Württembergern auszublenden. Im Gegensatz zur ersten Runde der Exzellenzinitiative gab es bei der zweiten Runde eine Zusammenarbeit zwischen dem Wissenschaftsrat, der Deutschen Forschungsgesellschaft und Politikern. Hintergrund dieser Veränderung war die Kritik einiger Wissenschaftsminister der Länder, die die Auswahlkriterien der ersten Runde der Exzellenzinitiative, mitunter aus Neid oder eigener Nicht- Berücksichtigung, kritisierten. Die Ergebnisse der zweiten Runde wurden am 19.10.2007 bekanntgegeben. Danach sollten die RWTH Aachen, die Ruprecht- Karls-Universität Heidelberg und die Universität Konstanz als sichere Kandidaten einen Antrag auf die dritte Förderlinie stellen. Auch die Albert- Ludwigs-Universität Freiburg ging erfolgreich aus der zweiten Runde der Exzellenzinitiative hervor. Auch die Ergebnisse der zweiten Runde der Exzellenzinitiative fand ihren medialen Widerhall. So titelt der Konstanzer Südkurier in seiner Ausgabe vom 20.10.2007 mit den Worten „Davids goldener Schuss“535. Ein großer Tag für eine kleine Universität, die unter den acht Bewerbern der Endrunde tatsächlich das kleinste Institut darstellte. „Die kleine, aber feine Universität habe, im Gegensatz zu ihren altehrwürdigen Mitstreitern wie etwa Freiburg und Heidelberg, bei weitem nicht vergleichbare Tradition und Ressourcen aufzuweisen.“536 Auch berichtet der Südkurier von im Vorfeld zu vernehmendem „politischem Gemauschel, da manch einem gleich drei badische Universitäten in der Spitzengruppe zu viel gewesen sein sollen.“537 Um so größer viel die Freude nach der Verkündung der Entscheidung aus, „da mit dem erlangten Zuschlag dem kleinen Institut am Bodensee bis zum Jahr 2012

534 ebenda, Baur, 2006 535 Südkurier Nr. 243, vom 20.10.2007, S. 3 536 Fricker, Davids goldener Schuss, Südkurier Nr. 243, vom 20.10.2007, S. 3 537 ebenda, Fricker, 2007, S. 3 308

Fördermittel in Höhe von 100 Millionen Euro zur Verfügung stünden.“538 In der Freiburger Presse fällt der Tenor der Verlautbarungen bezüglich des erfolgreichen Abschneidens deutlich landsmannschaftlicher aus als in Konstanz, wo man doch eher von einer großen, aber ganz sachlichen Freude sprechen kann, die auf jeglichen Pathos verzichtet. So titelt die Badische Zeitung in Freiburg, „In Baden ist die Elite zu Hause.“539 Baden ist der große Sieger der Exzellenzinitiative - mit nunmehr vier Elite-Universitäten: Neben Freiburg auch Konstanz, Heidelberg und Karlsruhe. In Württemberg darf sich keine der Hochschulen mit diesem Titel schmücken.“540 Am deutlichsten kommt der badische Habitus allerdings in den Badischen Neuesten Nachrichten aus Karlsruhe zum Ausdruck. In ihrer Ausgabe vom 17.10.2007 lautet die Überschrift eines Kommentars folgendermaßen: „Das Elite-Vorbild Karlsruhe“541. An anderer Stelle ist die Rede von einem „klaren Signal zum Sturm an die Weltspitze. (…) So könne sich die ehemalige badische Landeshauptstadt mit Fug und Recht nun auch neben der Residenz des Rechtes auch als Residenz der Wissenschaft begreifen. Noch nie seit der Stadtgründung, habe die Stadt so viele positive Imagefaktoren auf einmal zu bieten gehabt. (…) Das Karlsruher Institut habe sich durch seine Vorreiterrolle zum Elite-Vorbild für ganz Deutschland gemausert. Die Verknüpfung von universitärer Forschung in Landesobhut mit einem vom Bund gesteuerten Großforschungszentrum würde allenortes als klares Signal zum Sturm auf die wissenschaftliche Weltspitze verstanden.“542 In einem weiteren Kommentar vom 20.10.2007 werden zusätzlich auch subtil landsmannschaftliche Seitenhiebe auf die württembergischen Nachbarn verteilt. „Frischer Wind aus Südwest“543, so lautet ein überschriebener Kommentar. Immerhin kommen vier von insgesamt neun Elite-Universitäten in Deutschland aus Baden-Württemberg. Für das, was sich

538 ebenda, Fricker, 2007, S. 3 539 Badische Zeitung (Freiburg), vom 20.10.2007, In Baden ist die Elite zu Hause 540 ebenda, Badische Zeitung (Freiburg), 2007 541 Badische Neueste Nachrichten, vom 17.10.2007 542 Haendle, Das Elite-Vorbild Karlsruhe, Badische Neueste Nachrichten, vom 17.10.2007 543 Kamleitner, Frischer Wind aus Südwest, Badische Neueste Nachrichten, vom 20.10.2007 309 hinter der Begrifflichkeit der Elite-Universität verbirgt, habe vor allem das Karlsruher Institut dazu beigetragen. „Gut ausgebildete junge Menschen seien das Kapital unserer Gesellschaft und führten in letzter Konsequenz auch zu mehr Arbeitsplätzen. So stärke eine Häufung von Elite-Universitäten auf engstem Raum den Südwesten als Ganzes – auch wenn der württembergische Landesteil in dieser Hinsicht noch ein weißer Fleck auf der Wissenschaftslandkarte ist.“544 An dieser Stelle treten deutlich alte Ressentiments gegenüber den Schwaben zum Vorschein. Des Weiteren werden Elite-Universitäten als „Leuchttürme der Wissenschaftsszene“545 bezeichnet und stellten einen wichtigen Standortfaktor dar. Auf diese Weise wird dem Standort Baden ein unübersehbarer Bedeutungsvorsprung gegenüber der württembergischen Landeshälfte eingeräumt. Der Kommentar endet mit der hoffnungsvollen Aussicht darauf, „dass man möglicherweise in Zukunft einem Badener zur Verleihung des Nobelpreises gratulieren können wird.“546 Die Kriterien zur dritten Runde der Exzellenzinitiative wurden am 12. März 2010 veröffentlicht. Bis zum 1. September 2010 hatten die Hochschulen die Gelegenheit, ihre Antragsskizzen zur Exzellenzförderung einzureichen. Im März 2011 sollten ausgewählte Hochschulen dahingehend aufgefordert werden, ihre Antragsskizzen zu Vollanträgen auszuarbeiten, so dass bis Sommer 2012 entschieden sein wird, welche Hochschuleinrichtung bis Ende 2017 mit Fördergeldern im Gesamtvolumen von 2,7 Milliarden Euro rechnen kann. Zusammenfassend lässt sich im Rahmen der Exzellenzinitiative feststellen, dass der badische Habitus deutlich sichtbar wird, wenn auch abhängig von Regionalität in unterschiedlicher Qualitätsabstufung. Am deutlichsten traten die Pressekommentare bezüglich landsmannschaftlicher Ressentiments in Karlsruhe zu Tage. Allerdings nicht in der grobschlächtigen Derbheit alter klischeehafter Zuschreibungen und auch nicht mit voller Breitseite, sondern in dezent, aber

544 ebenda, Kamleitner, 2007 545 ebenda, Kamleitner, 2007 546 ebenda, Kamleitner, 2007 310 dennoch unmissverständlichen subtilen verbalen Äußerungen, die im Ergebnis Baden gegenüber Württemberg als überlegen darstellen.

g) Fahnen, Symbole, Devotionalien Fahnen, Symbole und andere Devotionalien spielen bei der Pflege eines badischen Habitus eine sehr wesentliche Rolle, um sich bewusst nach außen vom Widerpart des Schwaben abzugrenzen und um seine Identität mit dem badischen Landesteil zu demonstrieren. So kann man sich während einer Reise durch Baden den gelb-rot-gelben badischen Fahnen, die in etlichen Gärten wehen, ebenso wenig entziehen wie einer mindestens so großen Zahl von badischen Wappen, die in Form von Aufklebern gut sichtbar, bevorzugt an Scheiben oder Kofferraumdeckeln der Autos, angebracht sind. Ein bemerkenswertes Phänomen ließ sich anlässlich des fünfzigsten Landesjubiläums 2002 beobachten, als man zumindest vereinzelt in manchen Ortschaften, Gärten erblickte, in den die badische Fahne auf Halbmast gesetzt war. Identität verkündende Devotionalien finden sich in großer Vielzahl und kaum vorstellbarer Vielfalt in den so genannten „Baden-Fanshops“. Die Bandbreite der meist zusätzlich über das Internet beziehbaren Artikel ist riesengroß. So finden sich in den Sortimenten unter anderem T-Shirts, Polos, Sweat-shirts, Kopfbedeckungen wie Caps, Mützen und Stirnbänder, Socken, Krawatten und Krawattennadeln, Anstecker und Pins, Aufkleber aller Art, Glas- und Steingutartikel wie Bierkrüge und Sektgläser, Bücher und Karten, Fahnen und Flaggen, Visitenkarten und Briefbögen, Kugelschreiber, Papiergirlanden, Tischfahnen, Feuerzeuge, Streichhölzer, Aschenbecher, Schlüsselanhänger, Ohrenstecker, Taschen, Armbanduhren, Badetücher, Handtücher, Saunatücher, Bademäntel, Aufnäher, Gürtelschnallen, Geschenk-Sets, Grenztafeln, Badische Schutzengel, Ansichtskarten und Poster, Bilder badischer Maler als Original oder Nachdruck, CDs und DVDs und vieles mehr. Die Liste ließe sich

311 problemlos fortsetzen. Es gibt im Prinzip nichts, was es nicht zu beziehen gibt. Alle angebotenen Artikel sind stets entweder mit badischem Wappen bzw. einer sonstigen badischen Applikation versehen oder in den badischen Landesfarben gehalten.

h) Sonstige Beispiele des badischen Beharrens Da die nachfolgenden Beispiele badischen Beharrungsvermögens für eine eigenständige und ausführlichere Betrachtung nicht ausreichend belegt, aber dennoch sehr erwähnens- und bemerkenswert sind, sollen diese in einem gemeinsamen Abschnitt unter „sonstiger badischer Gegenwartsphänomene“ zusammengefasst werden. So wurde zum Beispiel in der Nacht zum ersten Mai 2006 an der Kreisgrenze des Neckar-Odenwald-Kreises und des Landkreises Hohenlohe ein Nachbau eines historischen Grenz- und Wachhäuschens inklusive Schlagbaum in den badischen Farben gelb-rot-gelb aufgestellt. Der Gemeinderat der im Badischen gelegenen Gemeinde nahm daran keinen Anstoß, so dass das Resultat dieses Scherzes zum ersten Mai bis zum heutigen Tage auf der Gemarkung Oberbalbach/Edelfingen begutachtet und bestaunt werden kann. Dieses Beispiel verdeutlicht einmal mehr das Fortleben eines Bewusstseins von badischer Identität und die bewusste Abgrenzung und Resistenz gegenüber der württembergischen Nachbargemeinde. Weitere Untermauerung findet eine speziell badische Identitätsbekundung auch in der Tatsache, dass die amtierenden und ehemaligen Bürgermeister des Altkreises Buchen (heute dem Neckar-Odenwald-Kreis zugehörig) sich bis auf den heutigen Tage einmal jährlich in einer der im Altkreis gelegenen Gemeinden treffen und dazu auch die angrenzenden Bürgermeister der Nachbarkreise einladen, die seit der Gemeindereform von 1973 der

312 württembergischen Landeshälfte zugeschlagen wurden. Im konkreten Falle handelt es sich um die Beteiligung der Bürgermeister von Assamstadt (heute Main-Tauber-Kreis) und Krautheim (heute Landratsamt Hohenlohe). Kurzum, man orientiert sich bis heute für dieses alljährlichen Treffen, nicht an den gegenwärtigen, sondern an den historischen Grenzgegebenheiten. Ein weiteres interessantes Phänomen kann man in Bad Rappenau feststellen. Bad Rappenau liegt heute im Landkreis Heilbronn und ist somit württembergisch. Auch dieser verwaltungspolitische Wechsel vom Badischen ins Württembergische ist auf die Verwaltungs- und Gemeindereform von 1973 zurückzuführen. Zuvor gehörte Bad Rappenau zur badischen Kraichgaugemeinde Sinsheim. Als Begrüßung beim Betreten von Geschäften in der Innenstadt wird einem zu etwa hälftigen Anteilen sowohl das schwäbische „Grüß Gott“ als auch das in Nordbaden gebräuchlichere „Guten Tag“ entgegengebracht. Die sprachliche Ausgestaltung der Landsmannschaftlichkeit wird hier sehr deutlich, woran auch die geopolitische Verwaltungsreform nichts ändern konnte. So lebt auch in Bad Rappenau das Badische in einem gewissen Anteil der Bevölkerung bis heute weiter. Die sprachliche Trennschärfe wird an einem anderen Beispiel noch eindrucksvoller deutlich. So spricht man beispielsweise in der im Bauland gelegenen badischen Gemeinde Sennfeld (Stadt Adelsheim, Neckar-Odenwald- Kreis) den typisch bauländischen Dialekt, inklusive der Begrüßungsformel „Guten Tag“, während man im vier Kilometer entfernten benachbarten Roigheim (Landkreis Heilbronn) konsequent die Begrüßungsformel „Grüß Gott“ verwendet wird und dort bereits unüberhörbar, schon in der Sprachmelodie, eindeutig geschwäbelt wird. Die Rivalität zwischen beiden Ortschaften ist hier, zusätzlich zum gängigen Konkurrenzverhalten zwischen Ortschaften aufgrund der unterschiedlichen landsmannschaftlichen Zugehörigkeit besonders stark und im Alltag spürbar. Spürbar unter anderem darin, dass Kinder aus dem Badischen beispielsweise eine Schule im

313

Württembergischen besuchen oder umgekehrt und somit immer wieder den gängigen Beschimpfungen und Verunglimpfungen wie etwa „Badenser“ oder oder im umgekehrten Falle „Sauschwob“ ausgesetzt sind. Ein weiteres interessantes Gegenwartsphänomen kann man in der Gemeinde Beckstein (Main-Tauber-Kreis) im Taubertal beobachten. Hier gibt es tatsächlich badischen Wein aus Württemberg. Die bekannte Weinanbauregion gehört verwaltungspolitisch seit 1973 zu Württemberg, dennoch hat man im Bereich der Winzergenossenschaft am traditionellen Etikett des badischen Weins, auch nach der Verwaltungs- und Gemeindereform, festgehalten. Im Bereich der Winzergenossenschaften unterstreicht auch dieses Beispiel badisches Selbstverständnis und das Festhalten an den alten Strukturen und hat folglich dieses winzergenossenschaftliche Kuriosum zur Folge.

3. Zwischenfazit Die dargestellten Formen des Gesellens sowie die erläuterten neuen Konfliktfelder veranschaulichen badische Mentalität, die sich zeitgleich am Widerpart des Schwaben generiert. Das Fortleben des badischen Bewusstseins eigener Identität im gemeinsamen Bundesland ist deutlich belegt worden. Mentale Resistenzen und badisches Beharrungsvermögen werden besonders am Wochenende im Fußball augenscheinlich, wenn die Fußballarenen zu den neuen „Kriegsschauplätzen“ eines Problems werden, von dem man längst glaubte, dass es der Vergangenheit angehören würde. Das in den Stadien von Freiburg, Karlsruhe und Hoffenheim angestimmte Badenerlied hat zwar auf unterschiedliche Weise Einzug in die Arenen gefunden, aber die Bedeutung der von den Menschen der Region gelebten badischen Identität ist unzweifelhaft. Ein neues Bewusstsein badischer Identität entwickelt sich zusehends in Form einer Art neuen Tradition. Gerade vom Badnerlied geht ein starker Identität

314 stiftender Impuls aus. Nicht ohne Grund erfreut sich das Lied einer großen Popularität und ist zur inoffiziellen Landeshymne Badens geworden. Auch das Ergebnis der von SWR3 durchgeführten Hitparade des Jahres 2005 belegt die Lebendigkeit des Badischen in Baden-Württemberg. Die von Vereinen, wie am Beispiel von Mosbach und Neunkirchen dargestellt, betriebene badische Heimatpflege, lässt darauf schließen, dass diese Gemeinden sicherlich nicht die einzigen in Baden sind, die badische Indentität auf diese Weise betonen. Ebenso die Aktivitäten der „Landesvereinigung Baden in Europa“ sowie des „Bund Freiheit statt Baden-Württemberg“ zielen auf die Wahrung badischer Identität ab, allerdings mit der Differenzierung, dass der „Bund Freiheit statt Baden-Württemberg“ im Gegensatz zur „Landesvereinigung Baden in Europa“ keine politische Interessensvertretung darstellt. Dies unterstreichen vor allem die auf Initiative der „Landesvereinigung Baden in Europa“ zurückzuführenden Aktivitäten in verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen. Sei es das Engagement zur Einrichtung eines Stammtischs für Badener in Schwaben, die Kritik am Programm des SWR oder aber die Beteiligung an den Querelen bei der Namensfindung des neuen Firmennamens bei Daimler im Jahre 2007. Die Motivation des Engagements der „Landesvereinigung Baden in Europa“ ist immer dieselbe: die Furcht vor Benachteiligung Badens in Baden-Württemberg, die Sorge vor einer Dominanz des Stuttgarter Zentralismus sowie die Wahrung badischer Eigenständigkeit im geeinten Bundesland. Ressentiments gegenüber den Schwaben sind in Baden allgegewärtig. Besondere Blüten treiben die landsmannschaftlichen Ressentiments, wie dargestellt, in der Doppelstadt Villingen- Schwenningen, die sich zu alles anderem als einem Musterbeispiel landsmannschaftlicher Einigkeit in Baden-Württemberg entwickelt hat. Auffallend ist auch, dass neue Konfliktfelder verstärkt entlang der ehemaligen Landesgrenze auftreten. Man scheint sich besonders im einstigen Grenzgebiet beider Länder gegen eine Verwässerung eigener Identität zur Wehr zu setzen

315 und betont daher bewusst als Abgrenzung die Andersartigkeit. Ein ständiges Konkurrenzdenken vor allem in den Bereichen der Wissenschaft und Kultur sind offenkundig ein Merkmal des Landes Baden-Württemberg. Im Rahmen der Exzellenzinitiative wurde dies durch den entsprechenden medialen Widerhall deutlich. Zusammenfassend zeigen die zahlreich ausgewählten Beispiele, dass bis auf den heutigen Tag ein badisches Bewusstsein eigener Identität im politisch geeinten Bundesland, existiert.

VII SCHLUSSBETRACHTUNG Die nachfolgende Schlussbetrachtung soll Antworten, auf die der Arbeit zugrundeliegenden Fragestellungen, die im Einleitungsteil formuliert wurden, liefern. Des Weiteren soll ein differenziertes Urteil über Antwort- und Erklärungsmöglichkeiten im Kontext inhaltlicher Vernetzung der Fragestellungen gefällt werden. Abschließend soll ein Ausblick in Form möglicher neuer Fragestellungen gegeben werden, die aus den vorliegenden erarbeiteten Untersuchungsergebnissen resultiert. Dabei sollte die Option im Auge behalten werden, mit Hilfe der gelieferten Ergebnisse eine neue Fragestellung zu entwickeln, die Anlass und Motivation für eine weitere wissenschaftliche Abhandlung liefern könnte und als Fortsetzung bzw. Erweiterung der vorliegenden Studie betrachtet werden könnte. Die eingangs formulierte Frage, ob auch nach 50 Jahren Baden-Württemberg ein spezifisches Bewusstsein von badischer Identität innerhalb des gemeinsamen Bundeslandes bestünde, kann aufgrund der Recherchen und den daraus resultierenden Ergebnissen eindeutig bejaht werden. Das Fortleben des badischen Bewusstseins eigener Identität im gemeinsamen Bundesland ist deutlich belegt. Mentale Resistenzen sowie badisches Beharrungsvermögen werden insbesondere an Wochenenden in den badischen Fußballarenen anschaulich. Die Fußballstadien

316 in Freiburg, Karlsruhe und Hoffenheim werden gleichsam zu neuen „Kriegsschauplätzen“ eines vermeintlich alten Problems, von dem man längst glaubte, dass es der Vergangenheit angehören würde. Das dort angestimmte Badnerlied hat eine große Bedeutung für die Menschen der angestammten Region und deren gelebten badischen Identität. Vom Badnerlied geht ein starker Identität stiftender Impuls aus. Die mit dem badischen Bewusstsein von Identität eng verknüpften Resistenzen gegenüber dem württembergischen Landesteil sind sowohl historisch begründbar, werden aber auch von Zeit zu Zeit immer wieder zu gegebenen Anlässen gezielt neu aufgeladen und aktualisiert. Hinsichtlich der historischen Begründbarkeit muss festgestellt werden, dass die baden- württembergische Geschichte eine Symbiose zweier eigenständiger Geschichts- und Kulturräume darstellt und es in Folge dessen eine baden-württembergische Geschichte im Sinne einer gemeinsam gewachsenen Identität nicht existiert. Dies wird schon daran deutlich, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Bundeslandes zwar bejahen, im Land der Länderehe Baden-Württemberg zu leben, allerdings dabei mindestens die entsprechende badische oder württembergische Landeshälfte im Kopf mit denken, was insbesondere für den badischen Bevölkerungsteil zutrifft und von dem auch klar verbal ergänzend geäußert wird, um nicht mit den Württembergern in einen Topf geworfen zu werden. Somit ist Baden-Württemberg bildhaft gesprochen im historischen Kontext quasi nicht aus einem Ei, sondern aus zwei unterschiedlichen Eiern entstanden. Die Vorlage dazu lieferte Napoleon mit seiner Flurbereinigung im deutschen Südwesten, der Baden seine staatliche Existenz zu verdanken hat. So betrachtet liegen die Ursachen für die Ressentiments gegenüber dem württembergischen Landesteil unter Umständen bereits in der Tatsache, dass Baden zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch Napoleon lediglich zum Großherzogtum, hingegen Württemberg zum Königreich erhoben wurde. Das frühe badische Sonderbewusstsein ist aber u.a. auch auf die Persönlichkeit des badischen Großherzogs Karl Friedrichs (1728-1811) und dessen politisches

317 und gesellschaftliches Wirken zurückzuführen. Seine integrative Wirkung auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und seine Bereitschaft und sein Mut moderne und neue Wege einzuschlagen und sich allmählich von Strukturen der Vergangenheit zu verabschieden, dürfen hinsichtlich der Stiftung badischer Identität nicht unterschätzt werden. Gemessen an seiner Zeit war Karl Friedrich sehr fortschrittlich und dem Toleranzgedanken durchaus zugeneigt. So erhielt Baden bereits 1818 eine der modernsten und liberalsten Verfassungen im Deutschen Bund. Dass die Ideen der Aufklärung gerade in Baden auf einen fruchtbaren Boden fielen, hängt mit der doppelten Grenzlage des Landes zu Frankreich und der Schweiz zusammen. Des Weiteren kristallisierte sich ein besonderes badisches Selbstbewusstsein dadurch heraus, dass Baden im Zuge der Revolution von 1848/49 zum Ausgangspunkt und zum liberalen wie revolutionären Vorbild avancierte. Baden wurde durch zwei Schlüsselereignisse in besonderem Maße politisiert: einerseits durch die Revolution von 1848/49, andererseits aber auch durch den in Baden intensiv ausgeprägten Kulturkampf zwischen dem Staat und der katholischen Kirche. Auch darin hatte Baden Vorbildfunktion eingenommen, so dass Preußen die Auseinandersetzungen der Karlsruher Regierung mit der katholischen Kirche zum Vorbild nahm. Württemberg hingegen blieb von der Revolution 1848/49 weitgehend unberührt und einen Kulturkampf gab es in Württemberg nicht. Der nicht revolutionäre Zugang zur Fundierung des Bewusstseins badischer Identität, über die Tatsache, dass die Mehrheit des badischen Volkes die Revolution von 1848/49 nicht unterstützte und sich stattdessen für den friedlichen Weg zur Durchsetzung politischer Veränderungen entschied, darf nicht außer Betracht gelassen werden. Dennoch bleibt der immer wieder in Erscheinung tretende Widerstand gegen die Obrigkeit bis zum heutigen Tage ein Bestandteil badischer Identität und badischen Selbstbewusstseins. Der rote Faden des Bürgerprotests zieht sich konsequent durch die badische Geschichte. Erinnert sei nur an den Protest gegen den Bau des südbadischen Atomkraftwerks

318 in Wyhl in den siebziger Jahren, aber auch an den Mutlangen-Protest (1983), in dem sich die längste Menschenkette im Protest gegen die Stationierung von Pershing-II-Raketen mit atomaren Sprengköpfen formierte. Die Tradition des Aufbegehrens einer bürgerlichen Schicht zeigte sich zuletzt auch im Protest gegen den geplanten Tiefbahnhof in Stuttgart, bei dem es sogar zu einem bemerkenswerten Schulterschluss über die Landsmannschaften hinaus kam. Die Beteiligung württembergischer Truppen bei der Niederschlagung des badischen Aufstandes von 1849 führt uns zurück zu den historisch tradierten Resistenzen. So entwickelte sich das frühe badische Zusammengehörigkeitsgefühl vor allem auch am Widerpart des Württembergers. Die Eckdaten bzw. Kristallisationspunkte badischer Identitätsbildung lassen sich weiter fortsetzen und darstellen. Selbst während der Zeit des Nationalsozialismus war es Baden relativ gut gelungen, sich gegen die Beraubung von Hoheitsrechten und gegen den Druck zur Gleichschaltung zur Wehr zu setzen. Der Widerstand gegen die Gleichschaltung war unter allen deutschen Landesregierungen in Baden am erfolgreichsten. Somit konnte Baden seine historisch gewachsene Eigenständigkeit und Identität auch während des Dritten Reichs vergleichsweise gut bewahren. Auch aus diesen Gegebenheiten heraus erklärt sich wiederum ein Teil des badischen Selbstverständnises. Aber auch die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen im Vorfeld der Landesgründung 1952 spielt eine große Rolle für das anhaltende badische Baharrungsvermögen und das Bewusstsein einer badische Identität. Die Ursachen für die Schwiergigkeiten und Querelen rund um die Landesgründung sind vielschichtig, liegen aber zunächst einmal in den territorialen Veränderungen durch die Besatzungsmächte nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese hatten die historischen Länder Württemberg und Baden derart unhistorisch, nach rein strategischen Gesichtspunkten zerteilt und somit nicht nur neue, sondern auch außerordentlich schwierige Voraussetzungen für eine

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Länderneugliederung bzw. einen möglichen Länderzusammenschluss geschaffen. Die durch die Besatzungsmächte vollzogene Vierteilung des Landes (1948-1952) erschwerte die politische Zusammenarbeit sehr. Der Wille zur Bewahrung der staatlichen Einheit zur Zeit der Vierteilung des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch der Versuch, die eigenen Interessen gegenüber den Besatzern durchzusetzen, ist sowohl in Württemberg als auch in Baden sichtbar geworden. Eine Verbindung der beiden Länder wurde beiderseits nicht zwingend angestrebt. Die Intensität des badischen Patriotismus rührt auch daher, dass die Freiburger Regierung sich damals zur Interessensvertretung Gesamtbadens erklärt hatte und sich für die Wiederherstellung des alten Landes Baden einsetzte. In Baden fühlte man sich nach der Gründung des neuen Bundeslandes 1952 von den Schwaben ausgetrickst und über den Tisch gezogen. Das badische Rechtsgefühl war zutiefst verletzt, da man sich um das Selbstbestimmungsrecht betrogen sah und somit die eigenstaatliche Souveränität, mit allen sich daraus ergebenden negativen Konsequenzen, verloren hatte. Dieser Verlust der Eigenstaatlichkeit wirkt bis heute nach und zeigt sich immer wieder in der permanenten Sorge einer Benachteiligung badischer Belange innerhalb des neu geschaffenen Bundeslandes. Bemerkenswert ist aber auch die Tatsache, dass die Ressentiments zwischen Badenern und Schwaben erst mit dem Vorhaben eines gemeinsamen politischen Gemeinwesens so richtig an Brisanz und Intensität zunahmen. Somit bleibt bis heute ein latent existentes Misstrauen gegenüber den politischen Vorhaben und Entscheidungen der Stuttgarter Landesregierung bestehen. Antriebskraft ist die stete Sorge einer unangemessenen Bevorzugung Württembergs bzw. des mittleren Neckarraums und eine befürchtet Benachteiligung Badens. Ein weiterer wichtiger Aspekt für das badische Selbstverständnis stellt das Wirken Leo Wohlebs dar. Leo Wohleb war ein glühender Anhänger des alten Landes Baden, das 1945 geteilt worden war und für dessen Wiederherstellung er sich als Staatspräsident von (Süd-) Baden hartnäckig eingesetzt hatte.

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Als Kämpfer für Baden hat sich in Form einer Erinnerungsleistung um seine Person herum ein wichtiger Kristallisationspunkt für die badische Identität gebildet. Er ist als entschiedener Gegner der Vereinigung der einstigen drei Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern in Erscheinung getreten und hat sich somit - wie kaum ein anderer - für fundamentale badische Interessen eingesetzt. Die Liebe zur badischen Heimat und zur Wahrung seiner Autonomie hatten für Wohleb stets oberste Priorität und waren der Motor seines Agierens. Aber auch das badische Volk leistete an der Basis seinen Beitrag zum badischen Selbstverständnis. Hier sei vor allem an die Auseinandersetzung um das Kernkraftwerk Wyhl des Jahres 1975 erinnert. Die Landesregierung plante seinerzeit, am Kaiserstuhl einen Atommeiler zu bauen. Dank des fast einjährigen Protests der Bürger am Oberrhein konnte der Bau dieses Atomkraftwerks verhindert werden. Demonstrationen, Unterschriftensammlungen, Bauplatzbesetzungen, Auseinandersetzungen mit der Polizei, Verhandlungen der Vertreter der Bürgerbewegungen mit der Landesregierung und etliche Gerichtsverfahren haben letztendlich dazu geführt, dass der Nachfolger Filbingers, Lothar Späth Mitte der achtziger Jahre die Planungen für den Bau des Atomkraftwerks in Wyhl eingestellt hatte und für beendet erklärte. Die Anti- Atom- und Umweltbewegung hatte in Wyhl ihre Geburtsstunde erlebt und einen enormen gesellschaftlichen Wandel eingeleitet und somit den heute beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie ermöglicht. Seit Wyhl sind Bürgerinnen und Bürger nicht mehr bereit, leichtfertig Vorhaben der Regierenden unreflektiert hinzunehmen. Man hat gelernt, ein kritisches Auge auf die Vorhaben der Landesregierung zu werfen und den Mut gefasst, sich gemeinsam entschlossen zu wehren. Der Mut und die Bereitschaft, auch politisch neue Wege einzuschlagen, spiegelt sich in gewisser Weise auch in der Wahl der Oberbürgermeister der Städte Konstanz und Freiburg, Horst Frank und

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Dieter Salomon, wider. Beide haben ein „grünes“ Parteibuch. Horst Frank steht bereits seit 1996, Dieter Salomon seit 2002 an der Spitze der badischen Städte. Dass diese Wende im Umdenken der Menschen gerade im Badischen seine Wurzeln hat, ist für den bis heute gepflegten badischen Habitus von großer Bedeutung, zumal man sich von der Landesregierung in Stuttgart ohnehin permanent benachteiligt fühlte, nicht zuletzt auch durch die jahrelange Verschleppung der endgültigen Volksabstimmung in Baden im Jahre 1970. Zu spät trug die Justiz dem badischen Rechtsanspruch und –empfinden Rechnung und gab mit erheblicher Verspätung der badischen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht Recht. Diese in Baden zu Recht als bewusste Verzögerungs- und Verschleppungstaktik wahrgenommene Entwicklung bestätigte das tiefsitzende Misstrauen gegenüber dem württembergischen Landesteil erheblich, zumal man mit der Landesgründung 1952 die bis heute nicht verwundene Degradierung Karlsruhes vom Regierungs- zum Verwaltungssitz zu verkraften hatte, und wirkt zum Teil bis heute wie eine neue badische Version einer Dolchstoß-Legende. Das eigentliche „Trauma“ ist aber tatsächlich auf die Südweststaatsgründung 1952 und die verschleppte Volksabstimmung des Jahres 1970 und den damit verbundenen Querelen zwischen Badenern und Württembergern zurückzuführen, die im Endergebnis den Verlust der badischen Eigenstaatlichkeit bedeutete. Durch den gewählten Abstimmungsmodus fühlte man sich in Baden benachteiligt, betrogen und von den Schwaben über den Tisch gezogen. Dieser Souveränitätsverlust, der in der Sache auch nicht entschädigt werden kann, bleibt Motor für bis heute bestehende Resistenzen. Auch die Auseinandersetzung um Stuttgart 21 steht in einer historischen Traditionslinie mit Wyhl, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen, denn der in der Vergangenheit viel zitierte Schwabenstreich, von dem man nun auch wieder bei den Gegnern des Bauprojektes von Stuttgart 21 spricht, erhält hier eine neue Semantik. Ein weiteres Beispiel für erfolgreich betriebene badische

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Protestkultur stellt die Auseinandersetzung um eine geplante Teststrecke des Daimler-Benz-Konzerns der 1980er Jahre im nordbadischen Boxberg dar. Boxberg gehörte nach der Landesgründung von 1952 zum Landkreis Tauberbischhofsheim im Regierungsbezirk Nordbaden. Erst durch die Gemeinde- und Verwaltungsreform der Jahre 1972/73 fiel Boxberg, im heutigen Main-Tauber-Kreis gelegen, an den Regierungsbezirk Stuttgart. Die in Anlehnung an die gleichnamige historische Bundschuh- Bewegung entstandene Bürgerinitiative wehrte sich vehement und erfolgreich gegen den Bau der Teststrecke im fränkischen Bauland, der unter anderem die Enteignung der ansässigen Bauern nötig gemacht hätte. Die Teststrecke wurde letztlich nicht gebaut, da das Bundesverfassungsgericht die entsprechenden Enteignungen für unzulässig erklärte. Es kommen zwei Ebenen in Betracht, auf denen sich die mentalen Resistenzen entwickelten und ausdrückten. Zum einen ist hier die politische Ebene zu erwähnen, zum anderen die Ebene des reinen Kommunizierens. Hinsichtlich der größeren Gewichtung der einen oder anderen Ebene ist die Berücksichtigung und Differenzierung bestimmter Zeitabschnitte von großer Wichtigkeit. Ebenso muss in diesem Zusammenhang die so genannte Badenfrage berücksichtigt werden, die von einer realen oder zumindest befürchteten Benachteiligung des badischen Landesteils in verschiedensten Bereichen des politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens ausgeht. Die politische Dimension der Resistenzen bzw. der so genannten Badenfrage steht vor allem bis zum Jahre 1970, dem Jahr der letzten Volksabstimmung über den Verbleib Badens im neu geschaffenen Bundesland, im Vordergrund. Natürlich blieb die Badenfrage auch für die Zeit nach 1970 relevant, allerdings mit dem Unterschied, dass sie nach außen weniger öffentlichkeitswirksam in Erscheinung trat, da man im Vorfeld politischer Entscheidungen diesen Sachverhalt der Badenfrage sorgfältig mitbedacht hatte und es somit in der Zeit nach der besagten Volksabstimmung eher zu einer Überlagerung der politischen Ebene kam. Die Badenfrage erlebte

323 einen Bedeutungswandel. Da die politische Entscheidung von 1970 das Schicksal Badens endgültig besiegelt hatte, drückten sich die Resistenzen in der Folgezeit vor allem auf der Ebene des Kommunizierens aus und brachen sich immer dann Bahn, wenn politische oder gesellschaftliche Entscheidungen anstanden, die zwangsläufig die Öffentlichkeit erreichten. Diese Gelegenheiten werden dann bis auf den heutigen Tag genutzt, um sich in Form von Ressentiments Luft zu verschaffen und vermeintliche Benachteiligungen anzuprangern. Die Ressentiments nach 1970 zielten und zielen nicht mehr darauf ab, den politischen Bestand des vereinten Bundeslandes Baden-Württemberg in Frage zu stellen. Die Resistenzen nach 1970 sind daher von besonderem Interesse hinsichtlich der Frage, ob diese nach 1970 tradierten, noch historisch verwurzelte Resistenzen darstellen, die bewusst in Anlehnung an den Widerstand gegen die Landesgründung aus den Jahren vor 1970 im Sinne einer Erinnerungsleistung anknüpfen? Oder sind die Resistenzen nach 1970 Kennzeichen einer Suche nach neuen Identitätsformen bzw. eine Entwicklung einer Art neuen Tradition? Es ist ein Ergebnis dieser Arbeit, dass es eine Verbindung und somit ein enger Zusammenhang zwischen dem festgestellten Bedeutungswandel der Badenfrage nach 1970 und der Suche nach einer Art neuen Tradition, die aber nicht minder prägend auf das badische Bewusstsein eigener Identität wirkt, existiert . Auch für diese Feststellung finden sich Indizien, wenn man bedenkt, dass der Mehrheit der Bevölkerung Baden-Württembergs – im zu untersuchenden Falle des badischen Bevölkerungsanteils – weder die Geschichte der Entstehung Badens, geschweige denn die Auseinandersetzungen um den Südweststaat präsent sind, da man die Gründung des neuen Bundeslandes nicht selber miterlebt hat und bestenfalls über Eltern, Großeltern und Medien darüber etwas erfahren haben kann. Hat der bekennende badische Patriotismus bzw. das badische Sonderbewusstsein nun echte Wurzeln oder handelt es sich um eine

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Neuidentität? Beides ist wohl zutreffend. Einerseits wird konsequent an historische Kristallisationspunkte badischer Identität und badischer Geschichte erinnert und andererseits wird heute nicht zuletzt durch die Medien eine neue Form der badischen Identität transportiert und neu geschaffen. In Wyhl steht bis auf den heutigen Tag ein tonnenschwerer Gedenkstein mit der Aufschrift „Nai hämmer gsait, 18. Februar 1975“. An dieser Stelle wird eindeutig die Erinnerungsleistung zur Stiftung von Identität bemüht. Auf der anderen Seite werfe man einen Blick auf die neuen „Kriegsschauplätze“ der badischen Fußballstadien, in denen nicht nur patriotisch das Badnerlied angestimmt wird, sondern auch eifrig Vorurteile und Klischees in Richtung Schwabenland gepflegt werden. Hier ist die Rolle der Medien nicht unerheblich bezüglich des Erhaltens und Schaffens eines Bewusstseins von badischer Identität. Die Badenfrage eines neuen Typus und damit die Existenz einer neuen Badenfrage nach 1970 zu belegen war ein weiteres Ziel dieser Arbeit. Die Lebendigkeit des badischen Habitus konnte durch die Vielzahl der beschriebenen Gegenwartsphänomene bewiesen werden. Da die Vielzahl derartiger Phänomene ins Unermessliche ginge, musste sich die Arbeit auf eine gezielte Auswahl von Gegenwartsphänomenen sowohl im Bereich des organisatorisch-politischen Bereichs als auch im Bereich der Mentalitäten und Gegensätze beschränken. Dass man in Baden mit Stolz auf sein Land und seine Geschichte blickt, zeigt auch die aktuelle große Landesausstellung des Badischen Landesmuseums mit dem Titel „Baden! 900 Jahre Geschichten eines Landes“, die in der Zeit vom 16.06. - 11.11.2012 im Schloss zu Karlsruhe zu sehen ist. Bereits der Titel, inklusive des darin verwendeten Ausrufezeichens, der Ausstellung dokumentiert auf geradezu demonstrative Art und Weise die Lebendigkeit des aktuell gelebten Bewusstseins badischer Identität innerhalb Baden-Württembergs. Der begleitende Informationstext der Homepage des Badischen Landesmuseums belegt abermals die große Bedeutung des badischen Selbstverständnises und des badischen Sonderbewusstseins im politisch geeinten

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Bundesland. „Ist es badisch, wenn man aus vollem Halse das Badnerlied singt, wenn man von der gemütlichen Lebensart schwärmt oder sich an die freiheitlichen Traditionen des „Musterländles“ erinnert? Fest steht, in kaum einer Gegend Deutschlands wird die regionale Identität so ausgeprägt gelebt wie im Südwesten. Welche historischen Ereignisse und Personen haben Baden geprägt, was ist davon in Erinnerung geblieben, und welche Entwicklungen haben über die Landesgrenzen hinaus Wirkung gezeigt? Antworten auf diese und viele weitere Fragen wird die große Landesausstellung anlässlich des 900- jährigen Jubiläums des Landesteils Baden geben.“547 An dieser Stelle wird erneut deutlich, dass Baden sich bis auf den heutigenTag, in gewisser Weise als eigenständigen Landesteil innerhalb Baden-Württembergs betrachtet. Des Weiteren wird hier aber auch eine mangelnde Identifikation mit dem gesamten Bundesland sichtbar, da man mit dieser Ausstellung den eigenen Landesteil gesondert hervorzuheben versteht. Aber auch die Untersuchungsergebnisse hinsichtlich der Integrationsversuche des Landes Baden-Württemberg, eine gemeinsame Landesidentität zu schaffen, belegen, entgegen des gerne von staatlicher Seite gezeichneten Bildes der Landeseinheit, letztlich die Existenz eines tradierten badischen Selbstverständnisses. Erst ab dem 40. Landesjubiläum ist von bestehenden Ressentiments kaum noch die Rede. Diese Feststellung wiederum belegt die allmähliche Überlagerung der politischen Resistenzebene durch die zunehmend an Bedeutung gewinnende kommunikative Ebene der Resistenzen in der Folgezeit nach 1970. Im Rückblick auf die Analyse von fünf Dekaden Landesjubiläen scheint jeweils mit unterschiedlicher Intensität der Versuch unternommen worden zu sein, Schwierigkeiten und Animositäten zwischen beiden Landesteilen aus der Vergangenheit mit unterschiedlichen Mitteln zu begegnen und somit zu

547 www.landesmuseum.de/website/Deutsch/Sonderausstellungen/Vorschau/Baden_900_Jahre.htm (06.06.2012) 326 bewältigen, um ein möglichst harmonisches und einträchtiges Bild des Landes zu zeichnen. Die beschriebenen Gegenwartsphänomene belegen die Existenz eines badischen Habitus. Reale Resistenzen existieren. Ist Baden-Württemberg somit wirklich verbunden oder nur ein Bindestrichland? Baden und Württemberg – verbunden nur durch einen Bindestrich? Die Resistenzen haben eine Verlagerung von anfänglich höchster politischer Ebene hin zu einer kulturell-kommunikativen Ebene erfahren und haben dort gleichsam ein neues Betätigungsfeld gefunden. Die Badenfrage des neuen Typus nach 1970 ist nicht mehr, wie etwa die alte Badenfrage bis zum Jahre 1970, von tatsächlichen oder vermeintlichen Benachteiligungen Badens motiviert. Vielmehr scheint sich in den Jahren bzw. Jahrzehnten nach 1970 bis heute eine Art neue Tradition badischer Identität und Abgrenzung vom Schwaben zu manifestieren. Das heiß, dass offensichtlich neben die alten traditionellen Formen der Stitftung von Identität, nun eine nicht tradierte und somit neu konstruierte Form der Identitätsbildung hinzukommt. Resümierend kann man feststellen, dass sich Baden-Württemberg zwar politisch geeint, aber mental gepflegt unterschieden präsentiert. Ressentiments gegenüber den Schwaben sind in Baden allgegewärtig. Besondere Blüten treiben die landsmannschaftlichen Ressentiments, wie dargestellt, in der Doppelstadt Villingen- Schwenningen, die sich zu alles anderem als einem Musterbeispiel landsmannschaftlicher Einigkeit in Baden- Württemberg entwickelt hat. Villingen-Schwenningen ist vermutlich das bekannteste Beispiel nicht funktionierender Landeseinheit, aber keineswegs das Einzige in Baden-Württemberg. Im Kleinen trifft dieser Zustand landsmannschaftlicher Reibereien beispielsweise auch auf die Gemeinde Ölbronn-Dürrn bei Pforzheim zu. Anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Landes erschien in der Süddeutschen Zeitung548 ein Bericht, der die genannte Gemeinde und die bis heute dort bestehenden Kuriositäten näher beleuchtet.

548 Süddeutsche Zeitung Nr. 96, vom 25.04.2012 327

Das württembergische Ölbronn und das badische Dürrn fusionierten im Zuge der Gemeindereform im Jahre 1974. Wie häufig in derartigen Fällen emfinden Württemberger solche politische Veränderungen eher als Dreingabe, während badische Gemeinden derartige Fusionen doch mehr als Zumutung und weniger als Breicherung betrachten. In Ölbronn-Dürrn sind nicht nur die Spuren der alten Landesgrenze in Form von Grenzsteinen sichtbar, sondern die Grenze verläuft vorwiegend bis heute in den Köpfen der Bewohner der Doppelgemeinde. Ebenso wie in Villingen-Schwenningen wurde hier ein Bindestrich verordnet, den keiner so recht wollte. „ Man könnte ihn aber auch für einen Trennstrich halten: Das einstmals württembergische Ölbronn hat weiterhin eine andere Vorwahl als das badische Dürrn. Für den einen Orsteil ist der Württembergische Sportbund zuständig, für den anderen der Badische Sportbund. Sogar das Abwasser fließt nicht in dieselbe Kläranlage.“549 Die Bevölkerung von Dürrn pflegt sorgfältig die bestehenden Ressentiments. Beispielsweise äußerte ein Bewohner Dürrns bezüglich der noch existierenden Grenzsteine folgendes: „ (…) man finde schon noch ein paar Grenzsteine da draußen. In seiner Kindheit seien die ganz nützlich gewesen: Man habe immer exakt gewusst, wo man sich hinstellen musste, um nach Württemberg hinüberzupinkeln. Er erzählt von der Kühlerfabrik, in der er arbeitete und immer gleich bemerkte, wer ein Badener ist und wer ein Schwabe: „Die denken ja nur ans Schaffen“. Natürlich habe er nicht ernsthaft etwas gegen die Nachbarn, aber er sei ganz froh, wenn er nicht zu denen hin muss“.550 Eine Dorfbewohnerin ist bezüglich der Frage nach der Gültigkeit der gängigen landsmannschaftlichen Klischees der Ansicht: „ Die stimmen oft. Aber das ist ja das Schöne“.551 Reibereien sind also auch nach 60 Jahren Länderehe weiterhin Bestandteil des Zusammenlebens. Der Dualismus beider Landesteil besteht fort. Und vermutlich ist das daraus

549 Deininger, Süddeutsche Zeitung Nr. 96, vom 25.04.2012, S. 6 550 ebenda, Deininger, 2012, S. 6 551 ebenda, Deininger, 2012, S. 6 328 ableitbare ständige Konkurrenzdenken, dass das Land Baden-Württemberg nicht nur innovativ und leistungsfähig macht, sondern gerade auch charakterisiert. Es ist auffällig, aber auch erklärbar, dass das Badische im Badischen stärker betont wird als das Württembergische in Würrtemberg. Baden war stets kleiner als der mächtigere und größere württembergische Nachbar. Daraus resultierte immer auch die Angst, „von den „Stuttgartern“ geschluckt zu werden.“552 Die Vielfalt der Mentalitäten ist ein Kennzeichen des Landes, die seiner erfolgreichen Entwicklung sehr förderlich zu sein scheint. Die latent ständig vorhandene Konkurrenz zwischen Badenern auf der einen Seite und Württembergern auf der anderen Seite stellt ein außerordentlich fruchtbares Moment für das politisch geeinte Bundesland dar. So regen beispielsweise Entwicklungen, einschließlich kultureller in der einen Landeshälfte, wiederum eben solche in der anderen Landeshälfte an. Es ist einerseits der Zustand des dauerhaften Konkurrenzdenkens, andererseits die schwelende Furcht vor Übervorteilung, die zum Charakteristikum des Landes geworden ist. Der Dualismus der alten Staatlichkeiten bleibt bis heute unübersehbar: das badische Landesmuseum in Karlsruhe, das württembergische Landesmuseum in Stuttgart, die Staatsgalerie in Stuttgart, dafür das Museum für Technik und Arbeit in Mannheim, das neue Kunstmuseum in Stuttgart und quasi als Ausgleich die Entstehung des ZKM in Karlsruhe, um an dieser Stelle nur einige Beispiele dieses „Ping-Pong-Prinzips“ in Sachen gleichmäßiger Berücksichtigung beider Landesteile zu erwähnen. Es bleibt letztlich ein merkwürdiges Spannungsverhältnis zwischen Badenern und Schwaben bestehen. Eine „Fieber-Kurve“ der mentalen Resistenzen von 1952 bis 1970 bzw. von 1970 bis zum heutigen Tage würde ein spannendes und differenziertes Bild ergeben, da die Transformation der mentalen Resistenzen von der politischen Dimension, vorwiegend bis 1970, hin zur kulturell- kommunikativen Dimension nach 1970 innerhalb des Graphen berücksichtigt

552 Fricker im Gespräch mit Wehling, „Auch so kommt man sich näher“, Südkurier Nr. 93, vom 21.04.2012, S. 2 329 werden müsste. Die Zukunftsentwicklung hinsichtlich dieser bestehenden Resistenzen lässt viel Raum für Spekulation zu, kann aber im Augenblick nur abgewartet werden. Jedenfalls besteht bis heute ein starkes badisches Beharrungsvermögen, nicht nur unter politisch-organisatorischen Gesichtspunkten, sondern auch im Bereich der Mentalitäten und Gegensätze. Im Bereich der katholischen, wie der evangelischen Kirche, aber auch in Sachen Sport gehen Badener und Württemberger getrennte Wege. „Der Sport ist durch und durch ein demokratisches System. Solange die Bewegung nicht von unten kommt, wird sich daran nichts ändern.“553 Dasselbe gilt auch für die Winzergenossenschaften, die regional und landsmannschaftlich organisiert sind. Sowohl das Handwerk als auch das Notarwesen kennt bis heute die Trennug in zwei Landesteile. „So gibt es beispielsweise einen Südbadischen Verband der Maler und Lackierer, der seine Selbständigkeit niemals aufgeben würde. Man fürchtet die mögliche Dominanz durch Württemberger und Oberschwaben. Der Geschäftsführer des Verbandes meint, bis heute gebe es benachteiligte Gebiete in Südbaden, die nach einer Fusion unter die Räder kämen.“ 554 Im Bereich des Notarwesens ist allerdings eine Änderung der strikt getrennten Zuständigkeiten in Sicht. „Ab 2018 wird eine einheitliche Notariatsverfassung für ganz Baden-Württemberg gelten. Danach wird es nunmehr selbstständig tätige Notare geben. Die Tage des württembergischen sowie des badischen Notarvereins e. V. dürften damit gezählt sein. 68 Jahre nach der Fusion im Südwesten bewegt sich etwas.“555 Strikte Trennung herrscht, wie auch im Falle der Kirchen, nach wie vor in der Organisation des jüdisch-religiösen Lebens. So existiert auf der einen Seite die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden, auf der anderen Seite die Israelitische Religionsgemeischaft Württemberg als jeweils selbständige Organisationen. Andererseits stellt man sich am Ende dieser Arbeit eine neue Frage, nämlich diejenige nach Erklärungsversuchen, die sich

553 Fricker, Weinbau, Kirchen und Malermeister: Wo Badener und Württemberger bis heute getrennte Wege gehen., Südkurier Nr. 93, vom 21.04.2012, S. 3 554 ebenda, Fricker, 2012, S. 3 555 ebenda, Fricker, 2012, S. 3 330 mit dem Durchhaltevermögen dieser mentalen Resistenzen befassen. Warum halten sich diese mentalen Widerstände - vor allem nachdem die politische Badenfrage längst beantwortet ist - derart hartnäckig? Die Rolle der Medien und deren neuen Kommunikationsmöglichkeiten spielen dabei eine wichtige Rolle, die aber in einer möglichen weiteren Studie noch im Detail unter medienanalytischen Gesichtspunkten geklärt werden könnte. Schließlich hat die entstehende neue Tradition mit der alten Badenfrage, wenn überhaupt, dann nur noch weit entfernt etwas zu tun. Dieser Frage kann an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden und soll in erster Linie einen Gedankenanstoß darstellen, der Anlass zu einer neuen Studie auf Grundlage des vorliegenden Kontextes liefern kann. Schlussendlich soll die Problematik der mentalen Resistenzen auch in den europäischen Kontext eingebettet werden, zumal Baden quasi im Herzen Europas liegt. Auch vor dem Hintergrund eines zunehmenden Regional- Bewusstseins in Europa überrascht es an und für sich nicht, dass auch Baden ein sehr lebendiges Bewusstsein seiner Identität aufweist und sichtlich lebt und seine eigene Tradition konsequent bewahrt. Die zunehmenden Unabhängigkeitsbestrebungen und der offenbar wachsende Wunsch nach Souveränität und Eigenstaatlichkeit vor dem Hintergrund eines zeitgleich wachsenden vereinten Europas stellt eine auf den ersten Blick diametral verlaufende Entwicklung dar, die zumindest widersprüchlich erscheint. Besteht hier bereits die berechtigte Sorge vor einer Art „Balkanisierung“ Europas? Bei genauer Betrachtung jedoch existiert hier nur ein Scheinwiderspruch. Sowohl die Freiheits- und Eigenständigkeitsbestrebungen etlicher, kleinerer europäischer Völker als auch das ausgeprägte, oft auch geradezu demonstrative Bewusstsein für die badische Identität folgen einer gemeinsamen inneren Motivlage. So bietet eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union für viele Neumitglieder und EU-Aspiranten klar ersichtliche Vorteile insbesondere in finanzpolitischer Hinsicht. Man erhofft sich als Mitgliedsstaat der Europäischen

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Union entsprechende finanzielle Unterstützung und diverse EU-Zuschüsse, die dem Aufbau einer funktionierenden konkurrenzfähigen Wirtschaft dienlich sind und somit auch zur politischen Stabilität des neuen Mitgliedstaates beitragen. Das ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite erwachsen aus der zunehmenden Vergrößerung der Europäischen Union auch Ängste vor dem Verlust der kulturellen Identität und der nationalen Eigenheit und z.T. auch Selbstbestimmtheit. Diese Ängste entstehen vorwiegend aus der Sorge, dass eine zunehmende Vereinheitlichung der Europäischen Union auf den unterschiedlichsten Ebenen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu einer Art „EU-Einheitsbrei“ verkommt und somit die kulturelle Trennschärfe und Abgrenzung und somit auch ein Stück weit kultureller wie auch nationaler Identität verloren gehen könnte. An dieser Stelle sei nochmals daran erinnert, dass sich die eigene Identität u. a. gerade durch das Sich-Abgrenzen von anderen Völkern oder Landsmannschaften generiert. Natürlich gelten für Baden und das badische Bewusstsein eigener Identität etwas andere Bedingungen und Voraussetzungen. An dieser Stelle soll an die sehr langen nationalen Grenzen Badens zum benachbarten französischen und schweizerischen Ausland erinnert sein. Die Wirkungen dieses Einflusses auf Baden waren, wie dargestellt, nicht unerheblich. Dieser Einfluss war politisch wichtig für die Demokratieentwicklung, aber auch auf der Ebene der Verwaltung. Baden hat mit der Gründung des Bundeslandes Baden-Württemberg im Jahre 1952 bereits seine Eigenständigkeit eingebüßt und stellt somit im Gegensatz zu den EU-Mitgliedsstaaten keinen völkerrechtlich souveränen Staat dar. Dennoch bleibt bezüglich der Wahrung der eigenen Identität eine Gemeinsamkeit: die Angst vor dem Identitätsverlust, die Furcht, dass in größeren gemeinsamen politischen Gemeinwesen die eigene kulturelle wie nationale Identität verwässert oder verdrängt werden könnte. Auf Baden angewandt bedeutet dies auch die Angst vor politischer Benachteiligung und die Furcht vor dem Verlust

332 der kulturellen Eigenheit in einem gemeinsamen Bundesland mit einem politisch mächtigeren und bevölkerungsreicheren württembergischen Partner. Die Angst vor politischer Benachteiligung des badischen Landesteils als Dauer- und Hauptargument des politischen Diskurses steht nicht mehr an erster Stelle, da heute kaum jemand in Baden ernsthaft die Absicht hat, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Vielmehr konzentriert man sich auf das kulturelle Vermächtnis, dem man sich verpflichtet fühlt. Folgerichtig zeigt Baden Flagge mit geschichtlich-kultureller Intention – nicht im Sinne politisch-revisionistischer Absicht, was wiederum mit der bereits erwähnten Verlagerung der Resistenzen von der politischen Dimension, hin zur kulturell-kommunikativen Dimension, im Einklang steht. Das badische Beharrungsvermögen und die damit verbundenen mentalen Resistenzen sind einerseits echte, historisch gewachsene Resistenzen, die sicherlich zum Teil überhöht reflektiert werden, wie etwa die Ereignisse während der Revolution von 1848/49 rund um die Rastatter Festung zeigen, an der die Württemberger quasi auf der „falschen“ Seite standen bzw. kämpften. Andererseits entstehen seit der letzten Volksabstimmung von 1970 neue Traditionen, wie sich am Beispiel des Gasthauses „Zum Odenwald“ in Mosbach oder auch an Wochenenden in den badischen Sportarenen deutlich zeigt. Die ältere Generation der badischen Bevölkerung ist durchaus der Überzeugung, dass man bei der Landesgründung durch den Abstimmungsmodus und vor allem durch die Verschleppung der Volksabstimmung von 1970 von den Schwaben ausgetrickst worden zu sein. Man spricht zwar in Württemberg immer davon, dass im Rahmen der Landesgründung alles rechtens gewesen sei, allerdings wird dabei vergessen, dass bei diesen Vorgängen das Recht auch gebeugt wurde. Es scheint offensichtlich zu sein, dass Menschen in einem kleinräumigeren Gemeinwesen leichter ein Bewusstsein ihrer Identität bzw. eine emotionale Bindung entwickeln können als in größeren politischen Strukturen. Daher steht

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Regionalbewusstsein weiterhin hoch im Kurs. Dies bestätigt auch eine Studie556 der Ruhr- Universität- Bochum zum Thema Regionalbewusstsein, die von Vanessa Gaffron im Rahmen einer Masterarbeit zum Thema „Regionalisierung im Ruhrgebiet“ im Jahre 2007 durchgeführt wurde. Das Ergebis der Studie gibt deutlich Aufschluss darüber, dass man sich eher als „Ruhri“ (33,6 %)557 und weniger als „Westfale“ (8,3 %)558 oder „Rheinländer“ (4,7 %)559 identifiziert. Auch die Verbundenheit mit dem Ruhrgebiet wird deutlich höher eingeschätzt (30,8 %)560 als mit dem gesamten Bundesland Nordrhein-Westfalen (16,0 %)561 oder gar mit Europa (17,0 %).562 Zusätzlich zu den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit bestätigt auch diese Studie, dass die Schaffung von Landesbewusstsein nicht nur in Baden-Württemberg eine Schwiergigkeit darstellt, sondern offenbar ein Problem aller Bindestrich-Staaten zu sein scheint.

556 Gaffron, Regionalisierung im Ruhrgebiet, Bochum, 2007 557 www.ruhr-uni-bochum.de/vanessa.gaffron/grundauswertung2.pdf (29.02.2012) 558 ebenda, ruhr-uni-bochum, Gaffron, 2012 559 ebenda, ruhr-uni-bochum, Gaffron, 2012 560 ebenda, ruhr-uni-bochum, Gaffron, 2012 561 ebenda, ruhr-uni-bochum, Gaffron, 2012 334

VIII ANHANG 1. Austragungsort und Zuständigkeitsbereich der Heimattage Baden- Württemberg, 1978-2012:  1978 Konstanz (B, FR)  1979 Esslingen a.N. (W, S)  1980 Offenburg (B, FR)  1981 Heilbronn (W, S)  1982 Ravensburg (W, TÜ)  1983 Pforzheim (B, KA)  1984 Heidenheim an der Brenz (W, S)  1985 Villingen-Schwenningen (B/W, FR)  1986 Buchen (B, KA)  1987 Albstadt (W, TÜ)  1988 Engen (B, FR)  1989 Nürtingen (W, S)  1990 Bretten (B, KA)  1991 Bad Urach (W, TÜ)  1992 Aalen (W, S)  1993 Öhringen (W, S)  1994 Ettlingen (B, KA)  1995 Sigmaringen (W, TÜ)  1996 Weil der Stadt (W, S)  1997 Bad Säckingen/ Wehr (B, FR)  1998 Ladenburg (B, KA)  1999 Pfullingen (W, TÜ)  2000 Schramberg (W, FR)  2001 Bad Rappenau (W, S)

562 ebenda, ruhr-uni-bochum, Gaffron, 2012 335

 2002 Mosbach (B, KA)  2003 Rottweil (W, FR)  2004 Weingarten (W, TÜ)  2005 Schorndorf (W, S)  2006 Wertheim (W, S)  2007 Eppingen (W, S)  2008 Ulm (W, TÜ)  2009 Reutlingen (W, TÜ)  2010 Markgräflerland (B, FR)  2011 Bühl (B, KA)  2012 Donaueschingen (B, FR)

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2. Plakate zur Volksabstimmung von 1951

Quelle: Landesmedienzentrum Stuttgart

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Quelle: Landesmedienzentrum Stuttgart

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3. Rede Leo Wohlebs im Badischen Landtag am 7. September 1948, Rundfunk Ansprache Leo Wohllebs vom 19. September 1948, Rede Leo Wohlebs im Badischen Landtag am 24. September 1948

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4. Interview des Südwestfunks mit Staatspräsident Wohleb am 13. Juli 1949 (Südweststaat-Frage)

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5. dpa-Interview von Staatspräsident Wohleb vom 1. Februar 1951 zur Volksbefragung

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6. Die Stimmung in Baden im Juli 1950 – Bericht über eine Umfrage vor der Volksabstimmung am 24.09.1950

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7. Die Stimmung in Baden im Juni / Juli 1951 – Eine Umfrage vor der Volksabstimmung im Herbst 1951(IfD-Bericht 126)

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8. Auszüge aus der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts zum Zweiten Neugliederungsgesetz vom 30. Mai 1956563

Urteil

Des Zweiten Senats vom 30. Mai 1956 - 2BvP 1/56 -

in dem Verfahren über die Beschwerde des Heimatbundes Badenerland e.V. in Karlsruhe, vertreten durch den Vorstand, gegen die Nichtzulassung eines Volksbegehrens im Gebiet des früheren Freistaates Baden gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 GG (Bescheid des Bundesministers des Innern vom 24. Januar 1956). Entscheidungsformel: 1. Bescheid des Bundesministers der Innern vom 24. Januar 1956 wird aufgehoben. 2. Die Durchführung des vom Beschwerdeführer beantragten Volksbegehrens wird angeordnet.(...) In Vollzug des zweiten Neugliederungsgesetzes entstand das Land Baden-Württemberg. Es umfaßt die Gebiete der drei genannten ihm vorausgegangenen Bundesländer; zu ihm gehört also auch das Gebiet des früheren Freistaates Baden. Das neue Bundesland wurde gegen den Willen eines erheblichen Teiles der badischen Bevölkerung gebildet. Teile der badischen Bevölkerung haben sich auch heute noch nicht mit der gegenwärtigen Lage abgefunden und erstreben die Wiederherstellung des Landes Baden in den Grenzen von 1933. Der Heimatbund Badenerland e. V. repräsentiert diesen Bevölkerungsteil. (...) Das Grundgesetz perhorresziert, weil es das demokratische Prinzip ernst nimmt, die Bildung neuer Länder über den Kopf der Bevölkerung hinweg und will sicherstellten, daß unter seiner Herrschaft jeder Bevölkerung, die dieses Schicksal erlitten hat, Gelegenheit gegeben wird, sich zur Frage ihrer künftigen Staatszugehörigkeit zu äußern. Die Zerreißung

563 www.servat.unibe.ch/dfr/bv005034.html (05.03.2012) 386

Gesamtbadens anläßlich der Bildung der späteren Bundesländer Baden und Württemberg-Baden erfolgte ohne Befragung der Bevölkerung. Die Frage kann im vorliegenden Falle also nur sein, ob etwa die Bevölkerung Gesamtbadens aus irgendeinem Grunde in der Folgezeit des Rechtes auf Volksbegehren verlustig gegangen ist.(...)

Möglich wäre auch gewesen, daß der Bundesgesetzgeber schon bei der Neugliederung nach Art. 118 GG so weit den Rechtsgrundsätzen des Art. 29 Rechnung getragen hätte, daß die Bevölkerung im Ergebnis nicht schlechter gestanden hätte, als wenn sie Gelegenheit gehabt hätte, ihre Rechte aus Art. 29 Abs. 2 bis 6 GG wahrzunehmen. Das wäre der Fall gewesen, wenn die Bevölkerung Gesamtbadens sich zur Frage der Wiederherstellung des Landes Baden hätte äußern können und die Neugliederung entweder dieser Willensäußerung entsprochen hätte oder - auch gegen diese Willensäußerung - durch einen Entscheid des Bundesvolkes gebilligt worden wäre.(...)

Bei den tatsächlich gewählten Modalitäten der Neugliederung des Südwestraumes konnte die Bevölkerung Badens jedoch Rechte, die den ihr in Art. 29 GG gewährleisteten Rechten entsprechen, nicht ausüben: a) Von dem Initiativrecht, im Wege eines Volksbegehrens eine Änderung der Landeszugehörigkeit zu fordern, kann die dazu legitimierte Bevölkerung nur einmal Gebrauch machen. Die badische Bevölkerung hatte dazu bisher keine Gelegenheit. Daß weder die Probeabstimmung vom 24. September 1950 noch die Abstimmung vom 9. Dezember 1951 nach dem zweiten Neugliederungsgesetz als Volksbegehren "gewertet" werden kann, liegt auf der Hand. Volksbegehren unterscheiden sich von Volksabstimmungen, wie sie in den beiden genannten Fällen stattfanden, wesentlich dadurch, daß bei ersteren die Bevölkerung Fragestellung (Ziel) des Volksbegehren und räumliche Begrenzung des einheitlichen Abstimmungsgebietes bestimmt. Die genannten Abstimmungen gaben aber weder der badischen Bevölkerung als einer Einheit Gelegenheit zur Äußerung noch stellten sie die Frage, die diese Bevölkerung mit ihrer Initiative stellen will die Frage nach der Wiederherstellung des alten Landes Baden.(...)

Art. 29 Abs. 2 GG enthält nicht die Einschränkung, daß das Recht auf Volksbegehren entfällt, wenn die ein Volksbegehren rechtfertigende Ursprungslage durch eine spätere - verfassungsgemäße - Neugliederung geändert worden ist. Eine solche Beschränkung in den Art. 29 Abs. 2 GG durch Auslegung hineinzuinterpretieren ist unzulässig, (...)

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Es kann nicht zweifelhaft sein, daß das nach 1945 entstandene besonders dringende Bedürfnis nach einer Neugliederung im Südwestraum durch die unorganische, natürliche Zusammenhänge zerreißende, ausschließlich den Besatzungsinteressen dienende Bildung der Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern entstand; es kann weiter nicht zweifelhaft sein, daß das Land Baden- Württemberg seine Entstehung nur der besonderen Ausgestaltung des zweiten Neugliederungsgesetzes verdankt (vgl. Urteil vom 23. Oktober 1951). Es kann schließlich nicht zweifelhaft sein, daß, wenn von Anfang an der badischen Bevölkerung die Möglichkeit der Durchführung eines Volksbegehrens gegeben gewesen wäre, sie mehrheitlich für die Wiederherstellung des Landes Baden eingetreten wäre (vgl. die Probeabstimmung vom 24. September 1950).(...)

Der Wille der badischen Bevölkerung ist durch die Besonderheit der politisch- geschichtlichen Entwicklung überspielt worden. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß die Bildung des Südweststaates in "demokratisch-verfassungsmäßiger Form", nämlich im Verfahren nach Art. 118 GG zustande kam.(...)

Die Abstimmung vom 9. Dezember 1951 genügt jener Vorschrift aus doppeltem Grunde nicht: Zunächst handelte es sich damals - soweit hier von Interesse - um eine Abstimmung im Abstimmungsbezirk Südbaden einerseits und im Landesbezirk Nordbaden andererseits; das ist etwas anderes als eine Abstimmung im Gesamtraum Baden. Hinzu kommt: Die Volksabstimmung, von der Art. 29 Abs. 2 Satz 1 GG spricht, muß eine Abstimmung sein, bei der es allein auf den Willen der Bevölkerung ankommt, die ihre "ursprüngliche" Landeszugehörigkeit geändert hat. Bei der Abstimmung am 9. Dezember 1951 haben - wenn man von dem Gebiet des früheren preußischen Landesteiles Hohenzollern absieht - "zwei Bevölkerungen", die badische und die württembergische, in der Weise gemeinsam abgestimmt, daß die zahlenmäßig stärkere die schwächere majorisieren konnte. Es war also eine Abstimmung, in der die badische Bevölkerung gerade nicht selbst bestimmen konnte, in welchem staatlichen Verbande sie künftig leben will; mit anderen Worten, sie lebt noch immer in einem Gebiet, das "ohne Volksabstimmung" seine Landeszugehörigkeit geändert hat.(...)

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Demnach ist der Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung des von ihm geforderten Volksbegehrens begründet. Deshalb war der Bescheid des Bundesministers des Innern vom 24. Januar 1956 aufzuheben und die Durchführung des beantragten Volksbegehrens anzuordnen.(...)

Mit dieser Entscheidung ist dem Antrag des Heimatbundes Badenerland e. V. "endgültig stattgegeben"; (...)

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9. Die Stimmung in Baden 1963 – Analyse der altbadischen Bewegung in 16 badischen Kreisen (IfD-Bericht 1037)

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10. Kartenmaterial: Das Erzbistum Freiburg und das Bistum Rottenburg-Stuttgart

Erzbistum Freiburg

Aus: Gatz, Atlas zur Kirche in Geschichte und Gegenwart, Regensburg,2009, S. 319

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Bistum Rottenburg-Stuttgart

Aus: Gatz, Atlas zur Kirche in Geschichte und Gegenwart, Regensburg, 2009, S. 350

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11. Sammlung inoffizieller Strophen des Badnerliedes von der Homepage der Freunde Badens (www.freunde-badens.de) (27.12.2010)

1. In Maxau ist der Rhein noch blau, in Mannheim wird er grau, da fließt der Neckar in den Rhein, die alte Schwabensau!

Alternativ-Refrain: Drum grüß ich dich, mein Badnerland Du edle Perl im deutschen Land Der Schwob muss raus, Der Schwob muss raus, Der Schwob muss raus ausm Badnerland!

2. Zell-Weierbach ein gastlich Dorf, da kehrt man gerne ein, und trinkt, sofern man Kenner ist, vom Abtsberg edlen Wein. Refrain

3. Vom Odenwald zum Bodensee, entlang des Rheines Strand, umgrenzt von dunkeln Tannenhöhn, liegt unser Badnerland! Refrain

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4. Solang die Farben gelb-rot-gelb Bei uns am Maste wehn, solang wird unser Badnerland niemals untergehn! Refrain

5. In Durlach wächst der Trainsoldat, in Maxau fließ der Rhein, in Rintheim frisst man Specksalat, ich möchte ein Badner sein! Refrain

6. Üb` immer Treu` und Redlichkeit, bis in Dein kühles Grab, und weiche keinen Fingerbreit, vom Badner Wege ab! Refrain

7. Bei Sipplingen ist Pumpstation, da pumpet`s Wasser `naus, doch vorher brunsle Badner nei, und Schwabe saufet`s aus. Refrain

8. Und Konstanz liegt am Bodensee, durchströmt vom jungen Rhein; des Hegaus Berge winken in gold`nem Sonnenschein! Refrain

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9. Und wer verrät das Badnerland, der wird gleich massakriert, der wird wie jeder Schwabenfreund, zum Galgen Freiburgs hingeführt! Refrain

10. Vergiss niemals die Heimat, wo deine Wiege stand, du findest in der Ferne kein zweites Badnerland! Refrain

11. In Offenburg sind wir zu Haus, die Stadt am Kinzigstrand, das Tor zum Schwarzwald auch genannt, im schönen Badnerland! Refrain

12. Ein Badner möcht ich auch sein, denkt sich so mancher Schwob, und weint dann leis in sich hinein. Er wird es nie – gottlob! Refrain

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13. Egal wie heut` das Spiel auch lief, für alles gibt`s ein` Grund! Mal geht es gut, mal geht es schief, der Fußball ist für alle rund! Refrain

14. Wie schön ist`s noch im Badnerland. Am Kaiserstuhl wächst der Wein. Die KKW in Wyhl – oh Schand, wir Badner sagen nein! Refrain

15. In Karlsruh` spielt der KSC, in Freiburg der SC. In Stuttgart gurkt der VfB! Oh weh, oh weh, oh weh! Refrain

16. Man merkt, dass wir kei` Schwabe sind, und wisst ihr auch warum? wir denke erst und schaffe dann, bei de Schwabe isch`s andersrum. Refrain

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17. Berlin wird auch noch badisch, die Mauer ist gefällt, der Osten demokratisch, und wir die Herrn der Welt! Refrain

18. Der SC Freiburg – Badens Stolz im Fußball ist fürwahr, ein Club aus einem b`sondren Holz, das ist uns allen klar! Refrain

19. In Kronau laufen Deppen rum, in Langebrücken auch. So ähnlich sehen Schwaben aus, und die müssen aus Baden raus! Refrain

20. Das dümmste Volk der ganzen Welt das ist das Schwabenpack! Es ist so dumm und dämlich, drum haut es auf den Sack! Refrain

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21. Der Kraichgau ist ein Hügelland, wo meine Wiege stand. Und Sinse ist der schönste Ort, von allen Städten dort. Alternativrefrain Drum preis` ich Sinse weit und breit, und bleib dort auch für alle Zeit.

22. Ein Landsmann den man Hecker nennt, der hat es uns gezeigt, wie man das schöne Badnerland, vom Schwabenpack befreit. Refrain

23. In Pfinztal gibt es ein Problem, und das ist der Verkehr, denn aus Berlin da kommt kein Geld, das ärgert Baden sehr! Refrain

24. In Zell da macht man Porzellan, in Echtersbach Papier, in Biberach da braut man das weltberühmte Jehlebier. Refrain

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25. In Schönau ist das Amtsgericht und auch die Talvogtei, die Bürger froh und stolz d`rauf sind, ein Badner fühlt sich immer frei. Refrain

26. In Tiengen ist die Gipsfabrik mit einer Drahtseilbahn, womit man auch sein Liebchen spazieren fahren kann. Refrain 27. Die erste Stadt am Donaurand, die ist euch wohl bekannt, sie liegt am Fuß des Wartberg`s und wird Geisingen genannt. Refrain

28. Bad Rappenau am Landesrand, von Schwaben infiziert, wird niemals Teil vom Unterland und stets von Baden regiert. Refrain

29. In Mosbach wird viel Holz gemacht, In Buchen viel Kultur, da wird auch mal die Sau geschlacht`, das gibt’s in Baden nur. Refrain

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30. In Sinsheim das Museum ist, in Eppingen das Bier, im Kraichgau wird so gern geküsst, mein Baden, hier gefällt es mir. Refrain

31. Wer Daisbach kennt im Schwarzbachtal der niemals es vergisst. Den SV dann noch anzuschauen, der weiß wie schön es ist. Refrain

32. Am Bodensee, am Strande, da ruht sich`s prächtig aus, er setzt dem Badnerlande, die schönste Krone auf. Refrain

33. Vom Hegau und seinen Bergen steht geschrieben viel, es nennt sie mancher Dichter gar des Herrgotts Kegelspiel. Refrain

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34. Im Schwarzwald-Baar-Kreis wächst das Korn, d`raus braut de` Fürscht sei Bier, und dass sein Umsatz immer stimmt, jo, dafür sorgen wir!!! Refrain

35. Im Badnerland ein Tälchen liegt, ganz still und zart und fein, man weiß, dass es kein schön`res gibt als unser Lichtetal allein. Refrain

36. Und in der fünften Jahreszeit, da wird Rabatz gemacht, wir laden alle herzlich ein, zu unsrer Haimbach Fasenacht. Refrain

37. In Hach da sitz man gern beinand, trinkt Ottos urigen Wein, der ist als Noahtrunk bekannt, komm schenke ihn mir ein. Refrain

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38. Die beste Mannschaft weit und breit, das ist der SCF! LaOla für das Superteam, und Volker Finke, ihren Chef. Refrain

39. Im Schwarzwald hohe Tannen stehn, sie sind des Forstmanns Stolz, auch bei der Expo kann man sehn, das starke Badner Holz. Refrain

40. In Rothaus steht die Brauerei, in Neustadt steht die „Spritz“, und wir sind alle Baden treu, drum ist des unser Sitz. Refrain 41. Die Donau, Deutschlands längster Strom, bei uns ist sie noch so rein, bei Immendingen sie versinkt, sie möchte halt badisch sein. Refrain

42. Und Bauer, Städter, Handwerksmann, sie reichen sich die Hand, sie sehn einander glücklich an, s`ist ja ihr Heimatland. Refrain

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43. Des Odenwaldes höchster Berg der Katzenbuckel ist, wer hier einmal im Urlaub war, ihn nie im Leben mehr vergisst. Refrain

44. In Gaggenau das Eisenwerk, in Rotenfels das Bad, in Oberndorf der Luftkurort, in Kuppenheim das Schloss. Refrain

45. Bei Meßkirch da sind wir zu Haus, Geniewinkel genannt, vom Zollernpack sind wir regiert, das ist für uns die größte Schand. Refrain 46. In Mingolsheim geht man zur Kur und hört so allerhand: Dass man dort löscht die Sonne nur, und keinen Feuer-Brand!!! Refrain

47. Ettlingen die Albgau-Stadt, liegt auch im Badnerland! Und ist in ihrem Diadem Ein wahrer Diamant. Refrain

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48. Waldbrunn im hohen Odenwald, ein Kleinod ist fürwahr, auch hier singt man das Badnerlied, das ist doch sonnenklar. Refrain

49. Als edle Perl im Badnerland, liegt Lahr nicht weit vom Rhein. Dort lebt sichs herrlich Groß und Klein, ein Lahrer möcht ich sein! Refrain

50. Auch Kronau ist ein schöner Ort, gehört zum Badnerland. Der Fasching ist hier wunderbar Und überall bekannt! Refrain

51. In Hornberg stolz auf Bergeshöh`, steht trotzig fest das Schloss, das Viadukt es grüßt so schön, dem Landsknecht hoch zu Ross. Refrain

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52. In Dilje isch die Gerberei, in Leime der Zement, in Wiesloch ist die Narretei, des nimmt jo gar kei End. Refrain

53. Der Landkreis Neckar-Odenwald, ist Badens Edelstein, da macht ein jeder gerne halt, und kehrt bei Freunden ein. Refrain

54. Der Badner trinkt den edlen Wein, der Schwob der sauft de Moscht, den schütt der Geizhals in sich nei, weil der halt fast nix koscht. Refrain

55. Bei Neiene liegt Heidelberg, und nicht im Schwabenland, den schönsten Marktplatz gibt es hier, das ist doch weltbekannt. Refrain

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56. Die Brigach und die lange Breg, die plätschern vor sich her, vom Schlosspark fließt die Donau dann, weit fort ins Schwarze Meer. Refrain

57. Und auf der andren Neckarseit, da wohnt die Schwabensau, und wenn sie sich herüber traut, dann haun wir sie blau. Refrain

58. Der Angelbach fließt durch dies Tal, er windet sich gar fein, ein Schwabe kennt dies nicht, welch Qual, ein Lob auf Eichtersheim! Refrain

59. In Eichtersheim, dem Heckerort, nebst Wein auch Honig fließt, nen Schwaben schickt man hier schnell heim, bevor man ihn erschießt! Refrain

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60. Am Iberg die Kastanien blüh`n, am Kappelberg der Wein, er ist bekannt im ganzen Land, als Hex vom Dasenstein. Refrain 61. In Appenweier wächst viel Obst, das ist ja sehr gesund! Ein schönes Dorf im Badner Land Es ist in aller Mund! Refrain

62. In Bruchsal prangt ein fürstlich Schloss, im Kraichgau Obst, Wein, Worscht, Graf Kuno wankte oft vom Ross, vererbt sein Brusler Dorscht. Refrain

63. Das war das schöne Badnerlied, es klang so wunderbar. Wir singen alle noch einmal, so schön und glockenklar. Refrain

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12. Sammlung inoffizieller Strophen des Badnerliedes der Universität Heidelberg

Alternativ-Refrain Drum grüß ich dich, mein Badner Land Du edle Perl im deutschen Land Der Schwob muss raus, Der Schwob muss raus, Der Schwob muss raus ausm Badner Land!

1. Zell-Weierbach ein gastlich Dorf, da kehrt man gerne ein - und trinkt, sofern man Kenner ist, vom Abtsberg edlen Wein.

2. Im Wiesental Fabriken stehn, wie Schlösser klar und hell; Rauchfahnen aus Kaminen wehn, von Lörrach bis nach Zell.

3. Vom Odenwald zum Bodensee, entlang des Rheines Strand - umgrenzt von dunklen Tannenhöhn, liegt unser Badner Land !

4. Solang die Farben gelb-rot-gelb bei uns am Maste wehn solang wird unser Badner Land niemals untergehn!

5. In Durlach wächst der Trainsoldat, in Maxau fließt der Rhein - in Rintheim frisst man Specksalat, ich möcht ein Badner sein !

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6. Üb immer Treu' und Redlichkeit, bis in Dein kühles Grab, und weiche keinen Fingerbreit, vom Badner Wege ab !

7. Bei Sipplingen ist Pumpstation, da pumpet's Wasser 'naus, doch vorher brunsle Badner nei, und Schwabe saufet's aus.

8. Und Konstanz liegt am Bodensee, durchströmt vom jungen Rhein; des Hegaus Berge winken im gold'nen Sonnenschein!

9. Und wer verrät das Badner Land, der wird gleich massakriert, der wird wie jener Schwabenfreund zum Galgen Freiburgs hingeführt!

10. Vergiss niemals die Heimat, wo deine Wiege stand, du findest in der Ferne kein zweites Badner Land!

11. In Offenburg sind wir zu Haus, die Stadt am Kinzigstrand - das Tor zum Schwarzwald auch genannt, im schönen Badner Land !

12. Ein Badner möcht ich auch gern sein, denkt sich so mancher Schwob - und weint dann leis in sich hinein. Er wird es nie - gottlob.

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13. Egal wie heut' das Spiel auch lief, für alles gibt's ein' Grund! Mal geht es gut, mal geht es schief, der Fußball ist für alle rund!

14. Wie schön ist's noch im Badner Land. Am Kaiserstuhl wächst Wein. Dies KKW in Wyhl - oh Schand, wir Badner sagen nein.

15. In Karlsruh' spielt der KSC, in Freiburg der SC. In Stuttgart gurkt der VfB! Oh weh, oh weh, oh weh!

16. Man merkt, daß wir kei' Schwabe sind, Und wißt ihr auch warum? Mir denke erst und schaffe dann, bei de Schwabe isch's andersrum.

17. Berlin wird auch noch badisch, die Mauer ist gefällt - der Osten demokratisch und wir die Herrn der Welt!

18. Der SC-Freiburg - Badens Stolz in Fußball ist fürwahr, ein Club aus einem b'sondern Holz, das ist uns allen klar!

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19. In Müllheim gibt's den Reggenhag, bei Schliengen's Sonnenstück, bei Auggen Schäf und Letten und das ist unser Glück!

20. Der Feldberg ist der schönste Berg, Im ganzen Badner Land, die schwäbsche Alb dagegen, die allergrößte Schand !

21. In Baden-Baden steht ein Schloß, auf festem Felsengrund, in Baden-Baden´s Zauberquell´, da bade dich gesund.

22. Und wir die Gegend Achern-Bühl, wir sind das Zwetschgenland. Die blaue Frucht, die hier gedeiht, Die ist ja weltbekannt.

23. Im Tal der Murg zu Gaggenau da liegt, ein jeder kennt´s, berühmt durch seinen Autobau - das Werk Mercedes Benz.

24. Der bad´sche Stiefel reichte stets vom Bodensee zum Main und wer ihn schwäbisch machen will, kann uns gestohlen sein.

25. Von Schwaben unterdrückt, auf`s Letzte ausgebeut, wer letzten Endes siegt, das sind die tapfern Badnerleut!

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26. In Odne braut man braunes Bier, in Zeutern wächst der Wein, in Stettfeld wächst das Sauerkraut, ein Bad'ner müßt man sein.

27. Wenn heute fern vom Heimatland die bunten Fahnen wehn, im Geiste sehn wir gelb rot gelb die Sonne auf- und untergehn!

28. In Woibst do steht ä Brauerei, die sich Adler nennt, und wem des net g'fällt, der sich nicht Badner nennt!

29. In Kronau laufen Deppen rum in Langebrücken auch. So Ähnlich sehen Schwaben aus, und die müssen aus Baden raus.

30. Das dümmste Volk der ganzen Welt das ist das Schwabenpack! Es ist so dumm und dämlich, drum haut es auf den Sack. 31. Der Kraichgau ist ein Hügelland, wo meine Wiege stand, und Sinse ist der schönste Ort, von allen Städten dort.

(Refr.: Drum preis` ich Sinse weit und breit, und bleib dort auch für alle Zeit.)

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32. Ein Landsmann den man Hecker nennt, der hat es uns gezeigt, wie man das schöne Badner Land, vom Schwabenpack befreit.

33. In Pfinztal gibt es ein Problem, und das ist der Verkehr, denn aus Berlin da kommt kein Geld, das ärgert Baden sehr!

34. In Zell da macht man Porzellan, In Entersbach Papier In Biberach da braut man Das weltberühmte Jehlebier.

35. In Schönau ist das Amtsgericht und auch die Talvogtei, die Bürger froh und stolz d´rauf sind, ein Badner fühlt sich immer frei.

36. In Tiengen ist die Gipsfabrik mit einer Drahtseilbahn, womit man auch sein Liebchen spazieren fahren kann.

37. Die erste Stadt am Donaurand, die ist euch wohl bekannt, sie liegt am Fus des Wartenberg´s und wird Geisingen genannt.

38. Bad Rappenau am Landesrand, von Schwaben infiziert, wird niemals Teil vom Unterland und stets von Baden regiert.

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39. In Mosbach wird viel Holz gemacht in Buchen viel Kultur da wird auch mal die Sau geschlacht' das gibt's in Baden nur.

40. In Sinsheim das Museum ist, in Eppingen das Bier, im Kraichgau wird so gern geküsst, mein Baden, hier gefällt es mir.

41. Wer Daisbach kennt im Schwarzbachtal, der niemals es vergisst. Den SV dann noch anzuschauen, der weiß, wie schön es ist.

42. Am Bodensee, am Strande, da ruht sich's prächtig aus, er setzt dem Badner Lande die schönste Krone auf.

43. Vom Hegau und seinen Bergen steht geschrieben viel, es nennt sie mancher Dichter gar des Herrgotts Kegelspiel.

44. Im Schwarzwald-Baar-Kreis wächst das Korn, d'raus braut de' Fürscht sei Bier, und daß sein Umsatz immer stimmt, jo, dafür sorgen wir !!!

45. Im Badner Land ein Tälchen liegt, ganz still und zart und fein, man weiß, daß es kein schön'res gibt als unser Lichtetal allein.

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46. Und in der fünften Jahreszeit, da wird Rabatz gemacht, wir laden alle herzlich ein, zu unsrer Haimbach Fasenacht.

47. Am Hacher Fels ein Stein man sieht, ein großer Ring daran, da legte einst vor langer Zeit die Arche Noah an.

48. In Hach da sitzt man gern beinand, trinkt Ottos urigen Wein, der ist als Noahtrunk bekannt, komm schenke ihn mir ein.

49. Die beste Mannschaft weit und breit, das ist der SCF! LaOla für das Superteam, und Volker Finke, ihren Chef.

50. Im Schwarzwald hohe Tannen stehn, sie sind des Forstmanns Stolz, auch bei der Expo kann man sehn, das starke Badner Holz.

51. In Rothaus steht die Brauerei, in Neustadt steht die "Spritz", und wir sind alle Baden treu, drum ist des unser Sitz.

52. Die Donau, Deutschland längster Strom, bei uns ist sie noch rein, bei Immendingen sie versinkt, sie möcht halt Badisch sein.

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53. Und Bauer, Städter, Handwerksmann, sie reichen sich die Hand, sie sehn einander glücklich an, s´ist ja ihr Heimatland.

54. Des Odenwaldes höchster Berg der Katzenbuckel ist, wer hier einmal im Urlaub war, ihn nie im Leben mehr vergißt.

55. In Gaggenau das Eisenwerk, in Rotenfels das Bad, in Oberndorf der Luftkurort, in Kuppenheim das Schloß

56. Bei Meßkirch da sind wir zu Haus, Geniewinkel genannt, vom Zollernpack sind wir regiert, das ist für uns die größte Schand.

57. In Mingolsheim geht man zur Kur und hört so allerhand: Dass man dort löscht die Sonne nur - und keinen Feuer-Brand!!!

58. Ettlingen die Albgau-Stadt, liegt auch im Badner Land! Und ist in ihrem Diadem ein wahrer Diamant.

59. Waldbrunn im hohen Odenwald ein Kleinod ist fürwahr, auch hier singt man das Badnerlied, das ist doch Sonnenklar.

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60. Als edle Perl im Badner Land, liegt Lahr nicht weit vom Rhein. Dort lebt sichs herrlich Groß und Klein, ein Lahrer möcht ich sein!

61. Auch Kronau ist ein schöner Ort, gehört zum Badner Land. Der Fasching ist hier wunderbar und überall bekannt!

62. In Hornberg stolz auf Bergeshöh`, steht trotzig fest das Schloss, das Viadukt es grüßt so schön, dem Landsknecht hoch zu Ross.

63. In Dilje isch die Gerberei, in Leime der Zement, in Wiesloch isch die Narretei, des nimmt jo gar kei End.

64. Der Landkreis Neckar-Odenwald ist Badens Edelstein - da macht ein jeder gerne halt und kehrt bei Freunden ein.

65. Der Badner trinkt den edlen Wein, der Schwob der sauft de Moscht, den schütt der Geizhals in sich nei, weil der halt fast nix koscht.

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66. Bei Neiene liegt Heidelberg und nicht im Schwabenland, den schönsten Marktplatz gibt es hier, das ist doch weltbekannt.

67. Die Brigach und die lange Breg die plätschern vor sich her, vom Schloßpark fließt die Donau dann, weit fort ins Schwarze Meer.

68. Und auf der andren Neckarseit da wohnt die Schwabensau und, wenn sie sich herüber traut, dann hauen wir sie blau.

69. Der Angelbach fließt durch dies Tal, er windet sich gar fein, ein Schwabe kennt dies nicht, welch Qual, ein Lob auf Eichtersheim!

70. In Eichtersheim, dem Heckerort, nebst Wein auch Honig fließt, nen Schwaben schickt man hier schnell heim, bevor man ihn erschießt!

71. Am Iberg die Kastanien blüh'n, am Kappelberg der Wein, er ist bekannt im ganzen Land als Hex vom Dasenstein.

72. In Appenweier wächst viel Obst, das ist ja sehr gesund! Ein schönes Dorf im Badner Land, es ist in aller Mund!

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73. In Bruchsal prangt ein fürstlich Schloß, im Kraichgau Obst, Wein, Worscht, Graf Kuno wankte oft vom Ross, vererbt sein Brusler Dorscht.

74. Das war das schöne Badnerlied, es klang so wunderbar. Wir singen alle nocheinmal, so schön und glockenklar.

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13. Schwabenwitze, Auszug der Homepage von Jochen Birk (www.jochen-birk.de/schwabenwitze) (08.01.2011) Schwabenwitze Da ich Humor habe, findet man hier coole Witze über mein Heimatvolk. Da kann sogar ich als Betroffener darüber lachen!

1) Was ist der Unterschied, wenn man mit einer Französin oder einer Schwäbin ins Bett geht? Die Französin sagt am nächsten Morgen: Oh, was bist Du für ein guter Liebhaber! Was für eine wundervolle Nacht! Die Schwäbin sagt am nächsten Morgen: Kheret die Mebl älle Dir? 2) Welches ist das schönste Kompliment, das man einer schwäbischen Frau machen kann? Ha, du siehsch aber abgschafft aus! 3) Jetzt haben Wissenschaftler festgestellt: Adam war ein Schwabe! Adam sitzt im Paradies. Ihm ist langweilig, und so sagt er eines Tages zum lieben Gott: Kannst Du mir nicht jemanden machen, der nett, schön, intelligent und zum Liebhaben ist? Antwort: Ja, klar dafür brauchte ich allerdings deinen rechten Arm und Dein linkes Bein! Nach kurzem Überlegen fragt Adam: Was kriege ich denn für eine Rippe? 4) Fußballspiel in einer schwäbischen Stadt: Zur Seitenwahl wirft der Schiedsrichter eine Münze in die Luft. Es gab 2000 Verletzte. 5) Was macht ein Schwabe mit einer Adventskerze vor dem Spiegel? Er feiert den 2. Advent... 6) Orgasmus auf Schwäbisch : Sodele. 7) Was ist der Unterschied zwischen Schwaben und Terroristen? Terroristen haben Sympathisanten... 8) Warum bauen die Schwaben die Schulen auf dem Berg? Damit sie auch mal auf die höhere Schule können .

9) Ein schwäbisches Ehepaar wandert durch die Alpen und fällt in eine Gletscherspalte. Am nächsten Tag hören sie eine Stimme von oben rufen: "Hallo, hier ist das Rote Kreuz!" Darauf ruft der Schwabe zurück: "Mir gäbet nix!" 10) Wie fangen schwäbischen Kochrezepte an? Man leihe sich einen Topf...

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11) Ein Schwabe kommt ins Pfandhaus und möchte einen Kredit über 100 DM aufnehmen. Als Pfand bietet er seinen Mercedes. Dem Pfandleiher kommt die Sache zwar etwas seltsam vor, er schlägt dem Schwaben aber, er solle sein Auto in die Lagerhalle fahren. Einen Monat später möchte der Schwabe sein Pfand auslösen. "Das macht 100 DM und 5 DM Zinsen," sagt der Pfandleiher, "verraten Sie mir jetzt den Sinn der ganzen Aktion?" Sagt der Schwabe: "Ich war in Urlaub, und wo kann ich sonst für 5 DM einen Monat lang parken?"

12) Was ist ein Perpetuum mobile? Das ist ein Schotte, der einem Schwaben hinterher rennt, der ihm 10 Cents schuldet.

13) Ein Schwabe breitet im Winter Mist auf dem gefrorenen Bodensee aus. Kommt ein Schweizer vorbei und sagt: "Ja du Depp, im Frühjahr taut es und dein Mist versinkt im See!" Darauf der Schwabe: "Halts Maul, nochher kommt en Öschderreicher, der will den Acker kaufa."

14) Ein Schwabe überrascht seine Frau im zärtlichen Flirt mit einem anderen. Er denkt nicht lange nach und befiehlt: "Stellt Euch hintereinander auf - dann reicht eine Kugel!"

15) Ein Franzose und ein Schweizer fahren im Zug. Sagt der Franzose: "Isch übergieße meine Frau mit Champagner und lecke sie ab." Fragt der Schwabe: "Geht des au mit Moscht?"

16) Ein Schwabe kommt zur Autowaschanlage. Der Besitzer sagt ihm, er solle sich exakt an die Anweisungen auf den Schildern halten, dann könne nichts schief gehen. Kurz darauf kommt ihm der Schwabe triefnass entgegen. Er fragt den Schwaben: "Was ist denn mit Ihnen passiert?" Der Schwabe antwortet: "Ha, do war a Schild "Gang raus!". "Hano, do ben i halt raus ganga."

17) Wieso kaufen schwäbische Frauen keine Tangas? Sie können sie später nicht mehr als Putzlappen benutzen.

18) Wie entstand der Grand Canyon? Ein Schwabe hat ein 10-Pfennig-Stück verloren.

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19) Wie wurde der Kupferdraht erfunden? Da haben sich zwei Schwaben gleichzeitig nach einem Pfennig gebückt.

20) Auf der Schwäbischen Alb wird die Bäuerin vom Pferd getötet. Bei der Beerdigung kondolieren alle Einwohner des Dorfes. Der Pfarrer beobachtet, wie der Witwer bei jedem den Kopf schüttelt. Er geht davon aus, dass ihn jeder danach fragt, ob man ihm irgendetwas helfen könnte. Also fragt ihn auch der Pfarrer: "Kann wenigstens ich etwas für Sie tun?" "Noi danke. Des isch aber nett, weil Sie senn bis jetzt der oinzigschde, wo mi des frogt!" "Warum haben Sie denn bei jedem, der Ihnen kondoliert hat den Kopf geschüttelt?" fragt der Pfarrer verwirrt. "Ach so! Dia wollded älle mein Gaul kaufe, aber i han abglehnt!"

21) Was sagt ein Schwabe, wenn ihn seine Frau im schwarzen Negligé überrascht? - "Um Gottes Willa, isch ebbes mit dr Oma?"

22) Weshalb trinken Schwaben die Milch immer in dem Geschäft, in dem sie sie gekauft haben? Weil auf der Packung steht: Hier öffnen!

23) Warum lassen sich die Schwaben nach dem Tod nur bis zum Bauch eingraben? Damit sie ihr Grab selber pflegen können.

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14. Schwabenwitze, Auszug der Homepage von „Elkes Schwaben-Seiten“ (www.elkeswelt.de) (12.01.2011)

1) Was ist ein Perpetuum Mobile? Wenn ein Schotte einem Schwaben hinterher rennt, weil der ihm 10 Cent schuldet.

2) Ein Schwabe wird beim Papst angestellt. Er hat die würdevolle Arbeit den hohen Geistlichen jeden Morgen um 6 Uhr zu wecken. Er klopft. Guten Morgen Eminenz es ist 6 Uhr und über der ewigen Stadt scheint die Sonne. Danke, mein Sohn, der Herr und ich wissen es bereits. Der Schwabe stutz, weil alles dicht verriegelt ist und kein Lichtschein hereindringt. Am nächsten Morgen: Er klopft an. Guten Morgen Eminenz es ist 6 Uhr und über der ewigen Stadt regnet es. Danke, der Herr und ich wissen es bereits. Der Schwabe stutzt erneut. Will es nun genau wissen. Am nächsten Tag: Er klopft an. Guten Morgen Eminenz es ist 6 Uhr und über der ewigen Stadt scheint die Sonne. Danke der Herr und ich wissen es bereits. An Scheißdreck wissat ihr zwoi. Neine isch, on draussa rägnets dass' Katza haglt!

3) Ein amerikanischer Bauer besucht das Schwabenland. Stolz führt ihn ein Bauer in seinen Stall. Des send onsere Küh, verkündet er stolz. Der Ami lacht und sagt mit Amerikanischen Long: Ha, tätz sind bei uns Kälber. Der Bauer guckt bös. Er zeigt ihm seine Schweine. Oh, tätz sind bei uns Ferkels. Der Bauer schnaubt wütend. Da kommen sie vor den Stall und dort weidet ein Esel im Klee. Der Bauer, nun beleidigt und frustriert, haut dem Esel mit der Faust zwischen die Augen. Sagt der Amerikaner: Warum schlägst du diese arme Esel? Weil i´s omsvoregga net leida koh, wenn dia Hasa mein Klee fressad!

4) Ein Schwabe fällt vom Dach. Er fliegt am Küchenfenster vorbei und ruft : "Marie, heut kannsch s`Mittagessa schbara, I ess heut im Marienhoschbidal."

5) Wieso legt sich ein Schwabe bei einem Gewitter auf den Bauch? Weil ein Blitz noch nie in ein Arschloch geschlagen hat

6) Warum fährt ein Schwabe nur zweimal im Jahr ins Badische? Das erste Mal an Fasnet, um Gutsle (Bonbons) aufzuheben, das zweite Mal an Weihnachten, wenn es Geschenke gibt.

7) Der kürzeste Schwabenwitz: VFB

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8) Steht ein Badener auf der Rheinbrücke und sieht wie ein Mann unten am Ufer steht und Rheinwasser trinkt. "Hallo! Sie können doch das Rheinwasser nicht trinken, das ist giftig" Der Mann ruft zurück: "Ha - kennet se a weng laud'r schwätze, I honn Sie idd vrschdanda!" Der Badener von oben: "Trink langsam, es ist kalt!"

9) Ein Franzose ein Amerikaner und ein Schwabe streiten sich darüber wer den besten Gummi herstellt. Franzose: "Bei uns ist ein Mann vom Eifelturm gefallen. Auf halber Strecke klemmte er seinen Hosenträger am Turm fest und hing daran wie ein Bungee-Springer. Das ist Qualität!" Amerikaner: Ach was, lächerlich. Bei uns ist einer vom Emipre State Building gestürzt. Unterwegs holte er seinen Kaugummi aus dem Mund, klebte ihn an der Wandfest und ließ sich langsam daran herab. That`s Quality!" Der Schwabe lächelte nur und sagte: "Bei uns ist ein Arbeiter, der auf der Spitze des Ulmer Münster arbeiten musste, abgestürzt. Als er unten aufschlug hat es ihn in tausend Fetzen zerrissen...... !" Die beiden anderen schauten ihn an: " a, und ??" "Nun, der Arbeiter hatte Gummistiefel an und die hatten keinen Kratzer abbekommen..!"

10) Rezept für schwäbische Tomatensuppe: roter Teller und heißes Wasser

11) Zwei Schwaben gingen in den Fluss, weil jede Sau mal baden muss, der eine ist versoffen, vom andern woll'n wirs hoffen.

12) Eine stadtbekannte Klatschbase trifft auf ihr nächstes Opfer. "Hend se au scho ghört, daß d'Frau Maierling gschdorba isch? Se hod scheins Gehirnhautentzündung ghett! " "Ach was" kommt die reservierte Antwort. Doch die Schwätzdasch hakt eifrig nach: "Jo, jo, des isch a ganz heimtückische Krankheit. Also entweder mer stirbt, oder mer wird blöd. I kenn me do aus. Wissad se, i hann des jo au scho ghabt!"

13) Bernhard vom Bodensee schreibt: Als Anwohner des Bodensees ärgern wir uns natürlich auch jedes Wochenende über die Schwabenlawine, aber wir haben inzwischen eine Lösung gefunden: Wir laden die Schwaben zum Wasserballspielen ein: Die Schwaben bekommen die blauen Käppis und die Krokodile die roten...

14) Sprüche von Badenern (den natürlichen Feinden der Schwaben), wenn sich ein Schwabe zu de Badensern (Gelbfüßlern) traut: 1. Wir haben ja alle nichts gegen Schwaben. Wir würden ihnen sogar die Füße küssen - Sie müssen nur hoch genug hängen. 2. Schwaben sind ja recht nette Leute. Ich finde, jeder Badener sollte sich einen halten dürfen.

15) Wie entstanden die Schwaben? Der liebe Gott saß auf dem Feldberg, schaute auf den Rhein und schnitzte die Badener. Jedes Exemplar, das nichts wurde, warf er hinter sich.

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16) Über Baden lacht die Sonne, über Schwaben die ganze Welt

17) An Fasching stand eine Mutter mit ihrer Tochter (Mädle) auf dem Marktplatz und sahen den Narren zu. Da sagte die Tochter: "Memme, I mecht au so a Larve (Hexenmaske)". Darauf die Mutter: "Du sei schtill, du brauchscht koi Larve it, du bischt wiascht gnuag!"

18) Was sind die drei Plagen der Menschheit? Cholera, Lepra ond von d'r Alb ra.

19) Warum hat ein Schwabe eine leere Weinflasche im Kühlschrank? Es könnte ja einmal jemand kommen der keinen Durst hat.

20) Ein Schwabe bestellt sich im Wirtschäftle ein Viertele. Er setzt zum trinken an, setzt aber kurz vorher wieder ab. Dies wiederholt sich drei mal. Ein Stammgast sieht dies und fragt den Schwaben, wieso er denn nicht trinke? Der Schwabe antwortet: Wisset Sie, I trink so gern a Viertele, aber jedsmol wenn I trinke will, lauft mir s Wasser in dr Goscha zamm, und I mog doch koi Schorle.

21) Ein Schweizer, ein Sachse und ein Schwabe sitzen im Abteil eines Zuges nach Zürich. Der Schweizer spricht den Sachsen an und fragt in Schwyzerdütsch: " Sind Si scho a moal i Züri gsi?". Der Sachse versteht kein Wort und anwortet:" Äntschuldigung, obar Ich hob Sie laider nicht verstandn." Der Schweitzer wiederholt seine Frage, wobei er etwas langsamer spricht: " Ich habe gefragt, ob Sie scho mal in Züri gsi si?" Der Sache, der wiederum nichts verstanden hat, schaut Hilfe suchend den Schwaben an der ihm auch prompt beisteht und ihm erklärt: " Ha wisset Se, dr Herr moint gewea."

22) Was ist der Unterschied, wenn man mit einer Französin oder einer Schwäbin ins Bett geht? Die Französin sagt am nächsten Morgen: "Oh, was bist Du für ein guter Liebhaber! Was für eine wundervolle Nacht!" Die Schwäbin sagt am nächsten Morgen: "Gheret die Mebl alle Dir?" (Übersetzung: Gehören die Möbel alle Dir?)

23) Warum bewohnen die Schwaben eigentlich Süddeutschland? Weil sie vor geraumer Zeit aus Schottland ausgebürgert wurden

24) Welches ist das schönste Kompliment, das man einer schwäbischen Frau machen kann? Ha, du siehsch aber abgschafft aus!

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25) Das Nonnenkloster in Kellenried wird neu verputzt. Auf dem hohen Baugerüst arbeiten die Gipser und Maler fleißig. Die Äbtissin sieht es mit Wohlgefallen und bittet eine Novizin, den Handwerkern ein gutes Vesper zu bringen. Vorher solle sie aber die Handwerker auf ihren Glauben prüfen. Wenig später steht die junge Nonne unten am Gerüst und ruft zum nächsten Gipser, der auf dem Gerüst steht "Griss Gott. Kennat Sie dor Pontius Pilatus?" Von oben herunter "Noi, abor i frog mein Kolleg, der weidor oba schafft". Also "He, Berte, kennschd Du en Pontius Pilatus?" Von oben: "Noi, worom?" Der auf dem ersten Gerüst zurück "Ha do onda schtoht sei Alde ond will ems Mittagessa brenga".

26) In einem Zugabteil sitzen ein Schwabe, ein Badenser, ein junges Mädchen und ihre Mutter. Der Zug fährt in einen Tunnel, es wird dunkel und man hört zwei Geräusche: ein lautes Schmatzen und ein noch lauteres Klatschen. Es wird wieder hell und der Badenser hat eine stark gerötete Wange. Die Mutter denkt: "Da wollte sich dieser Kerl doch im Dunkeln an meine Tochter ranmachen, aber die hat sich das nicht gefallen lassen!" Die Tochter denkt: "Wahrscheinlich wollte er mich küssen und hat Mutti erwischt. Falsche Adresse kann man da nur sagen..." Der Badenser denkt: "Dieser verdammte Schwabe! ER küßt das Mädchen und ICH kassiere die Ohrfeige!!!" Der Schwabe denkt: "Hat ja wunderbar geklappt! Im nächsten Tunnel küß ich mir wieder auf die Hand ... und batsch em Gelbfüßler noch eins an de Gosch!!!"

27) Wie nennt man im Schwabenland ein hübsches Mädchen? Touristin.

28) Wer hat den letzten schwäbischen Schönheitswettbewerb gewonnen? Niemand.

29) Ein Schwabe, ein Schotte und ein Österreicher wetten um eine Mark, wer am längsten tauchen kann. Alle ertrunken!

30) Einem Schwaben fällt die Jacke in die Klärgrube. Er greift sich einen Stock und versucht, die Jacke herauszuangeln. Meint seine Frau: "Ach Karle, die Jacke isch so alt, die kannsch doch wegschmeißa!". "Um die Jacke gehts mir fei nedda, aber in da Dasch hann I no mei Veschper drin!"

31) Ein Schwabe kommt ins Pfandhaus und möchte einen Kredit über 100 DM aufnehmen. Als Pfand bietet er seinen Mercedes. Dem Pfandleiher kommt die Sache zwar etwas seltsam vor, er sagt dem Schwaben aber, er solle sein Auto in die Lagerhalle fahren. Einen Monat später möchte der Schwabe sein Pfand auslösen. "Das macht 100 DM und 5 DM Zinsen," sagt der Pfandleiher, "verraten Sie mir jetzt den Sinn der ganzen Aktion?" Sagt der Schwabe: "Ich war in Urlaub, und wo kann ich sonst für 5 DM einen Monat lang parken?"

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32) Ein Schwabe, ein Badener (Gelbfüßler) und ein Nigerianer stehen völlig aufgeregt auf der Entbindungsstation und erwarten sehnsüchtig die Nachricht der Krankenschwester. Endlich ist es soweit: "Herzlichen Glückwunsch, meine Herren. Sie sind jeweils Vater eines prächtigen Sohnes geworden. Wir haben nur ein kleines Problem - die Babys wurden vertauscht. Aber kommen Sie doch einfach rein und identifizieren Sie Ihr Baby." Der Badener rennt vor, schnappt sich das schwarze Baby und hält es fest. Der Nigerianer wird unruhig und die Schwester fragt vorsichtig: "Entschuldigung, wie kommen Sie drauf, daß genau dieses Ihr Baby ist?" Darauf der Badener: "Bevor ich einen Schwob großziehe, behalte ich lieber das farbige Kind.“

33) Ein Schwabe zum anderen: "Ich muaß mir an neia Kamm kaufa, beim alda isch an Zagga rausbrocha." "Mensch, den kasch doch no hernemma." "Noi, des war dr ledschde."

34) Fußballspiel in einem schwäbischen Dorf. Zur Seitenwahl wirft der Schiedsrichter eine Münze in die Luft. Es gab 2000 Verletzte.

35) Die schwäbische Nationalmannschaft hat ein Spiel gewonnen. Der Trainer kommt in die Kabine und sagt: "Kerle, ihr warad großartig. Ihr hend eich jetzt a Erfrischung redlich verdient. Los, Made, machs Fenschder auf!"

36) Was macht ein Schwabe mit einer Adventskerzevor dem Spiegel? Er feiert den 2. Advent...

37) Kommt ein Schwabe aufs Standesamt und will seinem Namen umändern lassen. Der Beamte fragt ihn: "Warum?" Darauf der Schwabe:: "Ich hon do geschdern an Karddong Visidakarda auf dr Schroß gfonda..."

38) Ein Schwabe ist gerade dabei, in seinem Wohnzimmer die Tapeten abzulösen. Ein zu Besuch kommender Freund: "Nanu, willsch nei dabeziera?" "Noi, umzieha..."

39) Was ist der Unterschied zwischen Schwaben und Terroristen? Terroristen haben Sympathisanten...

40) Ein Schwabe kommt in eine Bar, sieht sich um, ist allein mit dem Barkeeper und sagt: "Ha, jetztedle schmeiß I a Lokalrunde!"

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41) Orgasmus auf Schwäbisch II Jetzedle.

42) Durch Zufall trifft sich auf dem Münchner Oktoberfest eine Gruppe von Menschen aus allen Regionen Deutschlands, die über mehrere Tage zusammen in bester Laune feiern. Das Treffen soll im nächsten Jahr wiederholt werden. Der Bayer verspricht zu diesem Treffen ein Fass des besten Weißbiers zu spendieren, der Westfale will den besten westfälischen Schinken mitbringen, der Rheinländer erlesenen Rhein-Wein, der Norddeutsche Lübecker Marzipan, auch alle anderen versprechen eine Spezialität aus ihrer jeweiligen Region beizusteuern. Nur der Schwabe lächelt und bleibt stumm. Auf die Frage der anderen, was er zu dem Treffen mitbringt antwortet er trocken: "Mai ganze Familie".

43) Was sind zwei Schwaben in einem Porsche Turbo? Ein Dum-Dum-Geschoss!

44) Warum dürfen Schwäbinnen keine String-Tangas kaufen? Weil man die später nicht als Putzlappen verwenden kann!

45) Weißt du was ein schwäbisches Schorle ist? Ein halbes Glas Sprudel (Mineralwasser) und ein halbes Glas Leitungswasser!

46) Ein Schwabe breitet im Winter Mist aus auf dem gefrorenen Bodensee. Kommt ein Schweizer und sagt: "Ja du Depp, im Frühjahr taut´s und dein Mist versinkt im 'See!" Darauf der Schwabe:" Halts Maul, nochher kommt en Öschderreicher, der will den Acker kaufa."

47) Was ist ein Perpetuum mobile? Das ist ein Schotte, der einem Schwaben hinterherrennt, der ihm 10 Cent schuldet.

48) Ein Schwabe kommt mit einer Zeitung in ein Karlsruher Reisebüro: "Entschuldigad Sie, hier stohd, da I bei Ihne a Luxusreise fier 98 Mark griaga kaa. Gild des Angebod no? Der Verkäufer stimmt zu und kassiert den Schwaben ab. Da kommen zwei Männer aus dem Hinterzimmer, packen den Schwaben und zerren ihn nach draußen, wo sie ihn in ein Faß stecken, welches sie in den Rhein werfen. Kurz darauf kommt ein Bayer in das Reisebüro. Auch er erkundigt sich nach der Reise, bezahlt und wird mitsamt dem Faß in den Rhein geworfen. Nach einer Weile stoßen die beiden Fässer zusammen. Meint der Bayer: "Entschuldigen sie, können sie mir sagen, ob auf dieser Kreuzfahrt ein Abendessen serviert wird?" Antwortet der Schwabe: "Ich glaube idd, letschdas Johr hods jedenfalls koins gäba."

49) Ein Schwabe kommt zur Autowaschanlage. Der Besitzer sagt ihm, er solle sich exakt an die Anweisungen auf den Schildern halten, dann könne nichts schiefgehen. Kurz darauf kommt ihm der Schwabe triefnaß entgegen. Er fragt den Schwaben: "Was ist denn mit Ihnen passiert?" Der Schwabe antwortet: "Ha, do war a Schild "Gang raus!" Hano, do ben i halt raus ganga."

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50) Treffen sich zwei Mücken am Flughafen, da sie endlich mal ein bißchen Urlaub machen wollen. Kommen auch beide weg, und dann treffen sie sich nach zwei Wochen wieder. Die eine Mücke ist braun und fett, die andere bleich und total abgemagert. Sagt die fette Mücke: Sag mal wo warst denn Du? Ich selber war auf Ibiza, und habe mich zwei Wochen lang so richtig satt gesoffen, und Sonne getankt. Sagt die andere: Wollte ich ja auch, habe mich -um wegzukommen- bei einem Schwaben im Geldbeutel versteckt, der hat dann den Geldbeutel zugemacht, und erst heute bei der Ankunft wieder geöffnet!!!!

51) Was ist der Unterschied zwischen Schwaben und Badenern? Schwooba schaffed, Badener denkad.

52) Wie wurde der Kupferdraht erfunden? Ein Schwabe hat einen Pfennig zu lange in den Fingern gedreht, er konnte sich nicht entschließen, ihn auszugeben. Oder (zweite Version): Zwei Schwaben fanden gleichzeitig einen Pfennig auf der Straße, jeder schnappte nach dem Pfennig und beide zogen daran.

53) Warum lassen sich die Schwaben nach dem Tod nur bis zum Bauch eingraben? Damit sie ihr Grab selber pflegen können...

54) Warum bauen die Schwaben die Schulen auf den Berg ? Damit sie auch mal auf die höhere Schule können .

55) Zugfahrt 3 Männer sitzen im Zug, ein Preusse, ein Schweizer und ein Schwabe. Keiner spricht. Da wird es dem Schweizer zu bunt und er spricht den Preußen an: "So, sind sie auch s`Züri gsi ?" Der Preuße schaut ihn völlig baff an und fragt nach, was er denn gesagt habe. Der Schweizer wiederholt, deutlicher und langsamer: "Sind Sie auch s`Züri gsi ?" Der Preuße will schon aufgeben, weil er es natürlich nicht versteht. Der Schwabe als Zeuge der Unterhaltung möchte helfen und sagt zum Preußen: " Er moint, gwää!"

56) Ein Schwabe macht Urlaub in Afrika und kommt an einem seltsamen Strand vorbei. Ein Kanibale preist menschliches Hirn an. Der Schwabe will wissen, wozu das gut sein soll und der Kanibale erklärt: "Wenn man menschliches Hirn ißt, wird das eigene Hirn leistungsfähiger!" Der Schwabe interessiert sich dafür und liest das Verkaufsschild an der Kühltheke: Badenerhirn 100 Dollar je Pfund Bayernhirn 300 Dollar je Pfund Schwabenhirn 400 Dollar je Pfund Der Schwabe wird ganz stolz, daß ausgerechnet schwäbisches Hirn den höchsten Preis erzielt und will wissen, warum das so ist. Also erklärt der Kanibale: "Schwäbisches Hirn ist deshalb so teuer, weil wir viel mehr Schwaben erlegen müssen, um ein Pfund zusammenzukriegen."

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57) Welches sind die drei schlimmsten Krankheiten? Cholera, Lepra, von-dr-Alb-ra. (Für Nichtschwaben: die von der schwäbischen Alb kommenden Schwaben werden intern wie die Ostfriesen behandelt.)

58) Woran erkennt man ein Schiff der schwäbischen Handelsmarine? Keine Möwen.

59) Ein Schwabe fällt in eine Gletscherspalte. Ein Rettungstrupp trifft ein und ruft dem Schwaben zu: "Hier spricht das Rote Kreuz!". Darauf der Schwabe: "Mir gäbad nix!"

60) Schwabenwitz oder wahre Geschichte? (Das letztere stimmt - leider): Sitzen zwei Schwaben im Zug von Ulm nach München, beide mit einem 35-Mark-Ticket in der Tasche. Fragt der eine den anderen: Willsch Du au noch München? Sagt der andere: Noi, i will nach Schduagart. Sagt der erste: Ja, do sitzsch jo im falsch Zug. Wieso fahrsch noch net direkt noch Schduagart? Antwortet der andere: Ha, wenn I über München und noch Nürnberg fahr, do schbar I mehr!

61) Wie entstand der Grand Canyon? Als ein Schwabe ein Pfennigstück verloren hatte.

62) Der Liebe Gott dachte sich nach einer gewissen Zeit, nachdem er die Erde erschaffen hatte: "Ich schaue mir mein Werk und was daraus geworden ist mal an." So verwandelte er sich in einen Menschen und begab sich auf die Erde. Nach einiger Zeit, als er so auf Erden wandelte, traf er am Wegesrand auf einem Stein hockend einen Mann, der steinerweichend weinte. Der Liebe Gott fragte ihn, er trat immer noch als Mensch auf, warum er denn weine, doch der Mann gab ihm keine Antwort sondern weinte weiter. Nach einer weiteren Frage, warum er denn so herzzerreißend schluchze, schaute der Mann kurz auf und entgegnete ihm, ihm könne keiner helfen. Der liebe Gott ließ aber nicht locker und bohrte nach. Es kann doch nicht so schlimm sein. Für sein Problem gäbe es doch sicher eine Lösung. Darauf hin der Mann: Es kann mir keiner helfen, nicht einmal der Liebe Gott! Darauf hin gab sich der Liebe Gott zu erkennen in all seiner Pracht und bat den Mann, ihm nun endlich zu sagen was ihn denn zum weinen bringe. Darauf antwortete der Mann, der sich die Tränen kurz abwischte und in ein Taschentuch schnäuzte: Lieber Gott, auch Du kannst mir nicht helfen, denn ich bin ein "Schwabe"! Da setzte sich der Liebe Gott zu dem Mann auf den Stein und fing ebenfalls an zu weinen!

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IX LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS Assmann, Aleida, Erinnerungsräume – Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München, 2009 (4. Auflage) Bausinger, Hermann, Der herbe Charme des Landes, Tübingen, 2006 Bausinger, Hermann, Warum singt niemand eine Baden-Württemberg-Hymne? In: John, Eckard, Volkslied – Hymne – politisches Lied, Populäre Lieder in Baden-Württemberg, Münster, 2003 Bausinger, Zwischen Passion und Spiel – Identifikation durch Symbole, In: Dornheim, Andreas, Greiffenhagen, Sylvia, Identität und politische Kultur, Stuttgart, 2003 Bausinger, Hermann, Die bessere Hälfte – Von Badenern und Württembergern, Stuttgart/München, 2002 Becker, Josef, Gall, Lothar et al.: Badische Geschichte, Vom Großherzogtum bis zur Gegenwart, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung, Stuttgart, 1997 (2. Auflage) Becker, Josef, Der badische Kulturkampf und die Problematik des Liberalismus, in: Becker, Josef, Gall, Lothar et al.: Badische Geschichte, Vom Großherzogtum bis zur Gegenwart, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung, Stuttgart, 1997 (2. Auflage) Berding, Helmut, Nationales Bewusstsein und kollektive Identität, Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewusstseins in der Neuzeit 2, Frankfurt a.M., 1994 Blickle, Peter, Bradler, Günther, Von der Ständeversammlung zum demokratischen Parlament, Die Geschichte der baden-württembergischen Volksvertretungen, Stuttgart, 1982 Bochardt-Wenzel, Annette, Kleine Geschichte Badens, Regensburg, 2011 Bury ,Carola, Die politischen Auseinandersetzungen zwischen Badenern und Südweststaatlern (1945-1951), In: Weinacht, Paul-Ludwig, Gelb-rot-gelbe Regierungsjahre – Badische Politik nach 1945, Carius, Björn, Im „berechtigten Eigeninteresse“. Die Konstruktion nationaler Identität, in: Jäger, Siegfried, Januschek, Franz, Gefühlte Geschichte und Kämpfe um Identität, Münster, 2004 Van Deth, Jan, Schäfer, Julia, Ein Haus für alle, Landesgeschichte, Landesbewusstsein – eine Umfrage, Hrg. Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Stuttgart, 2002 Dullenkopf, Otto, Werner, Josef, Das Ringen um den Südweststaat, Karikaturen zum Entstehen des Landes Baden-Württemberg, Hrg. Lindemann, Klaus E.R., Karlsruhe, 1992 Eibach, Joachim, Der Staat vor Ort, Amtmänner und Bürger im 19. Jahrhundert am Beispiel Badens, Frankfurt a.M., 1994

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Kohler-Koch, Beate, Regieren in entgrenzten Räumen, Opladen, 1998 Koziol, Klaus, Badener und Württemberger – Zwei ungleiche Brüder, Stuttgart, 1987 Kustermann, Peter, Bradler, Günther, Erst Kloster, dann Jagdschloß, zuletzt Landtag (Erinnerungen an Württemberg-Hohenzollern und seinen Landtag in Bebenhausen 1945-1952, aus Anlass der 29. und 30. Plenarsitzung des Landtags von Baden-Württemberg am 17. und 18. Juli 2002, Stuttgart, 2002 Matz, Klaus-Jürgen, Die Ministerpräsidenten und der Landesteil Baden, in: Badische Heimat 2/2012, Freiburg, 2012 Matz, Klaus-Jürgen, Über die historische Identität der deutschen Bundesländer: Ein Essay, in: Weber, Reinhold, der deutsche Südwesten, Regionale Traditionen und historische Identitäten, Stuttgart, 2008 Matz, Klaus-Jürgen, Das Land Baden – Lasten und Leistungen (1947-1952), in: Thierfelder/Uffelmann, Der Weg zum Südweststaat, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart, 1991 Moersch, Karl, Hölzle, Peter, Kontrapunkt Baden-Württemberg, Zur Vorgeschichte und Geschichte des Südweststaats, DRW-Verlag, 2002 Neumayer, Karl, Der Kampf um Badens Selbständigkeit (1945-1970) In: Weinacht, Paul- Ludwig, Gelb-rot-gelbe Regierungsjahre – Badische Politik nach 1945, Sigmaringendorf, 1988 Ott, Hugo, Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, Krisenerscheinungen in Wirtschaft und Gesellschaft um die Jahrhundertmitte, in: Becker, Josef, Gall, Lothar et al.: Badische Geschichte, Vom Großherzogtum bis zur Gegenwart, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung, Stuttgart, 1997 (2.Auflage) Ottnad, Bernd, Politische Geschichte von 1850 bis 1918, in: Becker, Josef, Gall, Lothar et al.: Badische Geschichte, Vom Großherzogtum bis zur Gegenwart, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung, Stuttgart, 1997 (2. Auflage) Reith, Reinhold, Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen, Bd. XVIII, Der Aprilaufstand von 1848 in Konstanz, Zur biographischen Dimension von „Hochverrath und Aufruhr“, Versuch einer historischen Protestanalyse, Hrg. Stadtarchiv Konstanz, Sigmaringen, 1982 Sauer, Paul, Nordbaden, Besatzungspolitik der Alliierten, in: Becker, Josef, Gall, Lothar et al.: Badische Geschichte, Vom Großherzogtum bis zur Gegenwart, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung, Stuttgart, 1997 (2. Auflage)

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Wehling, Hans Georg, Die Genese der politischen Kultur Baden-Württembergs, in: Thierfelder, Jörg, Uffelmann, Uwe, Der weg zum Südweststaat, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung, Stuttgart, 1991 Weinacht, Paul-Ludwig, Die gebundenen Greife, Analyse und Würdigung der „Badenerbewegung“(1952-1970), in: R.Albiez/K.Glunk/R.Grund, Der überspielte Volkswille, Baden-Baden, 1992 (2. Auflage) Weinacht, Paul-Ludwig, Ursprung christlicher Demokratie in Südbaden, Hrg. Bezirksverband der CDU Südbaden, Freiburg i.Br., 1982 Weinacht, Paul-Ludwig, Sauer, Paul, Die politische Nachkriegsentwicklung und die Auseinandersetzungen um den Südweststaat, Die Besatzungsmächte zerreißen das Land, in: Becker, Josef, Gall, Lothar et al.: Badische Geschichte, Vom Großherzogtum bis zur Gegenwart, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung, Stuttgart, 1997 (2. Auflage) Weller, Christoph, Die Aktualisierung kollektiver Identitäten bei der Deutung der Terroranschläge am 11. September 2001, in: Jäger, Siegfried, Januschek, Franz, Gefühlte Geschichte und Kämpfe um Identität, Münster, 2004 Wertel, Klaus, 10 Jahre Kreisreform – Eine Bestandsaufnahme in ausgewählten Bereichen, Hrsg. Landkreistag Baden-Württemberg, Stuttgart, 1982 Wilhelm, Birgit, Das Land Baden-Württemberg, Entstehungsgeschichte – Verfassungsrecht – Verfassungspolitik, Köln, 2007 Winkel, Harald, Wirtschaftliche Entwicklung in Baden und Württemberg, in: Ott, Die Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg, Stuttgart, 1983 Wirtz, Rainer, Zwischen ökonomischer Realität und Klischee, in: Tradition und Umbruch, 40 Jahre Wirtschaft in Baden-Württemberg, Hrg. Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim, Mannheim, 1992 Wöhrle, Tobias, Leo Wohleb, Eine politische Biographie, Karlsruhe, 2008 Wunder, Bernd, Leistungen der Bürokratie Badens, Die badische Beamtenschaft zwischen Rheinbund und Reichsgründung, Stuttgart, 1998 Zinn-Thomas, Sabine, Aktuelle Beobachtungen zu Sinnstiftungen eines „Baden-Württemberg- Gefühls“, in: John, Eckard, Volkslied – Hymne – politisches Lied, Populäre Lieder in Baden- Württemberg, Volksliedstudien Bd. 3, Münster, 2003

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Kleine Bibliothek des Landtages im Haus der Abgeordneten Quellenverzeichnis zu Reden, Ansprachen, Feierstunden, Vortragsreihen und Geleitwörtern anlässlich der Landesjubiläen von 1962 bis 2002 10 Jahre Baden-Württemberg  Festakt von Landtag und Landesregierung anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Landes BW, 18. Mai 1962, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 1962

25 Jahre Baden-Württemberg  Sauer, Paul, Ausstellungskatalog, 25 Jahre Baden-Württemberg, , Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 1977  Festakt aus Anlaß der Eröffnung der Ausstellung des Landtags, 25 Jahre BW, Mittwoch 9. März 1977 im Haus des Landtags, Hrg. Landtag von Baden- Württemberg, 1977  25 Jahre BW, Vorträge, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 1977/1978  25 Jahre Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Festsitzung, Ansprachen, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 1977  Verhandlungen des Landtages von Baden-Württemberg, 5. Wahlperiode (1968-1972), Protokollband IV, 61.-80.Sitzung, S.3408-4640, 20.2.1970- 17.09.1970  Filbinger, Dr. Hans, Vorwort des Ministerpräsidenten zur Großen Landesausstellung Baden-Württemberg, Die Staufer-Ausstellung, Ausstellungskatalog, Württembergische Landesbibliothek, 1977

30 Jahre Baden-Württemberg  Ausstellungskatalog, 30 Jahre Baden-Württemberg, Hrg. Landtag von Baden- Württemberg, 1982  30 Jahre BW, Ausstellung des Landtags, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 1982  30 Jahre BW, Feierstunde des Landtags, 1982, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 1982  Sauer, Paul, Baden-Württemberg, Bundesland mit parlamentarischer Tradition, Ausstellung des Landtags von BW aus Anlaß des 30 jährigen Bestehens des Landes; Dokumentation, Geleitwort, Feierstunde im Landtag, Hrg. Landtag von Baden- 457

Württemberg, 1982  Teufel, Erwin, Grußwort des Ministerpräsidenten zur Landesausstellung „Baden und Württemberg im Zeitalter Napoleons“, Württembergische Landesbibliothek, 1987  Siebenmorgen, Harald, Vorwort Ausstellungskatalog zur Landesausstellung „Baden und Württemberg im Zeitalter Napoleons“, Württembergische Landesbibliothek, 1987

40 Jahre Baden-Württemberg  Baden-Württemberg Staatsministerium, Geleitwort Erwin Teufel, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 1992  Ein Land zum Vorzeigen, Staatsministerium Stuttgart, 1997 (2. Auflage), Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 1992  Europa-Kolloquium, 40 Jahre BW, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 1992  Festveranstaltung von Landtag und Landesregierung, 40 Jahre BW, 11. November 1993  40 Jahre BW, Geleitwort, Theiss-Verlag, Stuttgart, 1992  Stationen 1951-1992, Geleitwort, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 1992

50 Jahre Baden-Württemberg  Alles Gute, Reden zum Festakt, 50 Jahre BW, 27.4.2002, Hrg. Staatsministerium Baden-Württemberg, 2002 (beinhaltet auch Plakate).  Wehling, Hans-Georg, Hauser-Hauswirth, Angelika et al.: Baden-Württemberg, Vielfalt und Stärke der Regionen, Geleitwort des Ministerpräsidenten Erwin Teufel, Landeszentrale für politische Bildung, 2002  Appel, Volker, BW Land und Volk in Vergangenheit und Gegenwart, Geleitwort Kiesinger, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 2002  Baden-Württemberg 1952-2002, Vortragsreihe von Landtag und Landesregierung, Hrg. Staatsministerium Baden-Württemberg, 2002  3 Jahrzehnte Heimatvertriebene in Baden-Württemberg, Geleitwort Filbinger, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, 2002

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 Festakt von Landtag und Landesregierung aus Anlass des 50. Jahrestags der Verabschiedung der Verfassung des Landes BW, Hrg. Landtag von Baden- Württemberg, 2003  Festsitzung des Landtags BW, 50 Jahre BW, 6. März 2002; Hrg. Landtag, 2002  Teufel, Erwin, Vorwort zur Großen Landesausstellung „Alte Klöster – neue Herren“, Ausstellungskatalog, Württembergische Landesbibliothek, 2003  Oettinger, Günther, Grußwort des Ministerpräsidenten zur Großen Landesausstellung „Imperium Romanum“(2005), Ausstellungskatalog, Württembergische Landesbibliothek, 2005

Artikel in Zeitschriften und Zeitungen:  Albrecht, Daniel, Ragge, Peter W., Zetsche setzt „Daimler AG“ durch, in: Fränkische Nachrichten, Ausgabe Buchen/Walldürn, Nr. 230, vom 05.10.2007, S. 1  Auszüge aus den Reden beim Festakt in Stuttgart von Bundespräsident Rau, Lord Dahrendorf, Landtagspräsident Straub und Ministerpräsident Teufel, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 17, vom 06.05.2002, S. 4/5  Baur, Klaus Michael, Kommentare, Karlsruhes neuer Adel, in: Badische Neusten Nachrichten, vom 16.10.2006  Brendler, Michael, Erfolg bei Eliteuni-Vorrunde, Freiburg und Heidelberg ziehen in allen drei Disziplinen der Exzellenzinitiative ins Finale, in: in: Badische Zeitung Freiburg, vom 13.01.2007  Deininger, Roman, Den einen Zumutung, den anderen Dreingabe, Süddeutsche Zeitung Nr. 96, vom 25.04.2012  Fischer, Klaus, 50 Jahre Politik in Baden-Württemberg, „Wübaho“, Schwaben oder „Bruderland“?, Wie aus dem Südweststaat Baden-Württemberg wurde, in: Momente, Beiträge zur Landeskunde von Baden-Württemberg, Sonderausgabe, Nr. 01/2002, S. 53, Hrg. Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, 2002  Fischer, Klaus, Plakate zum „Kampf um den Südweststaat“, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 48, vom 10.12.2001,S. 5  Fischer, Klaus, Historische Pläne für einen Südweststaat, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 49, vom 17.12.2001, S. 5 459

 Fischer, Klaus, Stolpersteine auf dem Weg zum einheitlichen Bundesland, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 50, vom 31.12.2001, S. 5  Fischer, Klaus, Aufgepeitschte Emotionen vergiften Atmosphäre, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 49*, vom 14.01.2002, S. 5  Fischer, Klaus, Adenauer war gegen den Südweststaat, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 2, vom 21.01.2002, S. 5  Fischer, Klaus, „Ehrliche Makler“, Kämpfer und Gründerväter, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 3, vom 28.01.2002, S.5  Fischer, Klaus, Von Schäufele und Rostbraten, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 5, vom 11.02.2002, S. 5  Fischer, Klaus, Rheinalbien, Südlanden oder Bruderland, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 7, vom 25.02.2002, S. 5  Fischer, Klaus, Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 8, vom 04.03.2002, S. 5  Fischer Klaus, Mit Tüftlergeist zum High-Tech-Land, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 10, vom 18.03.2002, S. 5  Fischer, Klaus, „Die Liebe kam erst nach der Hochzeit“, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 49*, vom 11.03.2002, S. 5  Fischer, Klaus, Bilderbogen bis in die Gegenwart, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 12, vom 02.04.2002, S. 5  Fischer, Klaus, Vergebliche Suche nach einer gemeinsamen Landeshymne, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr.11, vom 25.03.2002, S. 5  Fischer, Klaus, In vielen Bereichen an erster Stelle, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 13, vom 08.04.2002, S. 5  Fischer, Klaus, Bewusstseins-Regionen“ des Landes im Blick, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 14, vom 15.04.2002,S. 5  Fischer, Klaus, Sonderdruck des Staatsanzeigers zum 50. Geburtstag des Landes Baden-Württemberg, Nachdruck der Originalausgabe vom 30.04.1952, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 15, vom 22.04.2002  Fischer, Klaus, Die hohe Politik vom Hohenneuffen, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 16, vom 29.04.2002, S. 5  Fricker, Uli, Die Dritte Seite, Davids goldener Schuss, in: Südkurier Nr. 243 (Ausgabe Konstanz), vom 20.10.2007, S. 3

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 Fricker, Uli, „Auch so kommt man sich näher“, Gespräch mit Hans-Georg Wehling, in: Südkurier Nr. 93 (Ausgabe Konstanz), vom 21.04.2012, S. 2/3  Haendle, Rainer, Südwest, Elite-Unis: Heidelberg und Freiburg bleiben im Rennen, in: Badische Neusten Nachrichten, vom 16.10.2006  Haendle, Rainer, Südwest, Karlsruhe ist ein Leuchtturm in der Wissenschaftsszene, in: Badische Neusten Nachrichten, vom 17.10.2007, S.3  Haendle, Rainer, Kommentare, Das Elite-Vorbild Karlsruhe in: Badische Neusten Nachrichten, vom 17.10.2007  Hauser-Hauswirth, Dr. Angelika, Vielfalt und Einheit, Gibt es eine gemeinsame Identität? Baden-Württemberg umfasst eine bunte Vielfalt traditionsreicher Regionen, in: Momente, Beiträge zur Landeskunde von Baden-Württemberg, Sonderausgabe, Nr. 01/2002, S.106-108, Hrg. Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, 2002  Hauß, Heinrich, Friedrich Hecker zwischen Biographie und Kult, in: Badische Heimat, September 3/2011  Hörner, Tom, Die Donau – ein Fluss aus Württemberg, Warum der zweitlängste Strom Europas nicht so ganz in Baden entspringt, in: Nürtinger/Wendlinger Zeitung, vom 24.10.2007, S. 30  Interview des Staatsanzeigers mit der früheren Politikerin Diemer-Nicolaus, „Das Parlament war sehr kämpferisch“, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 6, vom 18.02.2002, S.5  Jehle, Stefan, Karlsruhe plant für die Weltliga – Elite-Uni will in die Spitzengruppe der Forschungsuniversitäten, in: Badische Zeitung Freiburg, vom 20.10.2006  Jehle, Stefan, In Baden ist die Elite zu Hause, in: Badische Zeitung Freiburg, vom 20.10.2007  Kamleitner, Bernd, Kommentare, frischer Wind aus Südwest, in: Badische Neusten Nachrichten, vom 20.10.2007  Köhler, Nils, Die Sorge vor dem Ausbluten, in: Südkurier Nr. 291, vom 15. Dezember 2012, S. 3  Kustermann, Peter, Der Kampf um den Südweststaat, „Der Streit um den Südweststaat entzweite sogar Familien“, in: Momente, Beiträge zur Landeskunde von Baden-Württemberg, Sonderausgabe, Nr. 01/2002, S. 37-39, Hrg. Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, 2002 461

 Letztes Interview des Staatsanzeigers von 1989 mit dem früheren Ministerpräsidenten Gebhard Müller, „ Der Start stand unter denkbar ungünstigem Stern“, in: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 4, vom 04.02.2002, S. 4/5  Neumann, Edgar, Heidelberg und Freiburg sind im Elite-Rennen dabei, in: Badische Neusten Nachrichten, vom 13.01.2007  Raberg, Frank, Der Kampf um den Südweststaat, Schwere Geburt des Landes, in: Momente, Beiträge zur Landeskunde von Baden-Württemberg, Sonderausgabe, Nr. 01/2002, S. 26-31, Hrg. Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, 2002  Raberg, Frank, Der Kampf um den Südweststaat, „Was für ein Mangel an Scham“, Der Konflikt zwischen Badenern und Württembergern im Zitat, , in: Momente, Beiträge zur Landeskunde von Baden-Württemberg, Sonderausgabe, Nr. 01/2002, S. 34-36, Hrg. Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, 2002  Raberg, Frank, 50 Jahre Politik in Baden-Württemberg, Neue altbadische Angriffe, Freiburger Fahnenmast trägt Trauerflor, in: Momente, Beiträge zur Landeskunde von Baden-Württemberg, Sonderausgabe, Nr. 01/2002, S. 40-43, Hrg. Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, 2002  Raberg, Frank, Der Südwesten vor 50 Jahren, in: in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 48, vom 17.12.2001, S. 5  Raberg, Frank, Der Südwesten vor 50 Jahren, in: in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 50, vom 31.12.2001, S. 5  Raberg, Frank, Der Südwesten vor 50 Jahren, in: in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 49*, vom 14.01.2002, S. 5  Raberg, Frank, Der Südwesten vor 50 Jahren, in: in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 2, vom 21.01.2002, S. 5  Raberg, Frank, Der Südwesten vor 50 Jahren, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 3, vom 28.01.2002, S. 5  Raberg, Frank, Der Südwesten vor 50 Jahren, in: in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 4, vom 04.02.2002, S. 5  Raberg, Frank, Der Südwesten vor 50 Jahren, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 5, vom 11.02.2002, S. 5

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 Raberg, Frank, Der Südwesten vor 50 Jahren, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 6, vom 18.02.2002, S. 5  Raberg, Frank, , Der Südwesten vor 50 Jahren, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 7, vom 25.02.2002, S. 5  Raberg, Frank, , Der Südwesten vor 50 Jahren, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 8, vom 04.03.2002, S. 5  Raberg, Frank, , Der Südwesten vor 50 Jahren, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr.49*, vom 11.03.2002, S. 5  Raberg, Frank, , Der Südwesten vor 50 Jahren, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 10, vom 18.03.2002, S. 5  Raberg, Frank, , Der Südwesten vor 50 Jahren, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 11, vom 25.03.2002, S. 5  Raberg, Frank, , Der Südwesten vor 50 Jahren, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 12, vom 02.04.2002, S.5  Raberg, Frank, , Der Südwesten vor 50 Jahren, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 13, vom 08.04.2002, S. 5  Raberg, Frank, Der Südwesten vor 50 Jahren, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 14, vom 15.04.2002, S. 5  Raberg, Frank, Der Südwesten vor 50 Jahren, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 16, vom 29.04.2002, S. 5  Raberg, Frank, Der Südwesten vor 50 Jahren, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 17, vom 06.05.2002, S. 6  Redaktion, Das Land feiert seinen 50. Geburtstag, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 16, vom 29.04.2002, S. 1  Renz, Gabriele, Baden-Württemberg, „Ein ausgesprochener Glückstag“, in: Südkurier Nr. 238 (Ausgabe Konstanz), vom 14.10.2006, S. 12  Renz, Gabriele, Die Dritte Seite, Zweiter Anlauf, Baden-Württemberg hat gute Chancen auf eine Elite-Uni, in: Südkurier Nr. 241 (Ausgabe Konstanz), vom 18.10.2007, S. 3  Renz, Gabriele, Schwarz, aber auch ganz schön bunt, in: Südkurier Nr. 93 (Ausgabe Konstanz), vom 21.04.2012, S. 9  Sattler, Karl-Otto, Umwelt und Verkehr, „Nai hämmer gsait“: Die Platzbesetzung von Wyhl, Der Kampf gegen das Atomkraftwerk hatte weit

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reichende Folgen, in: Momente, Beiträge zur Landeskunde von Baden- Württemberg, Sonderausgabe, Nr. 01/2002, S. 94-95, Hrg. Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, 2002  Scharfe / Kaschuba / Lipp, Infrastrukturpolitik und Wirtschaftsentwicklung. Eine Fallstudie aus der Zeit der württembergischen Frühindustrialisierung, in: Der Bürger im Staat, Heft 1, 1977  Schröder, Michael, Heftige Kritik an „Daimler AG“, in: Fränkische Nachrichten, Ausgabe Buchen/Walldürn, Nr. 229, vom 04.10.2007, S. 1  Schröder, Michael, Kampf um Benz, in: Fränkische Nachrichten, Ausgabe Buchen/Walldürn, Nr. 229, vom 04.10.2007, Kommentare, S. 2  Todt, Jens, Lokalderby, Gelbfiaßler und Spätzleskicker, Fans des SC Freiburg und des VfB Stuttgart vereint herzliche Abneigung, in: Momente, Beiträge zur Landeskunde von Baden-Württemberg, Sonderausgabe, Nr. 01/2002, S. 104- 105, Hrg. Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, 2002  Van Bebber, Frank, Konstanz, Universität jubelt über Millionen, in: Südkurier Nr. 238 (Ausgabe Konstanz), vom 14.10.2006, S. 21  Wehling, Hans-Georg, Staatsanzeiger-Interview, „Südweststaat ist kein Modell für eine allgemeine Neugliederung“, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg, Nr. 2, vom 21.01.2002, S. 3  Weinacht, Paul-Ludwig, Der Kampf um den Südweststaat, Der letzte Präsident, Leo Wohleb wollte Baden vereinigen, in: Momente, Beiträge zur Landeskunde von Baden-Württemberg, Sonderausgabe, Nr. 01/2002, S. 32-33, Hrg. Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, 2002  Wolfram, Edgar, Das Land nach dem Krieg, Besatzungspolitik der Siegermächte, in: Momente, Beiträge zur Landeskunde von Baden- Württemberg, Sonderausgabe, Nr. 01/2002, S. 8-13, Hrg. Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, 2002  Wolfram, Edgar, Das Land nach dem Krieg, Die drei Vorgänger Baden- Württembergs, in: Momente, Beiträge zur Landeskunde von Baden- Württemberg, Sonderausgabe, Nr. 01/2002, S. 14-17, Hrg. Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, 2002

*Redaktionsfehler bei Angabe der Ausgabennummer

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Landtagsprotokolle:  Verhandlungen des Landtags von Baden-Württemberg, 5. Wahlperiode 1968-1972, Protokollband IV, 61. - 80.Sitzung, 20. Februar 1970 bis 17. Septemebr 1970, Seite 3403-4640, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, Stuttgart, 1971  Kleine Anfrage des Abg. Walter Heiler SPD und Antwort des Wirtschaftsministeriums vom 31.08.1999, Landtag von Baden-Württemberg, 12. Wahlperiode, Drucksache 12/4373, Hrg.Landtag von Baden-Württemberg, Stuttgart, 1999  Landtag von Baden-Württemberg, 5. Wahlperiode 1968-1972, Verzeichnis der Drucksachen, Band XIV, Drucksachen3901-4200, 20. Januar bis 22. April 1971, Drucksache V – 4000 vom 5. Februar 1971, Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Verwaltungsreform, Hrg. Landtag von Baden-Württemberg, Stuttgart, 1972

Staatsministerium Baden-Württemberg:  Pressemitteilung Nr. 55/71 vom 17. Februar 1971, Landesregierung legt Ergebnisse der demoskopischen Umfrage zur Verwaltungsreform auf den Tisch, Stuttgart, 1971

Innenministerium Baden-Württemberg:  Denkmodell der Landesregierung zur Kreisreform in Baden-Württemberg, Hrg. Innenministerium Baden-Württemberg, Stuttgart, 1969  Zielplanung der Landesregierung für die Gemeindereform, Hrg. Innenministerium und Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 1973

Archivalien des Hauptstaatsarchivs Stuttgart:  Bestände EA 1/106 Staatsministerium: Pressestelle 1945-1969  Bestände EA 1/107 Staatsministerium : Zeitungsdokumentation 1955-1980  Bestände EA 1/108 Staatsministerium: Pressemitteilungen 1970-1984  Bestände EA 1/161 Staatsministerium: Eingaben an den Ministerpräsidenten 1945-1980  Bestände EA 1/921-923 Staatsministerium, Az.: 1020-1024 Volksbegehren in Baden, Badenfrage, Neugliederung  Bestände EA 1/924 Staatsministerium, Az.:1041, 1043, 1044 Landesjubiläum, Bücher und Zeitschriften über das Land.  Bestände EA 2/104 Innenministerium: Persönlicher Referent des Innenministers 1959-1964 465

 Sammlungsbestände J 122 Drucksachen von Behörden, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts (amtliche Druckschriften), begonnen 1974  Bestände J 155/2 Zeitungssammlung: Jüngere Zeitungen 19./20. Jh.  Bestände J 192 Zeitungsausschnittsammlung zur allgemeinen Landeskunde 1971-1990  Bestände Q 1/8 Nachlässe der Ministerpräsidenten, Nachlass Dr. Reinhold Maier, Ministerpräsident, FDP- Bundesvorsitzender  Bestände Q 1/35 Nachlass Dr. Gebhard Müller, Ministerpräsident, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, CDU-Politiker

Audiovisuelle Quellen im AV-Archiv Stuttgart:  Bestände R5/001D451147/007 Rede Wohlebs im Vorfeld der Volksabstimmung des Jahres 1951, Auseinandersetzung um die Bildung des Südweststaats 1952, Erhalt Badens

Archivalien des Staatsarchivs Freiburg :  Bestand T1 Leo Wohleb, Nr. 13 Baden und Württemberg oder Südweststaat  Bestand C5/1, Nr. 2784 Rundfunk, Interview des Südwestfunks mit Staatspräsident Wohleb am 13. Juli 1949 (Südweststaat-Frage)  Bestand C5/1, Nr. 2763 dpa-Interview von Staatspräsident Wohleb vom 1. Februar 19451 zur Volksbefragung

Berichte des Instituts für Demoskopie in Allensbach:  IfD-Bericht 4: Bericht über die Ergebnisse einer Umfrage „Württemberg- Baden“, Allenbach, 20. August 1948  IfD-Bericht 70: Die Stimmung in Baden, Bericht über eine Umfrage vor der Volksabstimmung am 24.09.1950, Allensbach, Juli 1950

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 IfD-Bericht 126: Die Stimmung in Baden, Eine Umfrage vor der Voksanstimmung im Herbst 1951, Allensbach, Juni / Juli 1951  IfD-Bericht 1037: Die Stimmung in Baden 1963, Analyse der altbadischen Bewegung in 16 badischen Kreisen, Das Schicksal der altbadischen Bewegung 1951-1963, S. 1-17, Allensbach, 08. März 1963  IfD-Bericht 1037: Die Stimmung in Baden 1963, Politisch-soziologische Beobachtungen über die Altbaden-Bewegung, S. 18-55, Allensbach, 08. März 1963  IfD-Bericht 1037: Die Stimmung in Baden 1963, Einzelporträts von 16 badischen Kreisen, S. 56-64, Allensbach, 08. März 1963  IfD-Bericht 1037: Die Stimmung in Baden 1963, Vor dem erneuten Volksentscheid in Baden, Stimmenverteilung und Stimmung, S. 55-133, Allensbach, 08. März 1963

Digitale Quellen:  http://lv-baden.de (28.12.2010), Landesvereinigung Baden in Europa e.V., http://lv-baden.de/a/web/satzung.html  http://lv-baden.de (28.12.2010), Homberg, Rüdiger, Kampf um Namen Benz noch nicht aufgegeben, Meldung vom 13.09.2007. http://lv- baden.de/a/files/pm/13-09-07_Unterschriften_Benz.pdf  www.fdp.-bw.de, Rede des FDP/DVP-Landesvorsitzenden Dr. Walter Döring anlässlich des 50-jährigen Jubiläum der Gründung des Landes Baden- Württemberg (http://www.fdp.-bw.de/docs/Rededoepresse.rtf.) (14.10.2010)  http://freistaatbaden.bplaced.net/index.htm (09.05.2011)  http://www.lmz-bw.de  http://www.villingen-schwenningen.de (14.11.2010), Ergebnis OB-Wahl 2010, Meldung vom 25.10.2010 http://www.villingen- schwenningen.de/fileadmin/wahl/ob_2010/html/ob10.html  http://www.suedkurier.de (16.11.2010), Ergebnis einer Umfrage, Existiert in Villingen-Schwennigen eine gemeinsame Identität? Meldung vom 27.10.2010. http:// www.suedkurier.de/_/tools/tedstat.html

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 http://www.suedkurier.de (16.11.2010), Hoffmann, Claudia, Mühsamer Weg zur gemeinsamen Stadt, Meldung vom 27.10.2010. http://www.suedkurier.de/region/schwarzwald-baar-heuberg/villingen- schwenningen/...  http://www.schwarzwälder-bote.de (13.11.2010), Bäckermann, Kirsten, OB- Wahl spaltet Doppelstadt, Meldung vom 25.10.2010. http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.  http://www.schwarzwälder-bote.de (13.11.2010), dpa, Kubon: VS soll stärker zusammenwachsen, Meldung vom 30.10.2010. http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt  http://www.bfsbw.de (05.01.2011), Bund Freiheit statt Baden-Württemberg e.V., Satzung vom 04.02.1989. http://vfv- karlsruhe.de/body_bfsbw_satzung.html  http://www.baden-fan.de (06.01.2011)  http://www.baden-fanartikel.de (06.01.2011)  http://www.jochen-birk.de/schwabenwitze.htm (08.01.2011)  http://www.freitag.de (09.01.2011), Online Magazin „der Freitag“ http://www.freitag.de/2002/17/02170131.php online Magazin „der Freitag“  http://www.elkeswelt.de (12.01.2011), Elkes Schwaben-Seiten, www.elkeswelt.de/schwaebisch/switz.htm  http://rechnungshof.baden-wuerttemberg.de (08.02.2011), Beratende Äußerung, Struktur der Sportselbstverwaltung in Baden-Württemberg, August 2006. http://rechnungshof.baden-wuerttemberg.de/inhalt/frame.html  http://artikel5.de/gesetze/swr-stv.html (28.11.2011)

 http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv005034.html (BverfGE 5,34 – Baden- Abstimmung Auszüge aus der Urteilsbegründung), 05.03.2012

 www.landesmuseum.de/website/Deutsch/Sonderausstellungen/Vorschau/Bade n_900_Jahre.htm (06.06.2012)

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