Josef Zemp – Der Erste Konservative Im Bundesrat (1881–1908)
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NeuöZürcörZäitung SCHWEIZ Montag, 8. Dezember 2008 Nr. 287 11 Ein Anfang der Konkordanz Josef Zemp – der erste Konservative im Bundesrat (1881–1908) Der 100. Todestag Josef Zemps, des ersten ein und war von 1863 an bis zu seiner Wahl in den schwierigen Situation hatte er gleich das Post- Katholisch-Konservativen im Bundesrat, Bundesrat Mitglied des Luzerner Grossen Rats. und Eisenbahndepartement zu übernehmen. ist Anlass zu Rückblicken auf die Integra- 1871 in den Ständerat und 1872 in den Nationalrat gewählt, war er die treibende Kraft für die Bil- Nationalisierung der Bahnen tion unterschiedlicher Kräfte in und durch dung der Konservativen Union. Der etwas para- Der Bund hatte Bau und Betrieb von Eisen- die Landesregierung. Zemp bewerkstel- doxe Versuch, die antizentralistischen Kantonal- bahnen 1852 privaten, kantonal konzessionierten ligte die einst von ihm bekämpfte parteien national zu organisieren, scheiterte. Unternehmen überlassen und verstärkte erst spä- Verstaatlichung der Eisenbahnen. Einen Durchbruch zur Mitwirkung der Kon- ter schrittweise seinen Einfluss. So kam es, wie servativen auf eidgenössischer Ebene bedeutete Christoph Maria Merki ausführt, zu einer Kon- C. W. Zwei Tage vor einer Bundesratsersatzwahl, die 1884 überwiesene Motion Zemp-Keel-Pe- kurrenz mehrerer, oft nicht nachhaltig operieren- bei der es vor allem um die Auslegung der «Kon- drazzini. Sie forderte zwar eine Revision wichti- der Gesellschaften, zur zunehmenden Bedeutung kordanz» geht, sind es 100 Jahre seit dem Tod von ger Verfassungsartikel (Ausbau der Volksrechte, ausländischer Investoren und besonders nach Josef Zemp her, dessen Wahl in die Landesregie- allenfalls Proporzwahl, bestimmte Kompetenzen Konjunktureinbrüchen zu finanziellen Proble- rung 1891 ein grosser Schritt der Versöhnung mit für die Kantone, Schutz konfessioneller Schulen), men. Als Anwalt hatte Josef Zemp mit entspre- den einstigen Gegnern des liberalen Bundesstaats markierte aber die Abkehr von der systemati- chenden Rechtsstreitigkeiten zu tun und vertrat gewesen war. Ein zum Gedenken herausgegebe- schen Opposition, die in den «Referendumsstür- zum Beispiel Obligationäre, die sich gegen die nes Buch über Zemp, das Beiträge über die Ge- men» der zehn Jahre seit Einführung der Volks- Verpfändung des Nordostbahn-Netzes wehrten. schichte wie über die Gegenwart enthält, hat da- abstimmungen fast einem Dutzend Vorlagen zum Einem Rückkauf der Bahnen durch den Bund durch zusätzlich aktuelle Bezüge erhalten und Verhängnis geworden war. widersetzte sich der Politiker – und Verwaltungs- regt zu manchen Vergleichen an. Die radikal-liberale Mehrheit, die den Bun- rat der Centralbahn – indessen entschieden, «weil desrat monopolisierte, tat ihrerseits Schritte aus die Eisenbahnzentralisation der kürzeste Weg Von der Opposition zur Annäherung der Blockade. 1887 wurde Zemp als erster Kon- zum politischen Einheitsstaate ist» (1883). Josef Zemp, 1834 in Entlebuch geboren, erlebte servativer Nationalratspräsident. Als Emil Welti Das Volk sagte zwar 1891 Nein zum Ankauf zwar den Sonderbundskrieg, doch anders als die nach Ablehnung seiner Bahnvorlage am 6. De- von Centralbahn-Aktien. Doch der Unmut über damals engagierte Generation begann er seine zember 1891 sofort zurücktrat, fing der Freisinn die «Eisenbahnbarone», die Verhältnisse im Aus- Der erste katholisch-konservative Bundesrat, Josef Tätigkeit im bereits bestehenden und sich ent- «die Regierungskrise dadurch auf, dass er der land, militärische und praktische Argumente für Zemp. Ölbild von Ludwig Bucher, 1929. PD wickelnden Bundesstaat. Er studierte Recht in katholisch-konservativen Opposition einen Sitz eine Staatsbahn fielen immer mehr ins Gewicht. München und Heidelberg (die «katholische» Uni- im Bundesrat anbot» (Urs Altermatt). Am Im Bundesrat änderte Zemp allmählich seine eine klare Volksmehrheit. In den folgenden Jah- versität Freiburg existierte noch nicht), präsi- 17. Dezember wurde Zemp auf Vorschlag seiner Meinung. Er legte ein Gesetz vor, das den Erwerb ren wurden mehrere Verstaatlichungen realisiert, dierte 1857/58 den (katholischen) Studentenver- Fraktion mit 129 von 183 Stimmen gewählt. In der wichtiger Bahnen vorsah, und gewann dafür 1898 1902 entstanden die SBB. Zemp erwarb sich auch Verdienste um die PTT und nicht zuletzt um den Wechsel von der 30 Minuten zurückliegenden Berner zur mitteleuropäischen Zeit. Nach fast 17 Jahren trat er im Sommer 1908 zurück und starb wenige Monate später, am 8. Dezember. Eine Person des Ausgleichs eFür Zemps Amtsverständnis ist bezeichnend, dass er den Sitzungen seiner Fraktion sowie dem Katholikentag von 1903 fernblieb. Sein Einlen- ken auf eine gewisse Modernisierung hat wohl auch mit den Zeitumständen zu tun. Übrigens können Politiker längst etablierter Parteien im Amt ebenfalls in einen Gegensatz zu früheren Positionen geraten. Zemp war als Mann des Aus- gleichs auch persönlich ein «Wegbereiter der hel- vetischen Konkordanz» (Altermatt). Zu deren Kontext gehörte schon damals die direkte Demo- kratie. Historische Muster müssen aber nicht für die (Re-)Integration jeder Partei strikt mass- gebend sein. Josef Zemp. Ein Bundesrat schafft den Ausgleich. Sein Leben und Wirken im Dialog mit der Gegenwart. Redaktion: Alois Der Bundesrat 1901: Ernst Brenner, Eduard Müller, Robert Comtesse, Josef Zemp (Post und Bahn), Marc-Emile Ruchet, Adolf Deucher und Walter Hauser. PD Hartmann, Hans Moos. Druckerei Schüpfheim. 187 S., Fr. 32.50. Für Arbeitsplätze braucht die Schweiz offene Märkte Ein Blick zurück auf die Bankenkrise von 1933 Von Fulvio Pelli, Nationalrat, Präsident der FDP met. In der zweiten Sessionswoche behandeln Die Schweiz soll der gegenwärtigen Wirt- Auch damals erlebten die USA einen Konsumen- tem Absatzmarkt. Hier verdienen wir jeden National- und Ständerat das Hilfspaket zugunsten schaftskrise nicht mit hektischen Kon- tenstreik und hohe Arbeitslosigkeit. Die Folge dritten Franken. Diese Arbeitsplätze dürfen der UBS. Ein Blick zurück auf die dreissiger Jahre junkturprogrammen begegnen, sondern war Protektionismus gegenüber den aufstreben- wir nicht aufs Spiel setzen. ist in diesem Zusammenhang von einigem Inter- den Ländern Japan und Deutschland. Der US- 2. Die Dauha-Runde der WTO ist rasch abzu- esse. Im Herbst 1933 ging die Schweizerische mit einer aktiven multilateralen und bila- Kongress erhöhte die Zölle auf 20 000 Gütern auf schliessen. Zurzeit laufen solche Gespräche in Volksbank (SVB) den Bundesrat und die Natio- teralen Aussenwirtschaftspolitik für offene ein Rekordniveau. Der zuvor mit protektionisti- Genf. Diese hat der Bundesrat engagiert zu nalbank um Hilfe an. Das Institut war aufgrund Märkte sorgen. Diese Forderung erhebt schen Slogans gewählte Präsident Hoover unter- unterstützen. Ziel ist ein gutes Resultat für der internationalen Wirtschaftskrise und des Zu- Parteipräsident Fulvio Pelli auch mit schrieb das Gesetz. Andere Staaten reagierten Industrie und Dienstleistungen, das heisst für sammenbruchs des Währungssystems in eine Blick auf die Debatte zum Hilfspaket für mit Vergeltungsmassnahmen, und die Welt stürz- 99 Prozent der Wirtschaft. Der Landwirtschaft schwere Notlage geraten. 1933 schätzte die Bank- die UBS am Montag im Nationalrat. te in einen Handelskrieg, der die Rezession zur soll in einer Übergangsphase grosszügig bei der leitung den Abschreibungsbedarf auf 119 Millio- Depression vertiefte und bis zur Explosion der Strukturanpassung geholfen werden, damit sie nen Franken. Im Dezember 1933 verabschiedete Staatsausgaben im Zweiten Weltkrieg verlänger- dank Schweizer Qualität ihre Nische findet. das Parlament einen Sanierungsplan, der vorsah, Überall werden Rezepte gegen die Wirtschafts- te. Der Welthandel brach um 66 Prozent ein, Ver- Budgetrückstellungen des Bundesrats sichern dass sich der Bund mit einem Stammkapital von krise diskutiert. Im Vordergrund stehen Konjunk- lierer waren alle. ihr eine Finanzsicherheit, von der andere Sek- 100 Millionen Franken an der SVB beteiligen und turprogramme. Vergessen wird dabei ein gerade Wie damals haben auch heute die Bürger toren nur träumen können. dafür eine angemessene Vertretung im Verwal- für die Schweiz zentraler Bereich – die Notwen- Angst. Sie sind anfällig für Protektionisten und 3. Auf die multilaterale Schiene allein können wir tungsrat erhalten würde. digkeit offener Märkte und einer aktiven Aussen- Nationalisten von links und rechts. Protektionis- uns aber nicht verlassen. Der Bundesrat soll Das Schweizerische Bundesarchiv schaltet am wirtschaftspolitik. mus war im US-Wahlkampf ebenso präsent wie deshalb der Regierung Obama auch die Wie- Montag zur Erinnerung an die damalige Ret- In den USA fielen im November 530 000 Stel- bei uns im Abstimmungskampf um die bilateralen deraufnahme der Verhandlungen zu einem tungsaktion Quellen zur Bewältigung der Ban- len der Rezession zum Opfer, und auch in Verträge oder in der Diskussion um ein WTO- Freihandelsabkommen beantragen, mit der kenkrise in den dreissiger Jahren auf seine Web- Europa, Japan und China stehen die Zeichen auf Abkommen. Zudem fehlt es der Welt an Führung. EU das Agrarabkommen verhandeln und welt- site auf. Im Wesentlichen geht es um Protokolle Sturm. Die Welt steht vor einer riesigen Heraus- Die Führungsschwäche Grossbritanniens nach weit ein möglichst enges Netz von Handelsver- der Sitzungen des Bundesrates, den Bundes- forderung: Wie reagieren wir auf die schlimmste dem Ersten Weltkrieg erleichterte den Handels- trägen knüpfen. Dabei sind die Beziehungen zu beschluss vom 8. Dezember 1933 und die Bericht- Krise der letzten achtzig