1974-19941974-1994 2020 Jahre Jahre Neonazis Neonazis inin Hamburg Hamburg

4DM4DM SchülerInnenSchülerInnen 3DM3DM INHALT

VORWORT 3 Impressum DIE OFFIZIELLE SICHT 4

WIE ALLES ANFING - NSDAP UND „HANSA BANDE“ 5 Herausgeber: Antifaschistische Gruppe 1974 – NSDAP-Treffen im Haus des Sports mit Christophersen und Lauck 5 „DRUSCHBA NARODNYCH” Die „Hansa Bande“ Michael Kühnens 5 c/o Hamburger Satz- und Die Eselsmasken-Aktion 6 Verlags-Kooperative GmbH Die „Aktionsfront Nationaler Sozialisten“ (ANS) 7 Schulterblatt 58 Frauenpolitik – Fehlanzeige! 7 20 357 Hamburg Der Mord an Johannes Bügner 8 V.i.S.d.P.: Heinrich Eckhoff Erscheinungsdatum: 07.10.1994 - AKTIVIST DER ERSTEN STUNDE 9 2. unveränderte Auflage

Rechte Hand von Michael Kühnen 9 Bestellungen an die Im Führungskreis der „Gesinnungsgemeinschaft der neuen Front“ (GDNF) 10 Verlagsadresse Worchs Aktivitäten – eine Chronologie 10 Normalpreis 4DM Organisator des „Aufbauplanes Ost“ und der Heß-Märsche 11 Preis für SchülerInnen 3DM Organisator des Nazi-Terrors („Anti-Antifa“, „Einblick“) 13 plus 1 DM/Heft Porto bei Versand JÜRGEN RIEGER - ANWALT DER BRAUNEN SZENE 14

Aktivist des Neonazismus 14 Anwalt der alten und neuen Nazis 15 Sein Landhaus in der Heide 16 Braune Rechtshilfe 17

DIE FAP 18

Nach Verbot der ANS „Unterschlupf“ der Neonazis 18 Die Freiheitliche Arbeieterpartei Deutschlands (FAP) in Hamburg 18 Das Komitee Adolf Hitler 19 – ein Nazi und Krimineller 20 Die Bundesgeschäftsstelle in Halstenbek und die Brüder Goertz 20 Die Nationale Liste Hamburg 21 Willi Wegner – eine Nazi-Karriere 23

BRAUNE TECHNIK-FREAKS 24

Nationales Infotelefon Hamburg 24 Datennetze der Neonazis 24 Eine Bewegung in Waffen 25 Nazipropaganda durch Grundrechte geschützt? 25

TERROR VON RECHTS 27

Die Zeitschrift „INDEX“ (Hamburg 1992) 27 Der „EINBLICK“ – Aufforderung zum Terror 27 Der Fall Wilhelmshaven 28 Hamburger Vorfälle 28

RECHTES AUS HAMBURG 30

Bergedorf – ein Zentrum der Neonazis 30 Braunes an den Universitäten 30 Zum Titelblatt: Nazis und Homosexuelle 32 Das Foto zeigt die Teilnehmer der Nazi-Anschläge in Hamburg und Umgebung-eine unvollständige Sammlung 32 Veranstaltung im Haus des Sports, von links: Wolf-Dieter Eckart, UNERLAUBTE FRAGEN? 34 H.J. Neumann, Gary Rex Lauck, Thies Christophersen, LITERATUR UND (EIN PAAR) ADRESSEN 35 Willi Wübbels INTERVIEW MIT JÜRGEN BRAMMER 36

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 2 VORWORT

Vorwort

ine Dokumentation über die Neona- zi-Szene in Hamburg erschien uns Eschon seit längerer Zeit überfällig. Seit nunmehr 20 Jahren, angefangen von einer Veranstaltung im Herbst 1974 im Hamburger „Haus des Sports“, wo die Gründung einer NSDAP in Hamburg beschlossen wurde, bis heute können Kader des Neonazismus in Hamburg ihr Unwesen treiben, ohne da§ sie wesentlich von den Behörden behindert werden. Wenn heute Nazis in Deutschland mit nahezu unver- hülltem Hitlergruß aufmarschieren, wenn sie sich je nachdem mit braunen, SA-ähnli- chen oder schwarzen, SS-ähnlichen Unifor- Unter anderem waren diese Anschuldigungen gegen Polizeibeamte Anlaß für Hamburgs Innensenator men kostümieren, wenn in immer dreisterer Hackmann, im September 1994 zurückzutreten. Zumindest der Vorwurf gegen einen der beiden Polizisten Form die Verbrechen des Faschismus, die hat sich offenbar bestätigt. Gaskammern in Auschwitz und die syste- matische Judenvernichtung geleugnet wer- den, so hat all dies seinen Anfang in Ham- schutzabteilung der Polizei vom Verfas- Völlig im Dunkeln liegt derzeit auch die burg genommen. Zu nennen sind dabei sungsschutz einige Tage vor dem ersten neonazistische Wehrsportgruppe, an deren insbesondere Jürgen Rieger, Christian öffentlichen Auftauchen des Hetzblattes Übungen der Beamte teilgenommen haben Worch und Thomas Wulff, die im heutigen zugeleitet worden – aus einer ãnicht soll. Netzwerk des Neonazismus eine zentrale gerichtsverwertbaren Quelle“. All dies deu- Die vorliegende Zusammenstellung Rolle spielen und deren Bedeutung weit tet darauf hin, daß die Aktivitäten in der beschränkt sich auf die Darstellung der über die Grenzen Hamburgs hinausgeht. Hamburger Neonazi-Szene durchaus unter Neonazi-Szene um Aktionsfront Nationaler Wann die Erklärung des Hamburger Senats den Augen der zuständigen Behörden statt- Sozialisten (ANS), Freiheitliche Arbeiter- vom Sommer 1993, nunmehr das Verbot finden. partei (FAP) und Nationale Liste (NL), die der „Nationalen Liste“ zu beantragen, zu Einen letzten Ansto§ zur Herausgabe wir auch wegen ihres Auftretens manchmal Maßnahmen führen wird, steht in den Ster- dieser Dokumentation gab der Rücktritt des als „Schaftstiefel-Faschisten“ bezeichnet nen. Hamburger Innensenators Hackmann haben. Rechtsradikale Gruppen wie Natio- Die zentrale Bedeutung dieser Nazis (SPD) im September 1994. Anlaß für sei- naldemokratische Partei Deutschlands steht in einem merkwürdigen Gegensatz nen Rücktritt war ein Bericht eines Polizei- (NPD), Hamburger Liste für Ausländerstop zur staatlichen Politik, die bislang nur beamten, der nicht nur mehrere seiner Kol- (HLA), Deutsche Volksunion (DVU) oder wenig Interesse daran bekundete, diesen legen rassistischer Übergriffe und REPs sind hier nicht das Thema. Vögeln das Handwerk zu legen. Und Gewalttaten beschuldigte, sondern nament- Während noch vor wenigen Jahren die während die Hamburger obersten Verfas- lich auch zwei Kollegen benannte, die mit Neonazis bei jeder sich bietenden Gelegen- sungsschützer wie der verstorbene Christi- Neonazis sympathisierten. Einer von die- heit versucht hatten, als eigene Partei zu an Lochte und sein Nachfolger Ernst Uhr- sen beiden soll sich zum Staatsschutz ver- kandidieren, hat sich dies seit den Verboten lau sich bei jeder sich bietenden setzt haben lassen, um so – wie der Bericht und Verbotsdrohungen von Ende 1992 Gelegenheit als herausragende intime Ken- behauptet – ãmit seinen Freunden auf veerändert. Christian Worch hat nicht nur ner der bundesdeutschen Neonazi-Szene Staatskosten Bier trinken“ zu können. Der im Herbst 1993 die Kandidatur des rechts- darzustellen versuchen bzw. versuchten, andere wird beschuldigt, mehrfach an lastigen CDUlers Heitmann zum Bunde- reicht das Wissen der Polizei offenbar nicht Wehrsportübungen im Sachsenwald teilge- spräsidenten unterstützt, sondern ruft seit aus, diese Nazis effektiv aus dem Verkehr nommen zu haben. Genaueres ist dem dem Frühjahr 1994 die Naziszene gegen zu ziehen. Das neueste Beispiel hierfür ist Bericht nicht zu entnehmen. Der Verfasser erheblichen Widerstand in den eigenen der Terror gegen Jürgen Brammer, der wird mittlerweile als unglaubwürdig darzu- Reihen zur Wahl der Republikanern auf. Anfang 1994 über ein Nazi-Pamphlet stellen versucht, der seine Informationen Eines noch vorweg: Wenn mensch sich „Nationales Echo“ der interessierten NS- „vom Hörensagen“, also von Dritten habe. sehr lange und intensiv mit Neonazis Szene als Opfer präsentiert wurde; bislang Bestätigt allerdings scheinen die Kontakte beschäftigt, so kommt es leicht zu einer bestand der Nazi-Terror zum Glück „nur“ zumindest eines Beamten in die rechtsradi- Überschätzung dieser Vögel. Davor sollten aus Telefonanrufen und Drohbriefen. Eben kale Szene. wir uns hüten – Paranoia ist nicht angesagt. dieses „Nationale Echo“ war der Staats-

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 3 DIE OFFIZIELLE SICHT

Die offizielle Sicht

„Deutsche Volksunion“ etwa 700. Die „nur“ stellvertretender Chef der Nationale Republikaner haben 150 Mitglieder und die Liste Hamburgs, der mit seiner im Sommer „Deutsche Liga“ war 1993 in Hamburg 1992 ins Leben gerufenen ãAnti-Antifa- m Hamburger Verfassungsschutzbe- noch im Aufbau. Ende 1992 wurde die Kampagne“ ein Stichwort für den Aufbau richt für 1993 werden für Hamburg Zunahme rechter Aktivitäten zum Anlaß „organisationsübergreifender Strukturen“ I1400 organisierte Rechtsextremisten genommen, neunzehn weitere Beamte gegeben habe. angenommen. Das ist in etwa eine Verdop- beim Staats- und Verfassungsschutz einzu- Innerhalb des militanten rechten Lagers pelung der Zahlen seit Mitte der 80er Jahre stellen. sei – so der VS weiter – durchaus die Ten- und wird vor allem mit dem Anwachsen Als von besonderer Bedeutung wird denz ãgeplanter rechtsextremistischer moti- der „Deutschen Volksunion“ (DVU) des vom Verfassungsschutz (VS) die zuneh- vierter Gewalttaten“ gegeben, was auf gut Gerhard Frey begründet. Die Zahl der mende Vernetzung des „nationalen Lagers“ deutsch nichts anderes bedeutet, da§ inner- rechtsextremistisch motivierten Straftaten angesehen, durch die die bislang zersplit- halb der Nazi-Gruppen offenbar Überle- nahmen von 1992 auf 1993 leicht zu: von terten rechtsextremistischen Organisatio- gungen angestellt und Vorbereitungen 383 auf 397, wobei die Mehrzahl der nen immer enger zusammenarbeiten und getroffen werden, mit explizit konspirativ- Delikte eine eindeutig fremdenfeindliche neue Organisations- und Kommunikations- terroristischen Methoden vorzugehen. Die Ausrichtung aufweist. Die Zahl der mili- formen entwickeln würden. Namentlich Nöglichkeit einer „braunen RAF“ wird an tanten Skinheads, die vom Verfassungs- genannt als eine solche gemeinsame Orga- die Wand gemalt. Diese Tendenz könne, so schutz als das größte Gewaltpotential ange- nisationsform wird das in Hamburg ansäs- der VS warnend, durch zunehmende sehen werden, soll von 120 auf 100 sige „Deutsche Rechtsbüro“, eine bundes- „Repressionsmaßnahmen des Staates“ gesunken sein. Als Mitgliederzahlen der weit operierende juristische geradezu gefördert werden. Es könnten einzelnen rechten Gruppen wurde Ende Selbsthilfeeinrichtung der Neonazi-Szene, ãzur Militanz neigende Rechtsextremisten 1992 dabei folgendes angegeben: Nationale die regelmäßig über die rechtlichen Fragen zu dem Ergebnis kommen, da§ anstelle Liste mit 30 Mitgliedern; FAP: 15 Mitglie- von Nazi-Aktivitäten aufzuklären versucht, legaler Arbeit nur noch Gewalt zur Durch- der. NL und FAP werden von etwa 100 Tips gibt für „legale“ Aktionen etc. Eine setzung der eigenen politischen Ziele mög- rechtsradikalen Skins unterstützt. Diese wesentliche Rolle bei dieser Vernetzung lich ist“. Skinheads haben auch Kontakte zum ame- spielen auch zunehmend die neuen elektro- Wenn es nach dem VS ginge, sollte also rikanischen „KuKluxKlan“ (KKK), der nischen Kommunikationsmedien wie Mail- gegen die Nazis nicht allzuviel getan wer- periodisch in Deutschland mit Aktivitäten boxen in Computernetzen, Info-Telefone den, weil ansonsten von deren Seite Terror hervortritt Die NPD hat etwa 100 Mitglie- etc. drohe. der, die NPD-nahe „Hamburger Liste für Eine herausragende Rolle dabei spielt Ausländerstop“ (HLA) 180 Mitglieder, die nach Ansicht des VS Christian Worch,

Bildzeitung vom 2.12.1992

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 4 WIE ALLES ANFING - NSDAP UND „HANSA-BANDE“

Wie alles anfing – NSDAP und „Hansa Bande“

den), weil er sich nach Jahren einer trauri- 1974 – NSDAP-Treffen gen Justizposse einer endgültig anzutreten- den Haftstrafe nur durch Flucht nach Däne- im Haus des Sports mark entziehen konnte. Sein Pa§ allerdings wurde 1993 mit Hilfe seiner in Süddeutsch- mit Christophersen und Lauck land lebenden Schwester verlängert, wo Christophersen sich anmelden konnte, obwohl er auf der Fahndungsliste steht. Aus Hamburg war bei der Versammlung 1974 Wolf-Dieter Eckart dabei, der den Roeder veröffentlicht und prägte den ersten Stützpunkt einer neuen NSDAP in Begriff „Auschwitzlüge“, der heute allge- Hamburg aufmachte. Mit H. J. Neumann m Herbst 1974, am 10. November, tra- mein verwendet wird, wenn Nazis die nahm ein weiterer Nazi teil, der wenig spä- fen sich im Hamburger ãHaus des systematischen Verbrechen des histori- ter wegen eines Überfalls auf den linken ISports“ einige Neonazis, um eine neue schen Faschismus leugnen. Die FR schlug Göttinger Buchladen „polibula“ verurteilt NSDAP in Hamburg zu gründen. Mit von vor, unter Antifaschisten in Zukunft von wurde und nach seiner Haft nach Südafrika der Partie waren der Amerikaner Gary Rex „Auschwitzleugnung“ zu sprechen. Man- ging. Außerdem war mit Wilhelm Wüb- Lauck aus Lincoln in Nebraska/USA, der fred Roeder avancierte später zum Chef der bels, einem Frührentner aus Bocholt, der als Chef der NSDAP/AO gilt. Das „AO“, terroristischen ãDeutschen Aktionsgrup- erste „Reichsleiter“ der neuen NSDAP steht dabei entweder für Aufbau- oder Aus- pen“, deren Mitglieder 1980 in Hamburg anwesend. landsorganisation. Aus Deutschland dabei zwei Vietnamesen in einem Ausländerheim Ob die 1975/76 vor allem in Hamburg- war Thies Christophersen, damals Land- umbrachten. Roeder ist heute nach Ver- Altona aktive „Faschistische Front“ des wirt aus Schleswig-Holstein und ehemals büßung einer langen Freiheitsstrafe als Michael Borchardt mit diesen NSDAP- SS-Wachmann in einem Nebenlager von Chef dieser terroristischen Gruppe wieder Aktivisten in Verbindung stand, konnte nie Auschwitz. Sein „Bericht “ – ãDie Ausch- in Freiheit. Thies Christophersen lebt heute geklärt werden. witzlüge“ wurde vom Neonazi Manfred in Dänemark (in Kollund bei Nazi-Freun-

Die „Hansa Bande“ Michael Kühnens

einigung zur Förderung des monarchisti- Tabu. Die Mitglieder dieses Vereins kamen m September 1977 wurden in der schen Gedankens e.V.“ aufgetreten, bevor alle aus der NPD-Jugendorganisation ãJun- Hamburger Innenstadt beim Ritzen er mit diesem als „Hansa-Bande“ berühmt ge Nationaldemokraten“, denen die Mutter- Ivon Hakenkreuzrunen in Schaufenster- gewordenen Verein eine für die Bundesre- partei zu träge geworden war. Für ihre scheiben drei Neonazis festgenommen, die publik erste öffentlich agierende Gruppe Aktionen konnte die Bande auch auf Mittel sich als Mitglieder eines ãFreizeitvereins von Hakenkreuz-Nazis gründete. Mit ihrem der neonazistischen Wiking-Jugend Hansa“ ausgaben: Michael Kühnen, Lutz offenen Bekenntnis zum Nationalsozialis- zurückgreifen. So fuhren sie in deren Bus Wegener und Tibor Schwarz. Michael mus, ihrer Forderung nach ãWiederzulas- beispielsweise zu Provokationen nach Kühnen, damals Leutnant der Bundeswehr, sung der NSDAP“ etc. durchbrach diese Nürnberg, und der schleswig-holsteinische war noch wenige Monate zuvor als Vertre- Gruppe ein bislang für die meisten rechts- „Gauführer“ dieses Vereins, Uwe Rohwer, ter eines Vereins ãErbe und Auftrag Ð Ver- radikalen Gruppen Deutschland geltendes war sozusagen der „militärische Leiter“ der

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 5 WIE ALLES ANFING - NSDAP UND „HANSA-BANDE“

Bande. Kühnen selbst soll, nachdem er reichischen Hetzblatt „Sieg“ des mittler- schon als Schüler im Rheinland im NPD- weile nach Spanien abgetauchten Nazis Umfeld aktiv gewesen war, während seiner Walter Ochsenberger. Um die Welt ging Die Eselsmasken- Bundeswehrzeit in Hammelburg mit Neo- der Bericht über eine Versammlung von nazis in Kontakt gekommen sein. Dort soll Kühnen, Christophersen, Rohwer und Karl- Aktion er den „Auftrag“ bekommen haben, in Heinz Hoffmann im Februar 1978 in Ham- Hamburg eine NS-Gruppe aufzubauen. Bis burg-Lurup, wo die Polizei diese Ver- zu seinem Ausschlu§ aus der Bundeswehr sammlung der Neonazis gegen den Protest konnte er dies als Leutnant und Student der einiger hundert AntifaschistInnen schützte Bundeswehrhochschule von der Bundes- und den Nazis den Zugang zum Versamm- wehrkaserne in Rahlstedt aus betreiben. lungslokal freiprügelte. Die Mehrzahl der Die Gruppe selbst agierte unter ver- an dieser Versammlung teilnehmenden schiedensten Namen: Als ãSA-Sturm Nazis sind in den nachfolgenden Jahren 8. Mai“ wurde sie in den Blättern der „ille- wegen schwerster Verbrechen verurteilt ichael Kühnen ging mit seiner galen NSDAP“ bezeichnet; als angeblich worden. Nazi-Gruppe einen etwas unpolitischer „Freizeitverein Hansa“ ver- Uwe Rohwer von der Wiking-Jugend M anderen Weg. Zwar sind auch suchte sie ihre Treffen etc. legal erscheinen wurde verurteilt, weil er gemeinsam mit aus dieser Bande Terror und Mord hervor- zu lassen. Im November 1977 trat sie auf anderen Nazis, darunter Lutz Wegener, auf gegangen und eine geheime ãWehrwolfor- einer ersten öffentlichen Versammlung in dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohne ganisation“ koordinierte auch die terroristi- Wandsbek als ãAktionsfront Nationaler niederländische Soldaten überfallen und schen Teile des Nazi-Geflechts, Sozialisten“ (ANS) in Erscheinung; unter mehrere Maschinenpistolen geraubt hatte. hervorstechendes Merkmal aber war der diesem Namen operierte sie seitdem auch Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoff- provokativ an die Öffentlichkeit getragene bundesweit bis zu ihrem Verbot 1983. Spä- mann haben die Bombe auf dem Münchner NS-Faschismus. So wurden Versammlun- ter wurde die Gründung der ANS auf den Oktoberfest im Jahr 1980 gelegt, bei der 17 gen organisiert, zu denen Journalisten ein- 8. Mai 1977 „vorverlegt“. Von antifaschi- Menschen ums Leben kamen. Im Libanon, geladen wurden, deren einziger Zweck die stischer Seite wurde für die Gruppe der wohin sich seine Truppe abgesetzt hatte, öffentliche NS-Propaganda war. Die Fahne Begriff „Hansa-Bande“ geprägt. soll Hoffmann selbst Mitglieder seiner der ANS war ein „negativ“ dargestelltes Innerhalb kürzester Zeit hatten die pro- Truppe qualvoll gefoltert und umgebracht Hakenkreuz, der Gruß der berühmte „Küh- vokativen Aufmärsche die Bande bundes- haben, wofür er in Deutschland angeblich nen-Gruß“, ein nur unwesentlich abgewan- weit bekannt gemacht. Nahezu alle in der nicht belangt werden kann. Als ein weiteres delter Hitlergru§, gegen den angeblich juri- Bundesrepublik agierenden übrigen Nazi- Mitglied verurteilt wurde, weil es den jüdi- stisch nichts zu machen sei. Erst jetzt Gruppen orientierten sich an der Hansa- schen Verleger Shlomo Levy und dessen wurde diese Art der „verfremdeten“, den- Bande: Uwe Rohwer von der Wiking- Lebensgefährtin in Erlangen ermordet hat- noch eindeutig als NS-Symbol gemeinten Jugend in Schleswig-Holstein gehörte te, hielt das Gericht eine Anstiftung durch Darstellung von Symbolen unter Strafe ebenso zu den Bewunderern Kühnens wie Hoffmann nicht für nachgewiesen. Dieser gestellt. Zuständig für das Referat Ideolo- der Nürnberger Karl-Heinz Hoffmann von wurde wegen Geldfälscherei schließlich zu gie war damals Christian Worch, der in der „Wehrsportgruppe Hoffmann“. Die einer langjährigen Gefängnisstrafe verur- verschiedenen Versammlungen als Ober- Hansa-Bande wurde auf Titelseiten solcher teilt. einpeitscher aufgetreten ist. Nazi-Zeitungen abgebildet wie dem öster- Die international am meisten bekannt gewordene Aktion dieser Truppe war die 20.8.1987: Aufmarsch vor dem Haus des entflohenen NS-Kriegsverbrechers Kappler in Soltau. Von Llnks: Christian Worch, Frank Stubbemann, Michael Kühnen, Tibor Schwarz sogenannte „Eselsmaskenaktion“ im Mai 1978, bei der mehrere Mitglieder der Ban- de, darunter Tibor Schwarz, Michael David, Michael Buchmann und Christian Worch sich Eselsmasken aufsetzten und Schilder umhingen: ãIch Esel glaube noch, daß in Auschwitz Juden vergast wurden.“ Ausgangspunkt für diese Aktion war das Nazi- und Schwulen-Lokal CanCan des Hansa-Banden-Mitglieds Lothar Wrobel in St. Georg; die Nazis wurden auf dem Weg in die Innenstadt von Polizei gestoppt und festgenommen. Diese Aktion kann im Nachhinein als der Auftakt eines aggressiv vorgetragenen Geschichtsrevisionismus angesehen wer- den. Heute ist das Leugnen der NS-Verbre- chen in den KZs, hinter der Front durch die faschistischen „Einsatzgruppen“, die syste- matische Vernichtung der Juden und ande- rer als minderwertig angesehener Gruppen sowie der politischen Gegner zentrales Anliegen der Neonazis.

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 6 WIE ALLES ANFING - NSDAP UND „HANSA-BANDE“

Die „Aktionsfront Nationaler Sozialisten”

ie Jahre 1977 - 78 waren für die Nazis um Michael Kühnen Jahre Dhektischer Aktivität, in denen sie die „Aktionsfront Nationaler Sozialisten“ bundesweit auszudehnen versuchten. Zen- traler Programmpunkt der ANS war die „Wiederzulassung der NSDAP“. Die Rei- sekader Kühnen und Worch bereisten die Zeit hinter Gittern verschwand und auch Republik, wurden in Bremen, Hannover, Christian Worch Ð u.a. wegen der Esels- 26.11.1987: Nürnberg etc. festgenommen und wegen masken-Aktion Ð wegen Volksverhetzung Christian Worch auf einer ANS-Veranstaltung NS-Propaganda und Volksverhetzung und anderen Propagandadelikten Ende der angeklagt; sie unterhielten Kontakte zu 70er Jahre einsitzen mu§ten, war die ANS ANS-Verbot aus Deutschland, wurde 1984 Nazi-Terroristen wie der Otte-Gruppe in auch ohne diese beiden Chefs bundesweit dann von Frankreich ausgeliefert und mu§- Braunschweig; Kontakte gab es zu einer zur bekanntesten NS-Gruppe geworden, bis te für dreieinalb Jahre hinter Gitter. „Nationalrevolutionären Arbeiterfront“ in sie schlie§lich 1983 verboten wurde. Nach Dieses eine Jahr lebte Kühnen an unter- Bremen und zu Nazi-Gruppen in Kiel. Einschätzung des Verfassungsschutzes war schiedlichsten Orten. Neben Unterkünften Immer wieder wurden Mitglieder der Grup- damals die Blankeneser Wehrsportgruppe beim 90jährigen Altnazi Carlus Baagoe in pe um Kühnen festgenommen, weil sog. Dems das Sammelbecken für die in der Hamburg waren Pinneberg und Stade bei Todeslisten gegen Demokraten, prominen- Hansestadt führerlos gewordenen Jungna- Edgar Geiss seine Wohnsitze. Überall wur- te Juden und Antifaschisten auftauchten. zis. Insbesondere Detlef Brüel, später im de er, der ja kein Einkommen mehr hatte, Mehrere der ANS-Aktivisten wurden FAP-Vorstand und Kühnen-Gegner, tat von Alt- und Neonazis ausgehalten. wegen Bankraub, Waffendiebstahl etc. ver- sich Anfang der 80er Jahre mehrfach als Hamburg war unter Christian Worch urteilt. Auch in Berlin war eine ANS-Grup- rechtsradikaler Schläger hervor – verteidigt der wichtigste, aber nicht einzige Stütz- pe aktiv, die in einem größeren Prozeß von Jürgen Rieger. Michael Kühnen, 1982 punkt der ANS, die mit Thomas Brehl, dem abgeurteilt wurde. aus einer ersten Haft entlassen und ein Frankfurter Arndt-Heinz Marx und anderen Als erst Michael Kühnen 1978 endlich knappes Jahr wieder für einen Nationalen ihre bundesweite Ausdehnung organisierte. nach vielen Bewährungsstrafen für längere Aufbau der ANS aktiv, floh nach dem

Frauenpolitik – Fehlanzeige!

Christa Goerth, langjährige Vorsitzende sie „Lisa“ genannt. Auch sie scheiterte bis der „Hilfsgemeinschaft für Nationale poli- heute. tische Gefangene“ und In letzter Zeit wurde immer wieder Ursula Worch, mittlerweile ihrem Ehe- berichtet, da§ in der Skin-Szene deren on Anfang an versuchten die mann untreu gewordene Ehefrau von Chri- weibliche Mitglieder, die „Renees“, auch Faschisten, auch speziell zur Frau- stian Worch. mehr in der aktiven „nationale Politik“ mit- Venfrage Politik zu machen. Von ãUnser Vaterland wird uns durch mischen wollen. Dem widerspricht aber Anfang waren bei den Versammlungen der andersartige Kultureinflüsse entfremdet, z.B. der für 1994 vertriebene Renee-Kalen- ANS auch Frauen zu sehen. Mit einer wodurch unser Nationalstolz verlorengeht“ der, der diese als PinUp-Girls in Dessous „Deutschen Frauen-Front“ (DFF) sollte hie§ es in einem der 1984 verteilten Flug- mit Straps und „Nationaler Fahne“ oder eine der „natürlichen Rolle der Frau“ ange- blätter unter dem Titel: „Ausländerrück- Baseballkeule eindeutig als Lustobjekt von messene Organisationsform geschaffen führung durch Volksabstimmung“. Bis auf Machos darstellt. Gesitteter geht’s da bei werden, in der die Freundinnen und Ehe- derartige Kleinstansätze ist uns über eine der Wiking-Jugend zu: „Frauen und Mütter frauen der männlichen Kämpfer das ihre Frauenpolitik der Nazis in Hamburg nichts sind und bleiben Lebensträger unseres für die Bewegung beitragen könnten. Über bekannt. gesamten Volkes.“ Der „ehrvergessenen Ansätze ist dies aber nie hinausgekommen. Nach Ursula Worch, die 1989 den Vor- Frau“, die ihren eigenen Bedürfnissen und Die bekanntesten Vertreter dieser ãFrauen- sitz der DFF abgab, versuchte sich die Vorstellungen folgt und gegen die ãRasser- politik“ sind dabei: Kühnen-Lebensgefährtin Esther Wohl- einheit“ verstößt, seien Strafen – wie Ursula Müller aus Mainz, Ehefrau des schläger in dieser Art Frauenpolitik. angeblich früher bei den Germanen, z.B. Nazis Curt Müller, Wegen ihres jüdischen Vornamens wurde Ertränken im Sumpf – angemessen.

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 7 WIE ALLES ANFING - NSDAP UND „HANSA-BANDE“

wo Enk auf Anweisung Fruehaufs ihn mit Der Mord an Johannes Bügner 20 Messerstichen ermordete. Im Prozeß wurden Kühnen und Worch als Zeugen vernommen und distanzierten Bügner als „schwul“ geoutet. Beiden wird sich scheinheilig: ãWir sind eine politische befohlen, ãmit sofortiger Wirkung jegli- Partei und wir haben die Absicht, in dieser chen Kontakt zu nationalen Leuten, Kame- Bundesrepublik die Macht zu übernehmen. raden und Organisationen abzubrechen, Mord gehört allerdings nicht dazu.“ Die n Hamburg schien die ANS nach den anderenfalls wir Wege wissen, uns vor sol- Tat sei eine Intrige des Verfassungs- Verhaftungen von Kühnen und Worch chen Elementen zu schützen.“ Unmittelbar schutzes, Enk ein mi§brauchtes Werkzeug Izu zerfallen. Sie wurde sogar ãoffizi- vor Abfassung des „info 2“ waren Frueh- etc. Tatsächlich war Fruehauf einen Tag ell“ für aufgelöst erklärt. 1979/80 ging auf, ANS-Mitglied von Anfang an und vor dem Mord offiziell vom Verfassungs- auch der Staatsschutz davon aus, da§ diese Friedhelm Enk, aus der Bundeswehr entlas- schutz als Mitarbeiter angeworben worden. Gruppe nicht mehr existiere. Anfang 1981 sener Nazi und Krimineller (Gefängnisstra- Im Urteil schlie§lich wurde auf den politi- formierte sich die Gruppe aber wieder neu, fe wegen Raub; er wohnte auf Empfehlung schen Hintergrund nicht eingegangen. Fru- wohl auch in der Erwartung, mit der Haft- Kühnens bei Fruehauf und war als Ham- ehauf sei ein „verkappter Schwuler“, der entlassung der Vorkämpfer wieder einen burger ANS-Chef vorgesehen), zu einem seine nicht eingestandene Veranlagung in Aufschwung zu erleben.. Ein Martin Buch- Knastbesuch bei Kühnen gewesen. In der Aggression gegenüber den schwulen ANS- mann verbreitete ein „info 1“, in dem zum Wohnung von Willi Wegner wurde dann Mitgliedern umgesetzt habe, Enk sei voll- „Rausschmiß von Verrätern“ aufgerufen das weitere verabredet: Am Abend des ständig in das Schema von Führer und wurde; in einem „info 2“ vom 25.5.1981 28.5.81 fuhren Wegner, Fruehauf, Enk und Gefolgschaft eingebunden. Fruehauf und forderte Michael Fruehauf unter dem ein weiteres Gruppen-Mitglied, Olaf Enk erhielten jeweils eine lebenslängliche Pseudonym „Oberst Alexander“, „gegen König, zum Schwulen- und Nazi-Treff Strafe, die drei anderen Beteiligten, die Perverse, Homosexuelle und Verräter CanCan des Lothar Wrobel am St.Georgs- Brüder König und Willi Wegner erhielten scharf vorzugehen“. Neben einem weiteren Kirchhof, holten Bügner aus der Kneipe Gefängnisstrafen zwischen 10 und 18 wird auch das ANS-Mitglied Johannes und fuhren an den Hamburger Stadtrand, Monaten.

Eine Chronologie

Jahr Hamburg Deutschland

1974 NSDAP-Veranstaltung im Haus des Sports 1975 Faschistische Front inHamburg 1977 Gründung der ANS in Hamburg ANS-Aufmärsche in Nürnberg; Zusammenarbeit ANS - WSG-Hoffmann 1978 ANS-Mitglieder verüben Überfälle, rauben Waffen; Kühnen wird ver- haftet und im „Bückebugrer Prozeß“ verurteilt. 1979 Gründung der FAP in ; Gründung der „Hilfsgemeinschaft für Nationale politische Gefangene“ (HNG); Gründung der „Nothilfstechnischen Übungs- und Bereitschaftsstaffel“ des Dr. Jürgens 1980 Morde an zwei Vietnamesen durch die „Deutschen Aktionsgruppen“ Attentat auf das Münchner Oktoberfest; Verbot der Wehrsportgruppe Hoffmann 1981 Mord an Johannes Bügner, Wehrsportgruppe Dems in Blankenese; VSBD-Mitglieder liefern sich eine Schießerei mit der Polizei; Aufbau der ANS-Gruppe in Pinneberg/Bokel zwei werden erschossen; Friedhelm Busse wird verhaftet und 1982 verurteilt 1982 Beginn des Auftretens von Nazi-Skin-Banden wie „savage army“ Haftentlassung Kühnens, „Nationaler Aufbaus der ANS“, Verbot der VSBD 1983 Gründung von ANS-Gruppen in verschiedenen Stadtteilen; Verbot der ANS Gründung der FAP in Pinneberg 1984 ANS-Aktivisten übernehmen die FAP; Kühnen setzt sich nach Frankreich ab, wird aber bald ausgeliefert 1985 Ermordung des Türken Rahmazan Afci durch Nazi-Skins Gründung der „Nationalistischen Front“ 1986 Kühnens Schrift über „Nationalsozialismus und Homosexualtät“ führt zu Differenzen in der Nazi-Szene, Spaltung der FAP 1987 FAP-“Marsch“ auf die Hafenstraße; Hitlerstellvertreter Rudolf Heß stirbt FAP-Demonstrationen vor den alliierten Konsulaten

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 8 CHRISTIAN WORCH - AKTIVIST DER ERSTEN STUNDE

Christian Worch – „Aktivist der ersten Stunde“

Pinneberg eine neue Wehrsportgruppe auf und arbeitet spätestens seit dieser Zeit Rechte Hand von Michael Kühnen intensiv mit Jürgen Rieger zusammen. Im Zuge der bundesweiten Ausdehnung der sammlungen war er neben Kühnen der ANS wird Worch u.a. Vorsitzender der Starredner, wurde als „Schulungsleiter“ nazistischen „deutsch-völkischen Gemein- oder „weltanschaulicher Referent“ gehan- schaft“ (DVG) des Werner Braun in Karls- on Anfang an bei der Hansa-Ban- delt. So hielt er u.a. am 26.11.1977 das ruhe sowie Schriftleiter der Nachrichten de dabei war dabei der Notargehil- weltanschauliche Grundsatzreferat bei der der „Hilfsgemeinschaft für Nationale poli- Vfe Christian Worch, der auf der großspurigen Ankündigung der ANS, bei tische Gefangene“. Mehrfach muß Worch Hamburger Emilie-Wüstenfeldt-Schule in den Hamburger Bürgerschaftswahlen 1988 ins Gefängnis. Durch eine Erbschaft recht den 70er Jahren auch schon mal als Schul- anzutreten. vermögend, finanziert er einen Teil der sprecher kandidiert hatte. Innerhalb der Von Anfang an war Worch die ãrechte Nazi-Aktivitäten. Bis zu seinem Tod wird Hansa-Bande galt Worch als ãder Intellek- Hand“ von Michael Kühnen. Als dieser Michael Kühnen beispielsweise von Worch tuelle“, der sich weniger als Schläger denn 1978 ein erstes Mal ins Gefängnis mußte, ausgehalten. als „Ideologe“ betätigte. Auf allen Ver- führte Worch die Geschäfte weiter, baute in

Eine Chronologie

Jahr Hamburg Deutschland

1988 Friedhelm Busse wird FAP-Vorsitzender; Entlassung Kühnens aus dem Gefängnis; Beginn der Rudolf-Hess-Märsche; Gründung der „Nationalen Sammlung“ in Hessen durch Kühnen 1989 Gründung der „Nationalen Liste“ in Hamburg, Aufbau diverser Nazi-Gruppen wie „Deutsches Hessen“, „Deutsche In der Folgezeit werden NL-Mitglieder als Ordner etc. bei allen großen Alternative“ etc. als „legale Arme“ der NSDAP/AO und Wahlparteien; Nazi-Aufmärschen gesehen. Nazis in der ehemaligen DDR organisieren sich. Über die HNG wird zwischen den verfeindeten Nazi-Lagern ein „modus vivendi“ gefunden 1990 Nazi-Kongreß „Wahrheit macht frei“ in München. Das Haus in der berli- ner Weitlingstraße wird zum Zentrum der Nazis in der ehemaligen DDR; Gründung von Nazi-Gruppen vor allem in Cottbus und Dresden sowie der „Deutschen Altenantive“ in Berlin

1991 FAP-Bundesgeschäftsstelle wird nach Halstenbek verlegt; Tod Kühnens NL kandidiert zur Bürgerschaft 1992 Die Nationale Liste Hamburg propagiert die „Anti-AntiFa“ Verbot verschiedener Nazi-Gruppen wie Nationalistische Front, Deut- Der INDEX erscheint unter diesem Titel scher Kameradschaftsbund; Pogrom von Rostock; Mordanschlag von Mölln 1993 NL wird erneut zur Bürgerschaftswahl zugelassen; Mordanschlag von Solingen; das ganze Jahr über werden Antifaschisten von Nazis bedroht der EINBLICK erscheint mit etwa 250 Adressen von Nazi-Gegnern 1994 Das „Nationale Echo“ in Hamburg erscheint Neonazis rufen zur Wahl der Republikaner auf

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 9 CHRISTIAN WORCH - AKTIVIST DER ERSTEN STUNDE

Im Führungskreis Worchs Aktivitäten – der GDNF eine Chronologie

23.7.1977 Worch wird mit weiteren Nazis an der Hamburger Mundsburg festgenom- on Michael Kühnen stammt aus men, als sie mit Stangen auf Antifaschisten losgehen wollen; die Nazis woll- seiner Knastzeit (nach dem Verbot ten vor dem Hamburger Konsulat der UdSSR randalieren. Vder ANS und seiner Auslieferung 20.8.1977 Mehrere Nazis halten eine „Ehrenwache“ vor dem Haus des aus italienischer aus Frankreich 1984) die Idee, die Kader Haft befreiten NS-Verbrechers Kappler in Soltau ab, darunter Worch. der Nazi-Bewegung in einer ãGesinnungs- 16.10.1977 Worch nimmt gemeinsam mit Kühnen an einer „Kranzniederlegung“ des gemeinschaft der Neuen Front“ zusammen- Nazis anläßlich der 20jährigen Wiederkehr der Hinrichtung zufassen. Diese sollte keine formale Orga- der Hauptkriegsverbrecher teil. Zu dieser Veranstaltung waren beide mit nisation mit Satzung etc. darstellen, um sie einem Bus der Wiking-Jugend angereist. Sie erhalten 80 Stunden Arbeitsauf- so dem Zugriff der staatlichen Repression lage als Strafe. Wenig später demonstrieren beide auf dem Gelände der zu entziehen, dennoch aber verbindlich die historischen NSDAP-Parteitage, wofür sie später erneut verurteilt werden. Aktivitäten der „NSDAP“ koordinieren 19.11.1977 Aufmarsch von Neonazis unter Worchs Führung in der Bremer Innenstadt in und die durchaus verschiedenen (und kon- Uniform, gemeinsam mit der Bremer „Nationalrevolutionären Arbeiterfront“, kurrierenden) Aktivitäten und Ansätze von dem Bremer Ableger der Gruppe. NS-Politik zusammenfassen. In dieser 26.11.1977 Erster öffentlicher Auftritt Worchs als Redner bei der offiziellen ANS-Grün- GDNF nimmt Worch seit Jahren eine dungs-Veranstaltung in Hamburg; später wird er deshalb zu einer Geldstrafe führende Rolle ein und ist mit dem zwi- von DM 150.– verurteilt. Später wird nicht mehr der 26.11.77, sondern der schenzeitlich in Österreich inhaftierten 8. Mai 77 als Gründungsdatum der ANS von den Nazis propagiert. Gottfried Küssel und Wilfried Arnulf 11.2.1978 Worch nimmt in Göttingen an einer Sitzung der „Aktivgruppe Science Fic- Priem aus Berlin seit Kühnens Tod 1991 tion“ teil, aus der er ausgeschlossen werden soll. Er kann seinen Ausschluß Mitglied des Führungstrios. Jahrelang war verhindern; sein Hobby, seine nazistischen Allmachtsphantasien in Form Worch offizielle Redaktionsanschrift der von Science-Fiction-Stories auszuleben, wird bekannt. verschiedenen Kühnen-Postillen (Innere 19.2.1978 Die sog. „Eselsmasken-Aktion“ in Hamburg, bei der Worch und Co. mit Front, Neue Front), bevor diese anonym Eselsmasken durch Hamburgs Innenstadt ziehen wollten mit Schildern: „Ich aus den Niederlanden vertrieben wurden. Esel glaube noch, daß in deutschen KZs Juden vergast wurden“. Zum Umfeld der ãGesinnungsgemein- 25.2.1978 „Wahlveranstaltung“ der ANS in Hamburg schaft der Neuen Front“ werden eine Viel- 26.2.1978 Teilnehmer einer NSDAP-Veranstaltung in Hamburg-Lurup, u.a. mit Christo- zahl von Gruppen gerechnet, die teilweise phersen, Rohwer und Hoffmann aus Nürnberg. ihre Namen ständig wechseln: 22.7.1978 „Saalschlacht“ von Lentförden; etwa 100 Nazis prügeln sich mit der Polizei; Aktion Lebensschutz (AL) 25 werden festgenommen, darunter Worch; Antizionistische Aktion (AZA) 23.9.1978 Worchs Bande überfällt einen Büchertisch der linken „Bürgerinitiative Antikommunistisches Aktionsbündnis Umweltschutz Unterelbe“ in der Hamburger Innenstadt; eine Woche später (Antiko) kriegen er und seine Leute ordentlich Prügel, als sie erneut provozieren. Arbeitsgemeinschaft für ständige September 1978 (Nach anderer Quelle: am 9.11.1978) Worch ist an einem Überfall auf eines Wirtschaftsgestaltung (ASW) SDAJ-Veranstaltung in Hannover-Garbsen beteiligt. Freie Gewerkschaftsbewegung (FGB) 1979 Worch baut in Bokel bei Pinneberg (westlich von Hamburg) eine Wehrsport- Freundeskreis Heinz Reisz (FHR) gruppe auf, die dort durch Überfälle etc. auf sich aufmerksam macht. Initiative Volkswille 10.3.1979 Worch nimmt an einem „Parteigericht“ teil, das im Haus des Kieler Nazis Kaderorganisation SA Stolp stattfindet und das sich gegen den „Verräter“ Peter Teuffert richtet, der Neubeginn - Arbeitskreis für deutsch-alter- bei der Polizei umfangreiche Aussagen zu terroristischen Umtrieben der native Politik (ADAP) schleswig-holsteiner Bande gemacht hatte. Worch ist zu diesem Zeitpunkt (SA) auch schon Vorsitzender einer deutsch-völkischen Gemeinschaft“ mit Sitz in Volksbund Rudolf He§ (VHR) Karlsruhe in Nachfolge des dortigen Nazis Werner Braun. Wahlbündnis Neubeginnen - Arbeitskreis Feburar-April Worch und andere werden in mehrere Verfahren, u.a. wegen der „Eselsmas- für deutsch-alternative Politik (ADAP) 1980 kenaktion“ und eines Überfalls in Hannover verurteilt. Worch erhält mehrfach Nationale Sammlung (NS), gegründet eine Gefängnisstrafe, die zu einer Gesamtstrafe zusammengezogen wird. 1988, verboten am 27.1.1989 Sein Anwalt ist J. Rieger. Deutsche Alternative (DA), gegründet Mai 25.4.1984 Worch wird „Schriftleiter“ der Nachrichten der „Hilfsgemeinschaft Nationa- 1989, verboten am 10. Dezember 1992 ler Gefangener“ (HNG). Der Verfassungsschutz bezeichnet die HNG mit 400 Nationale Liste (Hamburg), gegründet Mitgliedern als die mitgliederstärkste und die „derzeit einzige, sich März 1989 geschlossen darstellende neonazistische Organisation in der BRD“. Worch Deutsches Hessen, gegründet Juni 1991, ist gegen Führungsauflagen aus der Haft entlassen. mittlerweile verboten April 1984 Spätestens seitdem fungiert Worch als Redaktionssekretär / Redaktionsan- Nationaler Block, gegründet Juli 1991, schrift der Kühnen-Postille „W - Die Neue Front“, mit der dieser seine mittlerweile verboten „Getreuen“ bei der Stange zu halten versucht. Sächsische Nationale Liste (SNL), gegrün- 16.6.1984 Teilnahme an einem Treffen der „Neuen Front“ im „Süden Hamburgs“, u.a. det August 1991 mit Thomas Wulff und Willi Wegner mit insgesamt angeblich 45 Teilnehmern.

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Der Deutsche Weg, gegr. Oktober 1991 Neben diesen, eng um Kühnen gruppier- Worchs Aktivitäten ten Nazi-Gruppen sind noch zwei weitere zu erwähnen: Die FAP – die „Freiheitliche – eine Chronologie Arbeiterpartei Deutschlands“ und die „Nationalistische Front“. Die „Nationalisti- sche Front“ wurde Ende 1992 nach etwa Juli/August 1984 Worch ist Teilnehmer einer „Übungsfahrt“ der „Norhilfstechnischen Übungs- fünfjährigem Bestehen verboten. Die FAP und Bereitschaftsstaffel“ des Dr. Jürgens. diente den Mitgliedern der 1983 verbote- 30.1.1986 Worch muß nach einem Bericht der FAP-Nachrichten erneut ins Gefängnis. nen ANS sowie denen einer mehr in Süd- Die FAP zitiert aus Worchs unsäglichem Science-Fiction-Elaborat: „Die Scha- deutschland existierenden ãVolkssozialisti- le des Zorns“. schen BewegungDeutschlands“ (verboten 11.7.1987 Gautreffen der FAP in Großensee bei Hamburg mit angeblich 100 Teilneh- 1982) als „Unterschlupf“, spaltete sich aber mern. Der stellvertretende FAP-Bundesvorsitzende Willi Wegner beschuldigt 1989 in den Kühnen-Flügel (GdNF) und Worch, „gewollt oder ungewollt“ den Kameraden aus Westfalen „zum einen die FAP um Friedhelm Busse (siehe dazu den roten Mob, und zum anderen die Staatsgewalt auf den Hals“ gehetzt später in dieser Broschüre). zu haben. Wegner gehört zum Kühnen-feindlichen Flügel der FAP (siehe dazu weiter hinten in dieser Broschüre). 17.8.1987 Nach dem Tode ihres Idols Rudolf Heß marschieren Nazis vor die Konsulate der USA und von Großbritannien in Hamburg. Mit dabei: Worch, Wulff und Organisator des Rieger. 13.3.1989 Gründung der „Nationalen Liste Hamburg“ mit Worch als eigentlichem Kopf. „Aufbauplanes Ost“ 20.6.1989 Das Ehepaar Worch wird von einem „Mobilen Antifa-Kommando“ in seiner Wohnung überfallen, und es verschwinden etwa 50 Aktenordner aus der und der Wohnung. August 1989 Mitglied eines Vorbereitungskreises der „Rudolf-Heß-Gedenkmärsche“. Die- „Heß-Märsche“ se Funktion hat Worch seitdem jedes Jahr bis 1994 ausgeübt. Frühjahr 1990 Worch ist ständiger Gast in der Berliner Weitlingstraße, einem von Neonazis besetzten Haus, das die Zentrale der Neonazis in der Noch-DDR darstellte. 3.3.1990 Aufmarsch der Nationalen Liste in Hamburg. och kurz vor seinem Tod 1991 31.3.1990 Fulda: Treffen der HNG; Neonazi-Aussteiger Ingo Hasselbach beschuldigt formulierte Michael Kühnen Worch in einer polizeilichen Aussage, „durch die Blume Order (gegeben zu Neinen sogenannten ãAufbauplan haben), was wir an Aktionen machen sollen“; Ost“. Er propagierte den massiven Einsatz 21.4.1990 Teilnehmer der Veranstaltung „Wahrheit macht frei“ in München, wo die westdeutscher Nazi-Kader in der ehemali- „Eselsmasken“-Aktion wiederholt wird. gen DDR, um unter Ausnutzung des gesell- 4.7.1990 Teilnehmer eines Treffens der NSDAP in Kollund/Dänemark mit Kühnen, Chri- schaftlichen Umbruchs und des Zusam- stophersen, Lauck und weiteren Neonazis menbruchs alter Strukturen möglichst 5.7.1990 Worch holt gemeinsam mit Kühnen, Lisa Wohlschläger und dem Österrei- erfolgreich eine neonazistische Infrastruk- cher Gottfried Küssel den US-Nazi Gary Rex Lauck zu einer Rundreise in der tur aufzubauen. Nach Kühnens Tod über- ehemaligen DDR am Flughafen in Schönefeld ab. nahm Christian Worch die Rolle des Koor- 20.10.1990 Mit Kühnen, Küssel und Sonntag „Führer“ eines Nazi-Aufmarsches in Dresden dinators dieser Bestrebungen. Der mit rund 500 Teilnehmern. ausgestiegene DDR-Neonazi Ingo Hassel- 1.5.1991 Maifeier in Cottbus: „Es ist unser Tag, der Tag der deutschen Arbeit“ – so bach benennt Worch als den eigentlichen der INDEX im Juni. Kopf dieser Bemühungen und beschuldigt 1991 Nach dem Tod Kühnens Mitglied eines dreiköpfigen Führungsgremiums der ihn in seinem Buch, Rädelsführer und „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“, gemeinsam mit Arnulf Wilfried Anstifter auch zur Gewalt gegen Ausstei- Priem aus Berlin und Gottfried Küssel aus Österreich. ger, sogenannte „Verräter an der Bewe- 3.5.1991 Worch nimmt mit etwa 90 Nazis an der Einäscherung Kühnens teil gung“ zu sein. Mai 1991 Wahlkampfdemonstration in Hamburg mit auswärtiger Hilfe; etwa 100 Neo- Zumindest Worchs Auto wurde bei den nazis marschieren auf einer abgelegenen Route Pogromen in Rostock-Lichtenhagen gese- Juni 1991 Organisator des Gedenkmarsches für den von Zuhältern erschossenen Neo- hen, das – ausgerüstet mit CB-Funk und nazi Rainer Sonntag in Dresden. Funktelefon Ð organisierend in die Randale 31.8.1991 Gründung der „Sächsischen Nationalen Liste“ in Dresden, u.a. mit Gottfried einzuwirken versuchte. Auch die mit Küssel. Worch eng verbundene ãHilfsgemeinschaft 9.11.1991 Worch mobilisiert für einen Nazi-Aufmarsch in Halle, den der später verur- für Nationale Gefangene“ (HNG), deren teilte Neonazi Dienel initiiert hatte. Schriftleiter Worch vor Jahren schon ein- 3.1.1992 Beerdigung der Urne Kühnens in Kassel unter Worchs Leitung mit etwa 130 mal gewesen ist, versuchte mit Flugblättern Nazis, die von Antifaschisten stark bedrängt werden. zur „nationalen Rechtshilfe“ dort auf sich 23.5.1992 Bei einem Aufmarsch des „Deutschen Kameradschaftsbund“ in Wilhelmsha- aufmerksam zu machen. ven geht Worchs Rede im antifaschistischen Protest unter. Offenbar bei die- Schon 1990 hatte die Kühnen-Truppe ser Gelegenheit fotografieren Nazis protestierende Antifaschisten; wenig vor allem in Sachsen erheblich Anhänger später jedenfalls wird ein solches Foto auf einem Anti-Antifa-Steckbrief gewinnen können. Im Juli 1990 organisier- gegen einen Wilhelmshavener Gewerkschafter verwendet. ten sie eine Rundtour durch die ehemalige DDR mit dem eingeflogenen US-Nazi

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Gary Rex Lauck. Am 20. Oktober 1990 zogen etwa 500 Nazis durch Dresden, orga- nisiert vom Kühnen-Vertrauten Rainer Worchs Aktivitäten – Sonntag unter Beteiligung von Kühnen, Worch und Küssel. Als Sonntag im Mai eine Chronologie 1991 von Zuhältern erschossen wurde, organisierte Worch den Trauermarsch, der zum größten Nazi-Aufmarsch der letzten 18.7.1992 In Meschede findet mit Beteiligung von Worch und Wulff eine „Anti-Antifa- Jahre geriet und bei dem alle Fraktionen Kundegbeung“ unter Federführung der „Sauerländer Aktionsfront“ statt. der Neonazis-Szene teilnahmen: Die Küh- 27.8.1992 Antifas verhindern, daß Worch beim Sender SAT 1 in der Provo-Sendung nen-Anhänger ebenso wie Busses „Frei- „Einspruch“ aufkreuzen kann. heitliche Arbeiterpartei“ und Schönborns 7.11.1992 Für diesen Termin mobilisiert Worch zu einem Marsch durch Frankfurt/Oder. „Nationalistische Front“. Von der sächsi- 16.1.1993 Anti-Antifa-Treffen in Süddeutschland mit diversen süddeutschen Nazis. schen „Nationalen Liste“ ist bekannt, daß 17.4.1993 Zusammen mit Wulff Teilnehmer einer Hitler-Geburtstagsfeier beim Ehepaar sie nicht nur ideologisch, sondern auch Müller in Mainz-Gonsenheim. Dessen Gärtnerei dient seit etwa 20 Jahren finanziell von Worch abhängig ist. immer wieder als Treffpunkt insbesondere für „Hitler-Gebutstagsfeiern“ und Worch ist seit Jahren federführend, andere bundesweite Treffen der Nazis. Unter den Gästen: Friedhelm Busse wenn es um den Aufmarsch der Neonazis von der FAP, Bela Ewald Althans aus München, Manfred Huck (Arbeitskreis anläßlich des Todestags ihres „Märtyrers“, Nationaler Kameraden), Michael Petri (ehemals Deutsche Alternative, jetzt des Hitler-Stellvertreters Rudolph He§ ANK), Frank Hübner (von der verbotenen Deutschen Alternative aus Cott- geht. Er fordert die zerstreuten Neonazi- bus) und Arnulf Wilfried Priem aus Berlin. Gruppen zu gemeinsamer Aktion auf; die 1.5.1993 Teilnehmer eines Aufmarschs des „Nationalen Blocks“ in München. Der Anhänger der „Nationalen Liste“ stellen „Nationale Block“ wird am 11.6.1993 verboten. einen Teil der Ordnertruppen. Das Ham- etwa Pfingsten Worch ist als Teilnehmer bei einem Trainingskurs im Solinger „HakPao“ ange- burger „Nationale Infotelefon“ mobilisiert 1993 meldet. Der Kurs findet wegen des Solinger Anschlags nicht statt. die Szene zu den Treffpunkten. 12.10.1193 Worch verschickt Mobilisierungsschreiben für einen Aufmarsch in Halbe am Die Aufmärsche anläßlich des Todes- Soldatenfriedhof am 14.11.1993; nahezu alle anreisenden Neonazis werden tags des Nazis Rudolf He§ finden seit 1989 in Polizeikontrollen gefilzt, festgesetzt etc., so daß nur noch etwa 100 zur statt, wobei die beiden ersten noch von Kranzniederlegung durchkommen (und auch noch kontrolliert werden). Michael Kühnen selbst organisiert worden 9.4.1994 Teilnehmer einer Nazi-Veranstaltung auf der Havelinsel Lindwerder in Berlin waren. Bis 1993 waren diese Aufmärsche zusammen mit dem FAP-Bundesvorsitzenden Friedhelm Busse und Petri von zu einem einigenden Ereignis der unter- der Nationalen Alternative in Süddeutschland. Die Versammlung war als schiedlichsten Strömungen geworden. Ins- FAP-Versammlung deklariert, soll aber der Vorbereitung der Wahlkampagne besondere die verfeindeten Strömungen der illegalen NSDAP gedient haben. Worch hat dort den Plan entwickelt, bei FAP und Kühnen-Anhänger konnten sich den Bundestagswahlen die REPs zu propagieren, was er in der Zwischen- hier zu gemeinsamer Aktion zusammenfin- zeit auch tut. den. Waren es 1989 erst ca. 300-400 Mai 1994 Das „-Komitee“ der Nazis unter Führung von Worch mobilisiert für Nazis, so kamen 1990 schon etwa 1200 eine „Nationale Aktionswoche“ um eine gemeinsame zentrale Heß-Demo Nazis zusammen. Als 1991 um Wunsiedel herum. ein totales Demonstrationsverbot verhängt 21.8. 1994 Nach Zeugenberichten ist Worch gemeinsam mit den Brüdern Goertz von worden war, war es Jürgen Rieger, der die der FAP Hamburg und Jürgen Rieger Teilnehmer eines Rudolf-Heß-Marsches Demonstration in Bayreuth anmeldete, wo von etwa 60 Neonazis in Kaltenkirchen in Schleswig-Holstein, dem einzigen etwa 2000 Nazis unter dem Schutz der Marsch, der 1994 überhaupt von Nazis durchgeführt werden konnte. Polizei demonstrieren durften. Auch der 19.9.1994 Teilnahme an einer NPD-Kundgebung in Bonn, auf der Günter Deckert (NPD- Aufmarsch in Rudolstadt 1992 wurde Bundesvorsitzender) und Wolfgang Nahrath (ehamliger Vorsitzender der federführend aus Hamburg durch Worch „Wiking-Jugend“) sprachen. Weil Vertreter des „nationalen Widerstands“ organisiert. 1993 Ð wieder war Worch der nicht zu Wort kamen, zogen Worch, Thomas Wulff und weitere Schaftstiefel- Organisator im Hintergrund, während Nazis ab. Thorsten Heise von der FAP in Niedersach- FAP-Treffen in Wewelsburg am 26.3.1988 sen als formaler Anmelder auftrat Ð konn- von links: Thomas Hainke, Michael Kühnen, Christian Worch, Thomas Brehl und Walther Matthaei ten trotz Ð oder wegen? Ð der zahlreich ver- tretenen Polizei einige Hundert Neonazis in Fulda demonstrieren. Angeblich hatten die Behörden in Fulda keine Möglichkeit, ein Verbot zu erlassen, geschweige denn es durchzusetzen. So konnte die Öffentlich- keit im Fernsehen verfolgen, wie die Poli- zei-Einsatzleitung und die Neonazis sich per Handschlag für das gegenseitige diszi- plinierte Auftreten gratulierten. Erst im August 1994 demonstrierte die Polizei, da§ es jederzeit möglich wäre, dem braunen Spuk ein Ende zu bereiten.

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Organisator des Nazi-Terrors („Anti-Antifa“, „Einblick“)

tenen „Deutschen Alternative“ (DA) in Rheinland-Pfalz; Bernd Malthaner von der süddeutschen „Nationalfreiheitlichen Alternative“. m Sommer 1992 erschien in Hamburg Bis hin zu den ãJungen Nationaldemo- die Zeitschrift „INDEX“ der „nationa- kraten“ wurde die Idee aufgegriffen. Alle Ilen Liste“ mit dem programmatischen „Nationalen Infotelefone“ propagierten das Aufruf: „Organisiert die Anti-Antifa“. Sammeln von Infos und das Ausspionieren Über sieben Seiten wurden in diesem Blatt der linken Szene. Das Mainzer ãNationale Adressen von linken Treffs, antifaschisti- Infotelefon“ tat sich besonders hervor in schen Initiativen, alternativen Begegnungs- der Organisierung der Datensammlung. In stätten etc. aufgelistet und damit in ziem- Telefonansagen wurden die weiteren Kon- lich unverblümter Weise die eigene taktadressen für die „Anti-Antifa“ bekannt- Anhängerschaft zum Terror aufgerufen. gegeben: Neben der „Nationalen Liste“ in In der Folgezeit des Hamburger INDEX Hamburg waren dies der ãStudentenbund reiste Worch durch die braunen Lande und Schlesien“ in Göttingen, die verbotene warb für seine Idee der „Anti-Antifa“, die „Nationale Offensive“ in Witten, Manfred in den darauffolgenden Monaten zum eini- Huck von der ãAktionsfront Nationaler genden Thema der gesamten, ansonsten Kameraden“, die FAP in Bonn und Duis- durchaus zersplitterten Neonazi-Szene burg, Markus Privenau aus Bremen (der wurde. So fand z.B. am 16. Januar 1993 ein auch für die „Hilfsgemeinschaft Nationaler Treffen in Süddeutschland statt, wo eine politischer Gefangenen“ (HNG) tätig ist Reihe Nazis eine „verstärkte Zusammenar- und Mitglied der NF war) sowie weitere beit besonders auf dem Gebiet der Anti- Postfachadressen in Berlin, Köln und Antifa-Arbeit“ verabredet wurde. Neben Frankfurt. Offen wurde darüber gespro- Worch waren auf diesem Treffen anwe- chen, eine gemeinsame Veröffentlichung send: Manfred Huck von der in Süd- zu erstellen, in der „der Gegner“ identifi- deutschland (Karlsruhe und Heidelberg) ziert würde. Im Herbst 1993 war es dann agierenden ãAktionsfront Nationaler soweit: Der „EINBLICK“ konnte über eine Kameraden“; Michael Petri von der verbo- Adresse in Dänemark bezogen werden.

Aufbau im Osten: Bildzeitung, von links: Swierzek, Huebner und Worch 4.7.1994

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 13 JÜRGEN RIEGER - ANWALT DER BRAUNEN SZENE

Jürgen Rieger – Anwalt der braunen Szene

Bis zum Verbot der ãNationalistischen Front“ des Meinolf Schönborn ist Rieger Aktivist des Mitglied der NF und mit diesem zusammen deren intellektueller Führer. Auf seinem Neonazismus Gelände in Hetendorf fand 1992 eine von zwei konkurrierenden Vorstandswahlen englischsprachigen Rassistenzeitschrift der NF statt. Während ein Teil der „Mankind Quarterly“ zitiert, die ihrerseits „Nationlistischen Front“ von Schönborn denselben Trick anwendet, um Seriosität zu abrückt, weil dieser als Kopf einer „terrori- ast hätte Rieger seine Karriere als demonstrieren. Au§erdem ist Rieger Vor- stischen Vereinigung“ (Schönborn hatte Anwalt überhaupt nicht beginnen denker eines „Nordischen Rings“, Mitglied zur Bildung von „Einsatzgruppen“ aufge- Fkönnen. Als Nazi-Aktivist war er in der „“, deren Organ rufen) ins Visier der Bundesanwaltschaft nämlich schon Ende der 60er Jahre mit der „Nordische Zeitung“ er als Schriftführer gekommen war, hält Rieger weiterhin zu Justiz in Konflikt geraten, als er anläßlich betreut. Was diese „Artgemeinschaft“ ver- ihm. des Besuchs des DDR-Ministerpräsidenten tritt, offenbart ihr kompletter Titel: ãArtge- Willi Stoph in Kassel eine DDR-Fahne Jürgen Rieger abriß. Daneben ist Rieger wegen Körper- Staranwalt der Neonazis unter Polizeischutz vor dem Hamburger Gericht verletzung bei einer Demonstration der „Aktion Widerstand“ am 31.10.1970 rechtskräftig verurteilt worden und unter- stützte den rechtsradikalen Professor Rubin von der „Aktion Oder Neiße“ (AKON) bei dessen Selbstentführung, mit der dieser die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein 1971 zu beeinflussen suchte. Wegen dieser und anderer Aktivitäten hätte er seine Anwaltszulassung riskiert, wenn er nicht ebenfalls unter die Amnestie der soziallibe- ralen Koalition gefallen wäre, die vor allem Aktivisten der Studentenbewegung betraf. Unter dem Titel ãRasse Ð auch ein Problem für uns“ gab er 1969 ein Buch im Eigenver- lag heraus (1972 als jugendgefährdend indiziert) und war viele Jahre Funktionär des rechtsextremen ãBund Heimattreuer Jugend“, bevor er später zur radikaleren „Wiking-Jugend“ wechselte. In den 70er Jahren fiel Rieger als Mit- glied eines „Freundeskreises Filmkunst“ auf, der jahrelang Nazifilme in Matinee- Vorstellungen zeigen konnte, und als Orga- meinschaft. Glaubensbund wesensgemäßer 1991 war Rieger formell der Veranstal- nisation in der Nachfolge des verbotenen Daseinsgestaltung. Vereinigt mit der Nor- ter des wegen eines Demonstrationsverbots „Bund Nationaler Studenten“ gilt. Bedeu- disch-Religiösen Gemeinschaft von 1927 in der Umgebung Wunsiedels nach Bay- tender aber ist seine Vorstandschaft in der e.V.“. Germanenmythen und gar nicht so reuth verlegten „Rudolf-Hess-Marsches“, „Gesellschaft für biologische Anthropolo- neues Heidentum feiern da fröhlich auf dem er vor 2000 angereisten Nazis auch gie, Eugenik und Verhaltensforschung“ Urständ. Unter dem Pseudonym Jürgen die Hauptrede hielt. (Früher – deutlicher in NS-Tradition: Riehl schrieb er das Buch: ãFunkenflug Ð Nachdem die „Nationalistische Front“ „Gesellschaft für Erbgesundheitslehre“) Handbuch für nationale Aktivisten“, als ihr Haus in Bielefeld verkaufte, kursierten mit der Zeitschrift „Neue Anthropologie“. Jörg Rieck veröffentlichte er im revisioni- 1991 Gerüchte, sie wolle in der ehemaligen Dort propagiert Rieger unverhüllt Rassis- stischen Tübinger Grabert-Verlag einen DDR ein neues Zentrum aufbauen, das von mus; zur „wissenschaftlichen“ Legitimati- Beitrag zum Buch „Das unvergängliche Rieger angekauft werden solle. Auch ein on wird in der „Neuen Anthropologie“ vor- Erbe. Alternativen zum Prinzip der Gleich- Altersheim für "nationale Senioren" soll zu zugsweise aus der korrespondierenden heit“. Riegers Investitionsplänen gehören.

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 14 JÜRGEN RIEGER - ANWALT DER BRAUNEN SZENE

eine „Mahnwache“ vor dem Museum durchführen. Rieger vertritt die Ende 1992 verbotene Anwalt der „Nationalistische Front“ gegen das Verbot. Ebenfalls 1992 verteidigt er zwei Hambur- alten und neuen Nazis ger Nazi-Skins, die vor dem Bergedorfer Disco-Schiff einen Türken halbtot geprü- 1989 tritt er als Verteidiger des Stader gelt und getreten hatten. Nazis Edgar Geiss auf, der wegen einer Er ist Anwalt von Jörg Groll, einem Nazi-Provokation in Nürnberg gegen die FAP-Anhänger und Nebenkläger im Pro- ãinternationale Konferenz zum 40. Jahres- zeß gegen sechs türkische Jugendliche, die n einem Proze§ gegen Arpad Wiegand, tag der Nürnberger Kriegsverbrecherpro- beschuldigt wurden, im Dezember 1993 einem wegen Mord angeklagten SS- zesse“ (23.11.1985) wegen Volksverhet- mehrere Skins und FAP-Mitglieder zusam- Iund Polizeiführer, verstieg sich Rieger zung angeklagt war. Obwohl die von Geiss mengeschlagen und einen von ihnen mit 1981 zu Behauptungen, wie: das War- geführte „Bürgerinitiative gegen Kriegs- einem Messerstich verletzt zu haben. Der schauer Ghetto sei nicht zur Vorbereitung schuld und antideutsche Greuellügen“ die Proze§ gegen die angeklagten Antifaschi- der Vernichtung der jüdischen Bevölke- Prozesse als „alliierte Lynchjustiz“ und sten wurde eingestellt. rung, sondern zur „Seuchenbekämpfung“ „Greuellügen gegen das deutsche Volk“ 1993 verteidigte er die Skin-Band errichtet worden. ãMir liegt es fern, den bezeichnete, obwohl die von Geiss mobili- „Kraftschlag“ in Itzehoe, die dort wegen Juden einen moralischen Vorwurf zu sierten etwa 25 Nazis dann Sprüche riefen Volksverhetzung und Aufstachelung zum machen“, erklärte damals Rieger auch sei- wie „Rotfront verrecke“, „Juda verrecke“, Rassenha§ vor Gericht standen. Vier Mit- ne zweite „These“, derzufolge „es zweifel- „Wir bringen Euch um“ und „wir werden glieder wurden zu Gefängnisstrafen auf haft sei, ob im Warschauer Ghetto auch nur Euch vergasen“, wurde Geiss freigespro- Bewährung sowie Geldstrafen verurteilt. In in Jude verhungert wäre, wenn die Juden chen. Das Gericht nahm Geiss ab, er habe Hannover verteidigte er den 30jährigen untereinander mehr Solidarität geübt hät- Rainer W., der in Druckschriften von der Zeitschrift der HNG, eines Vereins zur Betreuung ten“. Jede andere Darstellung sei neonazistischer Straftäter „Gaskammerlüge“ sprach, die „kranken Geschichtsfälschung etc. Rieger wurde Gehirnen“ entstamme. In seinem Plädoyer wegen dieser Äußerungen nicht etwa von erklärte Rieger, er sei davon überzeugt, offizieller Seite aus angeklagt, sondern von „daß in fünf Jahren kein Mensch mehr Proze§beobachtern. Das Verfahren zog glaubt, da§ Juden in Gaskammern umge- sich über mehrere Instanzen hin und Rieger bracht wurden“. Durch „wissenschaftliche wurde letzten Endes vom BGH freigespro- Gutachten“ sei belegt, daß eine Vergasung chen mit der Begründung, er habe mit die- von Menschen nicht stattgefunden habe sen Äußerungen „nur“ die Meinung seines und das Gift Zyklon B nur zur Vernichtung Mandanten weitergegeben. Da§ Rieger von Kleiderläusen verwandt worden sei. mehrfach diese Äußerungen als seine eige- In Hamburg vertritt Rieger den schwu- ne Meinung wiederholt und bekräftigt hat- len Nazi Lothar Wrobel gegen das Schwu- te, spielte für dieses Urteil keine Rolle. lenmagazin „Magnus“ und die anonyme Auch Anstrengungen, Rieger seine Zulas- rechtsradikale Schwulengruppe ãArbeits- sung zur Hamburger Anwaltskammer gemeinschaft Männlicher Gays“ (AMG) durch ein Ehrengerichtsverfahren abzuer- gegen das Veranstaltungsblatt „Szene“ kennen, sind bislang gescheitert. (siehe dazu weiter hinten in dieser Bro- Mit seiner Anwaltskanzlei in der schüre). August-Baur-Stra§e in Hamburg-Blanke- Er ist Verteidiger der drei aus dem nese hat sich Rieger in den letzten Jahren Umfeld der „Nationalen Liste“ stammen- zum Star-Anwalt der rechtsradikalen Szene den Thorsten B., Tobias T. und Hartmut entwickelt. Zu seinen Mandanten gehört W., die vor dem Haus des Pastors in Bram- mittlerweile bundesweit die gesamte Nazis- feld das Horst-Wessel-Lied sangen (1994). zene. Er ist Anwalt des Ehepaars Müller aus Spätestens seit 1980 ist Rieger Anwalt Mainz; die beiden, Inhaber einer Gärtnerei, von Christian Worch. Ebenfalls seit auf die Anwesenden „mäßigend“ einwir- die seit 20 Jahren militanten Neonazis als Anfang der 80er Jahre ist er Anwalt von ken wollen. Stützpunkt, Arbeitsplatz und Versamm- Detlef Brüel, einem Mitglied der In Stuttgart ist Rieger Anwalt im bisher lungsstätte dient, sind angeklagt, durch Wehrsportgruppe Dems, der u.a. durch längsten Prozeß gegen Neonazis in Kameradschaftsabende die verbotene Deut- mehrere Überfälle und Prügeleinsätze auf- Deutschland. Dabei vertritt Rieger den sche Alternative fortgeführt, bzw. ihre gefallen ist und später in den Landesvor- Kühnen-Gegner Jürgen Mosler. Fortführung unterstützt zu haben. Hinzu stand der FAP aufrückte. Rieger ist der Anwalt des Neonazis kommen Mandate Riegers für den ehemali- 1987 verteidigt er den wegen Meineids Ewald Bela Althans aus München (u.a. gen SS-Wachmann in Auschwitz und Ver- angeklagten Meinolf Schönborn von der bekannt geworden durch den Film: ãBeruf fasser der „Auschwitz-Lüge“, Thies Chri- „Nationalistischen Front“, der 1983 einen Neonazi“) bei der Vorbereitung eines stophersen, Werner Gebhardt von den Antifaschisten zusammengeschlagen hatte, ãinternationalen revisionistischen Kongres- nazistischen „Unabhängigen Nachrichten“, als Schönborn noch Landesvorsitzender ses“ am 23.3.1991 in München. Die Kon- Günter Demolsky vom „Freundeskreis für NRW der „Jungen Nationaldemokraten“ greßräume im Deutschen Museum wurden Deutschland“ und natürlich auch Michael gewesen war. gekündigt und die Nazis konnten lediglich Kühnen.

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 15 JÜRGEN RIEGER - ANWALT DER BRAUNEN SZENE

Das Landhaus in der Heide

eit Jahren besitzt Rieger ein Land- haus mit Gelände in der Lünebur- Sger Heide in der Gegend von Hetendorf. Fanden dort Ende der 70er Jah- re u.a. Seminare seines neofaschistischen „Freundeskreis Filmkunst“ statt, auf dem alte NS-Filme gezeigt wurden, so ent- wickelte sich Hetendorf bis heute zu einem Zentrum der Neonazis in Norddeutschland. Auf mehreren Grundstücken treffen sich dort nicht nur die verschiedenen Zirkel um Rieger selbst, sondern auch die Wiking- Jugend oder die „Nottechnische Übungs- und Bereitschaftsstaffel“ (TENO) um den Arzt Uwe Jürgens. Antifaschisten oder Journalisten, die das braune Treiben in Hetendorf beobachten wollen, werden seit Jahren dort von den Nazis regelrecht gejagt. Eine engere Zusammenarbeit zwi- schen Riegers Truppe und der in Mei§en- dorf um Dr. Jürgens und seine „nothilftech- nische Übungs- und Bereitschaftshilfe“ konnte immer wieder festgestellt werden; Im Juli/August 1984 war Worch Teilneh- mer einer „Übungsfahrt“ der TENO; im gleichen Jahr veröffentlichte die Kühnen- Postille „Neue Front“ unter ihrem Redak- teur Worch eine Distanzierung der TENO des Dr. Jürgens, der sich angeblich „aus Angst vor einem Verbot seines Vereins nicht an die getroffenen Vereinbarungen“ gehalten habe. Antifaschisten waren diese Spitzfindigkeiten egal: Beide Anwesen brannten aus. 1988 führte die „Nationalisti- sche Front“ in der Heide ein „Ausbildungs- lager“ unter dem Motto „Junge Kolonnen marschieren für das 4. Reich“ durch. Im Sommer 1992 wird bei einer von zwei getrennt und in Konkurrenz zueiander statt- findenden Vorstandswahlen der ãNationali- stischen Front“ Meinolf Schönborn auf Riegers Gelände zum erneuten Vorsitzen- den der NF gewählt. Im Juni 1992 fand in Hetendorf die ã2. Hetendorfer Tagungswoche“ statt, die gemeinsam vom „Heide-Heim e.V.“, der „Artgemeinschaft“, dem „Familienwerk e.V.“, dem „Freundeskreis Filmkunst TAZ, 23.7.1993 e.V.“, der „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltens- dort zum Thema: „Bevölkerungsexplosion Wie seine Verurteilung im September forschung e.V.“, der „Gesellschaft für freie und Rassenmischung“. 1994 wegen des Verwendens von NS-Sym- Publizistik-Arbeitskreis Hamburg“, dem Erst in diesem Sommer wurden erneut bolen auf seinem Kübelwagen beweist, ist „Heinrich-Anacker-Kreis e.V.“, dem „Nor- Journalisten in Hetendorf von der Wiking- Rieger auch selbst in solche Wehrsportü- dischen Ring e.V.“ und der „Northern Lea- Jugend angegriffen, die dort unter dem bungen verwickelt. Rieger war zu DM gue“ ausgerichtet wird. Rieger referierte Schutz der Polizei aufmarschieren durfte. 7.200 verurteilt worden wegen der Ver-

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 16 JÜRGEN RIEGER - ANWALT DER BRAUNEN SZENE wendung von NS-Symbolen an einem Kübelwagen, mit dem er im Geleit in Rein- bek herumfuhr. Die Richterin sah es als pure Spitzfindigkeit an, da§ Rieger die SS- Runen notdürftig verfälscht hatte, um das Braune Rechtshilfe Verbot zu umgehen. Angeblich, so der im zweiten Fahrzeug mitfahrende Thomas ben gibt es ebenfalls schon länger die Wulff, habe man mit Wissen und Billigung „Deutsche Rechtsschutzkasse“ in Witten, der Bundeswehr auf derem Gelände herum- die u.a. Ende 1993 in Erscheinung trat. fahren wollen. Wie lange diese Tätigkeit Damals hatten Antifaschisten die Abonnen- im „Wehrsport“ bei Rieger schon m Verlaufe der letzten Jahre haben die tenkartei der neurechten Zeitung ãJunge zurückreicht, ist nicht genauer bekannt. Nazis erhebliche Anstrengungen unter- Freiheit“ veröffentlicht, worauf die derart Schon 1981 allerdings tauchte sein Name Inommen, um sich gegen staatliche geouteten Personen (darunter natürlich als Braune Eminenz im Hintergrund der Repressionsma§nahmen zu wappnen. So auch einige Antifaschisten) einen Werbe- damals ausgehobenen Wehrsportgruppe gibt es seit Jahren die fraktionsübergreifen- brief dieses Vereins erhielten, in dem ihnen Blankenese um den Verlagskaufmann de „Hilfsgemeinschaft für Nationale politi- Hilfe bei Bedrohung durch Antifas angebo- Dems auf. sche Gefangene“, die einsitzende Nazis ten wurde. Annähernd 20.000.– DM hat betreut, über Prozesse berichtet etc. Dane- dieser Verein von 1989 bis 1991 für die ãVerteidigungspolitik verfolgter Deut- scher“ ausgegeben. Als Blatt gibt dieser Verein „Recht und Justiz“ heraus, wo unter der Rubrik „Mäxchen Treuherz“ Tips für Rechtsradikale gegeben werden. Als „Mäxchen Treuherz und die juristischen Fußangeln“ sind die gesammelten Tips nun im „WuselDi“-Verlag Hamburg erschie- nen. Darin finden sich dann solche Kapitel wie: „Mäxchen und die Juden“ oder „Das Leugnen der Judenvernichtung“. Verant- wortlich: Jürgen Rieger. In der Publikation ãSchriftenreihe zur Geschichte und Entwicklung des Rechtes im politischen Bereich“ (Heft 3) hat Rieger sich zur Frage „Wie glaubwürdig sind Zeu- gen in Nationalsozialistischen Gewaltver- brecher-Prozessen“ Gedanken gemacht: ãDem Juden ist es nach dem babylonischen Talmud erlaubt, einen Nichtjuden vor Gericht mit Rechtskniffen zu verwirren, sodaß er verliert.“. Letzte Nazi-Gründung vom April 1992 im Bereich der Rechtshilfe ist das ãDeut- sche Rechtsbüro“ mit Postfach in Ham- burg, das ebenfalls juristische Hilfe und die Vermittlung „gleichgesinnter“ Rechtsan- wälte anbietet. Das Postfach ist identisch mit dem des „WuselDi“-Verlags. Darüber hinaus verbreitet das ãDeutsche Rechts- büro“ über Computer-Mailboxen jeweils die neuesten Entscheidungen von Verwal- tungen und Gerichten, die die Aktionen von Nazis betreffen können. Eine ähnliche Zielsetzung verfolgt die Zeitschrift „Rechtskampf“ in Süddeutschland (siehe Faksimile). Auch die Zeitschrift ãRecht und Wahr- heit“ der „Deutschen Freiheitsbewegung“ beschäftigt sich mit Rechtsfragen. Autor dort ist neben Rieger (unter seinem Pseud- onym Jörg Riehl) auch Christian Worch, der das „Terrorurteil“ gegen „nationale Aktivisten“ in Bramfeld beklagt.

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 17 DIE FAP

Die FAP die Kühnen-Anhänger die FAP verließen, um mit neuen Organisationsformen (Deut- sche Sammlung, Deutsches Hessen, Natio- Nach Verbot der ANS nale Liste etc.) erneut Einflu§ zu gewinnen. Die Hamburger „Nationale Liste“ mit dem „Unterschlupf“ der Neonazis formellen Vorsitzenden Thomas „Steiner“ Wulff gehört zu diesen Organisationsansät- Führerschaft immer wieder selbst lähmte. zen der Kühnen-Truppe. Wulff hat seinen Ausgangspunkt einer schlie§lichen Spal- Spitznamen nach einem faschistischen tung der FAP in zwei Flügel war eine von Kriegs„helden“. ach dem Verbot der ãAktions- Michael Kühnen 1986 im Knast verfaßte Neben der Tätigkeit in der FAP formier- front Nationaler Sozialisten“ Broschüre zum Thema „Homosexualität ten sich die ANS-Mitglieder in verschiede- N(ANS) 1983 sammelten sich und Nationalsozialismus“. Die Differenz in nen konspirativen Gruppen: ãDie Bewe- deren Aktivisten zum einen in „privaten“ der Frage der Homosexualität wurde zum gung“, „Komitee zur Vorbereitung der Lesekreisen einer NS-Zeitschrift ãDie Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Neue Front“, zum anderen unter dem Dach Hitlers“ (KAH), Gesinnungsgemeinschaft einer bis dahin eher unbekannten, 1979 der Neuen Front“, Lesekreise der Neuen gegründete Nazi-Partei, der „Freiheitliche Front“. „Neue Front“ wurde das Mittei- Arbeiterpartei“ (FAP) um Martin Pape. lungsblatt der „verbotenen“ ANS genannt. Diese hatte bis dahin vor allem darum Zuvor war die „Innere Front“ (bis Nummer gekämpft, ihren Parteistatus nachzuweisen, 35) erschienen. Mit einer lückenlosen Fort- was angesichts chronischer Mitglieder- setzung dieser Nummerierung stellte sich schwäche die gesamte Kraft des Vereins die Neue Front in diese Tradition. Nach erforderte. Pape stimmte der Übernahme der Spaltung der FAP im Juli 1986 erschie- der FAP durch die ANS unter der Bedin- nen zwei unterschiedliche Postillen ãDie gung zu, daß Kühnen selbst nicht Mitglied Neue Front“, die beide aus den Niederlan- würde. den importiert wurden. Die Anhänger Kühnens wurden in der Vorsitzender der FAP seit 1988 ist FAP teilweise ergänzt um die ehemaligen Friedhelm Busse; er konnte sich damals als Mitglieder der ãVolkssozialistischen Kandidat des kühnenfeindlichen Mosler- Bewegung Deutschlands“ (VSBD) um Titelblatt der FAP-Zeitschrift „Standarte“ Flügels gegen Walther Matthaei durchset- Friedhelm Busse (München), die schon zen. Die Bundesgeschäftsstelle ist seit 1991 Ende 1982 verboten worden war. Aus Anlaß genommen, um den Einfluß Küh- in Halstenbeck. Bundesweit hatte sie 1993 Hamburg gelangen Willi Wegner und Tho- nens, der als „heimlicher“ Vorsitzender der angeblich 430 Mitglieder, das Parteiorgan mas Wulff in die Parteiführung. FAP anzusehen war, zurückzudrängen „Standarte“ erscheint zweimonatlich mit In der Folgezeit war die FAP die zentra- zugunsten des sog. „Mosler“-Flügels. Nach einer Auflage von 1000 Exemplaren. Die le Organisation der NS-Nazis, die sich der Haftentlassung Kühnens verschärfte FAP unterhält eine eigene Mailbox: „Wolf- allerdings in internen Konkurrenzen um die sich der Konflikt bis zur Spaltung, bei der Box“.

u.a. Worch und Wulff als Redner auftraten. Mit Kühnens erster Haftentlassung Ende Die FAP in Hamburg 1982 nahmen auch die Nazi-Umtriebe in Hamburg wieder zu. 1983 vermerkt der VS die bei den Treffen teilnahmen, sowie von 291 Vorfälle, 1984 dann bis November Gruppen in Hamburg, Rahlstedt und Ber- schon 311. Brandanschläge auf ein GAL- gedorf. Angeblich am 9.3.84 fand ein Akti- Büro, Schändung des jüdischen Friedhof- uch in Hamburg trat die FAP vistentreffen des als Tarnung neubelebten teiles in Ohlsdorf, Überfall mit Gaspistolen die Nachfolge der verbotenen „Freizeitverein Hansa“ mit etwa 40 Teil- auf Ausländer; ein Waffenlager von Küh- A ANS/NA an. Allerdings waren nehmern statt. Für 1984 sprechen die Nazis nen-Anhängern in Sasel wird ausgehoben die Verhältnisse in Hamburg für die Nazis selbst von Gruppen in Pinneberg (Anti- usw. relativ ungünstig. Kühnen selbst berichtet, kommunistische Vereinigung) und Bokel, Seit Beginn der 80er Jahre gab es in wie er im Frühjahr/Sommer 1983 mehrfach Blankenese und Osdorf sowie in Netteln- Hamburg eine ganze Reihe von Skinhead- von „Anarcho-Rockern“ angegriffen wor- burg. Auch die „Deutsche Frauen-Front“ Banden mit engen Kontakten zur Neonazi- den und sein Auto demoliert worden sei. soll existieren. Am 16.6.84 fand ein Tref- Szene. Teilweise wurden die Banden von Die ANS selbst spricht von 15 Ð 30 Leuten, fen „im Süden Hamburgs“ statt, an dem Mitgliedern der ANS wie Michael David

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 18 DIE FAP organisiert. Vor allem im Umfeld von Fu§- aufgenommen. Zwei Jahre später waren ball-Fan-Clubs („Löwen“) waren für die Wulff und Worch auf der einen Seite, Brüel Nazis Jugendliche mit spontan rechten und Wegner auf der anderen Kontrahenten Ideen und entsprechender Prügelbereit- bei der FAP-Spaltung an der ãSchwulen- Das „Komitee schaft zu finden. Einige Zeit lang sahen die frage“. Nazis in diesen Jugendlichen ihre bevor- In einem internen Mitgliederrundbrief Adolf Hitler“ zugtes Rekrutierungsfeld. Die ãSavage des Gaus Hamburg der FAP, geleitet von Army“ (etwa 1982) beispielsweise war ein Detlef Brüel und Willi Wegner wird im Paradebeispiel hierfür. Doch obwohl bis August 1987 von Gruppen in folgenden heute in Hamburg um die 100 Skins als Hamburger Stadtteilen gesprochen: Har- NS-Sympathisanten angenommen werden burg, Altona, Bergedorf, Neugraben sowie arallel zu ihren Aktivitäten inner- und als Hauer-Truppe in Nazi-Zusammen- einer „Deutschen Frauen-Front“. Stütz- halb der FAP gründeten diverse hänge einzubinden sind, gelang den Nazis punkte um Hamburg bestanden in Pinne- P Neonazis ein ãKomitee zur Vorbe- eine festere Organisierung dieser Szene nur berg sowie in Elmshorn. Christian Worch reitung der Feierlichkeiten zum 100. eingeschränkt. Bis heute allerdings haben wird anläßlich der Vorbereitung eines Gau- Geburtstages von Adolf Hitler“ (KAH), das nahezu alle rechten Jugendbanden, in Ber- treffens der FAP in Gro§ensee bei Ham- angeblich dazu dienen sollte, für den 20. gedorf wie im Süden Hamburgs, in Neu- burg von Wegner beschuldigt, ãgewollt April 1989 spektakuläre Aktionen vorzube- wulmstorf, Kirchdorf Süd, in Niendorf oder oder ungewollt“ den Kameraden aus West- reiten. Das „Komitee“ unternahm erhebli- in Osdorf mehr oder weniger feste Kontak- falen ãzum einen den roten Mob, zum che Anstrengungen, um die in Europa noch te zu organisierten Nazis, beziehen von anderen den Staatsschutz auf den Hals“ zu mobilisierenden Alt-Nazis einzubinden. dort Aufkleber, Aufnäher etc. gehetzt zu haben. Wegner und Brüel Von seiten der Staatsanwaltschaft wurde in 1984 werden Thomas Wulff und Willi gehören zum kühnenfeindlichen Moslerflü- diesem KAH ein Versuch gesehen, das Wegner in den Bundesvorstand der FAP gel der FAP. Verbot der ANS zu unterlaufen, und die Mitglieder des KAHs sind wegen Fort- führung einer verbotenen Vereinigung vor dem Landgericht Stuttgart angeklagt. Mitt- lerweile ist der Proze§ nach mehreren Jah- ren (er begann 1991!) Verhandlung und Beweisaufnahme infolge des Ausfalls meh- rerer Geschworener geplatzt und mu§ erneut aufgerollt werden. Ausschlaggebend für diesen Prozeßverlauf ist die unglaubli- che Langmut, die das Gericht der Verzöge- rungsstrategie des federführenden Anwalts der Angeklagten, Jürgen Rieger, entgegen- bringt. Dieser tritt dort als Verteidiger von Jürgen Mosler auf, der der führende Vertre- ter der „Anti-Kühnen-Fraktion“ der FAP gewesen ist. Tatsächlich erreichte das KAH sein Ziel nicht. Der 100. Geburtstag Hitlers wurde allenfalls im kleinsten Kreis gefeiert. Angekündigte Treffen fanden nicht statt. Wie sehr aber das Gefühl, in der BRD nicht mehr sicher zu sein, bei gro§en Teilen der ausländischen Bevölkerung damals schon verbreitet war, zeigen die Ereignisse vom 20.4.1989, als in Hamburg Tausende von ausländischen Schülern nicht zur Schule gingen, viele ausländische Geschäfte geschlossen blieben, weil das Gerücht eines Nazi-Aufmarschs uns von Nazi-Ran- dale die Runde machte. Vom Senat wurde damals vor „Panikmache“ gewarnt; wenige Jahre später aber zeigen die rassistischen Überfälle und Morde deutlich, daß das Gefühl von 1989 durchaus eine reale Grundlage gehabt hatte.

Die Unterzeichner der „Versöhnung“ sind: Thomas Brehl, Volker Heidel, Walter Matthaei, Christian Worch, Thomas „Steiner“ Wulff, Micha- el Kühnen, Jürgen Mosler, Friedhelm Busse, Chri- stian Malcoci und . 1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 19 DIE FAP

weitere Ermittlungen seitens der Bundesan- waltschaft liefen. Beim Zugriff auf die Friedhelm Busse – Gruppe war die Polizei über deren Bewaff- nung bestens informiert. Aus dem Einstel- ein Nazi und Krimineller lungsbeschlu§ der Staatsanwaltschaft, mit dem eine Anzeige der Nazis gegen den zuständigen Polizeipräsidenten von Mün- chen niedergeschlagen wurde, geht hervor, da§ diese Informationen von einem ãMit- teiler, der unmittelbaren Zugang zu der undesvorsitzender der FAP ist Gruppe hatte“ stammten. Wer dieser „Mit- heute Friedhelm Busse, der selbst teiler“ gewesen ist, ist bis heute ungeklärt Bauf eine bewegte Vergangenheit in geblieben. Kurt Wolfgram stammt im übri- der Neonazi-Szene zurückblicken kann. Er gen aus der Braunschweiger ANS-Gruppe war schon in den 50er Jahren Mitglied des um Paul Otte, die schon Ende der 70er Jah- „Bund Deutscher Jugend“ (1953 Verurtei- re intensiv mit Worch und Kühnen zusam- lung wegen Amtsanma§ung und Freiheits- menarbeitete. Busse wurde damals zu drei beraubung von FDJ-Mitgliedern), dann der Jahren Gefängnis wegen Hehlerei und „Deutschen Reichspartei“ (1963 Verurtei- Strafvereitelung etc. verurteilt. lung wegen eines Sprengstoffanschlags in Während ein Teil der ehemaligen Mit- Südtirol). 1971 wird Busse aus der NPD glieder der VSBD die ãNationalistische ausgeschlossen und gründet die „Partei der Front“ um ihr Zentrum in Bielefeld aufbau- Arbeit“ (PdA), die später in „Volkssoziali- en (zu der auch Jürgen Rieger zählte), wen- stische Bewegung Deutschlands“ (VSBD) det sich Busse mit seinen Getreuen der umbenannt wird. 1980 wegen Voksverhet- FAP zu. Auf dem Gautreffen der FAP in zung verurteilt. Die VSBD wird im Januar Gro§ensee bei Hamburg am 11.7.87 war 1982 verboten, nachdem 1981 von Busses Busse in Hamburg und führte einen Haus aus mehrere Neonazis schwerbewaff- Friedhelm Busse „Sturm“ der FAP auf die besetzten Häuser net zu einem Bankraub aufgebrochen in der Hamburger Hafenstra§e an. 1988 waren. Sie wurden von der Polizei gestellt setzte sich Busse als Kandidat des kühnen- und in einem wilden Schu§wechsel, ver- feindlichen „Moslerflügels“ gegen den mutlich durch eine vom Neonazi Nikolaus Peter Fabel, Peter Hamberger und dem Kandidaten des „Kühnen-Flügels“, den Uhl gezündete Handgranate ausgelöst, wird Franzosen Pascal Coletta waren sie Ð aus Alt- und Neonazi Walther Matthaei bei der dieser sowie der Neonazi Kurt Wolfgram Frankreich kommend Ð zu Busse gefahren, Wahl zum Bundesvorsitzenden der FAP von der Polizei erschossen. Gemeinsam mit gegen den schon ein Strafverfahren und durch.

der Tagesordnung: Am 5.10.1991 wurden die Scheiben eines Flüchtlingsheims mit Die Bundesgeschäftstelle in Steinen eingeworfen. Das ganze Jahr 1992 über häuften sich Halstenbek und die Brüder Goertz nazistische Überfälle und Provokationen. Am 29.4.92 wurde ein afrikanischer Wohnung des Bundesgeschäftsführers Flüchtling von einem FAP-Mitglied Glenn Goertz. Von hier aus wurden die kri- zusammengeschlagen Ð 50 Meter von einer minellen Umtriebe dieser Nazi-„Partei“ Kneipe entfernt, in der eine FAP-Ver- uch in Halstenbek gründete sich gesteuert und organisiert. Hier trafen sich sammlung stattfand. Am 22.8.92 beteiligen die FAP erst nach dem Verbot immer wieder Neonazis und machten bei sich mehrere FAPler aus Halstenbek an den A der Kühnentruppe ANS. Die ihren Treffs die Gegend um den S-Bahnhof Pogromen in Rostock. Am 1.9.92 tauchten ANS hatte in den westlichen Vororten Krupunder zu einem gefährlichen Pflaster Aufkleber auf mit folgendem rassistischen Hamburgs schon immer einige Mitglieder für die von den Nazis so genannten „linken Text: ãAchtung! Die Gemeindeverwaltung gehabt, die nun offenbar die neue Organi- Zecken“. Insbesondere bei manchen Fuß- weist darauf hin, daß Ausländer und Asy- sation zur Fortsetzung ihrer Aktivitäten ballspielen zogen die Nazis und rechte lanten den Schützenplatz nicht betreten benutzte. Am 5.10.1983 war die Kamerad- Hooligans hier in ganzen Rudeln auf. dürfen! Der Bürgermeister“. Am 30.9. schaft Pinneberg der ANS gegründet wor- 1987 wird die Arbeit des Kreisverbands wurden bei einer Polizeirazzia auf dem den (verboten Ende 1983), im Dezember Pinneberg der FAP in einem internen Bahnhofsvorplatz unter ca. 40 FAP-Mit- folgte dann die FAP-Ortsgruppe. Unter Rundschreiben besonders gelobt. Pinneber- gliedern und Mitläufern zahlreiche Waffen ANS-Führer Pagel überfielen diese Nazis ger FAPler nahmen an Märschen vor die sichergestellt. Regelmäßig mittwochs ver- im Mai 1984 eine VVN-Veranstaltung in Konsulate der Alliierten als auch einem sammelten sich FAPler am S-Bahnhof Kru- Pinneberg und tat sich durch Kleben von Marsch durch Witten teil. 1989 wurden im punder und wurden mehrfach von der Poli- FAP-Aufklebern hervor. Halstenbeker Jugendzentrum Zwischenfäl- zei kontrolliert; es wurden Waffen Seit 1991 befindet sich die Bundesge- le mit Nazis vermerkt. Seit Anfang der 90er beschlagnahmt. Am 7.10.1992 kündigte die schäftsstelle der FAP in Halstenbek - in der Jahre sind faschistische Provokationen an FAP am S-Bahnhof Krupunder eine Kund-

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 20 DIE FAP gebung an unter dem zynischen Motto: mer. Damals waren die Tostedter Skins „Mehr Toleranz mit Andersdenkenden“, Sascha und Patrick Bothe sowie Sven-Ole wogegen eine breitere Mobilisierung statt- Reese an einem Überfall von 15 FAPlern fand. (darunter Willi Wegner und Detlef Brüel) Die Nationale Dagegen organisierten sich betroffene auf eine VVN-Veranstaltung in Lünburg Jugendliche, die in jahrelangen Aktionen dabei. Nachdem am 19. April 1993 die Liste Hamburg allmählich den Spieß umkehrten. Mit Bande mit Reichskriesflagge in aller Mahnwachen und Demonstrationen wurde Öffentlichkeit den Hitlergeburtstag gefeiert die Öffentlichkeit auf diese braune Nest hatte, trat sie mit Einschüchterungsbriefen aufmerksam gemacht. Nach dem Verbot an die lokalen Antifas in Erscheinung, in der „Nationalistischen Front“ und der denen eine Tostedter „Anti-Antifa-Gruppe“ ie Nationale Liste Hamburg unter Ankündigung eines geplanten FAP-Ver- angekündigt wurde. ihrem Vorsitzenden Thomas bots wird kistenweise Material (Ordner und Führende Personen der FAP in Ham- D„Steiner“ Wulff wurde im März Disketten) aus der Bundesgeschäftsstelle burg sind die Brüder Andre und Glenn 1979 gegründet als eine von vielen über die abtransportiert. Goertz. Um die Halstenbeker Wohnung des BRD und auch später in der ehemaligen DDR verbreiteten Nazi-Organisationen. Sie wurden allesamt von Nazis gegründet, die gemeinsam mit Michael Kühnen die FAP als Minderheit verlassen hatten und nun nach neuen Organisationsformen such- ten. Erste Organisation dieser Art war die „Deutsche Sammlung“ in Hessen, mit der die Nazis an den hessischen Wahlen teil- nehmen wollten. Die ãDeutsche Samm- lung“ wurde im Februar 1979 verboten. Im Mai folgte die Gründung der „Deutschen Alternative“ in Bremen, ein „Initiative Volkswille“ in Hessen folgte; „Deutsche Alternativen“ wurden in weiteren Bundes- ländern gegründet etc. In den meisten Bun- desländern sind diese Nazi-Gruppen mitt- lerweile verboten worden oder haben sich unter beständigem Verfolgungsdruck durch Polizei und Staatsanwaltschaften mittler- Demonstration gegen die FAP-Bundesgeschäftsstelle in Halstenbek weile selbst aufgelöst. Vorsitzender der Nationalen Liste Ham- Wenige Tage nach dem Brandanschlag FAP-Bundesgeschäftsführers Glenn burg wurde (und ist bis heute) Thomas von Mölln war es dann vorwiegend türki- Goertz, in der auch ein ãNationales Infote- Wulff, bis dahin nach seiner Mitgliedschaft schen Jugendlichen im Dezember 1992 lefon“ installiert ist, sammelten sich immer in der Wehrsportgruppe Blankenese und unerträglich geworden: Sie versuchten, die wieder Neonazis, kam es zu Überfällen auf der ANS stellvertretender Landesvorsitzen- Bundesgeschäftsstelle zu stürmen und ver- Antifaschisten und Ausländern etc., bis ein der der FAP in Hamburg. Mit im Vorstand letzten dabei einige der Nazis zum Teil Bündnis diesen Provokationen militanten waren Anfangs: Thomas Sauer und Ursula schwer. Das ganze erste Halbjahr 1993 ver- Widerstand entgegensetzten und die Nazis Worch, die damalige Ehefrau von Christian suchen die Goertz-Brüder, die FAP als in ihre Schranken wiesen. Worch. Von Anfang an plädierte die NL legale Partei in Halstenbek zu etablieren, Glenns Bruder Andre ist Jura-Student an für ein Wahlbündnis aus „Deutscher Alter- indem sie bei Gemeinderatssitzungen teil- der Universität Hamburg und wohnte eine nehmen oder auch mal bei öffentlichen zeitlang im Haus der Burschenschaft Ger- SPD-Versammlungen. Dagegen wird mania, wo er aktiv bei der Organisierung NL-Wahlpropaganda am Berliner Tor Widerstand mobilisiert, der zum Raus- brauner Politik und Ideologie in Uni-Krei- Wahlen Hamburg 1991 schmiß der Brüder aus diesen Versamm- sen tätig war. Zumindest Andre Goertz ist lungen führt. Gleichzeitig sind FAPler wei- schon Ende der 80er Jahre als Schüler auf- terhin im Landkreis mit Aufklebern und gefallen: Wegen des Klebens nazistischer Überfällen unterwegs. Ob es im Mai 1993 Aufkleber wurde er von der Schule gewor- in Halstenbek zur geplanten Gründung fen. Für 1993 wird in Hamburg ein offiziel- eines offiziellen Landesverbands Schles- ler Landesverband der FAP angegeben, wig-Holstein der FAP unter Glenn Goertz während ein Landesverband für Schleswig- gekommen ist, entzieht sich unserer Kennt- Holstein erst gegründet werden sollte. Auf nis. den Heß-Märschen der Faschisten tauchen Am 29.5.1994 wurde ein Türke von die Goertz-Brüder mehrfach auf: So 1993 Skinheads aus dem Umkreis der FAP in in Fulda, wo sie neben dem FAP-Vorsit- Ellerbek überfallen, sein Auto demoliert; er zenden Busse marschieren und 1994, als selbst konnte mit Mühe fliehen. sie in Schleswig-Holstein einen etwas küm- Offenbar seit 1989 gibt es einen FAP- merlichen He§-Marsch zustande bringen. Ableger in Tostedt um das Ehepaar Blies-

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 21 DIE FAP native“, FAP, NL und „Nationalistischer die vor einem Nazi-Lokal auftauchen, wer- Land der Deutschen bleiben, kein multikul- Front“. Unmittelbar nach dem Fall der den mit Bierflaschen und Stuhlbeinen tureller Mischmasch! Wenn aus Empörung Mauer im November 1989 stürzte sich die angegriffen, ohne da§ die Polizei eingriff. Frust wird, wird aus Protest Gewalt!“ NL auf die „Aufbauarbeit“ in der damali- Lediglich der anwesende Kühnen-Nachfol- 1992 führte ein „Komitee für freiwillige gen DDR. Worch verteilte Flugblätter an ger Gottfried Küssel, gegen den in Dresden Reservistenarbeit-Nord“ (KON) mehrere den Grenzübergängen, Thomas Wulff ein Haftbefehl vorlag, wurde festgenom- Wehrsportübungen in Norddeutschland rüstete die von den Nazis der „Nationalen men. Dieser Aufmarsch war Teil des durch. Hinter dem KON, das auch offizielle Liste“ besetzte Weitlingstraße in Berlin „Wahlkampfs“ der NL zu den Hamburger Anfragen auf Zugang zu Bundeswehr- logistisch aus. Schon 1990 veröffentlichte Bürgerschaftswahlen am 2.6.1991, wo sie gelände gestellt hat, steht die Nationale die NL in ihrer Schrift INDEX Listen von 432 Stimmen (0,1%) erhielt. Auch 1993 Liste sowie der mittlerweile verbotene ehemaligen Richtern, Staatsanwälten und kandidierte die NL, erhielt aber nur wenig „Kameradschaftsbund Wilhelmshaven“. Kriminalpolizisten, die an Verfahren gegen über 300 Stimmen. Seit Anfang 1993 ist Christian Scholz, Nazis in der DDR beteiligt waren und for- Nach den Pogromen von Rostock-Lich- Aktivist der NL, Schriftleiter und presse- derten dazu auf, deren Aufenthaltsorte zu tenhagen im Herbst 1992 fühlte sich auch rechtlich Verantwortlicher für die Nach- melden. Boykottaufrufe gegen mi§liebige die Nationale Liste Hamburg ermuntert. In richten der „Hilfsgemeinschaft für nationa- Restaurants etc. ergänzten diese frühen einer Schrift ãHoyerswerda, Rostock, le politische Gefangene e.V.“ (HNG). Nach Aktivitäten der NL in Sachen „Anti-Anti- Hamburg“ werden ähnliche Pogrome auf anderen Quellen sympathisiert Christian fa“ (zur „Anti-Antifa-Politik“ der Nazis für Hamburg prophezeit: „In den mittel- Scholz mittlerweile mit der ãNationalen siehe den entsprechenden Abschnitt in die- deutschen (!) Städten hat das Volk die Offensive“, bei deren stellvertretendem ser Broschüre). Sache selbst in die Hand genommen.“ Und: Bundesvorsitzenden Willi Wegner (siehe Bislang sind gegen die Nationale Liste „Wir stehen am Rande eines Bürger- an anderer Stelle) er seit 1992 wohnt. Hamburg allerdings keine ernsthaften kriegs.“ Gegen „die Überfremdung und Ende 1993 lobte die NL Hamburgs Bür- Schritte unternommen worden. Ob der Ver- Überflutung“ durch Ausländer werden germeister Voscherau, der eine Zuzugs- botsantrag des Hamburger Senats vom Ausschreitungen angekündigt: „Es soll das sperre für Ausländer in bestimmte Stadttei- Sommer 1993 in absehbarer Zeit zur Ent- scheidung führen wird, war bei Redakti- FLugblatt der Nationalen Liste, mit dem sie um Unterschriften onsschluß dieser Broschüre nicht abzuse- für die Wahlzulassung zu den Bürgerschaftswahlen warb hen. Die Nationale Liste Hamburg betreibt ein Info-Telefon und stellte seit ihrer Grün- dung ihre Mitglieder als Ordner bei zentra- len Nazi-Versammlungen und Aufmär- schen ab. Unter Worch und Wulff stellten sie beispielsweise die Ordnertruppe am 21.4.1990 in München bei der Veranstal- tung „Wahrheit macht frei“, auf der nicht nur die „Eselsmasken“-Aktion wiederholt wurde, sondern auch ein ãMarsch auf die Feldherrenhalle“ in Anlehnung an den ver- suchten Hitler-Putsch 1923 versucht wur- de. Diese Veranstaltung war ein Treffen der gesamten nationalen wie internationa- len Nazi-Prominenz. Neben der Nationalen Liste sowie weiteren Mitgliedern diverser Nazi-Gruppen waren dort vertreten: , englischer „Historiker“, der die Verbrechen der Faschisten ãwider- legt“; Dr. Gerhard Frey von der ãDeutschen Volksunion“; Vertreter des US-amerikanischen ãInsti- tuts for Historical Review“, das die Leug- nung der NS-Verbrechen zum Programm hat; Gerd-Klaus Kaltenbrunner, Vordenker des „neokonservatismus“ und Preisträger der „Deutschland-Stiftung“; Ewald Bela Althans aus München, Star des Films „Beruf Neonazi“; Professor Helmut Schröcke, Mitinitiator des rassistischen „Heidelberger Manifests“. Am 21.5.1991 durfte die ãNationale Liste“ mit etwa 50 Teilnehmern im Ham- burger Stadtteil St.Georg unter Polizei- schutz demonstrieren. AntifaschistInnen,

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 22 DIE FAP len propagierte. Drei Monate nach der Bür- gerschaftswahl habe er Positionen der NL übernommen. Die Nationale Liste wirbt im braunen Verbund mittlerweile um eine Stimmabga- Willi Wegner – be für die REPs bei den Bundestagswahlen 1994. Der Aufruf der NL für die REPs wird eine Nazi-Karriere u.a. veröffentlicht in der rechtsextremen Postille „Der Frontsoldat“, dem Mittei- 1987: Beteiligt beim Versuch, die lungsblatt des ãStahlhelm e.V. Bund der Hafenstra§e anzugreifen. Frontsoldaten-Kampfbund für Europa“, 1989: Im April Angriff auf eine VVN- der selbst zu den Organisationen um DVU- Veranstaltung in Lüneburg u.a. mit Man- Chef Dr. Gerhard Frey gehört. illi Wegner, zuletzt wohnhaft fred Börm (ANS, WIking-Jugend-Führer Im Juni 1994 feiern am Wittensee bei in Hamburg-Horn, gehört zu und 1979 im Bückeburger Prozeß gegen Rendsburg etwa 50 Jungnazis eine Sonn- Wden ältesten Aktivisten der die ANS-Terrortruppe verurteilt), sowie wend-Feier. und gröhlen das Horst-Wessel- Hamburger und Deutschen Neonazi-Szene: der Tostedter FAP-Gruppe. Lied. Veranstalter: FAP, NL, Wiking- Anfang der 70er Jahre Mitgründer der 1991: Seit Feburar einer der Angeklag- Jugend und andere Gruppen. NSDAP/AO in der BRD. ten im Stuttgarter Proze§ gegen das KAH Zumindest bis vor kurzem war Sitz der 1973/74: Mitglied einer Wehrsportgrup- wegen Fortführung der verbotenen ANS. NL eine Wohnung in Hamburg-Lohbrügge. pe Neumann; Anschläge auf Buchläden 1991: Seit April stellvertretender Vorsit- Die Wohnung wurde früher von Thomas (polibula Göttingen), Grabschändungen, zender der „Nationalen Offensive“. Wulff bewohnt, dient aber zuletzt nur noch Raub von Maschinenpistolen, Waffenlager; Wegner wohnt seit 1992 in einer Woh- für Versammlungszwecke. Offiziell hat die flog 1974 auf. Dafür wurde Wegner 1976 nung zusammen mit Christian Scholz, der NL derzeit zwischen 20 und 30 Mitglieder. zu 39 Monaten Haft verurteilt. H. J. Neu- seit spätestens 1985 ebenfalls zum soge- mann, der 1974 bei der NSDAP-Versamm- nannten „Mosler-Flügel“ der FAP gehört lung im Haus des Sports teilgenommen hat- und 1985 mit ihm zusammen bei einer Hit- te, setzte sich nach Südafrika ab. ler-Geburtstagsfeier in der Gärtnerei Mül- 1978: Haftentlassung; bis 1981 Brief- ler in Mainz-Gonsenheim. Scholz war kontakt mit dem einsitzenden Michael Schriftführer und presserechtlich Verant- Kühnen. wortlicher der „FAP-Nachrichten“, des 1981: beteiligt am Mord an Johannes „Volksgenossen“ und „Der politische Sol- Bügner im Mai 1981; 18 Monate Haft. dat“ (alle FAP). Er baute die FAP in Nord- 1984: Haftentlassung im Januar; im rhein-Westfalen mit auf, nahm an FAP- März festgenommen beim Plakatieren mit Aufmärschen 1987 und 1989 in einer selbstgebastelten Waffe. Rothenburg/Wümme teil und taucht als 1984: Redner bei einer ANS-Veranstal- FAP-Adresse im bekannt gewordenen tung im Juni. Notizbuch von Michael Kühnen auf. 1985: seit Juli im FAP-Vorstand Ham- Offenbar bilden Wegner, Scholz und Henry burg. Fiebig (siehe Abschnitt ãBewegung in 1986: Sechs Monate Haft wegen NS- Waffen“) den Kern der (verbotenen) Propaganda; stellv. Bundesvorsitzender der „Nationalen Offensive“ in Hamburg. FAP.

Christian Worch gemeinsam mit Wilfried Arnulf Priem. Priem wurde Anfang der 70er Jahre von der Bundesregierung aus DDR-Haft freigekauft, wo er wegen rechter Aktivitäten einsaß. Er gründete in Freiburg die „Kampfgruppe Priem“, die u.a. antifaschistische Demonstranten vor einem Kino zusammen- prügelte. Später ging Priem nach Berlin, wo er als Anführer einer Nazi-Rocker-Gruppe tätig ist. Er ist Chef des ãGauschulungsamtes Wotans Volk“ und mit Worch im Führungskreis der GDNF. Er wurde Ende 1993 an der österreichischen Grenze festgenommen und wird in Verbindung gebracht mit den Brief- bomben-Attentätern dort. Mitte August 1994 wurde Priem verhaftet. Er wird der „Bildung bewaffneter Haufen“ beschuldigt, eines Staatsschutzdelikts.

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 23 BRAUNE TECHNIK-FREAKS

Braune Technik-Freaks

Nationales Infotelefon Hamburg

mal polizeilich beschlagnahmt wurde, von einem zweiten Telefon in der Wohnung von Glenn Goertz in Halstenbek. Bundes- eit Anfang 1993 existiert in Ham- weit existieren mindestens noch in Mainz, burg ein sogenanntes ãNationales Frankfurt und im Sauerland weitere solche SInfotelefon“, über das die Neonazis Infotelefone. eine halböffentliche Propaganda betreiben, Gegen das Infotelefon fand Mitte April ihre Aktionen koordinieren etc. Die techni- eine Demonstration von etwa 1000 Ð 1500 sche Einrichtung eines solchen Telefons ist AntifaschitInnen statt. Nachdem die Polizei denkbar einfach: Auf einem Anrufbeant- schon Mittags die Brüder Glenn und Andre worter wird eine möglichst langer Text Goertz vorsorglich festgenommen hatte, Bildschirmschoner, der von Nazis gesprochen, der dann einfach abgehört erhöhte sich im Verlauf der Aktion die Zahl auf Disketten verbreitet wird werden kann. Außerdem können über den der festgenommenen Nazis auf 23 Ð sie hat- Anrufbeantworter auch Informationen ten sich mit Toschlägern, Tränengasdosen, gesammelt werden. Immer wieder haben Signalwaffen und Pflastersteinen vor das die Nazis die „Nationalen Infotelefone“ als Haus gestellt und wurden vorsorglich ãin Sammelstelle für „Anti-Antifa-Informatio- Gewahrsam genommen“. Datennetze nen“ propagiert. Auch Mobiltelefone werden von den Betrieben wird das Hamburger Infotele- Nazis genutzt – spätestens als sie 1990/91 der Neonazis fon von dem Jura-Studenten Sven Sievert, in der ehemaligen DDR Probleme mit dem einem Mitglied der FAP, von seiner Woh- Telefon hatten. So war beispielsweise im nung in der Eiffestr. 602c im 3. Stock. August 1993 beim Rudolf-He§-Marsch Anfang 1994 war die Telefonnummer: jeder Bus mit einem solchen Telefon aus- 040-2195400. Ergänzt wurde das Telefon gerüstet, und Worch – Deckname „West- uch die Nazis nutzen in in der Eiffestr., dessen Tonband schon ein- wind“ – konnte die Nazi-Kolonne relativ verstärktem Umfang die moder- einfach nach Fulda dirigieren. A nen Techniken der Kommuni- kation. Da gibt es z.B. im System der Com- puter-Mailboxen das sogenannte April 1994: Einer von 24 Nazis, die bewaffnet gegen eine Demonstration gegen das „Nationale Infotelefon“ in der Eiffestraße vorgehen wollen. THULE-Netz, in dem rechte Gruppen ihre Nachrichten verbreiten. Die FAP unterhält eine eigene Mailbox: „Wolf-Box“ in Kre- feld. Innerhalb der Computerszene gibt es dazu eine Auseinandersetzung und die ent- sprechenden Freaks versuchen, sich durch entsprechende Ma§nahmen gegen diesen braunen Dreck zu wehren (Vollmüllen der öffentlich zugänglichen Nazi-Mailboxen etc.). Doch hinter den öffentlich zugängli- chen Netzen verbergen sich weitere, nur durch spezielle Passwörter zu öffnende Mailboxen, in denen die nach au§en abzu- schirmende Kommunikation stattfindet. Seit Sommer 1994 ist auch die Hambur- ger Nationale Liste im Thule-Netz vertre- ten, um das ãWerk der zunehmenden Ver- netzung der Nationalen Opposition erfolgreich fortsetzen zu können“. Insbe- sondere wirbt die NL im Thule-Netz wei- terhin darum, Namen, Adressen etc. von

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AntifaschistInnen zu übermitteln, um sie kette. Ursprünglich waren diese „Spiele“ Schrift auch als Broschüre in Umlauf im „INDEX“ veröffentlichen zu können. recht primitiv und vorwiegend für die gebracht werden soll. In der NS-Zeitschrift „Neue Front“ wur- Besitzer von amiga-Computern zugänglich; Als Autor wurde im Sommer 1994 der den Artikel zum Umgang mit Datenbanken heute sind die „Spiele“ raffinierter gemacht in Hamburg lebende Nazi Henry Fiebig veröffentlicht, eine Diskette mit der Datei und auch auf üblichen PCs verbreitet. ausgemacht., der schon ein Jahr zuvor auf- „Wehrwolf.txt“ enthält Anleitungen zum Neben üblen „KZ-Spielen“ finden sich gefallen war, weil er sich in der Julius- Bombenbauen, auf durch AntifaschistInnen heute aber auch Anleitungen für den rech- straße gegenüber der „Roten Flora“ im „beschlagnahmten“ Disketten aus dem ten Terror, Anleitungen zum Bombenbauen Schanzenviertel eingemietet hatte und von Umkreis der „Nationalen Alternative“ fan- usw. auf solchen Disketten, die vielfach dort aus am 11. Juni 1993 mit einer Schrot- den sich dilettantisch gelöschte Dateien mit nicht nur diese Nazi-Schei§e enthalten, flinte auf AntifaschistInnen geschossen „unerwünschten Personen“ etc. sondern auch Raubkopien nützlicher Soft- hatte. Fiebig gilt als Repräsentant der (ver- Doch während die Betreiber von Mail- ware. Da Disketten mit brauchbarer Soft- botenen) „Nationalen Offensive“ in Nord- boxen letzten Endes zu ermitteln sind, hat ware heute gerne weitergegeben werden, deutschland. In seiner Wohnung wurde in den letzten Jahren eine andere Verbrei- verbreitet sich auch derartiger Nazi-Schei§ Waffen (Schreckschu§, Reizstoff und Sig- tungsmethode nazistischer Propaganda recht schnell und ist kaum mehr auf einen nalmunition), Materialien, die zur Herstel- erheblich zugenommen: Die Verbreitung Urheber zurückzuführen. lung von Sprengkörpern geeignet sind, von nazistischen Computerspielen per Dis- mehrere Flaschen mit Brandbeschleunigern und neonazistisches Material gefunden. Ähnliche Anleitungen zum Terror hat es in der Nazi-Szene schon häufiger gegeben. Mitte der 80er Jahre kursierte eine ähnliche Eine Bewegung Anleitung als das "Märchen vom bösen Wolf" in Norddeutschland. Die damalige in Waffen Schrift wurde mit dem Förster Lembke in Verbindung gebracht, der ein umfangrei- nahme. Teil 1 enthält Bemerkungen zu ches Waffenlager gesammelt hatte und im Massenpsychologie, Propaganda und Gefängnis tot aufgefunden worden war, als Revolution, Teil 2a erläutert Strategie und er gegenüber dem BKA umfangreiche Aus- den revolutionären Kleinkrieg, Teil 2b gibt sagen machen wollte. ies ist der Titel einer Schriftenrei- genaue Anleitungen für den Umgang mit he, die derzeit auf Diskette kur- Sprengstoff. Dieser letzte Teil ist im Dsiert und die auszugsweise im Wesentlichen der Schriftenreihe des „NS-Kampfruf“ abgedruckt wurde. Der Schweizerischen Unteroffiziersverbands „NS-Kampfruf“ ist eine auf deutsch entnommen, die präzise die Taktik des erscheinende, in USA hergestellte Zeitung Untergrundkampfes für den Fall der NSDAP/AO des Gary Rex Lauck aus beschreibt, da§ die Schweiz von einer Nazipropaganda Lincoln in Nebraska. Diese Schrift ist eine fremden Macht besetzt wird. Es wird ver- Anleitung zur terroristischen Machtüber- mutet, da§ neben den Disketten die Nazi- durch Grundrechte

Nazi-Anleitung zum Staatsstreich geschützt ?

ei diesen ãNationalen Infotelefo- nen“ machen sich die Nazis die BTatsache des Telefon- und Brief- geheimnisses zunutze. Die private Kom- munikation per Brief oder Telefon ist dabei ebenso geschützt wie die Wohnung. Die Nationalen Infotelefone allerdings dienen nicht der privaten Kommunikation, son- dern sind eindeutig Bestandteil einer öffentlichen Propaganda, da sie nur zu dem Zweck eingerichtet sind, öffentliche Infor- mationen zu verbreiten. Da§ diese Telefone sich auf einem sehr schmalen Grat von angeblicher Legalität bewegen, ist den Nazis durchaus bewu§t. So schlossen bis Herbst 1993 die Ansagen des Hamburger Telefons mit ãHeil Deutschland“, seitdem sind die Texte etwas „moderater“, um möglichst wenig Angriffspunkte für behördliches Einschrei- ten zu bieten. 1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 25 BRAUNE TECHNIK-FREAKS

Hamburger Abendblatt, 6.4.1994

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 26 TERROR VON RECHTS

Terror von Rechts „durch gezielte Feindaufklärung ... diese kriminellen Subjekte aus der Anonymität der Masse herauszureißen.“. In der Ham- Die Zeitschrift „INDEX“ burger Zeitschrift wurden über den Ham- burger Bereich hinaus auch Adressen aus (Hamburg 1992) Norderstedt oder Wilhelmshaven veröf- fentlicht. Neben Privatadressen (inklusive Listen“ und eröffneten damit eine bundes- Berichten über persönliche Gewohnheiten, weite Kampagne der Neonazis, unter dem Lieblingskneipen etc.) werden auch Buch- Titel „Anti-Antifa“ DemokratInnen und läden, Cafés, Beratungsstellen, Copy- AntifaschistInnen einzuschüchtern. Daß es Shops, Druckereien, Schülerzeitungen, m August 1992 begann die Hamburger den Nazis um nichts anderes als um die Jugendzentren bis hin zu Senioren-Arbeits- Zeitschrift „INDEX“ der „Nationalen Einschüchterung und Aufforderung zur kreisen ins braune Visier genommen. IListe“ um Christian Worch und Tho- direkten Gewalt geht, wird an dem im mas „Steiner“ Wulff mit der Veröffentli- „INDEX“ formulierten Ziel dieser „Anti- chung von sogenannten ãAnti-Antifa- Antifa-Listen“ deutlich: Es gehe darum, Der „EINBLICK“ – Aufforderung zum Terror

in Jahr später, im Herbst 1993 kam dann der „EINBLICK“ heraus, der Edie bundesweiten Bemühungen der „Anti-Antifa-Initiative“ Worchs zusam- menfa§te. Gegen DM 10.Ð konnte das Papier über eine Deckadresse in Dänemark bestellt werden. Geworben worden war für die Broschüre schon seit einem Jahr, über die Nationalen Infotelefone und ähnliche Kommunikationsmedien der Neonazis. Das Ausspähen der Gegner war schon seit län- gerer Zeit ein Teil der Nazi-Politik. Das ãKomitee zur Vorbereitung der Feierlich- keiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers“ unterhielt ein „Referat für Sicherheitsfra- gen“, die ANS hatte Sonderführer für Sicherheit (gegen Verräter in den eigenen Reihen) etc. Der Göttinger Nazi Michael Fiedler vom Studentenbund Schlesien bezeichnet sein Mitteilungsblatt auch mal als „Fachblatt für Wölkologie und Hundse- derkunde“ (Wölk und Hundseder sind anti- faschistische JounalistInnen). In Westberlin war noch vor dem ãEIN- BLICK“ ein von Worch initiiertes Blatt eines „Freundeskreis revolutionärer Volks- sozialisten“ erschienen, das ebenfalls die Veröffentlichung von antifaschistischen und sonstigen demokratischen Adressen als Ziel hatte.

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 27 TERROR VON RECHTS

auf: ãHat eine Kampfgruppe von 15 Mann, unterhält enge Kontakte zu französischen Extremisten! Er hat Kontakte zu Roeder, Hamburg, Berlin und besitzt eine Drucke- Hamburger rei. . .soll im Besitz von Waffen sein und fordert zu Gewalttaten auf. . . Wie Hefen- Vorfälle dehl berichtet, soll in Hamburg eine Grup- pe um Wrobel bestehen, mit der er engen Kontakt unterhält.“ Die eigentlichen Initia- toren und Betreiber dieser Datensammelei der Nazis, Worch und Co. werden wahr- m September 1992 überfielen einige scheinlich auch dieses Mal straffrei blei- Neonazis Aktivisten der ãAntifa-Nien- ben. Ursprünglich waren etwa neun Nazis Idorf“ nach einem Treffen. Als gegen der Produktion und Erstellung des Ein- diesen Überfall etwa 60 AntifaschistInnen blicks verdächtigt worden, darunter auch demonstrierten, rückten rund 50 Neonazis die Betreiber des ãNationalen Info-Tele- an, die von der Polizei gestoppt wurden; 15 fons“ in Mainz, Michael Petri und Sascha wurden vorläufig festgenommen. Am sel- Chavez. Von diesen neun wurden vier ben Abend allerdings griffen etwa 50 „mangels Beweisen“ bald wieder von der rechtsradikale Randalierer die Wohnung Liste gestrichen, ob gegen die drei übrigen eines Antifa-Aktivisten an und warfen die überhaupt Anklage erhoben wird, ist Scheiben mit Flaschen und Steinen ein. unklar. Auf jeden Fall scheint die Nazi- Von der Polizei wurden diese Auseinander- Titelseite des „Einblick“, verbreitet Herbst 1993 Szene über das Auffliegen der „EIN- setzungen als ãunpolitische Streitigkeiten BLICK“-Macher gespalten: Das Nationale zwischen Kurz- und Langhaarigen“ ver- Das Mainzer „Nationale Infotelefon“ Infotelefon Hamburg verdächtigte Stefan harmlost. veröffentlichte am 25. Mai 1994 dankens- Cumic, den Norman Kempken an den hes- Ende 1992 erhielt eine Frau in Schwarz- werterweise eine komplette Liste aller sischen Verfassungsschutz verraten zu enbek anonyme Drohanrufe und Drohbrie- Anti-Antifa-Adressen: Neben der Nationa- fe. ãWenn Du mit dem Schei§ nicht auf- len Liste in Hamburg findet sich dort Mar- hörst, bringen wir Dich um.“ Der kus Privenau aus Bremen von der FAP, angebliche „Scheiß“ war eine antirassisti- dessen Anschrift auch schon für die „Hilfs- sche Anzeige, die sie in einer lokalen Zei- gemeinschaft für Nationale politische Der Fall tung veröffentlicht hatte – ohne Angabe Gefangene“ gedient hatte; die Adressen in von Adresse oder Telefonnummer, die die Bonn und Duisburg sind FAP-Adressen. Wilhelmshaven Nazis sich zielstrebig besorgt haben müs- Das Postfach in Witten gehört der verbote- sen. nen „Nationalen Offensive“: in der Gegend Bei der evangelische Simeon-Kirchen- um Köln tauchte ein erstes Anti-Antifa- gemeinde Bramfeld wurden Aufkleber der Flugblatt mit einer Postlagerkarte als n Wilhelmshaven, wo der ãKamerad- „Nationalen Liste“ und der „Republikaner“ Adresse auf, ebenso bei der Anti-Antifa- schaftsbund Wilhelmshaven“ bis zu auf den Schaukasten geklebt. Schon seit Rhein-Main. Michael Petris Postfach in Iseinem Verbot im Herbst 1992 den längerer Zeit ist die Gemeinde Ziel rechter Wiesbaden gehört ebenso zu den Adressen- lokalen Stützpunkt der Neonazis-Szene Anschläge, es werden Gebäude besprüht Sammelstellen wie das von Manfred Huck darstellte, wurde die Anti-Antifa-Kampa- und Mitarbeiter telefonisch terrorisiert. von der süddeutschen ANK. gne der Neonazis ganz offen betrieben. Einer dieser Mitarbeiter ist der Pastor Letztendlich erstellt wurde der ãEIN- Nicht nur, da§ eine ganze Reihe von Anti- Klaus Jähn, der wochenlang telefonisch BLICK“ angeblich von dem Nazi Norman faschisten im „EINBLICK“ vorgestellt terrorisiert wurde. Flugblätter tauchten auf Kempken aus Rüsselsheim, der schon 1990 wurden; es kursierte darüber hinaus ein gegen Pastor Jähn mit dem Text: „Macht in Madrid bei einer Gedenkveranstaltung Flugblatt, in dem mit Foto der örtliche anti- Jähn fertig wie Jürgen Brammer.“ Vor für den spanischen Faschistenführer Franco faschistisch engagierte DGB-Sekretär vor- Jähns Haus marschierten drei Neonazis aus teilgenommen hatte. Gedruckt wurde die gestellt und bedroht wurde. Wie bekannt dem Umkreis der „Nationalen Liste“ auf Broschüre von Eberhard Hefendehl aus wurde, war das Foto auf dem Flugblatt vom und sangen das Horst-Wessel-Lied; im Rodach in Oberfranken. Hefendehl ist Hamburger Christian Worch den Wil- Hamburger „Nationalen Infotelefon“ wur- Inhaber einer ãOdal Ð Druck- und Verlags- helmshavener „Kameraden“ zur Verfügung de zu „spontanen“ Aktion aufgerufen. Die Gesellschaft“, bei der auch das antisemiti- gestellt worden. drei Neonazis, Thorsten B., Tobias T. und sche Blatt „Der Scheinwerfer“ erscheint, in Hartmut W. werden zu drei Monaten auf dem auch Christian Worch schreibt. Hefen- Bewährung und einer Zahlung von jeweils dehl war urspünglich NPD-Mitglied, und er DM 1500 an die jüdische Gemeinde Ham- nahme Ende der 70er Jahre an Lagern der burg verurteilt. Ihr Anwalt ist Jürgen Rie- Wiking-Jugend teil, bei der antifaschisti- ger. sche Jounalisten militant angegriffen wur- Mahmut Erdem, Direktkandidat der den. In den Spitzelberichten des VS-Agen- Hamburger Grünen in Hamburg-Mitte und ten Gottwald/Reiser, der jahrelang die sich Emigrant aus der Türkei, erhielt anonyme gründende NSDAP im Staatsauftrag bespit- nazistische Drohbriefe, in denen er als zelte (und es dabei bis zum Kassenwart „Scheinasylant“ und „Schwein“ beschimpft brachte) taucht Hefendehl folgenderma§en und mit Anschlägen bedroht wurde.

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 28 TERROR VON RECHTS

Seit Anfang 1994 wird Jürgen Brammer FAP zu. Drohbriefe aus Dresden aber Er hatte sich darüber beschwert, daß NS- permanent von Neonazis bedroht. Er trat beziehen sich eindeutig auf den ãKamera- Schmierereien am Zaun einer Gärtnerei im Dezember 1993 als Produzent und den Worch“, der Brammers „Entfernung nicht entfernt wurden. Seine Adresse war Moderator einer Sendung ãNazis Ð Nein aus dem Offenen Kanal“ gefordert habe. im Sommer 1992 im Hamburger Danke“ im Hamburger „Offenen Kanal“ Doch ob Worch und die Nationale Liste „INDEX“. und im Herbst 1993 im nationa- auf. Im Januar 94 dann wurde seine oder die FAP – für Brammer sind das takti- len „EINBLICK“. veröffentlicht worden. Anschrift und Telefonnummer in der Nazi- sche Spielchen, denn immerhin wird das Anfang September 1994 erhielt der Zeitschrift „Nationales Echo“ Nr. 1 veröf- von FAP-Anhängern betriebene Nationale Direktor des Museums für Hamburgische fentlicht mit dem Hinweis, ãdoch auch mal Infotelefon Hamburg von Worch intensiv Geschichte, Jörgen Bracker, mehrere ano- mit ihm zu sprechen“. Seitdem wird der genutzt. Und noch etwas ist äußerst merk- nyme Drohbriefe wegen der dortigen Aus- Schwerbehinderte und Frührentner syste- würdig: Bereits Tage vor der öffentlichen stellung „...wenn alles in Scherben fällt“: matisch mit Telefonterror überzogen. In Verbreitung des „Nationalen Echos“ erhielt „Wenn Du Deinen Dreck nicht läßt, blasen einer 4-seitigen Sonderausgabe des ãNatio- der Staatsschutz ein Exemplar vom Verfas- wir Dir einen, da§ Du mit Deinem Kasten nalen Echos“, wurde ein regelrechtes Dos- sungsschutz, allerdings aus einer ãgericht- in di Luft fliegst ehlendes stinkendes Hetz- sier über Brammer veröffentlicht, Lebens- lich nicht zu verwertenden Quelle“. Haus- gesindel!“(Schreibfehler im Original). Wie gewohnheiten, eine vorformulierte durchsuchungen wegen des Nationalen die Polizei mitteilte, hat allein ein einziger Todesanzeige, ein Foto mit Zielscheibe etc. Echos haben bislang nicht stattgefunden. Schreiber in den letzten zwölf Monaten Brammer selbst macht Christian Worch für In Eidelstedt wird der Maler Gerhard (also seit Erscheinen des „INDEX“.) rund dieses Blatt verantwortlich; dieser leugnet Lentz immer wieder durch rechtsradikale 50 Briefe dieser Art geschrieben. die Urheberschaft und schiebt sie eher der Telefonanrufen und Drohungen terrorisiert.

TAZ-Hamburg, 4.8.1994

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 29 RECHTES AUS HAMBURG

Rechtes aus Hamburg AusländerInnenanteil wohnen hier am wenigsten Ausländerinnen von allen Ham- burger Bezirken, die Wahlergebnisse der Bergedorf – Rechten schienen bis zu den Bürgerschafts- wahlen 1993 gar nicht besonders hoch und ein Zentrum der Neonazis auch 1993 schaffte die DVU den Einzug ins Bezirksparlament nur wegen des Wahl- Angst oder Zustimmung nichts gesehen verzichts der REPs in diesem Bezirk. Die haben will. Einer der Schläger von der dem Gericht oder Sozialarbeitern als rechts Lohbrügge-army, Thomas Ludwig, war bekannten Jugendlichen stammen aus allen eit Jahren ist der Hamburger Bezirk schon mehrfach im Zusammenhang mit der sozialen Schichten, kaum einer ist arbeits- Bergedorf ein Zentrum der Neona- FAP festgenommen und abgeurteilt wor- los, fast alle sind in der Lehre oder Schüler; Szis-Szene. Insbesondere auch der den. in den Gerichtsverfahren wird nahezu allen Stadtteil Lohbrügge ist eine „Hochburg“ Speziell der nahe Sachsenwald, aber rechten Schlägern eine „günstige Sozial- der „Nationalen Liste“ um Christian Worch auch Sanddünen und Kiesgruben an der prognose“ erteilt. Und dennoch – oder und Thomas Wulff. In vielen Jugendtreffs Stadtgrenze dienen den verschiedenen gerade deshalb? Ð hat sich in Bergedorf werden ausländische und antifaschistische Gruppen als Gelände für ihre Wehrsportü- unter dem Anschein der Wohlanständigkeit Jugendliche terrorisiert. In den letzten zehn bungen. Sowohl Nationale Liste wie auch eine der rechtsradikalsten Jugendszenen Jahren war Bergedorf eines der Zentren die FAP trainieren dort ihre Prügeleinsätze. gebildet. Nicht alle dieser Jugendlichen rechter Randale, von Überfällen bis hin zu 1990 beispielsweise machten etwa 40 sind auf Dauer rechtsradikal organisiert, Mordversuchen. Stellplätze für Sinti und Nazis aus Ratzeburg und Bergedorf aber offenbar ansprechbar für rechtes Roma wurden überfallen (Brandanschlag Schießübungen im sogenannten Bunker- Gedankengut und dementsprechende 1987 auf dem Frascatiplatz; bei den Tätern wald. 60 zusammengerufene Polizeibeamte Taten, die sich dann nicht zuletzt in geziel- wurden Flugblätter der rechtsradikalen lie§en die Nazis unbehelligt, weil das ter Gewalt gegen Ausländer, Sinti und „Hamburger Liste für Ausländerstop“ Gelände so unübersichtlich und unwegsam Roma, antifaschistische oder auch nur nicht gefunden), eine türkische Frau wurde vor sei. angepa§te Jugendliche austobt. ein Auto geworfen, sogenannte ãlinke Ende August 1992 wurde ein 22jähriger Wie jetzt anläßlich des Rücktritts des In- Zecken“ überfallen, Jugendzentren ange- Skin zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, nensenators Hackmann bekannt wurde, sol- griffen etc. 1989 warfen Skins Brandbom- seine Komplizen erhielten Haftstrafen auf len auch Polizeibeamte an diesen Wehr- ben auf das Jugendzentrum „Unser Haus“. Bewährung. Sie hatten im Sommer 1991 sportübungen teilgenommen haben. Im Im Sommer 1992 randalierten etwa 25 vor einem Disco-Schiff einen Türken nie- Prozeß gegen Jürgen Rieger wegen einer rechtsradikale Skins auf dem Stadtteilfest dergeschlagen und mit genagelten Sprin- Fahrt im März 1993 sagte Thomas Wulff der „City-Partner-Bergedorf“; die Randale gerstiefeln wiederholt auf ihn eingetreten. aus, daß die Wehrsportübungen mit Geneh- dauerte bis in die Nacht. Übereinstimmend Das Opfer mu§te mehrfach operiert wer- migung der Bundeswehr auf Bundeswehr- wird berichtet, da§ in all den rechten den. Die beiden jüngeren Komplizen sollen gelände durchgeführt worden seien. Jugendbanden und Hoolgruppen jeweils sich nach eigenen Angaben aus der rechts- Unbekannt geblieben ist der demokrati- organisierte Rechtsradikale von der FAP radikalen Szene gelöst haben. Verteidiger schen Öffentlichkeit jene Wehrsportgrup- oder der Nationalen Liste mitgemischt war Jürgen Rieger. pe, die im März 1994 bei Geesthacht von haben. Dabei scheint Bergedorf gar kein beson- der Polizei beim Waffentraining beobach- Speziell aus der Lohbrügger Skinszene derer „Problembezirk“ zu sein. Mit 6,6% tet und teilweise festgenommen wurde. ist seit Jahren bekannt, da§ hier Skins und Nazis eine enge Verbindung eingehen. Aus der nazistischen „Lohbrügge-army“ stam- men die Mörder des Türken Rahmazan Avci, der Ende 1985 an der Hamburger S- Braunes an den Universitäten Bahn-Station Landwehr mit einer Gehweg- platte erschlagen worden war. Mit dabei Burschenschaften) recht eindeutig dem war damals ein Bruder des NL-Führers neofaschistischen Spektrum zuzuordnen Thomas Wulff. Andere Mitglieder der Ban- sind: Die Burschenschaft Germania Ham- de schlugen am 11.1.1986 einen Türken in 993 wurde bekannt, da§ der Ver- burg, die Burschenschaft Askania und die einem Bus zusammen Ð ausgerechnet am fassungsschutz an der Hamburger Pennale Burschenschaft Teutonia. Tag der Trauerdemonstration für Avci – 1Universität neofaschistische Bur- Im Haus der Burschenschaft Germania und wurden in der Berufungsverhandlung Ð schenschafter beobachtet. Nach einigen Hamburg in der Sierichstr. wohnte eine sie waren zu Geldstrafen verurteilt worden Recherchen der Hochschul-antifa stellte zeitlang der Hamburger FAP-Landesvorsit- Ð freigesprochen, weil sie sich gegenseitig sich dann heraus, da§ insbesondere drei zende Andre Goertz; in diesem Haus wur- deckten und der Busfahrer entweder aus studentische Verbindungen (sogenannte den auch Aktionen u.a. des „Bürgerforums

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 30 RECHTES AUS HAMBURG

Bildzeitung, 14.4.1994

für die deutsche Einheit“ vorbereitet, in tretende Hamburger REP-Vorsitzende Hei- Hamburg auch noch die „Pennalie“ „Albia dem ein breites Spektrum der rechten Sze- ko Pätzmann und der ehemalige Beisitzer Harburgensis“ gehört. ne zusammenarbeitete - von der FAP, der Rolf Leppert arbeiten. Im „Freien Volk“ Diese drei Burschenschaften schlossen NL, der NPD bis hin zu DVU und REPs. wird au§er der in derartigen Zeitungen zu sich 1990 zu einem ãDeutschen Freundes- Die Burschenschaft Germania wirbt auch erwartenden Ausländerfeindlichkeit auch kreis“ zusammen, auf dessen Veranstaltun- regelmäßig in der rechten, in etwa auf der das Deutsche Reich in den Grenzen von gen im Haus der Germania auch der Linie der REPs agierenden Zeitung ãJunge 1914 (incl. Ostpreu§en) gefordert; au§er- berüchtigte David Irving, Leugner des Freiheit“. Auch die Burschenschaft Aska- dem finden sich Werbeanzeigen von noch Holocausts, oder der Leiter des neurechten nia liegt in etwa auf dieser Linie: So lädt weiter rechts stehenden Blättern wie „Euro- Thule-Seminars, Pierre Krebs, aufgetreten sie als Referenten das ehemalige Mitglied pa vorn“ (Im Umkreis der „Deutschen Liga sind. der REP-Programmkommission, General für Volk und Heimat“), „Unabhängige Auch die Landsmannschaft Mecklen- a.D. Uhle-Wettler, ein. Nachrichten“ (eindeutig neonazistisch) und burgia Rostock hat kein Problem mit Neo- Besonders interessant ist die dritte im „Junge Freiheit“. Die Schülerburschen- nazis: Sie sucht ihren Nachwuchs u.a. Bunde, die Schülerburschenschaft Teutonia schaft Teutonia ist einem ãAllgemeinen gezielt bei der Jugendgruppe ãSturmvo- Hamburg mit ihrer Zeitung „Freies Volk“, Pennäler Ring“ angeschlossen, zu dem in gel“, einer Abspaltung der nazistischen in deren Redaktion der ehemalige stellver- Wiking-Jugend.

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 31 RECHTES AUS HAMBURG

Nazianschläge Nazis und in Hamburg und Umgebung – Homosexuelle

30.9.1991 Zwei betrunkene Rechtsradikale legen Feuer in der Unterkunft für 800 Asyl- bewerber in der Kattunbleiche in Wandsbek.

as Thema Homosexualität ist in 5./6.10.1991 Rudolf-Steiner-Schule in Bergstedt: Mit „Juden raus“ und „Heil“ werden Nazis-Kreisen hei§ umstritten. Wände beschmiert. Offensichtlicher Anlaß ist die Aufführung des antimilita- DZum einen wird Homosexualität ristischen Theaterstücks von Wolfgang Borchert „Draußen vor der Tür“ und als „widernatürlich“ bekämpft, zum ande- die Arbeit einer „Initiative gegen rechts“. ren müssen sich die Nazis eben auch damit Ein portugiesisches Lokal in der Neustadt wird angesteckt; auch dort wer- auseinandersetzen, da§ auch unter ihnen den Hakenkreuze und Parolen entdeckt. eine ganze Reihe Schwuler sind; dement- In Lemsahl werden Gedenksteine beschädigt, in denen auf das ehemalige sprechend existieren in dieser Szene erheb- KZ hingewiesen wird liche Widersprüche. Schon im historischen Zwei Männer versuchen, auf eines der Wohnschiffe für Asylbewerber im Hitlerfaschismus mu§te der Vorwurf der Hamburger Hafen zu gelangen; als dies mißlingt, kappen sie sämtliche Tele- Homosexualität herhalten, um 1934 im fonanschlüsse. sogenannten „Röhmputsch“ mit der inner- parteilichen Strömung fertig zu werden, die 13.10.1991 Brandstifter schlagen im Gemeindehaus der Matthäuskirche in Winterhude eventuell Hitler hätte gefährlich werden die Scheiben ein und werfen brennende Pappe in den Keller. können. Im Erdgeschoß lebt eine afrikanische Familie. Speziell in der Hamburger Neonazi-Sze- ne hat es eine ganze Reihe von Schwulen 26.12.1991 Im Rönneburger Kirchenweg (Langenbek) und der Harksheider Straße (Pop- gegeben. Der prominenteste von ihnen war penbüttel) werfen Randalierer mit Pflastersteinen Fenster von Wohncontai- Michael Kühnen selbst, an dessen Schwul- nern ein und grölen: „Ausländer raus“. sein sich in den 80er Jahren die Neonazi- Bewegung in der BRD ja gehörig in die 7.1.1992 Marktstraße/St.Pauli: 37 Menschen werden von der Feuerwehr aus einem in Wolle geriet. Ende der 70er Jahre, als sich Brand gesteckten Ausländerwohnheim gerettet, 13 erleiden Rauchvergiftun- diese Neonazi-Szene um Kühnen und gen. Worch in Hamburg herausbildete, waren neben Kühnen auch noch der Wirt des 13. März 1992 Berzelliusstraße/Billbrook: Brandstifter stecken im Flur eines Ausländerheims Lokals CanCan / Mickey Mouse am Sankt- zwei Kinderwagen an. Mehrere Rauchvergiftungen. Georgs-Kirchhof, Lothar Wrobel, sowie der später als Verräter ermordete Johannes Juli 1992 Die „Sinstorfer Skinheads“ werden ausgehoben. Zwölf Glatzen zwischen 17 Bügner wie auch dessen Mörder, Fried- und 20 Jahren hatten einen „Rachefeldzug gegen Abtrünnige aus den eige- helm Enk, als Schwule bekannt. Ob auch nen Reihen“ beschlossen. Seit September 91 hatten sie Anschläge auf Asyl- Michael Frühauf, Kühnens damaliger Stell- bewerberheime (allein dreimal in Rönneburg) verübt, Brandsätze in antiras- vertreter und Anstifter des Mordes, zu die- sistische Treffs geworfen und andere Straftaten verübt. Bei ihren Anschlägen ser Schwulenszene gehörte, blieb unklar. hatten sie FAP-Aufkleber hinterlassen und in ihren Wohnungen wurden Vor Gericht wurde er damals als ãverkapp- gleich kiloweise rechtsradikales Schriftgut gefunden. Angeblich waren sie ter“ Schwuler bezeichnet, der seine nicht aber keiner Mitglieder der FAP, die sie als „nicht organisierbar“ und „unzu- eingestandene Neigung in Aggression verlässig“ einstuften.

8.9.1992 Rübenkamp/Barmbek: Unbekannte versuchen, im Bau befindliche Holzpavil- lons für Asylbewerber in Brand zu stecken.

16.9.92 Dratelnstraße/Wilhelmsburg: fünf Unbekannte schleudern Brandsätze gegen Container eines geplanten Asylbewerber-Dorfes.

22.9.92 „Mutmaßliche“ Rechtsradikale überfielen in Billstedt einen 19jährigen Schüler sowie zwei 30- und 32jährige Inder und stachen mit Messern auf ihre Opfer ein. Zwei wurden gefaßt.

12.10.1992 Simrockstraße/Blankenese: rechtsradikale Randalierer sprühen Parolen an die Wohncontainer des Asylbewerberdorfes. In Reinbek legen Brandstifter Feuer in einem Containerdorf.

November 1992 Ein Sprengkörper wird in ein Billstedter Asylbewerberheim geworfen, der zum Glück nicht explodiert.

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 32 RECHTES AUS HAMBURG

umleitete. In der Kneipenszene in St. Georg gab es einige Schwulen-Treffs, in denen eine unvoll- schwule Nazis ein- und ausgingen. Als Beispiel für die schwulenfeindliche ständige Sammlung Hetze mancher Nazis sei hier der FAP-Vor- sitzende Friedhelm Busse zitiert, der 1990 folgendes schrieb: „Anhänger und Mitläu- 4.5.1993 Ein 32jähriger Nazi aus Bramfeld mit Kontakten zur FAP stach einen Gast, fer perverser Sexualpraktiken, die sich als nachdem er wegen Nazi-Sprüchen aus einer St.Pauli-Kneipe rausgeflogen ‘Nationalsozialisten’ bezeichnen, sind war, nieder, der schwer verletzt wurde. unsere unversöhnlichen Feinde. Ihnen gilt unser Ekel und unser Abscheu. Homose- 10.9.1993 Am Abend der Hamburger Bürgerschaftswahlen wurden zwei Brandsätze xualität und perverse Praktiken sind der auf ein Ausländerheim in Wilhelmsburg geworfen. Wilhelmsburg war der Untergang eines jeden Kulturvolkes“. Zur Stadtteil mit den meisten rechtsradikalen Stimmen. Abwehr derartiger Hetze gegen den Küh- nen-Flügel sah sich Worch genötigt, die 11.2.1994 Ein Obdachloser wurde ermordet in der Nähe des S-Bahnhofs Neugraben Tatsache, daß Kühnen an AIDS gestorben gefunden. Offenbar war er zusammengetreten worden, sein Schädel war ist (wie auch der drogenabhängige Neonazi zertrümmert. Volker Heidel aus Hannover), einem KGB- Anschlag in die Schuhe zu schieben. 12.2.1994 Ein elfjähriges Mädchen ist von drei Jugendlichen am S-Bahnhof Im September 1993 veröffentlichte das Nettelnburg schwer zusammengeschlagen worden. Sie wurde als „Polin“, Schwulenmagazin „Magnus“ einen Artikel die „zurück in Dein Land“ gehen solle, beschimpft. ãAls Nazis geboren? Ð Schwule Nazis schneidern sich ihre eigene Ideologie“ März 1994 Ein Schwarzafrikaner wird von fünf jungen Männern in der U-Bahn geschla- einen Artikel über die Hamburger schwule gen und getreten. Durch das Eingreeifen anderer Mitfahrender wurden die Nazi-Szene. Namentlich benannt wurde Täter an weiterem gehindert. Lothar Wrobel, Wirt des CanCan und unbestritten sowohl schwul als auch Nazi, 18. 5. 1994 Unbekannte zünden in Wellingsbüttel eine Flüchtingsunterkunft an. sowie die seit Jahren in Hamburg bekann- ten Fakten. Auf insgesamt 500.000.Ð DM Juni 1994 Im Osdorfer Knabeweg wird das Asylbewerberheim in Brand gesetzt. Geldstrafe bei Veröffentlichung weiterer Gleich an fünf Stellen wird Feuer gelegt. Einzelheiten über Wrobels rechtsradikales Treiben will dieser das Magazin verurteilen August 1994 Rechtsradikale brechen in die Wohnung eines 26 Jahre alten Türken ein, lassen Ð vertreten ausgerechnet von seinem besprühen die Wohnung mit Hakenkreuzen und Parolen und raubten sie langjährigen Nazi-Kameraden Rieger, der aus. als erstes die Privatadresse des recherchie- renden Journalisten in Erfahrung bringen wollte. Rieger ist ebenfalls Anwalt einer anonymen „Arbeitsgemeinschaft männli- cher Gays“ (AMG), die seit längerer Zeit periodisch mit Hetzschriften gegen ãhomo- phobe Ausländer“, gegen angeblich unter- legene „Heteros“ zu Felde zog. Die „Sze- ne“ hatte über diese AMG berichtet und Verbindungen zu Kühnen und Co. gezo- gen; gegen diesen Artikel hatte Rieger im Auftrag der AMG erfolglos eine Gegendar- stellung zu erwirken versucht. Daraufhin wurden mindestens 30 Anzeigenkunden der „Szene“ mit Drohbriefen belästigt, in denen u.a. zu lesen war: ãWir hoffen, keine Fehlbitte getan zu haben. Andernfalls müs- sen wir uns vorbehalten, Ihnen persönlich und Ihren geschäftlichen Aktivitäten zu Leibe zu rücken.“ oder: „Wir sind durchaus bereit, auch homophobe Inländer in unsere Feindlisten aufzunehmen ... vielleicht kid- nappen wir die beiden für ein lustvolles Wochenende mit Rohrstock und Peitsche. Das Leben ist voller Überraschungen.“ Ins- gesamt weiß der Anwalt der „Szene“ von etwa 250 - 300 derartiger Drohbriefe. Die Polizei hat angeblich die Ermittlungen auf- genommen.

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 33 UNERLAUBTE FRAGEN?

Unerlaubte Fragen?

Die Braunschweiger ANS-NSDAP-Gruppe heitsdiensten sich organisiert dieser vor- um Paul Otte und Kurt Wolfgram wurde handenen oder vermuteten Staatsschutz- vom VS-Agenten Lepzien direkt mitge- Unterwanderung entgegenwirken wollten. gründet. Lepzien selbst wurde verurteilt, Auch Stefan Cumic, lange Zeit Betrei- Jahre Hakenkreuz-Nazis weil er mit dem Bau und Zünden von Rohr- ber des ma§geblichen Anti-Antifa-Telefons in Hamburg Ð das sind bomben seinen geheimdienstlichen Auftrag in Wiesbaden, wird mittlerweile von seinen 20nicht nur 20 Jahre Provo- übertreten habe, später aber begnadigt. Nazi-Kollegen vom Hamburger ãNationa- kationen, Aufmärsche, Schmierereien, Michael Kühnen hatte intensiven Kontakt len Info-Telefon“ als „Verräter“ verdäch- Überfälle und Anschläge. Diese Jahre sind zu dieser Bande, deren Mitglied Kurt Wolf- tigt, der die „EINBLICK“-Produzenten an auch gekennzeichnet von einer ganzen Rei- gram dann 1982 in München von der Poli- den hessischen Verfassungsschutz verraten he von Verwicklungen des Staatsapparats, zei in einer wilden Schie§erei erschossen habe. die Fragen aufwerfen. wurde (siehe Abschnitt über Busse). Auch Und schlie§lich wurde im Proze§ um So wurde Mitte der 80er Jahre bekannt, damals gab es einen „Mitteiler“, den die den Brandanschlag von Solingen nicht nur da§ ein VS-Agent unter dem Decknamen Polizei nicht durch eine Festnahme der bekannt, da§ der Betreiber der Kampfsport- Reiser, jahrelang in der sich neu formieren- Nazis an einem besseren Ort gefährden schule Hak Pao, Bernd Schmitt, ein den NSDAP als Spitzel tätig war und sich wollte. Wer dieser „Mitteiler“ gewesen langjähriger Agent des VS gewesen ist, dabei bis zum Kassenwart der NSDAP war, wurde öffentlich nicht mitgeteilt. sondern da§ auch Christian Worch sich emporgedient hatte. Die Spitzelberichte Von Gründung der ANS 1977 bis heute dort zumindest einmal zum Training ange- Reisers wurden bekannt und aus ihnen geht kursieren bei den Neonazis Gerüchte über meldet hatte. hervor, da§ der Verfassungsschutz nicht mögliche „Verräter“ in den eigenen Rei- Da§ der Hamburger Verfassungsschutz nur von Anfang an bestens informiert war, hen. Auch Christian Worch wurde 1987 offenbar sehr gute Kontakte in die Hambur- sondern insbesondere auch über eine Ham- vom FAP-Landesvorsitzenden Wegner ger Nazi-Szene hat, wird daran ersichtlich, burger Gruppe um Lothar Wrobel infor- zumindest verdächtigt, Agent zu sein. Nur daß das „Nationale Echo“, in dem der Anti- miert wurde. Da§ auch Eberhard Hefen- so läßt sich der Hinweis Wegners interpre- faschist Jürgen Brammer auf die Terrorliste dehl, der heute als Produzent des tieren, Worch habe ãgewollt oder unge- der Nazis gesetzt wurde, Tage vor seinem „EINBLICK“ angeklagt wird, schon wollt... den Kameraden aus dem Rheinland öffentlichen Auftauchen vom Verfassungs- damals in den VS-Berichten auftauchte, (die zu einem Gautreffen der FAP in schutz an die Staatsschutzabteilung der überrascht da schon nicht mehr. Gro§ensee erwartet worden waren; d. Hamburger Polizei weitergeleitet wurde, In Hamburg war es dann Michael Frue- Verf.) die Polizei auf den Hals gehetzt...“ mit dem Hinweis auf eine ãnicht gerichts- hauf, der einen Tag vor dem Mord am Derartige Gerüchte waren offenbar zu man- verwertbare“ Quelle. So werden in aller „Verräter“ Johannes Bügner im Mai 1981 chen Zeiten dermaßen häufig, daß immer Regel Informanten genannt, deren Enttar- als VS-Mitarbeiter angeworben wurde. wieder die Chefs in Rundschreiben für nung zum gegenwärtigen Zeitpunkt als Wie lange Fruehauf davor schon Kontakt „kameradschaftliche Disziplin“ sorgen nicht opportun erscheint. zum VS gehabt hatte, wurde nie bekannt. mu§ten und in extra eingerichteten Sicher-

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Die Rechte - eine Literaturauswahl zungen, Zusammenhänge, Wirkungen. Hg. v. W. Benz. (Fischer Tb. 12276) aktual. Aufl. 1994, •Rechtsradikale Gewalt im vereinigten Deutsch- ...... DM 18,90 land. Jugend im gesellschaftlichen Umbruch. Hg. v. H.-U. Otto u. R. Merten (Leseke + •In bester Gesellschaft. Antifa-Recherche zwi- Budrich) 1993, ...... DM 29,80 schen Konservatismus und Neo-Faschismus, Hg. v. R. Hethey u. P. Kratz. (Die Werkstatt) 1991, •Extremismus der Mitte. Vom rechten Ver- ...... DM 28,00 ständnis deutscher Nation. Hg. v. H.-M. Lohmann (Fischer tb. 12534) 1994, •Die Rückkehr der Führer. Modernisierter ...... DM 18,90 Rechtsradikalismus in Westeuropa. Hg. v. M. Kir- fel u. W.Oswalt. (Europaverl.) 2. überarb. Aufl. •Kühnl, R.: Gefahr von rechts? Vergangenheit 1994, ...... DM 39,80 und Gegenwart der extremen Rechten (Diestel) 3. Aufl. 1993, ...... DM 26,00 •Fromm, R: Am rechten Rand. Lexikon des Rechtsradikalismus. (Schüren) 2. aktual. Aufl. •Rechtsextremismus in Deutschland. Vorausset- 1994, ...... DM 28,00

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 34 LITERATUR UND (EIN PAAR) ADRESSEN

Literatur und Adressen

Diese Zusammenstellung beruht auf der Park 5, 20146 Hamburg, Tel. Montags am antifaschistischen Widerstand, Verfolg- Auswertung verschiedenster Quellen. Spe- 14:30 Ð 16:30 Uhr, 450 204 53. ter des Naziregimes und Hinterbliebener ziell zu Hamburg gibt es aus neuerer Zeit „Antifaschistisches Infoblatt“, Gneisenaus- e.V.“, Chausseestraße 29, 10115 Berlin leider keine umfassende Zusammenstel- tr. 2a, 10961 Berlin; unserer Meinung nach lung. Neben der Tagespresse dienten uns das beste regelmäßig erscheinende Info- Die weiter aufgeführten Zeitschriften ha- als Quellen insbesondere folgende Publika- blatt zum Thema Neonazismus; über die- ben mehr regionalen Charakter und über- tionen, die wir hiermit allen Interessierten selbe Adresse ist auch das ãantifaschisti- schneiden sich in ihren Berichten teilwei- empfehlen: sche jugend-info“ zu beziehen. se: ak, „analyse und kritik“ (vormals „Arbei- Nicht nur Neonazismus, sondern - wie der ATZE, Antifaschistische Zeitung Kiel, terkampf“), Hamburger Satz- und Verlags- Name schon sagt - alles rechts der CDU Schweffelstr. 6, 24118 Kiel. kooperative, Schulterblatt 58 b, 20357 interessiert die Zeitschrift ãDer Rechte AntifaZ, Antifa-Zentrum, Herner Str. 43, Hamburg; speziell über die Anfangszeit Rand“, Rolandstraße 16, Postfach 1324, 45657 Recklinghausen. der Hamburger Nazi-Banden in den Jahren 30013 Hannover. Antifaschistisches Info Frankfurt, c/o Cafe 76 bis etwa Mitte der 80er Jahre fand sich Blick nach rechts; 14tägig erscheinender Exzess, Leipziger Stra§e, 60487 dort das beste Material. Informationsdienst aus der SPD-Baracke; Frankfurt/Main Aus der Arbeit des ãKommunistischen teilweise recht informativ und aktuell, So- ZAG, Antirassistische Initiative e.V., Bundes“ dienten auch folgende Broschüren zialdemokratischer Pressedienst, Schu- Yorckstr. 59, HH, 10965 Berlin zur Darstellung der Geschichte: ãHamburg mannstra§e 2 b, 53113 Bonn - Stadt mit Herz für Nazis“, 1978; Für englisch verstehende Antifas ein mu§ Mittlerweile gibt es eine Reihe regional Materialmappe zum Thema Jugendliche ist die Zeitschrift „SEARCHLIGHT“ aus tätiger antifaschistischer Archive, Büros, Nazis in HH, 1982. England, die wohl europaweit am besten Telefone etc., die teilweise ebenfalls über Neuere Informationen über die FAP in Pin- informiert. Eine elektronische deutsche die elektronischen Netze veröffentlichen. neberg fanden wir ãantifa-info Kreis Sege- Ausgabe ist z.B. im Computernetz Com- Wer sich ernsthaft mit dem Thema berg-Pinneberg/Nord-HH“, das über Link zu haben - das Abo sollte aber unbe- beschäftigt, wird diese Adressen sehr „Schwarzmarkt“, Kleiner Schäferkamp 46, dingt bezahlt werden: Searchlight Magazi- schnell kennenlernen. 20357 Hamburg, erhältlich ist. ne, 37B New Cavendish Street, London Dort gibt es auch antifa-Materialien der W1M 8JR. Au§erdem haben wir als Quelle benutzt: „antifaschistischen aktion Hamburg“, die Ebenfalls teilweise elektronisch zu lesen sich mit der „Nationalen Liste“ beschäfti- sind die antifaschistischen Nachrichten der Drahtzieher im braunen Netz; der Wieder- gen. Volksfront gegen Reaktion und Faschis- aufbau der „NSDAP“, edition ID-Archiv, An der Universität ist die „Hochschul- mus im GNN-Verlag; auch dort unbedingt Amsterdam Antifa“ tätig, die über den Asta zu errei- das Abo bezahlen. chen ist: AStA Uni Hamburg, Von-Melle- ãANTIFA“, herausgegeben von: „Interes- sengemeinschaft ehemaliger Teilnehmer

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•Purtscheller, W.: Aufbruch der Völkischen. •Hasselbach, I. (W. Bonengel): Die Abrech- •Dem Haß keine Chance. Projekthandbuch Das braune Netzwerk. (Picus) 1994, nung. Ein Neonazi steigt aus. (Aufbau) 1993, „Rechtsextremismus“. Handlungsorientierte ...... DM 48,00 ...... DM 25,00 Gegenstrategien...in der Jugendszene. Eine Sammlung von Ideen... (Verl. a. d. Ruhr) 1993, •Bio-Macht: S. Reinfeldt / R. Schwarz: Biopoliti- •Schmidt, M.: „Heute gehört uns die Straße...“ ...... DM 19,80 sche Konzepte der Neuen Rechten. M. Foucault: Inside-Report aus der Neonazi-Szene. (Econ- Leben machen und sterben lassen. Die Geburt Tb. 26165), erweiterte Aufl. 1994, •Wildenhain, M.: Wer sich nicht wehrt. Roman. des Rassismus. (DISS-Texte 25) 2. Aufl. 1993, ...... DM 18,90 (Ravensburger) 1994, ...... DM 22,00 ...... DM 7,00 •Antifa. Diskussion und Tips aus der antifa- Periodika: •Fromm, R. / B. Kernbach: ...und morgen die schistsichen Praxis. Hg.: Projektgruppe (Ed. ID- ganze Welt? Rechtsextreme Publizistik in West- Archiv) 1994, ...... DM 14,80 •Der Rechte Rand (Hannover), zwei-monatlich europa. (Schüren) 1994, ...... DM 38,00 •Antifaschistische Nachrichten, 14-tägig (Köln) •Tips und Tricks für Antifas. Aktionen - Aufbau •Antifa (Berlin), zwei-monatlich •Lange, A.: Was die Rechten lesen. 50 rechtsex- einer Antifa-Gruppe. Hg.: Edelweiß-Piraten treme Zeitschriften. Ziele, Inhalte, Taktik. (Beck 1993, ...... DM 4,50 Tb. 1014) 1993, ...... DM 19,80

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 35 INTERVIEW MIT JÜRGEN BRAMMER

Interview mit Jürgen Brammer

Schon bei Beginn der Drohanrufe wurde Anruf bei mir ankam, aus einer Telefonzel- mir mitgeteilt, da§ mein Name nunmehr le im Saseler Damm. Während einer Du bist von Neonazis bedroht worden. als Ergänzung auf der Liste des gewissen Zeit erhielt ich Sicherheitsstufe 5 Wie kam es dazu? „EINBLICK“ stünde, der Liste von etwa - was immer das auch hei§en sollte. Jeden- 250 Adressen, die die Neonazis im Herbst falls wurde in dieser Zeit der jüdische Freunde von mir baten mich im Herbst 1993 veröffentlichten. Im April 1994 kam Friedhof in meiner unmittelbaren Nachbar- 1993, Veranstaltungen einer Geschichts- mir ein „Nationales Echo“ Nr. 1 zu schaft geschändet, ohne daß das LKA werkstatt zum Hamburger Aufstand von Gesicht, in dem ein einseitiger davon etwas mitbekommen hat. Nach die- 1923 auf Video aufzuzeichnen. Aus „Steckbrief“ gegen mich veröffentlicht ser Zeit wurden die Akten in meinem Fall diesem Material habe ich einen Video- wurde. Im Hamburger ãNationalen Info- an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, Film zusammengestellt, den ich im Ham- Telefon“ der FAP wurde mehrfach gegen die die Verfahren zu den von mir eingelei- burger „Offenen Kanal“, einem Stadtsen- mich gehetzt und für jeden Eingeweihten teten Strafanzeigen einstellte. der im Kabelnetz, zeigen konnte. Schon mu§ klar sein, da§ damit zu Aktionen nach der ersten Sendung, in der im gegen mich aufgerufen wird. Schlie§lich Wie schützt Du Dich gegen die Drohun- Abspann mein Name mit Adresse genannt gab es sogar eine nunmehr zwölf-seitiges gen? Welche Schlüsse hast Du aus die- wurde, bekam ich die ersten Nazi-Anrufe. „Nationales Echo“ nur zu meiner Person, sen Drohungen gezogen? Wie wehrst Du Diese Anrufe nahmen derart zu, da§ ich in der sehr detailliert über meine Lebens- Dich? Was kann man gegen Nazis tun? am 9.12.93 Strafanzeige wegen gewohnheiten (Verkehrsmittel, Bäcker Belästigung und Bedrohung gestellt habe. etc.) berichtet wird, was von erheblicher Ich bin natürlich vorsichtiger und aufmerk- krimineller Energie zeugt. samer geworden, vielleicht auch mi§traui- Wie sehen die Drohungen der Nazis Wer dahinter steckt, ist recht scher. Briefe und Päckchen, die ich nicht konkret aus? offensichtlich: Das „Nationale Infotelefon“ erwarte, werden von mir sorgfältig unter- wird von der FAP betrieben, die Anti-Anti- sucht. In dem Haus, in dem ich wohne, Im wesentlichen sind es Drohanrufe, deren fa-Aktivitäten gingen bundesweit von der habe ich die Nachbarn über diese Dinge erster Höhepunkt Ende 1993 war. Da wur- „Nationalen Liste“ um Christian Worch informiert und gebeten, genauso vorsichtig de ich als „rote Drecksau“ beschimpft, aus. Auch wenn nach au§en hin diese bei- zu sein, wenn Post für mich bei ihnen „zum Abschuß freigegeben“, „Judensau den Gruppen Differenzen bekunden, arbei- abgegeben werden soll. Mein Telefon ist verrecke. Dich kriegen wir auch noch“ und ten sie in Sachen „Anti-Antifa“ doch eng jetzt über einen Anrufbeantworter „gepuf- ähnliches. Manchmal kamen diese Anrufe zusammen. fert“, damit ich nicht jeden Mist spontan ganz oft hintereinander, so z.B. am anhören muß. Außerdem habe ich privat 28.12.93 sieben Mal in zwei Stunden. Die- Wir haben gelesen, da§ der die Fangschaltungen fortgeführt und darü- se Anrufe kamen während der Zeit, als in Verfassungsschutz das Infoblatt gegen ber einige Personen identifizieren können. Österreich mehrere Briefbomben von Dich schon sehr früh gehabt hat und an Diesen Personen habe ich Briefe geschrie- Nazis verschickt wurden und u.a. dem die Polizei weitergegeben hat. Wie siehst ben, um ihnen zu zeigen, da§ sie bekannt Wiener Oberbürgermeister mehrere Finger Du die Rolle der Behörden? sind. Das wichtigste aber zu meinem abgerissen wurden. Schutz ist auch die Fortführung der antifa- Neben diesen Anrufen bekam ich REP- Das ist richtig. Die Polizei wollte das schistischen Arbeit. Für mich heißt dies, Streichholzheftchen und anonyme Briefe. zwölfseitige Infoblatt von mir haben, daß ich im „Offenen Kanal“ in mehreren Bei Mahnwachen, die ich durchführte, fiel obwohl sie es selbst schon vom Sendungen „Nazis - Nein danke“ diese mir auf, da§ ich von einer Person Verfassungsschutz bekommen hatten. Die Dinge an die Öffentlichkeit getragen habe, „verfolgt“ wurde, die sich dann als „Rai- Quelle des VS aber sei nicht „verwertbar“. da§ ich Mahnwachen vor dem ãNationalen mund Vigneri“ ausgab von der „Stattpar- Daraus mu§ ich schlie§en, da§ der VS Infotelefon“ gemacht habe, daß ich auf tei“; dort aber ist eine solche Person nicht Kontakte in die Nazi-Szene hinein hat. Ins- verschiedenen offiziellen Veranstaltungen bekannt. In den Wänden des Hauses, in gesamt bin ich von der Polizei sehr mit antifaschistischem Charakter auf die- dem ich wohne, wurden Einschüsse festge- enttäuscht. Nach meiner Anzeige von sen Skandal aufmerksam mache etc. Zur stellt, in meinem Briefkasten fand ich zer- Anfang Dezember versuchte man, mich zu Zeit bin ich beteiligt an einem ãRunden knüllte Briefe usw. beruhigen, da würde doch nichts passieren. Tisch“, der alle zwei Wochen im Cafe im Erst nach einem Monat wurde eine Fang- Gewerkschaftshaus tagt und weitere Mög- Gegen Dich wurde von Neonazis sogar schlatung bei mir installiert für einige lichkeiten antifaschistischer Politik disku- ein eigenes Infoblatt gemacht. Wann Wochen. Es war auffallend, da§ in der Zeit tiert. Nicht die Opfer des Terrors müssen tauchte das auf? Wer steckt dahinter? der polizeilichen Fangschaltung nur ein sich verstecken, sondern die Täter!

1974-1994, ZWANZIG JAHRE NAZIS IN HAMBURG 36