Walter Fabian (1902-1992) Journalist – Pädagoge - G Ew Erkschafter
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409 D etlef O pperm ann Walter Fabian (1902-1992) Journalist – Pädagoge - G ew erkschafter Prof. Dr. Detlef Oppermann, geb. 1942 in Magdeburg, Papiermacher, Zweiter Bildungsweg in K öln und K assel, S tudium der G ermanistik, G eschichte und Pädagogik in Frankfurt/M. und Lyon, Erwachsenenbildner bei V H S , Postgewerkschaft und H eimvolkshochschulen, H ochschultätigkeit in Frankfurt/M., H agen, Landau und S aarbrücken, ist Direktor des V erbandes der V olkshochschulen des S aarlandes, V orsitzender von A rbeit und Leben S aar und H onorarprofessor für H istorische Pädagogik an der U niversität des S aarlandes. In der Totenrede, die W alter Jens am 12. M ärz 1992 auf den einen M onat zuvor verstorbenen W alter Fabian gehalten hat, sagte er: „W ie H ellm ut von G erlach und m ehr noch als er, w ar W alter Fabian nicht nur ein linker Pazifist, im m er zw ischen den Fronten, im m er darum bem üht, der zerspaltenen A rbeiterbew egung einen R est von G em einsam keiten zu bew ahren, sondern vor allem ein Pädagog auf der richtigen, der S eite des anderen D eutschlands: darum sein Engagem ent für die entschiedenen S chulreform er, darum seine A rbeit für die deutsche V olkshochschulbew egung, darum sein unbeirrtes W eiterführen der in der W eim arer R epublik von H erm ann H eller in Leipzig entw ickelten K onzeptionen, darum schließlich seine M ühe um die Bildung so genannter „kleiner Leute“, als C hefredakteur der „G ew erkschaftlichen M onatshefte“ - einer G azette, die er in freiem G eist leitete: nie die A lltagssorgen seiner K lientel vergessend - S orgen, die er, der vielfach gebeutelte, der M ann zw ischen den Fronten, der Flüchtling und von Ländern und Parteien, R egierungen und Funktionären G ejagte, w ie kaum ein zw eiter verstand: jene Bildung der A llgem einheit, der connaisseurs aller G ruppen, S tände und K lassen zu befördern, die nur in solidarischer Praxis, und nicht in dum pfer Isolation erreicht w erden könne - der V ereinsam ung, die, w eit vor M arx, S chiller in den „Briefen über Ä sthetik“ auf den Begriff gebracht hat: „Ew ig nur an ein einziges kleines Bruchstück des G anzen gefesselt, bildet sich der M ensch selbst nur als Bruchstück aus, ew ig nur das eintönige G eräusch des R ades, das er um treibt, im O hre, w ird er, anstatt die M enschheit in seiner N atur auszuprägen, bloß zum A bdruck seines G eschäfts“.1 1 W alter Jens, Für W alter Fabian. T otenrede, gehalten am 12.3.1992 im Festsaal der IH K K öln, o.O . o.J. 410 D etlef O pperm ann Wurzeln, Prägungen, S tudium „Fabian ist kein geborener Proletarier“, so kennzeichnete H elga G rebing den Jubilar zu seinem 80. G eburtstag,2 und dam it beschrieb sie ihn als eine Persönlichkeit, die aus dem sozialen und kulturellen U m feld des bürgerlich-hum anistischen Berliner Judentum s stam m te. D er V ater, R ichard Fabian, w ar selbständiger Innenarchitekt, ein Beruf, an dem er litt und dessen ganze Liebe der M usik galt. D er Zugang des D irigenten Bruno W alter in das H aus Fabian stam m t sicherlich aus dieser N eigung. D ie M utter, Else H osch, w ar das politisch-progressive Elem ent im Elternhaus, sie verkehrte m it dem K önigsberger R echtsanw alt und R eichstagsabgeordneten H ugo H aase, der zusam m en m it Friedrich Ebert das Bebelsche Erbe des S PD -Parteivorsitzes angetreten hatte. A ber auch K urt R osenfeld, der M entor Fabians, Brenners und Brandts beim Ü bertritt in die S A P, zählte zu den Freunden der Fam ilie. D as von seiner M utter 1904 geschriebene Bilderbuch „W as K lein-W alter erlebte“,3 zeigt ihn uns als ein sensibles, naturverbundenes, w eiches K ind. D er Zugang zur elterlichen Bibliothek w ar seine frühe V olkshochschule; vor allem die W erke Bebels und Lassalles, des N aturalism us und Im pressionism us - besonders Ibsens -, nicht zuletzt aber die grundprägende S chrift von Leonard Frank „D er M ensch ist gut“, zählen zu seinen ersten, fundam entalen Bildungserlebnissen. Er besucht das hum anistische M om m sen-G ynm asium in C harlottenburg, eine S chule besonderer Prägung. G riechisch und Latein standen ganz oben an, D eutsch und G eschichte w aren seine Lieblingsfächer. Für die M odernität gab es noch etw as Französisch. D as Englische fehlte ganz. W urden hier die G rundlagen gelegt für die Barrieren, die er der angelsächsisch-am erikanischen W elt gegenüber im m er em pfand? D ie S chule w ar nicht nur deshalb etw as Besonderes, w eil sie im bürgerlichen C harlottenburg lag, sondern sie w ar vor allem eine S tätte liberalen Berlinertum s. C hristliche und jüdische S chüler stellten etw a je die H älfte der S chülerschaft und die Lehrerschaft oszillierte zw ischen einer altkonservativen G roßzügigkeit und einem links-liberalen jugendbew egten Im puls. D er junge H einrich D eiters, später als Pädagogik-Professor der H um boldt-U niversität bedeutendster deutscher D iesterw eg-Forscher, w ar sein D eutschlehrer und bis an dessen Lebensende (1966) verband Fabian m it D eiters eine tiefe, verehrende Freundschaft.4 Im A ugust 1914 em pfand der Zw ölfjährige - w ie seine ganze G eneration - noch eine unvoreingenom m ene S olidarität m it dem deutschen H eer. D och schon w enig später w andelte sich seine S icht und sein pazifistisches W esen zeigte sich deutlich. Zw ar gehörte er der G eneration, die eine „Erziehung vor V erdun“ (A rnold Zw eig) genossen hatte, nicht an, insofern fand er die G nade der späten G eburt. D och die N achrichten über die w achsenden Zahlen der K riegstoten, die H ungerw inter und die im perialistischen A nsprüche von K rone, H eer und Industrie bew irkten den W andel. Politisch steht er seit 1916/17 ganz auf der S eite derer, die für einen V erständigungsfrieden eintreten. Im Jahr 1919 schließt es sich, noch als S chüler, dem Bund Entschiedener S chulreform er, der D eutschen Friedensgesellschaft und dem Berliner S chülerrat an, dessen V orsitzender er noch im gleichen Jahr w ird. 2 H elga G rebing, Ein solidarischer Individualist, in: Literatur in K öln (LiK 14 - W alter Fabian), hrsg. v. der S tadt K öln, 1982. 3 Im Privatbesitz von Fabians T ochter A nnette A ntignac, Paris. 4 V gl. H einrich D eiters, B ildung und Leben, hrsg. von D etlef O pperm ann, K öln/W ien 1989 (siehe N achw ort von W alter Fabian, S . 251ff). W alter Fabian (1902-1992) 411 A ls sich nationalistische K reise im S om m er 1919 daranm achen, den antifranzösischen S edanstag, der in der K aiserzeit deutscher S taatsfeiertag w ar, zu begehen, w endet er sich in Leserbriefen in der Berliner Presse an K ultusm inister H arnisch m it der Forderung, dieses Ereignis zu verbieten. W as dann auch geschah. D ies w ar der erste politische Erfolg des 17-Jährigen. S tudium und politische A ktivitäten D er friedensbew egte A biturient nim m t 1920 das S tudium der Philosophie, Pädagogik, Psychologie, G eschichte und N ationalökonom ie an der Berliner K aiser-W ilhelm -U niversität auf. U rsprünglich beabsichtigte er, Lehrer zu w erden, spielt m it dem G edanken, als V olksschullehrer zugelassen zu w erden - um nicht die K inder der R eichen unterrichten zu m üssen. A ls sich dann aber herausstellte, dass dies aus studienorganisatorischen G ründen nicht m öglich w ar, beschloss er zu prom ovieren und sich der V olksbildung zu w idm en. Fabian w ar ein untypischer S tudent seiner Zeit, denn er verband Theorie und Praxis, oder besser gesagt, er w idm ete sich sow ohl der Politik als auch der W issenschaft. A ls M itglied der w ichtigsten pazifistischen V erbände engagierte er sich für eine grundsätzliche politische N euorientierung im S inne eines rationalen Pazifism us. V ölkerverständigung, A brüstung, V ölkerbund und H aager Friedensordnung sind die konkreten S tichw orte, denen er sich verpflichtet fühlte. D as 1922 m it K urt Lenz herausgegebene H andbuch „D ie Friedensbew egung“, an dem so herausragende Persönlichkeiten w ie A lbert Einstein, H ellm ut von G erlach, G raf K essler, Paul Löbe, W alter S chücking oder Ernst Toller m itschrieben, ist ein beredtes Zeugnis für diese A ktivitäten. A uch die versuchte Befreiung von Ernst Toller aus einem bayerischen G efängnis m ittels eines politischen A ppells und unter M itw irkung von Einstein und anderen ist ein Beispiel für Fabians jugendlichen Elan. In diese Zeit fällt auch der Beginn seiner journalistischen Tätigkeiten bei idealistischen Zeitschriften w ie „Junge M enschen“, „D ie N eue Erziehung“ oder „D ie Friedensw erte“. D as S tudium schloss er 1924 ab m it einer erstaunlichen, aber letztlich nachvollziehbaren A rbeit über das Problem von A utorität und Freiheit bei Friedrich W ilhelm Foerster. D iese vom G ießener R eform pädagogen A ugust M esser betreute A rbeit setzte sich zum Ziel, „das um fangreiche und w eitverzw eigte Lebensw erk Foersters ... auf w enige einfache G rundgedanken zurückzuführen...“5, näm lich das V erhältnis von Individuum und G em einschaft, das Problem von A ristokratie und D em okratie, Foersters S tellung zum C hristentum , w ie schließlich seine politische Ethik.