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SWR2 Musikpassagen

Klangzauberer im Tonstudio Die -Produzenten und Dieter Dierks Von Christoph Wagner

Sendung: Sonntag, 19. Februar 2017, 23.03 Uhr Redaktion: Anette Sidhu-Ingenhoff Produktion: SWR 2017

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Klangzauberer im Tonstudio - Die Krautrock-Produzenten Conny Plank und Dieter Dierks von Christoph Wagner

1. Musik (Fortsetzung) Kompon.: Hütter Schneider Titel: Ruckzuck Interpret: Kraftwerk Dauer: bei 1:20 runterziehen und unter nachfolgende Mod legen

In den sechziger Jahren war das Tonstudio ein fast heiliger Ort. Teuerste Technologie gab ihm eine Aura des Exklusiven. Ins Studio gingen nur die besten Musiker. Tonaufnahmen zu machen war teuer, Studiozeit ein kostspieliges Gut. Eine Platte einzuspielen wurde von Musikern oft als der Höhepunkt ihrer Karriere empfunden.

1. Musik (Fortsetzung) Kompon.: Hütter Schneider Titel: Ruckzuck Interpret: Kraftwerk Dauer: 1:00 spielen

Im Studio waren die Toningenieure die Herren – studierte Leute, die sich nicht gerne ins Handwerk pfuschen ließen. Sie waren die Herrscher über Bandmaschinen, Regler und Mischpulte und vertraten mit professionellem Nachdruck ihren Standpunkt. Wie man eine Aufnahmen “richtig” macht, das wussten nur sie und hatten nicht vor, sich von ein paar dahergelaufenen Hippies belehren zu lassen.

1. Musik (Fortsetzung) Kompon.: Hütter Schneider Titel: Ruckzuck Interpret: Kraftwerk Dauer: 5:15 - bis 3:12 spielen -

Ende der 1960er Jahre wurde die Autorität der Toningenieure in Frage gestellt. In Westdeutschland traten immer mehr junge Rockmusiker auf den Plan, die gänzlich andere Vorstellungen hatten, Auffassungen, die das konventionelle Schulwissen der 2

Tonmeister über den Haufen warfen. Infiziert von den neuen Sounds aus England und Amerika folgten diese Musiker der Vision einer neuen Rockmusik, die alle bisher gültigen Regeln außer Kraft setzte. Die elektrischen Sounds, die sie produzierten, waren nicht fein und gepflegt, sondern genau das Gegenteil: roh, aufgekratzt und ohrenbetäubend, und sollte auch so auf Schallplatte eingefangen werden. Ein Horror für jeden gestandenen Tonmeister!

2. Musik Kompon.: Tim Rose Titel: Morning Dew Interpret: Krokodil CD: Krokodil - Krokodil Label: Second Battle Bestellnr.: SB 052 1. Track Dauer: 3:05 - bei 2:45 ausblenden

Düde Dürst war Drummer der Zürcher Rockgruppe Krokodil, die beim amerikanischen Liberty Label unter Vertrag waren, das eine deutsche Niederlassung in München betrieb. Dort arbeitete die Band mit dem Produzenten Siggi Loch zusammen. Im Mai 1969 ging man ins Trixi-Studio in München, um das erste Album einzuspielen.

1. O-Ton Düde Dürst Toningenieur weigert sich (0:51) “Unser Mundharmonikaspieler hat so einen Booster gehabt, einen Verzerrer, über den das Mikrofon lief. Das fanden wir toll. Wir wollten einen verzerrten neuen Sound! Da hat sich der Toningenieur geweigert, das aufzunehmen. (O- Ton hier einblenden: „Er hat gesagt: „Das verzerrt. Das kann ich nicht aufnehmen.‟) Also wenn man im Studio etwas machen wollte, was außergewöhnlich gewesen ist, hat man immer die Toningenieure überreden müssen. Am Schluß hat dann unser Produzent Siggi Loch dem Tonmeister den Befehl gegeben, das gefälligst jetzt aufzunehmen. Die haben sich richtig geweigert. Die sind gewöhnt gewesen, nur saubere Schlager aufzunehmen. Nur keinen Kratzer oder ähnliches – es hat im sauber sein müssen.”

Die schlechten Erfahrungen von Krokodil waren kein Einzelfall. Oft trat in den Studios der Generationenkonflikt am deutlichsten zu Tage. Die konventionellen Auffassungen der eingesessenen Toningenieure kam den jungen Musikern borniert und veraltet vor in einer , in der Alben wie “Electric Ladyland” von Jimi Hendrix, “Sgt. Pepper‟s Lonely Heart Club Band” von den Beatles und Pink Floyd‟s “Umma Gumma” neue Maßstäbe setzten und die Vorstellungen von den Möglichkeiten des Studios revolutionierten - ihm eine völlig neue kreative Rolle gaben. Nur in Deutschland zog man nicht mit.

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3. Musik Kompon.: Lennon, McCartney Titel: Tomorrow never knows Interpret: The Beatles CD: The Beatles - Revolver Label: Parlophone / EMI Labelcode: LC 0299 Bestellnr.: CDI 7464412 14. Track Dauer: 2:45

Die Beatles hatten mit dem Titel “Tomorrow never knows” vom Album “Revolver” 1966 Neuland betreten. So erfinerisch und kreativ war das Studio bis dahin noch nicht genutzt worden. Nur langsam veränderte sich auch in Deutschland die Situation. Das Tonstudio erfuhr einen Funktionswandel: vom Ort purer Dokumentation avancierte es zu einem Werkzeug im kreativen Prozeß – zum Klanglabor. Immer größere Mischpulte, eine galoppierende Mehrspurtechnik und neue Effektgeräte trugen ihren Teil zu diesem Quantensprung bei.

Einer der Vorreiter in Westdeutschland war Dieter Dierks. Der Gitarrist der Soulband The Candidates und autodidaktische Tontechniker hatte sich in Stommeln bei Köln mit zusammengetragenem und gebrauchtem Aufnahmeequipment und Verstärkern ein eigenes Studio eingerichtet. Es wurde nun von vielen der aufkommenden Deutschrock-Formationen genutzt. Dierks war nicht vom Fach, kein studierter Toningenieur, was vielleicht ein Vorteil war. Möglicherweise war es gerade diese Unbefangenheit und Neugierde des Unverbildeten, die ihn offen für neue Trends machte und seine Fantasie anregten.

4. Musik Kompon.: W. Anselmo, D. Düst, T. Stevens, M. Weideli Titel: Lady of Attraction Interpret: Krokodil CD: Krokodil – An Invisble World Revealed Label: Second Battle Bestellnr.: SB 054 1. Track Dauer: 2:30

Ursprünglich hatte Dierks als Schauspieler und Regieassistent am Kölner Theater gearbeitet, auch zwei Hörspiele für den WDR geschrieben, bei deren Produktion er die vielfältigen Möglichkeiten eines gut ausgestatteten Rundfunkstudios kennengelernt hatte.

Daneben trat der Hobbygitarrist in Kölner Kneipen und Diskotheken auf und fing nun langsam an, bei “Mama unterm Dach”, also auf der Bühne im Häuschen seiner Mutter in Stommeln bei Köln, selber Musikaufnahmen zu machen. Zwei Tonbandgeräte der Marke Revox machten den bescheidenen Anfang. Dierks ließ an 4 einem Revox-Gerät einen zusätzlichen Tonkopf einbauen, um einen Nachhall-Effekt zu bekommen. Eine türkische Plattenfirma war anfangs sein Hauptabnehmer. Dierks hatte Glück. Mit dem holländischen Sänger Juan Bastos nahm er den Hit “Loop di Love” auf, einen Song, den Dierks als Co-Autor geschrieben hatte, und der 1971 wochenlang in den holländischen Charts stand. Das brachte einiges an Tantiemen ein, Geld, das Dierks in seine ambitionierten Studiopläne steckte.

5. Musik Kompon.: T. Stevens Titel: Looking at time Interpret: Krokodil CD: Krokodil – An Invisble World Revealed Label: Second Battle Bestellnr.: SB 054 5. Track Dauer: bei 0:20 runterziehen

Vom Dachgeschoß zog Dieter Dierks in die Scheune des elterlichen Anwesens um, die nach und nach zum professionellen Tonstudio ausgebaut wurde. Dierks hatte ein klares Ziel vor Augen: Er wollte technologisch nicht nur auf der Höhe der Zeit sein, sondern an der Spitze stehen. Das erste Mischpult wurde selbst konstruiert und zusammengelötet.

5. Musik (Fortsetzung) Kompon.: T. Stevens Titel: Looking at time Interpret: Krokodil kurz hochziehen

Die Zürcher Rockgruppe Krokodil, damals eine der führenden psychedelischen Formationen der Zeit, landete nach schlechten Erfahrungen mit altmodischen Toningenieuren im Dierks Studio in Stommeln – eine Offenbarung! Düde Dürst, Drummer der Band:

2. O-Ton Dürst bei Dierks (0.55) “Bei der ersten Platte ist das sehr extrem gewesen, bei der zweiten schon etwas besser – da sind wir in ein anderes Studio gegangen, genau wegen der Probleme. Das dritte Album haben wir dann beim Dieter Dierks gemacht in Stommeln bei Köln und das ist natürlich wahnsinnig gewesen. Da lagen Welten dazwischen. Dierks war in unserem Alter, ein Progressiver. Er war gerade dabei, das Studio zu bauen, da haben wir noch in der Baustelle aufgenommen. Das ist irrsinnig gewesen. Mit ihm konnte man alles ausprobieren und er ist offen gewesen, die verrücktesten Sachen zu machen. Das war ein richtiger Genuß, dort eine Platte zu machen. Danach haben wir alles nur noch bei Dieter Dierks gemacht.”

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5. Musik (Fortsetzung) Kompon.: T. Stevens Titel: Looking at time Interpret: Krokodil Dauer: bis 2:20 ausblenden

Oft führte eine bestimmte Idee zur Erfindung eines besonderen Effektgeräts. Keine Mühen wurde gescheut, die Palette der Klangfarben zu erweitern. Ein Techniker arbeitete permanent an neuen Effektmaschinen, wie etwa dem speziellen “John- Lennon-Hall”. Im Hof wurde ein 20 Meter langer Öltank eingegraben, der mit Hilfe diverser Trennwände und Mikrofone die tollsten Echoeffekte ermöglichte.

Wenn man über den schlammigen Innenhof ging, vorbei an Hühner- und Schweineställen, und dann durch die Eingangstür des Gebäudes trat, stand man schlagartig in einer anderen Welt, wo Lämpchen blinkten, Anzeigeapperaturen leuchteten und Regler ausschlugen. Der Kontrollraum glich dem Cockpit eines Raumschiffs, nur dass hier Tonaufnahmen gemacht wurde. Man befand sich im Nervenzentrum des Studio Dierks. Nochmals Düde Dürst von Krokodil:

3. O-Ton Dürst Dierks Mutter Engel des Studios (0:55) “Mir sind ja wirklich eine von den ersten Gruppen gewesen, die bei Dierks aufgenommen haben. Das Studio ist noch im Umbau gewesen. Ich als Schlagzeuger musste etwa in einem kleinen Kabuff spielen, indem ich nicht einmal aufrecht sitzen konnte. Seine Mutter hatte vorne einen Eßwaren-Laden, durch den musste man durch, dann durch die Wohnung und hinten wieder raus zum Studio. Sie hat immer gekocht und war wirklich der Engel des Studios.”

5. Musik (Fortsetzung) Kompon.: T. Stevens Titel: Looking at time Interpret: Krokodil Dauer: kurz hochziehen 6:17 - bei 8:40 wieder reingehen, kurz anspielen, dann unter nachfolgende Mod legen

Gleichzeitig zum Studio wurde das Mischpult laufend vergrößert. Neue Teile, oft selbst fabriziert, kamen hinzu. Die avancierteste Technologie war gerade gut genug. Dierks besaß das erste 32-Spur-Mischpult in Deutschland, ein Eigenbau der Firma Telefunken/ABE aus Konstanz.

Für jungen Rockmusiker war Dierks ein Bruder im Geiste. Er kannte deren Lage aus eigener Anschauung und bestand deshalb nicht stur auf Barzahlung, wie das andere Studios taten. Auch musikalisch lag man auf der selben Wellenlänge. Dierks verstand intuitiv, auf welche Klänge die Gruppen aus waren. Feierabend gab es nicht! Wenn eine Band einmal richtig in die Studioarbeit vertieft war, konnte es sein, dass man erst in den frühen Morgenstunden ins Bett ging. Düde Dürst:

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4. O-Ton Dürst Nachtschicht (1:09) “Nicht wie in München in den großen Studios, dass man zu einem gewissen Zeitpunkt angefangen und aufgehört hat. Das ist beim Dierks natürlich nicht so gewesen. Dort hat man dann aufgenommen, wenn man Lust dazu hatte. Bei einer Produktion ist es so gewesen: Man hat aufgenommen, doch gemerkt, dass es nicht richtig lief. Dann war es auf einmal morgens um 3 gewesen. Wir hatten ziemlich viel Weißwein getrunken, und auf einmal überkam es uns, und wir fingen an zu jammen. Dieter Dierks hat rasch alles eingestellt, Mikros aufgebaut, hat auf den Knopf gedrückt und ist mit einer akustischen Gitarre in den Aufnahmeraum gekommen und hat auch noch mitgespielt. Wir haben so lange gespielt, bis keiner mehr wollte.”

6. Musik Kompon.: Kompon.: W. Anselmo, D. Düst, T. Stevens Titel: Krokodil-Session Part 1 Interpret: Krokodil CD: Krokodil – An Invisble World Revealed Label: Second Battle Bestellnr.: SB 054 8. Track Dauer: 2:35 - unter vorausgehenden O-Ton legen, dann ca. 1:30 frei stehen lassen, danach Blende

Das waren Auszüge aus einer spontane “Late Night Session” im Dierks Studio in Stommeln mit der Gruppe Krodokil von 1971. Dabei waren als Gäste: der E-Pianisten Rainer Brüninghaus, der damals in Köln bei der Jazzrock-Fomration Eiliff spielte, und Rainer Marz, Leadgitarrist der Rockband Jeronimo.

Neben dem Bazillus-Label von Peter Hauke in Frankfurt und Liberty bzw. United Artists in München nutzte vor allem Rolf-Ulrich Kaiser vom -Label das Dierks Studio. Kaiser und sein Ohr-Label hatten zuerst in Berlin residiert, waren dann aber nach Bergisch-Gladbach umgezogen, was nicht weit von Stommeln entfernt lag und die Zusammenarbeit mit Dierks erleichterte. Witthüser & Westrupp waren eine der Bands von Kaiser, die 1971 für die Produktion ihres Albums “Trips und Träume” nach Stommeln kamen. Walter Westrupp:

5. O-Ton Walter Westrupp (1:40) “Die Stücke standen schon fest. Die Ausarbeitung der Lieder fand denn im Studio statt. Wir konnten alle technischen Möglichkeiten nutzen - ohne Zeitdruck. Das war wichtig! Es herrschte eine völlig relaxte Atmosphäre. Es wurde alles trocken aufgenommen und dann beim Abmischen gebastelt und Sachen hinzugefügt. „Komm, lass uns mal diesen Effekt versuchen, oder da könnte man noch ein paar Glöckchen hinzugeben oder einen schönen Chor von hinten kommen lassen.‟ Den Chor sangen wir mit ein paar Leute im Studio selbst. Das wurde gedoppelt und dann über Hall gezogen, bis es richtig großvolumig klang. Da war Dieter Dierks einfach gigantisch! Er konnte sich in

7 unsere Musik hineindenken und hat aus unseren einfachen Liedchen großorchestrale Werke gemacht.”

7. Musik Kompon.: B. Witthüser, W. Westrupp, T. Rother Titel: Lasst uns auf die Reise gehen Interpret: Witthüser & Westrupp CD: Witthüser & Westrupp – Trips und Träume Label: Ohr Bestellnr.: 70036-2 1. Track Dauer: 3:55

Neben etlichen Schallplatten, die später als „Krautrock‟-Klassiker Weltruhm erlangten, feierte Dieter Dierks ab Mitte der 1970er Jahre weltweite Erfolge als Produzent der deutschen Rockgruppe The Scorpions. Er machte sich einen Ruf, für melodischen Gitarrenrock ein besonders Händchen zu haben. Sein Namen sprach sich herum, so dass jetzt auch internationale „Acts‟ wie Ike & Tina Turner, , und die Boomtown Rats sein Studio nutzen. Ja selbst arbeitete 1996 am Song “Ghosts” bei Dieter Dierks in Stommeln.

8. Musik Kompon.: Michael Jackson, Teddy Riley Titel: Ghosts Interpret: Michael Jackson CD: Michael Jackson - Blood on the Dance Floor: HIStory in the Mix Label: Epic Bestellnr.: EK 68000 4. Track Dauer: 1:00 - bei 2:15 einblenden und dann bei 3:40 ausblenden

In den Anfangsjahren der deutschen Rockmusik gab es neben Dieter Dierks noch einen anderen Studioingenieur von Rang: Conny Plank! Plank war Mitte der sechziger Jahre Mitarbeiter im elektronischen Musikstudio von Karlheinz Stockhausen beim WDR in Köln gewesen und hatte danach u.a. als Toningenieur für Marlene Dietrich gearbeitet. Dann arbeitete er im Rhenus-Studio in Köln. Um das Studio auszulasten, war es rund um die Uhr in Betrieb. Plank übernahm gerne die Nachtschicht, weil da an Pop- und Rockproduktionen gearbeitet wurde. Das experimentelle Element reizte ihn. Er saß bei Alben der Gruppen Sweet Smoke und Kraftwerk an den Reglern. Nach ein paar Jahren wechselte Plank nach Hamburg ins Arnie-Studio. 1974 hatte er genug Geld gespart, um auf eigenen Beine zu stehen. Mit seiner Lebensgefährtin Christa Fast richtete er im kleinen Weiler Wolperath bei Bonn ein Studio ein. Andy Goldner war mit seiner Gruppe Ex-Magma eine der ersten Bands, die dort Aufnahmen machten.

6. O-Ton Goldner arbeiten bei Plank (1:08) “Studio zu der Zeit: klein! Also auch: Bauernhaus, umgebaut. Besser gesagt: 8

Bauernhaus und extra Stall, das war auch ein Saustall, den hat er umgebaut zum Studio. Und da konnte man rausgucken, man sah die Kühe so vom Nachbarn da auf der Wiese da. Auf jeden Fall hat der Conny seine ganz eigene Hand für die Musik gehabt. Seine Herangehensweise natürlich fantastisch – toller Produzent. Wie gesagt: wir haben ja recht viel improvisiert. Der hat uns schon die Kopfhörer Sounds – das klang schon so toll, wenn man die Kopfhörer aufgesetzt hatte. Er hatte Mehr-Wege. Er konnte also das Keyboard am Tommy z. B. ne andere Mischung auf den Kopfhörer draufsetzen als am Schlagzeuger oder mir. So konnte jeder sich seinen optimalen Sound in Kommunikation mit dem Conny erstellen im Kopfhörer, und da konnte man dann natürlich optimal improvisieren, weil man schon einen tollen Hall, oder Echo, oder Facing oder Flanging hatte im Kopfhörer drin. Und so konnte man natürlich fantastisch arbeiten.”

9. Musik Kompon.: Exmagma Titel: Überm Beutental Interpret: Exmagma CD: Exmagma 3 Label: Daily Records Bestellnr.: Daily 1318 Barcode: 4015910185552 9. Track Dauer: kurz anspielen, dann runterziehen

Conny Plank war Produzent und Tontechniker in einem. Er hatte nicht nur exzellente Einfälle, sondern konnte die Ideen auch technisch umsetzen.

7. O-Ton Goldner Plank mischt (0:57) “Er hat ja fantastisch teilweise gemischt. Also z. B. ne Gitarre aufgenommen, die ich gespielt hab und die vervielfältigt nochmals aufgenommen. Also einmal in einen Verzerrer reingespielt, einmal in ein Echo rein, einmal mit Flanging – auf verschiedenen Spuren. Da hat er meine Gitarre auf 8 verschiedenen Spuren gehabt mit verschiedenen Effekten drauf und hat die dann halt beim Mischen so bedient: Also war immer die selbe Gitarre, nur einmal gespielt, aber mit den ganz verschiedenen Effekten. Einmal die mit dem Echo weiter raus, mal die mit dem starken Verzerrer rein. Dann die mit dem Flanger rein, dann Echo und Flanger-Gitarre und so halt. Er hat aus einen Gitarre, so vielfältig in den Sounds verschoben – und – wie gesagt – ganz viele solche Sachen.”

9. Musik (Fortsetzung) Kompon.: Exmagma Titel: Überm Beutental Interpret: Exmagma Dauer: 1:00 spielen dann ausblenden

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8. O-Ton Goldner Dierks eigene Geräte (0:28) “Conny hatte zeitweise mit Leuten gearbeitet, die haben nur spezielle Effektgeräte für das Studio gebaut. Also nichts gekauft, sondern direkt dort im Studio neue Entwicklungen, extra kleines Häusle nur zum Löten und zu Machen und entwickeln, die dann also ganz neue Geräte gebaut haben fürs Studio nach Ideen vom Conny oder von den anderen, die da mitgearbeitet haben. Also es waren immer so drei, also außerm Conny noch zwei andere, die da rumgemacht haben.”

10. Musik Kompon.: Exmagma Titel: Da da too nterpret: Exmagma CD: Exmagma 3 Label: Daily Records Bestellnr.: Daily 1318 Barcode: 4015910185552 9. Track Dauer: bei 1:30 ausblenden

Zu Conny Planks Studiokünsten kamen die Kochkünste seiner Lebensgefährtin Christa Fast. Sie trug maßgeblich zur angenehmen Atmosphäre bei den Produktionen bei, wobei man immer zum gemeinsamen Essen an einem großen Tisch in der Küche saß.

Conny Planks Fähigkeiten sprachen sich herum. Zuerst nahmen Krautrock-Bands wie Kraan, Kraftwerk, Neu!, und Cluster bei ihm auf. Später dann Gruppen der Neuen Deutschen Welle wie Ideal und DAF. Selbst in England horchten man auf. Künstler wie Killing Joke, Devo, Brian Eno oder die Eurythmics nahmen nun ebenfalls seine Dienste in Anspruch.

11. Musik Kompon.: A. Lennox, D. Stewart Titel: Le Sinistre Interpret: Eurythmics CD: Who is that man – A Tribut to Conny Plank Label: r nland ecords Bestellnr.: CDGRON123 1. CD . 4. Track Dauer: 2:36

Eine der Gruppen, die wegen der Stagnation der englischen Popszene nach Deutschland schauten, war die Gruppe Ultravox und ihr Sänger John Foxx:

9. O-Ton Foxx Plank1 (0:57) “Conny was legendary producer. He made all the music that I liked. Every time I realy enjoyed a record I would look on the back who produced it and 10 inevetuably it was Conny Plank. He was the recording engineer or producers from almost everything from Kraftwerk to Cluster and Neu!. Every German band which was interesting was recorded bz Conny. I felt it would be a great privilege to work with him if we could. There was no one in England we could work with because no one had that sensibility. So we got in touch with Conny and asked if we could go. When we were once we called into the studio. We got on very well. Weh ad similar interests and we like very similar kinds of music. And we decided it would be a very good environment to work in.“

Übersetzung: „Conny Plank war eine Legende als Produzent. Jedes Mal wenn mir eine Platte gefiel, war sie von Conny Plank produziert. Er war der Aufnahmeingenieur oder Produzent von fast jeder interessanten deutschen Band von Kraftwerk über Cluster bis Neu!. Wir waren der ansicht, dass es ein Privileg sein würde mit ihm zu arbeiten. Es gab niemand mit solch einer Sensibilität in England. Wir nahmen Kontakt mit ihm auf und besuchten ihn dann in seinem Studio, als wir das nächste Mal in Deutschland auf Tournee waren. Wir verstanden uns auf Anhieb. Wir hatten das Gefühl, dass es eine gute Umgebung wäre, an Schallplattenaufnahmen zu arbeiten.“

12. Musik Kompon.: Foxx Titel: Just for a Moment Interpret: Ultravox! CD: Ultravox! – The Island Years Label: Spectrum Bestellnr.: 5548982 Barcode: 731455489828 16. Track Dauer: 3:00

Conny Plank war Toningenieur durch und durch, ging vollständig in der Studioarbeit auf. John Foxx von Ultravox!:

10. O-Ton Foxx Plank2 (0:56) „So he was that kind of person. He thoroughly relished and enjoyed everything he did in the studio. And of cause: When you were in there you were caught up in his enthusiasm. He was very generous. He would always get everything the way you wanted it. An he would spent a long time if necessary. Time didn‟t matter. The idea was to get the sound right. So he would set up combinations of amplifiers. We had speakers out in the barn, microphone out there, we were used to sing outside. I was used to sing outside sometimes because he liked the ambiance outside. We would take amplifiers outside and wire them up on the lawn and in the courtyard to get the echos from the courtyard. He was alive to every possibility in that building and with that equipment. A wonderful and inventive man.“

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Übersetzung: „Alles, was Conny Plank im Studio tat, machte er mit Freude und Begeisterung. Sein Enthusiasmus war ansteckend. Er versuchte es genauso hinzubekommen, wie man es sich vorgestellt hatte, auch wenn das viel Zeit kostete. Zeit spielte keine Rolle. Wichtig war, den gewünschten Klang zu bekommen. Er würde verschiedene Verstärker mit einander kombinieren, schleppte Lautsprecher in die Scheune, installierte Mikrophone und Verstärker draußen, weil wir gewohnt waren, draußen zu singen wegen des Echos im Hof. Er war offen für alle Möglichkeiten, die das Gebäude oder das Equipment boten. Ein wunderbarer, erfindungsreicher Mann.“

13. Musik Kompon.: Foxx, Currie, Allen, Cann Titel: Cross Fade Interpret: Ultravox! CD: Ultravox! – The Island Years Label: Spectrum Bestellnr.: 5548982 Barcode: 731455489828 15. Track Dauer: 2:37

Durch seinen Enthusiasmus, sein Können und seine Kreativität trug Conny Plank maßgeblich zur Entwicklung einer eigenständigen deutschen Popmusik bei - Dieter Dierks ebenso! Zusammen schufen sie erst die neuen Sounds, die dem Krautrock eine eigene Identität verliehen und ihm international Respekt verschafften. Dierks und Plank waren es, die als erste in der Bundesrepublik das Tonstudio nicht mehr nur als ein Mittel zur Dokumentation begriffen, sondern als künstlerisch-kreatives Medium. Beiden verdankt die deutsche und international Popmusik bis heute wichtige Anstöße.

14. Musik Kompon.: Rother, Dinger Titel: Negativland Interpret: Neu! CD: Who is that man – A Tribut to Conny Plank Label: r nland ecords Bestellnr.: CDGRON123 2. CD, 4. Track Dauer: nach dem Presslufthammer reingehen, wenn Schlagzeug beginnt reingehen

ABSAGE In den Musikpassagen hörten sie heute: Klangzauberer im Tonstudio - Die Krautrock-Produzenten Conny Plank und Dieter Dierks von Christoph Wagner Synchronsprecher: Peter Binder Technik: Jörg Heinkel 12

14. Musik (Fortsetzung) Kompon.: Rother, Dinger Titel: Negativland Interpret: Neu! Dauer: 4:05

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