900 Jahre Kloster Alpirsbach Anja Stangl 1 Ansicht Der Klosteranlage
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900 Jahre Kloster Alpirsbach Anja Stangl ■ 1 Ansicht der Klosteranlage von Osten, Foto von Johann August Lorent, 1866 publi- ziert. Am 16. Januar 1995 feiert Alpirsbach sehen sind. In dieser Zeit religiöser die 900. Wiederkehr der ersten Spannungen und des Bürgerkrieges, Weihe einer Klosterkirche am Ort. der heftigen Kontroversen um das Stadt, Kirchengemeinden, die durch rechte Verhältnis zwischen Kirche die Oberfinanzdirektion Karlsruhe und weltlicher Gewalt entstanden im vertretenen staatlichen Behörden deutschen Südwesten zahlreiche der Bau- und Liegenschaftsverwal- dem päpstlichen Reformgedanken tung und das Landesdenkmalamt zuneigende Klöster. Erinnert sei hier nahmen das Jubiläum zum Anlaß, ei- nur an Blaubeuren (1085), St. nerseits lange anstehende, nötige Re- Georgen (1083), Gottesaue (Stadt paraturen und Pflegearbeiten in An- Karlsruhe, 1094), Klosterreichenbach griff zu nehmen, und andererseits bei Baiersbronn (1085), Komburg bei die Geschichte dieses in der For- Hall (1078), Neresheim (ca. 1095), schung bisher recht stiefmütterlich Ochsenhausen (ca. 1093), St. Peter behandelten Schwarzwaldklosters et- (1093), Wiblingen (1093) und Zwiefal- was zu beleuchten und soweit als ten (zw. 1085 und 1093). Für sie alle möglich während des Jubiläumsjah- galt das zuerst für Kloster Hirsau 1075 res der Öffentlichkeit zugänglich zu erwirkte Privileg der freien Vogt- und machen. Abtswahl, das sie aus der Abhängig- keit ihrer adeligen Stifter befreite. Diese konnten nicht mehr wie zuvor I. Zur Klostergeschichte uneingeschränkt weltliche Herr- Der Vorstellung der vorbereiteten In- schaftsrechte ausüben, durch die die itiativen sei zum besseren Verständ- Klöster zu einer Art „Hauskloster" nis ein knapper Abriß der Geschichte wurden. Ein Kloster mit diesen Privile- des Klosters vorangestellt. Die in den gien wurde zugleich zu einem Doku- letzten Jahren vermehrt zu feiernden ment des reformerischen Anliegens Klosterjubiläen erinnern eindrück- der kirchlichen Partei. lich an eine lebhafte Phase von Klo- stergründungen im letzten Viertel Kloster Alpirsbach gehört zur des 11. Jahrhunderts, die vor dem Gruppe der Reformklöster. Drei Ade- Hintergrund des Investiturstreites zu lige traten hier als Klosterstifter auf. 3 Dieser etwas ungewöhnliche Fall Die Gründung beschreiben zwei er- mochte dadurch entstanden sein, haltene Stiftungsurkunden, deren er- daß Graf Alwig von Sulz, Graf Adal- ste zur Zeit der Weihe 1095, die bert von Zollern und Ruotmann von zweite überarbeitete Version unge- Neckarhausen gemeinsam ein Hof- fähr 30 Jahre später entstanden ist. gut im oberen Kinzigtal geerbt hat- Sie geben Auskunft über Rechte und ten. Vor allem die Sulzer Familie, die Besitz des neuen Klosters und über eine starke Position zwischen Neckar die Klosterweihe. Die drei Stifter so- und Schwarzwald hielt, war wohl ent- wie Bischof Gebhard von Konstanz, scheidend an der Entstehung des in dessen Diözese das zukünftige Klo- Hofgutes Alpirsbach beteiligt gewe- ster lag, und Abt Uto von St. Blasien, sen und besaß in unmittelbarer Nähe dessen Abtei als Mutterkloster fun- weitere Besitzungen. Außerdem üb- gierte, konnten den Verzicht auf ei- ten sie im oberen Kinzigtal die Gra- genkirchliche Ansprüche, die Unter- fenrechte aus. Die Besitzanteile der stellung unter den päpstlichen beiden anderen Stifter waren wahr- Schutz, die freie Abts- und Vogts- scheinlich durch Einheirat in die Sul- wahl und ein unbeschränktes Besitz- zer Familie an diese gelangt. Alle drei und Verwaltungsrecht festschreiben. Stifter hatten ihre Herrscnaftsmittel- Der unmittelbare Stiftungsbesitz um- punkte nicht im Kinziggebiet, son- faßte das Gebiet des Hofgutes Alpirs- dern am oberen Neckar, wo sich ihr bach und wird in beiden Stiftungsur- Besitz konzentrierte. In diesem Raum kunden beschrieben. Er erstreckte befand sich auch der größte Teil der sich zwischen dem Heimbach im zusätzlichen Erstausstattung außer- Osten und der Wasserscheide zum halb des unmittelbaren Stiftungsbesit- Wolftal im Westen und umfaßte das zes um Alpirsbach. Kinzigtal von Ehlenbogen abwärts ■ 2 Blick von der Westgalerie In den Kir- chenraum vor der Renovierung ab 1956. Die in den Jahren 1878 bis 1881 unter der Lei- tung von Baurat Berner durchgeführte Reno- vierung schmückte den Kirchenraum mit ei- nerstrengen, historisierenden Bemalung, de- ren Quaderung mit den zwischengestellten plakativen Ornamenten die Flächen kleintei- lig gliederte. Als Zutaten sind die farbig ge- faßten Kassettendecken, die byzantinisie- rende Steinkanzel mit ihrem mächtigen Schalldeckel am westlichen Vierungspfeiler sowie das strenge, den romanischen Chor- bänken nachempfundene Gestühl ebenso raumprägend wie der zum Zeitpunkt der Aufnahme vor den Mittelkonchen aufge- stellte spätgotische Hochaltar. Die Renovie- rung nach 1956 verzichtete zugunsten einer materialorientierten Purifikation auf Teile der historistischen Ausstattung und wies dem Al- tarschrein einen untergeordneten Standort im Seitenschiff zu. 4 ■ 3 Ein Hemdkragen des 16. Jahrhunderts. Es ist ein Glücksfall, daß der Alpirsbacher Fund verschiedene erstaunlich gut erhal- tene Kleidungsstücke enthält. Dazu gehört auch ein Hemdkragen aus weißem Leinen- stoff. Er ist mit einer dichten Klöppelspitze verziert, deren fortlaufende Verflechtung in einem Musterbuch von 1561 als „Rosenmo- del" bezeichnet wird. Der Stehbund schließt oben mit einer Rüsche ab, die einen schma- len Rollsaum hat und durch zwei eingezo- gene Fäden sehr gleichmäßig angekraust er- scheint. Auch der untere FHemdansatz ist auf diese Weise angekraust, später dann unsach- gemäß abgeschnitten worden. Nach dem geringen Kragenumfang und der Datierung bis zu einem heute nicht mehr zu die nunmehr das Amt des Klostervog- des Stücks aufgrund von Kragenform und identifizierenden „Wagodenstein", tes bekleidenden Grafen von Würt- Spitze kommt als Träger des Hemdkragens der vermutlich zwischen der Einmün- temberg energisch auf Reformen einer der Schüler der Alpirsbacher Kloster- dung des Rötenbachs und der Klei- drangen. Vor allem der wirtschaftli- schule in Frage. nen Kinzig zu suchen ist. Außerdem che Niedergang des Klosters, zum wurde das Kloster mit weiteren Rech- Teil bedingt durch die Aufsplitterung ten und Gütern ausgestattet: zum Stif- des Klostervermögens als Folge einer tungsbesitz gehörten Güter und nicht mehr strikt gelebten „vita com- Rechte in Dornhan, Hochmössin- munis" (klösterliche Lebensgemein- gen, Höffendorf, Großgartach, Has- schaft), schien kaum noch aufzuhal- lach, Vöhringen und Nordweil im ten zu sein. Eine wirkliche Änderung Breisgau. Von 1101 stammt das Privi- trat erst mit Abt Georg Schwarz ein, leg Papst Paschalis' II., in dem Stiftung unter dessen Leitung Alpirsbach 1471 und Besitz gesichert und der Schutz der Melker Reform beitrat. Zehn durch den Papst gewährt wurden. Jahre später schloß es sich unter der Die Bestätigung durch Kaiser Hein- Leitung von Abt Hieronymus Hulzing rich V. erfolgte erst 1123 nach dem der Bursfelder Kongregation an. Of- Ende des Investiturstreites. fensichtlich hatte dieser Schritt Erfolg, denn Alpirsbach gelangte dank neu Am 16. Januar 1095 fand die feierli- durchorganisierter und vereinheit- che Übergabe der Schenkung und lichter Verwaltung des Klosterbesit- die Weihe eines vermutlich hölzer- zes zu neuer wirtschaftlicher Blüte. nen Oratoriums durch Bischof Geb- Dieser Aufschwung war vor allem hard von Konstanz statt. Bereits vier deshalb bedeutsam, weil er die ver- Jahre nach der Gründung, also 1099, schiedenen Bauvorhaben des Abtes konnte das Kloster eine kleine Stein- begünstigte. Ein beinahe kompletter kirche weihen. Von dieser sogenann- Umbau der Klausurgebäude erfolgte ten Leutkirche, die später als Pfarrkir- zwischen 1480 und 1495. Wohl als che diente, blieb der Turm erhalten. letzte Maßnahme wurde zu Beginn Ihr Schiff wurde 1649 wegen Baufäi- des 16. Jahrhunderts die Marienka- ■ 4 Mühlebrett. Unter den Holzfunden ligkeit abgerissen. pelle neu aufgebaut und über dem aus dem Fußboden im Dorment gibt es etli- Gottesdienstraum, ähnlich wie heute che Objekte, die als Vesperbrettchen zu deu- Die beeindruckende Klosterkirche noch in Hirsau erhalten, eine Biblio- ten sind. Eines davon wurde durch Einritzun- wurde um 1130 dem hl. Nikolaus ge- thek eingerichtet. Die Klosterkirche gen auf Vorder- und Rückseite in ein Spiel- weiht, dessen Kult sich nach der 1087 wurde zumindest teilweise neu aus- brett umfunktioniert. Die hier abgebildete erfolgten Übertragung seiner Ge- gestattet, ein prächtiges und gut erhal- Seite diente zum Mühlespielen. Die geringe beine nach Bari rasch im gesamten tenes Beispiel ist der Marienaltar von Größe des Brettchens, es mißt 17,5 auf Abendland verbreitete. Neben die- Nikolaus Weckmann aus der Zeit um 15 cm, legt die Vermutung nahe, daß diese ser Weihenachricht legen auch stilisti- 1520 und das in Fragmenten erhal- Spiele heimlich betrieben wurden. Wahr- sche Kriterien bei den Skulpturen tene figürlich geschnitzte Chorge- scheinlich stammt es, wie die Masse der übri- und Vergleiche mit anderen zeitge- stühl. gen Funde, aus der Zeit der Klosterschule. nössischen Kirchenbauten diese zeit- liche Einordnung nahe. Die Erbau- Der Erfolg der Reformbemühungen ungszeit der Kirche kann vor allem in war von kurzer Dauer, denn schon Verbindung mit der Abfassungszeit bald hatte das Kloster mit neuen der zweiten Stiftungsurkunde zwi- Schwierigkeiten zu kämpfen, deren schen 1125 und 1133 gesehen wer- Ursachen in der Reformation Luthers den. zu suchen sind. Der Anschluß Würt- tembergs an die Reformation und Über die Ereignisse zwischen der die bereits zuvor