Dissertation

Titel der Dissertation

Hans Gregor -

Die Ära des letzten Hofoperndirektors in Wien

Verfasserin

Mag. Liselotte Regler

angestrebter akademischer Grad

Doktor der Philosophie (Dr.phil.)

Wien, 2010

Studienkenzahl lt. Studienblatt: A 092 317 Dissertationsgebiet lt. Studienblatt: Theater-, Film- und Medienwissenschaft Betreuerin: Univ.-Prof. Dr. Brigitte Marschall

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Diese Arbeit widme ich meinen Kindern Barbara, Martina, Cornelia und Bernhard 2

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Inhaltsverzeichnis

Seite

1 Einleitung 8

2 Lebenslauf 14 2.1. Geburt und Berufsausbildungen 14 2.2. Bühnenlaufbahn und Erfahrungen 16 2.3. Ein neuer Abschnitt: Theaterleiter 18

3 Hans Gregors Reformansätze der Opernszene 26

4 als Opernregisseur und seine Komische Oper 32 4.1. Errichtung der Komischen Oper und Direktion 32 4.2. Gregors Inszenierungen 45

5 Die Vorgänger Gregors in Wien 58

6 Hofoperndirektor Hans Gregor 66 6.1. Gregors Engagement 66 6.2. Opernalltag, Organisation, erste Schwierigkeiten 79 (1911 – 1914 Friedenszeit) 6.3. Opernalltag und Organisation (1914 -1918 Kriegszeit) 123

7 Die wichtigsten KünstlerInnen seiner Ära 192 7.1. Dirigenten 192 7.2. Sängerinnen 210 7.2.1. Bahr-Mildenburg, Anna 210 7.2.2. Gutheil-Schoder, Marie 216 7.2.3. Kiurina, Berta 218 7.2.4. Halban-Kurz, Selma 221 7.2.5. Lehmann, Lotte 227 7.2.6. Jeritza, Maria 231 7.2.7. Weidt, Lucie 238 7.3. Sänger 243 7.3.1. Baklanoff, Georges 243 7.3.2. Burrian, Karl 246 7.3.3. Mayr, Richard 249 7.3.4. Piccaver, Alfred 251 7.3.5. Schmedes, Erik 254 7.3.6. Slezak, Leo 257 7.3.7. Miller, William 260 7.3.8. Duhan, Hans 262 7.3.9. Caruso, Enrico 263

5

7.4. Regisseure 265 7.4.1. Wymétal Ritter von, Wilhelm 265 7.4.2. Stoll, August 266 7.5. Ausstatter und Bühnenbildner 267

8 Ur- und Erstaufführungen in Hans Gregors Direktionszeit 270 8.1. 270 8.2. Pelléas et Mélisande 270 8.3. Der Bergsee 271 8.4. Der Gaukler von Notre Dame 271 8.5. Die verschenkte Frau 272 8.6. Aphrodite 272 8.7. Banadietrich 272 8.8. Oberst Chabert 272 8.9. Tannhäuser 273 8.10. Das Spielwerk der Prinzessin 273 8.11. Das Mädchen aus dem goldenen Westen 273 8.12. Parsifal 274 8.13. Die Tante schläft 274 8.14. Notre Dame 274 8.15. Kain und Abel 275 Wiener Legende 8.16. Der arme Heinrich 275 8.17. Mona Lisa 276 8.18. Violanta 276 Der Ring des Polykrates 8.19. 276 8.20. Der Schneider von Schönau 277 8.21. Eine Florentinische Tragödie 277 Klein Idas Blumen 8.22. Ferdinand und 278 8.23. Jenufa 278 8.24. 278

9 Gregors Inszenierungen 280 9.1. Pelléas und Melisande 280 9.2. Don Pasquale 281 9.3. Der Gaukler unserer lieben Frau 281 9.4. La Boheme 283 9.5. Das Spielwerk der Prinzessin 284 9.6. Das Mädchen aus dem goldenen Westen 285 9.7. Mona Lisa 287

10 Demission Gregors 290

11 Aus der Sicht der Nachwelt 294

12 Resümee 304

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13 Anhang 310

14 Literaturliste 340

15 Kurzfassung/Abstract 346

Curriculum Vitae 350

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Das Theater ist ein Tollhaus, die Oper die Station für Unheilbare. Die relativ harmloseste Krankheitsform, auf die man bei den Inwohnern stößt, ist Größenwahn. (Ausspruch eines Bühnenexperten)

1.) Einleitung

Den Zugang zu meinem Dissertationsthema „Hans Gregor“ fand ich, als ich über ein anderes Thema – Emil Pirchan als Bühnenbildner, Maler, Autor und Lehrbeauftragter für Bühnendekoration und Kostümkunde, an der Akademie für bildende Künste, Wien, Schillerplatz – dissertieren wollte. Nach einigen Recherchen und Vorarbeiten wurde ich auf eine umfassende Arbeit über Emil Pirchan aufmerksam und somit war dieses Thema für mich nicht mehr relevant. Bei meinen Recherchen über die Tätigkeiten Pirchans an der Wiener Oper stieß ich in der Folge auf Hans Gregor, der zugegebenermaßen für mich – obwohl ich mich auch mit Musik beschäftige – ein unbeschriebenes Blatt war.

Diese Erkenntnis habe ich dann, in der Folge meiner Nachforschungen über Hans Gregor, von vielen Personen bestätigt bekommen. Wohlgemerkt von Personen, die sich, wenn vielleicht auch nur am Rande, sehr wohl mit Oper beschäftigen. Sehr oft war die Antwort: “Ich wusste gar nicht, dass Dr. Gregor (Joseph) auch Operndirektor war, war er nicht Librettist von ?“ Die Verwechslung von Joseph und Hans Gregor ist auch in der Fachliteratur ersichtlich.

So findet man zum Beispiel in „Die Geschichte der Akademie der bildenden Künste in Wien“ von Walter Wagner, [….] Die Vorlesungen des ehemaligen Operndirektors Hofrat Dr. Gregor [….].1 Joseph Gregor hielt Vorlesungen ab 1932 über Bühnendekorationskunst im Rahmen der Meisterklasse für szenische Kunst an der Akademie für bildende Künste in Wien. Joseph Gregor, geb. am 26. Oktober 1888 in Czernowitz (Ukraine), gestorben 12. Oktober 1960 in Wien, war Literatur- und Theaterwissenschafter, Universitäts-

1 Vgl.: Hrsg. Akademie der bildenden Künste: „Die Geschichte der Akademie…“; Wien, Verlag Brüder Rosenbaum, 1967, S 305. 9 professor, trat 1918 in den Dienst der Hofbibliothek in Wien und gründete dort 1922, inzwischen Österreichische Nationalbibliothek, die Theatersammlung, deren Leiter er bis nach dem 2. Weltkrieg blieb und war er dieser bis zu seiner Pensionierung 1954 als Generalstaatsbibliothekar sehr verbunden.2 Er schrieb Libretti für die Strauss - Opern „“ (1938), „“ (1938) und „“ (1944). Am 28.10.1958 erhielt er die Ehrenmedaille der Stadt Wien. 3

In „Musik in Österreich“ herausgegeben von Gottfried Kraus, steht unter Todestage: „13.September 1919. Hans Gregor, Direktor der Wiener Hofoper von 1911 – 1918, (geboren am 14. April 1866 in Dresden)“. 4 Gregor ist am 13. August 1945 in Wernigerode/Deutschland bei Unruhen gestorben.

So viel zu den Fehlern und Missverständnissen um Hans und Joseph Gregor.

Über Hans Gregor gibt es kaum Publikationen, abgesehen von einer Diplomarbeit von Rainhard Wiesinger, mit dem Titel „Die Rezeption der Ur- und Erstaufführungen während der Ära Hans Gregors (1911-1918) an der Wiener Hofoper“. 5 Der Direktionszeit sind lediglich drei Seiten gewidmet, ansonsten besteht diese Arbeit aus Zeitungskritiken zu den genannten Aufführungen.

Die Dissertation von Ruth Matzinger behandelt „Die Geschichte des Balletts der Wiener Hofoper von 1869 – 1918“ 6 und die Diplomarbeit von Eva Taudes befasst sich mit „Einakter-Erstaufführungen an der Wiener Hofoper 1869 – 1918“. 7

Diese Arbeiten sind insgesamt für mein Forschungsthema nicht sehr ergiebig, das ja die gesamte Direktionszeit Hans Gregors mit Übernahme von Felix Ritter von Weingartner, Hofoperndirektor vom 1.1. 1908 – 28.2. 1911, abdecken soll.

2 Vgl.: Hrsg. Mühlegger-Henhapel, Christiane: „Joseph Gregor“ (Gelehrter-Dichter-Sammler); Frankfurt/M., Verlag Peter Lang GmbH, 2006, S 16ff. 3 Vgl.: Hrsg. Mühlegger-Henhapel, Christiane: „Joseph Gregor“, S 15. 4 Vgl.: Hrsg. Kraus, Gottfried: „Musik in Österreich“, Wien, Verlag Christian Brandstätter, 1989, S 340. 5 Vgl.: Wiesinger, Rainhard: „Die Rezeption der Ur- und Erstaufführungen während der Ära Hans Gregors (1911 – 1918) an der Wiener Hofoper“, Wien, 2001, Diplomarbeit. 6 Vgl.: Matzinger, Ruth: „Die Geschichte des Balletts der Wiener Hofoper von 1869 – 1918“, Wien, 1982, Dissertation. 7 Vgl.: Taudes, Eva: „Einakter – Erstaufführungen an der Wiener Hofoper 1869 – 1918“, Wien, 1999, Diplomarbeit. 10

Nach langen Bemühungen konnte ich über die Fernleihe der Österreichischen Nationalbibliothek eine Dissertation – in sehr schlechtem Zustand – von Kurt Rudolf Pietschmann, „Hans Gregor als Opernregisseur“ für kurze Zeit erhalten, die einige wichtige Fakten für meine Arbeit lieferte. Pietschmann hatte als Informanten noch mit dem Sohn Gregors, Botschafter DDr. h.c. Werner Gregor, persönlich sprechen können, mit verschiedenen Mitarbeitern, auch Sänger aus der Berliner Zeit lebten noch und eine seiner wichtigsten Entdeckungen, außer Maria Jeritza, Kammersängerin Lotte Lehmann gab ihm ein Interview.8

Gregor schrieb während seines Amerika-Aufenthaltes zu Beginn der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts das Buch „Die Welt der Oper – Die Oper der Welt“, eine Art Rechtfertigung, die aber leider nur marginal auf die Wiener Zeit Gregors Bezug nimmt.

Gut achtzig Prozent meiner Informationen habe ich durch Recherchen im Haus-, Hof- und Staatsarchiv erhalten und eineinhalb Jahre lang an die 130 Kartons der Oper, des Obersthofmeisteramtes und der General-Intendanz mit Originalschriftstücken, bzw. Durchschlägen der Korrespondenz und Abschriften „durchforstet“. Sie sind die Grundlage für meine Arbeit. Von diesen Unterlagen werde ich einige Korrespondenz oder Passagen daraus wörtlich in die Arbeit übernehmen, um die strenge Hofetikette bis in die nachgeordneten Dienststellen zu dokumentieren.

Gregor hat nach seinem Weggang aus Wien einem „Vertrauensmann“ sein eingelagertes Hab und Gut anvertraut, das dieser in der Folge verkaufte, darunter fast alle Unterlagen von Gregors Theaterarbeit. 1943 wurde seine Berliner Wohnung ausgebombt und somit das letzte in Gregors Besitz verbliebene Material vernichtet. Dadurch gibt es von Hans Gregor, außer seinem erwähnten Buch, keinen persönlichen Nachlass.

8 Vgl.: Pietschmann, Kurt Rudolf: „Hans Gregor als Opernregisseur“, Göttingen, 1957, Dissertation. 11

Meine Arbeit ist in folgender Weise gegliedert: Eine ausführliche Biographie über Hans Gregor, soweit dies möglich war. Er ist ja nach seiner Direktionszeit in Wien, in die Schweiz, dann in der Folge nach Amerika ausgewandert und erst Ende der dreißiger Jahre wieder nach Europa gekommen; durch den Krieg in Deutschland wurde er überrascht, er lebte dann in der Folge in Berlin, wo er – wie bereits erwähnt – ausgebombt wurde. Im nächsten Kapitel versuche ich Gregors Reformansätze der Opernszene darzulegen, wobei ich hier besonders auf Otto Brahm eingehe; bei ihm war Gregor zeitweise am Deutschen Theater in Berlin noch als Schauspieler engagiert und ab 1905 waren sie gleichzeitig in Berlin als Direktoren tätig.

Ein weiteres Kapitel widme ich dem Opernregisseur und Direktor Gregor der „Komischen Oper“, Berlin. Unter anderem versuche ich den Vorwurf zu entkräften, ein Nichtmusiker nach Mahler und Weingartner habe die Wiener Hofoper geleitet. Bei ihm komme die Musik erst an „zweiter Stelle“.

Mit einem kurzen Überblick über seine Vorgänger als Direktoren, als Vergleichsbasis ihrer Herkunft und Ausbildung, wobei der Beitrag über Weingartner – notwendigerweise – etwas ausführlicher ausfallen musste, denn Gregor musste von ihm sehr viele Altlasten übernehmen, komme ich zum Hauptteil meiner Arbeit.

1.) Warum suchte sich Obersthofmeister Sr. Majestät, Fürst Montenuovo, gerade Hans Gregor aus Berlin als Nachfolger von Weingartner aus? 2.) Die Administration, die straffe Führung, die Auflagen einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, die ersten Schwierigkeiten, das „Intrigieren“ – eine besondere Note in Wien – wenn es sich um die Oper oder ein Theater handelt. 3.) Die wichtigsten Sängerinnen und Sänger, Komponisten, Dirigenten, Regisseure, Bühnenbildner und Hans Gregors Demission.

Die Zeit Gregors am k.k. Hofoperntheater in Wien werde ich in zwei Teilen auflisten und zwar in Friedens- und Kriegszeit.

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Ein weiteres Kapitel ist den Ur- und Erstaufführungen in Wien gewidmet, besonders seinen Inszenierungen.

Ein abschließendes Kapitel behandelt die Sicht der Nachwelt zur Ära Gregor.

Dem Resümee liegen die gewonnenen Erkenntnisse auf der Ebene von Reflexion und Interpretation zugrunde. Mein Dank an dieser Stelle für Ratschläge, Hinweise und Unterstützung gilt den kompetenten Mitarbeitern des Haus-, Hof- und Staatsarchivs (Wien, Minoritenplatz), den freundlichen Mitarbeitern der Musiksammlung der Österreichischen National- bibliothek und besonders deren Direktor, Herrn Hofrat Dr. Thomas Leibnitz (Wien, Herrengasse) und dem Bibliothekar des Österreichischen Theatermuseums (Wien, Lobkowitzplatz). Ganz besonders sei hier jedoch meine Betreuerin am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Frau Prof. Dr. Brigitte Marschall erwähnt, die immer verständnisvoll und vor allem mental in der Entstehungszeit meiner Arbeit weiter- geholfen hat; ebenso gilt ihr mein Dank für die mühevolle Arbeit des Erstlesens meiner Dissertation. Nicht zuletzt gilt mein herzlichster Dank meiner Familie für ihr jahrelanges Verständnis.

Die Abkürzungen dieser Forschungsarbeit bedeuten:

H.H.St.A. Haus-, Hof- und Staatsarchiv GI Generalintendanz OMeA Obersthofmeisteramt KT: Karton – Nummer Zl: Aktenzahl

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2.) Lebenslauf

2.1. Geburt und Berufsausbildungen:

Hans (Johannes Karl) Gregor wurde am 14. April 1866 in Dresden geboren. Gregor wurde schon mit sieben Jahren Vollwaise. Der Vormund, sein älterer Bruder, Paul Gregor, brachte ihn im Hause des Germanisten und Gymnasialprofessors Umbescheid in Dresden unter, wo er bis zu seinem Abitur am Annen-Gymnasium lebte. Es ist anzunehmen, dass Gregor im Hause Umbescheid sowohl intensivere Beschäftigung mit Literatur und als auch mit Musik hatte, als das in einem anderen Hause der Fall gewesen wäre. Gregor dürfte bei vielen Opernaufführungen an der Dresdner Hofoper erste nachhaltige Eindrücke in die Richtung Musikdrama gesammelt haben. Nach der zweiten Einweihung der Semper-Oper (durch Brand war sie zerstört worden) spielte man viermal wöchentlich Schauspiel und dreimal Oper. Zu Zeiten Schuch´s an der Dresdner Hofoper, wo den Wagner-Werken ein großer Raum eingeräumt wurde, dürfte Gregor größtes Interesse und Aufmerksamkeit diesem Komponisten gewidmet haben. 9 Gregor beschreibt in seinem Buch nicht nur einen Besuch der Bayreuther Festspiele (1884), wo er mit Freunden, als Gymnasiasten, fast ohne Geld doch einer Aufführung von „Parsifal“ beiwohnen konnte 10 (es sei wie ein Sinnesrausch gewesen), sondern er beschreibt auch eine Szene, wo 1881 bei einer Aufführung des „Fliegenden Holländer“ in der Semper-Oper persönlich anwesend war und Gregor, ein Gymnasiast am Stehplatz, einen kurzen Blick in der Pause auf den „Meister“ machen konnte. Es war für ihn wie ein Wunder. 11 Alle diese Eindrücke lassen auf ein starkes Nachhalten von Operneindrücken in Gregors Jugendzeit schließen und es dürfte in dieser Zeit bis ungefähr 1885 durch

9 Vgl.: Pietschmann, Kurt Rudolf: „Hans Gregor als Opernregisseur, Göttingen Dissertation, 1957, S 4. 10 Vgl.: Gregor, Hans: „Die Welt der Oper – Die Oper der Welt“, Berlin, 1931, Verlag Ed. Bote & G. Bock, S 204. 11 Vgl.: ebd. S 184. 15 sein gesteigertes Interesse am Musikdrama und seine oftmaligen Besuche an der Dresdner Oper sein Wunsch, die Bühnenlaufbahn einzuschlagen, gereift sein. Wie aus späteren Bemerkungen Gregors herauszulesen ist, war er immer schon ein guter Beobachter und dürfte bereits in jüngeren Jahren allen diesen Inszenierungen mit kritischem und lernendem Blick begegnet sein. Sonstige theaterbezogene Erlebnisse in dieser Zeit erwähnt auch Gregor in seinem Buch nicht.

Nach der Reifeprüfung am Annen-Gymnasium ging er auf Wunsch seines Bruders und Vormund zum Schiffsbaustudium nach Berlin. Wahrscheinlich glaubte er seinen heimlichen Wunsch – die Bühnenlaufbahn einzuschlagen – in Berlin, mit seiner breit gefächerten Theaterszene, am Besten realisieren zu können. Neben seinem Studium nahm er heimlich bei Heinrich Oberländer „dramatischen“ Unterricht und beschäftigte sich mit bildender Kunst und Literatur, vor allem mit französischer.

In den ersten Semesterferien arbeitete Gregor (für einen Stundenlohn von 5 Pfennig) als Eisenarbeiter auf der Schiffswerft Vulkan in Stettin 12 . In den zweiten Semesterferien fuhr er mit einem Schiff des Norddeutschen Lloyd als Maschinenassistent nach Amerika, nicht nur um sich etwas dazu zu verdienen, sondern um auch gleichzeitig ein wenig von der „Neuen Welt“ zu sehen. Diese „Neue Welt“ dürfte seine Bühnenlaufbahn etwas in den Hintergrund gerückt haben, denn er schwor sich, seine Studien in Deutschland so rasch als möglich abzuschließen, um in dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten als Ingenieur zu arbeiten. „Ein neues Ziel“. 13

Doch durch die Schicksalsbekanntschaft mit Dr. August Foerster , Leiter und Mitbegründer des Deutschen Theaters in Berlin, später, von 1888 bis Ende 1889, Direktor des Wiener Burgtheaters, fand sich Gregor eines Tages nicht auf einer

12 Vgl.: Pietschmann: S5f. 13 Vgl.: Gregor: S 11 16

Schiffswerft oder Konstruktionsbüro, sondern auf den „Brettern die die Welt bedeuten“ wieder. 14

Als er großjährig wurde, erklärte er seinem Bruder, dass er die Theaterlaufbahn einschlagen werde.

2.2. Bühnenlaufbahn und Erfahrungen.

Sein erstes Debüt gab er mit 22 Jahren am 1. Oktober 1888 in Lübeck. Allerdings dauerte sein Engagement nur einen Monat. In der Folge wirkte Gregor als Schauspieler in Detmold-Osnabrück, Breslau, Görlitz, Potsdam und Berlin. In der Provinz anzufangen, sei der „rechte Pfad“ für einen jungen Darsteller; dies war auch in späteren Jahren seine feste Überzeugung. In Detmold-Osnabrück sah die Arbeit an den Vereinigten Bühnen folgendermaßen aus: Ein bis zwei Proben, die Regieanweisungen (Dir. Stoffen) beschränkten sich auf primitive Stellungs- und Auftrittsangaben, dies fand Gregor besonders verantwortungslos. Osnabrück wünschte von Gregor vier wöchentliche Auf- führungen, vier studierte Rollen. In der Zeit vom 1.1. bis 28.3. 1890 hatte er 28 Rollen zu übernehmen, unter anderem z.B.: „Don Carlos“ von Schiller. In Görlitz wurde er in der Spielzeit 1890/91 als jugendlicher Held und Liebhaber engagiert und war hier der meistbeschäftigte Schauspieler. In den Rezensionen wird er als ein Schauspieler von „großer Begabung“, von „Leidenschaftlichkeit und Gewissenhaftigkeit“ besonders hervorgehoben. Er wurde in der Folge an den diversen Theatern vorwiegend in klassischen Rollen eingesetzt und sein schauspielerischer Aufstieg begann in der Spielzeit 1891/92 in Breslau, besonders mit Shakespeare-Rollen, wie zum Beispiel „Lorenzo“ (Kaufmann von Venedig), „Norfolk“ (Heinrich III.), „Prinz Heinz“ (Heinrich IV.), die Titelrolle in „Heinrich V.“ und viele andere Rollen. Hier kann bereits festgestellt werden, dass die komischen Fächer deutlich zurücktreten, sie sind merklich aus seinem Darstellungsbereich ausgegrenzt. In der Spielzeit 1892/93 trat er bereits am Berliner Theater meist in klassischen Rollen auf.

14 Vgl.: Gregor: S 12f. 17

1894 ging Gregor als Regisseur nach Königsberg. Seine zweite Karriere begann er ebenfalls an kleinen Theatern. Also der auch heute noch gängigste Weg, sich - sowohl als Schauspieler, Hilfsregisseur und dann Regisseur - die notwendigen Sporen für eine spätere gediegene Karriere zu verdienen. Man konnte so seine darstellerischen Mittel und Wirkungen besser kennen und gebrauchen lernen. Die Spielzeit 1895/96 in Berlin, wo Gregor wieder als Schauspieler Mitglied des „Deutschen Theaters“ war, brachte ihm die Begegnung mit dem Brahm´schen Bühnenstil. Diese Zeit bezeichnete er als eine der entscheidendsten Anregungen für seine spätere Theaterarbeit; er spielte in einem Ensemble mit Josef Kainz, , Else Lehmann, Agnes Sorma und vielen anderen. 15 Max Reinhardt und Hans Gregor waren sich in der Theaterarbeit sehr ähnlich, worauf später noch zurückgekommen wird.

Diese Spielzeit beendete Gregors erste Etappe der Bühnenlaufbahn und in der Folge führte er nur mehr Regie. Diese zweite Etappe zeichnete sich bereits sei 1893 ab. 1896-98 führte er das Stadttheater Görlitz. 16 Als Direktor und Oberregisseur stellte er das Ensemble zum größten Teil neu zusammen, entdeckte neue Kräfte und unter seiner Regie wurden unter anderem Werke von Shakespeare, Schiller, Lessing, Scribe, Kleist, Schnitzler und Anzengruber aufgeführt. Die Spielzeit reichte jeweils von Ende September bis Mitte April und anschließend wurde einen Monat lang Oper aufgeführt, deren Regie wahrscheinlich Gregor noch nicht innehatte. Er brachte einige Novitäten nach Görlitz und viele Neueinstudierungen. Neben Gregor gab es noch die Regisseure Eugen Siegwart, Ernst Kniel und den Dramaturgen Dr. Hans Oberländer. 17 Gregor schuf im Laufe der Görlitzer Spielzeiten einzelne Musteraufführungen, jedoch für das nicht so zahlreich vorhandene Publikum waren nur wenige Wiederholungen möglich, das heißt ein normaler Repertoirebetrieb, mit nur geringem Einzugsgebiet, war nicht möglich.

15 Vgl.: Pietschmann: S 8f. 16 Vgl.: Ebda: S 6ff. 17 Vgl.: Ebd.: S 11. 18

Gegen Ende seiner Görlitzer Tätigkeit dürfte Gregor auch einzelne Opernregien geleitet haben, was aber nicht belegbar ist. 18

2.3. Ein neuer Abschnitt; Theaterleiter

Vor der Gründung seiner „Komischen Oper“ in Berlin wurde Gregor 1898 der jüngste Bühnenleiter zweier größerer Häuser in Deutschland, der Vereinigten Bühnen von Elberfeld und Barmen in Wuppertal. Hier sammelte er wahrscheinlich seine wichtigsten Erfahrungen in der Theaterarbeit, die ihn für alle späteren Funktionen prägte. Unter 49 Bewerbern wurde Gregor ausgewählt und führte diese beiden Häuser drei Spielzeiten lang, dann wurden sie getrennt und Gregor entschied sich für das besser ausgestattete Stadttheater in Elberfeld. Diese drei Spielzeiten waren freilich von vielen Schwierigkeiten begleitet, da zwar Gastspiele von geschlossenen Ensembles oder Einzeldarstellungen zwischen diesen beiden Theater vorgesehen waren, aber Kostüme, Dekorationen und Requisiten von dem jeweiligen Theater verwendet werden mussten. Das hieß: Aufführungsreife Werke mussten neu eingerichtet werden. Da Elberfeld besser ausgerüstet war, legte diese Vorgangsweise Gregors neuen Ideen in Barmen natürlich Fesseln an und die notwendigen Notlösungen waren nicht immer in seinem Sinn. 19 In Barmen trat Gregor vorher auch als Schauspieler auf, während ihm dies sein Vertrag in Elberfeld verbot. 20 Seit 1901 war er in Elberfeld nur mehr Direktor, Regisseur und Pächter und brachte aus seiner Görlitzer Zeit einige Mitarbeiter mit. 21 Gregor hatte sich einen auf drei Jahre recht gut dotierten Subventionsplan ausgehandelt. 22 Gespielt wurde Schau- und Lustspiel, Oper – auch große Oper. Die Vorgabe war, dass er Schauspiel und eine der beiden musikalischen Gattungen, Oper oder Operette, spielte. Er entschied sich für Oper mit einigen Ausnahmen. Man gab

18 Vgl.: Pietschmann: S 13ff. 19 Vgl.: Gregor: S 152f. 20 Vgl.: Ebd.: S 157. 21 Vgl.: Pietschmann S 17. 22 Vgl.: Gregor S 153. 19 wöchentlich drei bis viermal Opernvorstellungen und drei bis viermal regierte das gesprochene Wort. 23 Gregor kam vom Schauspiel, das gesungene Drama war für ihn Neuland. Es glückte ihm aber der große Wurf und er fand und verpflichtete – gegen große Widerstände – seinen „Ersten Kapellmeister“, Alfred Hertz; dieser, ebenfalls jung, war ein intelligenter Berufsmusiker. Bei ihm lernte Gregor sehr viel und hier zeigte sich besonders sein Talent des Entdeckers. Hertz war der spätere „Erste“ an der Metropolitan in New York. Durch Hertz wurde Gregor auf Saint-Saêns Oper „Samson und Dalila“ aufmerksam gemacht, die mit großem Erfolg in Elberfeld erstaufgeführt wurde. Das öffnete Gregor die Tore nach Frankreich. Er konnte sogar Gustave Charpentiers „Louise“ uraufführen. Charpentier kam zur Generalprobe nach Elberfeld. Charpentier war auch sein eigener Librettist, er war sehr zufrieden mit dem Erreichten und sagte zu Gregor: „Très bien, très bien! C’est ce que je veux!“ 24 Im Jahre 1905 wurde Gregor als erster deutscher Künstler, von der französischen Regierung, in Anerkennung seiner Verdienste um die französische Kunst, durch Verleihung der Ehrenlegion ausgezeichnet. 25 Die Beziehungen mit Frankreich hat er dann bis 1914 sehr gepflegt; sie wurden durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. 26

Seinen späteren Grundsätzen der Theaterleitung entgegen, hat Gregor öfters Ensemble-Gastspiele, auch solche einzelner erstklassiger Darsteller ermöglicht, etwas, was er in der Zeit seiner Direktion der „Komischen Oper“ in Berlin anfangs strikt ablehnte, aber später – besonders in Wien – dem Zug der Zeit folgend wieder praktizieren musste und damit meistens für eine Bereicherung sorgte. Diese Gastspiele wurden sowohl in Elberfeld, als auch später in Wien von der Presse heftig kritisiert. Gregors Bemühen, das Niveau der Aufführungen seines Theaters in Elberfeld, auch im normalen Repertoire-Betrieb und nicht nur bei Gastspielen erstklassiger Künstler höher zu schrauben, gelang ihm immer wieder. 27

23 Vgl.: Gregor 164f. 24 Vgl.: Ebd.: S 100. 25 Vgl.: Ebd.: S 93. 26 Vgl.: Ebd.: S 88ff. 27 Vgl.: Pietschmann: S 18. 20

Gregor war der Erste, der sein Elberfelder Atelier forderte und motivierte, um von der Einheitsdekoration wegzukommen. Dekorationen wurden immer mehr auf die einzelnen Werke erstellt (denn bisher war es nur üblich, für Wagner-Werke eigene Dekorationen zu entwerfen). Franz Schmitt wurde immer häufiger mit Neuausstattungen betraut und damit zum Bühnenbildner des Theaters heran- gebildet. Schmitt ging dann mit Gregor nach Berlin.28

Um sein Theater zu nutzen und zu billigeren Preisen neue Publikumsschichten für dieses Metier zu gewinnen, führte Gregor 1902 literarische Matineen ein. Er konnte diese wesentlich freier gestalten als seine Abendprogramme, da die Vorgaben für das abendliche Stammpublikum wegfielen. 29 Von der Berliner Brahm-Zeit geprägt, konnte er in diesen Matineen die Wendung zur unkonventionellen, form- schöpferischen Dramatik der Moderne auf europäischer Ebene verwirklichen. 30 Sein Matineeplan beinhaltete viele Zeitgenossen: Gorki, Maeterlink, Strindberg, Wilde, Wedekind, Hofmannsthal, Tschechow u.v.m. Gregor hat noch vor Reinhardt in Berlin diese Werke in Elberfeld aufgeführt. Darstellerisch gelangen ihm die Werke, die vom Konversationsstil aus zu gestalten waren, am besten. 31

Als Resümee seiner ihn sehr prägenden Elberfelder Direktionszeit kann gesagt werden, dass Gregor und seine Regisseure zwar nicht immer, aber meistens erfolgreich agierten und wenn auch oft am Theaterzettel ein anderer Regisseur, wie Gebrath oder Goldberg, genannt war, kamen sehr viele Anregungen betreffend Regie, Bühnenbild und besonders Lichtgestaltung als Unterstützung der Dramatik, vom Theaterleiter. Schon in Elberfeld begannen die abendlichen Regiesitzungen, die in Berlin dann wesentlich intensiviert wurden. 32

28 Vgl.: Pietschmann: S 246, Pkt. 19. 29 Vgl.: Gregor: S 167ff. 30 Vgl.: Pietschmann: S 21. 31 Vgl.: Ebd.: S 23. 32 Vgl.: Ebd.: S 29ff. 21

Gregor dürfte zu dieser Zeit, oder vorher verheiratet gewesen sein und einen oder mehrere Söhne gehabt haben. Er schreibt in seinem Buch von einem Abend- gespräch auf seiner Farmveranda in Amerika, dass Nelly, „ein französisches Dingelchen (Hündchen) im Schoße seiner Frau Della saß, das einer meiner Söhne uns aus dem Schützengraben nach Wien gebracht hat.“33 Pietschmann erwähnt in seiner Dissertation persönliche Gespräche mit Botschafter Werner Gregor und von diesem Sohn habe er 1956/57 Informationen erhalten.34 Auf dem privaten Sektor ereilte Gregor sein glückliches Schicksal in Elberfeld. Die Amerikanerin Della Rogers aus Denver – in Frankreich aufgewachsen – sang bei Gregor als Gast und sang sich als „Dalila“ auch in sein Herz; sie wurde seine zweite Frau und war von da an immer an seiner Seite bis zu ihrem Tode.35

Noch eine außergewöhnliche Angelegenheit ergab sich für Gregor in seiner Elberfelder Zeit. Da Karfreitag die Theater geschlossen waren, aber Oratorien und geistliche Konzertveranstaltungen sehr wohl erlaubt waren, setzte Gregor ein solches Konzert, in Übereinstimmung mit der Stadtverwaltung, unter anderem mit dem dritten Akt des „Parsifal“ von Richard Wagner an. Dazu muss man wissen, dass angeblich durch eine Verfügung Wagners „Parsifal“ an Bayreuth gebunden sein sollte, außerdem wurde dieses Wagner-Werk erst am 1.1. 1914 frei. Aber nach Meinung Gregors konnte er mit einer konzertanten Aufführung nur des dritten Aktes dieser Oper unmöglich gegen das zu dieser Zeit geltende Urheberrechtgesetz verstoßen. Wahnfried sah dies anders: „Ein Akt ist ein selbständiges Werk!“ Der Bannstrahl traf Gregor: „Keine Wagner Oper in Zukunft an einer Bühne mit solchem Bühnenleiter.“ 36 Dieser Bannstrahl würde Gregor in jede Tätigkeit folgen. Eine Klärung war unerlässlich. Gregor trat seinen Canossagang nach Wahnfried an, allerdings mit Rückendeckung aller deutschen Bühnenleiter und als er gegenüber dem Vertreter von Frau Cosima Wagner nach längeren erfolglosen Verhandlungen die Drohung in den Raum stellte,

33 Gregor: S 414. 34 Vgl.: Pietschmann: S 3. 35 Vgl.: Gregor: S 12. 36 Ebd.: S 192. 22 dass auf seine Aussperrung die Aussperrung Wagners von allen deutschen Bühnen die Gegenmaßnahme sei, hatte Gregor gewonnen. Das war ein taktisch kluger Vorgang und zeigt, dass Gregor nicht nur ein guter Menschenkenner, sondern auch ein überlegter Diplomat war, der nur sein Ziel vor Augen hatte. 37 Die New Yorker , unter Dir. Heinrich Conried spielte Wagners „Parsifal“ vor Ablauf der Schutzfrist am 1. Jänner 1914, denn die Urheberrechts- bestimmungen waren nicht in allen Staaten dieselben. Alle Mitwirkenden wurden mit dem Bannstrahl aus Wahnfried bedacht und kein einziger durfte je mehr einen Fuß nach Bayreuth setzen. 38

Erst ab dem Jahre 1902 übernahm Gregor drei Inszenierungen von Opern: „Louise“ von Charpentier (1.1.1902) „Marketenderin“ von Godards ( 4.11. 1902) „Boheme“ von Leoncavallo ( 26.1. 1903) In den Kritiken wurde auf die feine Durchbildung der Darstellung in Gregors Operninszenierungen besonders hingewiesen. Für die atmosphärische Regie war es besonders wichtig, dass unter ihm laufend Verbesserungen der Beleuchtung durchgeführt wurden. Direkte Mitteilungen darüber fehlen allerdings, doch wird als Besonderheit der Ära Gregor immer darauf hingewiesen. 39

Auffallend war, dass Gregor der französischen Oper in seinem Spielbetrieb einen breiten Raum einräumte und durch gelungene Aufführungen waren in Paris für ihn bis zu Beginn des 1. Weltkrieges 1914 die Türen immer weit geöffnet. Man kann sagen, dass in Elberfeld Gregors große Karriere als Regisseur und Meister der Inszene begann, die dann während seiner Leitung der Berliner „Komischen Oper“, von 1905 – 1911, ihre Glanzzeit und Höhepunkte erreichte. Und vielleicht haben die oftmaligen Bühnenwechsel in seinem Leben insofern an Bedeutung gewonnen, indem sie ihm Einblicke und Anregungen verschafften, die der Bühne neue Formen und Funktionen gaben.

37 Vgl.: Gregor: S 191 ff. 38 Vgl.: Ebd.: S 202 ff. 39 Vgl.: Pietschmann: S 249 f, Pkt. 48. 23

1905 ging Gregor nach Berlin und gründete seine „Komische Oper“. (Diesem Abschnitt seines Lebens ist ein eigenes Kapitel in dieser Arbeit gewidmet.)

1910 erging der Ruf von Wien an ihn, den Direktionsposten des k.k. Hofoperntheaters als Nachfolger von , Edler von Münzberg, einzunehmen. Er folgte dem Ruf mit einem weinenden und einem lachenden Auge. In Wien war Gregor – zwar sehr oft angefeindet – jedoch ein sehr erfolgreicher Direktor und teilweise auch Regisseur bis zum Ende der Monarchie, November 1918.

Im November 1918 verließ Gregor die Oper und 1919 Wien und übersiedelte in die Schweiz. Seinen Besitz und alle Unterlagen wurden in einem Lager in Wien eingestellt und ein früherer Mitarbeiter und Vertrauter an der Hofoper übernahm die Verantwortung.

Mit seiner zweiten Frau Della blieb er einige Zeit in der Schweiz. Hier erreichte ihn auch das Angebot, Operndirektor der Metropolitan Opera in New York zu werden, und er führte Verhandlungen mit Otto H. Kahn, New York. Aber Ressentiments gegenüber einem Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg brachten Kahn’s Plan zum Scheitern.

1921 ging Gregor mit seiner amerikanischen Frau dennoch nach Amerika und schrieb dort sein Bekenntnisbuch „Die Welt der Oper – Die Oper der Welt“.40 Sein Vertrauensmann in Wien veräußerte in der Zwischenzeit Gregors eingelagertes Gut. Dadurch wurde Gregor nicht nur materiell geschädigt, sondern alle Unterlagen seines bisherigen Theaterlebens gingen verloren und diese konnten auch anlässlich eines Prozesses im Jahre 1928 nicht mehr verifiziert werden.

1925 wurde Gregor zweimal die Leitung der Preußischen Staatstheater angetragen, einmal war sein Sohn Werner der Überbringer des Angebots, Hans Gregor lehnte jedoch beide Male ab. Seine Begründung: Die eingeführten gewerkschaftlich reglementierten Werkverträge wären ein Hemmschuh der organischen Theaterarbeit und gegen eine freie Entfaltung in der Theaterwelt. Außerdem dürfte ihm der

40 Vgl.: Pietschmann: S 229. 24

Bühnenstil der „Zwanziger“ Jahre nicht gelegen gewesen sein. Ein Drittes dürfte Gregor gefürchtet haben, dass eine Beeinflussung staatlicher Stellen auf die Direktion ein Anknüpfen an frühere Vorgangsweisen nicht ermöglichte. 41 In seinem Buch fasste Gregor seine Einstellung prägnant zusammen, sozusagen in einem Selbstgespräch: „Versuche es, versuch es doch anzuknüpfen an das, was einst hier möglich war“, mit den Worten: „Ausgeschlossen, unter solchen Bedingungen geht es nicht!“42 Hiermit stellte er die Verwirklichung seiner Ziele in Frage. Vielleicht hätte es anders ausgesehen, wenn er vor Ort gewesen wäre, aber so bekam er seine Informationen über den „großen Teich“. Auch Max Reinhardt hat sich ab 1920 – mit einigen Ausnahmen – aus Berlin zurückgezogen. Es dürften Beide die Erreichung ihrer festgesteckten Ziele nicht mehr gesehen haben.

Nach dem Tod seiner zweiten Frau, 1926, kam Gregor öfters nach Deutschland und Österreich. Während seiner diversen Deutschlandaufenthalte in den dreißiger Jahren, stellte er für den Sender Leipzig eine Sendung „Verklungene Stimme“ zusammen. Die Einleitungs- und Zwischentexte wurden von ihm verfasst und gesprochen. Bei seinem letzten Aufenthalt in Deutschland wurde er vom Krieg überrascht. Er wurde wieder deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in Berlin-Charlottenburg.

1943 wurde seine Berliner Wohnung vollkommen ausgebombt und damit das restliche noch verbliebene Material über seine Theaterarbeit vernichtet. Nach dem Zusammenbruch ging Gregor in das Städtchen Wernigerode, wo angeblich ein Sohn von ihm als Generalkonsul weilte. Im Juni 1945 soll er bei plötzlich aufkommenden Unruhen getötet worden sein.43

Auf eine Anfrage vom 3. März 2007 an die Stadtverwaltung Wernigerode, Deutschland/Oberpfalz, wurde mitgeteilt, dass im dortigen Register des Standesamtes ein Johannes Karl Gregor mit Todestag 03.08.1945 eingetragen ist,

41 Vgl. Pietschmann: S 230. 42 Gregor: S 416. 43 Vgl.: Pietschmann: S 228 ff 25 als Wohnanschrift ist Berlin Charlottenburg angegeben und dieser sei in Dresden, am 14.4. 1866 geboren worden. Sonst konnte von keinem Gregor etwas ermittelt werden, auch nicht von einem Generalkonsul Gregor. 44 Da das Geburtsdatum übereinstimmt, ist anzunehmen, dass Gregor als Vornamen die Kurzform von Johannes – Hans – geführt hat.

44 Schreiben der Stadt Wernigerode vom 15.03.07 (unterzeichnet Hr. Fricke) liegt bei der Verfasserin.

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3.) Hans Gregors Reformansätze der Opernszene

Mehrere Personen und Institutionen übten auf Hans Gregor tiefgreifenden Einfluss aus:

Eduard Volmer forderte in seiner 1848 erschienenen kleinen Schrift „Berliner Theater-Kritiker“, einer „Kritik der Kritik“, ein Theaterkritiker müsse für den dramatischen Schriftsteller der Chirurg, für den Schauspieler der Hausarzt und für das Publikum der natürliche Anwalt sein. Es gab zwar viele, die über Drama, Theater und Schauspielkunst schrieben, aber nur wenige, die auf diesem Gebiet zugleich Mediziner und Jurist waren. 45 Einer dieser wenigen war Otto Brahm. Seine Arbeiten – er schrieb damals für die bekannte Berliner „Vossische Zeitung“ – besaßen nicht nur zeitgenössische Aktualität, sondern auch dokumentarischen Wert, weil mit ihnen die Revolutionierung des damaligen Theaters begann. 46 Als Brahm später die „Freie Bühne“ in Berlin leitete – nach dem Pariser „Théatre libre“ – danach das „Deutsche Theater“ und zum Schluß bis zu seinem Tod (1912) das „Lessing-Theater“, verwirklichte der Theaterleiter, was der Kritiker forderte, sowohl vom Dichter als auch vom Schauspieler: „Wahrheit“. Echte Menschen sollten dargestellt werden, sie sollten in ihrer Rolle aufgehen, nicht aber mit ihr „wie die Katze mit der Maus spielen“47 . Dieser Anspruch kam der naturalistischen Strömung zugute und so öffnete der zeitgenössisch naturalistische Dramatiker sein Theater. Diese Intention kann der Schauspieler nicht auf sich allein gestellt erfüllen, sondern nur in einem Ensemble vollbringen. Keiner seiner Künstler war ein Star. Wie der Direktor waren auch seine Schauspieler nur Diener am Werk. Alle waren eine Gemeinschaft, ein Ensemble, in dem jeder eine Aufgabe zu erfüllen hatte. Bei Brahm ging es nie um eine Rolle, sondern stets um das Werk, nie um einen Schauspieler, sondern immer um das Ensemble und dieses Ensemble schuf die berühmten Brahm – Aufführungen. Die Krönung der vielen positiven Berichte über diese Aufführungen,

45 Vgl.: Brahm Otto: „Theater – Dramatiker – Schauspieler“, (Auslese der kritischen Schriften) Hugo Fetting in Vorbemerkungen; Berlin, Henschel-Verlag 1961. 46 Vgl.: Ebd. In Vorbemerkungen. 47 Ebd. Hugo Fetting im Nachwort, S 428. 27 war der Ausspruch des sonst so skeptischen Alfred Kerr: „Für diese Kunst gibt es kein anderes Wort als: Vollendung.“ 48 Diese Vollendung war Ergebnis einer engen freundschaftlichen und künstlerischen Zusammenarbeit zwischen Ensemble und Brahm, einer harmonischen Übereinstimmung in den zu verwirklichenden Absichten und anzustrebenden Zielen. Brahms Name als Regisseur stand nie auf einem Theaterzettel. Gustav Rickelt, der acht Jahre dem Ensemble angehörte, erinnerte sich: „In Wirklichkeit war Brahm gar kein Regisseur im landläufigen Sinn, aber er war der eigentliche Inszenator der vielgerühmten Aufführungen.“ 49 Für Brahm war es ganz gleich, um welchen Dichter es dabei ging, fest stand, „dass es für die gegenwärtige Schauspielkunst, stelle sie nun Schiller oder Freytag, Shakespeare oder Hebbel dar, nur den einen Stil gibt, welcher der Stil der Zeit ist: den realistischen.“ 50 Brahm sagte dem Schlagwort „Grenzen der Kunst“, welches sich dem Naturalismus entgegenstellte, den Kampf an. Er stellte die Frage, ob es überhaupt Gesetze der Kunst geben könne – ewige Gesetze? Diese Frage verneinte er. Seine Antwort: “Aristoteles – in der Tat ein weiser Mann – zeigt in jeder Zeile seiner Poetik, nicht allgemeine Gesetze wollte er geben, er begnügte sich vielmehr damit, aus dem poetischen Schaffen seiner Zeit Regeln abzuziehen und seine Wirkungen zu beschreiben. Ihm lag die Anmaßung fern, für Jahrtausende festzulegen, was Kunst ist und was nicht; nur die Produktionen seiner Zeit beschrieb er exakt und zog in Regeln und Gesetzen zusammen, wie es die griechischen Tragiker und warum sie es so getrieben, nicht anders.“ 51 „Die Wirkung der „Freien Bühne“ war weit und vielfach. Sie hat auf dem Gebiet der dramatischen Literatur dem deutschen Theater neue Wege gewiesen und ihm vorwärtsstrebende Dichter und Talente zugeführt. Sie hat dem realistischen Drama das Theater erobert und die Schauspielkunst damit von der Pose, der Deklamation und Konvention .“ 52

48 Brahm, Otto: „Der Naturalismus und das Theater“, Hugo Fetting im Nachwort S 438. 49 Ebd.: Hugo Fetting im Nachwort S 437 f. 50 Ebd.: Hugo Fetting im Nachwort, S 421 ff. 51 Brahm, Otto: „Der Naturalismus und das Theater“, in Theater – Dramatiker – Schauspieler, S 404 f. 52 Brahm: „Der Naturalismus und das Theater: Nachwort von Hugo Fetting, S 432 f. 28

Dieses Gedankengut Brahms, seine Bühnenkunst und die damit notwendige Theaterorganisation prägten Gregor nachhaltig.

Das kommt deutlich zum Ausdruck in einem 1884 von Brahm veröffentlichten Aufsatz „Das deutsche Drama und das deutsche Theater“: „Bühnenleiter, wenn sie in einem ersten deutschen Theater ihren Mann stellen wollen, müssen zwei Fähigkeiten in sich tragen, zugleich über die Kunst der Inszenierung und die Kunst des literarischen Entdeckens zu gebieten.“ 53

Die Personalunion eines Theaterleiters und szenischen Gestalters war Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts keine Selbstverständlichkeit. Das Ineinander- greifen beider Gebiete gab der Brahmschen Theaterarbeit die tragfähige Basis. Auf dieser Basis hat Gregor seine „Komische Oper“ aufgebaut, dies kam schon in der Elberfelder Zeit zum Tragen. Genauso wichtig wie die Repertoirepflege waren für Brahm Novitäten-Aufführungen. Ebenso kann man dies zu Gregors Zeit an der Komischen Oper Berlin verfolgen. Für ihn war die moderne musikalische Dramen- kunst eines seiner Standbeine. Während Gregors Engagements bei Brahm am „Deutschen Theater“ konnte dieser, als guter Beobachter, alles genau verfolgen und sich aneignen. 54

Selbstverständlich hat Brahm auch Stücke gespielt, bei deren Annahme er mehr an die Tageseinnahmen dachte, als dass er nach der dichterischen Qualität schaute. Denn jeden Morgen musste er sich fragen: „Wo verdiene ich heute 2.000 Mark?“ 55

Von solchen Überlegungen wurde auch Gregor nicht verschont, weder als Privat- theatermann, noch als Leiter einer Institution, deren vorgesetzter Behörde er Rechenschaft ablegen musste. Aber seine Sänger mussten in jedem Fall „Menschendarsteller“ sein, die Oper „ein Stück Leben“, denn „die Bühne ist kein Konzertsaal“.56

53 Pietschmann: S 146 54 Vgl.: Ebd.: S 145 ff. 55 Brahm: „Der Naturalismus und das Theater“, S 436. 56 Ottner, : „Oper in Wien“ 1900 – 1925; Wien-München, Ludwig Doblinger (Bernhard Herzmansky) 1991, S 101. 29

Einen großen Eindruck machte auf Gregor die „Opera Comique“ unter Albert Carré in Paris; nach ihr benannte er sein Berliner Institut.57 Seine oftmaligen Pariser Aufenthalte verwendete er unter anderem, dieser Oper öfters Besuche abzustatten. Für ihn war dieses Haus auch deswegen interessant, da es ähnlich seinem Operngebäude über zu geringe Bühnentiefe und mangelnde Betriebsräume verfügte und beide Häuser ähnliche Intentionen hatten. Gregor meinte, die kleinen Häuser vermittelten kompromisslose Werkverwirklichung und die großen Häuser – Grand Opera in Paris und Königliches Opernhaus in Berlin – brächten Repräsentationsaufführungen. Er nennt die kleinen Institute „Organismen“ und die großen „Mechanismen“. 58 Von Paris gab es, wie erwähnt, Anregungen für den Berliner Spielplan: wie „Pelleas und Melisande“, „Louise“, „Blaubart“ u.v.a. 59

Gregor schildert den Theaterleiter und Regisseur Carré folgendermaßen und schickt voraus, dass er Carré unbeeinflusst durch persönliche Beziehung beurteile, da er ihn nur einmal gesprochen habe, aber diese Unterhaltung bestärke seine Vermutung: „Albert Carré scheint mir der tüchtigsten, reifsten, phantasiebegabtesten Künstler einer, der je in einem Opernregiesessel Platz genommen hat. Bei aller Ehrfurcht vor der Opernpartitur und den musikalischen Intentionen ihres Schöpfers sieht er in der Opernkunst in erster Linie eine dramatische Kunst. Die Opernbühne hat für ihn infolgedessen eine höhere Pflicht, als lediglich Hintergrund und szenische Begleiterin einer Konzertaufführung zu sein. Der Sänger wächst unter ihm zum Darsteller, der Chor hört auf, als bleierne Masse auf der Handlung zu lasten, das Dirigentenpult die einzige Anregerin der Szene zu sein. Nach seiner Einstellung gewinnen selbst Ensemblesätze, sofern sie nicht offensichtlich rein konzertant gemeint sind, durch geschickt geleitetes Spiel. […] Der Gesamteindruck: Hier hat ein geistvoller, bis in die Fingerspitzen künstlerisch empfindender, musikalischer Mann mit unermüdlichem Fleiß einem klar erkannten Inszenierungsziele nachgestrebt.“ 60 Daraus ist zu erkennen:

57 Vgl.: Pietschmann: S 152. 58 Vgl.: Ebda.: S 153. 59 Vgl.: Gregor: S 82 ff. 60 S 84. 30 a) Die Inszenierungswerte Carrés stellten für Gregor die Grundlage einer guten Opernaufführung dar und b) diese Inszenierungswerte, die er nahezu vorbildlich bei Carré verwirklicht fand, übernahm er für seine „Komische Oper“ in Berlin, um Oper zu erneuern. Sein Einwand allerdings, Carré sage alles, was er zu sagen habe – sei es durch Geste, Licht oder sonstige szenische Mittel – zu laut, mit zu starker Absichtlichkeit, falle kaum ins Gewicht. 61

Ein weiterer wichtiger Wegbereiter war Richard Wagner . Die Begegnungen mit den szenischen Forderungen und Anregungen Richard Wagners in den Schriften und Musikdramen bildete wahrscheinlich schon in den Jugendjahren Gregors Orientierung in seinen theatralischen Vorstellungen. Der Spielplan der Elberfelder Direktionszeit Gregors zeugt von einer intensiven Wagner-Pflege. Ab 1902 organisierte er dort Wagner-Festwochen, für die er die Bayreuther Darsteller der Hauptpartien engagierte. 62

Gregor hatte für Wien die Neueinstudierung des Ringes geplant, musste aber infolge kriegsbedingter Einschränkungen darauf verzichten. Die „Parsifal“-Premiere und die Erstaufführung des „Tannhäuser“ in der Pariser Fassung überließ er Wymetal, jedoch dürfte das Einbringen seiner Ideen in den Regiesitzungen als gesichert anzunehmen sein. 63

Allein seine Ausführungen über Wagner-Inszenierungen, Bemerkungen über deren Inhalt und eine genaue Beschäftigung mit dem Orchester in Bayreuth (gedeckter Orchestergraben) nehmen in Gregors „Die Welt der Oper – die Oper der Welt“ einen breiten Raum ein. Außerdem besuchte er ab Mitte der 1890er-Jahre ohne Unterbrechung die Festspiele in Bayreuth. 64 Anregungen – was die Lichtgestaltung betraf – sowohl in der Bedeutung, Stimmung, als auch als Mittel der Betonung, die Gregor sehr bewusst bei seinen Inszenierungen

61 Vgl.: Gregor: S 84 ff. 62 Vgl.: Pietschmann: S 158. 63 Vgl.: Ebda.: S 139. 64 Vgl.: Pietschmann: S 158. 31 einsetzte, gehen zum größten Teil auf Wagner-Inszenierungen zurück. Gregor erwähnt die Lichtgestaltung immer wieder in seinem Buch. Sichtlich von Wagner inspiriert, war ihm die Pflege des Chors ein Anliegen. 65

All das mündete in die Einbeziehung von Werten der Schauspieldarstellung in die Konzeption der Oper und so wurde eine Neuorientierung des Musikdramas notwendig und auch erreicht.

„Zugegeben, Schauspiel (in Prosa und Vers), Lustspiel (in Prosa und Vers), Schwank, Posse, Singspiel, Operette, Buffo-, Spiel- und große Oper, Pantomime, Ballett zeigen weithin sichtbare Formdifferenzen: Ein gemeinsames höchstes Merkmal, das sie als Wesensverwandte, als Zugehörige ein und derselben Einheit ausweist, tragen dennoch auch sie: Das Element, in dem sie leben, weben und sind, ist die Bühne. Alles, was auf der Bühne kreucht und fleucht, ist Kunstklasse Drama. Die Oper vom Mutterbaum abzusägen, sie zur Sonderklasse zu deklarieren, als habe sie blinder Zufall nur in ihre Umgebung gebracht, sie nicht nach Fähigkeit und Vermögen an den Wohltaten des Ausdruckreichtums der Bühne voll teilnehmen zu lassen, heißt – nach meiner Sacheinstellung – ihr schwerstes Unrecht zufügen.“ 66

Das Gesamtkunstwerk mit allen Facetten und Möglichkeiten auf gesamt- künstlerischer Ebene war das Ziel des ambitionierten, oft an beiden Enden brennenden Direktors und Regisseurs Hans Gregor.

65 Vgl.: Gregor: S 188. 66 S 287 f. 32

4.) Hans Gregor als Opernregisseur und seine Komische Oper Berlin

4.1. Errichtung der Komischen Oper und Direktion derselben:

Als Erster im deutschsprachigen Raum ging Hans Gregor das Wagnis ein, ein Opernhaus in Berlin als Privatperson zu bauen und zu bespielen und dies, ohne die Zugkraft der Werke von Richard Wagner zu nutzen, denn die Königliche Oper in Berlin hatte die Hand darauf und andere Theater in Berlin konnten erst mit 1. Jänner 1914 Wagner-Werke aufführen. Trotzdem gelang es ihm, die Oper auf einem erstaunlich hohen Niveau zu halten, ohne Subvention, da eine Unterstützung durch die öffentliche Hand in Berlin für theatralische Zwecke nicht zur Verfügung stand, jedoch immer in Sorge um seine Existenz. 67

Gregor beschreibt in einem Beitrag, sozusagen als Vorwort „Abschied von Berlin“ seine Berliner Opernjahre von 1905 – 1911 folgendermaßen: „Die Türe fällt ins Schloss und ich blicke zurück. Am 17. November 1905, „Hoffmanns Erzählungen“[…], am 14. Februar 1911, „Liebelei“[…], eine Wegstrecke von sechs Jahren. Gewonnene, verlorene Schlachten, sanguinische Hoffnungen, melancholische Resignation, stolze Zuversichten, niedergeschlagenes Verzichten: die widersprechendsten Empfindungen füllen die sechs Jahre in buntem Wechsel.“ 68 Gregor musste sein Opernhaus sogar kleiner bauen, als es seinen Vorstellungen entsprach, da der für ihn erschwingliche Bauplatz an der Weidendammer Brücke relativ klein war. Zwar wollte Gregor ursprünglich am Potsdamer Platz bauen, jedoch durch eine journalistische Indiskretion im Mai 1904 wurde sein Plan vorzeitig publik und der Kaufpreis dieser Grundstücke – es handelte sich um mehrere Parzellen, die er zusammenlegen wollte – schnellte in kürzester Zeit ins Unermessliche und war somit nicht mehr realisierbar.

67 Vgl.:Jacobsohn, Fritz, „Hans Gregors Komische Oper 1905 – 1922“, Berlin, Oesterheld & Co Verlag, o.D., S 6ff. 68 Ebd.: S 7. 33

„Und nun jetzt der Abzug vom Kampfplatz Berlin, zwar ein Abzug mit klingendem Spiel – jedennoch ein Abzug …“. 69 Gregors Vorstellungen von Opernhäusern deckten sich kaum mit den vorhandenen Häusern. Seiner Meinung nach waren die meisten zu groß angelegt, dadurch musste das Opernwerk aus seinen Bezirken hinausgedrängt werden. Dies geschah nach seinem Dafürhalten zum Schaden für die Kunst. Aber weder Publikum noch Kritiker machten sich eine Vorstellung von der Höhe der Kosten, die ein Opernbetrieb verschlingt. Dadurch bedingt, versuchte man – wenn kostendeckend gewirtschaftet werden sollte und musste – so viele Besucherplätze wie möglich zu realisieren.

Gregor schwebte eine verfeinerte Inszenierung vor, sozusagen „zarte Töne“, um es farblich auszudrücken. Er wollte einen Dreiklang der musikalischen, dramatischen und szenisch-malerischen Wirkung; Ohr, Herz und Auge sollten gleichermaßen zufrieden gestellt werden. Sein Haus wurde leider aus vorgenannten Gründen ziemlich klein – fast ein Schornstein – wie er es selbst ein seinem Buch „Der Welt der Oper – Die Oper der Welt“ bezeichnet. 70

Sein Kollege vom Lessingtheater Berlin, Oskar Blumenthal, dessen Bekanntschaft er in Paris im Grand Hotel machte, gratulierte ihm zu seiner Oper, fügte jedoch in einem Atemzug hinzu: „Doch – das fürchterliche Haus“. 71 Gregor verteidigte mit den Worten: „Einer der besten Plätze in Berlin!“ 72 Darauf entgegnete Blumenthal: „Ja, in solcher Lage, Wertgeschätzter, an einer Ecke wie dieser (das Wort Ecke zierte ein Epitheton) errichtet eben der kluge Hausvater kein Theater, sondern eine – Bedürfnisanstalt.“ 73 Ludwig Fulda stand dabei und erwiderte Blumenthal schlagfertig: „Wer sagt Ihnen denn, dass Freund Gregor sein Theater nicht für eine Bedürfnisanstalt hält?“ 74

69 Ebd.: S 7f. 70 Vgl.: Gregor: 349. 71 Ebd: S 264. 72 Ebd: S 264 73 Ebda.: S 265. 74 Ebda.: S 264f. 34

In dem Bestreben, seine Bühne allen gut sichtbar zu machen, wurde er durch seine Raumverhältnisse leider oft zu Inszenierungs–Kompromissen gezwungen, bzw. waren Opernwerke mit großer Raumtiefe für sein Haus nicht geeignet. Aus Gregors späterer Erkenntnis kam der Rat: „Theatermann, Du kannst ein Manuskript, aber keine Baupläne lesen“. 75 So entstand seine „Oper als Schornstein“, die den beklagenswerten Regisseur vor oft kaum lösbare Aufgaben stellte. Die Bühne war manchmal für bestimmte Werke zu klein, der Orchestergraben gab den Musikern zu wenig Bewegungsfreiheit, oder die Zuschauer konnten von manchen Sitzen aus nichts sehen. So mussten später Korrekturen vorgenommen werden. Gregor erließ zum Beispiel die Order, anlässlich der Aufführung von „Pelleas und Melisande“: „Alle Seitenplätze für diese Abende sind kassiert“. 76 Die versprochenen 1.230 Sitzplätze hatte man zwar zur Verfügung – sie waren notwendig, damit sich der Opernbetrieb rechnete – jedoch die Realität sah dann anders aus. 77 Das war zwar nicht sehr kaufmännisch gedacht, aber vom künstlerischen Standpunkt aus durchaus verständlich. Gregor bekannte selbst: „Kein Zuschauerraum lebte je, so dilettantisch verpfuscht wie der meine.“ 78

Um seine künstlerischen Interessen besser umsetzen zu können, machte Gregor den größten Fehler seines Lebens: Er zahlte die Partner, die er zur Verwirklichung seines Theaterbaues benötigte, aus, natürlich mit Krediten, und übernahm sich damit derart, dass er sich budgetär nicht mehr erholen konnte. Die Abnahme des Hauses, das sehr viele Mängel aufwies, führten noch die Miteigentümer durch und diese Mängel konnten später nicht mehr reklamiert werden. Alle Verbesserungen, die Gregor später vornehmen ließ, musste er aus eigener Tasche bezahlen. Der Orchestergraben war ein Schlund und viel zu klein, bei einer „Carmen“ hatten die Musiker zu wenig Bewegungsfreiheit, für eine Orchester- besetzung für „Die lustige Witwe“ oder „Dollarprinzessin“ hätte es gereicht. Eine

75 Gregor: S 349. 76 Ebd. S 354. 77 Vgl.: Ebd.: S 352 ff. 78 Ebd.: S 349 35 später versuchte Verbesserung brachte auch nicht den gewünschten Erfolg, da konnten sich die Musiker noch so bemühen. 79 Gregor meinte in seinem Buch: „Ein Theatermann ohne mindestens einen getreuen Edmund Reinhardt, (Bruder von Max Reinhardt, der in dessen Theater die wirtschaftliche Seite führte) sollte man die Hände von solchen Unternehmungen lassen.“ 80

Seine sechs Berliner Jahre waren von Fleiß und erstaunlicher Energie geprägt. Gregor glaubte an die Oper, an das Musikdrama als die „künstlerisch gehobenste“ Form. Er hat mit Geschick interessante Vorstellungen von älteren und modernen Werken geboten.

Auf die Frage an Gregor, was er eigentlich zu spielen gedenke, da doch das Königliche Theater in Berlin auf alle zugkräftigen Programme die Hand habe und auf zeitgenössische Werke, soweit sie etwas bedeuteten, sicherlich die erste Option, und für wen er vor habe zu spielen (er möge die Gemeinde der Berliner Opernfreunde nicht überschätzen), antwortete Gregor: 81 „Sie kennen den Werkemarkt nicht, weil Sie Ihnen von der bisher einzigen Vermittlerin (Königliche Oper) nicht gezeigt wurden, glauben Sie an das Vorhandensein anderer aufführungswerter Werke nicht. Doch die alte und die moderne Opernliteratur sind beträchtlich reichhaltiger, als Sie annehmen, und die Vorhandstellung der Königlichen Oper macht mir erst recht keine Sorge. Die Königliche Oper wird auch in Zukunft von ihr den bescheidensten Gebrauch machen. Ihre stehenden Verpflichtungen sind zu groß. Die Pfeiler ihres Repertoires sind die Werke, deren Namen auf Ihren, auf aller Welt Lippen sind.“ 82

Weiters umschreibt Gregor seine Situation in Berlin so: „Sie sehen mich bereit von den Abfällen der königlichen Tafel zu leben, und glauben sie einem, der weiß, wovon er spricht: Diese Abfälle werden beträchtlich sein, sie werden ihm nicht entfernt die Freiheit der Auswahl verkümmern“.83 Hier dürfte Gregor sich doch etwas verschätzt

79 Vgl.: Ebd.: S 355 ff. 80 Gregor.: S 354. 81 Vgl.: Ebd.: S 266. 82 Ebd.: S 266. 83 Ebd.: S 265ff. 36 haben, ohne Wagner-Werke, die bis Freiwerden der Oper „Parsifal“ 1914, der Königlichen Oper vorbehalten blieben, war auf längere Sicht doch kein Auskommen zu gewährleisten. Einen Glücksgriff tat Gregor mit der Wiederentdeckung der Klavierauszüge von Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“. Das „Staubabblasen“ von diesem Werk brachte ihm 600 volle Häuser innerhalb von 5 Jahren ein. 1905 eröffnete er damit seine Komische Oper 84 und 1907 erfuhr er mit seinem Berliner Ensemble in London mit dieser Oper eine denkbar gastliche Aufnahme. Die spätere Königin Mary, damals Prinzessin von Wales, beehrte ebenfalls eine dieser Vorstellungen. Die Aufführung gefiel ihr ausnehmend gut und als Gregor ihr vorgestellt wurde, fragte sie ihn; wie es möglich war, dass solches „Bijou“ so lange ungewürdigt bleiben konnte? 85

Eines muss man noch bedenken: Anfang des 20. Jahrhunderts war der Erwerb eines neuen Werkes, wo Puccini, d’Albert, Leoncavallo, Korngold, Schreker u.v.a. noch lebten, etwas anders gelagert als heute. Man schaute sich die Premiere in einer anderen Stadt, oder Land, meistens dem Ursprungsland an und prüfte, war das Werk für meine Bühne, mein Ensemble, mein Publikum geeignet, war die Uraufführung gelungen? Der Direktor der zuerst Mut und Interesse zeigte, bekam den Zuschlag, das Stück in seiner Stadt vorerst auf bestimmte Zeit alleine aufzuführen. Puccinis „Butterfly“ war bei der Uraufführung in Mailand eine Pleite, aber in London kam sie sehr gut an. Graf Hülsen von der Königlichen Oper in Berlin war schneller als Gregor und konnte das Werk für sein Opernhaus exklusive für einige Jahre sichern. Dafür hatte Gregor bei d’Alberts „Tiefland“ die besseren Karten. D’Albert war in Berlin; Gregor ließ sich von ihm das Stück am Klavier vorspielen und schloss sofort den Vertrag mit dem Verlag Bote & Block, der die Vertriebsrechte hatte, ab und die „Komische Oper“ Berlin war Inhaberin der Exklusivrechte von „Tiefland“, was angeblich Graf Hülsen sehr ärgerte. 86

84 Vgl.: Gregor: S 160. 85 Vgl.: Ebd: S 7 86 Vgl.: Ebd: 318 ff. 37

Zu den Prophezeiungen, sein Vorhaben „Komische Oper“ werde nicht glücken, hatte Gregor folgende Argumente: „Ich gehe nicht zugrunde, wenn ich um ein erwünschtes Stück, für das mir die rechte Besetzung fehlt, einen Bogen schlage, ich begebe mich aber in Lebensgefahr, wenn ich trotz ungenügender Besetzung das Erwünschte vor das Publikum bringe.“87 Diese Argumente brachte Gregor im Hinblick auf ein zweites ständiges Opernhaus in Berlin, das von Ernst von Wolzogen geleitet wurde und mehr oder weniger sein Dasein zwischen Leben und Sterben fristete. Wolzogen hatte ein halbes Jahr vor Gregor die Idee ein Opernhaus zu bauen, das er „Komische Oper“ nennen wollte, in Unkenntnis, dass Gregor sich schon früher den Namen hatte schützen lassen. Wolzogen musste natürlich seine Oper anders nennen. Er meinte aber, „wir werden uns kaum konkurrenzieren“, da er „Landesprodukte“ handle und Gregor ein „Kolonialgeschäft“ mit Importware aufmachen wolle.“88

So eine Importware war „Carmen“. Gregor hatte mit Karl Walser, dem Ausstattungskünstler Hoffmanns, einen wunderbaren Mann an der Hand, und wollte mit der üblichen szenischen Carmen-Aufmachung brechen. Mit Walser hat sich Gregor wochenlang die Originalschauplätze in Spanien angesehen. 89

Am Klausurtisch des „Rates der Drei“, Dirigent, Ausstatter, Regisseur, wurden alle Details ausgehandelt, alle „Für und Wider“, jede Kritik wurde ernst genommen. Das erste Bild zeigte einen leeren Platz in Sevilla, in den Farben sonnig, aber leer. Gregor wollte unbedingt eine Bank oder Brunnen mit Stufe auf der Bühne haben. Sein Argument: die Jugendfreunde José und Micaela sollten ihr Wiedersehen, ihr Duett, nicht im Stehen absolvieren, wo bleibe da die Vertrautheit? Walser legte sich so lange dem Wünschen des Direktors und Regisseurs quer, bis Gregor anscheinend nachgab. Er ließ eine Karre mit Mehlsäcken auf die Bühne schieben, das ging im Getriebe der Handlung unter. Beim Abladen fiel ein Sack halb herunter, eine herrliche Sitzgelegenheit für die beiden Protagonisten. Walser und Gregor konnten beide damit leben. Über diese Lösung soll damals in Theater- kreisen viel gesprochen worden sein.

87 Gregor:. S 267. 88 Vgl.: Ebd..: S 333. 89 Vgl.: Ebd.: S 305ff. 38

Natürlich hat immer der Dirigent das erste Wort und es bedarf der Einführung der beiden „Nicht-Musiker“ in den musikalischen Teil des Werkes. Gregor hatte oft auch Schwierigkeiten mit Texten, besonders wenn sie der Komposition wegen falsch betont wurden oder bei ausländischen Werken, die in die Landessprache übersetzt wurden. So suchte Gregor zum Beispiel wochenlang nach einem vernünftigen Satzgefüge für das „Carmen“-Quintett. Gregor sagt zu seinen Getreuen: „Meine Herren, ein Königreich für ein paar viersilbige Synonyme für „Spitzbübereien“! Mit dem Akzent, das ist obligat, auf der ersten Silbe“. 90 Sogar noch nach der Premiere kamen manche mit einem großartigen „Viersilbigen“. Alle dachten mit! 91 Gregor schreibt in „Die Welt der Oper – Die Oper der Welt“: „Ich bin der letzte, zu bestreiten, dass absolut genommen, der Aufführung eines Opernwerkes in der Sprache seines Schöpfers ein höherer Kunstwert innewohnt als in jeder anderen.“ 92 Aber diesen Luxus konnte sich, so viel ihm bekannt war, nur die Wiener Oper leisten, jedoch mehr als einen italienisch gesungenen Verdi im Monat war auch dort nicht möglich. Für das einheimische Durchschnittsverständnis verliert mit der Über- setzung der ausländische Genius seine Wesensfremdheit und wird so halb eigener Besitz. 93

Kritik aus den eigenen Reihen nahm Gregor sehr ernst. Eine Insider-Kritik vor einer abgeschlossenen Sache war ihm tausendmal lieber, da konnte eventuell noch geändert, gefeilt werden, als bei der Premiere vom Kritiker, der ja seine Ansicht in Druck geben konnte, verrissen zu werden. 94 Gregor dürfte zu seinen Mitarbeitern ein sehr gutes Verhältnis gehabt haben. Zur Dämmerstunde konnte jeder zu einer Zigarette oder Zigarre zur Regiesitzung in der Direktion erscheinen. Diese Regiesitzungen begannen bereits in der Elberfelder Zeit und wurden in Berlin intensiviert. Der einzige Punkt dieser Sitzung war die Genehmigung, bzw. Modifizierung des vorgegebenen Probenplanes für den kommenden Tag.

90 Gregor.: S 334. 91 Vgl.: Ebd.: S 332 ff. 92 Ebd.: S 47. 93 Vgl.: Ebd.: S 47f. 94 Vgl.: Ebd.: S 322. 39

Da konnte es schon heißen: „Den X habe ich heute persönlich auf den Zahn gefühlt, der ist fertig, der braucht keine Proben mehr.“ Oder „Für den Y müssen unter allen Umständen alle Tage Proben ermöglicht werden, bis wir auf die Bühne gehen. Der ist der Gottverlassenste, Hoffnungsloseste […]“. 95 Um 8 Uhr entfernten sich Regisseur und Dirigent des Abends, andere blieben, bis das rote Licht im Direktionszimmer aufleuchtete, das den letzten Vorhang ankündigte. Gregor konnte sich in seiner Berliner Zeit an keinen Abend erinnern, an dem er seine Regiesitzungen alleine abhalten hätte müssen. Alle kamen gerne. 96 Jedoch bevor eine Neuheit oder eine bekannte Oper, über die scheinbar schon alles gesagt war, einstudiert wurde und bevor die Sänger aktiv wurden, setzte sich der „Rat der Drei“, Dirigent, Regisseur, Bühnenbildner in Klausur zusammen. In gegenseitiger Befruchtung, auch in konstruktiver Kritik, sollte aus den drei verschiedenen Anschauungswelten das Werk in einer Einheit entstehen und so ein Gesamtkunstwerk werden und nicht ein Zerfallen der Aufführungen in drei Kunstrichtungen. Das war zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht selbstverständlich. 97

In einer ebensolchen Atmosphäre liefen die Proben in der „Komischen Oper“ ab. Der Kapellmeister war jederzeit präsent. Natürlich verfügte dieser über die notwendigen Korrepetitoren, auf die er sich verlassen konnte. Gregor hielt jedoch nichts von Heimarbeit der darstellenden Künstler, für ihn zählte das, was der Künstler im Haus erwarb. Die übliche Vorgangsweise zur damaligen Zeit sah allerdings anders aus: Der Dirigent nahm ein- oder manchmal mehrmals mit den Vertretern der wichtigen Rollen die Partien durch, sein musikalischer Adlatus tat dies mit den Nebendarstellern, dann hieß es: „So, nun wisst Ihr was los ist. Der Rest, das weitere Studium Euerer Aufgaben ist jedem seine Privatsache.“ 98 Es gab dann von Zeit zu Zeit nur Stichproben. Gregor führt in seinem Buch auch ein Beispiel an: Sein Vorgänger am k.k. Hof- operntheater in Wien, Felix Weingartner, hatte als Dirigent so viele Verpflichtungen

95 Gregor: S 316. 96 Vgl.: Ebd.: S 314. 97 Vgl.: Ebd.: S 304. 98 Ebd.: S 314. 40 außerhalb von Wien, dass er zu seiner letzten Neueinstudierung von „Benvenuto Cellini“, die er als Dirigent leitete, nicht früher als am Abend vor der letzten Hauptprobe auf dem Rückweg von einem Gastspiel nach Wien war. 99

So wie der Probenbetrieb der „Komischen Oper“ in Berlin 1905 – 1911 stattfand, findet er zum Beispiel auch heute noch am Zürcher Operntheater statt. 100

Natürlich hatte Gregor nicht immer Erfolg, das bestätigte er selbst in seinen Erinnerungen. Eine Aufstellung seiner Berliner Aufführungen mit kurzer Erfolgs- oder Niederlagebeschreibung befindet sich am Schluss dieses Kapitels. Gregor beendete sein Vorwort im Jacobsohn-Buch mit folgenden Worten: „Habe ich mit meiner „Komischen Oper“ den Kommenden Lehren und Anregungen gegeben, ja lernen sie auch nur aus meinen Fehlern, so glaube ich, dass meine Tätigkeit, die Tätigkeit des Abtretenden, für die Entwicklung der Opernstadt Berlin keine verlorene gewesen ist.“ 101

Gregors Reform bestand allein nicht darin, dass er „dem Schauspiel in der Oper zu seinem Recht verholfen“ 102 hat, das wäre zu einfach und aus dem Zusammenhang gerissen. Das hätte man Max Reinhardt bei seiner Inszenierung der Uraufführung des „Rosenkavalier“ von Richard Strauss in Dresden auch nachsagen können, was völlig falsch gewesen wäre. Bei Reinhardt – der schon populärer war – hat sich nicht einmal die Presse getraut, das zu schreiben.

Aber Gregor eilte die fälschliche Etikettierung nach Wien voraus, dass bei ihm die Musik erst die zweite Stelle einnehme. Die das behaupteten, beriefen sich auf die Schwäche des Orchesters der Komischen Oper, aber was waren schon sechs Jahre, um ein Orchester zu einem bedeutenden Klangkörper zu machen! Jedoch in der Endphase der Direktionszeit Gregors kann von einer Konsolidation in musikalischer

99 Vgl.: Gregor: S 314f. 100 Vgl.: Sendung am 10.6.07, ORF 2, 9.30 Uhr, über: Franz Welser-Möst, dem design. Chefdirigenten der Wiener Staatsoper, „Ein Portrait des Dirigenten Franz Welser-Möst“, aus dem Jahre 2002. 101 Jacobsohn: S 10. 102 Vgl.: Ebda.: S 14. 41

Hinsicht berichtet werden. Aber die Tatsache, dass Gregor kein „gelernter Musiker“ war, begleitete seine Wege und bedeutete soviel wie „unmusikalisch“.103

Dazu ein Beispiel aus Gregors „Die Welt der Oper – Die Oper der Welt“ und natürlich auch aus seiner Sicht: Eine Probe wurde von Kapellmeister Reznicek nur am Flügel begleitet, über das Werk schweigt Gregor. Bei der Auftrittsszene eines Künstlers – „Herr im Gehrock, Hut und Handschuhen“ – vernehmen Ausstatter Walser und Regisseur Gregor erschrocken, was vom Klavier geboten wird. Beide denken „Um Gottes Willen“, wie hört sich das dann erst mit Orchester an. Das Ganze spiele doch in einem bürgerlichen Rahmen! „Um alles in der Welt, Herr Kapellmeister“, meint Gregor, „das kann Ihr Ernst nicht sein! Der Neuankömmling heißt doch nicht Wotan.“ 104 Es sollten drei bis vier Fanfarenstöße bei Erscheinen des Protagonisten ertönen. Gregor meinte noch: „Ja, bei allem was hoch und teuer, hatte der Komponist denn keinen einzigen Freund, der ihm seine Verpflichtungen gegen das Buch klar machte?“ 105 Nicht nur musikalisches Empfinden war gefragt, sondern subtilste Einfühlung in das Gesamtkunstwerk. 106

Was die Künstler betrifft, fragte sich Gregor, ob bei einer Rollenbesetzung die Missachtung aller Qualitäten einer Künstlerin oder Künstlers gerechtfertigt sei, ausgenommen stimmliche Muskelkraft? „Eine körperlich robuste Isolde – stimmliche Robustheit bedeutet zumeist auch körperliche – werde kaum dem Bilde entsprechen, das wir von der sterbenden Isolde erwarten. Eine von Sekunde zu Sekunde Wachsende, eine entführt zu Regionen des ewigen, blauen Aethers Emporsteigende, eine Verklärte. Die Note ist das Primäre, welch ungeheuerliche Kurzsichtigkeit.“ 107 Gregor schreibt in seinem Buch, dass er in der Wiener Direktionszeit gerade bezüglich der „Isolde“ Besetzung mit seinem Kapellmeister Schalk – den er einen Durchschnittspultgewaltigen bezeichnete – einen harten Strauß zu kämpfen hatte, da er die Jeritza als Isolde vorschlug. Schalk protestierte erregt mit Händen und Füßen gegen diese Zumutung. Gregors Argument: „Isoldes stärkster Fürsprecher vor dem

103 Vgl.: Jacobsohn: S 18. 104 Vgl.: Gregor: S 308f. 105 Ebd.: S 308f. 106 Vgl.: Ebda.: S 308f. 107 Ebd.: S 293f. 42 ewigen Richterstuhl ist Jugend. Politik verkuppelt Jugend barbarisch dem alten Manne.“ 108

Die Frage ist: Muss man Sänger, Instrumentalist oder Kapellmeister sein, um „musikalisch“ bezeichnet zu werden?

Man denke nur an Otto Schenk, Schauspieler, Komödiant und von den 1960er bis zu den 1990er Jahren einer der wichtigsten Opernregisseure weltweit, der an der Wiener Staatsoper, der New Yorker Met, der Mailänder Scala und der Londoner Covent Garden Opera Triumphe feierte. Schenks Meinung: „Aber heute wissen das nur mehr wenige in Österreich, hier liebt man die SchauspielerInnen, SängerInnen, nicht aber die Regisseure.“109 2008 werden noch neun Operninszenierungen von Schenk in Wien gezeigt.

Ergänzend zu Schenks Meinung, sollte jedoch Luc Bondy als Opernregisseur genannt werden, der auch dem Publikum ein Begriff ist; in jüngster Zeit hat Sven-Eric Bechtolf in seiner Doppelfunktion als Schauspieler und Opernregisseur auf sich aufmerksam gemacht. Das Schauspiel betreffend wäre der im Juli 2009 verstorbene Regisseur Peter Zadek, ebenfalls einem breiten Publikum bekannt, zu erwähnen, der mit seinen vielen erfolgreichen Regiearbeiten Theatergeschichte geschrieben hat.

Otto Schenk sagte in einem Interview zu der Frage, was für ihn Opernregie bedeute, wörtlich: „Ich möchte die Geschichte erzählen und dazu muss ich die Musik hören und verstehen, was sie meint. Die Musik bedeutet immer etwas, sie gibt Anweisungen zu denken, zu fühlen, sich zu bewegen. Die Menschen auf der Bühne erleben etwas, und das muss so dargestellt werden, dass die Zuschauer wissen, was gemeint ist.“ 110 Otto Schenk hat nochmals 2006 an der Metropolitan Opera New York Donizetti´s „Don Pasquale“ unter anderem mit Anna Netrebko inszeniert, Premiere 31.3. 2006.

108 Gregor: S 293. 109 Hrsg. Wiener Bühnenverein: „Bühne“; Wien, 2006, Nr.4, April/06, S 86f. 110 Ebd.: S 88f. 43

Fritz Jacobsohn, der sehr wohl als Zeitzeuge auch sehr offen Gregors Schwächen bzw. Niederlagen beschreibt, sieht Gregor ähnlich wie man heute Otto Schenk beurteilt. Im Februar 1906 inszenierte Gregor an seiner Oper ebenfalls Donizetti´s „Don Pasquale“. Jacobsohn schreibt: „So gab es für Gregor auch kein anderes Programm, als die restlose Ausdeutung des Kunstwerkes durch die Mittel der modernen Bühne. Gregor war vollgesogen von dem Geiste des Werkes, das er jeweils inszenierte. Und er hatte die Fähigkeit, diesen Geist suggestiv auf den Sänger, auf das Orchester, auf das gesamte Bühnenbild zu übertragen, so dass jede Faser der Aufführung den Hauch dieses Geistes mit sich trug.“ 111 In Gregors Berliner Inszenierungen hatte nie ein Werk die Physiognomie eines anderen. Zum Beispiel ließ er in Leoncavallos „Boheme“ das scharfe Gesicht einer Veristenoper entstehen und „Don Pasquale“ war eine subtil ausgearbeitete, vom prickelnden Geist der italienisch-französischen Buffooper erfüllte Vorstellung. 112

Heute lächelt man über solche Unterschiede, weil sie selbstverständlich sind, bzw. sein sollten, obwohl jetzige Aufführungen, wohlgemerkt alter Werke, sowohl das Musikdrama, als auch das Schauspiel betreffend, modernisiert in heutige Zeit versetzt inszeniert werden, was oft einem Stilbruch gleichkommt, da sich der Text nicht mit der Inszenierung und Bühnenbild verbinden lässt. 113

Ob der Zweck der Oper das Drama oder die Musik sei, ist wahrscheinlich von Fall zu Fall verschieden zu beurteilen. Der Idealfall wäre, das Gesamtkunstwerk zu erstreben. In einem Aufsatz Gregors zur Operninszenierung im „Berliner Tagblatt“ heißt es: „Die Partitur ist nicht die Oper, der Kehlkopf nicht der Künstler, der Darsteller nicht die Aufführung. […]Weil ich keinen Wesensunterschied zwischen Schauspiel und Oper sah, weil ich infolgedessen nicht begriff, warum wir uns in der

111 Jacobsohn, S 15. 112 Vgl.: Ebd.: S 15. 113 Vgl.: Oper: „Zauberflöte“ aus Zürich Inszenierung Kusej, Februar/März 07 ORF 2; Schauspiel: „Minna von Barnhelm, Inszenierung Burgtheater, Saison 05/06. 44

Oper – cum grano salis natürlich – die Errungenschaften in den Inszenierungen des Schwesterndramas nicht ebenfalls sollen zu eigen machen […]“. 114 Richard Strauss soll anlässlich seiner Dresdner Uraufführung des „Rosenkavalier“ gesagt haben, dass sie allen „Opernramsch“ weggeräumt habe. Mit viel mehr Recht kann man das von Gregors sechs Berliner Jahren sagen 115 ; eben dies war auch Gregors Vision und so sollte man seine Reform der inszenierten Werke an seinem Opernhaus durch all die Jahre sehen.

Max Reinhardt und Hans Gregor waren Zeitgenossen, beide in Berlin, Reinhardt beim Schauspiel, Gregor an seiner „Komischen Oper“. Beide hatten auf ihren Gebieten Großartiges geleistet und verfolgten ein gleiches Ziel, das Gesamtkunstwerk. Der Vollständigkeit halber sei hier noch erwähnt, dass die Strauss-Oper „Der Rosenkavalier“ nicht einen solchen fulminanten Erfolg in Dresden (1911) gehabt hätte, wenn nicht Max Reinhardt von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal, dem Librettisten, heimlich nach Dresden gebeten worden wäre und dieser sozusagen im Hintergrund mit den Sängern geprobt hätte. 116

Die sechs Jahre Gregors in Berlin waren der Aufbauarbeit eines Opernhauses aus dem „Nichts“ gewidmet. Die Zeit war zu kurz, was bedeuteten schon sechs Jahre für so ein Unterfangen! Er holte sich als Oberregisseur Maximilian Moris in sein Haus. Außer Moris und Gregor führte niemand Regie, wobei es natürlich in der Natur der Sache lag, dass die Inszenierungen Gregors an Anzahl geringer waren als die seines Oberregisseurs, schließlich verlangte die Leitung des Hauses seinen vollen Einsatz. 117 Gregor konnte für sein Haus noch weitere gute Mitarbeiter gewinnen, Maximilian Valentin (Regie, er verstarb sehr bald), R. Walser und H. Lefler (Bühnenbild). Alle waren „Max-Reinhardt-Leute“; das dürfte diesen wenig erfreut haben, was aber wahrscheinlich auch der Grund dafür ist, dass in Büchern und Schriften über und von Reinhardt der Name Gregor nicht vorkommt.

114 Jacobsohn, S 19. 115 Vgl.: Ebd.: S 18. 116 Vgl.: Hrsg.: Furich Edda u. Prossnitz Gisela, „Max Reinhardt – Ein Theater das den Menschen wieder Freude gibt“: München, Langen-Müller-Verlag, 1987, S 87. 117 Vgl.: Pietschmann: S 47. 45

4.2. Gregors Inszenierungen:

„Der Gaukler unsrer lieben Frau“ (Massenet) 24.22. 1905 „Die Bohème“ (Leoncavallo) 11.12. 1905 „Don Pasquale“ (Donizetti) 13. 2. 1906 „Carmen“ (Bizet) 25. 9. 1906 „“ (Puccini) 23. 1. 1907 „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ (Delius) 21. 2. 1907 „Louise“ (Charpentier) 15. 1. 1908 „Die Fledermaus“ (Strauß) 25. 2. 1908 „Pelleas und Melisande“ (Debussy) 6. 11.1908 „Zaza“ (Leoncavallo) 27.11.1908 „Lazuli“ (Chabrier) 4. 2.1909 „Auferstehung“ (Alfano) 5. 10.1909 „Zigeunerliebe“ (Lehar) 12. 2.1910 „Die Boheme“ (Puccini) 11.10.1910 „Liebelei“ (Neumann) 10. 1.1911. 118

Gregors Berliner Inszenierungen stellen das Kernstück seiner Reform der Opernszene dar, der auf seine künstlerischen Ziele ausgerichteten „Komischen Oper“. Gregors Credo: Wenngleich man beim Betreten eines Theaters bzw. Opernhauses wisse, dass man sich für die nächsten zwei bis drei Stunden einer Illusion hingebe, so wolle man doch mit den Interpreten mitfühlen. Dies könne nur geschehen, wenn das dargebotene Werk, gleichgültig in welches Genre es einzuordnen sei, versuche, eine Gesamtheit aller Künste im Sinne von „Verführungskünsten“ zu vereinen. Das Gesamtkunstwerk war für Gregor das Wichtigste. Sein Ausspruch zu Beginn seiner Ära als Prinzipal der „Komischen Oper“ in Berlin: „An meiner Bühne wird nicht gesungen“ machte sofort die Runde in einschlägigen Kreisen bis Wien. Gregor ergänzte, er hätte ebenso bei einer Inszenierung eines Versdramas, zum Beispiel bei „Wilhelm Tell“, sagen können: „An meiner Bühne wird nicht deklamiert.“ 119

118 Vgl.: Pietschmann: S 47. 119 Gregor: S 289 f. 46

Gregor wollte die perfekte Kombination von Gesang und Schauspiel und ebenso war ihm wichtig, dass Sänger und Sängerinnen dem Werk nicht optisch entgegenstanden. Das begann damit, dass alle Protagonisten sich mit dem kompletten Werk auseinandersetzen sollten; dann erst konnte seiner Überzeugung nach das richtige Gefühl für eine Rolle aufkeimen. Nicht einfach seinen „Part“ zu singen, sondern ein „Erleben“ des Geschehens, das sich im Musikdrama in Wort, Ton und Gestik ausdrückt, war das Wesentliche. Gregor summiert: „ Rollenstudium heißt für mich in erster Linie die feste Fundierung der Muttersensation, einer Sensation, so stark, dass keine anderen Götter neben ihr in der darstellerischen Brust Raum finden. Dem Technischen – und hierzu zählt ganz gewiss das gedächtnismäßige Zueigenmachen des Werkauftrages – seinen gebührenden Platz, doch keinen der „Sänger“ statt Sänger kreiert.“ 120

Auszüge aus Kritiken der Inszenierungen Gregors:

„Gaukler unserer lieben Frau“ von Massenet. „Weder Text noch Musik war lebensfähig, trotz der Bühnenbilder Walsers, die von großer Schönheit waren. Da war ein Platz vor der Abtei, auf den durch die Zweige eines riesigen Baumes das zitternde Sonnenlicht fiel, da war ein Arbeitssaal mit dem Blick durch die Säulen des Kreuzganges auf den Garten und die Kapelle. Hier war es auch zum erstenmal, dass das Wort vom „Gregorianischen Dunkel“ geprägt wurde. Was tat’s, dass Massenet bald vom Spielplan abgesetzt werden musste! Gregor hatte für solche Fälle vorgesorgt und hatte während der anstrengenden Organisations- und Direktionsarbeiten noch Zeit gefunden, gleich vier Werke fertig zu studieren und zu inszenieren.“121

„Die Bohème“ von Leoncavallo. „Leoncavallos „Bohème“ kann einen Vergleich mit ihrer Namensschwester Puccinis nicht aushalten. Zwar die übermütige Laune, das vielfach Groteske der Murgerschen

120 Gregor: S 301. 121 Vgl.: Jacobsohn: S 27. 47

„Scenes de la vie de bohème“ ist besser getroffen – aber wo ist hier der feine, zarte Geist, der Puccinis Mimi so mit dem puren Gold der beredten Orchestersprache umwoben hat? Und ganz unökonomisch ist der Stoff verteilt. Während in den beiden ersten Akten nur Heiterkeit und das absolut vorherrschen, ist in den beiden letzten Ernst und Sentimentalität viel zu stark hervorgekehrt. Dementsprechend ist Leoncavallo in dem ersten Teil in Episoden und Derbheiten übertrieben; zwar wird er in der musikalischen Illustrierung manchmal humoristisch und nähert sich der Operette. Dann aber bricht der falsche Leoncavallo jäh ab, um in den beiden letzten Teilen in Sentimentalität und Tränen nur so zu waten. Und da wird er flach, monoton, in der Benutzung der hinlänglich bekannten trivialen, pathetischen und brutalen Effekte der Veristen. Einer, der über den sehr beschränkten Kreis einer ganz bestimmten und festgelegten Wirkungsmöglichkeit nicht hinaus kann. Gregor fasste den ältesten der drei italienischen Veristen mit dem sicheren Bühnen- instinkt auf, der aus dem Werk selbst atmet. Die vielgestaltige Buntheit, die besonders in den beiden ersten Akten lebt, gab ihm Gelegenheit zur Entfaltung seiner spezifischen Stärke: der Ensemblekunst. […] Im letzten Akt, in der Dachstube des Dichters Rudolph, in der Mimi zum Sterben kommt, lebten feine, leise Farben auf. Nächtliche Schatten schwebten an den grausam kahlen Wänden entlang; der Tod ging gespenstisch durch den Raum.“122

„Don Pasquale“ von Donizetti. „Mit der Aufführung von Donizettis „Don Pasquale“ machte die Komische Oper alle die Einwände zunichte, die sich fast unausrottbar gegenüber der Wiedergabe von italienischen Buffo-Opern durch ein deutsches Ensemble eingenistet haben. Da soll es ganz unmöglich sein, das flüssige italienische Parlando in das schwere konsonantenreiche Deutsch zu übertragen; da soll es fast keine deutschen Sänger geben, deren Technik leicht und grazil genug für diese Dinge sei; und gar die Darstellung dieser leicht beschwingten, warmblütigen Gestalten soll den plumpen Deutschen so gut wie unmöglich sein. Alle Versuche, italienische Buffo-Opern in Deutschland, selbst mit ersten Kräften, angemessen zu geben, sollen fehlgeschlagen sein; selbst die mittelmäßigsten italienischen Ensembles sollen mehr Stilgefühl und klangliche Schönheit aufgebracht haben.

122 Vgl.: Jacobsohn: S 27f. 48

Der Bann war mit einem Schlag durch diese Aufführung gebrochen. Gregor hatte auch nichts unversucht gelassen, um bei dieser Renaissance der graziösen Meisteroper Donizettis, dieser Perle der fein-komischen Opernliteratur, den rechten Stil zu treffen. Er benutzte die vorzügliche Bearbeitung von Bierbaum und Kleefeld, die die reizende Oper den deutschen Sängern mundgerechter und in Deutschland heimisch machen wollte. Er bot damit allen musikalischen Feinschmeckern einen Leckerbissen, der entzückend war. Hier waren alle Geister der Buffo-Oper losgelassen. […] Der alte Don Pasquale schnaubte Wut wie ein echter Italiener, als er sein Nichtchen abspenstig gemacht sieht, und einen berechtigten Separatbeifall holte sich der Chor der Bedienten, der im Walzertakt und pianissimo eine Ensemble- leistung von so verblüffender Einheit bot, wie man sie von einem Opernchor noch nicht gehört hatte.“123

„Carmen“ von Bizet. „Die Carmen-Aufführung, die die erste Première der zweiten Spielzeit war, wurde mit ganz ungewöhnlicher Spannung erwartet. Gregors Absichten bei dieser Inszenierung waren auf die völlige Umgestaltung des Werkes gerichtet, wollten mit jeder Tradition brechen und uns eine Carmen schenken, wie sie die moderne Bühnenkunst entsprechend den Fortschritten der Bühnentechnik geben konnte, wie sie ein genialer Regisseur sich vorstellte. Sollte doch der spanische Maler Zuloaga die Bühnenbilder entwerfen. Welche Perspektiven eröffneten sich unter diesem tatkräftigen Direktor für die Bühnenkunst! Diesem schönen Mut entsprach ein so fester, energischer Wille, dass hier wirklich eine Kraftprobe zu erwarten war, deren Resultat in gewisser Hinsicht die Lebensfähigkeit der Gregorischen Regiepraxis zu beweisen hatte. Und wirklich: Was man in dieser Carmen an Rasse, Leidenschaftlichkeit und Realismus zu sehen bekam, musste stutzig machen, musste den Atem benehmen. Aus einem alten wohlbekannten Werk war ein neues geworden. Ein schlechteres und besseres. Schlechter, weil der Realismus vielfach übertrieben war; besser, weil neue ungeahnte Seiten aufgedeckt wurden. Das Schlechtere konnte man, konnten selbst die im Tiefsten getroffenen Carmen-Verehrer hinnehmen, denn es entsprang

123 Vgl.: Jacobsohn: S 31 ff. 49 nicht aus Mangel, sondern aus Überfluß. Dieser wahrhaft genialische Überfluß schoß aus dieser Interessantesten Regieleistung Gregors wie ein warmer Blutstrahl hervor. Die Carmen-Inszenierung Gregors war eine Kriegserklärung gegen alle Traditionen. Dieser Tradition hatte aus dem rassigen Kind eine Salondame gemacht, mit seidenen Gewändern, Tüchern und Brillianten, hatte aus einer Dirne eine Grand- Cocotte werden lassen. […] Gedankenlosigkeit bewahrte jeden Regisseur davor, zu fragen, ob es nicht auch einmal anders ginge. Gregors Frage war die Frage nach diesem „anders“, und seine Lösung war verblüffend. Das erste Bild war eine Überraschung, so groß, wie sie niemand erwarten konnte. Der Vorhang hebt sich und statt des konventionellen, weiten, leeren Platzes mit der Tabakmanufaktur rechts und der Wache links sieht man unter der prallen spanischen Sonne einen Ausschnitt aus dem volkreichen Cordova. […] Die beiden mittleren Akte waren fast noch gründlicher reformiert worden. Aus der Salonschenke Lillas Pastias war eine wirkliche Schmugglerkneipe geworden. […] Und die Schlußszene war eine gewagte, aber geniale Lösung. Sie stellt den Eingang zur Arena dar. Zwischen den Säulen dieses Eingangs findet eine letzte, herzbeklemmende Jagd statt, der Carmen zum Opfer fällt, wie ein gehetztes Tier dem grausamen Räuber. In Gregors Carmen-Inszenierung war der Realismus besonders in den lärmenden Volksszenen auf die Spitze getrieben […]. Aber noch nie hatte leidenschaftliche Absicht ein Kunstwerk schöpferisch aus der Regiearbeit heraus so neu gestaltet. Und wenn es ein Zuviel war, war es eines aus genialischem Ueberfluß.“124

„Tosca“ von Puccini. „Wenn man von der Tosca spricht, meint man Puccinis Musik und ihre Aufführung in der „Komischen Oper“. Denn das Folterdrama, zu dem die Musik den wirkungsvollen Hintergrund bildet, ist eine einzige Häufung krasser Bühneneffekte, wendet sich mit seiner blutrünstigen Brutalität an niederste Instinkte und ist als Dichtung in keine Kunstsphären gerückt. Die drei Opfer der Tragödie: der von Florian Tosca erdolchte Polizeichef Scarpia, der erschossene Maler Cavaradossi und Tosca selbst, die sich in die Tiefe stürzt, diese drei Menschen und die Art, wie sie in Beziehung zueinander gebracht sind, sind übelster Kolportageroman. […]

124 Vgl.: Jacobsohn: S 39 ff. 50

In die Ehren dieser Aufführung konnte sich mit bestem Recht eine junge Künstlerin teilen, die als Tosca debütierte, sich im Sturm alle Herzen eroberte und fortan der Liebling der „Komischen Oper“ und der Berliner, seit dem Fortgang Emmy Destinns unsere beste dramatische Sängerin war: Maria Labia.“ 125 (Eine Entdeckung Gregors.)

„Romeo und Julia auf dem Dorfe“ von Frederik Delius. „Romeo und Julia auf dem Dorfe aufgeführt zu haben ist eine der idealistischen Taten Gregors gewesen. In dem Werk war nichts, aber auch gar nichts, was den kleinsten Publikums-Erfolg versprach. Jeder Beteiligte konnte, musste voraussehen, dass hier alle Mühe umsonst sein würde. Trotzdem, oder gerade deshalb, wurde dieses Werk mit einer Liebe und einer malerischen Phantasie inszeniert, wie sie Worte nicht wiedergeben können. Frederik Delius hat sich aus Kellers rührend schöner Seldwyla-Novelle „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ ein Szenarium gemacht und zu diesem die eigenartigste Musik geschrieben, die seit Debussy ersonnen worden ist. Mit Debussy gehört Delius auch zu den interessantesten Männern der Los-von-Wagner-Bewegung. Und in diesem Sinne ist sein Musikdrama, das im letzten Moment in ein „Idyll“ umgetauft wurde, zu verstehen. Das ist nicht Musik von unserer Musik, Melodie im alten Sinne gibt es nicht, alles ist aufgelöst in ein brandendes Tonmeer. Aber über dem Ganzen ist ein so tiefer Ernst gebreitet, es kommen so ungeahnte Klänge, die zum Herzen sprechen und ergreifen, dass man fühlt: hier ist ein Eigener am Werk, auf dessen Intentionen einzugehen sich lohnt. […] Hier konnten auch Zweifler die neue Kunst in aller Reinheit empfinden. […] Alles ist in einen warmen Nebel getaucht, aus dem die Klänge wie von ferne Aufsteigen. […] Ganz wundervoll nachfühlend hatte Gregors Inszenierung diesen neuen, eigentümlichen, außerhalb jeder Erfahrung liegenden Reiz des Werkes erkannt und ihn in die Erscheinung umgesetzt. Seine sechs Szenen, von Walser entworfen, zeigen Bilder wie aus einem Buche. […] Die ganze Inszenierung war ein Sieg moderner Interpretationskunst.“ 126

125 Vgl.: Jacobsohn.: S 48. 126 Vgl.: Ebd.: S 48 ff. 51

„Louise“ von . Die Wiederbelebung dieses rührseligen Musikromanes war nutzloses Bemühen. Schon in der Aufführung der Königlichen Oper im Jahre 1903 erwies sich das Werk als schwach. Aber auch Gregor, der „Louise“ übrigens als erster in Deutschland aufgeführt hatte (Elberfeld 1902), in seiner Inszenierung aus diesem modernen Bohèmestück, aus diesem Hohen Lied auf Paris herausbringen konnte, genügte auch diesmal nicht, es lebensfähiger zu machen. Dazu kam, dass der Stil des Werkes vielfach nicht getroffen wurde; ja dass es sogar zu Geschmacks- entgleisungen kam, die in einer tollen Atelierszene ihren Höhepunkt erreichten. […] Dazu kommt, dass die kleine Liebesgeschichte des Arbeiterkindes und des jungen Künstlers, dass letzten Endes die Symbolik des Werkes, der Hymnus auf Paris, auf uns Deutsche nicht wirken kann.“ 127

„Die Fledermaus“ von Johann Strauss. „Beim Fest des Prinzen Orlofski ist’s. An die Krinoline von 1830 hat man sich schon gewöhnt und wundert sich gar nicht mehr, dass die Frauen in diesem ungraziösesten aller Kostüme überhaupt gehen können. Und bei den Herren waren die etwas karikaturistischen Kostüme auf jeden Fall besser, als die gewöhnlich schlecht sitzenden Fräcke. Vielleicht hat man sich auch geärgert – aber über dieser göttlichen Musik hat man alles vergessen. Da rauscht der Vorhang über dem zweiten Bild auf, und ein erstauntes Wundern, das sich in Beifall auslöst, geht durch den Raum. Nur ein Einfall hatte ja dazu gehört, den Prinzen Orlofski aus seinem wutkiduftenden Schloß in den Garten zu versetzen. Aber nur ein genialer Regisseur konnte ihn haben und so ausführen, wie Gregor es tat. Aufsteigende Terrassen, im Halbkreis, mit beschnittenen Hecken und dem dunklen Park zu den Seiten, mit dem erleuchteten Schloßportal im Hintergrund. […] Das Ballett wird mit Recht fortgelassen, und weiter geht’s aus liebkosenden Klängen zu dem prickelnden Stakkato des Fledermaus-Walzers, des ewigen Freudenbringers. Gregor hatte sich eine neue Testbearbeitung angelegen sein lassen, die darauf bedacht war, die harmlose Geschichte, die des seligen Hanslick Schamgefühl so böslich verletzt hatte, vernünftiger zu gestalten und von dem Wust der alten Theaterspäße zu befreien. Er erreichte damit, dass der Ton des feinen musikalischen Lustspiels

127 Vgl.: Jacobsohn: S 61 f. 52 vorzüglich getroffen wurde. Und erstaunt saß man vor der alten lieben „Fledermaus“ wie vor einem neuen Werk. 128

„Pelleas und Melisande“ von Claude Debussy. „Die größte Tat Gregors war die Aufführung von „Pelleas und Melisande“. Sie wird ihm nie vergessen werden und sichert ihm allein einen Ehrenplatz in der Geschichte des Theaters. Abseits von der Diskussion über den Wert oder Unwert des Werkes bleibt diese Tat bestehen. Die Partitur von „Pelleas und Melisande“ repräsentiert, wie das gesamte Schaffen des Impressionisten Debussy, neues Leben. Neues Leben tritt um so fühlbarer in die Erscheinung, je mehr das alte überwunden ist. Das alte Leben konzentriert sich in der Oper um den einen, allumfassenden Namen: Wagner. Ihn galt es zu überwinden, denn auch er war sterblich; wurzelte tief in einer Zeit, die uns fern liegt. So weit sein Genius vorzueilen schien, so viel Ballast schleppte er doch auch mit sich. […] Immer war jeder, der kam, durch Wagners Lupe betrachtet, mit Wagners Maß gemessen; bis zum Ueberdruß und ungerecht. […] Aber ein Fortschritt über Wagner hinaus brauchte kein „Fortschritt“ zu sein; denn in der Kunst gibt es weder eine Höher- noch eine Tieferentwicklung, sondern nur eine Weiterentwicklung. […] Die Los-von- Wagner-Bewegung, die nirgends die musikalischen Gemüter so temperamentvoll in Bewegung gesetzt hat wie in Paris, erblickt in Debussys „Pelleas und Melisande“ ihre bedeutendste Manifestation. Das asketische, selbstbescheidene Prinzip des französischen Artisten: „die Musik als Dienerin“ ist hier auf die Spitze getrieben, mit fast unheimlicher Konsequenz durchgeführt. […] Aber der Gedanke an die physisch schmerzhafte und ermüdende Wirkung der Aufführung schwindet dahin bei der Lektüre dieser Wunderpartitur, bei der alles auflebt. Und die Erinnerungsbilder zauberhafter Regiekunst heben die Aufführung Gregors in eine Wundersphäre. Vierzehn Märchenbilder, von Heinrich Lefler entworfen, zogen vorüber, eines immer schöne als das andere, von geheimnisvoll unbekannnten Kräften aufgebaut und verschwindend. […] und der Tod Melisandens, im tiefgrünen gotischen Zimmer, in dem sie unter einem Baldachin, von den Strahlen der scheidenden Sonne vergoldet, liegt, war von unvergesslicher Eindringlichkeit.“ 129

128 Vgl.: Jacobsohn.: S 62 ff. 129 Vgl.: Jacobsohn: S 70 ff. 53

Schon die lange Probezeit für die Inszenierung von „Pelleas und Melisande“ (von Anfang September bis Anfang November) zeigt an, dass es sich hier um das von Gregor wohl am sorgfältigsten vorbereitete Werk handelt, das er in Berlin einstudierte. 130

„ Zaza“ , von Leoncavallo An der „Zaza“ hatte Gregor vor allem das Drama mit seinen robusten Kontrast- wirkungen gereizt. Dann aber auch das Milieu, in dessen Ausmalung der dankbare und neuartige Aufgaben erblicken konnte. In dem Sinne, in dem Gregor das Musikdrama versteht, als ein Nebeneinander von Musik und Drama. Musste ihm „Zaza“ sogar wertvoll erscheinen. Denn der kräftig zupackende Theaterromane Leoncavallo kann hier, sobald er nicht absolut musikalisch gewertet zu werden braucht, für sich einnehmen. […] Eigentlich war die Bühne in drei Abschnitte geteilt. Ganz rechts war nur akustisch wahrnehmbar, das Publikum des Tingeltangels gedacht; die eine Hälfte der Bühne nahm einen Ausschnitt aus der Bühne dieses Tingeltangels in Anspruch. Da war der Beleuchter, der Feuerwehrmann und Bühnenvolk zu sehen; da eilten Kellner auf und ab, und die lebemännischen Freunde der Künstlerinnen plauderten zwanglos zwischen den Kulissen. Die andere Hälfte stellte das Toilettenzimmer Zazas dar, in dem sie sich ankleidet, frisiert, schminkt und Besuche empfängt. Ganz musterhaft gut in seiner schmutzigen Aermlichkeit und Nüchternheit, in der bohèmehaften, ungemütlichen Kahlheit war die Mansarden- wohnung Zazas getroffen. Ein Abbild der Zerrissenheit dieser armen, liebelohenden Brettldiva. Zaza war bei Gregor Eva von der Osten. Ihr Auftreten war ein künstlerisches Ereignis für sich. Sie zeigte neben vollendeter Gesangskunst eine ebenso vollendete schauspielerische Leistung; dramatische Wucht und lyrische Hingebung lagen ihr gleich gut. 131 (Hier darf eine amüsante Episode im Vorfeld der Inszenierung nicht fehlen. Gregor suchte noch die richtige Zaza. Leoncavallo empfahl Gregor eine junge hübsche Sängerin. Die Probe war eine Beleidigung für die Ohren, das schrie nach Rache. Gregor telegrafierte: „Wunderbar,

130 Vgl.: Pietschmann: S 90. 131 Vgl.: Jacobsohn: S 74 f. 54 jetzt habe er die Vertreterin der Titelrolle der Zaza gefunden, er werde mit der empfohlenen Sängerin das Werk herausbringen“ Darauf ein D-Telegramm von Leoncavallo: „Gnade, Gnade! Liebster, Bester! So war es doch nicht gemeint.“ 132 )

„Lazuli“ von Emanuel Chabrier. Eine gelungene Ausgrabung, über die man herzlich lachen musste. Wie ein vergröberter Offenbach mutet diese burleske Oper an. Vergröbert – aber doch Offenbach. Und wo nur ein Fünkchen von diesem Geist zu spüren ist, da wird es immer lustig sein. Lustig, übermütig und ausgelassen war es denn auch. […] Hier war in einer glänzenden con-brio-Aufführung, die Pariser Leben ausatmete, eine der frischesten Darbietungen der Komischen Oper zu sehen. Ein Feuerwerk von Geist und Witz sprühte aus allen Winkeln hervor. Eine Meisterregie im burlesken Stile, mit einer Ueberraschung nach der andern.“ 133

„Auferstehung“ von Franco Alfano. Mit berechnender, unkünstlerischer Hand sind vier Bilder aus Tolstois Roman hingeworfen. Ein Italiener hat eine Illustrationsmusik im veristischen Stil, phraseologisch, unpersönlich und uninteressant, dazu geschrieben. Es sind vier Bilder aus dem Leben der armen Katjuscha: die junge Verführte, die Verlassene, die Gefangene und das Wiedersehen in der Osternacht in Sibirien. Die Frage, ob es nötig war, dieses Werk aufzuführen, muß verneint werden, wenn man an das Werk allein denkt. Erinnert man sich aber der Bühnenbilder, die Gregor dazu geschaffen hatte, so möchte man die „Auferstehung“ in der Reihe der Auf- führungen der Komischen Oper nicht missen. Denn sie ist szenisch die eindrucks- vollste nach „Pelleas und Melisande“ gewesen. Sie war, wie selten eine Insze- nierung selbst bei Gregor, wie niemals eine Inszenierung auf irgendeiner anderen Bühne, von einem ganz bestimmten, fast körperlich sich übertragenden Gefühl der Trostlosigkeit erfüllt. […] An diese Bilder wird man immer denken müssen, ebenso

132 Gregor: S 110f. 133 Vgl.: Jacobsohn: S 76 f. 55 wie an die Katjuscha der Maria Labia, die sich hier als beste Schauspielerin, die wir auf der Opernbühne je sehen konnten, erwies.“ 134

„Zigeunerliebe“ von Franz Lehar. „Der Musikkritiker kann gegen den Operettenfavoriten beider Hemisphären, er kann gegen Franz Lehar den Musiker, nichts Wesentliches einwenden. […] Lehar ist ein liebenswürdiger Herr, der sein Handwerk versteht. Damit müssen wir uns bei dem Tiefstand der Operette begnügen. Lehar hat eine saubere Handschrift, er macht ein klangvolles Orchester zurecht. Und was er in der Zigeunerliebe an hübschen Melodien niedergelegt hat, ist fast erstaunlich. Er hat die Gabe der Erfindung. […] So gelingt ihm eine Szene am Bach mit Waldweben und Vogelgezwitscher im ersten Akt und eine fahle Geistererscheinung im zweiten. Die Aufführung zeigte mit einem glitzernden Bach, mit hochstämmigen Bäumen dahinter, eines der eindrucksvollsten Bühnenbilder Gregors.“135

„Die Bohème“ von Puccini. „Puccini war eigentlich niemals nur eine Hoffnung, sondern gleich Erfüllung. Das kann man heute sagen, auch ohne die Höhe seiner Aufführungsziffer, die ja ebenso gut gegen ihn sprechen könnte, in Betracht zu ziehen Puccini war von jeher die Lösung der brennendsten Opernfrage und ist es mit jedem neuen Werk neuer und schöner geworden. Das Problem hieß: Los von Wagner und zurück zur Melodie! Die Wagnersche Betonung des Dramas war beizubehalten, das sinnlose Ohrgekitzel der Melodie war zu vermeiden. Dieses Problem hat Puccini gelöst. Mit der Sinnlichkeit, mit dem Geschick und dem Geschmack des Romanen. […] Mimi, die ärmere Schwester der Traviata, ist von schwelgerischen musikalischen Poesien umhaucht. Das Orchester widmet ihr seine ganze Liebe. Und die Kunst des Komponisten ist es, dass Mimi mehr durch das wirkt, was er über sie verschweigt, als durch das, was er von ihr sagt. […] Mimi war in der Komischen Oper Maria Labia, und ihretwegen, die schon „Tosca“ zum Siege geführt hatte, gab Gregor Bohème. Den Klang dieser wundervollen Stimme vergisst man so leicht nicht; in ihr liegt eine Welt, in der nur

134 Vgl.: Jacobsohn.: S 82 f. 135 Vgl.: Ebd.: S 86 f. 56

Töne und keine Worte gelten. Sie ist eine wirkliche Sanges- und Spielkünstlerin und ist so ganz Mensch, dass man nicht an die Primadonna denkt.“136

„Liebelei“ von Franz Neumann, „Arthur Schnitzlers „Liebelei“ zu veropern konnte nur einem literarisch ganz naiven oder einem spekulativen Kopf in den Sinn kommen, oder einem, bei dem sich Naivität mit Spekulation mischt. Solche Mischung fand sich in dem bisher nur in der Provinz gefeierten Kapellmeister Franz Neumann, und das Opfer dieser Mischung ist eben der Dichter Arthur Schnitzler geworden. Man braucht von der Dichtung „Liebelei“ nicht übertrieben hoch zu denken. Sie hat einen, wenn auch nicht unliebenswürdigen Stich, ins Kleinbürgerliche und einen kräftigen Schuß Sentimentalität, die das Rassenmerkmal Schnitzlers ist. Trotzdem ist es ein Stück das uns nahe geht. […] Hier kann die Musik nur Stören. […] „Liebelei“ war Gregors letzte Inszenierung, und nur seiner Arbeit ist es zu verdanken, dass die vielen Klippen der Lächerlichkeit umschifft und das Ganze leidlich gerettet wurde. 137

Als Resümee aller Berliner Gregor-Inszenierungen kann man sehr wohl von guten und sehr guten Erfolgen sprechen. Dass nicht immer jede Inszenierung gelingt, passiert auch heute an den größten Opernhäusern der Welt. Die schwache Unterstützung des Orchesters war sicherlich ein Handicap. Aber das reicht noch nicht aus, um Hans Gregor Unmusikalität vorzuwerfen. Im Gegenteil, es gibt viele Beweise seiner Musikalität, sei es beim Suchen nach Opernwerken, sei es bei Entdeckungen von KünstlerInnen, oder sei es bei seinem peniblen Gefühl für Übersetzungen von Opernwerken in die deutsche Sprache.

Jacobsohn schreibt, dass die Künstler der „Komischen Oper“ durchwegs Individualisten waren, die auf eine normale Opernbühne in ein Ensemble mit „Nur- Sängern“ gar nicht gepasst hätten. Gregor verlangte von seinen Künstlern mehr, als man normalerweise von Sänger zu dieser Zeit verlangte. Jede Partie eines Solisten, des Chors, also des gesamten Ensembles musste zuerst musikalisch geprobt

136 Vgl.: Jacobsohn.: S 95 f. 137 Vgl.: Ebd.: S 100 f. 57 werden, dann begann erst die Regiearbeit auf der Bühne, die keinen Souffleur- kasten kannte.

Die Gesamtleistung war für Gregor das Wichtigste. Das soll nicht bedeuten, dass es nicht herausragende Leistungen einzelner Mitglieder gab. Dass einem Opernchor auf offener Szene spontan Beifall gezollt wurde, wie bei dem Bedientenchor in „Don Pasquale“, dürfte eher ein Novum gewesen sein. Es geschah aber in der „Komischen Oper“ des oft so geschmähten Hans Gregor. 138 Sein künstlerisches Konzept sollte bahnbrechend für die Reform des gesamten Bühnenwesens wirken und den alten Opernpomp, den Staub und die Konventionen beiseite schieben. Die Opernbühne sollte nicht mehr Hintergrund und szenische Begleiterin einer Konzertaufführung sein. 139

Gregor war bedeutend durch die Schaffung eines neuen Opernstils, der das Hauptgewicht auf das Dramatische legte. 140

138 Vgl.: Jacobsohn.: S 103 f. 139 Vgl.: Hrsg.: Freydank, Ruth: „Theater als Geschäft”, Beitrag von Ines Hahn (Die komische Oper. Ein gescheiterter Reformversuch); Berlin, Edition Hentrich, 1995, S 173. 140 Vgl.: Der Große Brockhaus, Bd 5 Gp – Iz; Wiesbaden, Verlag F.A. Brockhaus, 1954, S 31. 58

5.) Die Vorgänger Gregors in Wien

Interessant für eine historische Einordnung Hans Gregors sind seine sechs Vorgänger als Hofoperndirektoren des neuen Hauses am Ring, das den Spielbetrieb des Kärntnertortheaters (auf dem Standort des heutigen Hotels Sacher) fortsetzte. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass dieses Theater noch ein Jahr – also gleichzeitig mit dem neuen Opernhaus am Ring – bespielt wurde, jedoch nicht nur Opern, sondern auch Schauspiel auf dem Spielplan hatte.

5.1. Franz Freiherr von Dingelstedt , Hofoperndirektor vom 1.7. 1867 – 19.12. 1870, war noch als Direktor der alten Hofoper im Kärntnertortheater tätig. Er war wie Gregor deutscher Nationalität, Liberaler; vor seiner Berufung nach Wien übte er den Beruf eines Lehrers aus und betätigte sich außerdem als Journalist. Seine einzige Verbindung zur Oper bestand in einer Ehe mit der Sängerin Jenny Lutzer, die von 1837-1843 Mitglied der alten Hofoper im Kärntnertortheater war. Ab 1846 betätigte er sich als Dramaturg und später als Intendant in Deutschland. 1867 wurde er an die Hofoper in Wien berufen und man stellte ihm als künstlerischen Berater Franz Gaul zur Seite. Dingelstedt wurde nachgesagt, vollkommen un- musikalisch gewesen zu sein. Unterstützt wurde dieses Duo von dem hervorragenden Kapellmeister Johann Herbeck. Die Eröffnung des neuen Hauses am Ring fand am 25.5. 1868 mit Mozarts „“ statt. Den Eröffnungsprolog, von Dingelstedt verfasst, sprach die berühmte Schauspielerin Charlotte Wolter vom Hofburgtheater. Sie soll jedoch mit dem hohlen Poem Dingelstedts nicht gut angekommen sein. 141 1870 wurde er durch seinen ersten Kapellmeister als Hofoperndirektor abgelöst und an das Hofburgtheater berufen, das er bis zu seinem Tode 1881 führte. Ein Ausspruch von Dingelstedt könnte sein Verhältnis zur Musik definieren: „Das Konzert ist ein überflüssiges, die Oper wenigstens ein notwendiges Übel“. 142

141 Vgl.: Kralik, Heinrich: „Das Opernhaus am Ring“; Wien, Verlag Brüder Rosenbaum, 1955, S 22. 142 Witeschnik,Alexander: „100 Jahre Wiener Oper am Ring“; Ausstellungskatalog; Wien, Verlag Erwin Metten, 1969, S 41. 59

Unter seiner Direktion erhielt die Hofoper zwar prächtige Ausstattungen, aber seine sonstigen künstlerischen Erfolge sollen eher gering gewesen sein.143 Jedoch nach seinem Ausscheiden aus der Hofoper, übernahm er bis zu seinem Tode, 1981, die Leitung des Hofburgtheaters und machte sich durch Aufführungen moderner Dramatiker bersonders verdient. 144

5.2. Johann Ritter von Herbeck , 19.12. 1870 – 30.4.1875. Herbeck war Wiener, Katholik, wirkte als Sängerknabe im Stift Heiligenkreuz. Seine musikalische Ausbildung bekam er bei dem Komponisten und Musiklehrer Ludwig Ritter. Der absolvierte Jurist – er kam aus kleinen Verhältnissen – wurde 1852 Chordirektor bei den Piaristen, Chormeister des Wiener Männergesangsvereines, Professor am Konservatorium. Ab 1859 artistischer Direktor der Gesellschaft der Musikfreunde, ab 1866 Erster Hofkapellmeister. 1869 wurde er auf ein Jahr zur Teilnahme an der Leitung der musikalischen Angelegenheiten des k.k. Hofoperntheaters bestellt. 1970 übernahm er – wie erwähnt – die Direktion von Dingelstedt. Herbeck kam weder mit der Generalintendanz noch mit dem Obersthofmeister zurecht, es fehlte ihm das diplomatische Geschick. Als er aus gesundheitlichen Gründen um Enthebung bat, wurde ihm diese sofort bewilligt. Er soll ein eher erfolgloser Direktor gewesen sein. Woraus zu schließen wäre, dass praktizierte Musikalität nicht unbedingt eine Voraussetzung für einen Operndirektor sein muss.145

5.3. Franz Ritter von Jauner, 1.5. 1875 – 19.6. 1880. Jauner war ebenfalls Wiener, so wie Gregor und Dingelstedt kein Musiker; man wollte einen Praktiker. Jauner begann seine Karriere als Schauspieler am k.k. Hofburgtheater, war in der Folge dreizehn Jahre lang Mitglied des Dresdner Hoftheaters und übernahm 1871 für zehn Jahre mit viel Erfolg das Carltheater, wo früher Ferdinand Raimund und Johann Nestroy gewirkt hatten. Seine Tätigkeit am k.k. Hofoperntheater war ebenfalls erfolgreich, obwohl er zweimal seine Berufung ablehnte. Seine Bedingungen – die in solchem Ausmaß weder vor noch nach ihm einem k.k. Hofoperntheater-Direktor konzediert wurden – wurden ihm

143 Vgl.: Witeschnik, Alexander: „100 Jahre Wiener Oper am Ring“, Ausstellungskatalog; S 41f. 144 Vgl.: F.A.Brockhaus: „Der große Brockhaus“; Wiesbaden, Brockhaus-Verlag, 1953, S 276. 145 Vgl.: Ebd.: S 53f. 60 bewilligt. Allerdings dauerte seine Direktionszeit nur fünf Jahre. Er übernahm mit 1.1. 1881 die Direktion des Wiener Ringtheaters. Aber am 8. 12. 1881 verließ ihn sein augenscheinliches Glück. Der Brand des Ringtheaters forderte 386 Todesopfer. Es sollten „Hoffmanns Erzählungen“ aufgeführt werden. Im Ringtheater wurde Schauspiel, deutsche und italienische Oper, sowie Varieté aufgeführt. Die größte Theaterkatastrophe beendete seine viel versprechende Karriere. Seit dieser Zeit wurde der Eiserne Vorhang in den Theatern eingeführt. 146 Jauner wurde zwar nach langer Zeit, 1895, rehabilitiert und übernahm wieder das Carltheater. Er scheiterte jedoch an der Ungunst der Zeit und erschoss sich am 23.2. 1900. Ein erfolgreicher Schauspieler und Theater-Direktor, der allerdings letztlich an seiner nervösen Hast und Unruhe scheiterte. 147

5.4. ( 1.1 1881 – 15.10 1897) Geboren in Hof (Mähren), begann Jahn seine Karriere als Sänger; in der Folge war er als Theaterkapellmeister tätig. In dieser Funktion wurde er an die Deutsche Oper in Amsterdam und 1859 an das Deutsche Landestheater Prag engagiert. Von 1864 – 1880 war er königl. Musikdirektor in Wiesbaden an der Oper. Seine Direktion am k.k. Hofoperntheater war wohl die längste überhaupt; sie dauerte 17 Jahre. Ein Augenleiden zwang ihn zur Demission und er räumte dem „Feuergeist“ den Platz. Man kann zusammenfassend sagen, dass Jahn einer der erfolgreichsten Hofopern- direktoren war, beliebt beim Ensemble und in Symbiose mit dem Dirigenten Hans Richter; gemeinsam hatten sie viele Erfolge. Sein Leitspruch an sein Ensemble: „Ich liebe Euch alle, wie es nur ein Vater tun kann.“ 148

5.5. Gustav Mahler , (15. 10. 1897 – 31.12 1907) Als k.u.k. Staatsbürger in Kalischt (Böhmen) geboren, jüdischer Abstammung, aber zum katholischen Glauben konvertiert; dies brachte ihm zeitlebens einige Häme ein. Schon als Kind wurde seine musikalische Begabung entdeckt. Nach dem Gymnasium, 1878, kam er an das Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. 1880 war er bereits erster Kapellmeister in der Kurkapelle Bad

146 Vgl.: Google, am 21.1. 2008, um 19.15 Uhr „Jauner“ 147 Vgl.: Witeschnik, Alexander: „100 Jahre Wiener Oper am Ring“; S 59f. 148 Ebd.: S 77 f. 61

Hall. Sein weiterer Weg führte ihn kurz in die Provinz, Olmütz/Laibach, ehe er 1883 als Musik- und Chordirektor an das Königliche Hoftheater Kassel berufen wurde. 1885-1886 Prag, 1886-1888 Leipzig, 1888-1891 Budapest. 1891-1897 wirkte er als Kapellmeister in Hamburg, und am 8.10. 1897 erfolgte seine Berufung nach Wien an das k.k. Hofoperntheater, den Olymp für jeden Direktor; 1907 legte er die Leitung zurück. Er meinte einmal, „er habe seinen Kreis, seine Möglichkeiten in diesem Haus ausgeschritten.“ 149 Am 15. 10. 1907 dirigierte Mahler zum letzten Mal am Hofoperntheater. Von 1908 bis zu seinem Tode (18. 5. 1911) unternahm er Konzertreisen durch ganz Europa und Amerika. 150 Die Ära Mahler gehörte zwar zu den bedeutendsten und glänzendsten Perioden in der nun bald dreieinhalb Jahrhunderten währenden Geschichte der Hofoper in Wien; aber seine Kompositions- und Dirigententätigkeit und eine gewisse Frustration, da er kaum Experimente an seiner Hofoper wagen konnte, ließen die Zügel im Haus locker werden, und er verlor die Lust, hier zu arbeiten. Anlässlich eines Besuches Gregors bei Mahler in Wien sagte dieser zu Gregor: „Ich habe es satt hier, ich will hinaus. Wien ist zu groß, ich will in eine deutsche Mittelstadt“. 151 Er beneidete Gregor ob dessen Möglichkeiten in Elberfeld. Mahler meinte zum Hofopern-Chor: „Was ihr Theaterleute eure Tradition nennt, das ist nichts anderes als Schlamperei.“152 Doch diese Schlamperei wurde durch die vorerwähnten Gründe von Mahler selbst vergrößert. Enttäuscht und verbittert verließ er 1907 das k.k. Hofoperntheater. 153

5.6. Felix Weingartner , Edler von Münzberg, (1.1. 1908 – 28.2. 1911). Weingartner stammte aus Dalmatien, war also ebenfalls ein k.u.k. Bürger. Er stellte zwar nicht die erste Wahl zum Direktor des k.k. Hofoperntheaters dar; man wollte Felix Mottl, Generalmusikdirektor in München, als Nachfolger von Mahler. Dies wurde von gewissen Kreisen hintertrieben, Mottl erfuhr auch davon und lehnte das

149 Vgl.: Bartolo, Eernest: „Die Wiener Oper“ (Die aufregenden Jahre seit 1625); Wien, Karolinger-Verlag, 1992, S 65. 150 Vgl.: Witeschnik Alexander, „100 Jahre Wiener Oper am Ring“ S 86ff 151 Gregor: S 166. 152 Witeschnik: S 86. 153 Vgl.: Ebd.: S 101. 62

Angebot ab. In dieser Verlegenheit war man sehr froh, in Weingartner einen Musiker von bedeutendem Ruf gewinnen zu können. Weingartner studierte in Graz u. Leipzig Komposition, ging 1883 zu Liszt nach Weimar, war 1884 Kapellmeister in Königsberg, 1885–87 in Danzig, 1889–91 in Mannheim, schließlich 1891 an der Königl. Oper Berlin. 1908 erfolgte die Berufung an das Wiener k.k. Hofoperntheater. So ungewöhnlich sein Engagement an der Wiener Hofoper begann, so endete es auch. Weingartner beschreibt das selbst in seinem Buch. 154 Er war in einem festen Engagement mit dem königlichen Opernhaus in Berlin verbunden. Da aber Mahler fest entschlossen war, die Direktion des k.k. Hofoperntheaters zurückzulegen, befand sich Obersthofmeister Fürst Montenuovo im Zugzwang und über Intervention des deutschen Kaisers sollte Weingartner für die Dauer seines Wiener Engagements freigestellt werden. Graf Hülsen, der dem Berliner königlichen Opernhaus vorstand, wurde übergangen und musste zähneknirschend zustimmen. Weingartner, der sich durch seine impulsive Art oft selbst in Schwierigkeiten brachte, schuf sich damit einen nicht zu verachtenden Feind, der ihm das Leben während und nach seiner Wiener Zeit nicht gerade erleichterte. So dauerte seine Wiener Zeit auch nur vom 1. Jänner 1908 bis 28. Feber 1911. So wie Weingartner den Zustand des Wiener Hofoperntheaters nach seinen ersten Eindrücken in Wien beschrieb - einzelne hervorragende Künstler, andere bereits stimmlichen Verfall zeigend 155 - so fand es Gregor zu Beginn seiner Direktionszeit anfangs 1911 ebenfalls vor. Weingartner war nicht imstande, die Zügel, die Mahler bereits sehr locker gelassen hatte, straffer zu ziehen; im Gegenteil, ebenso wie Mahler schenkte er seiner Dirigententätigkeit, vor allem auswärts, mehr Beachtung als dem ihm anvertrauten Hause, obwohl er in seinen „Erinnerungen“ betont, dass er den Taktstock oft nur widerwillig führte.156

Das dürfte auch der ausschlaggebende Grund gewesen sein, warum sich der Obersthofmeister Sr. Majestät, des Kaisers Franz Joseph I., Fürst Montenuovo, dem die Hoftheater samt allen Hofbediensteten unterstanden (die Mitglieder der

154 Vgl.: Weingartner, Felix: „Lebenserinnerungen“ Bd.: II; Zürich, Leipzig, Orell Füssli Verlag, 1929, S 148 ff. 155 Vgl.: Ebd.; S 151. 156 Vgl.: Ebd.; S 154. 63

Hoftheater waren ebenfalls Hofbeamte), nach Weingartner für einen „Nicht- Dirigenten“ und „Nicht-Komponisten“ entschied. Wie Gregor selbst aus Erfahrung bereits wusste, war ein so komplexer Betrieb nur mit äußerster Disziplin und mit von allen einzuhaltenden Regeln aufrecht zu erhalten; vor allem war die permanente Anwesenheit des Direktors notwendig, von wichtigen Dienstreisen abgesehen. Weingartner hatte seiner persönlichen Meinung nach nur einen Gegner in Wien, der zählte; dies sei der Nachfolger des berühmten und gefürchteten Musikkritikers Eduard Hanslick bei der „Neuen freien Presse“, Dr. Julius Korngold, samt dessen großer Mahler-Anhängerschaft. Korngold war ebenso gefürchtet. 157 Hier dürfte Weingartner zum Teil recht gehabt haben, denn auch Hans Gregor hat dies anfangs seiner Wiener Amtszeit zu spüren bekommen. Ansonsten machte Weingartner „die dunkle Hand“ 158 für Fehlentscheidungen in seinem Leben verantwortlich. Korngold, der Vater des jugendlichen Komponisten Erich Wolfgang Korngold, war ein Anhänger Mahlers und die unmittelbaren Nachfolger dieser zweifellos anerkannten Künstlergröße wurden mit ihm verglichen. Auch Mahler resignierte wegen der tendenziösen Art, mit der er vielfach kritisiert wurde. Korngold konnte man in seinen Kritiken kein plumpes Verreißen nachsagen, aber er verstand es, in geschliffener Sprache unter dem Schein des Wohlwollens schlechte Stimmung zu machen. 159 Schon gegen Ende der Saison 1909/10 wollte Weingartner das Hofoperntheater verlassen. Er fühlte sich ständig missverstanden. Seiner Meinung waren alle Kritiker gegen ihn, nun auch der neu engagierte Dr. Batka vom Fremdenblatt.

Fürst Montenuovo versprach Weingartner, sich um Ersatz umzusehen. Er sollte erst einmal in die Sommerferien gehen und im Herbst 1910 wollte sich Montenuovo entscheiden. 160

157 Vgl.: Weingartner: „Lebenserinnerungen“, S 161. 158 Kralik Hinrich, „Die Wiener Oper“; Wien, Verlag Brüder Rosenbaum, 1962, S 72. 159 Vgl.: Weingartner: „Lebenserinnerungen“, S 162. 160 Vgl.: Ebd.: S 212 ff. 64

Nach dem Sommer fragte der Fürst Weingartner, was er von Hans Gregor von der „Komischen Oper“, Berlin, als seinen Nachfolger halte; dieser sei ihm von Graf Hülsen, Intendant der kgl. Hofoper Berlin wärmstens empfohlen worden. Weingartner antwortete: “Ein Geschäftsmann und so viel ich weiß, ein geschickter Regisseur; aber ganz unmusikalisch “. 161

Weingartner gab überhaupt sehr viel auf ihm zugetragene Informationen und Gerüchte; konnte aber sehr rasch beleidigt sein, was seine Person betraf.162 Jedoch beim Austeilen von Kritik war er nicht sehr kleinlich, was eher schon als „undiplomatisch“ zu bezeichnen war, obwohl man ihn retrospektiv als „Diplomat“ bezeichnete und im Vergleich zu ihm Hans Gregor als „Axt im Walde“.

Zum Beispiel Weingartners Kritik an der Generalintendanz. „[…] die so genannte Generalintendanz, … vollständige Bedeutungslosigkeit, […] Brutstätte für Umtriebe aller Art, […] Hofräte die von Opernmitgliedern nur als Schlingeln sprachen, u.s.w.“ 163 Gregor hat dies in seinem Buch „Die Welt der Oper – Die Oper der Welt“, nie getan.

Aber immerhin musste Weingartner bezüglich seines Nachfolgers zugeben, dass die Erfolge der „Komischen Oper“, Berlin, Graf Hülsen wahrscheinlich unbequem waren und dieser Gregor gerne loswerden wollte; so könnte Hülsens Empfehlung zu verstehen sein. 164

Nach Weingartners Meinung schlug dann die Stimmung für ihn ins Positive um – als man informiert war, er werde am Hofoperntheater nicht mehr dirigieren und er verlasse das Haus. Sein Erscheinen am Dirigentenpult soll sogar mit Ovationen und Rufen „Dableiben“ verbunden gewesen sein, während noch kurze Zeit vorher geheime Polizei in der Oper verteilt werden musste, um gegen ihn geplante Störaktionen im Keim zu ersticken.

161 Weingartner: “Lebenserinnerungen”, S 214. 162 Vgl.: Ebd.. S 198 ff. 163 Ebd.. S 163 f. 164 Vgl.: Ebd.. S 214. 65

Weingartner wäre als künstlerischer Leiter unter einer geschäftlichen Leitung von Gregor gerne bereit gewesen, in Wien zu bleiben – so behauptet er jedenfalls – doch Gregor wollte keine Nebenregierung. Seine Erfahrungen bei den Anfängen der „Komischen Oper“ dürften ihn davon abgehalten haben. Angeblich wäre Gregor 1917, nach dem Weggang Montenuovos, auf Weingartners Vorschlag einer Doppeldirektion zurückgekommen, aber da lehnte Weingartner ab. 165 Hier steht lediglich Weingartners Behauptung im Raum und ist durch kein anderes Dokument zu belegen.

Weingartners Erwähnungen, dass er mit seinem Nachfolger bezüglich der notwendigen Proben der Philharmonischen Konzerte in Wien kleinere Kämpfe austragen musste, da dieser angeblich nicht verstehen konnte, dass auch Konzerte wohl oder übel geprobt werden müssen 166 , sind vollkommen aus der Luft gegriffen. Es gibt genügend Korrespondenz in dem H.H.St.A., worin nachzulesen ist, dass Gregor sämtliche Terminwünsche Weingartners in höflichster Weise erfüllte.

Weingartners eigentliche Domäne war das Konzert. Er leitete viele Jahre, auch nach seinem Weggang vom Hofoperntheater, die Konzerte der Wiener Philharmoniker. Kralik’s Meinung: „Er scheiterte an dem Initiativ-Irrtum, den er in sein Amt mitbrachte, und nicht an den Machinationen einer imaginären „Mahler-Clique“, von der seine Lebenserinnerungen fabulieren.“ 167

165 Vgl.: Weingartner: „Lebenserinnerungen“, S 217. 166 Vgl.: Ebd.: S 222. 167 Kralik: „Die Wiener Oper“, S 71 f. 66

6. Hofoperndirektor Hans Gregor

6.1. Gregors Engagement

Wie bereits erwähnt, waren die Überlegungen Obersthofmeister Montenuovos bei der Bestellung eines neuen Direktors des Wiener Hofoperntheaters vorwiegend wirtschaftlicher Natur. Das sollte sicherlich nicht heißen, dass die künstlerische Komponente des neuen Operndirektors außer acht gelassen wurde; die Vorstellungen des Fürsten wurden durch die Qualitäten Gregors, die Montenuovo durch seine Informationen über ihn besaß, ziemlich genau abgedeckt.

Am 4. Oktober 1910 schrieb der Botschafter der K. u. K Österreichisch-Ungarischen Botschaft, Berlin, auf Anfrage von Montenuovo bezüglich des Leumunds von Gregor zurück: „Auskünfte vom Polizeipräsidenten und integeren Kritikern: Gregor habe sowohl als Künstler als auch als Mensch einen besten Ruf. Seine Tüchtigkeit als Theaterleiter findet allgemeines Lob, sie brachte ihn allerdings bisher nur künstlerische, nicht aber materielle Erfolge. Seine Regieführung wird in Berlin neben der Reinhardts als die tüchtigste bezeichnet. (Siehe „Komische Oper“, wenn aus künstlerischer Sicht und Verantwortung dem Publikum gegenüber zum Beispiel die Seitenplätze nicht verkauft werden durften.) Allerdings gehen die Geschäfte zurzeit sehr gut, er ist seinen Verpflichtungen immer nachgekommen. Das Theater und das Grundstück sind in seinem Besitz, deren Wert in den letzten Jahren sehr gestiegen ist. Von der Hotel-Betriebs GmbH habe er bereits hohe Angebote bekommen. Außerdem ist die Familie seiner zweiten Frau sehr vermögend.“168 Gregor wird als vortrefflicher, ehrenwerter Charakter geschildert, der sich in Theaterkreisen besonderen Ansehens erfreue und sozial eine sehr geachtete Stellung einnehme. (Unterschrift unleserlich) 169

168 Kt. OMeA/1910, 19/A/71, Zl: 3472. 169 Vgl.: Kt. OMeA/1910, 19/A/71, Zl: 3472. 67

Anscheinend wurde den Schulden Gregors nicht so viel Beachtung geschenkt; diese Schulden wurden nicht durch das Tagesgeschäft verursacht, sondern entstanden durch die Ausbezahlung der Miteigentümer, von dem Wunsch beseelt, künstlerische Eigenständigkeit zu erlangen. Den Schulden standen sozusagen das Alleineigentum am Grundstück und Theater gegenüber. Ob das klug gehandelt war, ist eine andere Frage und hatte Gregor sicherlich viele schlaflose Nächte bereitet. Das Auge des Kaufmanns wurde von der künstlerischen Eigenverantwortung verschleiert.

Die erste Kontaktnahme bezüglich der Wiener Berufung spielte sich so ab: Gregors Sekretär Muster störte seinen Chef bei einer Probe auf der Bühne der „Komischen Oper“ und meldete an einem Oktobervormittag 1910 einen Besucher an und meinte, seine untrügliche Nase sage ihm, „große Dinge lägen in der Luft“. Gregor schreibt in „Die Welt der Oper – Die Oper der Welt“, also sei er durch die Nase seines Sekretärs gewarnt gewesen; er stand in seinem Büro plötzlich einem überaus feierlichen Herrn gegenüber, der sich alsbald als Wiener Abgesandter zu erkennen gab – es war Exzellenz von Wetschl, Sektionschef des Österreichischen Hofärars. Seine Botschaft: Man wünsche Herrn von Weingartner auf seinem Posten zu ersetzen, der Fürst habe sein Auge auf Gregor gerichtet und sei interessiert zu erfahren, ob er zu weiterer Erörterung des Gegenstandes auf einen Sprung nach Wien zu kommen bereit sei. Gregor schreibt wörtlich: “Zur Bekümmernis meines Herzens hatte der Kopf ohne langes Zögern meine Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben. Eine geringe Spanne Zeit zurück, und auch er hätte die Zusage reiflich bedacht.“ 170 Denn Gregor hatte den 1.1. 1914 fieberhaft herbeigesehnt, und war sich sicher, dass er mit dem Freiwerden des „Parsifal“ seine finanzielle Lage schlagartig verbessert hätte. Jedoch das war noch eine lange Zeit und so kam es zu dieser Entscheidung. Gregor war sich bewusst, dass der Weg mehr war als nur ein Domizilwechsel. In Berlin hatte er ein fortschrittlich gesinntes Publikum, als Institutsleiter war er sich selbst verantwortlich, natürlich auch pekuniär. In Wien wartete eine Gemeinde, die konservativ, pietätvoll ehrend, hegend, verteidigend agierte, und alten Besitz hütete. Er würde dem ganzen Verwaltungsapparat unterworfen sein, weniger Eigenständigkeit besitzen, ein Beamter mit sicheren Einkünften werden. Sicherlich: Den Direktorsposten eines der

170 Gregor: S 336. 68 beiden Wiener Hofbühnen, des Burg- oder Hofoperntheaters, zu übernehmen, galt sozusagen als höchster Platz der „Christenheit“. 171

Am 8.10. 1910 schrieb Gregor an Hofrat Wetschl, dass er in der kommenden Woche in Wien sei und sich auf seinen Besuch freue, Diskretion sei selbstverständlich. Telegramm 17.10. 1910, 9.56 Uhr von Gregor an Wetschl: „Besten Dank, bin wunschgemäß zur festgesetzten Zeit Löwelstrasse, Ergebenst Gregor.“172 Diese Diskretion dürfte nicht von allen Seiten selbstverständlich gewesen sein. Das Gespräch mit dem Agenten Hilpert dürfte Weingartner in einer Bemerkung Dritten gegenüber mit dem Namen „Gregor“ gefallen sein. Wie in Wien üblich, bekam die Presse Wind davon. (Schreiben Gregor an Hofrat Wetschl, 15.10.1910). 173

Für die Berufung Gregors nach Wien hatte gleichzeitig die Wiener Filiale der Vindobona Agentur Berlin, F. Hilpert in Wien 6., Laimgrubengasse 25, ihre Fühler ausgestreckt – Gregor arbeitete mit der Zentrale in Berlin und der Wiener Filiale schon lange zusammen. Hilpert dürfte von den Rückzugsgerüchten schon früher erfahren haben und ob er nun auf eigene , oder durch eine Erwähnung Gregors oder sonst jemanden hier tätig wurde, ist nicht genau zu verifizieren. Jedenfalls sprach Hilpert anlässlich eines Zusammentreffens mit Weingartner am 13.10. 1910 über Gregor und, wie das in Wien öfters der Fall ist, brachte dies die Presse in Erfahrung und veröffentlichte die Neuigkeit natürlich sofort. Gregor machte Hilpert schwere Vorwürfe. Hilpert rechtfertigte sich in einem fünf Seiten langen Brief bei Gregor. Hilpert schrieb am 14.Oktober 1910 an Gregor, er habe einen günstigen Augenblick anlässlich eines Gespräches mit Weingartner abgewartet, und da er ein Mann des direkten Weges sei, habe er Weingartner auf dessen angeblichen Rückzug vom Hofoperntheater – wie man verschiedentlich höre – angesprochen und erwähnt, dass bei ihm bezüglich eines eventuellen Nachfolgers schon von zwei Seiten angefragt worden sei und er als Kenner der Wiener Situation gebeten worden sei, sich umzuhören. Weingartner tippte sofort auf Gregor, trug ihm Grüße an Gregor auf und sagte, er wisse selbst noch nicht genau, wie er sich entscheiden werde, würde aber

171 Vgl.: Ebd.: S 335 ff. 172 Kt. OMeA/1910, 19/A/71, Zl: 3472. 173 Vgl.: Kt. OMeA/1910, 19/A/71, Zl: 3472. 69 im gegebenen Fall eine Bewerbung von Gregor unterstützen. Hilpert habe ein bisschen gemogelt und behauptet, von Gregor eine schriftliche Anfrage zur Sondierung erhalten zu haben. Weingartner habe auch gesagt, er habe es selbst in der Hand ob er gehe oder nicht; es liege ganz bei ihm. Montenuovo würde nie ohne seine definitive Kündigung aktiv werden. (Hier irrte Weingartner). 174 Dieses Schreiben ist eine Rechtfertigung gegenüber Gregor, da dieser Hilpert die Schuld an der Presseveröffentlichung gegeben hatte.175

Das erste Zusammentreffen mit dem Obersthofmeister Sr. Majestät, Fürst Montenuovo, verlief nach Gregors Aufzeichnungen sehr freundlich. Der Fürst hoffte nur, dass er nicht schreckhaft sei, denn seit jeher jammerten die Presse und ein Teil des Publikums, dass sich die Oper mit Riesenschritten dem Ende zuneige. Das sei liebe Wiener Gewohnheit und werde auch in Zukunft so bleiben, wer auch immer an der Spitze stehe. Trotz dieses Pessimismus werde Gregor bald dahinter kommen, dass noch ein ansehnliches Stück alter Herrlichkeit in der Oper zu finden sei.176 Die Unterredung dauerte eine knappe Stunde und Gregor machte dem Fürsten gegenüber von seiner etwas abweichenden Definition des Begriffs „Oper“ kein Hehl, und der Fürst soll lächelnd den Finger gehoben und gesagt haben: „Um Gottes Willen, knebeln Sie mir das Orchester nicht, die Wiener würden Ihnen das niemals verzeihen.“ 177 Gregor beruhigte ihn; erstens sei er, wie erwähnt, nicht schreckhaft und zweitens sei ihm die Wiener Psyche nicht fremd. Denn als moderner Theatermann habe er sich nicht 365 Tage im Jahr in seiner Kanzlei eingeschlossen, sondern in der Welt umgesehen, und so sei ihm die Wiener Hofoper eine gute alte Bekannte. Das letzte Wort zu seiner Ernennung zum Wiener Hofoperndirektor hatte jetzt Kaiser Franz Joseph I. 178

174 Vgl.: Kt. OMeA/1910, 19/A/71. Zl: 3472 175 Vgl.: Kt. OMeA/1910, 19/A/71, Zl.: 12797. 176 Vgl.: Gregor: S 363. 177 Gregor: S 363. 178 Vgl.: Ebd.: S 362 f. 70

Bei diesem ersten Treffen mit dem Fürsten blieb vorerst der definitive Dienstantritt Gregors offen, denn dieser konnte vorerst nicht abschätzen, wie viel Zeit die Regelung der Berliner Angelegenheit beanspruchen würde. Außerdem machte er Montenuovo darauf aufmerksam, dass er nicht mit einem „Tigersprung“ seine Wiener Position beginnen und sofort in alle Ecken und Winkeln dringen, sondern sich einige Zeit als geräuschloser Zuschauer umsehen würde. Damit war der Fürst einverstanden. 179

Bereits im Oktober 1910 konnte Gregors Besuch bei Fürst Montenuovo und ein Besuch Direktor Weingartners bei Gregor im Grand Hotel, Opernring 9, der Presse nicht verborgen bleiben. Gregor erwähnte in seinem Schreiben vom 22.10. 1910 an Hofrat Wetschl, „durch den polizeilichen Spürsinn der Wiener Presse, wird unser Geheimnis nur wenige Tage unser Geheimnis bleiben.“ 180 Gregor bittet, ihn von der Ratifizierung seines Vertrages telegrafisch zu verständigen, damit er sich der Presse persönlich stellen könne.181

Gregor schreibt in seinem Brief vom 7.11.1910 an Freiherr Hofrat Wetschl, dass die Presse so viel zusammendichte, vor und nach seiner Bestellung, dass er keine Veranlassung sehe, „sich zu den Fabrikaten aus den Redaktionsküchen“ zu äußern. Gregor bittet den Hofrat, sich in dieser Hinsicht bei „Seiner Durchlaucht“ dahingehend für ihn zu verwenden. 182

Das Ansuchen, bzw. die schriftliche Festlegung einer Audienz, die Anstellung Gregors betreffend, von Alfred Fürst Montenuovo bei Kaiser Franz Joseph lautet: „Seiner K. und K. Apost. Majestät Obersthofmeisteramt Präs. Am 13. November 1910 Allerunterthängister Vortrag des treugehorsamsten Ersten Obersthofmeisters Alfred Fürst Montenuovo Betreffend den Wechsel in der Direktion des Hofoperntheaters.

179 Vgl.: Gregor: S 363. 180 Kt. OMeA/1910, 19/A/71, Zl: 3472. 181 Vgl.: Kt. OMeA/1910, 19/A/71, Zl: 3472. 182 Vgl.: Kt. OMeA 1910, 19 A 71, Zl: 12797 71

Wien am 3. November 1910. Allergnädigster Herr! In meinem mündlichen allerunterthänigsten Vortrage erlaubte ich mir

Euerer Majestät die Gründe darzulegen, welche es notwendig erscheinen lassen, dem Ansuchen des gegenwärtigen Direktors des Hofoperntheaters, Felix Weingartner Edlen von Münzberg, um Enthebung von seinem Posten stattzugeben. In der Tat hat Weingartner, bei Anerkennung seiner hervorragenden künstlerischen Fähigkeiten, die in seine Direktionsführung gesetzten Erwartungen nicht ganz zu erfüllen gemocht und gelangte nach verhältnismässig kurzer Zeit zur Überzeugung dass manche der Aufgaben, welche die Leitung vom Range der Hofoper stellt, seinem künstlerischen Naturell ferne liegen, zumal ihn das letztere vornehmlich dazu drängt, sich als Symphonie-Dirigent und als Tondichter zu betätigen. In Erkenntnis dieser Umstände hat sich Weingartner wiederholt mit der Bitte an mich gewendet, ihn seiner Verpflichtungen zu entheben. Ich habe bisher gezögert dieser seiner Bitte Gehör zu schenken, weil ich zunächst Umschau nach einem Ersatze halten wollte. Da ich einen solchen nunmehr gefunden, erlaube ich mir

Euerer Majestät die Bitte Weingartners um seine Enthebung ehrerbietigst befürwortend zu unterbreiten. Weingartner, welcher zufolge Allerhöchster Entschließung vom 5. Oktober 1907 zum Direktor des Hofoperntheaters ernannt und im Grunde der Allerhöchsten Entschließung vom 11. August 1908 durch die allergnädigste Verleihung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse ausgezeichnet worden ist, würde ungefähr zu Ende März 1911, somit nach etwas mehr als dreijähriger Dienstzeit, aus dem Amte scheiden. Die Frage seiner Nachfolgerschaft bereitete einigermaßen Schwierigkeiten. Nach den Erfahrungen welche ich mit Weingartner und seinem Vorgänger Mahler, die beide Dirigenten von Ruf sind, gemacht habe, wollte es mir angezeigt erscheinen, für den Direktorsposten des Hofoperntheaters einmal einen Mann in’s Auge fassen, der kein zünftiger Musiker, kein Dirigent, sondern ein erfahrener Theaterfachmann ist. 72

Als ein derartiger Mann wurde mir von vertrauenswürdiger Seite Hans Gregor, der Eigentümer und Direktor der Komischen Oper in Berlin bezeichnet. Hans Gregor, am 14. April 1866 zu Dresden geboren, war von seinen Eltern für den Beruf eines Ingenieurs bestimmt worden. Während er seinen Studien an der technischen Hochschule zu Berlin oblag, erfasste ihn die Liebe zum Theater und er wandte sich dem Schauspielberufe zu. Nach verschiedenen kleineren Engagements trat er 1891 in den Verband des Breslauer Theaters, betätigte sich später in Königsberg auch als Regisseur und kam in doppelter Eigenschaft als Darsteller und Regisseur nach Berlin. Im Jahre 1896 übernahm er die Leitung der Vereinigten Stadttheater Elberfeld- Barmen. Der Wunsch, in unabhängiger leitender Stellung seine künstlerischen Intentionen frei zu betätigen, hatte ihn in die Direktionskarriere eingeführt. Sowohl als Direktor, wie als Darsteller war er stets bestrebt, erstklassige Darbietungen zu geben und überdies immer einen guten künstlerischen Rahmen zu schaffen. Im Dezember 1905 eröffnete Gregor in Berlin die Komische Oper. Schon vorher, wie auch an dieser Stätte genoss er den Ruf eines vortrefflichen musikalischen Unternehmers, der die klassische Musik mit vieler Sorgfalt und Liebe pflegte, aber auch den anderen Kompositionen sein volles Interesse entgegenbrachte. Ihn zu gewinnen erschien mir nicht zum geringsten auch von dem Gesichtspunkt erwünscht, dass er ein Theater als Eigentümer auf eigene Rechnung durch eine Reihe von Jahren mit anerkanntem Erfolge führt und sonach das administrative wie das finanzielle Getriebe eines solchen Institutes voll und ganz beherrscht. Ich habe mich mit Hans Gregor in Verbindung gesetzt und mit ihm, nachdem er sich bereit erklärt hatte, die Leitung des Hofoperntheaters zu übernehmen, die Präliminarien festgesetzt, unter welchen dies erfolgen könnte. Dieselben lassen sich in folgenden Punkten zusammenfassen: 1.) Dienstantritt spätestens am 1. April 1911 2.) Dienstbezüge: a) Gehalt …………………….20.000 Kronen b) Funktionszulage …………30.000 Kronen in welch’ letzterer auch die Wagenkostenvergütung enthalten ist; c) als Reisediäten eine Tagespauschale von 50 Kronen nebst Entschädigung der Eisenbahn-Fahrkosten. 73

3.) Vertragsdauer: zehn Jahre und falls bis dahin eine Kündigung nicht eintreten sollte, eine stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses. 4.) Kündigung einjährig und zwar von Seite der Hofverwaltung nach dem zweiten Vertragsjahre, von Seite des Direktors erst nach dem neunten Vertragsjahre. 5.) Verzicht auf jeden Anspruch auf Pension oder Abfertigung nach Abschluß der Direktionstätigkeit. 6.) Urlaub mit der Beschränkung auf die Ferienzeit des Theaters. 7.) Keinerlei Entschädigung für die Übersiedlung nach und von Wien. 8.) Die Regelung des Wirkungskreises durch die Dienstes-Instruktion wie sie mit seinen Vorgängern vereinbart war. Ich erachte diese Bedingungen nach jeder Richtung für annehmbar und erlaube mir der Allerhöchsten Genehmigung ehrerbietigst zu empfehlen. Nach diesen meinen Ehrfurchtsvollen Ausführungen erlaube ich mir nun die aller- unterthänigste Bitte zu stellen:

Euere Majestät geruhen die Enthebung des Direktors des Hofoperntheaters Felix Weingartner Edlen zu Münzberg über sein Ersuchen von der Leitung des Hofoperntheaters huldvollst zur Allerhöchsten Kenntnis zu nehmen und allergnädigst zu bewilligen, dass der Direktor der Komischen Oper zu Berlin, Hans Gregor, zum Direktor des Hofopern- theaters unter den beantragten Modalitäten ernannt werde, ferner dass dieser Wechsel in der Direktion spätestens am 1. April 1911 stattfinde.“ (Dieses Schreiben ist mit Schreibmaschine geschrieben, am untersten Rand mit „Montenuovo“ abgezeichnet, und am letzten Blatt wurde handschriftlich die Antwort des Kaisers mit Originalunterschrift „Franzjoseph“ eingefügt.) Die Antwort: „Ich nehme die Enthebung des Direktors des Hofoperntheater Felix Weingartner, Edlen zu Münzberg über sein Ersuchen von der Leitung des Hofoperntheaters zur Kenntnis und bewillige, dass der Direktor der Komischen Oper in Berlin, Hans Gregor, zum Direktor des Hofoperntheaters unter den beantragten Modalitäten ernannt werde, ferner dass dieser Wechsel in der Direktion spätestens am 1. April 1911 stattfinde. Wien, am 12. November 1910 Franzjoseph“ 183

183 Akt OMeA 1910, 19/A/71, Zl: 12.797. 74

Nach der Genehmigung seiner Ernennung zum k.k. Hofoperndirektor musste Gregor seine Antrittsaudienz bei Seiner Majestät absolvieren. Gregor schilderte den Ablauf folgendermaßen: „In den frühen Morgenstunden musste er durch ein Heer von Lakaien und Hochoffizialen die prächtigen Räume der Wiener Hofburg durchschreiten, bis er in einen monumentalen, hohen Festsaal gelangte, wo er von einem Offizier der kaiserlichen Leibgarde mit überreicher, goldgestickter Uniform empfangen wurde; nach dessen Anmeldung durfte Gregor in einen kleineren, bescheidenen Raum eintreten. Der greise Kaiser stand an einem schmucklosen Stehpult beim Fenster. Gregor verneigte sich und wartete. 184 Der Kaiser nickte und eine Weile schaute er Gregor schweigend an: „So, Sie sind …“. Gregor ergänzte: „Der neue Hofoperndirektor, Majestät.“ Nach einer Pause meinte der Monarch: „Sie sind sich dessen wohl bewusst, Sie haben ein dornenvolles Amt. Das dornenvollste vielleicht, das ich zu vergeben habe.“ Weiters sagte der Kaiser: „Ich denke es mir ausnehmend schwierig, mit all’ den warmblütigen Künstlern auszukommen, sie alle dauernd arbeitswillig am Wagen zu halten.“ Gregor erwiderte: „O, wenn man wie ich, als Künstler von der Pike auf gedient hat, die Sprache der Künstler versteht und geläufig spricht …“. Der Kaiser unterbrach ihn: „Genügt das? Genügt das wirklich? Auch im Verkehr mit den – Frauen?“ 185 Hier bewies Franz Joseph Vorausblick. Seinen ersten Strauß musste Gregor mit einer Sängerin ausfechten, mit Kammersängerin Selma Halban-Kurz. Der Kaiser dürfte in dieser Hinsicht durch die Berichte und Gespräche mit der k.u.k. Hofschauspielerin Katharina Schratt einigen Einblick in die Theaterpraxis gehabt haben.

Die „Dienstes-Instruktion“ für Hans Gregor bestand aus 16 Paragraphen und beinhaltete seine Pflichten gegenüber dem Obersthofmeisteramt, der General - Intendanz und der Hofoper. (Allerdings gab es schon seit längerer Zeit keinen Generalintentdanten; Hofrat Wetschl, der für die Generalintendanz die Schnittstelle war, unterstand dem Ersten Obersthofmeister, somit war Fürst Monternuovo für beide Funktionen zuständig.) Es war genau vorgegeben, welche Kompetenzen ihm allein zufielen, und welche einer vorhergehenden Genehmigung durch die beiden

184 Vgl.: Gregor: S 58f. 185 Gregor: S 58f. 75 vorgenannten Dienststellen unterlagen. Ein Passus in diesen Instruktionen besagt, dass in äußerst dringenden Fällen der Direktor sofort entscheiden dürfe; er müsse jedoch mit handfester Begründung die Genehmigung im Nachhinein einholen. Im Falle einer längeren Verhinderung, zum Beispiel durch Krankheit des Direktors, werde auf seinen Vorschlag von der Generalintendanz ein Vertreter ernannt. Lediglich bei kürzerer Abwesenheit, wie etwa bei Dienstreisen, könne der artistische Sekretär des Direktors diesen vertreten. (Im Anhang: die „Dienstes -Instruktion“ von Gregor.)186

Gregor hatte große Schwierigkeiten bei seinem Abgang aus Berlin und musste für seine Komische Oper eine dritte Hypothek aufnehmen.187 In diesem Zusammenhang nur kann der Inhalt des folgenden handschriftlichen Briefes an Fürst Montenuovo zu verstehen sein: „Euere Durchlaucht erlaube ich mir im Anschluss an mein letztes Telegramm, das wie ich nun beinahe fürchte, verstimmend auf Ew. Durchlaucht gewirkt hat, aufklärend hinzuzufügen, dass die Initiative zu der vielleicht unbescheidenen Erwähnung des Umstandes, dass mir die augenblickliche Befreiung in Berlin beträchtliche Geldopfer auferlegt hat, mein Rechtsanwalt gegeben hatte, der gegenüber meinem Zögern, das Abkommen zu unterzeichnen, mir die Idee suggerierte, die Wiener General Intendanz werde zweifellos einen Teilbetrag der Kosten übernehmen. Mein eigener Wunsch aus der momentanen für mich höchst unbehaglichen Zwitterstellung in Wien und in Berlin endlich herauszukommen, war aber schließlich der spiritus rector für den Abschluss entscheidend war freilich ferner auch die mir nach meiner Kenntnis der Dinge zur Gewissheit gewordene Zuversicht, mich je früher desto mehr in Wien nützlich mach zu können, wie ein Versprechen das mir Dr. Richard Strauss abgerungen hatte, darnach zur trachten, dass die Premiere des „Rosencavalier“ bereits unter meiner Direktionszeit fallen möchte. Herr Strauss hatte auf Kapellmeister Schalk dahin zu wirken gesucht, er möge in Rücksicht auf mich, das Herausbringen des Werkes bis in den April hinein verzögern, selbst auf die Gefahr hin, dass die ersten Aufführungen alsdann in die sterile Osterzeit fallen

186 Vgl.: GI SR. Kt. 334, Zl.: 4893 187 Vgl.: Hrsg: Freydank, Ruth: „Theater als Geschäft”, Beitrag von Ines Hahn, S 185. 76 würden. Diesem Vorhaben untersagte ich natürlich meine Unterstützung und erklärte mich vielmehr lieber bereit, alles daran zu setzen, den Wünschen von Dr. Strauss durch meine frühere Anwesenheit in Wien zu Hilfe zu kommen. Ew. Durchlaucht wollen gütigst aus der anliegenden Depesche ersehen, wie auf den Rosencavalier Componisten die Nachricht von meinem voraussichtlichen früheren Dienstantritt gewirkt hat und meine Ihnen wie gesagt am Ende als unbescheiden erscheinende Bemerkung, die ich an meine Nachricht knüpfte, dass ich sofort disponibel sei, in großer Liebenswürdigkeit entschuldigen. Der egoistische Wunsch unberechtigte Vorteile zu erlangen, hat mir bei meiner Mitteilung durchaus ferne gelegen, wie ich nochmals feierlich versichern möchte, sonst hätte ich ja ganz selbstverständlich Euer Durchlaucht Einverständnis vor der Vollziehung meines Vertrages mit Direktor Gura erbeten. (Der das Haus als Oper weiterführte, allerdings zu einer enormen Pachthöhe von 185.000 Mark, damit Gregor seine Schulden abzahlen konnte. 188 ) Ich bitte also ausdrücklich, die Geldopfer-Bemerkung in meinem Telegramm als ungeschehen zu betrachten und erwarte gehorsamst Ew. Durchlaucht gütige Verständigung, wann ich meinen Dienst in Wien antreten darf. Genehmigen Ew. Durchlaucht die Versicherung der unwandelbaren Verehrung ihres ehrerbietigsten Hans Gregor.“ 189 (Gregor dürfte einen Vorschuss von 45.000 k erhalten haben; das ist aus der Endabrechnung bei seinem Austritt aus dem Hofopernverband ersichtlich. Allerdings wann und wofür Gregor diesen Betrag erhalten hat, ist nicht aktenkundig.) Das beigelegte Telegramm von Strauss lautet: „hochentzueckt ueber ihren lieben brief proponiere 18. maerz für premiere koennte bis 18. selbst in wien sein ende maerz unmöglich brief folgt dank und gruesse – strauss.“190

Gregor selbst schreibt in seinem Buch nichts über die Verpachtung oder gar Verkauf seiner „Komischen Oper“ in Berlin. Lediglich aus vorgenanntem Schreiben an Fürst Montenuovo und aus einer handschriftlichen Bittschrift eines technischen Mitarbeiters der „Komischen Oper“ Berlin (Im Anhang. Schreiben vom 25.8. 1914),191

188 Vgl.: Hrsg.: Freydank, Ruth: „Theater als Geschäft”, Beitrag von Ines Hahn, S 185. 189 Akt OMeA 1910, 19 A 71, Zl: 12.797. 190 Akt OMeA 1910, 19 A 71, Zl: 12797. 191 Vgl.: Kt. Oper Nr. 296/14, Zl: 938 v. 25.8.14. 77 wäre der Schluss zu ziehen, dass sein unmittelbarer Nachfolger am Berliner Haus Herr Dir. Gura und in der Folge Herr Dir. Lantz und in der Spielzeit 1914 Herr Dir. Mandl seine Pächter waren. Eine Intervention bei seinem Nachfolger in Berlin lehnte Gregor übrigens ab. Ines Hahn erwähnt in ihrem Beitrag in „Theater als Geschäft“, dass das Haus fortan eine wechselvolle Geschichte hatte. Bis zur Spielzeit 1921/22 blieb es im Besitz von Hans Gregor. Als neuer Eigentümer und Direktor gibt das Bühnenjahrbuch von 1922 den Revue-Unternehmer James Klein an, der in diesem Haus glänzende Erfolge feierte. 192 Der Verkauf der Komischen Oper in Berlin an der Weidendammerbrücke, dürfte zeitlich mit der Übersiedlung von Hans und Della Gregor aus der Schweiz nach Amerika zusammengefallen sein.

Gregor übernahm offiziell am 1. März 1911 (inoffiziell am 15. Feber), laut Erlass des Obersthofmeisteramtes vom 21. Februar 1911 (Zl: 2249) die Leitung des k.k. Hofoperntheaters zu den genannten Bedingungen und mit gleichem Erlass wurden die Dienstbezüge des Direktors Felix Weingartner Edlen v. Münzberg per 28. Februar 1911 eingestellt. 193

Das Glückwunschtelegramm Weingartners, der sich auf dem Semmering befand, lautete: „zu ihrem amtsantritt nehmen sie meine allerherzlichsten glückwünsche und grüsse, felix weingartner.“ 194

Erst 5 Monate später, also zu Ende der Spielzeit 1910/11, wurde Gregor von Montenuovo nach seinen Eindrücken befragt. Montenuovo konzedierte auf Wunsch Gregors diese Zeitspanne bis zum ersten Bericht. Gregor replizierte: „Durchlaucht, die Mittelverschwendung die ich beobachtete ist bisweilen atemversetzend.“ 195 Der Fürst meinte, er habe Ähnliches zu hören erwartet und so solle es auch nicht weitergehen.

192 Vgl.: Hrsg.: Freydank, Ruth: „Theater als Geschäft“, Beitrag von Ines Hahn; S 185. 193 Vgl.: Kt. GI 334/1910, Zl: 4893 194 Kt. Oper 243, Zl: 208/11. 195 Gregor: S 364. 78

Allein auf Veranlassung von Gregors Vorgängern lagen unglaubliche 26 [!] angenommene, bezahlte, doch niemals zur Aufführung ernstlich in Aussicht genommene Opernwerke vor. Gregor fiel die unangenehme Aufgabe zu, die Komponisten mit klaren Worten über das Geschick ihrer Werke zu unterrichten. Er musste erfahren, dass dies freilich nicht als Wohltat empfunden wurde. 196

Bei gelegentlichen Zusammenkünften mit Mahler und Weingartner, vor Gregors Wiener Zeit, machten diese ihm gegenüber nie ein Geheimnis daraus, dass ihnen die Direktion eine Nebenbürde sei. Infolgedessen waren in dieser insgesamt langen Zeit die Disziplinzügel, zum Teil auf erschreckende Weise, locker geworden. Die Wiener Hofoper war vielfach ein Gegenstand der Ausbeutung von Lieferanten lebender und toter Bedarfsgüter des Hauses. Viele kostspielige Teile des eigenen Betriebs- apparates lagen brach. 197

Gregor veranlasste, dass die eigenen Ateliers, die bisher unterbeschäftigt waren, ausgebaut und auf leistungsfähige Höhe gebracht wurden. Kein Pinselstrich und kein Nadelstich gingen mehr als Auftrag außer Haus. Gegenüber früheren Aufträgen konnten nun alle Arbeiten im Haus zu günstigen Konditionen – verglichen mit früher gezahlten Preisen – hergestellt werden. Die kompletten Ausstattungen kamen in Zukunft aus den eigenen Werkstätten. So konnten bis zu 50% an Herstellungs- kosten eingespart werden und die Fertigungstermine waren unter der Kontrolle des Hauses. 198

Fürst Montenuvo war für Gregor ein Glücksfall; dieser schätzte ihn anscheinend sehr, denn in der Zeit ihrer Zusammenarbeit bis 1917 gab es keine gröberen Differenzen. Im Gegenteil, der Fürst ließ Gregor ziemlich freie Hand, auf jeden Fall bis zu Beginn des Krieges. Natürlich musste Gregor den vorgeschriebenen Genehmigungsweg wahrnehmen.

196 Vgl.: Gregor: S 145. 197 Vgl.: Ebd.: S 361. 198 Vgl.: Ebd.: S 365. 79

Die Kapitel, die den Opernalltag und die Organisation sowohl in der Friedens- als auch in der Kriegszeit betreffen, werden nicht in Unterkapitel geteilt, da sehr oft ein Thema mehrere Kapitel berühren würde. Eine Unterteilung bedürfte dann – zum besseren Verständnis – begleitender Erklärungen, die sich jedoch in vielen Fällen wiederholen würden. Daher sind die Kapitel 6.2. und 6.3. kompakt chronologisch aufgearbeitet; hingegen finden sich in den Kapiteln 7 – 9 die Themen Vorsingen, Vertragsverhandlungen, Vorverträge und deren Ratifizierung, Urlaubs- und Kranken- angelegenheiten, Ansuchen, disziplinäre Maßnahmen, Kritiken, in jeweils zusammenfassender Darstellung.

6.2. Opernalltag, Organisation, erste Schwierigkeiten (1911 – 1914, Friedenszeit).

Gregor hatte mit den „Dienstes-Instruktionen“ weitgehende Vollmachten erhalten und die damit verbundenen Aktivitäten wurden, nach Sachlage der vorhandenen Korrespondenz, vom Ersten Obersthofmeister, beziehungsweise der General - Intendanz, meistens vollinhaltlich genehmigt. Bereits im Februar 1911 wurden über Veranlassung durch den zukünftigen Direktor die Verträge mit einigen Sängern und Sängerinnen für die kommende Spielzeit nicht mehr verlängert. Von Seiten der Generalintendanz dürfte bei dieser Aktion einiges nicht korrekt abgelaufen sein, da zum Beispiel die Sängerin Hermine Rabl von Kriesten ihre Nichtverlängerung aus der Zeitung erfuhr, wie ihr Agent Paul Prahl ärgerlich ausführte. 199

Gregors rigorose Anordnungen bezüglich der Teilnahme verschiedenster Gruppierungen an den Generalproben brachten ihm naturgemäß kaum Freunde ein. Damit verstimmte er auch seinen ärgsten Kritiker Dr. Korngold (Mahler-Anhänger) von der „Neuen Freien Presse“ sehr nachhaltig.200 Hätte Gregor hier etwas kulanter gegenüber der Wiener Psyche sein sollen? Immer wieder lautete das Argument: „Das war schon immer so!“

199 Vgl.: Kt. Oper 242/11, Zl: 147 200 Vgl.: Kt. Oper 242/11, Zl: 56 80

Zu Beginn seiner Direktionszeit musste er feststellen, dass mit dem freien Eintritt zu den Generalproben im Haus Missbrauch betrieben wurde. So ließ er eine Liste der berufenen Musikreferenten erstellen und nur diese wurden zu den Generalproben eingeladen. Da aber festgestellt werden musste, dass einige dieser Korrespondenten auch für auswärtige Zeitungen tätig waren, wurde diese Liste unter Mitwirkung des kaiserlichen Rates Skrein (Syndikat österreichischer Zeitungskorrespondenten) und der Herren Dr. Ehrlich und Stern (Concordia), Dr. Horowitz und Sted (Verband auswärtiger Presse) erweitert, die allen berechtigten Anforderungen der Musikkritiker entsprach. Diese Liste sah die Direktion als bindend und ausreichend an, da sie nur an den wirklich berufenen Musikkritikern interessiert war. Eine Parteilichkeit gegenüber den verschiedenen Nationalitäten wies die Direktion anhand der bestehenden Liste als absurd zurück. Damit rechtfertigte sich Gregor gegenüber der Generalintendanz, die ihm eine Beschwerde der österreichischen Provinzblätter, die diese wegen Benachteiligung direkt beim Fürsten Montenuovo deponierten, übermittelte. 201

Zu dieser neuen Verordnung seitens der Direktion schrieb die „Frankfurter Zeitung“ vom 7.4.11.“ „Der neue Direktor der Hofoper, Herr Gregor aus Berlin, macht durch einige schneidige Erlässe von sich reden. Er will Ordnung in die Wiener Schlamperei bringen.“ Ein Solist, der sich nicht ordnungsgemäß bis 11 Uhr vormittags krank gemeldet habe, müsse mit einer Strafe rechnen. Die Angehörigen der Mitwirkenden – besonders der Balletteusen und Theater- friseuren – sollten sich gefälligst Karten lösen und nicht bei Generalproben herumsitzen. „Die Damen der Gesellschaft, die zwar die Premieren besuchen, aber auch bei keiner Veranstaltung fehlen dürfen, wo die Leute vom Bau unter sich sind, sollen auf dieses pikanteste Vergnügen verzichten.“ 202

201 Vgl.: Kt. Oper 261/12, Zl: 860, Mai/12. 202 Kt.: Oper 244/11, Zl: 412. 81

Man werde sehen, ob Gregor das Verschnörkelte, die alten lieben Gewohnheiten der Wiener, ausmerzen können werde und wie lange er es in Wien aushalten werde. Man werde sehen, was er von seinen Neuerungen zurücknehmen müsse. Vorläufig verhalte sich Wien ihm gegenüber abwartend und misstrauisch. Man wolle Künstlerisches und nicht Pädagogisches. 203

Die Solisten hatten einen Anspruch für eine Freikarte für die Generalprobe. Für sonstige Freikarten zu Vorstellungen wurde folgende Order ausgegeben:

„An die geehrten Mitglieder des k.u.k. Hofoperntheaters. Die Ansuchen um Freikarten haben mit Beginn der kommenden Saison ausnahmslos schriftlich auf eigens hiezu vorgedruckten Formularen, welche beim Portier (Kärntnerstrasse) erhältlich sind, zu geschehen. Diese Ansuchen sind in einem vor der Portierloge (Kärntnerstrasse) angebrachten Kasten zu legen und werden demselben täglich um 10 Uhr vormittags entnommen werden. Ansuchen um Freibilletts zu Nachmittagsvorstellungen haben selbstverständlich Tags vorher zu geschehen. Wien, am 19. Juni 1911. Die k.u.k. Direktion des k.k. Hofoperntheaters. Hans Gregor m.p.“ 204

Gregor hatte sich vorgenommen, nicht auf jede Zeitungsmeldung einzugehen, sondern für das Haus und seine Künstler, aber vor allem für gute Aufführungen und für einen ausgeglichenen Haushalt zu sorgen. Zwei oder drei Mal brach er allerdings diesen Vorsatz. Gleich zu Beginn seiner Direktionszeit hatte er eine Auseinandersetzung mit Kammersängerin Halban-Kurz, die zwei Freikarten für die Generalprobe beanspruchte. Die „Zeitung am Mittag“ (Berlin, 10. 4. 1911), brachte folgenden Artikel: „Du hatt’st, so meldeten die Blätter, gleich beim Debüt in Wien viel Pech: Das erste Primadonnenwetter, es fegte über Dich hinweg.

203 Vgl.: Kt. Oper 244/11, Zl: 412. 204 Kt. Oper 245/11, Zl: 718. 82

Frau Halban-Kurz, der Gott der Wiener, ist schwer gekränkt und schmollt und grollt, weil Du als Neuerer als Kühner, nicht so getan wie sie gewollt … Freund, führ nicht mit so strengen Normen, in Wien Dich ein in erster Zeit und kränke nicht gleich mit Reformen die Wiener Urgemütlichkeit. Dem Künstlerstolz schlag keine Wunden, eh Du nicht fest im Sattel bist: Es sei nicht so kurz angebunden, wer an die Kurz gebunden ist. Gar leicht gerätst Du auf die Fallbahn und kommst auf solche Art zum Sturz: Greif’ die Reformen erst nur halb an, sonst währt Dein Regiment nur kurz. Türm’ nicht den Pelion auf den Ossa, verscherz Dir nicht so leicht Dein Glück: Geh’ lieber, Gregor, nach Canossa – sonst kehrst Du nach Berlin zurück.“ 205

In derselben Ausgabe der Berliner Zeitung wurde einem Interview Gregors, das er aus gegebenem Anlass einem Wiener Journalisten gab, Platz eingeräumt. Gregor: „Ich bin da um Ordnung zu schaffen, und Ordnung muß sein. Natürlich ist das nicht nach jedermanns Geschmack, natürlich werden mir Knüppel zwischen die Füße geworfen; aber ich lasse mich dadurch nicht irre machen. Was ich tue geschieht zum Schutz des Publikums und im Interesse des Institutes, dem ich vorstehe. Das Absagewesen und die Krankheitsfrage muß geordnet werden, das bedarf wohl keiner näheren Begründung. Was sonst von „drakonischen Erlässen“ und schrecklichen Strafen erzählt und geschrieben wird ist falsch und erfunden. Ein Blatt meldet, Frau Kittel sei mit einer Geldstrafe belegt worden, weil sie zu spät in der Garderobe erschien, Tatsache ist, dass die Dame einmal zu einer Vorstellung, in der sie beschäftigt war, überhaupt nicht erschienen ist. Es war dies „“. Dafür erhielt sie von mir nicht die geringste Strafe, sondern lediglich eine Verwarnung, für die sie sich noch bedankte, denn sie konnte die Entlassung gewärtigen. Auch Herrn Schmedes soll ich bestraft haben, weil er an einem spielfreien Tage auf dem Semmering weilte. Herr Schmedes war mit Urlaub fünf Tage auf dem Semmering, und war erstaunt, als er nach seiner Rückkehr nach Wien auch für diese fünf Tage die Funktionsgebühren erhielt. [Später war Gregor nicht mehr so großzügig und die Funktionszulagen – sie galten ja nur, wenn man auftrat – wurden rigoros abgezogen, jedoch immer vertragsgemäß.]

205 Kt. Oper 244/11, Zl: 412. 83

Ferner wird mir imputiert, ich hätte den Mitgliedern der Hofoper verboten, während der Karwoche Wien zu verlassen. Es besteht eine Vorschrift der Generalintendanz, dass die Mitglieder der Hofoper auch für Reisen in der Karwoche um Urlaub einzukommen haben. In diesem Sinne habe ich nun die Mitglieder verständigt und Listen auflegen lassen, in die Mitglieder, die verreisen, Namen und Adresse einzeichnen, damit sie im Falle einer Störung für mich zu erreichen sind. Der „Rosenkavalier“ ist verhältnismäßig rasch herausgekommen, die zweite Besetzung muß so wie die erste studiert sein und zwei oder drei Mitglieder werden auch während der Karwoche natürlich nicht mehr als die notwendigen Proben haben. (In der Monarchie wurde in der Karwoche überhaupt nicht gespielt, lediglich geprobt.) Aber wer Urlaub erhält, kann während der Karwoche natürlich verreisen. Bisher hatte ich ein einziges Mal Veranlassung, ein Mitglied zu strafen. Ein Flötist hat während der Vorstellung – wir gaben den „Schneemann“ – die Flöte seines Nachbarn genommen und geulkt. Der Mann hatte diese Ungehörigkeit mit einer Geldstrafe zu büßen. Dies allein ist die Wahrheit, mit der ich durchaus nicht hinter dem Berg halten will. Schließlich: es ist ja keine Zuchthausstrafe, wenn ein Mitglied der Hofoper zur Probe gehen muß.“ 206 Dieser Artikel ist insofern interessant, als die darin enthaltenen Fakten in der Folge durch Belege untermauert werden können.

Jede Krankmeldung (es gab eigene Formulare hierzu) musste vom Theaterarzt oder einem Arzt des Vertrauens bestätigt werden, sowohl was Beginn als auch Ende der Krankheit betraf; diese Meldung wurde der Rechnungsabteilung ebenfalls übermittelt, da die Funktionszulagen bei Nichtauftreten gestrichen wurden. Die Gage der Künstler setzte sich aus der Grundgage und den Funktionszulagen zusammen. 207 Bei bewilligten Urlauben von 1 – 3 Tagen für Solomitglieder zwecks auswärtiger Gastspiele ruhte die Funktionszulage ebenfalls. Lediglich bei Urlauben zur Erledigung von Familienangelegenheiten oder zur Erholung blieben die Mitglieder im Genuss der vollen Bezüge. 208

206 Kt. Oper 244/11, Zl: 412. 207 Vgl.: Kt. Oper 245/11, Zl: 579. 208 Vgl.: Kt. Oper 291/14, Zl: 399. 84

Eine mündliche Absage, auch wenn es sich nur um eine Probe handelte – diese war wie eine Vorstellung zu bewerten –, war unstatthaft. Eine Verhinderung musste ebenso wie eine Krankheitsmeldung schriftlich mit ärztlichem Attest oder mit Angabe eines glaubhaft gültigen Grundes erfolgen. Wenn dies nicht geschah, so zog dies nicht nur den Verlust der Funktionszulage nach sich, sondern der Künstler musste mit einer Verwarnung oder sogar mit einem Pönale rechnen. Gregor war zu Anfang seiner Direktionszeit sehr großzügig gegenüber seinen Künstlern, aber nach einer anfänglichen Gnadenfrist handhabte er seine Dienstvorschriften rigoros. Das waren geltende Bestimmungen für alle Solisten des k.k. Hofoperntheaters. 209

Allerdings gibt es wiederum aus seiner Direktionszeit viele Berichte über Anweisungen von Extrahonoraren, wenn Sänger und Sängerinnen ihre vertraglichen Verpflichtungen übererfüllten. Zum Beispiel hatte Frl. Paalen einen Vertrag mit 100maliger Singverpflichtung in einer Spielzeit; sie überschritt ihn fünf Mal und sprang für erkrankte Kolleginnen ein. Das ergab in ihrem Fall 5mal 70.- Kronen, also 350.- Kronen. Nach Genehmigung wurde die Finanzprokuratur angewiesen, diesen Betrag an Frl. Paalen zur Anweisung zu bringen. 210

Wenn Gregor notwendige Dienstreisen unternahm, wurde dies natürlich der Generalintendanz gemeldet, so etwa seine Reise nach Paris am 3.6.1911. Er wurde während seiner Abwesenheit von Hofoberrechnungsrat Ribitsch und dem artistischen Sekretär Alois Muster, mit Zustimmung des Ersten Obersthofmeisters Montenuovo, vertreten.

Alois Muster kam mit Gregor aus Berlin von der Komischen Oper, wo er auch bereits dessen Sekretär gewesen war. Muster trat allerdings seinen Dienst erst mit 1.4.1911 an, Gage betrug im 1. Jahr 4.000 K, im 2. Jahr 4.500 K und im 3.Jahr 5.000 K. Der Vertrag war befristet mit 31.8. 1914. Gregor hat mit Additional-Artikel Zl: 296/1913 den Vertrag seines Sekretärs vom 1.4. 1914 – 31.3. 1921 verlängern können, mit einer Gagen-Erhöhung aufsteigend von 10.000 K bis 12.000 K. Am 10.3. 1915 ist

209 Vgl.: Kt. Oper 245/11, Zl: 698. 210 Vgl.: Kt. Oper 246/11, Zl. 930. 85

Alois Muster, Gregors Freund und rechte Hand, nach schwerer Krankheit verstorben. 211 In dem Vertrag befand sich eine Zusatzklausel: „Sollte es in dieser Zeit einen Direktionswechsel geben, haben beide Seiten die Möglichkeit, nach vorheriger sechsmonatiger Kündigung, den laufenden Vertrag aufzukündigen und stehen Herrn Muster Pensionsbezüge in jener Höhe zu, die beim Pensions-Verein des k.k. Hofoperntheater für eine Dienstzeit von 10 Jahren systemisiert sind. Erlaß vom 13.6. 1913.“212 Es fragt sich: Was bewog Gregor, seinen Vertrauten so abzusichern? Dachte er im Jahre 1913 vielleicht doch an einen Rückzug? Außer dem artistischen Sekretär waren in der Direktionskanzlei noch der Kanzlist Franz Pfandler, der Hilfsbeamte Philipp Schlader und zwei Stenotypistinnen, Helene Sgalitzer und Karoline Ranninger, beschäftigt. 213

Während des Pariser Aufenthaltes – Gregor hatte dort noch aus der Elberfelder Zeit viele Freunde und Bekannte – hörte er sich Sänger und Sängerinnen an und wurde in viele Vorstellungen eingeladen; der Komponist Ernest Bloch lud Gregor zu seiner Oper „“ am 17. und 21. Juni 1911 ein. Durch Telegramme aus Wien wurde er von den Tagesgeschäften informiert, bzw. wenn eine wichtige Entscheidung zu treffen war, wurde seine umgehende Antwort erbeten. Gregor war immer auf dem Laufenden. In diesem umfangreichen Akt befindet sich ein Telegramm, dass von Max Gregor, Dresden, 16. 5. 1911, eine Parte geschickt worden sei: Hermine Gregor sei gestern früh verstorben und die Beerdigung finde am Sonntag 10 Uhr statt. (Wer Max und Hermine Gregor waren, ist leider nicht verifizierbar. Gregors Bruder hieß Paul.)214 Auf den meisten Dienstreisen wurde Gregor von seiner Frau begleitet – dies wird ersichtlich aus Hotelbestellungen (Zweibettzimmer), oder aus Ersuchen an einen der Direktoren um zwei Karten für Vorstellungen, die sich Gregor aus Interesse an dem Stück oder einzelner Mitwirkender ansah und anhörte. Vielleicht war seine Frau auch

211 Vgl.: Kt. Oper SR 52/11, Zl: 98. 212 Kt. Oper 274/13, Zl: 296. 213 Vgl.: Kt. Oper 256/12, Zl: 214. 214 Vgl.: Kt. Oper 245/11, Zl: 653. 86 eine Art interne Beraterin, da sie eine sehr gute Sängerin war. Nach ihrer Verheiratung (sie war die zweite Frau Gregors) trat sie nicht mehr auf. In Prag, Dienstreise 1. und 2. September 1911 wohnte Gregor im Hotel Saxe. Oskar Nedbal lud ihn und seine Frau zur Ballettpantomime „Prinzessin Hyacinthe“ ein. Am zweiten Tag wohnten sie der Vorstellung von Smetanas Oper „Libussa“ bei. Dir. Schmoranz vom Böhmischen Nationaltheater hatte jeweils zwei Sitze reserviert. 215

Es gab auch Dienstreisen nur für einen Tag, zum Beispiel nach Prag 18.2. 1912; Gregor nahm sich ein Tageszimmer im Hotel Sax, hatte ein Treffen mit Dir. Telwes (Deutsches Theater, Prag) und Agent Salter aus Berlin, sah sich abends „Boris Godunow“ mit dem russischen Bariton Baklanoff an – er wurde später Ensemble- mitglied am Hofoperntheater – und fuhr nach der Vorstellung nach Wien zurück. 216

Allerdings ließ Gregor vielversprechende Künstler auf Kosten des Hofoperntheaters, oder mit einem Zuschuss von diesem, nach Wien zum Vorsingen kommen. Seine Begründung gegenüber der Generalintendanz, die auf Vorschlag von Gregor (wie bereits erwähnt) diese Kosten genehmigen musste, lautete, „dass man den besseren Eindruck der Qualität der Stimme bekommt, wenn auf unserer Bühne das Probesingen stattfindet.“ 217 Später war er nicht mehr so kulant. Salter bot Gregor immer wieder KünstlerInnen an, jedoch verlangte Gregor im Jahre 1913, dass diese auf eigene Kosten nach Wien kommen sollten; so konnte man gleich feststellen, wer die Stimme für das große Haus besaß und wer nicht. 218

Gregor bekam auf Grund seiner Position zahlreiche Einladungen zur Ehrenkomitees, z. B. für die Errichtung eines Denkmals für Franz Josef I. in Karlsbad (Beethovenpark), was er natürlich zusagte. Ein Direktor des k.k. Hofoperntheaters hatte viele derartige Verpflichtungen, denen er aus gesellschafts-politischen Gründen nicht aus dem Weg gehen konnte. 219

215 Vgl.: Kt. Oper 246/11, Zl: 929. 216 Vgl.: Kt. Oper 257/12, Zl: 298. 217 Kt. Oper 246/11, Zl: 935. 218 Vgl.: Kt. Oper 280/13, Zl: 1257. 219 Vgl.: Kt. Oper 245/11, Zl: 734. 87

Gregor war nachgewiesenermaßen wesentlich diplomatischer als Weingartner, obwohl man posthum Weingartner als den besseren Diplomaten bezeichnete; Gregor sei eher der unsensible Preuße, der mit zackigen Kommandos seinen Trupp zusammenhalte. Sein diplomatisches Geschick wird allerdings in vielen Beispielen sichtbar. Der „zackige Kommandoton“ Gregors kann aus dem Schriftverkehr nicht herausgelesen werden. Seine schriftlichen Formulierungen waren immer äußerst höflich und korrekt.

Zu Ende jeder Spielsaison wünschte Gregor den „geehrten Mitgliedern des k.k. Hofoperntheaters gesunde und frohe Ferien und eine recht arbeitsfreudige Wiedereinkehr in Wien“. 22. Juni 1911, Hans Gregor m.p. 220 Auf eigens gedruckten Plakaten wurde mitgeteilt, dass die „allgemeinen Ferien vom 23. Juni bis einschließlich 17. August (dieses Datum galt zum Beispiel für 1912) des artistischen Personals, Balletts, Solopersonal, artistische Körperschaften des Gesangschores, des Ballettkorps, des Orchesters und der Bühnenmusik dauern, sofern sie nicht über jene Ferialzeit hinaus einen besonderen Urlaub genießen, und sich am Samstag den 17. August l.J. bis 10 Uhr vormittags zum Dienstantritt zu melden haben. Dem Bühnenpersonal, sowie dem Haus- und Publikumspersonal wird nach Ermessen der betreffenden Vorstände durch die Direktion eine Erholungsfrist gewährt werden. Wien am 10. Juni 1912. Die k.u.k. Direktion des k.k. Hofoperntheaters.“ Die Mitglieder mussten ihre Sommeradressen im Direktionsbüro hinterlassen. Die Theaterferien fielen immer ungefähr in diese Zeit, sie begannen mit einem Montag und endeten mit einem Samstag. 221

Wie bereits unter 5.6. erwähnt, hätte Weingartner bezüglich seiner Konzert- und Probentermine mit Gregor Schwierigkeiten gehabt. Hier sei einer der vielen Gegenbeweise zitiert. Weingartner schreibt am 30. 8. 1911 aus der Schweiz an Gregor: Da er am 5.11. 1911 eine Symphonie von Mahler als Totenfeier dirigiere, benötige er noch eine zusätzliche Probe am 2. 11.; für alle anderen Konzerte komme er mit den vorhergesehenen Proben aus.

220 Kt. Oper 245/11, Zl: 735. 221 Vgl.: Kt. Oper 261/12, Zl: 914. 88

Telegramm von Gregor an Weingartner am 5.9. 1911: „Selbstverständlich reserviere ich Ihnen mit Vergnügen den bezeichneten Tag. Herzlichst Gregor.“ 222 Ein neuerlicher Beweis seiner Rücksichtnahme auf Weingartner: Am 24. 2. 1912 gaben die Philharmoniker ihre Konzerte unter Felix von Weingartner für die Saison 1912/13 bekannt und natürlich die dazugehörigen Proben. Gregor war damit einverstanden. In einem handschriftlichen Schreiben bedankte sich Weingartner für das Entgegenkommen und die Wünsche für die Probentermine. Ebenso gab es Wünsche im Jahre 1914, die Gregor immer höflichst berücksichtigte, wie aus der Korrespondenz hervorgeht. 223 Weingartner hatte nach seinem Abgang aus Wien nur mehr die philharmonischen Konzerte dirigiert, er war nie mehr in der Oper, außer in seiner zweiten, sehr kurzen Direktionszeit. 224

Ebenso hat Gregor gleich anfangs versucht, mit dem gefürchteten Kritiker Dr. Julius Korngold (Vater des jugendlichen Komponisten Erich W. Korngold) ein gutes Einvernehmen zu pflegen. Dieser fragte an, wann die Opern Adams „König für einen Tag“ und „Der Postillon von Lonjumeau“ aufgeführt wurden. Gregor gab genau Auskunft und für die erste Oper, die am 4. 3. 1842 am Kärntnertortheater aufgeführt worden war, listete man sogar die Besetzung auf. Es sangen unter anderem die späteren Gattinnen von Franz v. Dingelstedt und dem Komponisten Johann Strauß in dieser Aufführung. Ein anderer Anfrager hätte sich dies sicherlich selbst heraussuchen müssen. Gregor schließt mit den Worten: „stets gerne zu Ihren Diensten, Ihr hochachtungsvoll ergebener Hans Gregor.“ 225

Eine gefährliche Unsitte dürfte sich während der vorhergegangenen Direktionen auf der Bühne eingeschlichen haben. Auch hier hat Gregor hart durchgegriffen und nahm einen Vorfall während eines Umbaues bei der Hauptprobe der Oper „Der Prophet“ zum Anlass (es fiel ein Holzstück auf die Bühne), eine dementsprechende Order herauszugeben, die alle leitenden Persönlichkeiten, angefangen von den

222 Kt. Oper 247/11, Zl: 950. 223 Vgl.: Kt. Oper 288/14, Zl: 63. 224 Vgl.: Kt. Oper 257/12, Zl: 350. 225 Kt. Oper 247/11, Zl: 1100 89

Kapellmeistern, Regisseuren, Ballmettmeister Oberinspizienten u.s.w. unterzeichnet werden mussten: „Die Direktion sieht sich veranlasst, den P.T. Mitgliedern die bestehende Vorschrift in Erinnerung zu bringen, dass während des Umbaues der Dekoration allen dabei nicht Beschäftigten der Aufenthalt auf der Bühne untersagt ist. Etwa in den Zwischenakten notwendige Besprechungen haben in dem neu geschaffenen Künstlerfoyer stattzufinden. Sobald der Umbau auf der Bühne beendet ist, werden vom Inspizienten die entsprechenden Signale gegeben. Den P.T. Mitgliedern wird in ihrem eigenen Interesse die strikte Einhaltung dieser Vorschrift nahe gelegt.“ 226 (Der Schnürbodenarbeiter Jakob Kugler, der das Holzstück herunterfallen ließ, sonst aber sehr zuverlässig war, erhielt einen Verweis.) Bei einem Umbau auf der Bühne, der ja stets unter Zeitdruck geschah, um die Pausen nicht zu verlängern, musste jeder Handgriff sitzen, Disziplin musste jedem eingehämmert sein. Gregor hat einmal einen Gast auf dessen Bitte zu solch einem Szenenwechsel mit auf die Bühne gebracht. 227 Wörtlich schreibt er: „Ich wollte, ich wäre imstande, die Emotionen dieses Laienzeugen zu schildern, die ich da las.“ 228

Eine Neuregelung gab es ebenfalls für die Bläser und Solisten der Streichinstrumente des Orchesters des Hofoperntheaters, die als Mitglieder der Hofkapelle mitwirkten und von dieser noch extra bezahlt wurden. Der Erste Obersthofmeister entschied, der alte Zustand komme nicht mehr in Frage, lediglich könnten die Gagen etwas erhöht werden und in der Hofkapelle müsste unentgeltlich mitgewirkt werden. Die Musikdirektion, der das Orchester unterstand, wurde davon verständigt.229

Das k.k. Hofoperntheater war Mitglied des Deutschen Bühnenvereines in Berlin, aber nicht nur das Hofoperntheater, sondern viele andere Bühnen der Monarchie; Präsident war Graf Hülsen und sein Stellvertreter in späteren Jahren Hans Gregor. Diese Vereinigung arbeitete für ihre Mitglieder Statuten aus, die sowohl von den

226 Kt. Oper 247/11, Zl: 1128 227 Vgl.: Gregor: S 277ff. 228 Gregor: S 279. 229 Vgl.: Kt. Oper 247/11, Zl: 1051. 90

Institutionen als auch von deren Mitgliedern striktest einzuhalten waren. Wenn zum Beispiel ein Künstler vertragsbrüchig wurde, hatte dieser keine Möglichkeit mehr, an eine der Mitgliedsbühnen engagiert zu werden. Gregor verband solche Sitzungen oder Generalversammlungen in Berlin mit Theaterbesuchen, um Sänger und Neuinszenierungen anzuhören; die Agenten gaben sich in seinem Hotel die Türklinken in die Hand, denn mit einem der Wiener Hoftheater in geschäftliche Verbindung treten zu können, war die beste Empfehlung für eine Agentur. 230 Die Konzertdirektion Oskar Forrai wird in einem Schreiben Gregors vom 16.12. 1912 verwarnt, entgegen der Bestimmungen des Deutschen Bühnenvereins Anträge an fest gebundene Mitglieder zu machen; er müsse ja die Bestimmungen kennen, deren Unkenntnis ihn aber nicht vor nachteiligen Folgen schützen werde. 231

Eine dieser Agenturen gehörte Norbert Salter in Berlin, mit dem Gregor sehr viele Kontakte hatte, da Salter viele gute Künstler managte. Als sich jedoch Salter später einen Sozius, Herrn Mertens, in die Agentur holte, war einige Zeit das Verhältnis zwischen Gregor und Salter getrübt. Mertens war Gregors ehemaliger Schwager (wahrscheinlich der Bruder seiner ersten Frau). Gregor wollte die Geschäftsverbindungen mit Salter abbrechen, jedoch versprach dieser, dass nur er sich persönlich um Gregor und das Hofoperntheater kümmern werde. Gregor nahm Schreiben mit der Unterschrift Mertens nicht an. Im November 1912 kam es neuerlich zu Schwierigkeiten, ja sogar zur Drohung seitens Gregors, die Geschäftverbindungen wirklich endgültig abzubrechen, da die Kammersängerin Bella Paalen und Kammersänger Erik Schmedes, mit denen Gregor selbst Verträge abschließen wollte, sich beschwerten, Salter bedränge sie, sich von ihm vertreten zu lassen. Salter wies alle Schuld von sich und beschwor Gregor ihm zu glauben. Gregor ließ Salter mit Brief vom 21.11. 1912 wissen, dass er die Sache publik machen werde, um sich von dem Verdacht der Protektionswirtschaft freizumachen. 232

230 Vgl.: Kt. Oper 249/11, Zl: 1310. 231 Vgl.: Kt. Oper 266/12, Zl: 1752. 232 Vgl.: Kt. Oper 265/12, Zl: 1582. 91

Später brach Gregor die Geschäftsverbindung mit Salter ab, jedoch lag hier der Grund bei Salter selbst, denn er hatte versucht, das spätere Hofoperntheatermitglied Maria Jeritza nach Amerika zu vermitteln; dies war gegen die Statuten des Deutschen Bühnenvereins und diese Handlung bedeutete Salters Ruin.

Zum Opernalltag gehörte natürlich auch die Akkordierung der philharmonischen Konzerte mit dem Opernspielplan. Die Wiener Philharmoniker waren verpflichtet, rechtzeitig ihre Termine für Proben und Konzerte der Direktion des Hofoperntheaters bekannt zu geben. Es lag in der Natur der Sache, dass einige Male im Laufe der Jahre Termine aus unüberwindlichen Gründen verschoben werden mussten, aber durch rechtzeitige Information konnte immer Abhilfe geschaffen werden. Der damalige Vorstand der Wiener Philharmoniker war Alois Markl und der Vereinssekretär Franz Heinrich. 233

Die zahlreichen Tagesberichte zeugen von kleinen, manchmal aber auch größeren Vorkommnissen während einer Vorstellung, und je nach Schwere des Vergehens wurde der Verursacher ermahnt oder mit einem Pönale belegt. Zum Beispiel: Eine Lampe fiel bei einer Vorstellung von „Don Pasquale“ aus, die Aufführung verlief trotzdem ohne Störung. Die Solotänzerin Frl. Fleischinger wurde in der Schlussszene des Balletts „Nippes“ von einem leichten Unwohlsein befallen, jedoch verursachte dies keine Störung, bzw. wurde der Vorfall vom Publikum nicht registriert. 234 Musiker, die nur am Anfang eines Aktes zu tun hatten, standen während der Vorstellung auf und gingen hinaus. Diese Handlungsweise wurde sofort abgestellt. Während einer Probe zu „Rheingold“, 22.1.1914, fiel eine Eisentraverse vom Schnürboden. Der Vorgesetzte des technischen Personals wurde am 3. 2. 1914 zum Direktor zitiert und auf strengste Einhaltung der Dienstordnung verwiesen; der Schuldige musste ein Pönale zahlen. Die Traverse hätte ein Menschenleben kosten können. 235 In einer Mitteilung der Generalintendanz vom 28.1. 1914 wollte diese die Ordnungsvorschriften bei Verfehlungen erweitern und eine Disziplinarkommission einsetzen, gegen deren Urteil – bei besonders hohen Strafen verbunden mit

233 Vgl.: Kt. Oper 249/11, Zl: 1340. 234 Vgl.: Kt. Oper 249/11, Zl: 1341. 235 Vgl.: Kt. Oper 289/14, Zl: 115. 92 schweren Verfehlungen – es für den Bestraften kein Rechtsmittel mehr gab. Bis dahin konnte eine Berufung an die Generalintendanz eingebracht werden. Gregor versuchte das abzuwenden oder wenigstens zu verzögern und gab den Rat, das in Vorbereitung befindliche Reichstheatergesetz abzuwarten. Er wusste, dass dies unter seinen Mitgliedern einen Aufruhr erzeugen würde.236

Die Krankmeldungen des Garderoben- (Schneiderei-) und Magazinpersonals hatten sich gehäuft, ohne dass am gleichen Tag eine Krankmeldung samt ärztlichem Attest in der Direktion einlangte. Es wurde darauf hingewiesen, dass es in Zukunft bei Zuwiderhandlung laut geltendem Dienstrecht der Direktion freistehe, das Dienstverhältnis nach Absatz b, § 11, aus solchem Anlass mit einmonatiger Kündigung zu lösen. 237

Gregor schreibt in „Die Welt der Oper“: „Disziplin ist ein Wort, das mit großen Lettern über jedem Bühneneingang geschrieben stehen sollte. Disziplin ist das gewichtige Grundgesetz des Theaterbetriebes.“238 Dieses Grundgesetz sollte seiner Ansicht nach dem Einzelnen nicht das Atmen beengen, sondern eine Wohltat sein, die letzten Endes nicht anderes bezweckte, als unter denkbar geringstem Kräfteaufwand höchstes Leistungsresultat zu erzielen. Die Disziplin im Bereich Bühne hat ungleich straffer zu sein als irgendwo, denn sie ist kein Mechanismus wie der Arbeitssaal einer Fabrik, sondern ein Organismus. Heinrich Laube, Direktor des Wiener Hofburgtheaters von 1849-1867, in künstlerischen Fragen unerbittlich, soll diese Problematik in einem humorvollen Satz zusammengefasst haben: “Nur ein Stand bedarf eines so hohen Maßes von Machtbefugnis wie der Stand des Bühnenleiters, und das ist der des Räuberhauptmanns.“ 239

Sehr viele Unterlagen geben Auskunft über Vorsingen von Choranwärtern und Vorspieltermine von Musikern. Darin wird genau berichtet, warum jemand geeignet oder nicht geeignet erschien, jedoch ist anzunehmen, dass Gregor bei derartigen

236 Vgl.: Kt. Oper 289/14, Zl: 140. 237 Vgl.: Kt. Oper 249/11, Zl: 1400. 238 Gregor: S 60. 239 Ebd.: S 60 f. 93

Gelegenheiten nicht sehr oft anwesend war, obwohl sämtliche Mitteilungen über seinen Schreibtisch zu gehen hatten.

Auf Anordnung der Generalintendanz mussten Personen, die in den Hofdienst aufgenommen wurden (Hofoperntheater-Mitglieder waren Hofbedienstete), hofärztlich untersucht werden. Wurden sie für geeignet angesehen und erst geraume Zeit später aufgenommen, musste eine neuerliche ärztliche Untersuchung stattfinden, da zwischenzeitlich eine Krankheit oder ein Gebrechen eintreten hätte können. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg waren noch viele Krankheiten, die heute (im Jahre 2009) schon lange nicht mehr existieren, noch schwer oder nicht heilbar. 240

Ein Zirkular von Gregor untersagte den Solo-Gesang-Korrepetitoren am k.k. Hofoperntheater, Privatunterricht in den Probenzimmern zu geben, und verlangte, die Räume nach den Proben abzuschließen und die Schlüssel beim Portier abzugeben. Die Angesprochenen protestierten und erreichten eine Rücknahme des Verbotes, jedoch mussten solche Stunden der Direktion gemeldet werden und außerdem mussten die Schüler von den Korrepetitoren vom Portier abgeholt und nach der Stunde dorthin zurückgebracht werden. Damit wurde unterbunden, dass Hausfremde im Haus herumgingen. 241 Eine weitere, liebe und alte Gewohnheit wurde abgeschafft: Den Lehrern der Ballettschule wurde untersagt, den Zöglingen der Hofopernballettschule Privatunterricht gegen Bezahlung zu erteilen. Nach Gregors Meinung hätten diese Usancen schon 1908, also unter Weingartner, verboten gehört. Mit 28. Mai 1912 wurde das nun nachgeholt und gleichzeitig die Monatsgagen der Ballettmeister um 50% angehoben, da die bisherige Bezahlung von 600 K jährlich den Lebensunterhalt nicht abdecken konnte. 242

Ebenso wurde bei den Musikern das Tauschen bei Proben oder Vorstellungen erschwert. Mittels gedruckter Tauschzettel musste rechtzeitig die Musikdirektion

240 Vgl.: Kt. Oper 258/12, Zl: 557. 241 Vgl.: Kt. Oper 250/11, Zl: 1554. 242 Vgl.: Kt. Oper 261/12, Zl: 880. 94 verständigt werden, bei Proben am Tag vorher bis 12 Uhr Mittag und für Vorstellungen am gleichen Tag bis 12 Uhr Mittag. 243

Gregor sah sich veranlasst, die Generalintendanz am 19. 12. 1911 um Auskunft zu ersuchen, ob es im Sinne des Artikels 2 der allgemeinen Engagementbedingungen und dem § 4 der Ordnungsvorschriften nicht Pflicht der Solomitglieder sei, jederzeit gesungene Partien zu beherrschen, und unterrichtete dementsprechend die Solomitglieder. Es sei in letzter Zeit öfters vorgekommen, dass durch plötzliche Absagen zugeteilte Rollen oft mit der Begründung abgelehnt wurden, die SängerInnen hätten die Rollen längere Zeit nicht mehr gesungen. 244

Gregor hat sich um seine Mitarbeiter, gleichgültig auf welcher Ebene tätig, sehr bemüht, um Härten auszugleichen und besonderen Einsatz in bare Münze umzuwandeln; jedoch wenn er das Gefühl hatte, seine Bemühungen wurden ausgenutzt, dann konnte er sehr hart reagieren, aber er war nie nachtragend. Das wurde auch sichtbar, wenn Kartenwünsche an ihn herangetragen wurden, oder Wünsche nach Ausleihen von Requisiten, Kostümen oder gar von Instrumenten laut wurden. Auch Ansuchen um Mitwirkung verschiedener SolosängerInnen an Festveranstaltungen mit Urlaubsbitten wurden an Gregor herangetragen. Er erfüllte viele Bitten in eigener Verantwortung, natürlich mit Meldung an die General- intendanz; doch die Mehrzahl solcher Wünsche leitete er entweder an die Generalintendanz oder die Musikvorstände weiter. Die Wichtigsten erledigte er selbst. 245 In seinem Bestreben, eine gewisse Ordnung in das Haus am Ring zu bringen, war er immer wieder diversen Angriffen ausgeliefert. Eugen d’Albert sah es als eine persönliche Beleidigung an, als Gregor ihm keine Karte für die Generalprobe für Puccinis Oper „Das Mädchen aus dem goldenen Westen“ zukommen ließ. D’Albert beschwerte sich in seinem Brief vom 20.10. 1913 an Gregor, dass er bei den vorhergehenden Direktoren immer Generalproben beiwohnen hätte können.

243 Vgl.: Kt. Oper 250/11, Zl: 1555. 244 Vgl.: Kt. Oper 250/11, Zl: 1574. 245 Vgl.: Kt. Oper 251/11, Zl: III-111, Zl: IV-63, Zl: IV-81, Zl: VII-a. 95

Gregor begründete in seinem Antwortschreiben an d’Albert seine Handlungsweise: Er habe seine Anordnungen zu Beginn seiner Direktion im Sinne der Künstler und des Werkes getroffen und er werde auch weiterhin daran festhalten. Der geschätzte Meister möge dies nicht persönlich sehen, da er in allen Fällen so handle und sollten jedoch über andere Kanäle seine Anordnungen missachtet werden, werde er noch genauere Kontrollen durchführen. Amtsdirektor Pristaupinsky dürfte sich über Gregors Anordnungen im Falle Alma Mahlers hinweggesetzt haben, denn dieser schickte ihr ein Telegramm, dass zwei Karten für die Generalprobe der Oper „Das Mädchen aus dem goldenen Westen“ am 23.10. 1913 beim Portier Kärntnerstraße bereitlägen. Alma Mahler hatte anfangs an Gregor immer sehr höfliche Bitten um Karten persönlich gesandt. Jetzt versuchte sie es auf andere Weise. Später bekam auch sie keine Karten mehr für die Generalproben. Wenn sich allerdings der Musikschriftsteller A. Kreichgauer auf eine hochgestellte Vermittlerin stützen konnte, wie Ihre k.k. Hoheit, Erzherzogin Karoline, Prinzessin von Sachsen-Coburg-Gotha, musste auch Gregor die Waffen strecken. 246

In verschiedenen Akten sind meistens Ansuchen diverser Vereine, Institutionen u.s.w. um Genehmigung die Mitwirkung von Solisten in privaten Konzerten betreffend, enthalten. Wenn der Spielplan dies zuließ, wurde den Gesuchen positiv entsprochen. Aber natürlich gab es auch viele Absagen; Gregor war stets bemüht, den Künstlern viel Zeit zwischen ihren Auftritten für die Erholung zu reservieren. Diesen Schriftverkehr erledigte über Anweisung Gregors meist Sekretär Muster selbst. Für auswärtige Gastspiele liehen sich die Künstler oft Kostüme von der Hofoper aus, ebenso gab es Ausleihung an die adlige Gesellschaft für Kostümfeste, oft mit Empfehlungen aus höchsten Kreisen. Natürlich waren dies alles nebensächliche Arbeiten, jedoch wurde über jeden einzelnen Tatbestand ein Schriftverkehr geführt; so war ersichtlich, wer was geliehen hatte und ob die Gegenstände ordnungsgemäß retournierten wurden oder gar Regressansprüche wegen Beschädigung oder Verlust bestanden.

246 Vgl.: Kt. Oper 273/13, Zl: 15 ad. 96

Oskar Kokoschka lieh sich 1912 eine Kutte und Sandalen aus, wahrscheinlich für ein Modell, das er malen wollte. Der Zweck war nicht angeführt.

Auch Klavierauszüge oder das gesamte Notenmaterial für eine Oper wurden an andere Institutionen ausgeliehen. Diese Usancen waren in der Opernwelt üblich. 247

So rigoros Gregor in vielen Dingen war, besonders was die Disziplin betraf – und natürlich hatte er ständig seinen Kassenrapport im Auge, denn schließlich war das ein wichtiger Punkt dem Obersthofmeister gegenüber – so kulant und gerecht war er Künstlern gegenüber, die sich voll in den Betrieb einbrachten. Die „Arbeiter-Zeitung“ vom Samstag, den 7. 9. 1912 sah das, was das technische Personal betraf, etwas anders. In dem Artikel wurden die unwürdigen Arbeits- verhältnisse in der Hofoper angeprangert, mit versteckten Drohungen würden die Mitarbeiter von der Obrigkeit (Direktion und Generalintendanz) abgehalten, sich der Organisation (Gewerkschaft?) anzuschließen, aber 70% gehörten schon dazu und man werde die restlichen 30% auch noch überzeugen können. Hoffentlich hätten die „Herren“ dann ein Einsehen. 248

Auch dem Claqueur-Wesen versuchte Gregor das Handwerk zu legen. Ein Sigmund Wessely soll auf der 4. Galerie sein bezahltes Unwesen betrieben haben. Tänzerinnen sollen ihn dafür bezahlt haben. Diese Tänzerinnen sind verwarnt worden. 249 Es sind Briefe von erzürnten Besuchern aus dem Zeitraum Februar und März 1912 erhalten, die es für eine Zumutung hielten, neben einem Berufs-Claqueur zu sitzen. Gregor hat sich im „Wiener Extrablatt“ kritisch dazu geäußert, wie aus einem Brief eines Abonnementen hervorgeht. 250 Ebenso gab es jährliche Sammelakte über Beschwerden und Wünsche des Publikums, die fast alle beantwortet wurden: Wann werde „Parsifal“ von Richard Wagner endlich im Hofoperntheater aufgeführt; wann komme „Elektra“ von Richard

247 Vgl.: Kt. Oper 268/12 Zl: IV-82, Zl.: V-a, Zl: VI-a, Zl: VIIa – 40. 248 Vgl.: Kt. Oper 263/12, Zl: 1285. 249 Vgl.: Kt. Oper 258/12, Zl: 526. 250 Vgl.: Kt. Oper 258/12, Zl: 526. 97

Strauss wieder ins Repertoire; über Sänger die nicht gefielen; über unhöfliche Platzanweiser und Garderobiere und vieles andere mehr. 251 Beschwerden über die Direktion gingen ein und deren nicht wenige, meistens anonym. Gregor in “Die Welt der Oper“: „Die Post machte glänzende Geschäfte. Zuschriften – leider zumeist anonyme – die, um nur das Artigste zu zitieren, es dem Empfänger schriftlich geben, dass er ein Ignorant ist, prasseln hageldicht auf das Haupt des Direktors nieder. O, über diese lieben Anonymen! Nur die bemerkens- wertesten schützte ich vor dem Papierkorbe, doch auch diese Auslese füllte am Ende eine weitbäuchige Truhe.“ 252 Die Öffentlichkeit reagierte nicht minder heftig: „Rom ist in Gefahr! Die Direktion hat kein Recht, die Oper dieser vornehmen Repertoiresäule, Wien eines Stückes edelster Tradition zu berauben!“ 253 Auch, dass eine jüngere Generation inzwischen im Zuschauerraum Platz eingenommen hatte, passte nicht in das Weltbild der ewig Gestrigen. „Theater ist zum Beispiel in Berlin sehr viel, aber für Wien ist es alles. Begebnisse in „seiner“ Burg, „seiner“ Hofoper bedeuten dem Wiener, was dem Pariser der Grand Prix de Longchamp ist, dem Amerikaner Mordprozesse und Ehescheidungsskandale sind.“254

Eine vernichtende Kritik über Gregor ist in „Bühne und Welt“ nachzulesen. Redakteur Josef Reitler sah Gregors Position ernstlich erschüttert und „sein hocherwünschtes Abtreten vom Schauplatz seiner tatenlosen Tätigkeit ist eine Frage von Monaten geworden“. 255 Es sei ein Fehler gewesen, an ihn das höchste musikalische Amt des Landes zu vergeben, die Verwahrlosung des Spielplanes nehme in erschreckender Weise überhand, Werke, die zum eisernen Bestand der Oper gehören sollten verschwänden im Archiv, während andere, wie „Der Gaukler unserer lieben Frau“ serienweise heruntergespielt würden. Gregor habe den Ruf, ein guter

251 Vgl.: Kt. Oper 273/13, Zl. 12. 252 Gregor: S 366. 253 Ebd.: S 367. 254 Vgl.: Ebd.: S 368. 255 Vgl.: Hrsg: Stümke,H: „Bühne und Welt“ (Zeitschrift f. Theaterwesen, Literatur, u. Musik); Berlin/Leipzig/Wien, Verlag Georg Wigand, Leipzig, 15. Jg. Heft 1/1913, S 122. 98

Geschäftsmann zu sein, er solle die Opernkasse heilen. Aber seine Mittel seien Anästhetika, keine Heilmittel. 256 Es gab keine Reaktion von Gregor.

In diesem Zusammenhang sei auf den gefürchteten Theaterkritiker Dr. Julius Korngold der Neuen Freien Presse hingewiesen, der es für angebracht hielt, Gregor in einem achtspaltigen Feuilleton mit dem Titel „Die Aera Gregor“, zu sagen, was er besser machen müsste. 257 Korngold urgiert das Fehlen vieler Opern; es sei ein reines Geschäftstheater geworden, dabei gingen die Geschäfte gar nicht so gut – das könnte man erst am Ende einer Direktionszeit sagen. Gregor zerschlage das Ensemble-Theater, Solisten seien dauernd auf Gastspielreisen und der Kritiker erteilte viele Ratschläge, welche Dirigenten, welche Solisten Gregor engagieren sollte.258

Gregor war überzeugt, dass Korngold keine Ahnung von den Künstlern hatte, die er in seiner Kritik ihm empfahl zu engagieren und so hielt er es für angezeigt, trotz seiner Abneigung, auf „Derartiges“ zu antworten, Korngold einen 22seitigen Brief zu schreiben, der am Schluss die Frage aufwarf, „ob das juridische Kolleg ein besserer Vorkursus auf den Musiker ist, als der Zeichensaal in der technischen Hochschule?“ 259 Korngold war ehemals Rechtsanwalt und Gregor studierte, wie erwähnt, Schiffsbau-Ingenieurtechnik. (Im Anhang: Gregors Brief an Dr. Korngold) 260

Der deutsche Botschafter in Wien, Herr von Tschirschky hat anlässlich eines Privatissimums Gregor gegenüber erwähnt, er sehe ihn einen Fehler machen, der alle anderen bedinge. Gregor glaubte, der Botschafter meinte „Künstlerisches“. Tschirschky sagte: „Sicherlich nicht. In der Frage, wie Sie Ihre Novitäten und Neueinstudierungen herausbringen, ist, so weit mir bekannt, nur eine Stimme des Lobes – bisher. Sie wünschen Ordnung zu machen. Gut und schön, aber sie treten bei Ihren Bemühungen zu vielen Leuten gleichzeitig auf die Zehen und das ist unklug.“ 261

256 Vgl.: Ebd.: S 122f. 257 Vgl.: „Neue Freie Presse“, v. 22. März 1914, Nr. 17806, S 1,2 u.3. 258 Vgl.: Korngold: „Neue Freie Presse“, vom Sonntag 22. März 1914, Nr. 17806, S 1,2, u.3. 259 Kt. Oper 291/14, Zl: 397 u. 425. 260 Vgl.: Kt. Oper 291/14, Zl: 397 u. 425. 261 Gregor: S 385/386. 99

Gregor verteidigte sein Handeln und wies darauf hin, dass der Fürst über alles Bescheid wisse und seine Handlungen billige. Der Botschafter wusste, dass der Fürst große Stücke auf Gregor hielt, meinte jedoch lächelnd: „Gönnen Sie Wien wenigstens eine Pause zum Verschnaufen. Sie marschierten bisher so geschwind, dass Ihnen in Monaten gelang, wozu Ihre Herren Vorgänger Jahre brauchten: Einen großen Teil der Wiener Presse gegen sich in Aufruhr zu bringen.“ 262 Gregor dürfte mit der „deutschen“ Gründlichkeit am Anfang zu viel des Guten getan haben. Der Botschafter war Gregor sichtlich wohl gesinnt.

Wie von der Wiener Presse wurde Gregor von einer sehr mächtigen Dame des Hochadels gerügt, weil er – wie Mahler auch – während der Vorstellung den Zuschauerraum verdunkeln ließ. Die Fürstin Pauline Metternich war es, die ihm Vorhalte machte, dass die hübschen Wiener Mädchen in der Oper im Dunkeln sitzen und in ihrer Blüte nicht gesehen werden könnten. Gregor musste die Fürstin überzeugen, dass er dies nicht aus Sparsamkeit veranlasse, sondern nach den Gesetzen der Physik die Sichtbarkeit der Bühne zu bewerkstelligen hätte. Außerdem sei es sein Beruf, ein Opernwerk und nicht Wiens weibliche Jugend im Zuschauerraume ins rechte Licht zu setzen. 263

Der Alltag einer Theaterdirektion, gleichgültig ob Oper oder Schauspiel, wird bestimmt von Vorrückungen oder Pensionierungen von Mitarbeitern, Einstellungen samt Vertragsverhandlungen, Entlassungen, Verwarnungen, Ausmusterung von Dekorationen und Kostümen, die von der jeweiligen Abteilung vorgeschlagen werden, aber die wichtigste Tätigkeit, um jeden Abend den Vorhang hochgehen zu lassen, ist wohl die Besetzung; Schauspieler, aber insbesondere Sänger können unvermutet Schwierigkeiten mit der Stimme haben – das ist jeden Tag eine große Herausforderung, obwohl natürlich in der Oper die großen Partien immer doppelt besetzt waren und sind. Es konnte schon vorkommen, dass beide Protagonisten ausfielen, und dann musste rasch Abhilfe geschaffen werden. Da die Reise-

262 Gregor: S 385 ff. 263 Vgl.: Gregor: S 410 f, 100 möglichkeiten vor dem Ersten Weltkrieg eher noch schwierig waren, erschwerte dies selbstverständlich die Tätigkeit eines Operndirektors.

Robert Meyer, Volksopernchef ab 2007, sagte in einem Interview: „Es ist ja an einem Opernhaus ganz anders als beim Sprechtheater: Wenn ein Schauspieler einen Schnupfen hat oder vielleicht ein bisschen fiebert, dann tritt er trotzdem auf – und krächzt halt ein bisserl. Ein Sänger geht dann natürlich nicht auf die Bühne. Da ist das Publikum ja auch gnadenlos. Manchmal hilft die Psychologie: Wenn einer sich nicht gut fühlt, macht man vor der Vorstellung eine Ansage – schon funktioniert alles bestens. Auch oder gerade dann, wenn die Zweitbesetzung in der Kulisse aufs Einspringen wartet.“ 264 Gregor war zu Beginn seiner Direktionszeit nicht auf so viel Verständnis gestoßen.

Der zeitgenössische Direktor der Volksoper in Wien, Rainer Simons, hatte angeregt, die Chorschulen des Hofoperntheaters und der Volksoper zusammenzulegen. Gregor antwortet ihm am 1.5. 1912 ablehnend. Er streute Simons in seinem Brief allerdings Rosen, jedoch nach reiflicher Überlegung konnte er dem Projekt nicht näher treten, da die Chorschüler vom ersten Tag an als Statisten Verwendung fänden, um sich einerseits an die Bühne zu gewöhnen und andererseits einen kleinen Zuverdienst zu erhalten. Wahrscheinlich wollte Gregor von vornherein eine Konkurrenz der beiden Häuser ausschließen. 265

Die Operndirektoren im deutschen Sprachraum, bzw. in der Monarchie halfen einander gegenseitig in schwierigen Situationen mit SängerInnen aus, außerdem gehörten sie alle dem Deutschen Bühnenverein an. 266 Für größere Reisen, wie das heute durch den Flugverkehr möglich ist, kam das naturgemäß nicht in Frage. Meist ging es um angrenzende Staaten oder Städte wie Deutschland, Schweiz, Prag, Budapest, Brünn.

264 Sinkovicz, Wilhelm: „Ist ein Schauspieler krank, krächzt er“, in „Die Presse“, Wien, v. 31.1.2008, S 29. 265 Vgl.: Kt. Oper 259/12, Zl: 655. 266 Vgl.: Kt. Oper 664/12, Zl: 664. 101

Es kam auch vor, dass ein Gastspiel mit vorherigem Probesingen Gregors Vorstellungen nicht entsprach und der Künstler noch vor dem Gastspiel - natürlich mit einer Abfindung, die der Abendgage entsprach - nach Hause geschickt wurde. Der Gefahr einer „verpatzten“ Vorstellung ging der Direktor aus dem Wege. So wurde etwa im Falle von Aage Wang-Holm gehandelt, er bekam 300 K. 267

Jeden Samstagvormittag um ½ 10 Uhr empfing Gregor die Presse zur Information. Die Redakteure erhielten immer freitags die Spielpläne der kommenden Woche; sollte der Empfang einmal nicht stattfinden, war dies auf den Spielplänen vermerkt. 268

Im Juni 1912 befand sich Gregor auf Dienstreise in Paris und sah sich unter anderem die Oper „Das Mädchen aus dem goldenen Westen“ an – mit dieser Oper hatte er in Wien einen großen Erfolg - , traf den russischen Bariton Baklanoff und verhandelte mit dem „Russen-Ballett“. Auch dieses Engagement war später für Wien erfolgreich. Wie immer wurde Gregor über alles in Wien informiert. In einem handschriftlichem Brief an seine Kanzlei zeigte der Direktor seine Unzufriedenheit mit dem Kassenrapport, gab Anweisungen bezüglich der Umstellung des Programms, beschwerte sich über Agent Salter und dessen Schreibwut, verlangte, man soll sich über die Sängerin Lauer-Kottler erkundigen und erinnerte an ein Kondolenzschreiben. 269 Hier ist ersichtlich, dass Gregor, gleichgültig wo er weilte, sein Haus im Griff hatte. Das war in seinen Urlauben nicht anders: Berichte vom Juni 1912 über Verlauf von Vorstellungen, Kritiken hiezu; Die letzte Vorführung „Dalibor“ verlief sehr würdevoll und wörtlich, „Aus Anlass der Feststimmung in der Musikfestwoche wohl haben wir entgegen den Wiener Usancen diesmal Lob eingeheimst“. 270 Der letzte Kassenrapport schloss mit einem „Mehr“ von 85.336.10 K. Die erste Caruso – Vorstellung am 15.9.12. kollidiert mit der in Aussicht genommenen Oper „Die heilige Elisabeth“. Order von Gregor: mit dem Agenten von Caruso soll diesbezüglich verhandelt werden .271

267 Vgl.: Kt. Oper 259/12, Zl: 728, und Kt. Oper 260/12, Zl: 759. 268 Vgl.: Kt. Oper 260/12, Zl: 769. 269 Vgl.: Kt. Oper 261/12, Zl: 940. 270 Kt. Oper 262/12, Zl: 1056. 271 Vgl.: Kt. Oper 262/12, Zl: 1056. 102

Eine derart exponierte Stellung bedeutete, trotz der Arbeit aller Helfer zwölf Monate im Jahr präsent zu sein.

Nach dem Ableben des Hofburgtheaterdirektors Alfred Berger kursierte das Gerücht, Gregor würde auch dieses Haus mit übernehmen und er bekam unter anderem von William Wauer, Dramaturg und Regisseur ein Schreiben, der seine Dienste anbot. Gregor antwortete ihm am 2. 9. 1912, man glaube ihm noch mehr Arbeit aufbürden zu können, als er ohnehin schon habe. 272 Wörtlich schrieb er: „Zur Freude aller jener, die selbst Aspiranten auf den Posten sind, war ich in der Lage, prompt zu dementieren.“ 273

Die Hoftheater waren von der strengen Hofetikette mitbetroffen, ob es sich um die Hoftrauer eines Mitgliedes des Kaiserhauses handelte, um Gedenkgottesdienste, Besuch von allerhöchsten Gästen aus dem Ausland etc. So blieben auf Allerhöchste Anordnung an dem Tag der Vigilien für „weiland Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Elisabeth“, das war jeweils am 9.9., die Hoftheater geschlossen,274 ab 1916, bzw. 1917 natürlich auch für Kaiser Franz Josef I.

Anlässlich der 100-Jahr-Feier der Gesellschaft der Musikfreunde wurde auf deren Wunsch am 1.12. 1912 die Oper „Fidelio“ gegeben. Das übrige Programm in der Zeit vom 30.11. – 7.12.1912 umfasste Konzerte, die um 18.30 Uhr oder 19.30 Uhr im Musikverein begannen; dies musste natürlich in der Opernprogrammierung berücksichtigt werden, da Kapellmeister Schalk, der die Konzerte leitete, und viele Musiker für die Oper ausfielen. Selbstverständlich war Gregor zu allen Veranstaltungen mit seiner Frau eingeladen. 275

Soweit aus den Original-Akten und Unterlagen des k.k. Hofoperntheaters ersichtlich, bemühte sich Gregor stets um Qualität der Aufführungen, durch optimale Besetzungen, so weit vorhanden, Disziplin im Orchester, gute Ausstattung der Werke

272 Vgl.: Kt. Oper 263/12, Zl: 1201. 273 Kt. Oper 263/12, Zl: 1201. 274 Vgl.: Kt. Oper 263/12, Zl: 1223. 275 Vgl.: Kt. Oper 263/12, Zl: 1325. 103 und deren beste Inszenierung, nicht nur in gesanglicher, sondern auch schauspielerischer Perfektion. Zu Beginn seiner Direktionszeit inszenierte er selbst alternierend mit Wilhelm von Wymetal und erzielte fast immer beste Erfolge. Wymetal war ein kongenialer Partner auf diesem Gebiet. Jedoch später ließen ihm die umfangreichen Direktionstätigkeiten nicht mehr die nötige Zeit, um sich einer Inszenierung zu widmen und so lastete der Großteil dieser Arbeit auf Wymetal. Oberspielleiter Wymetal wollte zwar noch unter Weingartner per 31.8. 1912 nach Frankfurt an das Stadttheater gehen; sein vorheriger Vertrag sollte von 1.9.1908 bis 31.8.1918 laufen, wurde aber auf dessen Wunsch geändert und sollte per 31.8. 1912 auslaufen. Gregor gelang es jedoch, ihn zu halten und Wymétal blieb die gesamte Direktionszeit Gregors an dem k.k. Hofoperntheater, unterstützt von Regisseur Stoll, der Anfang 1917 schwer erkrankte und in diesem Jahr starb.276

Die größten Sorgen machten Gregor die Dirigenten an seiner Oper. Mit dem Abgang Weingartners fiel gleichzeitig ein Dirigent aus. Kapellmeister war tonangebend, das heißt, er wollte der erste unter den Kapellmeistern sein und verstand sich mit den anderen Kollegen nicht besonders. Gregor musste immer wieder eingreifen. (Die Dirigentensituation während der Ära Gregor wird in einem eigenen Kapitel dargelegt.)

Mit der Presse hat wohl jeder Direktor ob Oper oder Schauspiel und ob im Positiven oder Negativen zu rechnen und sich auseinanderzusetzen. Das Montagblatt der „Publizistischen Blätter“ vom 27.1. 1913 berichtet, dass es zwar noch nicht ein Sprachenbabel in der Hofoper gäbe, dass aber bereits eine Bresche in die deutsche Amts- und Singsprache gebrochen worden sei. Der russische Bariton Georges Baklanoff durfte also italienisch oder französisch singen und wahrscheinlich würde man ihm auch die russische Sprache gestatten. Unter der Künstlerschaft regte sich langsam Unbehagen und es wurde ein Elaborat verfasst, das aber dann doch nicht veröffentlicht wurde: „Ich, Gregor der Erste,

276 Vgl.: Kt. OMeA/1910, 19/A/50, Zl: 2871. 104

Direktor von Gottes Gnaden erlaube, dass in meinem Reiche Jeder nach seiner Fasson und Muttersprache selig werden und singen kann.“ 277 Die Presse erhielt natürlich Kenntnis, eine undichte Stelle gab es immer. 278 Gregor hatte an vielen Fronten zu kämpfen, aber dass er meistens auf derartige Berichte nicht reagierte – wie er zu Beginn seiner Wiener Tätigkeit willens war – hielt er eisern mit wenigen Ausnahmen durch. 279 Dies ist in der Korrespondenz mit Edmund Friedrich von der „Allgemeinen Berliner Correspondenz“ ebenfalls nachzulesen. Friedrich schrieb am 1.4. 1914 an Gregor, er lege ihm einen Abschnitt einer Kritik gegen ihn bei, der vor kurzem an deutsche Zeitungen im Deutschen Reich verschickt wurde und versicherte ihm, dass er stets wärmstens für ihn eintreten werde; die Wiener wüssten gar nicht, was für einen Schatz sie mit Gregor gewonnen hätten. Er sei überzeugt, dass sich Gregor durch die Nörgelsucht der Wiener nicht müde machen lassen werde und „dies links liegen lasse“! Gregor antwortete kurz und bündig: „Sie beurteilen ganz richtig, ich bin „für links liegen lassen“! 280

Jedes Jahr erhielt Gregor von der Generalintendanz – auf Grund seiner Berechnungen – den Hofstaatsvoranschlag genehmigt, der zum Beispiel für 1913 folgendermaßen lautete:

„In dem mit Allerhöchster Entschließung vom 25. Jänner l.J. genehmigten Hofstaatsvoranschlage für das Jahr 1913 ist das Präliminare der k.u.k. Direktion mit folgenden Ansätzen enthalten: Einnahmen K 3.275.100, Ausgaben K 3.960.300, Defizit K 685. 200. Hievon wird die k.u.k. Direktion zufolge Erlasses des Obersthofmeisteramtes, Z 1028 vom 30. Jänner 1913 unter Anschluß von 2 Exemplaren des genehmigten Voranschlages mit dem Beifügen in Kenntnis gesetzt, dass mit aller Energie zu

277 Kt. Oper 273/13, Zl: 18. (von einigen Künstlern verfasstes, unveröffentlichtes Elaborat). 278 Vgl.: Kt. Oper 273/13, Zl: 18. 279 Kt. Oper 273/13, Zl: 18. 280 Vgl.: Kt. Oper 291/14, Zl: 457. 105 trachten ist, mit den präliminierten Summen das Auslangen zu finden. Von der k.u.k. General – Intendanz der k.k. Hoftheater: Wien am 5. Feber 1913 (Haschky).“ 281

Die Direktion wurde immer wieder von der GI, 25.10. 1913, aufgefordert zu sparen und wenn es nur darum ging, dass zu viel Büromaterial (Kuverttaschen) verwendet wurde, oder dass die Kleinsteller bei der Gasbeleuchtung bei solchen Lampen, die nur abends oder nachts benötigt werden, abzumontieren seien, das Kleinstellen verbrauche zu viel Gas. 282

Das bedeutete natürlich auch, dass Gregor versuchte, den goldenen Mittelweg zu gehen und bei allen Zwängen gute Oper zu bieten. Dass dies nicht an jedem Tag gelingen konnte, war klar. Einem Gustav Mahler, der sich allerdings auch viele negative Kritiken gefallen lassen musste, hätte man „vielleicht“ mehr verziehen, als diesem „Deutschen“. , künstlerischer Leiter der Wiener Staatsoper von 1956 bis 1964, bei vielen „Liebkind“, verließ das Haus im Streit. Erst später verriet er, warum: „In Wien hat jeder Operndirektor eineinhalb Millionen Mitdirektoren, die ihm alle sagen, wie die Oper geführt werden muss.“ 283 So erging es Gregor ebenfalls, wobei man berücksichtigen muss, dass Karajan ein Weltklassedirigent war und Österreicher.

Ziemlich harte Kämpfe hatte Gregor mit dem Direktor der Wiener Volksoper, Rainer Simons, zu führen. Die beiden Herren pflegten zwar eine überaus höfliche und achtungsvolle Korrespondenzsprache, jedoch muss man sich nach der Aktenlage fragen, wer der Duchsetzungskräftigere war. Die Vorrangstellung Gregors lag auf der Hand, doch Maria Jeritza war bei Simons unter Vertrag und Gregor kämpfte um sie wie ein Löwe, manchmal auch mit ein wenig Hinterlist. In diesem Falle siegte Gregor. Ein Beispiel für viele: Gregor erhielt während der Vorbereitungen zu Schrekers Oper „Das Spielwerk der Prinzessin“ von der Universal-Edition Wien (die Schreker- Werke waren dort unter Vertrag) am 25. 2. 1913 die Anfrage, ob er gewillt sei, die noch von

281 Kt. Oper 274/13, Zl: 242. 282 Vgl.: Kt, Oper 281/13, Zl: 1366. 283 Markus, Georg; „Das heitere Lexikon der Österreicher“ 4. Auflage: Wien, 2003, Amalthea Signum-Verlag, S 201. 106

Weingartner angenommene Oper „Der ferne Klang“ aufzuführen, da sich Direktor Simons dafür interessiere. Simons Argument: Wenn „Das Spielwerk der Prinzessin“ ein Erfolg werde, so könne er gleichsam auf der Erfolgswelle mitschwimmen, und wenn nicht, könne er sich rühmen, dass die Erstaufführung dieser erfolgreichen Oper an seinem Haus stattfand. Gregor antwortete am 1. 3. 1913 ziemlich scharf der Universal-Edition, dass er sich mitten in der Inszenierung einer Schreker Oper wegen eines anderen Werkes nicht unter Druck setzen lasse, auch auf die Gefahr hin, dass das Werk anderswo herauskäme. Der Verlag gab mit Schreiben vom 5. 3. 1913 klein bei. 284

Am 2. März 1913 gab es anlässlich einer Aufführung der Meyerbeer-Oper „Die Hugenotten“ einen Riesenskandal, wie ihn das Haus noch nicht erlebt hatte. Frau Elizza als „Margarethe v. Valois“ und Frau Weidt als „Valentine“ fielen kurzfristig krankheitshalber aus (lt. Theaterzettel vom 2. März 1913 ist die Weidt doch aufgetreten), die Ersatzkräfte Gutheil-Schoder und Kurz waren auf Urlaub und eine weitere Ersatzsuche blieb erfolglos. Gregor wollte die Vorstellung nicht ausfallen lassen, zum Umdisponieren war nicht mehr genügend Zeit, und so griff er auf die hochdramatische Sängerin Kempter-Jarno zurück, mit der gerade Verhandlungen bezüglich eines eventuellen Engagements liefen. Die Sängerin hatte schon fünf Jahre erfolgreich in Zürich gesungen und Kapellmeister Reichenberger hatte mit der Künstlerin eine Probe durchgeführt und erklärt, dass sie die Rolle der „Valentine“ einwandfrei musikalisch beherrsche. Auf diese Erklärung gestützt, ging der Vorhang zu den „Hugenotten“ hoch. Im 3. Akt beim Duett mit „Marcell“ befiel die Künstlerin, die schon vorher vom Publikum nicht gut empfangen worden war, eine derart unsagbare Angst, dass sie vollständig die Herrschaft über Ihre Stimme verlor. Nach Rücksprache mit Gregor trat Oberregisseur Wymetal vor den Vorhang, um das Publikum im Namen der Direktion für die Indisposition der Sängerin um Entschuldigung zu bitten. Er wurde unfreundlichst empfangen, aber nur vom Stehplatz und der Galerie – auf der 4. Galerie wurden sogar zwei randalierende Kaufleute festgenommen. Zu allem Überfluss gab es ein weiteres Missgeschick: Der

284 Vgl.: Kt. Oper 275/13, Zl: 328 107

Vorhang ging nur in die halbe Höhe; schuld war ein Defekt in der Aufzugvorrichtung, da vier Bühnenarbeiter an der Kurbel verkehrt gedreht hatten. Nun war der Eklat perfekt. Das „Illustrierte Extrablatt“ vom 3.3. 1913 berichtete: „Großer Skandal in der Hofoper. Eine abgebrochene Hugenotten-Vorstellung – Feindselige Kundgebungen gegen Direktor Gregor.“ […] „Wie wir hören, haben nicht bloß die Fehlbesetzungen der letzten Wochen, sondern auch andere Umstände mitgewirkt, um beim Publikum eine oppositionelle Stimmung gegen Dir. Gregor zu erzeugen. Man macht ihn verantwortlich für die in der Hofoper herrschende Finsternis und schiebt ihm die Schuld zu, dass alle Verbesserungsvorschläge auf seinen Widerstand trafen. Dir. Gregor sollte erfahren, dass die Geduld des Wiener Publikums ihre Grenzen habe, die nicht verletzt werden dürfen. Im Moment lässt sich nicht sagen, welche Folgen die Vorgänge des gestrigen Abend haben werden.“ 285 Gregor gab dem Redakteur dieser Zeitung die Gelegenheit, mit ihm über die Vorgänge dieses Abends zu sprechen. Er erklärte ihm lediglich die reinen Fakten, ohne einen Kommentar zu den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen. Lediglich am Schluss meinte er: „Unter Mahler wurde eine Aufführung des „Don Juan“ auch nur ermöglicht, indem man alle Arien der Donna Anna wegließ.“ 286 Ein dementsprechender Bericht erging von Gregor an Obersthofmeister Fürst Montenuovo. Gregor erhielt am 4. März 1913 von der Redaktion des „Berliner Lokal-Anzeigers“ und am 12. März 1913 vom Chef-Redakteur der „Deutschen Montags-Zeitung“, Berlin, jeweils die Aufforderung, sich in diesen Blättern über den Skandal zu äußern; man stelle ihm Platz zur Verfügung, und wenn er nicht namentlich genannt werden wolle, dann könne er sich anonym gegen die gehässige Haltung des Wiener Publikums zur Wehr setzen. Seine Anhängerschaft in Berlin sei empört und sicherlich wären die Berliner glücklich, wenn er wieder zurückkäme. Gregor antwortete am 12. März 1913, dass ihn die freundliche Absicht ehre, und bedankte sich, bedauerte aber, davon keinen Gebrauch machen zu können, denn er habe sich bei Anbeginn seiner Direktionsführung zur Pflicht gemacht, niemals selbst

285 Kt. Oper 275/13, Zl 354. (Illustriertes Wiener Extrablatt v. 3.3. 1913). 286 Vgl.: Kt. Oper 275/13, Zl: 354. (Anläßlich eines Gespräches mit dem Redakteur des Illustrierten Wiener Extrablattes). 108 wahrheitswidrige Ausstreuungen über sich aus freien Stücken zu dementieren.287 Er könne „darum noch viel weniger der freundlichen Verlockung folgen, auf einer weiteren Basis über Dinge zu urteilen, denen ich, als direkt an der Sache Interessierter, doch wohl schwer die nötige Objektivität entgegenbringen könnte, denn auch etwaige Pralines, die ich in der Tasche hätte, werden vielleicht den Wiener Lesern den Magen verderben. Anonym mich zu äußern, würde nun vollends meinem Taktgefühl widerstreben. […] Außerdem fühle ich mich in Wien sehr wohl.“ 288

Eine „Pikanterie am Rande“: Ein Vetter von Oberregisseur Wilhelm Ritter von Wymetal war Musikkritiker und beteiligte sich ebenfalls an der Hetzjagd auf Gregor. Warum habe er nicht abgesagt, als mit drittklassigen Sängerinnen aufzuwarten? Das Publikum rief „Pfui Gregor“, „Jetzt ist es genug“, „Fort mit Gregor“. Die Oper habe unter Mahler und Weingartner auch Skandale gehabt, aber dies sei der Gipfel. Weiters hieß es: Kein Wunder, dass kein Ersatz da sei, die guten Kräfte seien zu oft auf Gastspielreisen und Gregor habe das Ensemble praktisch zerschlagen; er blicke nur noch auf die Kassa. Man wisse zwar, dass er diesen Auftrag der General- intendanz habe, aber so gehe es nicht weiter. Der Vetter hatte den gleichen Vornamen wie der Oberregisseur und dies brachte Wymetal beim Obersthofmeister in Schwierigkeiten, bis die Sache geklärt wurde. 289

Natürlich wurde die Mobilität mit jedem Jahr besser und um die guten Sänger als Ensemblemitglieder zu halten, musste Gregor Konzessionen machen. Das erging allen Theater- und Operndirektoren in diesen Jahren genauso. Gregor dürfte dies alles mit stoischer Ruhe getragen haben. Aus verschiedenen Schriftstücken geht hervor, dass Gregor viele Freunde, Verehrer und Schätzer seines Kunstverständnisses hatte – in ganz Europa, nur nicht so viele beim Wiener Publikum und bei der Wiener Presse. Für ihn wäre es ein Leichtes gewesen, auf den Wiener Direktionsposten zu verzichten, wie es schon etliche vor und nach ihm gemacht haben, aber er stand zu seinem Wort.

287 Vgl.: Kt. Oper 275/13, Zl: 354. 288 Kt. Oper 275/13, Zl: 354. 289 Vgl.: Kt. Oper 276/13, Zl: 443. 109

Caruso schätzt Gregor sehr und er bemühte sich, Gregor bei dessen Dirigenten- suche zu unterstützen und empfahl Herrn Voghera. Doch aus terminlichen Gründen kam ein Engagement nicht zustande. 290 Im Oktober 1913 gab es aber auch wieder eine sehr positive Wiener Presse für Gregor, anlässlich seiner Inszenierung von Puccinis Oper „Das Mädchen aus dem Goldenen Westen“.

Vom 29.3. 1913 ist ein Sitzungsprotokoll vorhanden, betreffend das Arbeits- programm der laufenden und den Beginn der kommenden Saison. Als Teilnehmer werden genannt: Gregor (Vorsitz) mit Sekretär Muster, Hofamtsdirektor Przistaupinsky, Oberregisseur von Wymetal, Oberregisseur Stoll, Theater-Maler Brioschi, Ballettregisseur Hassreither, künstlerischer Beirat Prof. Pühringer, Garderobemeister Ondracek, Bühneninspektor Bennier, Hofrechnungs- revident Jakoby. Es wurde in dem Protokoll festgehalten, welche Dekorationen bleiben sollten, welche Wiederaufnahmen in das Repertoire abgeändert werden müssten, wo nur einzelne Veränderungen notwendig seien, welche Kostüme komplett vorhanden oder wo Abänderungen oder neue Kostüme vonnöten seien. Die jeweiligen Kosten wurden festgehalten. Es handelt sich um folgende Werke: „Coppelia“, „Die Entführung aus dem Serail“, „Das Heimchen am Herd“, „Der Corregidor“, Die Roten Schuhe“; Verdi Zyklus: “Ein Maskenball”, “La Traviata”, “”, “”, “Ernani”, “Falstaff”, “Otello”; Wagner Zyklus: „Rienzi“, „Der fliegende Holländer“, „Tannhäuser“ (Pariser Fassung), „“, „Die Meistersinger von Nürnberg“, „Tristan und Isolde“ „Ring“-Tetralogie: „Das Rheingold“, „Die Walküre“, „Siegfried“, „Götterdämmerung“; „Notre Dame“, „Arzt wider Willen“.291

Mit den Altlasten aus der Weingartner-Zeit, nicht nur was die 26 angenommenen und bezahlten Opern betraf, musste Gregor Auswege finden, denn die Komponisten

290 Vgl.: Kt. Oper 277/13, Zl: 530. 291 Vgl.: Kt. Oper 276/13, Zl: 494. 110 wollte ihre Werke aufgeführt sehen; auch zum Beispiel eine Einmal-Remuneration an die Sängerin Elise Elizza von 4.000 K, die ihr im Jahre 1908 versprochen worden war, hatte Gregor, obwohl es sein Budget belastete, ausbezahlt und sich dafür bei der GI auch noch eingesetzt. 292 Dem technischen Personal, sowie den Tischlern, wurde auf seinen Antrag vom 27. 5. 1913 die tägliche Arbeitszeit während der Ferialmonate auf 6 Stunden herabgesetzt. 293 Gregor hat sich, wie mehrfach schon ersichtlich, für seine Mitarbeiter immer eingesetzt, gleichgültig auf welcher Ebene. Er konnte aber auch beinhart „nein“ sagen, wie etwa bei der Beschwerde der weiblichen Chormitglieder, sie hätten zu wenige Ankleiderinnen. Am Aktendeckel steht vermerkt: „Beschwerde gegen- standslos, da seit Jahren der gleiche Modus und es hat immer funktioniert.“ 294

Im Jahre 1913 gab es bereits Diskussionen, inwieweit die gültigen Verträge der Künstler der Hoftheater ein Mitwirken bei den „Kinematographentheatern“ (Filmaufnahmen) ausschlössen. Gregor antwortete auf eine diesbezügliche Anfrage der Generalintendanz: Er sei strikt gegen eine solche Mitwirkung. Das Kino müsse auf das Wort verzichten (Stummfilm), Geste und Wort seien auf der Bühne ein ausgeglichenes Zusammenwirken. Beim Film müsse die Mimik unterstrichen werden und das würde womöglich auf die Bühne übertragen werden. Gregor glaubte, man sei abgesichert, da ohnehin bei Tätigkeiten außerhalb der Hoftheater bereits jeweils um Genehmigung angesucht werden müsse. Bei zukünftigen Verträgen sei es ratsam, eine 100%ige Klausel einzubauen. Außerdem rate er abzuwarten, da in Deutschland bereits solche Fälle gerichtsanhängig seien, und empfehle, sich eventuell auf die Entscheidungen des Reichsgerichts zu berufen, um ein zweifelsfreies Präjudiz in dieser Frage zu schaffen. Der Deutsche Bühnenverein – ihm gehörten die Hoftheater auch an – war der Ansicht, „[…] dass der die Existenz der Bühnen immer mehr untergrabenden Kino- Gefahr mit allen zulässigen Mitteln zu begegnen sei.“ 295

292 Vgl.: Kt. Oper 279/13, Zl: 848. 293 Vgl.: Kt. Oper 278/13, Zl: 801. 294 Kt. Oper 279/13, Zl: 889. 295 Kt. Oper 278/13, Zl: 774. 111

Eine dementsprechende Klausel für die Mitglieder der k.k. Hofbühnen wurde allerdings mit Bericht vom Direktoral-Ausschuss des Deutschen Bühnenvereines vom 14.6. 1914 nicht aufgenommen. 296 Es sollte aber laut dem Deutschen Bühnenverein eine Vertragsklausel in Verträge mit Komponisten aufgenommen werden, die diese verpflichtete, im Falle des Verkaufs von Werken an Theater und Opern dieselben nicht zu kinemato- graphischen, also filmischen Bearbeitungen, bzw. Verfilmungen zu verwenden. Es gab einen Anlassfall: Im königlichen Schauspielhaus in Dresden wurde vor der Premiere eines Werkes dieses in einem Kinotheater angekündigt. Sollte so ein Fall eintreten, habe der Urheber dem Bühnenleiter eine Vertragsstrafe zu bezahlen. 297 (GI 5.1. 1913) Man sieht: Der Film, bzw. das Kino erhitzte schon damals die Gemüter und wurde als großer Feind der Bühnen gesehen. So erging es zu Ende der 1960er Jahre dem Film, bzw. dem Kino durch das Fernsehen.

Am 1. Oktober 1913 empfing Gregor anlässlich seines 25jährigen Berufsjubiläums um 9.30 Uhr in seinem Empfangssalon alle Bühnenvorstände, sowie eine Deputation des Solopersonals, des Chors, des Balletts, des Orchesters und der technischen Abteilungen unter der Führung des Seniors des Hauses, Herrn Oberregisseur Prof. Stolls, um den Direktor des Hauses zu beglückwünschen. Die Rede Stolls lautete: „Hochgeehrter Herr Direktor! Es wurde mir als Senior die Ehre zuteil, Ihnen anlässlich Ihres 25jährigen Jubiläums im Namen sämtlicher Mitglieder der k.k. Hofoper die herzlichsten und aufrichtigsten Gratulationen zu überbringen. Wer Sie so ansieht, muß überzeugt sein, dass Sie nach einem Wahlspruch leben, der lautet: ‚Willst Du selber glücklich sein auf Erden, so wirke, dass es auch andere werden. Denn nur ein solches sinnig Glück, strahlt selbst auf Dich zurück!’ Daher begreifen wir auch, dass wir Sie heute an Ihrem Jubeltage in solch geistiger und körperlicher Frische, lebensfroh, nach so langer künstlerischer Dienstzeit begrüßen. Gestatten Sie, dass wir unseren Gefühlen in einem Wunsche Ausdruck verleihen: Die Allmacht möge Ihnen noch weitere 25 Jahre mit demselben Erfolg und vor allem

296 Vgl.: Kt. Oper 294/14, Zl: 797. 297 Vgl.: Kt. Oper 282/13, Zl: 1421. 112 in Zufriedenheit an der Seite Ihrer hochgeschätzten Frau Gemahlin, wie die verflossenen, geben. Dies ist unser Wunsch, dem ich nur noch hinzuzufügen habe: Der Jubilar Hans Gregor, er lebe Hoch!“ 298

Gregor antwortete: „Meine Damen und Herren! Sie sehen mich verwirrt und beschämt, wie einen jungen, unerfahrenen Debatter, wenn Hieb und Stoss seines Redegegners gut gesessen haben. Halten Sie das bitte meinem hohen Alter zugute, das Sie soeben, reichlich unterstrichen, mir mit so viel Eindringlichkeit vor Augen geführt haben. 25 Jahre: Und nun gar 25 Jahre beim Theater, die letzten obendrein zugebracht auf oft stürmisch bewegter See! Pardon – als Direktor des Wiener Hofoperntheaters – gehen eben nicht spurlos am Menschen vorüber. Aber es verwirrt mich und bedrückt mich noch etwas anderes, etwas Schönes, etwas was mich eigentlich erheben sollte: Ihre Zuneigung, die in den lieben Worten die soeben durch den Mund Ihres Redeführers, des Herrn Prof. Stoll, so klingenden Ausdruck fanden. Denn ich frage mich: Habe ich denn diese Zuneigung in den 2 ½ Jahren schon verdient, verdienen können? Besonders ich, mit meinen Grundsätzen, die immer so offensichtlich mehr auf das Wohl der Sache, als auf das der Person gerichtet waren. Sollten Sie etwa erkannt haben, dass meine Anschauungen den Anschauungen aller Männer von Ehre und Pflichtgefühl, und also auch den Ihren, so ferne gar nicht stehen, dass vielleicht mein Weg, sicher aber nicht mein Ziel, ein anderes ist als das Ihre, und, dass das Wohl der Sache, besonders bei Berufsmenschen, die wir ja alle sind, die unbedingte Voraussetzung für das Wohl der Person, ja, ich möchte sagen, das Wohl der Person selbst, ist. Dieses Erkenntnis gerade am heutigen Tage bei Ihnen annehmen, vermuten, zu dürfen, würde mir, wie ich Sie aufrichtig und ehrlich versichere, die schönste, die stolzeste Genugtuung sein. Ja sie könnte mich veranlassen, dem Vorschlag Ihres Redners zu folgen, und mich Ihnen noch weitere 25 Jahre zum Führer anzutragen, und glücklich, vom ganzen Herzen glücklich würde ich sein, wenn ich hoffen dürfte,

298 Kt. Oper 281/13, Zl: 1214. 113

W i e n, mit dieser – verzeihen Sie mir den Kasernenausdruck, es ist sicher der erste, den Sie von mir hören – Kapitulation eine Freude zu machen. Nochmals aufrichtigen und innigsten Dank.“ 299 Verschiedene Zeitungen, unter anderem die „Allgemeine Zeitung, vom 1.10., „Deutsches Volksblatt“ vom 2.10., „Neue Freie Presse“ vom 1.10. 1913, brachten freundliche Artikel zu diesem Jubiläum. 300

Mit 1.1. 1914 wurde die Wagner-Oper „Parsifal“ frei. In den ersten beiden Jännerwochen fanden in Europa lückenlos „Parsifal“- Aufführungen statt. Der Tenor der Presse: Wien habe eine hervorragende Aufführung unter der Regie Wymetals, der musikalischen Leitung Schalks und der Ausstattung Alfred Rollers zustande gebracht, jedoch der „Parsifal“ gehöre nach Bayreuth. Die Vorstellungen in Wien waren alle ausverkauft, unzählige Kartenwünsche trafen ein, die alle an die Generalintendanz weitergeleitet wurden. Hofburgtheaterdirektor Hugo Thimig wollte zur Generalprobe noch zwei Karten für Gattin und Schwiegermutter. Der Wunsch wurde abgelehnt, Thimig selbst erhielt natürlich eine Karte. Trotzdem schickte der Hofburgtheaterdirektor Gregor ein Telegramm, eines unter vielen: „Innigsten Glückwunsch zum großen Sieg und großer Tat. Thimig.“ 301 Gregor ließ für den „Parsifal“ den Orchestergraben vertiefen und teilweise überdecken, um so dem „Meister“ zu entsprechen, wie er dies als Jugendlicher in Bayreuth selbst erlebt hatte; sicherlich wurde er auch aus den Schriften Wagners inspiriert. Fürst Montenuovo soll selbst die provisorische Überdeckung begutachtet haben. Gregor mahnte zur Eile; die Proben sollten bereits im vorgesehenen Orchestergraben stattfinden und auf Wunsch der Generalintendanz sollte die Erstaufführung an der Wiener Hofoper an einem Samstag oder Sonntag stattfinden. Generalprobe war am 13.1. und die Erstaufführung am Wiener Hofoperntheater fand am 14. 1. 1914 statt. 302 (Näheres dazu in Kapitel 8.) Nach der Premiere richtete Gregor folgendes Schreiben an die Belegschaft: „Da nach monatelangen Vorbereitungsmühen eine Arbeit von seltener Bedeut- samkeit, deren Bewältigung an die Hingabe und die Pflichttreue jedes einzelnen

299 Kt. Oper 281/13, Zl: 1214 300 Vgl.: Kt. Oper 281/13, Zl: 1214. 301 Kt. Oper 288/14, Zl: 32. 302 Vgl.: Kt. Oper 288/14, Zl: 32. 114

Beteiligten die höchsten Anforderungen stellte, zum erwünschten Ende geführt ist, ist es mir ein aufrichtiges Herzensbedürfnis, allen denen, die am Gelingen des großen edlen Werkes in welcher Stellung immer ihren tätigen Anteil hatten, meinen wärmsten Dank und meine uneingeschränkte Anerkennung auszusprechen. Möchte auch in der Zukunft der gleiche opferwillige Sinn, die gleiche Schaffensfreude stets so wie heute Zeugnis ablegen von dem guten Geiste, der Bühnen-Vorstände, Solisten und Körperschaften im k.k. Hofoperntheater eint, wenn es gilt am Unmög- lichen die Kräfte zu proben. Ich habe die angenehme Pflicht mitzuteilen, dass die hohe k.u.k. General-Intendanz der k.k. Hoftheater bei diesem Anlass den einzelnen Körperschaften Remunerationen bewilligt hat, die von morgen ab zur Auszahlung gelangen. Wien, am 15.1. 14 Hans Gregor.“ (Dieser Text wurde den Morgenblättern für 16.1.14 ebenfalls zur Verfügung gestellt.) 303

Im letzten Drittel des Jahres 1913 stiegen die Lebenshaltungskosten stark an und von den einzelnen Abteilungen des Hofoperntheaters langten am 22. 11. 1913 Gesuche um Gehalts- und Lohnerhöhung ein, die Gregor mit Befürwortung an die Generalintendanz weiterleitete. Seine Maxime, nur mit zufriedenem Personal könne ein Theaterbetrieb reibungslos ablaufen, untermauerte dies. 304

In einem Sammelakt sind auf vorgedruckten Formularen Bitten an die „Löbliche Direktion“ zu finden: Gregor wird regelrecht „bombardiert“ von Gastauftrittswünschen der Herren Piccaver, Miller, Schmedes, Maikl, Baklanoff, Burrian, Mayr, und der Damen Gutheil-Schoder, Kiurina, Weidt, Jeritza, um die bekanntesten SängerInnen zu nennen. Auch um Verlegung von vereinbarten Urlauben aus persönlichen Gründen wurde gebeten. Gregor war stets bemüht – soweit es seinen Spielbetrieb nicht belastete, oder, wie schon erwähnt, auch die Sänger selbst – den Wünschen gerecht zu werden. Es ging allen Direktoren so: Die zunehmende Mobilität führte immer mehr zu einer langsamen Demontage des Ensemblebetriebes. Dies wurde Gregor stets vorgeworfen; auch das „Starwesen“ etablierte sich immer mehr und

303 Kt. Oper 289/14, Zl: 79. 304 Vgl.: Kt. Oper 282/13, Zl: 1424. 115 mehr, obwohl gerade Gregor gegen das Starwesen immer eingetreten war und das Ensemble für ihn die wichtigste Stütze eines Theaterbetriebes bedeutete. Jedoch konnte er sich dem Zug der Zeit nicht entgegenstellen. Man konnte es drehen und wenden wie man wollte – irgendjemand hatte immer etwas auszusetzen. Gregor besaß eine „dicke Haut“ und ließ sich weder durch Kritik von außen noch durch Unmutsäußerungen von innen aus dem Konzept bringen. Für die einen war er der desaströse Zerstörer des Kunstbetriebes, für die anderen der preußische, forsche Kerl, der mit eiserner Hand seinen Betrieb führte. 305 Gregor wollte zufriedene Künstler und Mitarbeiter, jedoch dürfte seine eiserne Führung im Wiener Hofoperntheater teilweise nicht gut angekommen sein – jedenfalls aus der Sicht der Nachwelt. (In Punkt 11 wird näher darauf eingegangen.)

Am 1.4. 1914 wurde Franz Schmidts Oper „Notre Dame“ uraufgeführt und erhielt begeisterte Kritiken. Man wunderte sich, dass dieses Werk schon zehn Jahre im Archiv geschlummert hatte, ohne dass sich die jeweiligen Direktionen (Mahler, Weingartner) daran herangetraut hätten. Dies stellt kein gutes Zeugnis für die Urteilskraft dieser Direktionen aus, 306 bedeutet jedoch einen weiteren „Plus-Punkt“ für Gregor.

Caruso gab immer wieder Gastspiele am Wiener Hofoperntheater, vermittelt durch seinen Impresario Emil Ledner (Berlin). 1911 waren es die Tage 20., 23. u. 25. September.307 Es galten erhöhte Eintrittspreise, Caruso kostete für diese drei Abende 45.000 K ohne Steuern. Im Jahre 1913 trat Caruso am 15., 18. u. 20. September auf. 308 Caruso sollte 1914 wieder ein Gastspiel geben, doch waren die Septembertermine 1914 für ihn nicht möglich, und so sollten die Tage 1., 4. u. 7. Oktober 1914 reserviert werden. Dazu existiert reichhaltige Korrespondenz vom Feber 1914 mit seinem persönlichen Agenten Ledner, doch dieser Termin konnte wegen Ausbruch

305 Vgl.: Kt. Oper 286/13, Zl: VIII a 1 – 189. 306 Vgl.: Kt. Oper 289/14, Zl: 188. 307 Vgl.: Kt. Oper 242/11, Zl: 97. 308 Vgl.: Kt. Oper 250/11, Zl: 1514. 116 des Ersten Weltkrieges nicht wahrgenommen werden. 309 (Ausführlicher dazu unter Punkt 7.1.)

Alljährlich fanden in Salzburg im Sommer ca. vom 12. – 20. August Mozartfestspiele statt. Das Hofopernensemble wirkte dort samt Instrumenten, Kulissen und Kostümen mit. Da das Hofoperntheater seinen Spielbetrieb bereits jeweils am 15. 8. wieder aufnahm, mussten in den ersten Tagen der neuen Saison oft Kompromisse bezüglich der Sänger und Musiker gemacht werden. Am 16. 2. 1914 wurden vom Präsidium des Mozarteum die Tage 12. – 20. August 1914 gemeldet; „Die Entführung aus dem Serail“ und „“ sollten aufgeführt werden. Die Festspiele wurden vom Mozarteum organisiert und bezahlt. (Vermerk am Akt, wie seit 1906.) Wegen der Kriegsereignisse wurden sie abgesagt. 310

Gregor verfasste eine zehnseitige Aufstellung aller Mißstände auf der Bühne, die er bereits bei seinem Amtsantritt 1911 vorgebracht hatte, und die endlich dringendst abgestellt und in Angriff genommen werden müssten. Dies betraf die Beleuchtung, tiefere Versenkung, die Bühne in Plateaus zerlegt die jeweils verschieden, auch mindestens 4 m erhöht werden könnten, die Gassen-Einteilung gehörte beseitigt, der Schnürboden wäre so hoch als möglich anzubringen, und, und, und! Er führt als Beispiel auch Berlin an, obwohl dort ein neues Haus gebaut wird, werden im Bestehenden in dieser Weise Neuerungen angebracht und Dresden sei ebenfalls auf dem neusten Stand. Bühneninspektor Bennier reiste – allerdings mit fast dreijähriger Verspätung – am 22.6. 1914 nach Dresden, um sich die Konstruktion der neuen Unterbühne im königlichen Opernhaus anzusehen. 311 Am Schluss erwähnt Gregor, dass durch diese Umbauten keineswegs die Mißstände, die in den Werkstätten und in den Dekorations-Depots herrschen abgestellt seien, jedoch beseitigt werden sollten, das versteht sich von selbst. Durch die vorhandene Situation müssen viele Überstunden gemacht werden, man muss sogar auf Nachtarbeit ausweichen, die Bühnenarbeiter könnten oft die ihnen

309 Vgl.: Kt. Oper 290/14, Zl: 232. 310 Vgl.: Kt. Oper 290/14, Zl: 236. 311 Vgl.: Kt. Oper 294/14, Zl: 854. 117 zustehende Ruhe, bzw. Pausen nicht einhalten und sich dadurch das Arbeitsklima verschlechtere, obwohl sich alle sehr bemühten. Dass oftmals keine Proben abgehalten werden können, weil die Bühne noch ab- oder umgebaut werden muss. (Dieses Schreiben ging am 4.3. 1914 an Fürst Montenuovo, Baron Wetschl und Hofrat Horsetzky.) 312 Einige dringende Renovierungsarbeiten konnte Gregor noch in der Friedenszeit durchführen lassen, wie eine neue eiserne Kurtine, Kosten 36.600 K durchgeführt von der Firma d’Ester, Bemalung durch Firma Brioschi. 313 Am 27.4. 1914 ersucht Gregor die GI um die Erneuerung und Höherlegung des Rundhorizonts. Nach Absprache mit dem Gebäudeinspektor Herrn von Karajan (ein Verwandter des späteren Dirigenten und Direktors der Staatsoper), habe dieser prinzipiell keinen Anstand erhoben. Kosten für maschinelle Einrichtung 1.500 K, Umlegung der Sofitten-Anschlüsse 4.200 K, Bedeckung wäre gegeben. Für die Erhaltung der Schnürbodeneinrichtung steht ein Jahreskreditrest von 4.800 K zur Verfügung. Die Kosten für die Leinwand und Bemalung zweier Rundhorizonte sind durch Fundus-Erhaltung und Ergänzung Dekoration gedeckt. Gregor hatte ohne zu ahnen, dass ein Krieg vor der Tür steht, doch einige Veränderungen bewirken können. 314 Ein dritter Transportwagen für die Dekorationen musste angeschafft werden. 315 Andere Vorhaben mussten warten. Es sollte ja gespart werden. Dies ist auch dem Hof-Staats-Voranschlag für 1914 zu entnehmen. Am 14. Feber 1914 wurde der Hof-Staats-Voranschlag für das Jahr 1914 genehmigt: Einnahmen: 3, 361.300 K Ausgaben: 4,065.900 K Defizit: 704.600 K „Die Direktion möge mit aller Energie dahin trachten, mit den präliminierten Summen das Auslangen zu finden. gez: GI Horsetzky.“ 316 Der Rechnungs-Abschluss des Jahres 1913 zeigt ein Defizit von 821.366.66 K auf. 317 Gebrauchte Dekorationsleinwand, sollten aufgrund eines Ansuchens der Gartenverwaltung Schönbrunn, dieser zur Abdeckung für Pflanzen im Winter

312 Vgl.: Kt. Oper 290/14, Zl: 239. 313 Vgl.: Kt. Oper 292/14, Zl: 515. 314 Vgl.: Kt. Oper 292/14, Zl: 708. 315 Vgl.: Kt. Oper 292/14, Zl: 562. 316 Kt. Oper 290/14, Zl: 241. 317 Vgl.: Kt. Oper 294/14, Zl: 744. 118

überlassen werden. Gregor argumentierte, wenn die Leinwand jedoch nach Gebrauch nicht mehr zu verwenden wäre, neuerliche Übermalungen sind obligat, müsste die Gartenverwaltung pro m² 60 h bezahlen. 318 Es ist ersichtlich, Gregor hatte das Haus gut im Griff.

Schon zu Beginn seiner Tätigkeit am Hofoperntheater, hat Fürst Montenuovo auf eine dementsprechende Anfrage von Gregor, ob Wünsche des Hofes in der Programmgestaltung berücksichtigt werden müssen, geantwortet, er brauche keine Sorge haben, bis auf staatspolitische Rücksichten, muss mit keiner Weisung gerechnet werden. Ein Beispiel: Das k.k. Ministerium für Kultur und Unterricht wollte erreichen, dass Gregor die Oper „Falena“ von Anton Smareglia aufführe. Die GI antwortete am 25.2. 1914 im Auftrag des Fürsten dem Ministerium, dass aus prinzipiellen Gründen von einer Einflussnahme auf die Direktionen der Hoftheater, bei der Auswahl der in Betracht kommenden Werke, Abstand genommen wird. 319

Mit Mitarbeitern und Freunden aus der Berliner Zeit hatte Gregor ebenfalls noch Kontakt. Hier kann auf die guten Verhältnisse zur Presse verwiesen werden – siehe „Hugenotten“ – Skandal. Mit dem Bühnenbildner Karl Walser, der für Gregor all die Jahre an seiner „Komischen Oper“, Berlin, Hervorragendes leistete, korrespondierte er ebenfalls. Am 6.3. 1914 ersucht er diesen um die Skizzen für Bühnenbild und Kostüme der seinerzeitigen sehr erfolgreichen „Carmen“ – Aufführung und versichert, dass alles nur in den eigenen Werkstätten gefertigt wird und nur für das Wiener Hofoperntheater Verwendung findet. Dass Walser die Skizzen etwas revidieren will bedauerte Gregor, er hing sehr an der damaligen Dekoration. Über den Verlag Bruno Cassirer, Berlin erhielt Gregor die Skizzen, 22 Blatt, Dekorationen und Figurinen.320

Das Orchestermitglied Prof. , der Komponist der Oper „Notre Dame“ soll Fortbildungslehrer für Cello und für Klavier der VIII. Rangklasse (Honorar 3.600 K plus einer Aktiv-Zulage von 1.380 K) an der Akademie für Musik und darstellende

318 Vgl.: Kt. Oper 292/14, Zl: 568. 319 Vgl.: Kt. Oper 290/14, Zl: 256. 320 Vgl.: Kt. Oper 290/14, Zl: 264. 119

Kunst werden, er müsste dann aber seine Stellung als Hofmusiker wegen Überbürdung aufgeben. (2.3. 1914) 321 Am 5. 4. 1914 ersuchte er Gregor, sein Dienstverhältnis bei vollen Bezügen bis 30.9.l.J. zu belassen und wenn notwendig, wird er einen Substituten auf seine Kosten zur Verfügung zu stellen. Es wurde ihm gewährt. 322 Schmidt hatte anlässlich seines Ausscheidens das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens erhalten. 323 Im März 1914 fragte die Große Oper Paris an, ob das Ensemble des Wiener Hofoperntheaters in Paris auftreten würde, im Gegenzug würde das Pariser Ensemble in Wien auftreten. Gregor bedauerte, in seinem Schreiben an den Direktor der Großen Pariser Oper vom 10.3. 1914, dem Offerte nicht näher treten zu können, da nach den bestehenden Wiener Usancen dies leider nicht möglich ist. 324 Ebenso musste Gregor leider den von der Konzertagentur Lyra, Budapest, für April oder Mai 1914 offerierten berühmten Bassisten Schaljapin ablehnen, da sogenannte Ehrengastspiele an der k.k. Hofoper nicht gestattet sind. 325 Lediglich für Caruso wurde von der GI eine Ausnahme gemacht, er wurde jeweils für seine Gastspiele in Wien Ensemblemitglied. (siehe Pkt. 7.1.).

Der Akademische Verband für Literatur und Musik, Wien 1., Reichsratstrasse führt Beschwerde, dass seit Mahler es den Studenten und Kunstbeflissenen oft unmöglich gemacht wird, auf bescheidenen Plätzen einer Vorstellung beizuwohnen. Es seien die Preise zu hoch und der Spielplan lässt alle Wünsche offen. Gregor antwortet am 18.3. 1914, dass ihm der Inhalt des Briefes (ohne Datum) schon vor Eingang bekannt war und die Begleitumstände ihn zu dem Schluss kommen lassen, dass nicht nur sachliche Motive Grund und Schreibanlass waren, „so muss ich mir zu meinem großen Bedauern ein Eingehen auf die Sache, bzw. eine Richtigstellung der Irrtümer des Briefes versagen. Genehmigen Sie die Versicherung der besten Hochachtung Ihr ergebener (H.Gregor)“. 326

321 Vgl.: Kt. Oper 290/14, Zl: 310. 322 Vgl.: Kt. Oper 291/14, Zl: 440. 323 Vgl.: Kt. Oper 294/14, Zl: 476 u. 823. 324 Vgl.: Kt. Oper 290/14, Zl: 350. 325 Vgl.: Kt. Oper 292/14, Zl: 509. 326 Kt. Oper 291/14, Zl: 397. 120

Der Schreiber war sichtlich ein Mahler – Anhänger, mit einigen hatte schon Weingartner seine Grabenkämpfe. (Im Anhang: Schreiben Gregors an Dr. Korngold vom 22.3. 1914).

Die letzten Friedensmonate sind noch mit wichtigen und weniger wichtigen Theater- Alltag angefüllt: Fr. Gutheil-Schoder kommt ein Teil ihres „Bajazzo“ – Kostüms abhanden, es gibt wieder einmal Mißstände im Orchester, die Bühnenarbeiter arbeiten nicht so wie sie sollten, Versatzstücke sind nicht auffindbar. 327 Bei „Götterdämmerung“ sollte der Zuschauerraum etwas erhellt werden, aber da könnte die Wirkung, die Wagner vorgab, nicht erreicht werden. 328 Die Philharmoniker geben für die Saison 14/15 ihre Konzertdaten bekannt. Die GI wünscht jedoch, dass in den weiteren Saisonen die Konzerte in den 7 Monaten, jeweils von Oktober bis April, so zu verteilen sind, dass höchstens 2 Konzerte jeden Monat, aber nicht auf zwei aufeinander folgende Sonntage angesetzt werden. 329 Am 31.3. 1914 überreicht Kapellmeister Reichenberger Gregor persönlich einen Vorschlag zu einer Richard Strauss – Woche im Herbst am Hofoperntheater, anlässlich des 50. Geburtstages des Meisters. Die Wiener Tonkünstler veranstalten ebenfalls Strauss-Feiern, im Theater a.d. Wien wird eine Matineefeier stattfinden. Außerdem enthält der Akt ein Schreiben des Erzherzog Franz Salvator, dass Ksl. Hoheit Erzherzogin Valerie (Tochter des Kaiserpaares Franz Josef I. und Elisabeth) sich nie gegen eine Aufführung der „Salome“ am Hofoperntheater ausgesprochen habe. (Die Festvorstellungen für Strauss dürften infolge des Krieges nicht stattgefunden haben.) 330 Gregor erreicht bei den zuständigen Stellen, dass die Schnellbahn Wien – Baden an jenen Tagen an welchen die Vorstellungen im Hofoperntheater nach 11 Uhr nachts endigen, ein eigener Opernzug eingesetzt wird. Besonders bei Wagner Opern mussten die Besucher die Vorstellung nicht mehr vorzeitig verlassen. Der Zug ging um 12 Uhr nachts ab und erreichte Baden um 1 Uhr. 331

327 Vgl.: Kt. Oper 291/14, Zl: 378. 328 Vgl.: Kt. Oper 291/14, Zl: 379. 329 Vgl.: Kt. Oper 291/14, Zl: 381. 330 Vgl.: Kt. Oper 291/14, Zl: 454. 331 Vgl.: Kt. Oper 292/14, Zl: 551. 121

Weingartner ließ über die Universal – Edition A.G. seine Oper „Kain und Abel“ der Hofoper anbieten. Gregor erkundigte sich nach den mäßigsten Bedingungen für deren Erwerb. (Er dürfte von der Oper nicht viel gehalten haben und hatte Recht.) Die Uraufführung fand in Darmstadt statt. 332 Das Textbuch sendet die GI am 15.6. ohne Striche zurück und hat gegen eine Aufführung nichts einzuwenden. 333

Ende Mai bis Juni 1914 war Gregor auf seiner letzten Auslandsreise und zwar in Paris und London. Er hatte sich sehr viele Aufführungen angesehen, Sänger gehört, mit Kollegen viele Gespräche geführt – er dürfte ein paar Mal zwischen Paris und London gependelt sein – die Berichterstattung aus Wien funktionierte wie immer. Richard Strauss sollte am 10.6. 1914 dirigieren, leider musste er absagen. Er wäre jedoch bereit anlässlich der herbstlichen Strauss-Wochen seine „Elektra“ ohne Gage zu dirigieren. Welch Wunder! Ansonsten war Strauss beinhart im Gagen verhandeln. Sein Ballett „Josefslegende“ ließ er vorläufig, lt. Mitteilung des Musikverlages Adolph Fürstner, nur von der russischen Ballettgruppe des Herrn Sergei von Diaghilew aufführen. 334 Sekretär Muster schreibt Gregor, wenn er dem Meister zum Geburtstag gratulieren will, so halte sich dieser am 11.6. in Garmisch auf. 335

Nach den Aktenunterlagen dürfte die letzte Auslandsreise Gregors etwas länger gedauert haben, anfangs Juli war er noch einmal in Paris, da Dir. Przistaupinsky ihm noch nach Paris schrieb. Von Paris ist Gregor mit seiner Frau nach Ostende zur Erholung gefahren, wo ihm laufend aus Wien berichtet wird. Schalk dürfte ein bisschen intrigiert haben, denn er wollte die Jeritza unbedingt für Weingartners „Kain und Abel“ haben und steckte sich hinter Weingartner. Letztlich schlägt er selbst eine andere Besetzung vor. 336 (lt. Theaterzettel vom 4.12. 1914 hatte die Jeritza doch gesungen). Die Kriegserklärung der Österr.-Ungar. Monarchie am 28.7. 1914 an Serbien hatte Gregor in Ostende erlebt.

332 Vgl.: Kt. Oper 292/14, Zl: 569. 333 Vgl.: Kt. Oper 294/14, Zl: 751. 334 Vgl.: Kt. Oper 294/14, Zl: 821. 335 Vgl.: Kt. Oper 292/14, Zl: 565. 336 Vgl.: Kt. Oper 294/14, Zl: 869. 122

Ihm wurden aus Wien die ersten Einberufungen mitgeteilt, Solosänger, Orchester- mitglieder und Männer vom Bühnendienst. Maler Prof. Hans Pühringer erwartete stündlich seine Einberufung und hatte die Figurinen für „Mona Lisa“ und „Wiener Legende“ noch schnell fertig gestellt und geliefert. 337 Telegramm von Gregor an seine Kanzlei vom 11.8. 1914: „hofft morgen Abend in Wien zu sein.“ 338

Bereits am 4.6. 1914 legte Gregor im Einvernehmen mit der GI die allgemeinen Theaterferien vom 23.6. bis 17.8. 1914 fest, die Gehälter für Juli und August wurden früher angewiesen. Während der Theaterferien konnte gegen eine Eintrittsgebühr von 60 Heller pro Person, täglich von 9 – 12 Uhr und von 14 – 17 Uhr das k.k. Hofoperntheater besichtigt werden, (ausgenommen die Nachmittage an Sonn- und Feiertagen). Anmeldung bei der Gebäudeverwaltung. 339 Am 17.6. 1914 gibt es noch eine Order, dass es nicht gestattet ist, im Kostüm die Direktions-Büros, bzw. die Zugänge zu diesen zu betreten. 340

Ein Gastspielangebot der Konzertdirektion Leonard, Berlin, die Tänzerin Pawlowa betreffend, wird von Gregor am 16.6. mit der Begründung, vorläufig keine ausländischen Gastspiele anzunehmen, abgelehnt. 341 Kriegsahnung konnte es zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht gegeben haben, der Mord in Sarajewo an Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Frau wurde erst am 28.6. 1914 verübt. 342

Am 10.8. 1914 verfügt die GI mit Reskript Zl. 2934, dass die Ferien des k.k. Hofoperntheaters bis 31.8. 1914 verlängert werden. 343

337 Vgl.: Kt. Oper 294/14, Zl: 840. 338 Kt. Oper 294/14, Zl: 840. 339 Vgl.: Kt. Oper 294/14, Zl: 745. 340 Vgl.: Kt. Oper 294/14, Zl: 800. 341 Vgl.: Kt. Oper 294/14, Zl: 811. 342 Vgl.: „Der große Brockhaus“ Bd. 8, Wiesbaden: Verlag F.A. Brockhaus, 1955, S 634. 343 Vgl.: Kt. Oper 295/14, Zl: 896. 123

6.3. Opernalltag, Organisation (1914 – 1918 Kriegszeit:)

Am 31.8. 1914 verfügte die GI, dass das Hofoperntheater ab 1.9. 1914 geschlossen bleibe und da die Schließung sicherlich länger als vierzehn Tage dauern werde, seien alle entsprechenden Personen zu verständigen. Ein diesbezügliches Schreiben erging an alle Beteiligten: „Die Direktion bringt Ihnen hiemit dies zur Kenntnis mit dem Bemerken, dass Sie sich trotz Schließung des Theaters der Direktion zur Verfügung zu halten und insbesondere unter Hinweis auf den § 31 der Ordnungsvorschriften das Weichbild der Stadt, wie während der Spieldauer, nicht zu verlassen haben.“ 344 Der Direktion stand das Recht zu, die Solisten von Gesang und Ballet, Sekretär Muster, Oberregisseur Wymetal, u.s.w. die den § 16 in ihrem Vertrag haben zu beurlauben. Gregor ersuchte jedoch alle Beteiligten, sich in den nächsten Tagen noch zur Verfügung zu halten, da er Verhandlungen nach dem Muster der Deutschen Bühnen führte – hier ging es um einige Öffnungstage in der Woche – um eventuell doch in absehbarer Zeit wieder aufzusperren. Ab 1. Oktober wurde nur mehr das Grundgehalt, bzw. Grundgage ausbezahlt ohne Funktionszulage und Extrahonoraren. 345 Die Arbeit in der Oper ging vorläufig ganz normal weiter, jedoch ohne Abendvorstellung. Das geht auch aus einem Brief an Weingartner in der Schweiz hervor. Weingartner urgiert die Aufführung seiner Oper „Kain und Abel“. Gregor berichtet ihm am 3.9. 1914, dass mit dem Studium der Solopartien bereits begonnen wurde und er hätte auch schon gerne Orchester-Korrekturproben angeordnet, leider habe er das Material vom Verlag noch nicht erhalten. Eine Fixierung eines Premierentermines ist vorläufig unmöglich. 346 Im September wurde der Probenbetrieb auf einige Zeit eingestellt, jedoch mit 1. Oktober 1914 lief wieder das volle Programm und Gregor erwartete täglich die Weisung der GI aufsperren zu können. Zum Heer einberufene Mitglieder des Hofoperntheaters mussten der GI gemeldet werden, durch sie konnte Gregor eine Beurlaubung für die Oper erreichen im

344 Kt. Oper 296/14, Zl: 956. 345 Vgl.: Kt. Oper 296/14, Zl: 956. 346 Vgl.: Kt. Oper 296/14, Zl: 965. 124

Hinblick, dass das Haus bald wieder bespielt werden könnte. Für die im Militärdienst verbleibenden Mitglieder ruhte der Vertrag und sie erhielten einen Subsistenzbeitrag in Höhe ihrer Gage zuerkannt. 347 Allerdings für provisorisch Bedienstete erlosch deren Dienstverhältnis, wenn sie noch nicht zehn Jahre tätig waren. Jedoch nach ihrer Rückkehr konnten sie bei vorhandener Dienstfähigkeit, ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Solche Personen mussten um einen staatlichen Unterhaltsbeitrag – zur Versorgung ihrer Familien – ansuchen. 348 (Diese Anordnung traf jedoch keine Solisten.)

Gregor war bemüht, in Verhandlungen mit der GI und Fürst Montenuovo diese zu überzeugen, dass gerade in so schwierigen Zeiten eine Ablenkung für die Mitbürger notwendig sei und versuchte bereits Bedingungen auszuarbeiten, unter welchen gespielt werden könnte: • Es sollten wöchentlich nur vier Vorstellungen zu reduzierten Preisen stattfinden. • Alle Mitglieder mit einem Gesamteinkommen bis 7.200 K bleiben im Genuss ihrer vorläufigen Bezüge. • Alle Mitglieder bis zu einem Gesamteinkommen von 36.000 K erhalten 50% ihrer Gesamtbezüge, jedoch nicht weniger als 7.200 K. • Mitglieder mit einem Gesamteinkommen von über 36.000 K erhalten 18.000 K. • Spielhonorare sind aufgehoben. • Die Hoftheaterbehörde hält sich an diesen Vorschlag nur gebunden. Wenn alle Mitglieder, ohne jede Ausnahme diesen Vorschlag acceptieren. • Die Hoftheaterbehörde behält sich ungeachtet dieses Übereinkommens jederzeit das Recht der Schließung vor.

Natürlich gab es auch hier Ausnahmen. Mit Frau Selma Kurz und Herrn William Miller wurden Seperatabkommen getroffen, 4.9. 1914. Frau Anna Bahr-Mildenburg

347 Vgl.: Kt. Oper 295/14, Zl: 881. 348 Vgl.: Kt. Oper 295/14, Zl: 892. 125 war mit einem Abendhonorar von 1.000 K einverstanden. Eine Sistierung der hohen Pensionsbeiträge wurde beantragt. 349 Eingerückte ledige Mitglieder erhielten monatlich 50 K, hier handelte sich meist um Beleuchter und Bühnenarbeiter, die für Angehörige zu sorgen hatten. 350

Bereits am 3. Oktober 1914 gab man ein Festkonzert zu Gunsten der Soldaten im Felde und für die Witwen und Waisen der Gefallenen. Mitwirkende: Philharmoniker, Franz Schalk und KS Richard Mayr. Die GI gab am 19.9. 1914 ihre Zustimmung. 351 Es wurde zwar gewünscht, dass sich Sänger und Musiker für Wohltätigkeitskonzerte zur Verfügung stellten, natürlich mussten diese Mitwirkungen der Solisten der Direktion Gregor und der Musiker ihrer Musikdirektion gemeldet und genehmigt werden, da sonst ein reibungsloser Ablauf des Normalbetriebes eines Theaters nicht gegeben war. 352

Im Oktober 1914 gab es schon Cholerafälle. Es wurden strengste Verhaltensmaßregeln getroffen, so durften heimgekehrte Verwundete oder Fremde, nicht in hofärarischen Wohnungen untergebracht werden. 353

Endlich war die erwartete Weisung des Obersthofmeistes vorhanden, am 18. Oktober 1914 durften die Hofoperntheater wieder ihre Pforten öffnen. Gespielt wurde am Hofoperntheater Montag, Mittwoch, Freitag und Sonntag, am Hofburgtheater Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der teuerste Platz, Loge im Parterre und 1. Rang, kostete 30 K, der billigste Platz, 4. Galerie, 80 Heller. 354

Bereits im November 1914 gab es Kontakte zwischen Gregor und Obersthofmeisteramt bezüglich Wiederaufnahme des normalen, täglichen Opern- betriebes. Die Initiative ging von der vorgesetzten Behörde aus. Gregor unterbreitete verschiedene Rechnungsvarianten und sprach sich für den Moment eher dagegen

349 Vgl.: Kt. Oper 296/14, Zl: 973. 350 Vgl.: Kt. Oper 296/14, Zl: 1005. 351 Vgl.: Kt. Oper 296/14, Zl: 992. 352 Vgl.: Kt. Oper 299/14, Zl: VIII – a, VIII – b. 353 Vgl.: Kt. Oper 296/14, Zl: 1032. 354 Vgl.: Kt. Oper 296/14, Zl: 1047. 126 aus, da das technische Personal aufgestockt werden müsste, die Künstler wieder ihre vollen Gagen erhielten. Dies würde eine Anhebung des Kartenpreises nach sich ziehen, außerdem befürchtete Gregor, dass mit der Vermehrung der Spieltage eher eine Herabminderung als eine Steigerung des täglichen Besuches zu erwarten sei. (Im Anhang: Berechnungen für eventuelle volle Spielbetriebsaufnahme vom 2.1. 1915.) 355 Gregor hat diesbezüglich mit Graf Hülsen, Berlin, Gedankenaustausch gepflegt und wurden die Wiener mit den Berliner Ausnahmebedingungen verglichen. 356 Bei einer Wiederaufnahme des normalen Betriebes, könnte das Abonnement in der bisherigen Form nicht aufrechterhalten werden. Für das erste Halbjahr 1915 könnten nur Logen ausgegeben werden. (Ausnahme: wenn Vorstellungen für Zwecke des Allerhöchsten Hofes stattfinden). 357 Kriegsbedingt gab es natürlich immer wieder Einschränkungen, besonders die Mitteilung der Direktion der städtischen Straßenbahnen traf das Publikum bei längeren Opern, da der Straßenbahnbetrieb um 23.30 Uhr eingestellt wurde. 358 Das Obersthofmeisteramt fordert die Hoftheater zu mehr Sparsamkeit auf. Telegramme und Telefonate sollen nur wenn unbedingt notwendig verwendet werden, ansonsten möge alles schriftlich erledigt werden. Man habe Kenntnis erhalten, dass ein Telegramm in Rechnungsangelegenheiten 143 Worte enthalten habe. 359 Es ist jedoch kaum vorstellbar, wie ein Theaterbetrieb ohne Telefonate und Telegramme auskommen sollte. Schriftlich waren wohl kurzfristige Dispositionen nicht durchführbar. Hier muss angefügt werden, dass sich in den Kriegsjahren, wie auch schon vorher, die Direktoren von Budapest, Prag, Berlin, München, Wien und anderer angrenzender Städte immer bemüht haben, Künstler zur Aushilfe kurzfristig zur Verfügung zu stellen. Gregor musste zwar oft ablehnen, um seinen Spielplan nicht zu gefährden und waren die Hofoperntheater – Stars, wie Jeritza, Weidt, Kurz, später dann Lehmann, Miller und Schmedes – natürlich mehr als gefragt.

355 Vgl.: Kt. Oper 297/14, Zl: 1159. 356 Vgl.: Kt. Oper 297/14, Zl: 1206. 357 Vgl.: Kt. Oper 297/14, Zl: 1200, Ankündigung in der Wiener Zeitung v. 11.12. 1914. 358 Vgl.: Kt. Oper 297/14, Zl: 1084. 359 Vgl.: Kt. Oper 297/14, Zl: 1205. 127

Die Politik war im Theaterbetrieb jetzt sehr offen zu spüren. Ein patriotisches Extrablatt der Bühnenkünstler startete eine Umfrage: „Sind Sie für oder gegen den Boykott von Autoren, die den feindlichen Nationen angehören? Soll sich dieser Boykott nicht nur auf lebende, sondern auch auf verstorbene Schriftsteller und Komponisten erstrecken?“ (Aktenvermerk von Gregor: „Nach Kenntnisnahme ad acta“). 360 Dieser später verordnete lückenlose Boykott hatte sich sehr negativ auf die Programmgestaltung ausgewirkt. Im Jänner 1915 erscheint in der Zeitschrift „Die deutsche Bühne“ ein Artikel: „Der Einfluss des Krieges auf die Aufführungsverträge“ mit einer Auflistung von Komponisten die gegen Deutschland Stellung genommen haben, darunter auch . Dieser wehrt sich in einem Brief an Dr. Wolff – Deutscher Bühnenverein – auf das Heftigste, er habe nie eine negative Stellung zu Deutschland abgegeben. 361

Der Krieg – von dem anfangs viele annahmen er sei bald vorüber – musste naturgemäß bei allem berücksichtigt werden. Der Kulissentransport erfolgte zu dieser Zeit noch mit Pferdefuhrwerken. Pferde samt Kutscher wurden von der Firma Alois Wanko, Großfuhrwerksunternehmen, gemietet. Personal war durch Einberufungen zeitweise sehr knapp und so ersuchte diese Firma, am 5.1. 1915, die Operndirektion, rechtzeitig um Dispositionen, besonders für Sonntag, da die Kutscher nur bis 12 Uhr mittags arbeiten brauchen, jedoch ein Dekorationstransport vier Stunden benötigte. Die Pferde gehen vom 11. Bezirk (Standort Fa. Wanko) zur Dreihufengasse um die Dekorationswagen zu holen, dann zur Rotunde (Lager der Dekorationen) Beladen der Wagen, dann der Weg zur Oper. 362 Die Zuckerbäcker Demel und Gerstner und der Gastwirt Josef Pawlik, hatten in der Oper einen Verkaufsstand, bzw. einen Ausschank und dafür jeweils einen Jahrespachtzins von 500 K zu bezahlen. Für die Schließtage erhielten sie 1.35 K rückerstattet. 1914 waren es 91 und 1915 werden es voraussichtlich 118 Schließtage sein. 363

360 Kt. Oper 297/14, Zl: 1214. 361 Vgl.: Kt. Oper 301/15, Zl: 43. 362 Vgl.: Kt. Oper 301/15, Zl: 34. 363 Vgl.: Kt. Oper 301/15, Zl: 71. 128

Die Blattern hatten sich in Wien ausgebreitet. Alle Mitglieder des Hofoperntheaters mussten sich impfen lassen, ebenso ihre Familienmitglieder, oder Vermieter, außer sie konnten eine Impfung in den letzten 6 Jahren nachweisen. Sollte in einem Wohnhaus Blattern, Typhus, Diphtherie oder Scharlach ausgebrochen sein, hatte man sich dem Theater ferne zu halten und den Weisungen der Direktion zu fügen. Jänner 1915. 364 Das Dekorationsfilialdepot in der Rotunde wurde aussortiert, was nicht wieder verwertet werden konnte wurde entweder als Brennholz an das Hofheiz- und Beleuchtungsinspektorat, oder als Bauholz an die Bauhofverwaltung Schönbrunn abgegeben. So konnte eine ökonomische Ausnützung der Räumlichkeiten durchgeführt werden. Die Inventarisierung der verbliebenen Gegenstände konnte infolge Personalmangel des Krieges wegen noch nicht durchgeführt werden. Diese wurde am 28.1. 1915 dringend urgiert, obwohl die Aussortierung schon in den Theaterferien 1914 stattfand. 365 Die Preissteigerungen bei den Lebenshaltungskosten waren empfindlich und so ersuchten die Solomitglieder über die Direktion, die GI, den Ausnahmezustand der Oper bezüglich ihrer Bezüge ab 1. Februar 1915 dahingehend zu ändern, dass alle Jahreseinkommen über 7.200 K eine 50%ige Erhöhung erfahren, dies gilt während der Zeit des Krieges, bzw. solange, wie eingeschränkt gespielt wird und die Mitglieder des Hofburgtheaters nicht bessere Bedingungen erhalten. Die kontraktlichen Bestimmungen bezüglich der Extrahonorare und Rollenabzüge werden wieder hergestellt, jedoch im Gewinn- oder Verlustfalle nur mit 50% des kontraktlich fixierten Betrages berechnet. Alle Solomitglieder hatten unterschrieben, auch die Jeritza, obwohl am Akt der Vermerk steht „außer Frau Jeritza“. Kapellmeister Schalk überging die Hofoperndirektion. Das hatte Gregor zum Anlass genommen ihm zu schreiben: [„…]wie Sie selbst ganz genau aus langjähriger Erfahrung wissen müssen, dass die Direktion des Hofoperntheaters und nicht die k.u.k. General-Intendanz die Stelle ist, an die Sie in Ihrem Briefe erwähnte „Eingabe“ zu richten und der Sie Ihren „Standpunkt in dieser Angelegenheit“ darzulegen hatten. Ich ersuche Sie, dies für die Zukunft zur Kenntnis zu nehmen. Hochachtungsvoll.

364 Vgl.: Kt. Oper 301/15, Zl: 84. 365 Vgl.: Kt. Oper 302/15, Zl: 102. 129

H.G. vom 27.1.1915. (Letztlich musste Schalk der Direktion schreiben.) 366 Kapellmeister Schalk konnte mit Gregor nicht, anzunehmen wäre, dass Schalk die Nachfolge Weingartners selbst antreten wollte, was auch mit siebenjähriger Ver- zögerung geschah. Die Teuerung schlug sich auch auf die Kartenpreise des Hofoperntheaters nieder. Die teuerste Karte kostete 50 K, die billigste 1 K.367 Gregor konnte am 31.1. 1915 erreichen, dass nach den Aufführungen von „Parsifal“, die Städtischen Stellwagen-Unternehmung, Kraft- und Pferdestellwagen für das Publikum zur Verfügung stellte, da die öffentlichen Verkehrsmittel zu dieser Zeit (Wagner Opern dauern immer sehr lange) eingestellt hatten. Es standen 10 Wagen zur Verfügung. Im Mai 1915 konnte dieser Kundendienst dann leider nicht mehr erbracht werden. Grund: Futternot für die Pferde. 368

Gregor konnte erreichen, dass in Wien einberufenes und stationiertes Bühnen- personal für ihre Hilfe, die sie in ihrer Freizeit bei den Parsifalvorstellungen vollbrachten – die sehr aufwendig an Material waren – eine Remuneration von 20 K erhielten.369

Trotz der Kriegssituation hatte Gregor am 10.2. 1915 an seine Exellenz Herrn Freiherrn von Wetschl, Sektionschef und Kanzleidirektor des Obersthofmeisteramtes eine 38 Seiten starke Zusammenstellung über den geplanten Bühnenumbau des Hofoperntheaters übersandt: Erweiterung der Hinterbühne, größere Probebühne, mehr Beleuchtung, verschieden Aufzugsysteme sowohl für Personal, für Requisiten als auch für Dekorationen, damit bedingte Verlegung von Malersaal, Tischlerei und Ballettsaal, Möglichkeiten von Verständigung der einzelnen Arbeiter untereinander, bessere Schutzgitter für Beleuchter- und andere Brücken, um das Herabfallen von Gegenständen zu vermeiden, die Beleuchtung des gesamten Zuschauerraumes sollte von einer Stelle zu regeln sein, die Farbbeleuchtung um weitere Farben sollten erweitert werden, ein neuer Rundhorizont und dessen Beleuchtung wären ebenso

366 Kt. Oper 302/15, Zl: 104. 367 Vgl.: Kt. Oper 302/15, Zl: 151. 368 Vgl.: Kt. Oper 302/15, Zl: 110. 369 Vgl.: Kt. Oper 302/15, Zl: 152. 130 notwendig, wie viele technische Möglichkeiten der damaligen Zeit, vor allem sollten alle technischen Einrichtungen so geräuschlos wie nur möglich zu bedienen sein. Die Einfahrt an der Augustinerstrasse (heute Philharmonikerstrasse) soll für alle Kulissenwagen möglich werden, unter Berücksichtigung aller vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen der Behörden und der Theatergesetze. Als leistungsfähige Firmen sind angeführt: A.E.G. Union, Wien; A.E.G. Union, Berlin; Siemens & Halske, Wien und Berlin; Schwabe, Berlin; Richter, Weil & Co, Frankfurt a/M. 370 Gregor konnte nur teilweise seine Forderungen verwirklichen, aber vieles musste bis nach einer Beendigung des Krieges warten.

Am 10. März 1915 ½ 10 Uhr abends verstarb Gregors treuester Mitarbeiter und Freund, der artistische Sekretär Alois Muster, der schon zur Berliner Zeit seine Stütze war. Obwohl Muster schon länger kränkelte muss es Gregor schwer getroffen haben. Die Kranzschleife war sehr persönlich gehalten: „Dem pflichttreuen Beamten, Dem besten Menschen Alois Muster, In steter Dankbarkeit, Die k.u.k. Direktion des k.k. Hofoperntheaters. Gregor erhielt zahlreiche Beileidsschreiben und er schrieb an die Mitglieder des Hofoperntheaters: „[…] man möge sein Andenken ehren, denn alle die ihm näher getreten sind – wer unter Ihnen wäre das nicht – hat gewiss seinen geduldigen Ernst, seine Gerechtigkeit, seine unerschöpfliche Arbeitsfreudigkeit bewundert. Obwohl er schon lange ein Dahinsiechender war, habe er trotzdem bis zu seinem letzten Atemzug treu und mit Selbstverleugnung in seinem Amte ausgeharrt.“ 371 Muster war nicht verheiratet, aber er hatte für eine Mutter zu sorgen und so verwendete sich Gregor bei der GI dafür, dass sie 1.000 K als Unterstützung für die Begräbniskosten erhielt. Das war die äußerst menschliche Seite von Gregor, die auch immer wieder zum Vorschein kam, wenn Not, Leid und Verluste Mitarbeiter betrafen. Natürlich hatte im Alltag das Gefühlsmäßige keinen Platz, jedoch ungerecht schien Gregor nicht zu sein. An die 20 Bewerber bemühten sich um die freigewordene Stelle eines artistischen Sekretärs am k.k. Hofoperntheater, Gregors Wahl fiel auf Karl Lion vom Breslauer

370 Vgl.: Kt. Oper 302/15, Zl: 155. 371 Kt. Oper 303/15, Zl: 250. 131

Opernhaus. Er wurde ihm vom Geheimen Kommissionsrat Eugen Frankfurter, Nürnberg empfohlen. Es war eine sehr gute Wahl. Lion unterstützte seinen Chef auf vielen Gebieten und war besonders in den letzten Kriegsjahren bei der Verpflegung der Mitglieder des Hofoperntheaters ein gewiefter Organisator. Am 21. Mai sendet Frankfurter die Vertragsexemplare nach Wien und trat Lion seinen Dienst am 16.8. 1915 – also mit Beginn der neuen Saison – an. Mit gleichem Schreiben offerierte Frankfurter den Sänger Lissmann. Gregor antwortet: Er habe Herrn Lissmann in Leipzig gehört, „[…] er hat eine ganze Reihe von beachtenswerten künstlerischen Vorzügen, trotzdem scheint es mir unmöglich, ihn als lyrischen und Spieltenor gerade im großen Wiener Hause durchzubringen, denn das Stimmvolumen des Künstlers ist für die Abmessungen unseres Hauses unzulänglich.“ 372 (So eine Unmusikalität, wie Gregor von vielen Seiten bestätigt wurde, kann wohl kaum – bei solchen Aussagen – vorhanden gewesen sein.) Am 3. August 1915 erwirkte Gregor vom Kriegsministerium Berlin, eine vorläufige Freistellung vom Militärdienst seines eben engagierten artistischen Sekretärs, Karl Lion, bis 31. Dezember 1915. 373 Lion blieb während der gesamten Kriegszeit Gregor erhalten, er wohnte im 4. Bezirk, in der Blechturmgasse 15. Er erhielt natürlich sofort ein Telefon, dessen Nummer anscheinend zu viele wussten und beantragte dieser bereits am 21.1. 1916 eine Geheimnummer. 374

Gregor wollte „Carmen“, nach dem Vorbild seiner erfolgreichen Inszenierung in Berlin, in Wien aufführen und benötigte dazu die Bühnenbilder von seinem ehemaligen Ausstatter Walser. Dieser sandte ihm auch die Bilder für den 1., 3., und 4. Akt. Das Bühnenbild für den 2. Akt hatte Walser seinerzeit Gregor geschenkt und hing dieses im Wiener Direktionsbüro, wurde jedoch von einem entlassenen Diener gestohlen. Gregor war es Walser gegenüber peinlich und so wandte er sich am 30.4. 1915 an Bernhard Salomon, Hofmaler in Berlin. Dieser besaß eine Fotografie und fertigte für Gregor eine farbige Skizze und die Grundrisse aller 4 Akte an und sandte

372 Kt. Oper 303/15, Zl: 258 und Kt: Oper 304/15, Zl: 456. 373 Vgl.: Kt. Oper 305/15, Zl: 515. 374 Vgl.: Kt. Oper 306/15, Zl: 741. 132 das Material am 3.6. 1915 an Gregor. Mit Walser wurde natürlich ein diesbezüglicher Vertrag geschlossen. 375

Gregor konnte seinen Betrieb trotz des Krieges aufrechterhalten. Für erkrankte Musiker sprangen pensionierte Kollegen ein, da Ersatzkräfte kaum verfügbar waren. Zum Beispiel übernahm für den erkrankten Trompeter Schöniger der pensionierte Hofmusiker Prof. Franz Rossbach den Dienst in „Elektra“ am 28.4. 1915 und erhielt 50 K Honorar. 376

Viele Mitglieder des Deutschen Bühnenvereines übertrieben nach Meinung Gregors die nationalen Einstellungen und so wurde eine Kommission einberufen, die die vielen Fremdwörter im Theaterbetrieb, durch gute deutsche Bezeichnungen zu ersetzen versuchten. Gregor bemerkte gegenüber der GI kritisch, es sei eine Verdeutschungs- kommission. 377 Am 18.Juni 1915 fragte der Berliner Börsen-Courier bei Gregor an, welche Meinung er zur Ausländerei auf der deutschen Schaubühne habe und ob nach dem Krieg die ausländischen Dramatiker bei uns dasselbe unbeschränkte Gastrecht genießen sollen, wie vorher. Gregor hatte sich in diesen Fragen nie zu irgendwelchen Mitteilungen veranlasst gesehen. 378 (Der Vermerk am Akt: „ad acta“.)

Auch während des Krieges, oder vielleicht gerade deswegen, erhielt Gregor verschiedene Ordensbezeichnungen, wie zum Beispiel am 5. Mai 1915 das Komturkreuz 2. Klasse von Sr. Königl. Hoheit dem Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und Beirhein. 379 Am 18.5. wurde Gregor neuerlich als Kurator der k.k. Akademie für Musik u. darst. Kunst berufen – Funktionsperiode 1915 – 1917. 380

Die Kriegsdauer bedingte wesentlich mehr Benefizvorstellungen, die natürlich aus künstlerischen, technischen und terminlichen Gründen mit der Programmplanung

375 Vgl.: Kt. Oper 304/15, Zl: 401. 376 Vgl.: Kt. Oper 304/15, Zl: 406. 377 Vgl.: Kt. Oper 304/15, Zl: 408. 378 Vgl.: Kt. Oper 305/15, Zl: 544. 379 Vgl.: Kt. Oper 304/15, Zl: 459. 380 Vgl.: Kt. Oper 304/15, Zl: 420. 133 des Hofoperntheaters immer mehr kollidierten und dieser Umstand erforderte von allen, vor allem von der Spielplanung große Flexibilität. Wenn dann ein Rudolf Prinz Liechtenstein, Präsident des türkischen Roten Halbmonds, Gregor ersuchte, eine Benefizvorstellung im Theater an der Wien, mit ersten Kräften des Hofoperntheaters, wie Maria Jeritza, William Miller und andere zu veranstalten, samt Dekoration, Kostüme und Musiker, für Bizets Oper „Djamileh“ und das Ballett „Zaira“ von Godlewski (Hofopernmimiker), konnte und durfte Gregor nicht nein sagen. Lediglich eine Terminverschiebung war für ihn möglich. In einem Dankschreiben wurden Gregors ausgezeichneten Hinweise für diese Aufführung erwähnt. Die Einnahmen kamen dem Schwarz-Gelben Kreuz zur öffentlichen Ausspeiung von Bedürftigen zugute. Dies ist ein Beispiel für viele spätere Benefizvorstellungen. 381 (Wenn sich die Presse dann beschwerte, dass die guten Sänger nicht vorhanden seien, hätte man alle Seiten betrachten müssen.)

Im Hofstaatsvoranschlag für das Jahr 1915 werden die Einnahmen mit K 2.381.900, die Ausgaben mit K 3.562.700 genehmigt, das ergibt ein Defizit von K 1.180.800. Es wird seitens des Obersthofmeisteramtes lt. Erlass vom 20.2. l.J., Zl: 1343, darauf hingewiesen, dass mit aller Energie zu trachten sei, dass mit der präliminierten Summe das Auslangen gefunden, bzw. das rücksichtlich der Einnahmen gestellte Ziel unter allen Umständen erreicht wird. Von der k.und k. General-Intendanz der k.k. Hoftheater. 26. Februar 1915. 382 Dies war Gregors wichtigster Auftrag des Obersthofmeisters und deswegen wurde er ständig kritisiert. Wirtschaftlichkeit schließt ja nicht unbedingt gutes künstlerisches Niveau aus. Um zu Sparen, wurde über das OMeA das Hofwirtschaftsamt ersucht, für Dekorationszwecke Ausschußmehl oder ungenießbares Mehl zur Verfügung zu stellen. 383

Dir. Simons von der Volksoper versuchte immer wieder für sich Vorteile heraus- zuschlagen. Es ging um Bittners Oper „Der Musikant“. Das Hofoperntheater hatte die

381 Vgl.: Kt. Oper 304/15, Zl: 221. 382 Vgl.: Kt. Oper 303/15, Zl: 226. 383 Vgl.: Kt. Oper 303/15, Zl: 253. 134

Aufführungsrechte dafür. Das Werk wurde erstmals am 12.4. 1910 aufgeführt und in der Folge noch 11-mal bis 21. März 1911. Wenn auch aus dem Wortlaut des Vertrages dies nicht eindeutig hervorging, waren sich GI und Gregor einig, dass nach Verkehrssitte dies einem Monopolvertrag für die betreffende Stadt bedeutete.384 Die Volksoper hatte das Werk bereits aufgeführt und der Musikverlag B. Schott’ Söhne, Mainz, ersucht nachträglich um Genehmigung. Gregor meint dies sei jetzt wohl überflüssig und er wollte nur die rechtliche Lage des Hofoperntheaters dokumentieren, er wünsche aber im übrigen Bittner viel Erfolg mit seiner Oper. 385

Dass ein Direktor sehr oft Feuerwehr spielen musste, sei es unter den SängerInnen, oder Regisseuren und Komponisten, blieb naturgemäß auch Gregor nicht erspart. Prof. Dr. Hans Pfitzner hat sich anlässlich der Proben zu seiner Oper „Der arme Heinrich“ über Wymetal beschwert und er werde auch keiner Probe mehr bei- wohnen. Denn nur mit Papier und Bleistift im Zuschauerraum zu sitzen sei ihm zu wenig. Pfitzner dürfte Wymetal vor den Sängern dauernd dreingeredet haben, was einer gedeihlichen Zusammenarbeit in einem Ensemble nicht gut bekommt. Gregor hat Pfitzner beruhigt, er werde ihm für die Aufführung eine Loge reservieren und er wird sicherlich über die Qualität zufrieden sein. 386 Verständlicherweise hat sich Gregor vor seinen Regisseur gestellt.

Bereits nach einem dreiviertel Jahr nach Kriegsbeginn, dürfte die Inflation so gestiegen sein, dass sich das gesamte Garderobieren- und Schneiderpersonal um eine Teuerungszulage für Kriegsdauer bemühte, da es ihnen unmöglich sei, mit ihren Bezügen ihre Familien zu ernähren. 22. März 1915. 387 In den Folgenden Monaten und Jahren wurde von allen Abteilungen laufend immer wieder um Teuerungszulagen gebeten, die von Gregor meistens unterstützt wurden, obwohl sie naturgemäß sein Budget belasteten. Dass Gregor infolge seiner sehr knapp bemessenen Mittel, sogar einen Leo Slezak nicht in sein Ensemble aufnehmen konnte, war traurig und Gregor bedauerte dies

384 Vgl.: Kt. Oper 303/15, Zl: 242. 385 Vgl.: Kt. Oper 303/15, Zl: 267. 386 Vgl.: Kt. Oper 303/15, Zl: 252. 387 Vgl.: Kt. Oper 303/15, Zl: 281. 135 sehr. Er mochte Slezak als Mensch und bewunderte seine großen Stimmmittel. Slezak wurde immer wieder von vielen Agenturen angeboten. Er war zu teuer. Es reichte gerade für einzelne Engagements. Slezak wollte gerne wieder an die Wiener Hofoper gebunden sein und alle Vorteile genießen, wie Urlaube, Extraurlaube, Pension, jedoch waren seine Forderungen für ein Fixengagement zu hoch und damit kontraproduktiv zu Gregors Weisungen der GI. 388 Eine Einnahmenquelle gab es durch Führungen durch das Hofoperntheater mit Genehmigung des Ersten Obersthofmeister. GI, Zl: 1107, vom 24.3. 1915. 389

Im Jahre 1915, wollte Graf Hülsen, Königliche Oper Berlin, die Übersetzung, bzw. Gregors Einrichtung von „Hoffmanns Erzählungen“, die im Einvernehmen mit dem Bühnenverlag Ahn & Simrock, Berlin, nach Gregors Änderungen gedruckt wurden, um sie in dieser Übersetzung an seinem Haus herauszubringen. Gregor versprach die Rechtslage zu klären. Gregor schreibt Graf Hülsen wörtlich: „Ich habe seinerzeit Ahn, wie ich es auch später bei verschiedenen anderen Werken mit Ricordi getan habe, verpflichtet, mir statt der Textbücher seiner Übersetzung, bzw. Einrichtung, die ich vertraglich von ihm zu beziehen hatte, für den Gebrauch im Theater Textbücher nach meiner Version zu liefern, und ihm zu diesem Behufe meine Übersetzung, bzw. Einrichtung zur Verfügung gestellt.“ 390 Gregor hatte viele Begabungen, die von anderen anerkannt wurden. Leider konnte Gregor ihm nicht dienlich sein, da er nach Niederlegung seiner Berliner Direktion das Erstmaterial an den Verleger Choudens, Paris, zurückgeben musste und fanden die Aufführungen auch am Wiener Hofoperntheater nach der Mahlerschen Inszenierung statt. 391 Mit der gleichen Bitte, bezüglich „Hoffmanns Erzählungen“ trat am 5.10. 1915 der Direktor vom Böhmischen Nationaltheater, Prag, Dir. G. Schmoranz, an Gregor heran. 392

388 Vgl.: Kt. Oper 303/15, Zl: 291. 389 Vgl.: Kt. Oper 303/15, Zl: 299. 390 Kt. Oper 305/15, Zl: 521. 391 Vgl.: Kt. Oper 305/15, Zl: 629. 392 Vgl.: Kt. Oper 307/15, Zl: 823. 136

Die Kriegsauswirkungen machten sich in allen Bereichen bemerkbar und Gregor kämpfte um jeden einzelnen Mann, damit er den Spielbetrieb weiter gewährleisten konnte. Oft wendete er sich an den Ersten Obersthofmeister direkt. Oscar Strauss ließ sich von Gregor bestätigen, dass er mit seiner Tanzdichtung „Prinzessin von Tragant“ einen bedeutsamen künstlerischen Erfolg errungen hat (Zwecks Erlangung des Einjährig-Freiwilligen-Rechts). Umfangreiche Korrespondenz bezeugt, dass sich zahlreiche deutsche Bühnen, die Künstler aus Österreich beschäftigten, an Gregor mit der Bitte um Hilfe bei Kriegsfreistellungen gewandt hatten. Meistens, jedoch nicht immer, konnte er seine guten Beziehungen zum Wohle anderer Bühnen ebenfalls einsetzen. 393

In den Ferien 12. Juni bis 18. August 1915 hat Gregor Graf Hülsen, auf dessen Wunsch, als Präsident des Deutschen Bühnenvereins vertreten. Hülsen wußte, Gregor war zuverlässig und immer erreichbar. 394

Eine Zusammenstellung über die Tätigkeiten des Hofoperntheaters, die Spielzeit 1914/15 betreffend, anlässlich eines Journalistenempfangs zum Saisonschluss Juni 1915: „Infolge der kriegerischen Ereignisse wurde das k.k. Hofoperntheater erst am 18.10. 1914 (statt wie sonst am 18. August) eröffnet. In der abgelaufenen Spielzeit fanden wöchentlich (Montag. Mittwoch, Freitag und Sonntag) nur vier Vorstellungen statt, zu ermäßigten Preisen, die vom 18. Oktober bis 31. Jänner auf die Hälfte der normalen Eintrittspreise herabgesetzt waren. An Novitäten gelangten zur Aufführung: Am 4.12. die Oper „Kain und Abel“ von Felix Weingartner, das Ballett „Wiener Legende“ von Heinrich Regel, Musik von Raoul Mader, am 17.3. Das Musikdrama „Der arme Heinrich“ von Hans Pfitzner.

An den 145 Spieltagen der verflossenen Saison wurden 64 verschiedene Opernwerke und 6 verschiedene Ballette aufgeführt.

393 Vgl.: Kt. Oper 305/15, Zl: 527, 535, 547, 560 u. 618. 394 Vgl.: Kt. Oper 305/15, Zl: 541. 137

Richard Wagner war in 11 Werken mit 38 Aufführungen vertreten.

Als Gäste traten auf: Gustaf Schützendorf, am 6. u. 9.12. Frl. Lotte Lehmann am 30.10. (wurde engagiert) Josef Groenen am 5. u 7.3. (wurde engagiert) Josef Mann am 13.5. Dr. Emil Schipper am 7.6. (wurde engagiert) Frau Frieda Langendorff am 4. u. 5.4. Frl. Hanne Lisken am 4.6. Frl. Melitta Heim am 9.6. (wurde engagiert) Dirigenten: Generalmusikdir. Dr. Richard Strauss am 28.4. Kapellmeister Tittel am 30.11. u. 29.1.

Im Laufe der Spielzeit, bzw. mit Ablauf, schieden aus: Der artistische Sekretär Alois Muster (verstorben am 10.3.) Kammersänger Fritz Schröder, die Solosänger Artur Preuss, Josef Schwarz, Michael Nasta, die Solosängerinnen Gertrude Geyersbach, Hedvig von Debitzka. Im Laufe der Spielzeit trat in den Verband des Hofoperntheaters Herr Hermann Gallos (Akademie).

Als neu engagierte Mitglieder treten im Herbst ihr Engagement am Hofoperntheater an: Die Herren Karl Lion (artist. Sekretär) (Breslau), Bernhard Tittel (Kapellmeister- Volksoper), Josef Groenen (Bariton-Hamburg), Nicola Zec (Bassist-Prag), Dr. Emil Schipper (Bariton-Volksoper), die Damen Malvine Szterenyi (Budapest), Frl. Lucie Hessl (Akademie), Anna Ortner (Volksoper). Groß waren die Schwierigkeiten den künstlerischen Betrieb angesichts der zahlreichen Einberufungen des Kunst- und technischen Personals aufrecht zu erhalten. Es sind eingerückt: Die Solosänger Franz Markhoff, Viktor Madin, Julius Betetto, Michael Nasta, Artur Preuss (die drei letzteren wurden später wieder Rückbeurlaubt). 138

Ferner 38 Orchestermitglieder, 14 Chorsänger, 15 Balletttänzer, 7 Bühnenmusiker, 59 Bühnenarbeiter, 16 Schneider bzw. Ankleider, etc., etc.

Saison 1915/16: Vorläufig wurden für die erste Hälfte der nächsten Spielzeit folgende Erstauf- führungen, bzw. Neueinstudierungen ins Auge gefasst. Am 4.10. „Mona Lisa“ von Max Schilling, dann das Ballett „Gemma“ von Graf Géza Zichy. Neueinstudierungen: „Martha“, „Euryanthe“, „Alceste“, „Der Liebestrank“.

(Bei den aufgeführten befinden sich auch noch Bohème, Carmen, Hoffmanns Erzählungen, Madame Butterfley, Rigoletto, Tosca, Troubadour, Traviata, Aida, Barbier v. Sevilla, Othello u.v.a., also Ausländer, mit Ausnahme von Puccini, alle verstorben.) Jänner 15: 18 Vorstellungen, Februar 17 Vorst., März 19 Vorst., April 16 Vorst., Mai 20 Vorst., Juni 12 Vorst., und 1914 Oktober 8 Vorst., November 17 Vorst., Dezember 18 Vorst. 24.6. 1915.“395 Aus dieser Aufstellung für den Pressempfang ist sehr gut zu ersehen, welche Schwierigkeiten bereits in dem ersten Kriegsjahr zu bewältigen waren und dass die Situationen in den kommenden Kriegsjahren nicht besser sondern schlechter wurden, lag wohl auf der Hand. Die Bemühungen der Direktion sind daraus deutlich abzulesen und widerlegen viele Unterstellungen von Außenstehenden. Einem Bericht der Bühneninspektion vom 6.10. zufolge, waren Schwierigkeiten bei der Fertigstellung (Aussteifung) der Dekoration für „Mignon“ aufgetreten und konnte der vorgesehene Aufführungstermin am 21.10 nicht eingehalten werden, des Weiteren verschob sich dadurch die Fertigstellung für „Alceste“. 396 Der kriegsbedingte Mangel an Arbeitskräften und in der Folge auch an Material machte sich mehr und mehr bemerkbar und konnte bei allem guten Willen nur von der Direktion zur Kenntnis genommen werden.

395 Kt. Oper 305/15, Zl: 555. 396 Vgl.: Kt. Oper 306/15, Zl: 647. 139

Andererseits wurden die Mitglieder des Hofes, dazu gehörten alle Mitglieder des Hofoperntheaters, im Kriegsjahr 1915 mit Wild beliefert, geschossen von den allerhöchsten Herrschaften. Dafür wurden Marken ausgegeben. 397 In späterer Folge sagte eines Tages Sekretär Lion, zu Gregor – dieser beschreibt ihn als einen Mann mit Ideen, Organisations- und Entdeckertalent –: „Mit einer täglichen Mahlzeit (kam aus der Hofküche), Herr Direktor, ist’s nicht getan. Davon haben die Familien unserer Leute nichts. Auch zu Hause muss es weniger Not und darum freundlichere Gesichter geben.“398 So wurde in der Oper eine richtig gehende Wareneinkaufsstelle errichtet, um den Mitgliedern das Leben zu erleichtern, bzw. um ihnen zu ermöglichen, sich und ihre Familien halbwegs zu verköstigen und zwar zu leistbaren Preisen gegen Kartenausweise. Lion stellte für den Verkauf einen Freiwilligendienst auf die Beine und die Kellerräumlichkeiten der Hofoper verwandelten sich in Geschäftslokale. 399 „Eine Wünschelrute muss dem Nimmerverlegenen und seinem Stabe die Wege zu noch unausgeschöpften Quellen gewiesen haben. Sogar Kleidungsartikel waren vorhanden.“ 400 Auch Gregor ließ selbst, unterstützt von seiner Frau Della, seine guten Verbindungen spielen, um Lebensmittel und Gebrauchsgüter zu organisieren. 401

Die Versorgung funktionierte recht gut, allerdings mit dem jeweils Vorhandenen: Kartoffeln 12h per Kg., Zucker 95 h, Kaffee zwischen 3.80 und 6.--K, Maggi-Würfeln, dann wieder Chokolade, Gänse per Kg. 3.95 K, Karpfen 2.70 K. Ein anderes Mal stand Kakao, Tee oder Nestle-Dosenmilch zur Verfügung. Genaue Listen wurden geführt wie viel beansprucht wurde. Diese Lebensmittel waren nur für Magazineure, Bühnenarbeiter, Schneider, Garderobiere etc. bestimmt, lediglich Hofamtsdirektor Alois Przistaupinsky, Ballettmeister Hassreiter und der Artist. Sekretär Lion schienen noch auf den Listen auf; Solisten oder gar der Direktor hingegen nicht. 12.10. 1915. 402

397 Vgl.: Kt. Oper 306/15, Zl: 649. 398 Gregor: S 402. 399 Vgl.: Gregor: S 402 f. 400 Ebd.: S 403. 401 Vgl.: Ebd.: S 409. 402 Vgl.: Kt. Oper 307/15, Zl: 827. 140

Etwas später hatte man gemeinsam mit dem Hofburgtheater diese Lebensmittel- Versorgungszentrale (Konsumverein) geführt und hiezu ernannte Vertreter der einzelnen Berufsgruppen wurden sofort über zur Verfügung stehende Waren verständigt. 403 Erst am 28.6. 1917 wurde dieses Lebensmittellager vom k.k. Amt für Volksernährung genehmigt und erhielt das Recht zum direkten Bezug der staatlich und zentralbewirtschafteten Artikel bewilligt. 404

Schreiben Gregors an „Drei-Masken-Verlag“, München, v.9.8. 1915. Im Einvernehmen mit Generalmusikdirektor von Schilling, sendet er das von ihm redigierte Textbuch zur Oper „Mona Lisa“ retour, habe jedoch alle Regiebemerkungen gestrichen, da die Textbücher auch für die Besucher bestimmt sind und diese Bemerkungen nicht unbedingt zum Verständnis notwendig sind. Dem Verlag wurde für das gelieferte Material K 2.000 angewiesen. 405 Jedoch ins feindliche Ausland, wie Italien, wurden vorläufig keine Zahlungen geleistet. Die Musikalienhandlung Otto Keerl, Verlag Mozarthaus, urgierte Tantièmen für „Tosca“ und „Das Mädchen aus dem goldenen Westen“. Die GI gab die Order aus, dass an Staatsangehörige von Italien bis auf weiteres keine Zahlungen geleistet werden. 406

Die Theateragentur Emil Nordes, Berlin bietet Gregor am 18.8. den lyrischen Tenor Richard Tauber an. Da dieser aber bis Ende der Spielzeit 1917 noch an Dresden gebunden ist, könnten Vorverhandlungen erst für die Spielzeit 1917/18 beginnen. Gregor telegrafiert am gleichen Tag zurück: „Danke, zunächst kein Bedarf“. 407 Das ist allerdings mehr als verwunderlich, was bewog Gregor zur dieser Absage, war Tauber zu teuer? Eine Begründung konnte in dem Akt nicht gefunden werden.

Zwischen Kapellmeister Schalk und Gregor gibt es sehr viel Korrespondenz während der Sommermonate 1915, es ging um „Alceste“ und die Rolle des „Faninal“. Gregor war mit den von Schalk für gut befundenen Einrichtungsarbeiten zu dieser Oper

403 Vgl.: Kt. Oper 321/16, Zl: 966, v. 30.10. 1916. 404 Vgl.: Kt. Oper 331/17, Zl: 658. 405 Vgl.: Kt. Oper 305/15, Zl: 589 u. 594. 406 Vgl.: Kt. Oper 306/15, Zl: 657. 407 Kt. Oper 305/15, Zl: 639. 141 einverstanden, aber er gab zu bedenken, dass der einzige „Faninal“ den die Hofoper hat, aller Wahrscheinlichkeit nach, bald einberufen wird und Schalk möge entscheiden welche Vertretung ihm lieber wäre. Es stünden Moest und Haydter zur Wahl, nur Haydter lernt sehr schwer. 408 Gregor wusste sehr wohl, was er seinen Mitarbeitern zutrauen konnte, ließ jedoch kluger Weise die letzte Entscheidung, die Musik betreffend, den Musikern.

Die Solomitglieder unterzeichneten am 30.8. 1915 eine Eingabe an die Direktion, in dieser ersuchten sie um Auszahlung ihrer vollen Gagen, da sie an geschlossenen Tagen abends ihre Proben abhielten und damit der Ansicht waren, voll beschäftigt zu sein. Die Mitglieder Frau Elizza, Herr Miller, Herr Maikl erhielten am 25.9. vom Direktor, anlässlich einer Aussprache in dessen Büro, mündlichen Bescheid. 409 (Am Akt der Vermerk „sohin ad acta“. Also dürfte dem Ansuchen nicht stattgegeben worden sein.) Dem Personal im Sekretariat und dem artistischen Sekretär Lion wurden ebenso die Gehälter gekürzt, obwohl gerade für Sie der normale Bürobetrieb, auch an spielfreien Tagen weiterlief. Im Dezember 1915 hat sich Gregor dafür mit einer entsprechenden Begründung für eine Erhöhung bei der GI eingesetzt.410

Aus Berechnungen von Gregor geht hervor, wie sich der Kassenrapport bei täglichem Spielen – wie vom Obersthofmeister angeregt – gestalten würde. Es wurde vorgeschlagen ab 1.1.1916 wieder täglich, bzw. 25-mal monatlich zu spielen. Die Künstler würden dann selbstverständlich wieder ihre normalen Bezüge verlangen und außerdem müsste zusätzliches Bühnenpersonal (40 Leute) eingestellt werden. (Im Anhang: Eine Berechnung Gregors an den Obersthofmeister, vom 22.11. 1915.)411 Über Weisung des Obersthofmeisters, vom 20.12.1915, im Einvernehmen mit den Direktionen der Hoftheater, wurde ab 1.1. 1916 der Spielbetrieb in erweiterter Form zu normalen Preisen wieder aufgenommen. Teuerster Sitz im Hofoperntheater Loge Parterre und 1. Rang, 60 K, billigster Platz IV. Rang, 1 K. Jedoch behielt sich das

408 Vgl.: Kt. Oper 306/15, Zl: 668. 409 Vgl.: Kt. Oper 306/15, Zl: 695. 410 Vgl.: Kt. Oper 308/15, Zl: 1039 u. 1040. 411 Vgl.: Kt. Oper 308/15, Zl: 991. 142

Obersthofmeisteramt das Recht vor, jederzeit wieder auf die reduzierte Form, bezüglich Spielbetrieb und reduzierte Gagen, zurückzugehen. Das Hofoperntheater wird jedoch nicht so viele Spieltage haben wie das Hofburgtheater, aus technischen Gründen habe die Oper mehr Schließtage. Die Unterschriften sämtlicher Mitglieder, außer von KS Bahr-Mildenburg, wurden beigelegt. Bahr-Mildenburg trat im Jänner 1916 nur mehr fünfmal auf, ihr Vertrag lief damit an dem Hofoperntheater aus. 412 Trotz der prekären Situation wurde allen Mitarbeitern der Oper, außer dem Direktor und den Sängern, eine Jahresabschluss-Remuneration von insgesamt 6.823 K ausbezahlt. 10.12. 1915. 413 Ein Ansuchen des Operregisseurs Ritter von Wymetals, ihm eine Remuneration von 1.000 K zu gewähren, unterstützte Gregor mit der Begründung, dass dieser so viele arbeite, wofür er kontraktlich gar nicht verpflichtet sei. 414

Mitwirkungen außerhalb der Hofoper wurden nur bei Wohltätigkeitskonzerten genehmigt, deren Erträge Kriegsfürsorgezwecken zugeführt wurden. Derartige Konzerte mussten vor deren Ankündigung genehmigt werden. Aus diesen Gründen bekam der k.k. Hofmusiker Franz Heinrich, am 20.9. einen abschlägigen Bescheid, bezüglich seiner Mitwirkung an einem Konzert unter Schalk am 3.10. 415 Ebenso erhielt der Solosänger Hans Duhan am 22.9. einen abschlägigen Bescheid, bei einem privaten Liederabend mitzuwirken. 416 Gregor trachtete, dass seine SängerInnen sich schonten, denn durch viele kriegsbedingte Schwierigkeiten, mussten sie öfters eingesetzt werden und sollten diese ihre Kräfte nicht außerhalb des Hauses verbrauchen.

Mitglieder des Hofoperntheaters und verschiedene Außenstehende erschienen nach der Aktenlage in der Sprechstunde des Direktors, um Bewilligungen für Veranstaltungen, Empfehlungen für SängerInnen abzugeben, um Engagements zu bitten, Erhöhungen der Gagen zu erwirken u.v.a. mehr. Auf den Akten scheint

412 Vgl.: Kt. Oper 309/15, Zl: 1080 u. 1104. 413 Vgl.: Kt. Oper 308/15, Zl: 1050. 414 Vgl.: Kt. Oper 309/15, Zl: 1083. 415 Vgl.: Kt. Oper 306/15, Zl: 731. 416 Vgl.: Kt. Oper 307/15, Zl: 757. 143 meistens die Anmerkung „Von Herrn Direktor mündlich erledigt“. Leider nie wie! Wenn es sich um Musiker handelte ist auf den jeweiligen Akten vermerkt: „Videat Musikdirektion!“417 Hiermit kann ebenfalls widerlegt werden, dass Gregor abgehoben von den Menschen die Oper geführt hätte und selten jemand an in herankam. Wie schon erwähnt, bemühte sich Gregor für seine Mitarbeiter immer um möglichst gute Arbeitsbedingungen, dazu gehörte natürlich auch ein dementsprechendes Auskommen im Alltag. Auf seinen Antrag wurde dem Direktionspersonal, technischem Personal, sowie Schneiderei und Garderobenpersonal eine einmalige Teuerungszulage, mit Genehmigung der GI, zugestanden und zwar für Personen mit einer Jahresgage unter 3.000 K (mit Familie) und für Alleinstehende, deren Jahresbezug unter 1.800 K lag. 418 In Sachen Musik und Ballett verließ er sich vollinhaltlich auf die Fachleute in seinem Haus. Außer es ging ums Geld und ob eine Oper angenommen wurde, SängerInnen engagiert wurden, da behielt sich Gregor jeweils die letzte Entscheidung vor, ebenso was die Spielplangestaltung betraf. 419 Gregor hörte sich öfters Sänger auf Dienstreisen an, wie schon erwähnt, so am 14.10 1915, in Breslau, Paul Hochheim in „Aida“, der den Radames sang. 420 (So unmusikalisch kann Gregor nicht gewesen sein, sonst hätte er die Beurteilung einem seiner Dirigenten übertragen.)

An allen Ecken und Enden musste 1915 bereits gespart werden. Auf Ansuchen des Kriegsministeriums und mit Genehmigung der GI wurden dem Kriegsfürsorgeamt entbehrliche oder unbrauchbare Materialien, wie: 1700 kg Taue, 100 Kg Leinen- fleckerln, 1.529 Paar Schuhe, 23 m³ Tricotagen und 2.500 Garderobestücke, übergebenen. Dem Landesverteidigungsministerium musste eine Liste der in der Hofoper befindlichen Metallgegenstände übergeben werden. 421

417 Vgl.: Kt. Oper 307/15, Zl: 773. 418 Vgl.: Kt. Oper 307/15, Zl: 784. 419 Vgl.: Kt. Oper 307/15, Zl: 778. 420 Vgl.: Kt. Oper 307/15, Zl: 835 421 Vgl.: Kt. Oper 307/15, Zl: 807 u. 811. 144

Im Mai 1916 wurde von der GI eine Aufstellung aller Metallgegenstände verlangt, welche ohne Schädigung des Dienstes oder ihres Kunstwertes entbehrlich waren, es ging um 446.50 Kg Kupferkabeln und Messingbestandteile. 422 Mit Erlass der GI vom 20.10. wurde dringendst ersucht, den Schriftverkehr nicht mehr so umfangreich zu gestalten, Formulare sind nicht mehr unbedingt zu verwenden, kürzere Meldungen mögen auf halben Bögen erstattet werden. 423 Weiters gab die GI Anweisungen an das Hofoperntheater, alle Anschaffungen, Adaptierungen, Bauherstellungen, die nicht unbedingt notwendig sind, bzw. Gefahr für das Objekt und Sicherheit des Lebens bedeuteten, bis zum Eintreten normaler Verhältnisse zu verschieben. Alle Regisseure, Bühnen-, Beleuchtungs-, Garderoben- und Requisiteninspektoren, bzw. Meister und natürlich auch Dir. Gregor, haben diesen Erlass gegengezeichnet. Für die Portiere mussten neue Pelze angeschafft werden, da die alten total unbrauchbar geworden waren. Auf Initiative Gregors wurden daraus Westen für die Magazingehilfen gefertigt, da diese im Winter in den Magazinen unter großer Kälte zu arbeiten hatten. 424

1915 wurde Gregor gemeinsam mit Hofschauspieler Max Devrient und dem Direktor des Hofburgtheaters, Hugo Thimig, vom k.k. Ministerium für Kultur und Unterricht auf weitere drei Jahre zum Kuratoriumsmitglied der k.k. Akademie für Musik und darstellende Kunst ernannt. 18.9. 425 Diese Ernennung hing wohl eher mit seinem Amt zusammen, bedeutete jedoch eine Mehrbelastung in schon schwierigen Zeiten.

In den Akten sind immer wieder Anfragen um Gregors Meinung zu den verschiedensten Personen, Vorgangsweisen in der Opernwelt oder sonstigen Anlässen zu finden. Der Deutsche Bühnenverein ersucht um Stellungnahme zu Herrn Paul Gernsdorf aus Ratibor, der in den Verein aufgenommen werden möchte. Gregor beschreibt Gernsdorf als einen tüchtigen, pflichtgetreuen Menschen, der zu Gregors Elberfelder Zeit als Dramaturg bei ihm beschäftigt war. 3.11. 1915 426

422 Vgl.: Kt. Oper 553/16. 423 Vgl.: Kt. Oper 307/15, Zl: 863. 424 Vgl.: Kt. Oper 317/16, Zl: 546 425 Vgl.: Kt. Oper 307/15, Zl: 779. 426 Vgl.: Kt. Oper 308/15, Zl: 903. 145

Auf die Anfragen des Redakteurs Dr. Johannes Brandt, von der Wiener Allgemeinen Zeitung, in der Sprechstunde des Direktors am 20.12.: 1.) Wie wird sich das Verhältnis der Direktion zu den modernen Komponisten nach dem Krieg stellen?, 2.) Was plant die Direktion für die nächste Zeit?, antwortete Gregor: „[…]wenn Sie mir das Ende des Krieges bekannt geben, werde ich sofort Ihre Fragen beantworten“. 427 Gregor ließ sich nie auf Spekulationen ein.

Aus den Korrespondenzen Dezember 1915 und Jänner 1916 zwischen Gregor, Erich Wolfgang Korngold und dem Verlag Schott’Söhne geht hervor, dass dem Sohn des gefürchteten Kritikers Dr. Korngold, nun ebenfalls die Wiener Presse bezüglich seiner beiden Opern „Der Ring des Polykrates“ und „Violanta“, die am Wiener Hofoperntheater vor der Uraufführung standen, negativ gegenüberstand. Am 4.1. 1916 schrieb der Verlag an Gregor, ob es nicht angebracht wäre, gegen diese negativen Stimmen etwas zu unternehmen. Gregor antwortet am 16.1. 1916 wörtlich: „[…]Sie beunruhigen sich meines Erachtens grundlos. Solche Mienen, wie die, die Sie im Auge haben, werden ja bei Vorkommnissen, die etwas zu bedeuten haben, von Uebelwollenden stets gelegt und ehren eigentlich mehr den Betreffenden, gegen den sie gerichtet sind, als dass sie schaden. Ich nehme an, Sie sind ein wenig von der Nervosität die Korngold Vater und Sohn schon seit geraumer Zeit erfasst hat, angesteckt. Schließlich muss, wer in der Öffentlichkeit steht, auch einen Puff vertragen können, das ist mein Standpunkt. Lassen Sie den jungen Korngold nur hier zu Worte kommen, er ist der beste Anwalt für seine gute Sache, und wird durch einen zweifellosen Erfolg die Neider schon selbst mundtot machen. Ich habe in meinem Leben noch niemals richtig gestellt oder dementiert, und habe gerade in Wien mit diesem Verhalten allen Presse-Denunzianten gegenüber das allerbeste Resultat gehabt. Man stößt freilich immer und immer wieder auf die ganz sonderbar anmutende Erfahrung, dass gerade die Leute von der Presse, die doch

427 Kt. Oper 309/15, Zl: 1087. 146 am besten wissen müssten, wie solche Dinge gemacht werden, durch die Presse am leichtesten aus der Fassung geraten. […]“ 428 (Gregor scheint vergessen zu haben, dass er zu Beginn seiner Direktionszeit auf die Differenzen mit Selma Kurz oder den Artikel des Dr. Korngold von der Neuen Freien Presse, sehr wohl reagiert hat. Doch eines stimmte, seine Reaktionen waren selten.) Die GI sandte am 26.2. 1916 das Textbuch der einaktigen Oper „Violanta“, Musik von E.W. Korngold, Text Hans Müller, ohne Streichungen an die Direktion zurück und bewilligte die Aufführung. 429 Die meisten Textdichter dürften in der damaligen Zeit ihre Texte im Hinblick auf die Zensur verfasst haben, dadurch gab es selten Beanstandungen. Die Aufführung der beiden Einakter von Erich Wolfgang Korngold am 10.4. 1916, „Der Ring des Polykrates“ und „Violanta“ war sehr erfolgreich. Korngold bedankt sich bei Gregor für die liebevolle, wunderbare Aufführung: „[…]Lassen Sie mich daher zuerst Ihnen für alles, was Sie für mich und mein Werk getan, wärmsten, herzlichsten Dank sagen. Da ich außerstande bin allen einzelnen zu danken, so bitte ich Sie, hochverehrter Herr Direktor, hier gütigst Vermittler meiner dankbaren Gefühle sein zu wollen, die ich für Herrn Kapellmeister Reichwein und Oberregisseur von Wymetal empfinde, die sich mit hohem künstlerischen Können und Ernste, mit unermüdlicher Sorgfalt meinen Opern gewidmet haben[…]“. Korngold dankt allen Künstlern und Mitwirkenden am Zustandekommen seiner Opern. „In dankbarster Ergebenheit E.W. Korngold.“ 430 Gregor hatte wieder einmal recht bezüglich der Presse. Die Kosten des Materials für Korngolds Opern betrugen 3.000 Mark und wurden an Schott’s Söhne, Mainz überwiesen.

Mit Genehmigung der städtischen Straßenbahnen der Gemeinde Wien, 12.11. 1915, konnten die Besucher von länger dauernden Vorstellungen, nach 23.30 Uhr, doch wieder eine Möglichkeit bekommen, öffentlich nach Hause zu fahren. Es musste in den Tageszeitungen und auf dem Theaterzettel angekündigt werden, die beiden

428 Kt. Oper 308/15, Zl: 912. 429 Vgl.: Kt. Oper 314/16, Zl: 152. 430 Kt- Oper 316/16, Zl: 421. 147

Hoftheater sollten nicht zur gleichen Zeit die Vorstellungen beenden, pro Wagen mussten 10 K und pro Anhängerwagen 6 K eingehen. 431 Wie erinnerlich, mussten die mit Pferden gezogenen Wagen für die Besucher von späteren Vorstellungen, im Mai 1915, wegen Futtermangels für die Pferde, eingestellt werden.

Am 25. Dezember 1915 dankte Gregor für die ihm übermittelten Neujahrswünsche aller Mitarbeiter des Hofoperntheaters: „Wie bei früheren Anlässen nehme ich auch diesmal die mir seitens der P.T. Mitglieder des k.k. Hofoperntheaters etwa zugedachten freundlichen Glückwünsche zum Jahreswechsel als empfangen an und erwidere sie bestens denkend. Wien, am 26. Dezember 1915, Hans Gregor m.p.“ 432 (Dies hört sich gegenüber anderen Aussendungen eher kühl an.)

Diese Akten-Zahl sei nur ein Beispiel für viele in der Kriegszeit. Ansuchen von Vereinen, Institutionen und Persönlichkeiten für Wohltätigkeitsveranstaltungen: Exzellenz Franz Freiherr von Schönaich ersucht am 8.1. 1915, um Mitwirkung von KS Selma Kurz und anderen SängerInnen und Dirigenten. Ein Konzert unter der Patronanz der Erzherzogin Zita (spätere Kaiserin). Meistens wurde die Mitwirkung von der Direktion genehmigt, was blieb dem Direktor anderes übrig, allerdings schlug er hin und wieder einen Ersatz vor, um sein Repertoire nicht zu gefährden. Die Bewilligung der GI wurde jedes Mal eingeholt. Wie schon erwähnt, mussten diese Veranstaltungen jedoch immer einem wohltätigen Zweck dienen, auch wenn diese in privaten Räumlichkeiten stattfanden. Selbstverständlich war die Zustimmung der gewünschten SängerInnen einzuholen und wurde wegen Überlastung manchmal abgesagt. 433 Auch vermied Gregor es meistens, wegen Erkrankung oder Absage seiner Sänger- Innen, solche der Volksoper einzusetzen, doch hie und da musste er seine Prinzipien ad acta legen und so sang z.B. am 2.2. 1916 die Partie des Walther von Stolzing in „Meistersinger aus Nürnberg“, Albin von Rittersheim von der Volksoper für 350 K. 434

431 Vgl.: Kt. Oper 308/15, Zl: 954. 432 Kt. Oper 309/15, Zl: 1111. 433 Vgl.: Kt. Oper 310/15, Zl: VII – a 15. 434 Vgl.: Kt. Oper 315/16, Zl: 174. 148

Gregor war stets bestrebt, auch in diesen schwierigen Jahren, keine Vorstellung absagen zu müssen. Aus verschiedenen Akten ist zu ersehen, dass immer wieder einmal ein Sänger ausschied, wie Dr. Emil Schipper, ein Sänger wurde engagiert, wie Bela von Környey, aber das Stammensemble blieb. Gastspiele waren an der Tagesordnung, diese Vorgangsweise war allgemein üblich. Öfters musste verschoben werden, wenn zum Beispiel das Opernhaus des Gastsängers selbst einen Engpass hatte, Flexibilität war angesagt. Es war oft sehr schwer Ersatz zu bekommen, schließlich kämpfte jeder Operndirektor um seine guten Sänger und war froh, diese von der Wehrpflicht befreit zu bekommen, sonst wäre der Opernbetrieb nicht zu meistern gewesen. 435 Gastsänger waren dann oft die allerletzte Rettung, dass von der Presse dieser Umstand Gregor oft übel genommen wurde ist unverständlich, waren die Journalisten nicht informiert? Kaum zu glauben.

Aus einem Sammelakt aus dem Jahre 1915 ist ersichtlich, dass Gregor bei vielen Probesingen von SängerInnen dabei war, unter Hinzuziehung von Kapellmeister Schalk und Hofkapellmeister Luze. Sehr viele wurden nach Probesingen nicht genommen. Auf den Aktendeckeln waren Bemerkungen von Gregor zu lesen: Frl. Ader, sehr schöne kleine Stimme, aber entwicklungsfähig, warm timbriert. Koloraturtalent. Frl. A. Ortner, schönes Material sang „Walküren-Ruf“ und „Fidelio“, muss noch lernen, soll Vertrag dann erhalten. Herr Carl Felbl, kommt nicht in Frage. Frl. Hedda Fichtmüller, sehr negative Bemerkungen, Frl. Lewinsky (empfohlen von Frau Schratt), aus „Lohengrin“ gesungen, brüchige Stimme, technisch unzulänglich, für hier, selbst in kleinen Partien ungeeignet. Einige dieser Künstler wurden von Kapellmeister Reichwein, Artist. Sekretär Lion und Kapellmeister Tittel empfohlen, doch das beeindruckte Gregor wenig. 436

Der Kostenvoranschlag für die Ausstattung der Novität von Bittner „Der arme Heinrich“, Kostüme 1.600 K, Perücken 700 K, Malerei 3.800 K, Aussteifung 2.200 K, wurde von der GI genehmigt.

435 Vgl.: Kt. Oper 317/16, Zl: 451, 453, 454. 436 Vgl.: Kt. Oper 312/15, Zl: XVI – 6, 9, 13, 16, 35. 149

Genehmigung für Donizettis „Der Liebestrank“, Dekoration 950 K, Malerei 1.500 K und Kostüme 300 K. Genehmigung für Ankäufe von Musikinstrumenten. Ansuchen um Verringerung der Rückzahlungsraten von Gagenvorschüssen, wegen der höheren Lebenshaltungskosten. Die Rückzahlungen wurden über Weisung des Obersthofmeisters bis einschließlich März 1917 sistiert. Meistens wurden diese Ansuchen, um Härtefälle zu vermeiden, von Gregor wärmstens empfohlen. 437

Die Loyalität Gregors zu seinen Musikern ist immer wieder dokumentiert. Der Vorstand der Wiener Philharmoniker ersucht am 20.1. 1916 um Verlegung des VI. Philharmonischen Konzertes wegen Erkrankung Weingartners vom 13.2., auf den 27.2. 1916, für den erkrankten Dirigenten wird Richard Strauss einspringen. Gregor kommt selbstverständlich diesem Ersuchen nach, bittet lediglich die Proben so zu verlegen, damit Strauss mit den Proben zu seiner Oper „Alceste“ am Hofopern- theater nicht in Kollisionen gerät. 438

Aufgrund des Bühnenpersonalmangels, bedingt durch den Krieg, schlägt die Bühneninspektion vor, bei Aufführungen großer Opern, das heißt bei großen Umbauten, sollte der Tag vorher spielfrei bleiben und empfiehlt, Bodenbelag, Plastiken und größere Praktikabelaufbauten wegzulassen. 439 Diese Anregung wurde laut Aktenvermerk der Direktion zur Kenntnis genommen, ob es auch umgesetzt wurde, ist leider nicht zu ersehen. Doch nach Kenntnis der gesamten Aktenlage dieser Zeit und Gregors Einstellung zu den Aufführungen, auch während des Krieges, wird er – wenn irgendwie möglich – diese Anregung nicht umgesetzt haben.

Wegen Personalmangels musste sich Gregor im April 1916 vom Militärkommando 30 Mannschaftspersonen ohne Profession als Bühnenarbeiter ausleihen, damit der Betrieb aufrechterhalten werden konnte. 440

437 Vgl.: Kt. Oper 312/15, Zl: X – 2, 3, u. Kt. Oper 314/16, Zl: 122. 438 Vgl.: Kt. Oper 314/16, Zl: 119. 439 Vgl.: Kt. Oper 314/16, Zl: 142. 440 Vgl.: Kt. Oper 317/16, Zl: 466. 150

Ein Schreiben Gregors an die GI bestätigt den Bühnenpersonalmangel. Am 19.4. 1916 an GI: „Infolge der derzeit bestehenden ungünstigen Verhältnisse beim technischen Bühnenpersonale wird es der Direktion unmöglich, die im Präliminare vorgesehenen 10 Matineen anzusetzen. Einen Ersatz wird die Direktion dadurch schaffen, dass sie gegenüber den im Präliminare bestimmten, eine größere Anzahl von Abendvorstellungen veranstalten wird. Nach den Statuten des Pensions-Institutes §7 ist die Direktion verpflichtet, jährlich 10 Abendvorstellungen zugunsten des Pensionsfonds zu geben und weitere 10 Nachmittagsvorstellungen. Infolge des Entfallens der 10 Matineen wird die Direktion im Laufe des Jahres 20 Abendvorstellungen für das Pensionsinstitut ankündigen und bittet um eine diesbezügliche Genehmigung. Wien, am 19.April 1916. Die k.u.k. Direktion des k.k. Hofoperntheaters.“ 441

Selbstverständlich haben hochgestellte Persönlichkeiten immer wieder versucht Personen oder Opern der Direktion zu empfehlen, Gregor wurde auch des Öfteren gemahnt, wenn er nicht sofort auf solche Empfehlungen reagierte. Als Beispiel Exzellenz Graf Moltke empfahl am 4.2. 1916 die Oper „Die Lieder des Euripides“ von Botho Siegwart und verlangte sogar eine bestimmtes Aufführungsdatum. Dann blieb Gregor nicht anderes übrig als ein langes höfliches Schreiben zu verfassen, in dem er seine Absage begründen musste, denn diese Persönlichkeiten konnte er nicht so geschäftsmäßig abkanzeln wie Agenturen. Wobei natürlich Ersteren auch die fachliche Voraussetzung fehlte. Gregor war sich jedoch der Rückendeckung von Fürst Montenuovo sicher. 442

Gregor arbeitete nun sehr viel mit der Agentur Eugen Frankfurter zusammen, da Salter sich selbst eliminiert hatte. Frankfurter offerierte ihm den Tenoristen Asgard Oestvik mit einer Jahres-Gagenforderung von 40 – 50.000 K an. Gregor telegrafierte an Frankfurter: „Offerieren Sie was Sie offerieren müssen. Ich werde beim Gastspiel meine Ansprüche natürlich nach den Preisen stellen, erwarte Unterschrift.“ Gregor hat prinzipiell Verträge erst nach Gastspielen abgeschlossen, auch wenn ein Sänger, wie in diesem Fall, schon sehr bekannt war. Nach einem oder mehreren

441 Kt. Oper 316/16, Zl: 448. 442 Vgl.: Kt. Oper 315/16, Zl: 182. 151

Gastspielen, wurden die Gagen verhandelt. Gregor ließ sich nie überrumpeln und diktierte die Preise. Er war ein harter Verhandler, der jedoch besondere Leistungen anerkannte und honorierte. Ebenso vermittelte Frankfurter den Bariton . 443

Am 19.4. 1916 wurde Gregor von Wolff – Deutscher Bühnenverein – gebeten, ob er auf Einladung der Kommandatur Berlin am 18.6. 1916 im Stadion Rennbahn Grunewald eine Wohltätigkeitsveranstaltung „Festwiese aus Meistersinger von Nürnberg“ inszenieren würde. 444 Gregor telegrafierte: „Solche musikalischen Veranstaltungen im Freien sind künstlerisch höchst bedenklich und schmecken nach Firma Reinhardt. Ich kann darum trotz reiflicher Überlegung persönliche Abneigung nicht überwinden. Bitte mich also zu entschuldigen und für die mich ehrende Aufforderung zu danken. Grüße Gregor.“ 445 (Existierten doch Ressentiments gegenüber Max Reinhardt?)

Am 14. April 1916 feierte Gregor seinen 50. Geburtstag. Aus diesem Anlass wurde über Veranlassung seiner Kanzlei, bzw. des k.u.k. Hofamtsdirektors, das Dienstzimmer Gregors mit Palmen und Blumen prächtig geschmückt. Sämtliche Körperschaften sandten Abordnungen zur Gratulation und zur Überreichung von Unterschriften aller Mitglieder des Hofoperntheaters. In diesem Akt sind ebenfalls Glückwünsche von außerhalb enthalten. 446

Chordirektor Egmont Plowitz widmete Gregor seine Bundeshymne, für Klavier und Männerchor, Gregor bedankte sich am 25.4. Text: „Deutsch sein heißt treu sein, treu übers Grab, ehrlich das Wort und bieder die Hab’. Deutsch fühlt die Brust, die führt uns zum Sieg, […]“. 447 (Der Text strotzt nur so vom Deutschtum.) Gregor wurden viele Orden verliehen besonders aus Deutschland, vor deren Annahme musste er die GI (wie bereits früher erwähnt), bzw. beim Obersthof- meisteramt um Genehmigung ansuchen, wurde natürlich immer genehmigt.

443 Vgl.: Kt. Oper 315/16, Zl: 173 und Kt. Oper 316/16, Zl: 425. 444 Vgl.: Kt. Oper 316/16, Zl: 446. 445 Kt. Oper 316/16, Zl: 446. 446 Vgl.: Kt. Oper 317/16, Zl: 450. 447 Kt. Oper 317/16, Zl: 466. 152

Ein umfangreicher Akt betrifft wieder eine Dienstreise Gregors vom 15. – 17.5. 1916, diesmal begleitete ihm seine Frau nicht. Generalversammlung des Deutschen Bühnenvereins in Heidelberg, Treffen mit Strauss in München, ebenso mit Kapellmeister Reichenberger, der noch wegen seiner Militärangelegenheit in München gebunden war, sollte aber 14 Tage später wieder nach Wien kommen können. Wie immer wird Gregor täglich durch Telegramme oder Telefonate von seinem artistischen Sekretär über alles informiert und ergehen nach Wien ebenso Gregors Weisungen. 448

Die Schriftstellerin Beatrice von Vay-Dovsky versuchte Gregor zu einer Mitarbeit an einem Textbuch für eine Oper mit der Begründung zu gewinnen; einen so wunderbaren Regisseur von Anfang an dabei zu haben kann nur zum Erfolg führen. Gregor lehnte natürlich ebenso freundlich wie bestimmt dieses Ansinnen ab. Außerdem suchte sie einen Komponisten für ihr bereits vollendetes „Mona-Lisa“ Buch. Die Absicht von Vay-Dovsky war zu plump zu erkennen. 449

Die Politik bestimmte manchmal Gregors Spielplan. So musste er zu Ehren der in Wien weilenden Bulgarischen Abgeordneten folgende Aufführung bewerkstelligen: 1. Akt aus „Königin von Saba“ (66 Minuten, dann 10 Minuten Pause), dann „Rococo“ mit Donauwalzer (25 Minuten, 10 Minuten Pause), sodann „Die Jahreszeiten der Liebe“, 1., 2. und 3. Bild (52 Minuten). Die Vorstellung dauerte insgesamt 168 Minuten. Das bedeutete extra Tantièmen-Abgeltung. Hier zeigte sich Gregors Verhandlungsgeschick; dem Verlag Weinberger handelte er 1% herunter und so wurden dem Verlag nur 2%, statt 3% überwiesen. 450

Am 9.6. 1916 ratifizierte die GI den Vertrag mit dem Musikverlag Adolph Fürstner, die Strauss Oper „Ariadne auf Naxos“ betreffend, zur Uraufführung unter der künstlerischen Leitung von Gregor, in der neuen Bearbeitung am 4.10. 1916. 10% Tantiemen, das sind 7% für das Aufführungsrecht und 3% für das Material. 451

448 Vgl.: Kt. Oper 316/16, Zl: 427. 449 Vgl.: Kt. Oper 317/16, Zl: 477, (Mai u. August 1916. 450 Vgl.: Kt. Oper 317/16, Zl: 482 v. 2.5. 1916. 451 Vgl.: Kt. Oper 319/16, Zl: 556. 153

Gregor hat für „Ariadne“ den Berliner Architekten Oskar Kaufmann mit der Dekoration beauftragt. Die Presse dürfte dies bereits im Vorfeld der Uraufführung schlecht kommentiert haben, denn am 30.9. 1916 schreibt Kaufmann an Gregor: er danke nochmals für das Vertrauen und entschuldigt sich, dass er bei vielen Proben nicht dabei sein konnte und so ihm und Oberregisseur Wymetal nicht so entlasten konnte, leider kann er auch zur Premiere nicht kommen. Es tut ihm nur leid, dass die Angriffe schon vor der Premiere begonnen haben. Telegramm von Gregor an Kaufmann am 4.10. 1916: „Ariadne Dekoration bei Generalprobe wie Aufführung heute geradezu künstlerisch sensationell gewirkt. Verdienten Dank dem famosen Künstler. Herzlichst Gregor“. 452 (Kaufmann erhielt 2.200 K.) Selma Kurz sang die Ariadne. 453

Gregor ersucht gegen Ende der Spielzeit 1916 die GI, dem Kanzlei- und Dienerpersonal während der allgemeinen Theaterferien ebenfalls Urlaub zu geben, da das abgelaufene Jahr für alle sehr anstrengend war. Die Einteilung möge die GI selbst treffen, natürlich wird er dafür Sorge tragen, dass der Kanzleibetrieb nicht gestört wird. 454 Ebenfalls zum Ende dieser Spielzeit, sah sich Gregor aus gegebenen Anlass gezwungen, den Solo-Gesangs-Mitgliedern den Erlass der Direktion Zl:55 v. 27.1. 1915, § 4 der Ordnungsvorschriften in Erinnerung zu bringen: „Glaubt jedoch ein Mitglied von einer oder der anderen von ihm am Hofoperntheater bereits dargestellten Rolle einer Probe zu bedürfen, um sie jederzeit mit kurzer Frist übernehmen zu können, so hat es, ohne zu warten, bis eine Aufforderung von Seiten der Direktion zur Übernahme der Rolle vorliegt, der Direktion dies bekannt zu geben und entsprechende Proben zu fordern. Wer dieser Vorschrift nachzukommen versäumt und dadurch ein ihm im Dienstwege angesagte Rolle nicht leisten kann, erleidet eine Strafe in der Höhe des halben Monatsbezuges.“ 455 Gregor erklärt hiezu, dass dies die Situation der P.T. Mitglieder nicht erschwert sondern im Gegenteil

452 Kt. Oper 319/16, Zl: 580, Okt. 1916. 453 Vgl.: Kt. Oper 319/16, Zl: 580, Juni – Okt. 1916. 454 Vgl.: Kt. Oper 319/16, Zl: 579. 455 Kt. Oper 319/16, Zl: 538. 154 erleichtert und die Direktion wird unter keinen Umständen auf ihr Recht verzichten. 4.6. 1916. 456

Die finanzielle Situation und die Beschaffung von Material wird Ende der Theatersaison 1916 immer trister und schwieriger. Sei es bei Lederbeschaffung für Bühnenschuhe 457 , Erhöhung der Löhne, bzw. der Überstunden – da kriegsbedingt von vielen lebenswichtigen Dingen nur wenig vorhanden war, das bewirkt natürlich die Teuerung 458 - ebenso erhöhte die Gemeinde die Besoldungssteuer um 3 Heller pro Krone, Mietzinse wurden per Krone um 8 ¼ Heller erhöht 459 , die Ausstattungskosten für „Ariadne“ wurden weit überzogen, die ursprüngliche Kalkulation von ca. 30. – 35.000 Kronen schlugen sich mit Fertigstellung im Oktober 1916, mit 47.000 Kronen zu Buche. Die Erhöhung wurde zwar nachträglich von der GI genehmigt, jedoch wurde Gregor ermahnt, künftig die Kosten für Dekorationen niedriger zu halten. 460 Die Kriegszeit machte es wahrlich nicht leicht gutes Theater zu bieten, nicht über das richtige Material zu verfügen, die Künstler und das technische Personal bei der Stange zu halten, wo der tägliche Kampf um das Sattwerden ihrer Familien viele Ernährer vor fast unlösbare Aufgaben stellte. Gregor hatte zwar für seine Mitarbeiter stets ein offenes Ohr, jedoch band auch ihm die politische Situation oft die Hände. Alle diese Probleme erforderten einen aufwendigen Schriftverkehr, denn die höfischen Richtlinien mussten trotz kriegsbedingter Schwierigkeiten eingehalten werden. Man ging sogar soweit, dass der Deutsche Bühnenverein, Berlin, allen Mitgliedern empfohlen hat, sich für Mozarts „Don Juan“ einer einheitlichen Übersetzung (Scheidemantel’sche) zu bedienen, damit es bei den vielen Gastspielen, bedingt durch den Krieg und den damit hervorgerufenen Engpässen bei den SängerInnen, für diese leichter sei als Gast einzuspringen. Gregor betonte zwar seine Bedenken, ebenso wie andere Kollegen, jedoch konnte man sich allerdings dieser praktischen Überlegung nicht ganz entziehen. Schalk war strikte dagegen. Er fand, dass viel

456 Vgl.: Kt. Oper 319/16, Zl: 583. 457 Vgl.: Kt. Oper 319/16, Zl: 319. 458 Vgl.: Kt. Oper 320/16, Zl: 786. 459 Vgl.: Kt. Oper 320/16, Zl: 713. 460 Vgl.: Kt. Oper 320/16, Zl: 749. 155

Unbrauchbares geblieben ist und manches Gute durch minder glückliche Verse und Sätze verdrängt wurde. Er unterstreicht, dass manches metrisch unmöglich ist, Rhythmus gestört wird, hässlichen falschen Accent hat, oder wo bestimmte Silben auf eine schwere Note fallen. Sein Kommentar: „1.) dem literarisch-sprachlichen (dichterischen), 2.) den der leichteren Singbarkeit und Deutlichkeit und 3.) den der genauesten Treue gegen die gegebene musikalische Phrase; entspricht diese Übersetzung in keinster Weise.“461 Das von Schalk durchgearbeitete Textbuch der vorgenannten Übersetzung liegt bei den Akten und wurde auf Wunsch von Gregor die Kritik Schalks daran, direkt dem Deutschen Bühnenverein übermittelt. 462

Sponsoren waren 1916 schon sehr gefragt. So stellte die Firma Saphir, Klavier- und Harmonium-Etablissement, für die „Ariadne“ – Aufführung ein Meisterharmonium für 10 Monate kostenlos zur Verfügung mit der Bedingung, dass der Firmenname auf dem Theaterzettel aufschien, bei „Violanta“ war die Firma Bösendorfer der Sponsor. 463

Wieder einmal erging am 17.8. 1916 an die Orchestermitglieder seitens der Direktion die Ermahnung, dass Anstand seitens der Zuschauer an ihrem Benehmen im Orchestergraben geübt wird; dunkle Kleidung ist doch selbstverständlich, aufstehen oder gar Verlassen des Orchestergrabens während eines Aktes ist streng verboten, ebenso Zeitung lesen, lautes Sprechen und achten auf die Instrumente als hofärarisches Eigentum. Die Herren Konzertmeister mögen dies kontrollieren. 464 Daran erging am 22.8. 1916 eine anonyme Anzeige vom Orchester an die Direktion, die sich gegen den Ordnungsruf zur Wehr setzten; da einige Mitglieder im Orchester Unfug treiben und damit die anderen, die ihre Arbeit ernst nehmen und keinen Anlass zur Klage geben, herabgesetzt werden, noch dazu wo die Orchester- mitglieder während der Theaterferien einrücken müssen, anstatt sich am Land zu

461 Kt. Oper 320/16, Zl: 719. 462 Vgl.: Kt. Oper 320/16, Zl: 719. 463 Vgl.: Kt. Oper 320/16, Zl: 741, v. 15.8. 464 Vgl.: Kt. Oper 320/16, Zl: 746. 156 erholen und billiger leben könnten. „Warum sagt denn der Dirigent, z.B. ein lächelnder Schalk nichts dazu?“ 465

Gregor machte von seinem Recht Gebrauch einen Sänger und eine Sängerin nach Ablauf des Vertrages zu kündigen, jedoch zeigt sein Vorgehen, dass er Härten vermeiden wollte. Die Sängerin Jenny Pohlner (seit 1897) wurde am 4.9. 1916, per 31.7. 1918 und der Sänger Ferdinand Marian (seit 1896) per 31.3. 1918 mit der Begründung gekündigt, dass die stimmlichen Qualitäten nicht mehr auf der früheren Höhe seien. Die lange Kündigungszeit begründet Gregor damit, den beiden Genannten die Möglichkeit zu geben, ihre Dispositionen zu treffen, wobei er bemerken möchte dass Frau Jenny Pohlner dann schon in Pension gehen könnte. 466

Gregor hatte anlässlich einer Dienstreise nach Deutschland, in Köln einen jungen Sänger, Karl Schröder, gehört und mit ihm einen Eventualvertrag mit vorherigen Gastspielen – wie üblich – abgeschlossen. Nun schreibt Schröder im September 1916 etwas verunsichert, ob er auch wirklich engagiert werde, da ihm liebe Kollegen sagten: „ […] wenn der Gregor Dich nicht gleich engagiert, wirst Du bei dem keine Chance haben“. 467 Gregors Antwort: Wenn er ihn nicht gehört hätte und von seinem Können, bzw. seiner Entwicklung überzeugt wäre, hätte er keinen Eventualvertrag mit ihm abgeschlossen. Jedoch Gastspiele sind eine Vorbedingung, erst dann gibt es den ratifizierten Vertrag, dies sei auch nach den Statuten des Deutschen Bühnenvereins so üblich. 468 (Gregor dürfte durch solche und andere Aussagen in der Opernwelt eine anerkannte Größe gewesen sein, trotz einiger Querelen in Österreich.)

Im September und Oktober 1916 setzte sich Gregor für E.W. Korngold betreffs Befreiung vom Militärdienst ein und begründete sein Gesuch damit, dass der erfolgreiche Komponist von „Der Ring des Polykrates“ und „Violanta“, an einer weiteren Oper für sein Haus arbeite (Titel des Werkes wird nicht genannt) und in

465 Kt. Oper 320/16, Zl: 757. 466 Vgl.: Kt. Oper 320/16, Zl: 800 und Zl: 801. 467 Kt. Oper 320/16, Zl: 825. 468 Vgl.: Kt. Oper 320/16, Zl: 825. 157

Anbetracht der Tatsache, dass italienische, französische, russische und andere fremdländische neuen Werke derzeit aus politischen Gründen nicht in Betracht kommen, bedeutete es eine schwere Schädigung der Interessen des k.k. Hofoperntheaters, wenn die bestellte Oper nicht rechzeitig in der Spielzeit 1917/18 zur Verfügung stünde. Der Akt enthält noch vom Vater des Komponisten, Dr. Julius Korngold, einst erbitterter Gegner von Gregor, ein Schreiben an diesen, er „bittet herzlichst dankend“, Gregor möge noch das Wort „Zustandekommen“ einfügen, „ergebenst Korngold“. 469

Die Dienstreisen Gregors werden seltener. Am 8. Oktober 1916 fährt er wieder einmal nach Berlin, Hotel Kaiserhof, Sitzung des Deutschen Bühnenvereins, diesmal wieder ohne seine Frau. Seine Vorhaben: Neuer Text von „Don Juan“; Rücksprache mit Exzellenz Graf Hülsen wegen Sängerin Catopol; Entscheidung der österreichischen Behörden, dass nur mehr Solisten und Direktoren vom Militärdienst enthoben werden; Besprechung mit Slezak 11.10.; Rücksprache mit Mertens wegen eines Bariton, einer hochdramatischen Sängerin und einer Tänzerin; Anhören des Sängers Staegemann. Rückkunft 14.10. 470 (Das Telegramm trägt den Vermerk „Zensuriert“.)

Der GI musste am 23.9. 1916 eine Liste des männlichen Personalstandes mit folgender Einteilung übermittelt werden: Personal das bereits zur militärischen Dienstleistung eingerückt war; von der militärischen Dienstleistung enthoben; hat die Einberufung noch zu gewärtigen; zur militärischen Dienstleistung nicht verpflichtet (zu alt, Kriegsinvalide, superarbitriert /in Überprüfung/). 471 Zur Geldknappheit kam noch hinzu, dass rückwirkend mit 1.1. 1916 ein Kriegszuschlag zur Einkommensteuer eingehoben wurde, der sich progressiv nach dem Einkommen bewegte und zwar nach Art.I, § 1, Zl: 5 der kaiserlichen Verordnung vom 28.8. 1916, das hieß, die Einkommensteuer wird beginnend mit 15 % Zuschlag

469 Vgl.: Kt. Oper 320/16, Zl: 835. 470 Vgl.: Kt. Oper 320/16, Zl: 843. 471 Vgl.: Kt. Oper 321/16, Zl: 863. 158 bei einem Einkommen bis 5.200 K jährlich bis 120% Zuschlag bei einem jährlichen Bezug von 200.000 K, berechnet. 472 So erhielten das technische Personal, Schneiderei und die Kanzlei-Diener eine monatliche Teuerungszulage von 10 K. 473 (Ein Teufelskreis und keine Aussicht auf eine Beendigung des Krieges.)

Über Wunsch der GI, vom 11.10. 1916, sollten aus Ersparnisgründen die Dienstkleidungen des Auditoriumspersonals in den eigenen Werkstätten hergestellt werden. Doch durch eine Auslagerung vor 16 Jahren an eine auswärtige Firma – die außerdem über einen großen Stoffvorrat verfügte – wäre dies nach Berechnungen von Gregor teurer gekommen, so unterblieb dies. 474

Immer wieder traten verschiedene Kollegen von Gregor an ihn mit der Bitte um GastsängerInnen heran. Gregor musste meist absagen um seinen eigenen Spielplan nicht zu gefährden, wie zum Beispiel dem Darmstädter Intendanten Dr. Eger vom großherzoglichen Hoftheater, welcher die Jeritza als Gast wollte. Gregor lässt aber die Möglichkeit zu einem späteren Zeitpunkt offen. Aus Egers Anfrage geht auch etwas Privates von Gregor hervor, was sehr selten vorkam: „Es hat mir sehr leid getan zu hören, dass Ihr Sohn sich ernstlich verletzt hat. Ich bitte Sie, ihm meine Grüße zu bestellen. (Es wurde zwar nicht expressis verbis erwähnt, jedoch dürfte es sich um eine Kriegsverletzung gehandelt haben.) Gregor bedankt sich und schreibt: “Mein Sohn ist, Gott sei Dank, längst wieder auf Deck“. 28.9. 1916. 475

Trotz aller kriegsbedingten Schwierigkeiten, ging natürlich auch das künstlerische Leben weiter. Der Salzburger Schriftsteller Leo Maasfeld nahm eine Neubearbeitung des Textes der Mozartschen Oper „Zauberflöte“ vor. Seine Änderung beschreibt er am 5.10. 1916 folgendermaßen: „Durch besondere Einteilung der Verwandlungen – während der offenen Szene – ist es mir gelungen, die Oper in nur 4 Akten, das heißt Vorhangschlüssen zu zwingen, so dass die herrliche Oper musikalisch eine Einheit

472 Vgl.: Kt. Oper 321/16, Zl: 857. 473 Vgl.: Kt. Oper 321/16, Zl: 891. 474 Vgl.: Kt. Oper 321/16, Zl: 932. 475 Kt. Oper 321/16, Zl: 895. 159 darstellt. Die Liedertexte sind nur insofern als sie schlecht waren geändert, die Prosa-Texte neu und in einer der Oper angepassten Sprache geschrieben.“ Der ksl. Rat und Archivar der internationalen Stiftung Mozarteum bestätigt ihm dies. Er schreibt: „Die Klage nun über den Text ist völlig so alt, wie die letzte Oper Mozarts selbst …“ 476

Die Politik, bzw. die Briefzensur trieb zu dieser Zeit tolle Blüten. Ein Telegramm, vom 13.10. 1916, von Gregor an das herzogliche Hoftheater in Braunschweig zur glanzvollen Aufführung von „Die Walküre“, zum zweijährigen Erinnerungstag der Einnahme von Lille, wurde von der Zensur zurückgestellt. 477

Der Berliner Lokalanzeiger, Alfred Holzbock, fragte bei Gregor Am 13.10. 1916 an, was er zur Äußerung von Richard Strauss meint: „[…] die wertvollen Werke feindlicher Autoren trotz des Krieges aufzuführen.“ Gregors Antwort: „[…] Wissen Sie nicht, dass sechs unerzogene Missvergnügte jede Vorstellung stören können? Wollen und dürfen wir gerade in dieser Zeit, da selbst die oberste Heeresleitung ihr Fortbestehen schützt und fördert, den Zuschauerraum zum Tummelplatz für politische Auseinandersetzungen machen? Oder glauben Sie und Richard Srauss, dass alle Überpatrioten weil sie beleidigt sind, zu Hause bleiben? Ich nicht! Ihr ergebenster Hans Gregor.“ 478 (Gregor war ein wahrer Freund von Strauss und schätzte dieser ebenfalls Gregor sehr, jedoch diese Kritik war sicherlich in Anbetracht der weit verbreiteten Deutschtümelei angebracht und richtig.) Der Deutsche Bühnenverein, Graf Hülsen, beabsichtigte Gastspiele in der Schweiz, um für die deutsche Kunst als Gegengewicht gegen die gleichen französischen Bestrebungen dort Propaganda zu machen (Schweiz – ein neutrales Land). Gregor erbat von Obersthofmeister Montenuovo dessen Meinung dazu. 479

476 Kt. Oper 321/16, Zl: 906. 477 Vgl.: Kt. Oper 321/16, Zl: 957. 478 Kt. Oper 321/16, Zl: 962. 479 Vgl.: Kt. Oper 321/16, Zl: 981, 22.10. 1916. 160

Die GI wurde um Genehmigung ersucht, das Handgeld im Betrieb auf 2.000 K (früher 1.000 K) erhöhen zu dürfen, da 1.) alles teurer geworden sei und 2.) viele Lieferanten nur gegen Barzahlung mehr lieferten. (wurde genehmigt.) 480 Aus diesem Akt geht hervor, dass die Oper von 14 Uhr an bis Vorstellungsbeginn total geschlossen bleibt und auch Dir. Gregor nicht anzutreffen sei, 3.11. 1916. 481 Die GI teilt mit, dass ehebaldigst – Termin wir noch mitgeteilt – 1 Paar Pferde im Hofmobiliendepot eingestellt werden und nach rechtzeitiger Mitteilung, diese damit Wagen und Kutscher um 25 K Taglohn für Transporte der Hoftheater zur Verfügung stehen. Dieser Lohn und die Kosten der Verpflegung des Gespanns werden von der GI übernommen. 482

Da Dienstreisen nach Deutschland sich immer schwieriger gestalteten, längerer Aufenthalt an der Grenze, dadurch waren Terminvereinbarungen oft kaum ein- zuhalten, ersuchte Gregor am 4.11. 1916 die GI, nach vorherigem Gespräch mit Exzellenz Sektionchef Wetschl, um Ausstellung eines so genannten „Kaiser-Passes“, wie sie seine Kollegen in Deutschland bereits besaßen, damit er jederzeit und kurzfristig, notwendige Dienstreisen antreten und sich ungehindert in Deutschland bewegen konnte. Außerdem ermöglichte ihm ein solcher Pass auch wirklich zum vorgesehenen Zeitpunkt wieder an seiner Wirkungsstätte zu erscheinen. Einige Wiener Direktoren haben bereits ebenfalls bessere Pässe – zwar nicht mit solchen Rechten ausgestattet – aber doch Erleichterungen. 483

Hofkapellmeister Hugo Röhr, Gregor noch aus seiner Breslauer Zeit bekannt, bot ihm seine neue Oper „Frauenlist“ an und würde sie ihm gerne vorspielen. Gregors Antwort: Werke, die ernstlich für die Hofoper in Frage kämen, müssen dem ganzen Gremium der Bühnenvorstände zu Gehör gebracht werden, jedoch erst gegen Ende der Saison, da dann die Proben bereits dünner sind und mitten im Spielbetrieb kein Vormittag oder Abend zur Verfügung stand. Er versicherte ihm im Voraus einer wohlwollenden Prüfung. 484

480 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1047. 481 Vgl.: Kt. Oper 321/16, Zl: 1000. 482 Vgl.: Kt. Oper 328/17, Zl: 232, v. 7.3. 1917 483 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1010. 484 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1014. 161

(Gregor wollte sichtlich nicht in den Verdacht kommen, einen Kollegen aus seinen früheren Tätigkeiten zu protegieren, denn oft entschied er, besonders auf seinen Dienstreisen, ja auch allein. Mit nachfolgendem Akt könnte dies untermauert werden.) Der artistische Sekretär Lion hatte sich im Auftrag von Gregor im Landestheater in Mainz die Uraufführung der Oper „Des Tribunals Gebot“ von Edgar Istel angehört und fand diese total ungeeignet für das Hofoperntheater: „Musikalisch schwach, Stillosigkeit und langweilige Handlung. 485 (Hier genügte offensichtlich Lion allein um eine Oper für eine nähere Auswahl zu beurteilen.) Lion dürfte Gregor sehr entlastet haben und auch eine entsprechende Qualifikation sein eigen nennen. Aus einem Schreiben, vom 9.3. 1917, von ihm an den Direktor der Universal-Edition A.G.: „Mit bestem Dank bestätige ich den Eingang des Textbuches der Oper „Pastorkyna“, Herr Dir. Gregor, dem ich das Buch sofort übergeben habe, will es schnell lesen und wird sich dann gleich äußern. Ich bin mit der Lektüre schon fertig, möchte aber selbstverständlich ein abschließendes Urteil zurückhalten, bis ich mich auch mit der Musik bekannt gemacht habe.“ 486

Trotz kriegsbedingter Engpässe und Behinderungen versuchte Gregor sein Haus straff zu führen und duldete keinen Schlendrian. Er sah sich gezwungen, am 13.11. 1916 eine allgemeine Mitteilung an seine Kapellmeister und Regisseure auszusenden: 487 „Die Herren Kapellmeister und Regisseure werde im Verfolge gewisse Unzuträglich- keiten, die sich in letzter Zeit dienststörend bemerkbar gemacht haben, um strenge Nachachtung folgender Leitsätze ersucht: 1.) Es ist den Herren Kapellmeistern und Regisseuren nicht gestattet, ohne vorherige Vereinbarung mit dem Direktor oder dessen Vertreter während der Vorstellung Wünschen der Solisten in Bezug auf Striche nachzugeben. 2.) Wünsche der Herren Kapellmeister und Regisseure in Bezug auf Soloproben sind, um Anspruch auf Berücksichtigung zu haben, bis Mittag 1 Uhr des

485 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1016. 486 Kt. Oper 328/17, Zl: 242. 487 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl. 1045. 162 vorangegangenen Tages beim Opernansager anzumelden; Ensemble-, Orchester- und Bühnenproben entsprechend früher. 3.) […] wenn Proben kollidieren, ist peinlichste gegenseitige Rücksichtnahme zur Pflicht gemacht. 4.) […] Selbst bei Abwesenheit ist niemand berechtigt – ohne vorherige Verständigung der Direktion – Proben aufzuheben. 5.) […] die Herren sind verpflichtet, unbedingt nach der Probe schriftliche Meldung über fehlende Mitglieder durch den Opernansager zu melden.“488

Anlässlich des Ablebens Sr. Kaiserl. und Königl. Majestät Franz Joseph I. am 21.11. 1916 abends 9Uhr, wurden gedruckte allerhöchst genehmigte grundsätzliche Bestimmungen an alle Abteilungen des Hofes gesandt und darin bekannt gegeben, dass Hoftrauer nach der I. Klasse auf 6 Monate getragen wird: die ersten 2 Monate tiefste, folgenden 2 Monate tiefe und die letzten 2 Monate die mindere Trauer getragen wird. Es wird genau aufgelistet was Herren und Damen des Hofes in den jeweiligen Trauermonaten zu tragen haben. Hof-, Staats- und Landesbeamte – darunter fallen auch die Mitglieder des Hofoperntheaters – tragen in der ersten Periode den Flor am linken Arm und die Hutschleife mit Flor überzogen; in den beiden anderen Perioden nur Flor am linken Arm. Das Hofburgtheater und das Hofoperntheater bleiben vom Tage des Ablebens bis auf weiteres geschlossen. Eine Liste über die verfügbaren Plätze im k.k. Hofoperntheater anlässlich des Leichenbegängnisses sowohl an der Ringfront als auch an der Operngasse und Kärntnerstrasse zeigt an wie viele Sitz- und Stehplätze zur Verfügung standen. Für diese Plätze wurden eigene Passierscheine ausgegeben. Gregor teilt dem Ensemble mit, dass er gemeinsam mit dem Direktor des Hofburgtheaters bei Fürst Montenuovo die ehrfurchtsvolle Mittrauer der gesamten Ensembles persönlich vorgetragen habe. Listen von Kranzspenden enthält der Akt ebenfalls. Alle Schriftstücke in den 6 Monaten Hoftrauer wurden mit schwarzem Siegel versehen. Es gab genaue Vorschriften wo und wie lange schwarz drapiert werden musste. 489

488 Kt. Oper 322/16, Zl: 1045. 163

Die GI hatte am 10.12 1916 verfügt, dass die beiden Hoftheater ab 25.12. 1916 wieder eröffnet werden dürfen. 490 Auf allerhöchsten Befehl hatten die Hoflogen der beiden Hoftheater auch in der tiefen Trauer, vom 30.1. bis einschließlich 29.3. 1917, geschlossen zu bleiben und Hofbeamten ist es nicht gestattet, in dieser Zeit die beiden Hoftheater zu besuchen. 491 Mit Erlass des OMeA Zl: 106 v. 11.1. 1917 wurden Gregor und dem artistischen Sekretär Lion je 400K und den Hilfsbeamtinnen Helene Sgalitzer und Lina Raninger je 240 K, als Beitrag für Trauerkleidung anlässlich des Todes Sr. Majestät, angewiesen. 492 Die Trauerfeierlichkeiten hatten noch ein Nachspiel: Beide Direktoren der Hoftheater (Gregor und Hugo Thimig vom Hofburgtheater) wurden am 18.12 1916 schriftlich bei Montenuovo vorstellig, betreffend ihrer Einreihung in eine Rangklasse. Ihre kulturellen Institute, die sie leiten, sind ihrer Meinung gleichzusetzen mit anderen Instituten, wie Museen oder Akademien, die bei Einladungen ihre ihnen bestimmten Plätze einnehmen. Nur so konnte passieren, dass einem der Direktoren (welcher wurde nicht erwähnt) erst am späten Vorabend der Beerdigung Sr. Majestät mitgeteilt wurde, dass er an dem Trauerzuge teilnehmen dürfe. Die beiden Herren wollten nicht als „Geduldete“, sondern als „Berechtigte“ bei feierlichen höfischen Anlässen erscheinen. 493 Fürst Montenuovo wurde von Kaiser Karl in seiner Funktion als Erster Obersthofmeister am 24.11. 1916 bestätigt. 494 Die Etikette spielte überhaupt in allen Bereichen bei Hofe eine große Rolle, so musste zum Beispiel anlässlich eines Besuches des spanischen Königs, für einen Besuch in der Oper, für diesen Tag eine Dispens eingeholt werden, damit der ihm begleitende Erzherzog Friedrich und seine Gemahlin mit dem König in die Hofloge sitzen durften. Eine der kaiserlichen Logen war lediglich für den Kaiser und gekrönte Besucher reserviert. Da man aber den hochbetagten kaiserlichen Herren die

489 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1073. 490 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1126. 491 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl: 143, v. 8.2. 1917 492 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl: 61 v. 13.1. 1917. 493 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1152. 494 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1090. 164

Strapazen der Repräsentationspflichten ersparen wollte, war der spanische König, rein formell, Gast des Erzherzogs. 495

Dieser Akt ist nur ein Beispiel: Gregor hat sich immer wieder für seine Mitarbeiter, besonders auch in der schwierigen Kriegszeit eingesetzt. Mit 24.12 1916 erhielten verdiente Mitglieder des k.k. Hofoperntheaters eine Jahresabschlussremuneration; Stenographin Lina Raninger 50 K, Oberinspizient Franz Skofitz 400 K. Ebenso Hofs-Hilfsämter-Direktor Alois Przistaupinsky, Oberregisseur August Stoll, Ballettregisseur Josef Hassreiter u.s.w. Die Remunerationen fielen zwischen 20 und 600 K aus, je nach Besoldungshöhe. Am 15.12. 1916 erhielten andere Bedienstete infolge der Inflation eine jährliche Teuerungszulage, die sich, je nach Verwendung, zwischen 10 und 300 K bewegte. 496 Als Beispiel sei noch erwähnt: Wenn ein Mitglied des Hofoperntheaters – nur Betriebspersonal betreffend – im k.k. Algemeinen Krankenhaus stationär behandelt werden musste, wurden die Verpflegskosten von der Hofoper übernommen. Schwer erkrankte Solisten erhielten bei sehr hohen Heilungskosten einen Kranken- kostenbeitrag, so zum Beispiel Erik Schmedes, am 26.3. 1917, 1.000 K. 497

In Gregors Erinnerungen war ein großer Teil der Opernfreunde und der Presse doch erstaunt, dass der Vorhang immer wieder hochging, ein anderer Teil verlangte nach frischem, fröhlichem Friedenstempo. Es wurde immer schwieriger das Abrüsten der vorherigen Vorstellung und das Herrichten der nachfolgenden Vorstellung zu bewerkstelligen. Russische Gefangene, mit denen sich Berlin und Dresden über Wasser hielten, waren Allerhöchsten Ortes unerwünscht, so musste mit dem vorhandenen Technischen- und Bühnenpersonal das Auslangen gefunden werden. Das bedeutete jedoch, dass die Bühne für Proben kaum zur Verfügung stand, bzw. der Bühneninspektor übernahm andernfalls keine Gewähr für einen pünktlichen Vorstellungsbeginn. Er war in der schwierigen Kriegszeit der höchste Zensor des

495 Vgl.: Gregor: S 128. 496 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1063 und 1143. 497 Vgl.: Kt. Oper 329/17, Zl: 307 und 310. 165

Wochenspielplans. Dieser allein konnte beurteilen – in Anbetracht seiner Mannschaft – ob einem Tannhäuser- ein Faust- oder nur ein Barbier-Abend folgen durfte. 498 „Friedenstempo im Herausbringen von Novitäten und Neueinstudierungen somit: Welche Ironie!“ 499 Doch am 20.2. 1917 gab es eine Erstaufführung der komischen Oper in 3 Akten: „Die Schneider von Schönau“, von Jan Brandts-Buys (einem Holländer, der schon lange in Wien lebte) und am 27.4. 1917 gab es zwei Neuheiten: „Eine florentinische Tragödie“, Oper in einem Aufzug, Dichtung: Oscar Wilde; Musik: Alexander Zemlinsky und das Ballett „Klein Idas Blumen“, in einem Aufzug nach dem Andersen Märchen von Paul von Klenau. 500 Nach Gregors Meinung war der Tisch immer gedeckt, lediglich auf gewisse Delikatessen musste verzichtet werden.501

Gregor musste sich auch bei Gesellschaften oder Einladungen im eigenen Haus oft verteidigen, wenn ihm z.B. ein Mitglied im Waffenrock, eines der ältesten Adels- geschlechter der Monarchie fragte, ob er nicht die leeren Klub- und Familienlogen der Oper bemerke. Wenn er schon immer wieder Troubadour, Martha etc. auf dem Spielplan habe, solle er wenigsten eine Kurz, einen Piccaver einsetzen. Gregors Frage, ob die Besetzung schlecht gewesen sei, musste der Herr verneinen, urgierte aber die „ersten Künstler“ der Hofoper. Gregor erklärte ihm, dass sein Solopersonal oft anderswo bei verschiedenen Kriegsfürsorge-Veranstaltungen eingesetzt ist und viele Millionen hätten die Unermüdlichen bereits zusammengetragen. Dafür fehlte dem Adeligen, der Kaisers Waffenrock trug, jedes Verständnis. Sein Kollege Loewenfeld aus Hamburg, der ähnliches in Wien erlebte, fragte Gregor: „Wie halten Sie es mit Ihrer Gesinnung hier aus? 502

Aber eben aus vorgenannten Gründen musste Gregor Loewenfeld die Bitte um Ausleihung von Frl. Lehmann abschlagen. Er konnte keinen Tag auf sie verzichten. Gregors Antwort: „Ich habe hier in jedem Monat – abgesehen von den in der

498 Vgl.: Gregor: S 397 ff. 499 Ebd.: S 399. 500 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl: 93. 501 Vgl.: Gregor: S 400. 502 Vgl.: Gregor: S 404 f. 166 gegenwärtigen Zeit schweren Repertoiresorgen – 180 bis 220 Mitwirkungen bei Wohltätigkeits-Veranstaltungen. Sie werden sich selbst sagen, wie wenig dann noch von den Künstlern zum Bestreiten des eigentlichen Dienstes übrig bleibt. Frl. Lehmann speziell, die als neue Erscheinung hier besonders viel gefragt war, habe ich in letzter Zeit fast durchgängig abgelehnt.“ 503 Gregor dürfte dann doch der Lehmann kurz einen Urlaub gewährt haben, aber dieser war Loewenfeld zu wenig. Gregor blieb hart. 504

Der Krieg dauerte schon zu lange, alle hatten gehofft, der ganze Spuk wäre in einem halben Jahr vorüber. Im 4. Kriegsjahr 1917 wurde abermals alles schwieriger. Die Menschen waren kriegsmüde, die Entbehrungen schienen sinnlos, es stellte sich kein politischer Erfolg ein. Umso schwieriger wurde es am Theater. Um jedes Material musste gefeilscht werden, die Inflation war rasend, von den Menschen wurden mehr und mehr Opfer verlangt, zum Todeszeitpunkt von Kaiser Franz Joseph I. zählte man bereits ½ Million Tode. Überall wurde zum Zeichnen von Kriegsanleihen geworben, sogar in Theaterprogrammen. Die vom Deutschen Bühnenverein empfohlene Woche, 1. -7.10 1917, als „Nationalwoche der Deutschen Bühnen zu Gunsten der 7. Kriegsanleihe“, lehnte Gregor in einem Schreiben aber kategorisch ab. Die Wiener Hofbühnen und alle anderen österreichischen Bühnen werden nur Hilfsaktionen durchführen, die österreichischen Kriegsanleihen zugute kommen und dies, obwohl Gregor stellvertretender Vorstand des Deutschen Bühnenvereins war. 505 Vom 15. – 20.1. 1917 fand wieder eine Dienstreise nach Deutschland statt, vor allem wegen einer Sitzung des Deutschen Bühnenvereins in Berlin. Diesmal begleitete Gregors Gattin ihn wieder nicht, wahrscheinlich wollte er ihr die Strapazen nicht zumuten. Tägliche Telegramme unterrichteten ihn von allen Vorgängen an der Oper, ebenso wurden ihm die täglichen Einnahmen mitgeteilt, meist zwischen 8.100 und 8.600 K, also zufrieden stellend.506 Bei einer der nächsten Sitzungen des Deutschen Bühnenvereins, voraussichtlich im Mai, wollte man ein Verbot für seine Mitglieder erlassen, dass diese nach dem 19.5.

503 Kt. Oper 328/17, Zl: 232 v.7.3. 1917. 504 Vgl.: Kt. Oper 328/17, Zl: 232. 505 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl: 16 v. 6.11. 1916. 506 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl: 42. 167

1917 keinem Bühnenangehörigen einen vertraglichen, oder außervertraglichen Urlaub nach Amerika gewährten. Dies wurde von Gregor unterstützt. 27.2.1917. 507

Ab dem Jahre 1917 dürfte Gregor mit seinem ehemaligen Schwager Mertens – der nach der Trennung von Salter eine eigene Künstleragentur eröffnete – öfters in Kontakt getreten sein, da er für die Hofoper interessante Künstler vertrat. Die Korrespondenz führte aber ausschließlich Sekretär Lion. 508

Fürst Montenuovo wurde von der Stelle des Ersten Obersthofmeister Sr. Majestät per 7. 2. 1917 in Gnaden enthoben und er dankt allen ihm unterstandenen Institutionen für ihre Treue und Fleiß und bittet, dies auch weiter zu tun. 8.2. 1917, Bericht von GI Zl: 577 v. 13.2. 1917. 509 (Damit hat Gregor seinen großen Förderer verloren!) Die GI teilt am 27.2. 1917 mit, dass mit 7.2. 1917 Seine Durchlaucht Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst zum Ersten Obersthofmeister ernannt wurde. Der Oberstkämmerer Karl Graf – Lanckoronski, wurde durch Leopold Graf Berchtold von und zu Ungarschitz als Zweiter Obersthofmeister abgelöst. 510 Mit dem neuen Obersthofmeister Hohenlohe-Schillingsfürst hatte es Gregor von Anfang an nicht leicht. Dieser verlangte z.B. eine genaue Begründung und persönlichen Vortrag, warum eine Oper des Komponisten und erzherzoglichen Klavierlehrers, Julius Zaiczek „Ferdinand und Luise“ nicht gegeben wird, wo doch die beiden Gräfinnen Rechberg und Stubenberg bereits interveniert haben. Gregors Begründung: (untermauert von Schalk und früher schon von Walter und Reichenberger), die Oper sei für das Hofoperntheater nicht geeignet (intern hieß es, die Oper sei ein „Schmarrn“) und sei schon in und Hamburg vor gähnender Leere gespielt worden und musste nach 2 Vorstellungen vom Spielplan genommen werden.511 Gregor wehrte sich mit Händen und Füßen gegen dieses Machwerk. Als der Obersthofmeister Gregor fragte: „Nehmen Sie einmal an, Herr Direktor, ich hätte der Frau Erzherzogin die Aufführung versprochen[…]. Wollen Sie auch mir die

507 Vgl.: Kt. Oper 328/17, Zl: 210. 508 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl: 25. 509 Vgl.: Kt. Oper 328/17, Zl: 201. 510 Vgl.: Kt. Oper 328/17, Zl: 202 und 203. 511 Vgl.: Kt. Oper 328/17, Zl: 249, v. 12.3. 168

Gefälligkeit nicht erweisen?“ 512 Was blieb Gregor anderes übrig, aber er verwendete die Annahme dieses „Machwerks“, um endlich „Salome“ von Richard Strauss aufführen zu können. Also ein so genannter „Kuhhandel“ fand statt. Vorher hatte sich Gregor bezüglich der Annahme noch eine Bedenkzeit ausbedungen und zu Hause mit seiner Treuesten der Treuen – so nannte er seine Frau – die Angelegenheit besprochen und er erklärte ihr, unter solchen Umständen wolle er nicht mehr. Darauf seine Frau: „Um solcher Sache willen beabsichtigst Du aufzugeben, was seit Jahren im Mittelpunkte Deiner Gedanken und Hoffnungen steht? Deine Wiener Mozart-, Deine Wagner-Pläne?“ 513

Aus einem Schreiben Gregors vom 21.2. 1917 an Intendanten Paul Eger, Darmstadt, geht hervor, dass Gregor mit einer Venenentzündung und Emboliegefahr 14 Tage lang das Bett hüten musste, er sei erst 2 Tage außer Bett und müsste noch 3 Wochen mit einem Gipsverband zu Hause bleiben. Gregor leitete mit Hilfe Lions von seiner Wohnung aus, Wien 1., Schwarzenbergplatz 5, Tel.Nr.: 8012, vorher – bis April 1916 – wohnte Gregor in Wien 4., Prinz Eugenstrasse 30, seine Oper. Gregor meinte gegenüber Eger, er hoffe, im Frühjahr wieder die Reisestiefeln anziehen zu können. 514

Die Inflation steigt ununterbrochen, so erhalten die Mitarbeiter des Hofoperntheaters(außer den Solisten) mit Unterstützung von Gregor per 1.1. 1917 rückwirkend einen Teuerungszuschlag von der GI genehmigt. 19.1.1917. 515 Am 21.3. 1917 gab es schon wieder eine Eingabe mit der Bitte um eine Erhöhung der Teuerungszulage, vom Orchester, Chor, Ballett und Bühnenmusiker, und außerdem die Übernahme der Steuern und Pensionsbeiträge durch das Hofärar, sowie um Begrenzung der Probenzeit mit ¾ 1 Uhr mittags. Die Eingabe wurde damit begründet, dass man rechtzeitig einmal am Tag eine warme Mahlzeit einnehmen müsste und sich außerdem einem Nebenerwerb widmen könnte (Die Lebens- erfordernisse seien um das Drei- bis Sechsfache gestiegen) und dies sei durch die vorverlegten Beginnzeiten sonst kaum möglich.

512 Gregor: S 412. 513 Ebd.: S 412 f. 514 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl: 115 und OMeA /16, Kt. 2169: 48/T/14, Zl: 2735. 515 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl: 91. 169

Gregor, der sonst viel Verständnis für seine Mitarbeiter hatte, lehnte diesen neuerlichen Teuerungswunsch – nach einem persönlichen Vortrag beim Obersthofmeister und mit dessen Einverständnis – ab. Begründung: Erst im Jänner erfolgte eine Teuerungszulage, und es hänge vom Gang der Entwicklung der allgemeinen Wirtschaftslage ab, wann eine abermalige Zulage erfolgen könnte. Über die Begrenzung der Probenzeit erübrigt sich jede Diskussion. Gregor nannte dies: „undurchführbare artistische Angelegenheit“.516

Am 14.3. 1917 wurden die Herren Kapellmeister Schalk, Reichenberger, Reichwein und Hofkapellmeister Luze (Tittel war beurlaubt) zu Gregor gebeten um ihnen mitzuteilen, dass es nicht angehe, wenn Hofmusiker vom Wehrdienst befreit seien, sich durch Substituten vertreten zu lassen und in der gewonnenen Zeit anderen Beschäftigungen nachgingen. Wenn ein Musiker nicht jeden Tag dem Institut zur Verfügung stehe, ist er entbehrlich. Grund war eine Beschwerde des k.k. Landesverteidigungs-Ministeriums. 517 Sr. k.u.k. Apost. Majestät geruht zu befehlen, dass die seitens des k.u.k. Militär- Kommandos in Wien den beiden Hoftheatern zur Versehung des Bühnendienstes zur Verfügung gestellte Mannschaft keinesfalls gewechselt werden darf. 518 (In dieser schwierigen Zeit sicherlich für ein halbwegs reibungsloses Arbeiten nötig, da neues Bühnenpersonal jeweils erst eingearbeitet werden musste.)

Immer wieder gab es Änderungen im täglichen Ablauf des Hofoperntheaters: Die Straßenbahnen konnten infolge Kohlenmangels keinen Theater-Nachtverkehr mehr gewährleisten, so fuhren die letzten Straßenbahnen vom Ring, ab 15.2. 1917, um 8.30 abends ab. 519 Die beiden Hoftheater haben daraufhin ihre Beginnzeiten auf ½ 7 Uhr abends, bzw, wenn ein längeres Werk auf dem Spielplan stand, auf 6 Uhr abends vorverlegt. Außerdem ist darauf zu achten, dass sich die Musiker in den Pausen in Hörweite der Klingelzeichen aufzuhalten haben, damit unverzüglich weitergespielt werden kann

516 Vgl.: Kt. Oper 328/17, Zl: 154. 517 Vgl.: Kt. Oper 328/17, Zl: 251 und 253. 518 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl: 97, v. 24.1. 519 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl: 146. 170 und damit das Ende der Vorstellung bis spätestens 9 Uhr abends zu gewährleisten sei. 520

Es wurde immer schwieriger einen so großen Apparat wie das Hofoperntheater straff zu führen, nicht nur um die Wünsche der GI und des Obersthofmeisters durchzusetzen, sondern die verschiedenen Zwänge, die naturgemäß einem Künstlervolk zuwiderlaufen, durchzusetzen. Gregor hielt zwar immer Disziplin für ein gut funktionierendes Theater als „Conditio sine qua non“ für gegeben, jedoch waren ihm diese Zwänge unter den herrschenden Umständen ebenfalls nicht sehr angenehm, musste sie aber beachten und durchsetzen. Das dürften ihm viele – in Unkenntnis der internen Lage – persönlich angekreidet haben.

Laut Bericht der Bühnen-Inspektion waren Fettstoffkerzen in Hinkunft durch elektrisches Licht zu ersetzen. Kürzlich brannte in der Aufführung „Der Wiener Walzer“ ein Lampion. Wo dies nicht möglich sei, muss für eine feuersichere Imprägnierung gesorgt werden. 521 Die GI verfügt, dass alle der hofärarischen Verwaltung unterliegende Institutionen mit der Beheizung und Beleuchtung so sparsam wie möglich umzugehen haben, gerade so, dass der Betrieb noch aufrechterhalten werden kann. 522

Dem Dekorationsmaler Anton Brioschi wurde mit Zustimmung der GI eine Preiserhöhung per m² für neue Malerei auf neuer Leinwand von 5.60 K auf 6 K, auf alte Leinwand von 1.80 K auf 3 K und für Übermalung von 0.64 K auf 1 K gewährt. 523

Die Theaterferien wurden am 12.3. 1917 einvernehmlich vorverlegt und zwar bereits vom 16. Juni bis einschließlich 15. August 1917. 524

Das Kaiserpaar, Kaiser Karl und Kaiserin Zita, sollte am 6. Juni, anlässlich eines Konzertes im Hofoperntheater zugunsten des k.k. Österr. Militär-Witwen und

520 Vgl.: Kt. Oper 328/17, Zl: 161. 521 Vgl.: Kt. Oper 329/17, 262, v. 14.3. 522 Vgl.: Kt. Oper 329/17, 272, v. 17.3. 523 Vgl.: Kt. Oper 329/17, 298, v. 17.4. 524 Vgl.: Kt. Oper 328/17, Zl: 254. 171

Waisenfonds, erstmals nach der Hoftrauer öffentlich auftreten. Gregor wollte dies natürlich rechtzeitig öffentlich bekanntmachen, um dieses Konzert erfolgreich durchzuführen. Das Konzert stand unter der Patronanz der Majestäten. Programm: Beethoven, Sanctus und Benedictus aus der Messe Missa solemnis, Violinsolo Prof. Arnold Rosé (Schwager von Mahler); Gluck, Arie aus Alkeste; Mozart, Arie aus Idomeneo; Händel, Il Pensioroso; Weber, Arie aus Oberon; Liszt, Die Vatergruft; Berlioz, Blumenbeschwörung und Sylphentanz aus Faust Verdammung; Strauss, Wiegenlied und Cäcilie; Wagner, Trauermusik bei Siegfrieds Tod und Schlussmonolog der Brünnhilde aus Götterdämmerung. Musikalische Leitung: Franz Schalk. Mitwirkende: Berta Kiurina, Hermine Kittel, Hermann Gallos, Richard Mayr, Marie Jeritza, Alfred Piccaver, Selma Kurz, Leo Slezak, Lotte Lehmann, Lucy Weidt. Auf den eingelegten Liedtexten war zu lesen „Zeichnet Kriegsanleihe“. (Das Programm war auf wunderschönem Büttenpapier mit Goldrand gedruckt. Richard Strauss wurde mit „ß“ gedruckt.) Natürlich musste Gregor vor Veröffentlichung, ob die Majestäten wirklich teilnehmen, die Genehmigung des Obersthofmeisters einholen. Hohenlohe-Schillingfürst ließ wissen, man möge dies vorläufig unterlassen. 525

Sparmaßnahmen waren allgegenwärtig: Die ausgemusterten Uniformen der Leibgarde (Reiter-Eskadron) wurden dem Hofoperntheater zur eventuellen Verfügung gestellt. Der Vorstellungsbeginn in der Sommerzeit – vom 16.4. bis 17.9. – wurde auf 7 Uhr abends verlegt, bei einer Spieldauer über 3 Stunden entsprechend früher. 526

Am 11.7. 1917 bot das Österreichische Lieferungsunternehmen für Konfektion Wien 1., Salzgries 15, dem Hofoperntheater 364 Theaterkostüme an und die Gattin des Direktors, Frau Della Gregor verfügte ebenfalls über 40 ungebrauchte Theaterkostüme, 9 Perücken und 47 Schmuckstücke, die sie ebenfalls der Hofoper anbot. Da es durch den Krieg zu einem Engpass auf diesem Gebiet bereits gekommen war, wurden die angebotenen Artikel vom künstlerischen Beirat Prof.

525 Vgl.: Kt. Oper 329/17, Zl: 299, v. März – Mai 1917. 526 Vgl.: Kt. Oper 329/17, Zl: 363 und 364 v. 17.4. 1917 u. Zl: 409 v. 30.4 1917. 172

Pühringer und beeideten Sachverständigen und Schätzmeister Lambert Hofer begutachtet. Die GI genehmigte die Ankäufe mit 19.9. 1917. Das Konfektionsunternehmen erhielt 20.500 K, Frau Della Gregor erhielt 9.000 K. 527 (Gregor hielt sich aus gutem Grund von dieser Angelegenheit fern.) Der neue Direktor der Volksoper Raoul Mader wollte leihweise oder käuflich entbehrliche Kostüme der Hoftheater erwerben. Gregor antwortete am 12.7. 1917: „In der gegenwärtigen Situation wäre es nicht verantwortlich etwas zu veräußern, ebenso sei eine leihweise Überlassung im gegenwärtigen Stand undurchführbar.“ 528 Einige Ballettmitglieder erhielten die Erlaubnis der GI, bei einem Film für eine Kriegsfürsorgeaktion samt Kostümen mitzuwirken, dabei haben die Kostüme großen Schaden genommen, außerdem wurden die Mitwirkenden nicht entsprechend entlohnt. 529 Schließlich zahlte die Wiener Kunstfilm am 17.9. 1917 für den entstandenen Schaden 3.000 K. 530 Gregor war, wie der Deutsche Bühnenverein, nach wie vor der Auffassung, dass Film sich schädigend auf das Theater auswirken würde und verbot in der Folge am 21.6. 1917 eine Mitwirkung der Mimikerin Marie Marchal an Filmaufnahmen. Die neue GI fiel Gregor jedoch in den Rücken und genehmigte am 11.7. 1917 sowohl Marie Marchal als auch Leo Dubois eine Mitwirkung. 531

Eine „Kriegsanleihe der Österreichischen Bühnen“ sollte die Direktoren und alle Künstler moralisch dazu verpflichten, ihren Beitrag zu leisten. Am 31. Mai wurden die Tages – Bruttoeinnahmen der Theater in Anleihen angelegt. Die Künstler sammelten auch in Bekanntenkreisen und so kamen insgesamt 7 Millionen K für die 6. Kriegsanleihe zusammen. 532 (Alles Geld, das mit Ende des Krieges verloren war.) Im November 1917 gab es schon die VII. Kriegsanleihe, die Theater der Monarchie haben insgesamt 15,579.850 K gezeichnet. 533

527 Vgl.: Kt. Oper 330/17, Zl: 445. 528 Kt. Oper 330/17, Zl: 527. 529 Vgl.: Kt. Oper 331/17, Zl: 592, v. 14.6. 1917. 530 Vgl.: Kt. Oper 332/17, Zl: 835. 531 Vgl.: Kt. Oper 331/17, Zl: 618. 532 Vgl.: Kt. Oper 330/17, Zl: 449. 533 Vgl.: Kt. Oper 334/17, Zl: 1115. 173

Die Inflation schritt unaufhaltsam fort; es wurden auf Anordnung der GI die Verpflegssätze (Diäten) und Quartierpauschale nach den verschiedenen Rangklassen erhöht. Zum Beispiel erhielt Gregor statt 50 K, 75 K pro Tag – also 50%ige Erhöhung.534 Am 3.6. 1917 genehmigte die GI einmalige Zuwendungen an das bühnentechnische-, Verwaltungs- und artistische Personal und Komparserie, zwischen 30 und 120 K. 535 Orchestermitglieder erhielten die Genehmigung, während der Theaterferien 1917, eine Konzerttournee in der Schweiz zu absolvieren. 536 (So konnten sie ihre Einkünfte aufbessern.) Auch die erforderlichen Fronttourneen wurden teilweise in diese Ferien verlegt. 537 Die Künstler an der Front unterlagen genauso den Bestimmungen des Deutschen Bühnenvereines wie in der Heimat, das hieß, bei Vertragsbruch wurden sie von der Liste gestrichen und konnten im gesamten deutschsprachigen Raum und im gesamten Bereich der Monarchie kein Engagement mehr bekommen. 538

Im Juni 1917 war der übliche Journalistenempfang entfallen, so wurde am 15.6. 1917 folgende Mitteilung an die Zeitungen versandt: „Die abgelaufene Spielzeit 1916/17 begann am 18.8. 1916 und endete am 15.6. 1917. Vom 22. November bis einschließlich 24. Dezember 1916 blieb das Hofoperntheater wegen des Ablebens weiland Seiner Majestät Kaiser Franz Joseph I. geschlossen. Novitäten und Neueinstudierungen: 4. Oktober „Ariadne auf Naxos“, von Richard Strauss (Uraufführung der sogenannten Wiener Bearbeitung). 21. Jänner „Faun und Nymphe“, Ballett von Josef Hassreiter, Musik von Josef Klein. 27. Jänner „Manon“, Oper von . 20. Feber „Die Schneider von Schönau“, Oper von Jan Brands-Buys. 27. April „ Eine florentinische Tragödie“, Oper von Alexander Zemlinsky. 27. April „Klein Idas Blumen“, Ballett von August von Klenau. 31. Mai „Die lustigen Weiber von Windsor“, Oper von Otto Nicolai.

534 Vgl.: Kt. Oper 330/17, Zl: 492, v. 19.5. 1917. 535 Vgl.: Kt. Oper 330/17, Zl: 526. 536 Vgl.: Kt. Oper 330/17, Zl: 525. 537 Vgl.: Kt. Oper 330/17, Zl: 524, v. 8.6. 1917. 538 Vgl.: Kt. Oper 334/17, Zl: 1119, v. 24.11. 1917. 174

An den 258 Spielabenden und 5 Matineen der verflossenen Saison kamen 58 verschiedene Opernwerke und 12 Ballette zur Aufführung. Die feindlichen Komponisten waren wie im Vorjahr vom Spielplan ausgeschlossen. Gäste: a) auf Engagement : Karl Schroeder vom Stadttheater Cöln, Magda Spiegel vom Stadttheater in Düsseldorf, Hedy Iracem-Brügelmann vom königl. Hoftheater in Stuttgart (engagiert), Sigrid Hoffmann-Onegin vom königl. Hoftheater in Stuttgart, Erik Vye vom Stadttheater in Breslau, Karl Aagard-Oestvig vom königl. Hoftheater in Stuttgart (engagiert), Josef Degler vom Stadttheater in . b) aushilfsweise: Ks Hedwig Francillo-Kauffmann, Hamburg; Bella Alten, Wien; Alice von Beör-Gruselli vom königl. Landestheater in Prag; Albin von Rittersheim, VOP Wien; Marcel Noe VOP Wien. Es gastierten ferner: Hr. k.u.k. KS Leo Slezak 12mal, KS Paul Bender 7mal, beide treten im Herbst 1917 in den Verband des Hofoperntheaters. c) Dirigenten: Hr. Dr. Richard Strauss „Rosenkavalier“ am 27.9. Hr. Dr. Wilhelm Kienzl „Der Evangelimann“ am 3.2. Hr. Erich Wolfgang Korngold „Der Rind des Polykrates“ – „Violanta“ 26.5. Veränderungen im Personal: Abgänge: KS William Miller (31.5.) Paul Hochheim (31.8.) In den Verband des Hofoperntheaters treten mit Beginn der neuen Spielzeit ein: KS Leo Slezak (Tenor) KS Paul Bender v. königl Hoftheater München (Bass-Bariton) Frl. Melitta Heim v. Opernhaus Frankfurt/M. (Sopran) Fr. Hedy Iracema-Brügelmann v. Hoftheater Stuttgart (Sopran) Fr. Lotte Schöne von der VOP Wien (Sopran). Über Neuerwerbungen von Opern- und Balletterwerben für die Spielzeit 1917/18, sowie über geplante Neueinstudierungen erfolgt später eine Verlautbarung.“539

539 Kt. Oper 331/17, Zl: 598. 175

Leo Janaceks Oper „Jenufa“ (Jeji Pasztorkyna) 3 Akte, in der Übersetzung von Max Brod, wurde erworben, 6% Tantiemen und 2.000 K für Material, 21.6. 1917. 540 Das Textbuch für das „Machwerk“ „Ferdinand und Luise“ von Julius Zaiszek wurde genehmigt. 541 Jedoch das Textbuch der neuen Oper von Franz Schreker „Die Gezeichneten“ wurde wegen Verletzung des Anstandes und der guten Sitten abgelehnt. 542 (In Gregors Direktionszeit war dies die erste Ablehnung.)

Zum Ende der Spielzeit verliert Gregor einen weiteren Gönner und zwar Sr. Exzellenz Franz Freiherr von Wetschl, Sektionschef und Kanzleidirektor des Obersthofmeisters. In einem Brief vom 18.6. teilte Wetschl Gregor dies mit Bedauern mit. 543 (Wetschl hatte Gregor in Berlin 1910 das Angebot für die Direktionsübernahme des Wiener Hofoperntheaters gebracht und die Verhand- lungen geführt.)

Am 9.7. 1917 schreibt Gregor an Schalk, dass er bedaure ihn bei der Direktion- sitzung am ersten Ferientag nicht begrüßen zu können, er sei über seine bereits erfolgte Abreise nicht informiert worden. Gregor bringe ihm hiermit das Sitzungsergebnis mit Wymetal und den anderen Kapellmeistern zur Kenntnis: 1.) Dass zu weit ausgreifende Pläne in der Hofoper in absehbarer Zeit alle Möglichkeiten fehlen. Neueinstudierungen würden immer unter dem Hauptgesichts- punkte stehen, haben wir das nötige Rüstzeug oder nicht; 2.) „Ferdinand und Luise“ ist eine abgemachte Sache. Piccaver soll Ferdinand singen. Schade, dass Schalk nicht schon vor den Ferien mit ihm die Rolle durchgegangen ist, er kann die Lernfähigkeit von Piccaver wahrscheinlich besser einschätzen. Wenn es nicht klappt, müsste vorher „Euryanthe“ gegeben werden. Die szenischen Behelfe für Ferdinand würden vom Hofburgtheater aus „Kabale und Liebe“ bestritten werden; 3.) „Jenufa“ von Janacek, die in Prag aufgeführte Oper haben wir in der Zwischenzeit gehört und Vertrag abgeschlossen und wird zu bewältigen sein, mit Fr. Jeritza, Fr. Weidt und 2 Tenören, wahrscheinlich Schmieter und Maikl;

540 Vgl.: Kt. Oper 331/17, Zl: 631. 541 Vgl.: Kt. Oper 331/17, Zl: 637. 542 Vgl.: Kt. Oper 331/17, Zl: 638. 543 Vgl.: Kt. Oper 331/17, Zl: 609. 176

4.) „Die Gezeichneten“, wenn überhaupt wo aufzuführen, dann nach dem Krieg; 5.) „Die Schönen von Forgaras“, eine hohe Stelle zeigt starkes Interesse, werden wir vorläufig dilatorisch behandeln. Das Buch, an das er sich nicht mehr erinnert, schließt vorläufig – Gott sei Dank – jede Aufführungsgefahr aus; 6.) Um den Publikum auch entgegenzukommen, hat Gregor über Vorschlag Reichweins Humperdincks „Königskinder“ ins Repertoire genommen, er weiß, dass Schalk nicht unbedingt dafür ist. Aber man braucht keine neuen Kostüme und für die Dekoration muss die Leinwand herhalten, das ist zu bewerkstelligen; 7.) Schalks persönliches Anliegen bezüglich seiner Pensionswünsche sei von der GI wohlwollend behandelt worden, jedoch auf sein junges Alter für den Zeitpunkt des Eintritts zurückgestellt worden. Wenn es dann so weit ist, genügt ein kleiner Stoß und Gregor werde sich sofort dafür einsetzen, falls er dann noch Direktor ist, dass die Angelegenheit in Schalks Sinne erledigt werde; 8.) Wenn Schalk retour, bittet Gregor ihn gleich zu sich, um einen Arbeitsplan zu entwerfen und alle Möglichkeiten in dieser schweren Zeit auszuloten. 544 Am 13.8. 1917 erhält Schalk von Lion das Repertoire der ersten Tage der Spielzeit 1917/18: 16.8. „Das Heimchen am Herd“; 17.8. „Die Meistersinger von Nürnberg; 18.8. „Aida“; 19.8. „Die lustigen Weiber von Windsor“; 20.8. Ballette; 21.8. „Manon“. Da Schalk in der neuen Operneinteilung, die ihm baldigst zugeht unter anderem wunschgemäß „Die Zauberflöte“, „Tristan und Isolde“ und der ganze „Ring“ zugefallen sei, musste über „Die Meistersinger“ zugunsten Reichweins disponiert werden. 545 „Die Königskinder“ von Engelbert Humperdinck wurden vom Musikverlag Max Brockhaus, Leipzig erworben: Materialkosten 2.000 K, Tantiemen 6% der Brutto- Einnahmen. 546

Die Empfangsstunde beim Obersthofmeister wurde mit dessen Einverständnis für Gregor verschoben, da sein Bruder verstarb und er vom 4. – 9.8. 1917 nach Dresden verreiste. 547

544 Vgl.: Kt. Oper 331/17, Zl: 670. 545 Vgl.: Kt. Oper 331/17, Zl: 670. 546 Vgl.: Kt. Oper 331/17, Zl: 686. 547 Vgl.: Kt. Oper 332/17, Zl: 711. 177

Nach seiner Rückkehr aus Dresden musste Gregor sich gegenüber der GI verantworten, warum der Teilvoranschlag für das Jahr 1918 eine Netto-Erhöhung von 165.281.50 K gegenüber dem Präliminar des Jahres 1917 ausmachte. Seine Begründung: Monats-,Wochen- und Taglöhne: 45.800 K, worin auf die beantragte Erhöhung der Löhne lt. h.ä. Zl: 771 ddo 30.8.d.J. Rücksicht genommen wurde. Dienstkleider: 19.100 K, infolge Erhöhung der namhaften Steigerung der Stoffpreise. Tantièmen: 30.000 K, diese Erhöhung entspricht den in letzter Zeit erzielten höheren Kasseneinnahmen. Gastspielhonorare: 5.000 K, mit Rücksicht auf die letzten drei Gebarungs- ergebnisse. Beheizung: 60.000 K, wobei in Rechnung gezogen wurde, dass im Falle der Unmöglichkeit der Zuteilung von Kohle, mit Holz geheizt werden müsste, was weit teurer zu stehen kommt. 13.8. 1917. 548

Gregor sah sich durch die härtere Gangart des Obersthofmeisters und demzufolge der GI, die ihm immer wieder zur Kostenreduktion ermahnten, gezwungen, die Zügel in seinem Hause noch straffer zu spannen, was ihm natürlich noch mehr Antipathie einbrachte. Gregor informierte dahingehend: Nicht nur die Vorstände, sondern auch die Direktion müsse in Zukunft von sämtlichen Verhinderungen der Mitglieder verständigt werden um unliebsame Betriebsstörungen zu vermeiden, die unter Umständen eine Schädigung der Kassengebarung bedeuteten. „Anmeldeformulare zu diesem Behufe stehen den Herren Vorständen in der Kanzlei zur Verfügung. Wien, am 16. August 1917. Die k.u.k. Direktion des k.k. Hofoperntheaters. Hans Gregor m.p.“ 549 In diesem Zusammenhang wurde der künstlerische Beirat Pühringer beauftragt, die Ausscheidung alter Kostüme vorzunehmen und die entsprechenden Vorarbeiten in Angriff zu nehmen und aufzulisten, welche Kostüme verarbeitet werden können, damit man rasch die definitive Durchführung in Angriff nehmen kann, natürlich nach vorheriger Genehmigung durch die GI. 27.8. 1917. 550 Weiters wurde Gregor beauftragt ein Exposè auszuarbeiten, wie Ersparnisse und Vereinfachungen im

548 Vgl.: Kt. Oper 332/17, Zl: 712. 549 Kt. Oper 332/17, Zl: 717. 550 Vgl.: Kt. Oper 332/17, Zl: 757. 178

Betriebe der Hofbühnen möglich wären. 551 Außerdem wurden den beiden Hoftheatern eine Art Kontrollorgane zugeteilt. Dem Hofoperntheater Hofrechnungsrat Emil Jakoby und dem Hofburgtheater Hofamtssekretär Anton Kraus. 2.9. 1917. 552 Auf Anweisung der Direktion, durfte der Requisitenmeister – mit einigen Ausnahmen – keine Esswaren und Pflanzen bei Aufführungen beistellen. 553 Weißer Futterstoff, man benötigte 9.500 m, konnte nicht mehr beschafft werden, so musste man sich mit Papier-Futterstoffen anfreunden. 554 Trotz aller Einsparungstendenzen wurde am 15.9. 1917, in Anbetracht der Inflation, dem Personal des Hofoperntheater von der GI eine Teuerungszulage zugestanden. 555 Den Mitgliedern des Balletts deren Bezüge unter 6.000 K lagen, wurden am 22.9. 1917, jährlich 300 K Erhöhung zugestanden. 556 Für die Bediensteten, die bis zum Schluss nach der Vorstellung beschäftigt waren, wurden jeden Monat 10 K als Ersatz für Straßenbahn (diese fuhr so spät nicht mehr) und Sperrgeld ausbezahlt. 557 Außerdem wurde am 4.10. 1917 verfügt, dass für das Personal, welches abends nicht benötigt wurde, der Dienst um 17 Uhr endete. Dafür wurde die Mittagspause gekürzt, durch die Kriegsküche konnte man im Hause essen, so wurde die Teuerungszulage und Sperrgeld gespart. Diese Regelung galt vorläufig bis 31.3. 1918. 558 Außerdem wurde verfügt, dass die Essenseinnahme nicht im Bühnenbereich eingenommen werden darf, da der Essensgeruch bis in den Zuschauerbereich dringt. 559 Auf Anregung der beiden Hoftheater für diese Mahlzeit, erließ Sr. Majestät den Befehl, dass das minderbemittelte artistische Hilfspersonal um 60 h eine warme Mahlzeit pro Tag aus der Hofküche erhielt, bestehend aus Gemüse (etwa einen halben Liter) und einem Stück Brot. Dafür musste die Brotzuteilung dieser Personen gekürzt werden. Andere Bedienstete – außer dem Solopersonal konnten ebenfalls an dieser Ausspeisung teilnehmen, mussten aber 1 K 20 h bezahlen. Meldungen waren

551 Vgl.: Kt. Oper 332/17, Zl: 760. 552 Vgl.: Kt. Oper 332/17, Zl: 784. 553 Vgl.: Kt. Oper 332/17, Zl: 828 und 829, v. 15.u.16.9. 1917. 554 Vgl.: Kt. Oper 333/17, Zl: 863, v. 24.9. 1917. 555 Vgl.: Kt. Oper 332/17, Zl: 826. 556 Vgl.: Kt. Oper 333/17, Zl: 852. 557 Vgl.: Kt. Oper 333/17, Zl: 899, v. 2.10. 1917. (Das Sperrgeld war für den Hauswart notwendig, der nach Zusperren des Haustores am Abend zum Aufsperren herausgeläutet werden musste.) 558 Vgl.: Kt. Oper 333/17, Zl: 924. 559 Vgl.: Kt. Oper 334/17, Zl: 1155. 179 vorher notwendig. Z.B. haben am 1.11. 1917, 66 Personen a 60 h und 5 Personen a 1 K 20 h, vom Hofoperntheater an einer Ausspeisung teilgenommen. 560

Um den Betrieb trotzdem aufrecht zu erhalten, musste man sich doch mit Kriegsgefangenen, wie in Deutschland, behelfen. Gregor beantragte bei der GI die Genehmigung für ca. 84 Leute, davon sind 10 Leute als Ersatz für Erkrankungen gedacht, jedoch müssten die Gefangenen etwas deutsch können. Wie das Kriegsministerium ihm versicherte, sind mit Tageskosten pro Mann von 3 K inklusive Verpflegung und Unterkunft zu rechnen. Dafür würden 30 Soldaten und 7 Dekadenlöhner frei werden. 561 Am 22.9. 1917 wurden alle Dienststellen angewiesen, Ferngespräche nicht länger als 12 Minuten zu führen, da sie sonst von der Telefonzentrale getrennt werden. Die Leitungen haben für die Monarchen und Kriegsministerium frei zu bleiben. Privatgespräche werden nach 6 Minuten getrennt. 562

Bei allem Verständnis das Gregor für die politische Lage aufbrachte, schreckte er nicht davor zurück, dem Obersthofmeister zu sagen, dass er einer Mitwirkung des Orchesters bei einem Konzert, das Fürsterzbischof Kardinal Piffl angeregt hatte, seine Zusage zu verweigern, wenn das Konzert an einem Abend gegeben wird. 563 Aus einer Aufstellung geht hervor, dass bei Wohltätigkeitsveranstaltungen des Hofoperntheaters, wo teilweise das gesamte Personal oder einzelne Körperschaften und Mitglieder teilgenommen haben, vom Jahre 1914 bis 21.9. 1917, 452 Wohltätigkeitsveranstaltungen stattgefunden haben. (1914 – 33, 1915 – 141, 1916 – 174 und 1917 – 104 Veranstaltungen.) 564

Gregor musste eine Dienstreise gegenüber der GI ausdrücklich begründen, vielleicht weil er Lion damit beauftragte: „Die gefertigte Direktion legt besonderen Wert darauf über mehrere ihr in letzter Zeit empfohlene Opernwerke, sowie auch über

560 Vgl.: Kt. Oper 332/17, Zl: 830. 561 Vgl.: Kt. Oper 332/17, Zl: 785. 562 Vgl.: Kt. Oper 332/17, Zl: 844. 563 Vgl.: Kt. Oper 332/17, Zl: 842. 564 Vgl.: Kt. Oper 332/17, Zl: 847. 180 verschiedene Gesangskräfte, auf die sie von maßgebender Seite aufmerksam gemacht worden ist, ein fachmännisches Urteil zu erhalten. Zu diesem Zwecke will die Direktion den artistischen Sekretär Karl Lion auf eine Dienstreise nach Breslau, Berlin, Halle a./S, Frankfurt und Nürnberg entsenden. „[…] Die gefertigte Direktion bittet um diesbezügliche Genehmigung. Gregor. 9.10. 1917“565 Ein genauer Bericht von Lions Reise ist dem Akt angeschlossen. Er kommentiert sehr fachmännisch die gehörten SängerInnen und Werke. Seine Beurteilungen: Gut, eventuell später oder kommt für Wien nicht in Frage. Es sind immer wieder Bemerkungen zu lesen, dass Gregor von Dienstreisen in den Jahren 1917/18 absieht. Wahrscheinlich hatte er deswegen Lion damit beauftragt und konnte dieser bei solchen Gelegenheiten seine Heimat/Verwandte besuchen. Der Opernalltag wurde immer beschwerlicher. Von den „normalen“ Schwierigkeiten die ein so großes Haus mit Künstlern naturgemäß verursachen, wie bereits in den Jahren 1911 – 1914 erwähnt, abgesehen und die zur Direktion des Wiener Hofoperntheaters gehören, wurde, bedingt durch den nun schon mehr als 3 Jahre dauernden Krieg, das Arbeiten mehr als erschwert was die Beschaffung von Ressourcen aller Art, ob Menschen oder Materialien betraf. Die Inflation stieg ständig. Wenn man vergleicht: Im Jänner 1914 war 1 Krone gegen Jänner 2008, 4.60 Euro wert. Im Jänner 1917 hätte man heute für 1 Krone nur mehr 0.67,31 Euro bekommen. 566 Trotzdem, oder gerade deswegen mussten die Eintrittspreise für die Hoftheater mit 15.11. 1917 angehoben werden. Der teuerste Platz, Logen im Parterre und I. Rang kostete K 90; der billigste Platz, Stehplatz im IV. Rang K 1.40. 567 Natürlich erledigte die Kanzlei vieles im Alleingang, jedoch musste Gregor über alles unterrichtet werden, abzeichnen, Gesuche konnte nur er an die zuständigen Stellen – wie Ministerien, besonders Kriegsministerium – richten. Gregor wurde überschwemmt mit Bitten. Ein großer Akt gibt davon Kenntnis. Ja man musste bereits besorgt sein, dass die tägliche Lieferung und Abladen der Menage aus der Kriegsküche auf der Straße, Ärgernis durch die Hungernden hervorrufen würde. Mit Decken verhüllt – die mussten auch erst organisiert werden – wurde das dann

565 Kt. Oper 333/17, 948. 566 Vgl.: Statistik , Liste ab 1820, S 1, Stand Jänner 2008. 567 Vgl.: Kt. Oper 334/17, Zl: 1063. 181 bewerkstelligt. Das Arbeiten unter Prinz Hohenlohe gestaltete sich schwieriger, als bei Fürst Montenuovo, obwohl die Korrespondenz immer sehr freundlich war, jedoch distanzierter. 568 Der neue Obersthofmeister war zu allen Seiten hin freundlich und versprach sehr viel, was er dann leider von seinen Theaterdirektoren umgesetzt haben wollte. Naturgemäß brachte das Schwierigkeiten mit sich. Hier betraf es die Oper „Die Insel Aebelö“ von Mracek. 569 Die Beleuchtung der Orchesterpulte war derart schlecht, dass dadurch die Leistungen des Orchester ernstlich gefährdet wären, beschwerten sich Schalk und Reichwein. Oberregisseur Stoll wiederum verlangte, dass die Arbeitsräume der Schneiderei früher beheizt werden, da das Personal bei Kälte nicht arbeiten kann und er reklamierte auch die ausreichende Beheizung der Bühnenräume. Das Ersuchen der Direktion um Abschaffung dieser Missstände, wurde an die Gebäudeverwaltung, Oberinspektor von Karajan (Ein Verwandter des Dirigenten und späteren Direktors der Staatsoper, Herbert von Karajan) weitergeleitet. 570 In dieser Phase der Kriegszeit waren alle Nerven bereits äußerst strapaziert. Gregor beantwortete am 29.10 1917, einen Beschwerdebrief selbst und zwar an Erich Maybaum, Wien 18., Gersthoferstrasse 105: „Sehr geehrter Herr! Sie fordern von mir Aufklärung und sprechen von schwerwiegendsten Bedenken, schwerer Schädigung berechtigter Interessen, dass bisher in diesem Jahre im Hofoperntheater weder der „Ring“, noch „Tristan“ auf dem Spielplane erschienen ist. Sollten Sie wirklich in der Gersthoferstrasse No 105 noch nicht gehört haben dass wir uns seit mehr als drei Jahren im Weltkriege befinden? Oder sind Sie weltfremd, dass Sie die Rückwirkungen eines solchen Elementarereignisses auf einen komplizierten Betrieb wie die Hofoper für Phantastereien halten? Ich kenne Leute die Gänsebraten unter die berechtigten Lebensgenüsse zählen. Vielleicht sind Sie mutig genug, zu behaupten, dass diese Leute selbst in dieser Zeit, mit ihrer sittlichen Forderung Recht haben. „Tristan“ und „Der Ring“ werden im Hofoperntheater gegeben werden, wenn die Verhältnisse die Aufführung der Werke gestatten. Hochachtungsvoll Gregor.“ 571

568 Vgl.: Kt. Oper 333/17, Zl: 961 v. 9.10. 1917 und Kt. Oper 341/18, Zl: 2, v. 2.2. 1918. 569 Vgl.: Kt. Oper 334/17, ZL: 1039, v. 29.10.1917. 570 Vgl.: Kt. Oper 335/17, Zl: 1175 und 1176, v. 5. u. 10.12 1917. 571 Kt. Oper 334/17, Zl: 1038. 182

Am 12.12. 1917 reagierte Gregor „fuchsteufelwild“, weil ihm eine Äußerung, die Schalk gemacht hatte, unterschoben wurde: Die Stimme von Herrn Leuer hätte unter dem Studium bei Prof. Geiringer gelitten. Sowohl Geiringer als auch Fr. Berta Kiurina-Leuer ersuchten Gregor handschriftlich inständig um Vergebung. 572 Aus einem Briefwechsel im Dezember 1917 mit Richard Strauss geht hervor, dass Fr. Della Gregor nach einem Krankenbesuch bei einem Sohn von Gregor in Partenkirchen /Deutschland, im Sanatorium Wigger, selbst schwer erkrankte und operiert werden musste, sie war so schwach, dass sie nicht einmal telefonieren konnte. Der unfreiwillige Aufenthalt von 8 Wochen, im November und Dezember 1917, in Deutschland, bedeutete für Gregor des Öfteren zu seiner Frau zu reisen und erhielt dafür vom OMeA eine Reiseerleichterung. 573 Lion hat in dieser Zeit seinen Direktor mehr als sonst unterstützt und würde auch die Nervosität von Gregor begründen. 574

Die jährlichen Remunerationen wurden trotz allem wieder genehmigt; für Garderobenmeister, Oberinspizienten, einzelne Sänger, artistisches- und Bühnen- personal, ebenso für das Kanzleipersonal, das neben Lion, Hof-Hilfsämter-Direktor Alois Przistaupinsky, Hof-Rechnungsrat Emil Jakobi, Direktionssekretär Philipp Schlader, Direktions-Kanzlist Anton Tschauder, 1 Korrespondentin, 1 Stenographin, 5 Kanzleidiener und 3 Reinigungsfrauen umfasste. 575

Im Jänner 1918 waren die Bemühungen von Lion im Verband mit dem Hofburgtheater, für den gemeinsamen Wirtschaftsverband eigene Kartoffeln anzubauen schon weit gediehen. Grundstück, Pflugarbeiten, Aussaat und Bewachung (!) waren organisiert, jedoch beschlagnahmte die Kriegsgetreide- gesellschaft im letzten Moment alles und die viele Mühe, mit erheblichen Kosten verbunden, war umsonst. Aber Lion war unermüdlich; Lieferungen trafen ein von Galizien, Ungarn, Lemberg, mit Selchwaren, Speck, Eiern, Kälber und Schweine. Für die vielen Mitglieder der beiden Hoftheater waren diese Mengen jedoch noch immer sehr knapp und

572 Vgl.: Kt. Oper 335/17, Zl: 1198. 573 Vgl.: Kt. OMeA 2184/17, Zl: 19/A/9, v. 30.11. 1917. 574 Vgl.: Kt. Oper 341/17, Zl: 12 v. 3.1. 1918. 575 Vgl.: Kt. Oper 334/17, Zl: 1156, 1157 und 1160, v. 10.12. 1917. 183 besonders beim technischen Personal musste ein Kräfteverfall so weit als möglich vermieden werden, da dieser einen schweren Schaden für die Hoftheater bedeuten würde. Diese Begründung führte Lion immer wieder bei seinen Lebensmittel- anforderungen an. 576

In Sammelakten Regiebemerken ist zu lesen, dass Reichenberger sich beschwerte, für eine notwendige Ensembleprobe für „Figaros Hochzeit“ mit sonst absolut sicheren Mitgliedern, wie den Herren Mayr und Duhan, ihm nur eine Stunde zur Verfügung stand, da eine andere Probe eingeschoben werden musste, dies ist eindeutig zu wenig. Die Vorstellung am 4.4. 1917, „Der Gaukler unserer lieben Frau“, ist ohne Störung verlaufen. (Skofits) Die meisten Beschwerden betreffen Musiker, die entweder zu spät kamen, oder Vertretungen schickten. Die am 5.4. stattgefundene Vorstellung „Die Jüdin“ hat sich um 5 Minuten verzögert, weil die Sängerin Frl. Heim erst um 6 Uhr in ihrer Garderobe erschien. (Skofits) Infolge Abänderung des Spielplanes und den damit verbundenen Dekorationstransport für „Barbier von Bagdad“ und „Strachella“, konnte trotz aller Anstrengungen die Vorstellung erst um 6.14 Uhr beginnen. (Bennier) 577

Bei der am 14.1. 1918 stattfindenden Präliminar-Sitzung im Obersthofmeisteramt, bei der der Erste Obersthofmeister, Prinz Hohenlohe-Schillingsfürst. Exzellenz Keller, Rechnungsdirektor Balling, Hofrat v. Horsetzky, Hofrat Millenkovich und Gregor anwesend waren, wurden die Neuausstattungs-Konten der Jahre 1910 – 1916 aufgelistet: Ära des Amtsvorgängers: 1910: 250.500 K (allein „Zigeunerbaron“ 70.000 K, Dekorationen und Kostüme Atelier Winternitz; 1911: 276.200 K (incl. Benvenuto Cellini – noch von Weingartner – mit 65.000 K (Atelier Winternitz); 1912: 138.000 K (eigene Werkstätten);

576 Vgl.: Kt. Oper 341/18, Zl: 1, v. 15.1. 1918. 577 Vgl.: Kt. Oper 341/18, Zl: 3 und Zl: 8. 184

1913: 103.200 K „ 1914: 252.500K „ für Parsifal mit überdecktem Orchestergraben 191.000 K, dagegen 3 Vorstellungen zu erhöhten Preisen, Mehreinnahmen 62.000 K; 1915: 74.500 K (eigene Werkstätten); 1916: 170.000K; „ 578 (Mit den eigenen Werkstätten wurde billiger produziert.)

Die GI versuchte die Kosten noch mehr zu senken, wobei Gregor bereits an die Grenze des Machbaren ging. So listet Gregor in einem 4seitigen Brief am 24.1. 1917 (Maschinenschrift) alle Argumente auf, gegen das Ansinnen der GI, die Dienstloge im 2. Rang Nr. 13, aufzulassen und je nach Bedarf Sitze zur Verfügung zu stellen. Gregors Argument: Täglich werden 4 Dienstsitze gebraucht, außerdem würde die Loge von insgesamt 17 Personen, wenn auch nur für kürzere Zeit, benützt. 579

Im Jahre 1918, wurde es immer schwieriger, die wichtigen Mitarbeiter vom Militärdienst zu befreien. Besonders für solche mit deutscher Nationalität. Wie Sekretär Lion, Sänger Wiedemann und Schmieter, Kapellmeister Reichenberger und noch einige andere.580 Der Stand der gesamten Mitglieder des Hofoperntheaters hatte sich bereits 1916 sehr reduziert: Stand 1.11. 1916, 602 Personen. 581 Früher waren es ungefähr 1.000.

Am 16.2. 1918 sollte Janaceks Oper „Jenufa“ aufgeführt werden. Das versuchten einige Abgeordnete des Parlaments mit einer Anfrage an den damaligen Unterrichtsminister zu verhindern. Die betont deutschen Abgeordneten nützten die innerpolitischen Parteikämpfe der Czechen, die sich von Österreich abtrennen wollten, dazu aus, um gegen diese Stimmung zu machen. Dem Hofoperntheater wurde vom Parlament vorgeworfen, dass zum Beispiel in den letzten beiden Wochen Komponisten wie Massenet, Verdi, Gounad, Smetana zur Aufführung kamen, während die Feinde alle deutschen Werke von ihren Spielplänen verbannt haben und

578 Vgl.: Kt. Oper 341/18, Zl: 74. 579 Vgl.: Kt. Oper 341/18, Zl: 18. 580 Vgl.: Kt. Oper 341/18, Zl: 149, v. 30.1. 1918. 581 Vgl.: Kt. Oper 341/18, Zl: 127, v. 27.1. 1918. 185 jetzt noch Janacek. Es sei unverständlich, dass die GI das genehmigte. Es gibt so viele deutsche Opern die einer Aufführung würdig wären. 582 Die Aufführung fand trotzdem statt und der Reinertrag zu erhöhten Preisen, kam der Gesellschaft zur Fürsorge für Kriegsinvalide zugute. 583

Neue Werke nahm Gregor sonst in dieser sich immer schwieriger gestalteten Zeit nicht mehr an. Leo Blech bot seine Oper „Rappelkopf“ an. Der Direktor vermerkte am Akt: „Ad acta, da vorerst keine Novitäten-Annahme beabsichtigt ist. 10.2.“ 584

Für Gastspielsänger aus Deutschland musste Gregor eine Einreisegenehmigung bei der Pass-Visa-Kommission im Ministerium für Äußeres erwirken, zum Beispiel für Karl Ziegler vom Stadttheater Frankfurt/M. Er sang am 15.2. den Pedro in „Tiefland“ und am 19.2. 1918 den Hans in „Die verkaufte Braut“. Die Kritiken waren sehr gut. 585 Den Tenor Ziegler wollte Gregor an sein Haus binden und schloss mit ihm einen Vertrag per 1.9. 1920 ab, außerdem versuchte der Direktor, Ziegler schon vorher öfters als Gast einzusetzen, da er ein großes Repertoire besitzt und eine sehr verwendbare Kraft zu werden verspricht. 586

Anfangs März 1918 unternahm Gregor noch einmal eine Dienstreise nach Berlin.6.3. Bei dieser Reise hatte er wieder Schwierigkeiten, wie bei seiner vorherigen Reise im Jahre 1917, über die Grenze in Tetschen zu kommen, das kostete Zeit und verzögerte ein pünktliches Erscheinen. Er ersucht die Passvisa – Kommission, am 7.3. 1918, in Zukunft die Grenzstellen dementsprechend zu informieren. 587

Im April 1918 wird Gregor von dem akademischen Maler Wilhelm Dessauer porträtiert. 5.4. 1918. 588

582 Vgl.: Kt. Oper 342/18, Zl: 183, v. 8.2. 1918. 583 Vgl.: Kt. Oper 342/18, Zl: 185, v. 8.2. 1918. 584 Kt. Oper 342/18, Zl: 186. 585 Vgl.: Kt. Oper 342/18, Zl: 209. 586 Vgl.: Kt. Oper 342/18, Zl: 342, v. 25.2. 1918. 587 Vgl.: Kt. Oper 343/18, Zl: 281 und 288. 588 Vgl.: Kt. Oper 343/18, Zl: 310. 186

Der Direktor des Technischen Museums, k.u.k. Geheimer Rat Exzellenz Dr. Wilhelm Exner (heute wird noch an der Technischen Universität Wien an verdiente Persönlichkeiten die „Exner“- Medaille verliehen), wollte seinen Sammlungen eine besondere Abteilung, „Theatertechnik“, angliedern und ersuchte Gregor als Fachkonsulenten daran teilzunehmen. Er ist geehrt und nimmt an. Exner dürfte Gregor geschätzt haben, er hätte auch jemanden anderen fragen können. 589

Noch im letzten Kriegsjahr hielt das Hofoperntheater an der Tradition fest, begabten Schülerinnen einen Freiplatz (ein so genannter Stiftplatz) an der k.k. Akademie für Musik und darstellende Kunst zu finanzieren. Diese durften während der Ausbildungszeit kein Engagement annehmen, sie mussten teilweise gegen eine Jahresgage von 2.400 K in den Verband des k.k. Hofoperntheaters treten, um dort tätig zu sein. Wenn ein Stiftsplatz frei wurde, langten unzählige Gesuche um Aufnahme ein. 590

Endlich war es so weit, Gregor konnte die Vorbereitungen treffen, dass die von der GI lang geschmähte „Salome“ im Oktober 1918 aufgeführt werden konnte. Dafür musste, wie bereits erwähnt, das schlechte Werk „Ferdinand und Louise“ eines Klavierlehrers der Hoheiten aufgeführt werden, Gregors bekannter „Kuhhandel“. 591

Gregor selbst musste die Souffleurin Grete Egger am 17.5. verwarnen, da er sich bei Aufführungen am 15.u. 16.5. 1918 selbst überzeugen konnte, dass sie zu laut souffliere, man hört es bis zur Galerie. Da sie bereits von Lion verwarnt wurde und wenn sie in Zukunft ihre Lautstärke nicht zurücknehme, würde sie die Konsequenzen tragen müssen. Er verstehe überhaupt nicht, dass die Bühne sich dies gefallen ließ. 592

Das Personal und auch Gregor wurden langsam kriegsmüde, außerdem war Gregor bereits bekannt, dass seit Ende März über eine vorzeitige Lösung seines Vertrages seitens des OMeA nachgedacht wurde. (Näheres unter Punkt 10.) Lion erledigte sehr

589 Vgl.: Kt. Oper 343/18, Zl: 317, vom 11.3. 1918. 590 Vgl.: Kt. Oper 343/18, Zl: 327, vom 17.3. 1918. 591 Vgl.: Kt. Oper 344/18, Zl: 508, v. 5.5. 1918. 592 Vgl.: Kt. Oper 344/18, Zl: 563. 187 viel Korrespondenz selbst und wenn es, wie am 26.5. 1918 eine Hausinspektion gab, in der der Requisitenmeister Schikaneder wegen unglaublicher Pflichtverletzungen abgemahnt werden musste und dieser sich uneinsichtig zeigte, konnte Gregor wieder sehr hart werden und drohte mit sofortiger Entlassung. Die Nerven lagen bei jedem blank, Personal war Mangelware und so musste die notwendigste Arbeit von den vorhandenen Mitarbeitern geleistet werden. 593

Die Geldmittel wurden immer knapper, die Lebenshaltungskosten stiegen laufend.594 Auf Anregung des k.u.k. Kriegsministeriums, am 6.6., sollten sämtliche Premieren zugunsten der Kriegsfürsorge stattfinden. Nach den Wünschen des neuen Obersthofmeisters, am 3.8., auch alle Erstaufführungen, bei Preiserhöhungen der Logen und Parkettplätze. (Wie sollte auf dieser Basis ein Voranschlag der Kosten eingehalten werden können?) In den Sommerferien 1918 mussten Arbeiten für die kommende Saison vorgezogen werden, da dies aus Personalmangel im laufenden Betrieb nicht zu schaffen war. 595 Die Kriegsküche lieferte auf Anregung der Direktion auch weiterhin das Essen für das verbleibende, oder nur kurz beurlaubte Personal, ebenso erhielten die Kranken weiter ihre Menage, Gregor wollte, dass alle gekräftigt ihre Arbeit wieder antreten konnten. 596

Am 30.5. 1918 wurde der Erste Obersthofmeister Seine Durchlaucht Prinz Konrad zu Hohenlohe-Schillingsfürst auf seinen Wunsch von seinem Amt enthoben und durch Seine Exzellenz Graf Josef Hunyady de Kéthély ersetzt. 597 Ab 18.7. 1918 gab es wieder einen General-Intendanten der Hoftheater, Geheimer Rat Dr. Leopold Freiherr von Adrian-Werburg. 598

Der Akt der letzten Theaterferien in Wien für Gregor, ist wieder sehr umfangreich. Er dürfte bereits im ersten Drittel des Juni 1918 in Bad Gastein geurlaubt haben. Er wurde wie immer über alles informiert, unterschrieb Verträge, erhielt Telegramme etc. Lion dürfte sich etwas später in Grossgmain/Salzburg erholt haben. Gregor

593 Vgl.: Kt. Oper 345/18, Zl: 592. 594 Vgl.: Kt. Oper 346/18, Zl: 707, v. 1.7. 1918. 595 Vgl.: Kt. Oper 345/18, Zl: 643, 666 und 667. 596 Vgl.: Kt. Oper 346/18, Zl: 719, v. 22.6. 1918. 597 Vgl.: Kt. Oper 345/18, Zl: 612. 598 Vgl.: Kt. Oper 346/18, Zl: 726. 188 wurde von Sekretär Schlader informiert. Przistaupinsky urlaubte am Wörthersee. Gregor war am 26.7. 1918 wieder in Wien und schrieb an Lion und fragte ihn, ob er etwas dagegen hätte wenn er den „Tannhäuser“ zuerst ansetze. Außerdem teilte er ihn mit, dass er nur Werke ansetzen werde, die doppelt und dreifach genäht wären und alles andere gut laufe. (Wahrscheinlich meinte er die „Salome“.) Gregor habe auch nichts dagegen einzuwenden, wenn er – Lion – noch vor seiner Rückkehr nach Frankfurt zu seinen Eltern fahre, er möge ihm aber vorher noch den Repertoire – Entwurf zukommen lassen, da er bis 12. wegen der Publikation nicht warten könne. Es tue ihm sehr leid, dass er diesmal für Lions Reise nach Frankfurt keine Dienstreise organisieren kann. 599 Eine Liste erwähnt die Erstaufführungen der Spielzeit 1917/18: Am 23.11. 1917 „Ferdinand und Louise“, am 16.2. 1918 „Jenufa“, am 10.3. „Irrlichter“ und am 8.5. „Der 18. Lenz“. 600 Mit einem Erlass vom neuen Obersthofmeister vom 4.7. 1918, werden die Kompetenzen der Hoftheater wesentlich beschnitten. Darin heißt es: „Den Direktionen wird verboten, im Stadium der Vorverhandlungen den Künstlern gegenüber irgend welche Zusagen zu machen oder Verbindlichkeiten einzugehen.“ 601 Die GI sei vorher oft gar nicht informiert worden und erst bei Ratifizierung der Verträge erhielt man Kenntnis, sah sich einem fait accompli gegenüber, welches sie, um die Direktion nicht zu desavouieren, zwang, die von letzterer getroffenen Vereinbarungen zu ratifizieren. Gleichgültig ob es sich um Vertragsverlängerungen oder neue Engagements handelt, habe man vorher alle Fakten der GI zu melden, die sich die letzte Entscheidung vorbehält. Gregor war am 4.9. 1918 diesbezüglich zum Vortrag beim General-Intendanten. (Am Akt war nur dieser Vermerk zu lesen.) 602

Ein weiterer Freund und Mitarbeiter wurde Gregor am 12.7. 1918 durch den Tod entrissen; der schon länger schwer kranke Oberregisseur, Prof. August Stoll. (Eine

599 Vgl.: Kt. Oper 346/18, Zl: 684, v.19.6. 1918. 600 Vgl.: Kt. Oper 346/18, Zl: 690, v.22.6. 1918. 601 Kt. Oper 346/18, Zl: 728. 602 Vgl.: Kt. Oper 346/18, Zl: 728. 189

Parte mit sehr einfühlsamen Worten für die Mitglieder des Hofoperntheater wurde von Gregor veranlasst.) 603

Am 19.8. lag ein Extra-Arbeits-Entwurf für die Spielzeit 1918/19 vor. 1. Hälfte Oktober: „Salome“ (Novität); November „Mahler-Symphonie“; Dezember „Nachtlager von Granada“ oder „Wasserträger“ (Neueinstudierung); Jänner 1919 „Königskinder“ (Novität); Februar „Cosi fan tutte“ (Neueinstudierung); März oder April „Carmen“ (Neueinstudierung). Neubesetzung und musikalische Neueinstudierungen: „Hans Heiling“; „Hoffmanns Erzählungen“; „Die verkaufte Braut“; „Der Barbier von Sevilla“; „Entführung aus dem Serail“; „Rienzi“; „Prophet“; „Troubadour“; „Othello“. Eventuell in Aussicht genommene Novitäten: „Schaharazade“ v. Bernhard Sekles; „Die Gezeichneten“ v. Franz Schrecker. Eventuell ins Auge gefasste Novitäten: „Die Stumme von Portici“; „Piquedame“; „Eugen Onegin“. Balletnovität: „Haschischtraum“. 604

Im Jahre 1918 erhielt Gregor am 1. Februar für Berlin, am 22. Februar für Deutschland allgemein, eine Amtsbestätigung für die ungehinderte Reise nach und von Deutschland. Was allerdings verwunderlich ist, dass er nochmals am 30.Oktober für 1. November eine Amtsbestätigung für eine Reise nach Deutschland erhielt, wo doch bereits Verhandlungen bezüglich seiner Ablöse als Direktor des Hofoperntheaters liefen. 605

Die politischen Ereignisse im Herbst 1918 überstürzten sich und machten auch vor den Direktionen des Hofopern- und Hofburgtheaters nicht halt. Die Hofoper war vom 21. Oktober – 1. November 1918 geschlossen, an diesem Tag wurde die „Provisorische Nationalversammlung“ konstituiert. Die letzte Tat des GI Baron Adrian-Werburg, der nur kurz im Amt war, die Lösung des Vertrages von Gregor voranzutreiben und ernannte am 10.November 1918 Kapellmeister Schalk zum

603 Vgl.: Kt. Oper 346/18, Zl: 733, v. 25.7. 1918. 604 Vgl.: Kt. Oper 346/18, 775. 605 Vgl.: Kt. OMeA 2218/18, Zl: 19/A/4. 190

Nachfolger. Gregor war mit 15. November 1918 beurlaubt und Schalk übernahm an diesem Tag die Leitung der Hofoper. 606 (Die Demission Gregors siehe Punkt 10.)

606 Vgl.: Ottner, Carmen: Oper in Wien 1900 – 1925; S 116. 191 192

7. Die wichtigsten KünstlerInnen in seiner Ära

7.1. Dirigenten

Bruno Walter hatte sich schon mit Weingartner nicht verstanden und versuchte mehrfach seinen Vertrag zu lösen. Als aber der dirigierende Direktor Weingartner die Hofoper verließ und Ende 1912 Bruno Walter, er wurde Generalmusikdirektor in München, standen nur mehr Schalk und Kapellmeister Hugo Reichenberger, der von Schalk sehr stark unterdrückt wurde, zur Verfügung. Erleichtert wurde die Situation ab 1.8. 1913 mit den Engagements von Leopold Reichwein und dem unter ferner liefen geltenden Bernhard Tittel, ab 15.8.1915, der jedoch nur das dirigieren dürfte, was die anderen Kapellmeister übrig ließen. 607 Obwohl Bruno Walters Vertrag – er war seit 1906 an der Hofoper engagiert – erst am 30. 6. 1917 ausgelaufen wäre, verhalf ihm Gregor, auch bei Fürst Montenuovo, trotz seiner Kapellmeister-Sorgen, dass er Wien in Richtung München mit 31.12.1912 verlassen konnte. 608 Montenuovo hatte zwar noch versucht Walter zu halten, die Gagenfrage sollte kein Hindernis sein, außerdem schien es für Walter wichtig zu sein, dass er eine gewisse Anhebung seiner Person erhalte und schlug vor, ihm eventuell den Titel „Hofkapellmeister“ zu verleihen. Dies dürfte auf Schwierigkeiten gestoßen sein. 609 Für Gregor war zwar Walter einer der wenigen Dirigenten, der am Gesamtkunstwerk an der Oper interessiert war und sich feinsinnig mit Regisseur und Ausstatter arrangieren konnte, trotzdem ließ er ihn gehen. 610 Seiner Meinung nach, kann ein sich nicht glücklich fühlender Künstler, besonders neben Schalk, keine besonderen Leistungen vollbringen und Gregor wollte Walter die Chance in München als Generalmusikdirektor mit einem Jahressalär von 36.000 Mark engagiert zu werden, nicht verbauen. 611 Das Fremdenblatt vom 8.10.1912 schreibt unter dem Titel:“ Walters Leiden und die Wiener Oper“ S 15 (Richard Batka) […] „So möge Bruno Walter, wenn es sein

607 Vgl.: Kt. Oper SR 52/1914, Zl: 57 und Kt. Oper 288/14, Zl: 57 ad. 608 Vgl.: Kt. Oper SR 52/1910, Zl: 411 und Kt. Oper 263/12, Zl: 1180. 609 Vgl.: Kt. Oper 258/12, Zl: 421. 610 Vgl.: Gregor: S 313. 611 Vgl.: Kt. Oper SR 52/1910, Zl: 411 und Kt. Oper 263/12, Zl: 1180. 193 brennender Wunsch ist, in Gottes Namen an die Isar ziehen, denn zur Liebe kann man niemand zwingen. […]so wird es der Hofoper zur Ehre gereichen, ihm den Weg zu diesem Ziele durch vornehmes Entgegenkommen gebahnt, als ihn mit Paragraphen des laufenden Kontraktes, verbarrikadiert zu haben.“ 612 Walter war „wien-verdrossen“, er litt angeblich unter den Misshandlungen der Wiener Presse. 613 Walter hatte aber auch harte Gegner. Baron Joachim zu Putlitz, GI des Königl. Württenbergischen Hoftheaters schreibt an Gregor, er habe gehört, das Walter über Frau Schratt seine Entlassung von SM Kaiser Franz Joseph direkt erwirken will. Er meinte: […] „Fürst Montenuovo sollte hart bleiben, denn er hielte es für Baron Frankenstein, München, direkt für ein Unglück, wenn er sich in so eine exponierte Position diese Intrigantenlaus in den Pelz setze. […]“614 Gregor hatte diesen Brief zur Erheiterung dem Fürsten weitergeleitet. 615 Walter deponierte in München, er stehe mit 1.12. 1912 fix zur Verfügung und wenn er in Wien einen Krach provozieren müsste. Da wollte München natürlich nicht mitspielen, aber durch Gregors Mithilfe löste sich alles in Wohlgefallen auf.616

Kapellmeister Franz Schalk war seit 1.9.1900 – 31.8. 1911 mit einer Jahresgage von 16.000 K unter Vertrag. Noch unter Weingartner erhielt er einen neuen Vertrag ab 1.9.1911 auf 6 Jahre mit 22.000 K, 11.000 Krone Gage und 11.000 K Funktionszulage. Am 24.9. 1910 wurde der Vertrag zur Ratifizierung an das OMeA weitergereicht. 617 Schalk hatte schon am 21.12. 1911 in einem handschriftlichen Schreiben an Gregor versucht, diesen Vertrag gleich nochmals zu verbessern, eine vorhergehende Unterredung blieb ohne Resultat. Seine Forderungen: 1.) Erhöhung der Gage um 8.000 K; 2.) Kontraktlicher Urlaub in der Dauer von 6 Wochen; 3.) Lösung der Titelfrage; 4.) Für den Fall des Abgangs von Herrn Walter Garantie einer superioren Stellung seiner Dirigenten-Kollegen gegenüber.

612 Kt. Oper 265/12, Zl: 1615. 613 Vgl.: Gregor: S 371. 614 Kt. Oper 265/12, Zl: 1615. 615 Vgl.: Kt. Oper 265/12, Zl: 1615. 616 Vgl.: Kt. 264/12, Zl: 1331. 617 Vgl.: Kt. OMeA/1910, 19/A/62, Zl: 3776 u. Zl: 4460. 194

Vermerk auf dem Aktendeckel: Dir. Gregor musste Herrn Schalk eröffnen, dass Sr. Durchlaucht dem Ansuchen nicht stattgegeben habe, daher die Bestimmungen des abgeschlossenen Vertrages bis 1917 in Kraft bleiben. 618 In einem handschriftlichen Schreiben teilt Schalk Gregor mit, dass er seinen Vertrag weiterhin erfüllen werde, wenngleich er nicht versteht, dass man seine nicht unbilligen Forderungen nach Gagenerhöhung nachkommen kann, oder will. Er kann sich nicht entschließen das Haus zu verlassen, dem er so viele Jahre seine ganzen Kräfte gegeben habe.619

Kapellmeister Franz Schalk ist mit seinen Kollegen nicht gerade sehr vornehm umgegangen. In einem Brief vom 30.10. 1912 an Reichenberger ersucht er, da er seinen Urlaub verlängern musste, für ihn weiter einzuspringen. Im gleichen Schreiben heißt es wörtlich: „[…] Wenn Sie mir gegenüber auf den Paritätsstandpunkt stehen, so sind Sie auf dem falschen Wege. Sie können ihre Stellung hier nur behaupten, wenn Sie sich jeglicher Prätcusion entschlagen, denn Sie sind kein erstklassiger Dirigent, und diese meine Überzeugung habe ich von jeher bei allen maßgebenden Stellen vertreten. So lange ich hier bin, werden Sie die „Meistersinger“ überhaupt nicht mehr dirigieren. […]“620 Reichenberger hatte den Wunsch geäußert auch einmal die „Meistersinger“ zu dirigieren. Er gab Gregor zu verstehen, dass seine künstlerische und materielle Existenz nicht von Herrn Schalk, sondern von der k.u.k. Direktion abhänge und er Schalk als eine höhere künstlerische Autorität niemals anerkennen könnte. Schalk sei seiner Meinung nach auch nicht berufen, Urteile über seine Kollegen abzugeben und abfällige Urteile Dritten gegenüber eine Verletzung der Hausgesetze bedeutete. Auf dem Akt ist vermerkt: „Mündliche Rücksprache des Direktors mit Schalk am 20.2.13.“ (sonst kein Kommentar) 621 Gregors Meinung über Schalk: „Prof. Schalk waren Mahlers und auch Weingartners Schuhe absolut zu groß. Ein guter, auch geschmackvoller Musiker, nicht mehr und nicht minder.“ 622

618 Vgl.: Kt. Oper 250/11, Zl: 1602. 619 Vgl.: Kt. Oper 257/12, Zl: 289. 620 Kt. Oper 274/13, Zl 198. 621 Kt. Oper 274/13, Zl: 198. 622 Gregor: S 371. 195

Aus einer Beschwerde Schalks vom 17.4. 1912, über Musiker anlässlich einer „Nippes“ Vorstellung ist zu ersehen, dass er sein Orchester nicht so im Griff hatte, wie man es glaubte. 623 Dies scheint auch eine Kritik im Oktober 1912 auszudrücken. „Neue Freie Presse“, vom 9. und 10.10 1912. Anlässlich einer „Butterfly“ – Aufführung, wurde Schalk kritisiert: „Am Dirigentenpult stand Herr Schalk, dem keine Musik weniger liegt, als die Puccinische.“ 624 Gregor wurde gleichfalls kritisiert, da er anscheinend die dafür passenden Dirigenten nicht zur Verfügung hatte. In einem Schreiben vom 13.12. 1912, beklagt sich Schalk bei Gregor über Künstler wie Burrian, Baklanoff, Mildenburg, er kritisiert das Star- und Gastierwesen, bedauert, dass Walter das Haus verlässt und man große Dinge nicht ganz oder halbfremden Kräften überlassen kann. Künstler wie Mayr, Schmedes und mit einiger Distanz Kiurina werden überfordert, ein Arbeiten vor lauter Rücksichten ist bald nicht mehr möglich. Schalk spricht nichts direkt an, seine Kritik ist eher schwammig, außerdem ist der Brief – da handschriftlich und im Bett liegend, er war unpässlich – sehr schlecht zu lesen. Sollte der Brief eine Kritik an Gregor sein? Er schreibt aber auch, dass er fest daran glaube, dass es Gregor gelingen wird, und es dessen Absicht ist, die Hofoper wieder zu dem zu machen was sie einmal war, aber diese Umstände sind sicherlich hinderlich. Unter einem ersucht er, sein Schreiben nicht zur allgemeinen Korrespondenz zu legen. 625 Schalk dürfte sich eher Sorgen um seine einbetonierte Stellung gegenüber seinen Kollegen gemacht haben.

Am 19.1. 1913 Kritik an Gregor; Neues Wiener Tagblatt: Dem unmusikalischen Direktor wir geraten sich eines musikalischen Beraters zu bedienen, Schalk sei der richtige Mann dazu, außerdem besitze dieser eine universelle Bildung und sei guter österreichischer Patriot. Er sollte den nächsten Kapellmeister auswählen. Gregor mag guten Willens sein, leider lässt der Erfolg warten. An Reichenberger – ebenfalls ein Reichsdeutscher – wird kein gutes Haar gelassen. 626

623 Vgl.: Kt. Oper 259/12, Zl: 626: Oboe verpasst Soloeinsatz, es wird geplaudert, beim Spielen auf die Bühne geschaut. 624 Vgl.: Kt. Oper 259/12, Zl: 633. 625 Vgl.: Kt. Oper 273/13, Zl: 51. 626 Vgl.: Kt. Oper 274/13, Zl: 114. 196

Diese Kritik und das vorherige Schreiben von Schalk könnte auf einen konzertiert geführten Plan gegen Gregor und nicht-österreichische Staatsbürger schließen. Schalk wollte im März 1913 neuerliche eine Vertragsänderung: ein 6wöchiger Winterurlaub, wurde von der GI am 1.4. 1913 abgelehnt. Gregor hatte Schalks Schreiben mit der Bemerkung weitergeleitet, dass seiner Meinung nach dieser Wunsch jeden Rechtsanspruches entbehre. Er komme Schalk sowieso weitest entgegen, damit er seine Verpflichtungen als Lehrender an der Akademie für Musik und darstellende Kunst, als Dirigent der Gesellschaft der Musikfreunde und als Leiter der Aufführungen der Kapellmeisterschule an der Akademie, nachkommen könne. 627 Das Verhältnis Schalk – Gregor dürfte nicht sehr herzlich gewesen sein. Ersichtlich aus einem Telegramm zu Schalks 50. Geburtstag. Am 28.5. 1913 trat Gregor eine Dienstreise an und telegrafierte Schalk, er habe gerade aus den Blättern erfahren, dass er heute Geburtstag habe und gratuliere ihm recht herzlich. 628 (Üblicherweise erinnert das Büro den Chef, wenn ein wichtiger Mitarbeiter Geburtstag hat, immerhin war es ein besonderer Geburtstag.)

Die sachliche Zusammenarbeit dürfte zwischen Gregor und Schalk funktioniert haben. Der Vorschlag der Direktion die Oper „Julien“ von Charpentier aufzuführen, nahm er positiv auf und schrieb aus dem Urlaub, Sommer 1913, den er in der Schweiz in Wengen verbrachte; er ersuche um Zusendung der Klavierauszüge und meinte, die Annahme dieser Oper wäre für das Hofoperntheater ernstlich in Erwägung zu ziehen. 629

Schalk erhält lt. einem von der GI genehmigten Additionalartikel zu seinem Vertrag, per 1.9. 1913, ein um 2.000 K erhöhtes Jahreseinkommen, damit er Kapellmeister Reichwein gleichgestellt sei. 630

Anfrage an Gregor vom Grossherzogl. Hoftheater Darmstadt, ob Schalk vom 15.9. – 15.10. 1914 für Darmstadt Urlaub bekäme.

627 Vgl.: Kt. Oper 276/13, Zl: 438. 628 Vgl.: Kt. Oper 278/13, Zl: 805. 629 Vgl.: Kt. Oper 279/13, Zl: 985. 630 Vgl.: Kt. Oper 280/13 Zl: 1143. 197

Gregor muss Intendant Paul Eger mit der Begründung abschreiben: dass Schalk schon so viele Verpflichtungen außerhalb der Hofoper habe, dass sein eigentlicher Dienst schwere Beeinträchtigung erfahre. Eger möge dies nicht als eine Unfreund- lichkeit ansehen. 631 (Normalerweise halfen sich die Theater meistens aus, jedoch der Dirigenten-Engpass des Hofoperntheaters zwang Gregor zu dieser Entscheidung.) Schalk wurde am 30.4. 1915, in seiner Eigenschaft als Leiter der Kapellmeister- schule an der Akademie für Musik und darstellende Kunst, der Titel „Professor“ verliehen. Gregor gratulierte am 1.5. 1915. 632 In der Saison 1915/16 dirigierte Schalk 30 Opern, ihm wurden die meisten Wagner- Opern zugeteilt, bzw. hatte er sich ausgewählt. 633 Jedes Jahr gibt Schalk der Direktion die Daten seiner Konzerte des Konzertvereines bekannt. Für die Saison 1915/16: 27.10. 1. und 17.12. 1915, 5.1., 7.2., 1. und 22.3., und 18.4. 1916. 634 (Die Schreiben sind immer sehr höflich gehalten, trotzdem hat man – im Gegensatz zu Richard Strauss – das Gefühl einer gewissen Kälte.) Am 30.1. 1917 wird ein neuer 6jähriger Vertrag für Schalk von der GI ratifiziert, Gültigkeit ab 1.9. 1917, mit einem erhöhten Gesamtjahresbezug von 28.000 K. 635 Damit ist Schalk der bestbezahlte Dirigent an der Hofoper. Außerdem stellte er am 31.1. 1917 den Antrag, ihm eine Pensionszulage von 2.500 K zu gewähren. Gregor und Montenuovo waren aber übereingekommen, diesen Antrag zum Zeitpunkt des Pensionsantritts zu behandeln. 636 Die Bedingung jedoch, dass Schalk an den Abenden an denen er dirigierte, einen Künstlersitz der I. Kategorie verlangte, bewilligte Gregor. 637 Gregor delegierte immer öfter Dienstreisen und damit Begutachtungen von Künstlern und Werken. Schalk hörte sich in seinem Auftrag die Erstaufführung von Pfitzners „Palästrina“ im Münchner Hoftheater am 12.6. 1917 an. 638

Als Beispiel: Ein Musiker, Jaroslav Czerny, bietet der Direktion seine Dienste an. Auf dem Ansuchen des Musikers ein Vermerk: „Über vorstehenden Antrag wird die

631 Vgl.: Kt. Oper 292/14, Zl: 576. 632 Vgl.: Kt. Oper 304/15, Zl: 402. 633 Vgl.: Kt. Oper 306/15, Zl: 692, v. 2.9. 1915. 634 Vgl.: Kt. Oper 306/15, Zl: 724, v. 9.9. 1915. 635 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl: 46, v. 9.1. 1917. 636 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl: 125. 637 Vgl.: Kt. Oper 333/17, Zl: 958, v. 10.10. 1917. 638 Vgl.: Kt. Oper 330/17, Zl: 535, v.4.7. 1917. 198

Äußerung sämtlicher Herren der Musikdirektion erbeten. 28. Oktober 1915, Hans Gregor e.h.“ Die Musikdirektion befürwortet den Antrag, unterschrieben von Schalk, Reichwein und Tittel. 639 (Alle Agenden die Musiker betraf wurden an die Musikdirektion weitergeleitet.)

Reichenberger Hugo erhielt im Verhältnis zu Schalk und Reichwein die geringste Gage, insgesamt im Jahr 16.000 K. Er war seit 1.9. 1908 mit einem 6jahres Vertrag an die Hofoper gebunden. Durch eine notwendige Operation seiner Gattin kam er in große Bedrängnis und wurde sein Ansuchen um eine einmalige Remuneration von Gregor der GI gegenüber sehr unterstützt. 640 Reichenberger konnte sich gegen Schalk schwer behaupten, hier musste Gregor eingreifen. 641 Die Presse ging mit Reichenberger ebenfalls nicht immer freundlich um (siehe „Neues Wiener Tagblatt“ vom 19.1.1913 – Schalk); doch „Die Zeit“ v. 5.2. 1913, Rubrik Theater und Kunst, lobt ihn anlässlich einer Aufführung von „Romeo und Julia“. Reichenberger sprang für Guarnieri ein, der wieder einmal um Dispens bat. 642 Im Mai 1913 versuchte Reichenberger Gregor dazu zu bewegen, ihn Schalk gleichzustellen, sowohl in der Position, als auch pekuniär. Reichenberger wollte ebenfalls 22.000 K Jahresgage, Wagner-Werke dirigieren – außer „Parsifal“, der war Schalk vorbehalten – und einen 6jährigen unkündbaren Vertrag. Der Direktor bewilligte nur 20.000 K, dies war das einzige Zugeständnis und Montenuovo informierte er wörtlich, sollte sich Reichenberger direkt an ihn wenden: 643 „[…] Es ist nämlich nicht in Abrede zu stellen, dass Reichenberger durch seine Arbeitskraft, seinen Willen zur Arbeit, seine große Routine, ein Mann ist, den das Wiener Hofoperntheater recht gut, wenn auch nicht an prononciert erster Stelle, gebrauchen kann.“ 644 Am 13.9. 1913 beschwerte sich Reichenberger wieder einmal bei Gregor. Er zeigte sich befremdet, dass er „Figaro“ nicht bekommen hat (dirigierte Reichwein), er kann nur die undankbare und verstaubte „Ernani“ leiten, hat keine Neueinstudierung erhalten und erwartete es als selbstverständlich, dass er den Verdi-Zyklus dirgiere,

639 Kt. Oper 307/15, Zl: 877. 640 Vgl.: Kt. Oper 250/11, Zl: 1610, v. 8.1. 1912. 641 Vgl.: Kt. Oper 274/13, Zl: 198. 642 Vgl.: Kt. Oper 274/13, Zl: 118. 643 Vgl.: Kt. Oper 278/13, Zl. 757. 644 Kt. Oper 278/13, Zl: 757. 199 wo er doch die einzelnen Werke immer wieder leitete. Er hoffe, dass Gregor seine Wünsche berücksichtige, wo er doch nach dem Abgang Walters immer einge- sprungen ist. Am 13. 10. 1913 urgiert er nochmals. 645 (Am Akt steht lediglich, Herrn Sekretär Muster: G.) Reichenberger wurde nach Kriegsbeginn 1914, in Deutschland zum Militär einberufen, später über Antrag freigestellt und kehrte wieder an das Hofoperntheater zurück. 646 In der Zeit bis zur Rückkehr wurden seine Funktionszulagen gestrichen, er, so wie alle anderen Künstler und Mitarbeiter in dieser Situation, erhielten nur die Gage. 647 Er musste auch öfters aus militärischen Gründen nach Deutschland, das geht aus anderen Korrespondenzen hervor. 648 Im Juni 1917 ersucht Reichenberger wieder einmal um seine Gleichstellung im Bezug auf das Jahreseinkommen mit Reichwein, dieser bekam um 4.000 K pro Jahr mehr. Gregor gab ihm – wie bereits mündlich – nun schriftlich einen abschlägigen Bescheid der GI, natürlich von Gregor mitgetragen. Am bestehenden Vertrags- verhältnis kann nicht gerüttelt werden. Wörtlich schreibt Gregor:649 „[…] auch Ihrem Angebot in Bezug auf einen Neuabschluß ab 1.9. 1920 könnte nur ohne Rückwirkung auf jetzt giltige Rechte (unkündbar während der Vertragsdauer) näher getreten werden. Ich hoffe, dass dieser Bescheid Sie nicht aus Ihrem Gleichmut bringt, und beeinträchtigt Ihnen nicht die Vorfreude auf die bevorstehenden Sommerferien. Mit den besten Grüssen bin ich, wie immer, Ihr ergebener (Gregor).“ 650

Einen guten Griff hatte Gregor mit dem Engagement von Kapellmeister Leopold Reichwein , vom grossherzogl. Hoftheater in Karlsruhe, getan. Am 30.4. 1913 schloss er mit ihm einen 6jahres – Vertrag, ab 1.8.1913 mit einem Gesamtjahresbezug von 24.000 K. Übersiedlungskostenbeitrag 2.000 K, Kündigungsrecht der Direktion bis 31.7. 1915, für den 31.7. 1916. In der Saison

645 Vgl.: Kt. Oper 280/13, Zl: 1158. 646 Vgl.: Kt. Oper 295/14, Zl: 881. 647 Vgl.: Kt. Oper 296/14, Zl: 991. 648 Vgl.: Kt. Oper 316/16, Zl: 441. 649 Vgl.: Kt. Oper 330/17, Zl: 444. 650 Kt. Oper 330/17, Zl: 444, v.6.6. 1917. 200

1913/14 ein einmaliger 12 – 14tätiger Urlaub für 2 Konzerte in Rom. 651 Jedoch noch am 13.1. 1913 trat Gregor einem Angebot von Salter bezüglich Reichwein nicht näher. 652 (Was Gregors Meinung änderte ist nicht vermerkt.) Das Dirigentendebüt des neuen Kapellenmeisters am 21.8. 13 hatte durchwegs sehr gute Kritiken. Z.B.: „Wiener Journal“ v. 22.8. 13. „[…] Das gestrige Debüt des Herrn Reichwein leitet hoffentlich eine Epoche ein, die nicht nur ihn, sondern auch den alten Dirigenten (Schalk und Reichenberger) neben der Lust die Zeit zu neuen künstlerischen Leistungen gibt. Der neue Kapellmeister führte sich mit dem „Tannhäuser“ ein, der seinem Temperament dankbare Aufgaben bot. […]“. „Deutsches Volksblatt“ v. 22.8. 13. „Der neue Kapellmeister der Hofoper Leopold Reichwein erschien gestern zum erstenmal am Dirigentenpulte. Wagners „Tannhäuser“ war sein Probestück und er hat es bestens bestanden. Der schon in der Erscheinung sympathische Mann, auf dessen bebrillten Antlitze Liebens- würdigkeit geschrieben steht, erwies als Dirigent hervorragende Qualität. Er ist mit Leib und Seele bei der Sache und die Lust zum Musizieren spricht aus der ganzen Persönlichkeit. Für den „Tannhäuser“ brachte er die Lehren der Bayreuther Schule mit und verwertete sie mit liebevollem und intensivem Versenken in das Werk. […]“. 653 Bereits vor seinem Dienstantritt, hat Gregor mit Schalk eine Unterredung und teilte Reichwein am 18.6. 1913 nach Karlsruhe mit: „[…] Herr Kapellmeister Schalk hat sich nun, wie mir Herr Sekretär Muster versichert, zu meiner Freude von vorneherein auf einen durchaus kollegialen Standpunkt gestellt, und zum Ausdruck gebracht, dass ihm eine paritätische Ordnung der Dirigententätigkeit zwischen Ihnen und ihm durchaus angemessen und zweckentsprechend erscheine […] Gleich zu Beginn wird er „Tannhäuser“, „Die Hochzeit des Figaro“ (Mahler’sche Recitative) dirigieren und weiters sei „Tristan“ oder „Fidelio“ vorgesehen.“ 654 (Interessant, dass Sekretär Muster mit Schalk verhandelt hat.) Reichwein war für Gregor eine große Stütze, verlässlich und vom Publikum und Presse anerkannt. Dieser hat sich auch gegenüber Schalk durchsetzen können.

651 Vgl.: Kt. Oper 276/13, Zl: 505. 652 Vgl.: Kt. Oper 274/13, Zl: 135. 653 Kt. Oper 279/13, Zl: 900. 654 Kt. Oper 279/13, Zl: 900. 201

Reichwein diente noch in der Ära Schalk und schied erst am 31.7. 1920 aus dem Opernverband aus. 655 Gregor beauftragte Reichwein, sich in Breslau die Oper „Aebeloe“ von Joseph Gustav Mraczek anzusehen, dieser riet von dem Werk wegen des Textes ab. Mraczek beschwerte sich bei Gregor; dieser meinte lediglich, wenn der Text geändert würde, möge er ihn samt neuem Klavierauszug einsenden, er werde dann entscheiden. 656 (Gregor ließ sich sehr wohl von seinen Dirigenten beraten.) Kapellmeister Reichwein wurde immer wieder vom Kaiserlich Deutschen Konsulat vom Militärdienst zurückgestellt. Zum Beispiel: Bescheid vom 29.11., bis 31.12. 1915. 657 Am 12.12. 1915 gab es einen neuerlichen Antrag, Reichwein bis 31.3. 1916 freizustellen. 658 Eine neuerliche Freistellung erreichte Gregor für ihn am 27.2. 1917 beim Kaiserlich Deutschen Konsulat vorläufig bis 30.9. 1917. 659 Es ist anzunehmen, dass Reichweins Rückstellung ab 31.3. 1916 ebenfalls erfolgte, jedoch fanden sich keine Unterlagen. So wie Schalk, erhielt auch Reichwein einen abschlägigen Bescheid. Er wollte ebenfalls zwei Jahre vor seinem Vertragsende eine Vertragsverlängerung. (Die Begründung liest sich etwas verwunderlich): 660 „[…] Es könnte ja in dem nächsten Jahr ein Superstern am Theaterhimmel auftauchen, dann müsste sich die Direktion womöglich den Vorwurf gefallen lassen, durch so frühzeitige Verlängerung einem Platz für so einen Stern weggenommen zu haben. Andere Verträge werden auch nicht früher verlängert.“ 661 (Gregor hatte seinen Mentor Montenuovo verloren und tat sich mit dessen Nachfolger sehr schwer. Aus dieser Perspektive könnten seine Reaktionen zu verstehen sein, außerdem – wie bereits erwähnt – ahnte Gregor seine baldige Abberufung.) Reichwein beschwerte sich, dass trotz der Mitteilung Lions, er werde „Eugen Onegin“ dirigieren, diese Oper Herrn Reichenberger zugewiesen wurde. (Vermerk am Akt: Gelegentlich einer mündlichen Rücksprache mit Direktor erledigt.) 662

655 Vgl.: Kt. Oper SR 52/1913, Zl: 623. 656 Vgl.: Kt. Oper 307/15, Zl: 894, v. 28.10. 1915. 657 Vgl.: Kt. Oper 308/15, Zl: 1022. 658 Vgl.: Kt. Oper 309/15, Zl: 1064. 659 Vgl.: Kt. Oper 328/17, Zl: 209. 660 Vgl.: Kt. Oper 332/17, Zl: 733. 661 Kt. Oper 332/17, Zl: 733, v. 22.8. 1917. 662 Vgl.: Kt. Oper 346/18, Zl: 795, v. 11.9. 1918. 202

Mit den Komponisten und Ruggiero Leoncavallo war Gregor gut befreundet und beide hätten sehr gerne am Wiener Hofoperntheater dirigiert, jedoch waren Gregor 2.500 K Abendgagen zu teuer (21.1. 1914).663

Gregor ersuchte den Agenten Salter, vertraulich zu sondieren, ob Schuch zu haben wäre, er würde auch gerne Serafino unter Vertrag nehmen. Klemperer und Bodansky, die Salter im November 1911 anbot, waren für Gregor „Götter zweiten Ranges“ und er glaubte, sie höheren Ortes gar nicht durchzubringen. Auch Strauss machte Gregor auf Klemperer aufmerksam. 664 (Unverständlich, dass Gregor Klemperer immer wieder ablehnte.) Die Theater-Agentur Denker, Berlin, bot ebenfalls Klemperer an. Gregors Antwort am 16.12. 1912: Er werde noch sondieren; sollte er sich jedoch dazu entschließen, werde einer anderen Agentur der Vorzug geben. 665 Mit gleichem Datum ersuchte Gregor Weingartner um ein Urteil über Klemperer. Weingartners Antwort am 18.12. 1912: „[…] Klemperer ist für mich ein Typus des ‚falschen Genies’. Auffallend in seiner Erscheinung, seinem Wesen, seinem Taktschlagen. Er wendet sich entrüstet um und lässt wohl auch ein ‚pst’ ertönen, wenn im Publikum ein kleines Geräusch hörbar wird, oder jemand zu spät kommt. […] Der absolute Wert seiner Dirigentenleistungen ist gering. Ich habe direkt schon schlechte Vorstellungen unter seiner Leitung gehört. […] Klemperer gilt viel bei Leuten, die mit unserem gemeinsamen verblichenen Vorgänger zusammenhängen. […]“. 666 Am 27.1. 1913 bewarb sich Otto Klemperer persönlich bei Gregor um die vakante Kapellmeisterstelle nach Walter. 667 (Vermerk am Akt: „Durch Herrn Direktor mündlich erledigt.“ – Nicht verifizierbar, mit welcher Begründung.) Am 29. 5. 1918 schrieb Sekretär Lion dem Intendanten des Vereinigten Stadttheaters Breslau, Waldemar Runge, auf dessen Anfrage bezüglich Klemperer zurück, er habe die Befürwortung für Klemperer in so temperamentvoller Weise seinem Direktor

663 Vgl.: Kt. Oper 289/14, Zl: 111. 664 Vgl.: Kt. Oper 249/11, Zl: 1452. 665 Vgl.: Kt. Oper 267/12, Zl: 1776. 666 Kt. Oper 267/12, Zl: 1783. 667 Vgl.: Kt. Oper 274/13, Zl: 167. 203 vorgetragen, dass dieser der Angelegenheit nun näher treten wolle und eine eventuelle Anstellung ab Herbst 1919 oder etwas später möglich sei. Aber er dürfte im Prinzip etwas gegen Klemperer eingenommen gewesen sein. 668 Schuch konnte seinen Vertrag mit Dresden nicht lösen, außerdem hatte dieser die Absicht, nach Freiwerden nur mehr freiberuflich tätig zu sein. 669

Gregors Dirigenten-Dilemma wurde natürlich in der Branche bekannt, infolgedessen erhielt er viele Angebote. Durch die Vermittlung Salters konnte Gregor den 30jährigen Antonio Guarnieri engagieren, dessen Vertrag mit Erlass vom 30.1. 1912, am 2.2. 1912 genehmigt und ratifiziert wurde. Guarnieri dirigierte im Jänner drei Gastspiele a 750 K; „Aida“, „Tosca“ und „Carmen“. Guarnieri trat sein Engagement am 1. 9. 1912 an. Der Vertrag wurde auf 6 Jahre abgeschlossen mit einem Honorar von 16.000 K im 1. Jahr, im 2. Jahr 18.000 K und ab dem 3. Jahr 20.000 K, wie immer aufgeteilt (jeweils die Hälfte als Gage und Funktionszulage). Das Fremdenblatt vom 16. 12. 1911 meldete: „Die Kapellmeisterfrage in der Hofoper, die in letzter Zeit so oft Gegenstand von Erörterungen war, ist durch das Engagement eines neuen Kapellmeisters ihrer Lösung nahe gerückt.“670 Jedoch sollte Gregor mit Guarnieri keine große Freude beschieden sein. Dieser ersuchte bereits im Dezember 1912 Gregor um seine Entlassung. Gregor schrieb ihm am 19.12. 1912, dass es ihm zum momentanen Zeitpunkt unmöglich sei, ihm einen positiven Bescheid zu geben. (Gregor dürfte kein großes Interesse daran gehabt haben, ihn zu halten.) Guarnieri begründete gegenüber der Presse seinen Wunsch so: Es sei zwar nichts Persönliches aber […] „ich kann mich lediglich aus rein künstlerischen Motiven mit dem gegenwärtigen an der Wiener Hofoper herrschenden System nicht abfinden.“ 671 Agent Salters schrieb an Gregor, er sei betrübt über Guarnieri und es sei auf ihn „halt kein Verlass“, er habe ja auch in Budapest dirigiert. Gregor verlangte Aufklärung vom Dirigenten; dieser rechtfertigte sich gegenüber Gregor, dass er seit seinem

668 Vgl.: Kt. Oper 345/18, Zl: 617. 669 Vgl.: Kt. Oper 250/11, Zl: 1497. 670 Kt. Oper 250/11, Zl: 1500. 671 Kt. Oper 266/12, Zl: 1723. 204

Engagement Wien nicht verlassen habe und er den Verleumder (Salter) gerichtlich belangen werde.672 Jedoch sein Wille zum Arbeiten war nicht überragend; Gregor erwähnte gegenüber Salter, dass sich Guarnieri einfach ins Bett lege, wenn ihm etwas nicht passe und er gestehe dann noch unumwunden ein, er wolle einfach nicht, er sei gar nicht krank. 673 Am 20.12. 1912 sollte er „Bajazzo“ und „Cavalleria rusticana“ dirigieren. Guarnieri sagte einfach mit der Begründung ab, er habe nicht genügend Proben gehabt. Schalk ist für ihn eingesprungen. Gregor ließ Guarnieri wissen, dass er sich noch überlege, ob er ihn lt. Vertrag bis 1. März 1913 mit 6monatiger Frist kündige. Jedoch bis dahin müsse er im Hofopernverband verbleiben. Von Agent Salter erfuhr Gregor, dass der Dirigent bereits Ende November oder Anfang Dezember 1912 mit Südamerika einen Vertrag abgeschlossen hatte. Damit wurde er vertragsbrüchig, wurde zu einer Konventionalstrafe verurteilt und sollte bereits erhaltene Honorare zurückzahlen, lt. Schreiben der Finanzprokuratur vom Feber 1913. 674 Guarnieri reiste einfach am 28.1. 1913 von Wien ab, unter Hinterlassung einiger Schulden, auch gegenüber der Hofoper, der er per Ende Jänner 1913 einen Vorschussrest von 490 K und eine Konventionalstrafe von 16.000 K, die Höhe eines Jahreshonorars, schuldete. 675 Durch den Vertragsbruch befand sich sein Name auf der Liste der Vertragsbrüchigen des Deutschen Bühnenvereines, die in keinem Theater seiner Mitglieder mehr auftreten durften. 676

Die Agentur Salter hatte Gregor davon verständigt, dass Richard Strauss die Königliche Oper Berlin aufgeben wolle, um frei zu sein. Am 10. 11. 1911 bot er nochmals Strauss an, jedoch wolle dieser nur 8-mal in 5 Monaten dirigieren, pro Abend um 2.000 K. Vielleicht könne man ihn auch 5 Monate um 75.000 K binden. 677

672 Vgl.: Kt. Oper 266/12, Zl: 1751 und 1751, Dezember 1912. 673 Vgl.: Kt. Oper 267/12, Zl: 1778. 674 Vgl.: Kt. Oper 267/12, Zl: 1815. 675 Vgl.: Kt. Oper 274/13, Zl: 201, u. Kt.: Oper 275/13, Zl: 337. 676 Vgl.: Kt. Oper 274/13, Zl: 203. 677 Vgl.: Kt: Oper 249/11, Zl: 1354 und 1376. 205

Gregor schrieb am 20.11. 1911 an Salter: „So sympathisch mir das Engagement des Herrn Dr. Strauss wäre, ist es andererseits, wie Sie bei ruhiger Überlegung selbst einsehen werden, ganz unmöglich.“ 678 Gregor hatte immer wieder einmal Strauss gefragt, ob er seine Opern hie und da nicht doch selbst dirigieren möchte, was dieser auch tat, doch musste Gregor die 2.000 Kronen Abendgage zähneknirschend akzeptieren.679 Im Jänner 1912 ersuchte Gregor Strauss, ob es nicht doch möglich sei, dass dieser seinen „Rosenkavalier“ wieder einmal selbst dirigieren könnte, da das Interesse stark nachlasse und wenn der Vater sein Kind selbst dirigiere, würde das wieder mehr Interesse hervorbringen, obwohl seine Gagenforderung eine Aufführung sehr belaste 680 . Diese Aussage dürfte Strauss in den falschen Hals bekommen haben. Gregor erwiderte unter anderem am 24.1. 1912: […] „Aber, aber, hochverehrter Herr Doktor! Sie schießen doch ganz gewiss mit Ihrer mich niederschmetterten Philippika übers Ziel. Wir haben in Wien den ‚Rosenkavalier’ in 7 ½ Monaten 39mal gespielt, das ist bei einem Opernwerk etwas ganz Ungewöhnliches, ist vor allen Dingen in der Hofoper, die sich mit Serien-Bühnen nicht vergleichen kann, Rücksicht auf den Abonnentenstamm u.s.w. nehmen muss, sollte ich meinen, kolossal. Seien Sie deshalb nicht ungerecht, und stempeln Sie uns hier nicht in Bausch und Bogen zu Banausen ab! Denken Sie an den Jubel, mit dem Sie in der von Ihnen dirigierten ‚Elektra’ vor die Gardine gerufen wurden! […] nehmen Sie Ihren Fluch zurück, und revozieren Sie Ihren Entschluss, nicht mehr hierher zu kommen. Sie würden damit auch Leute bestrafen, die Sie doch ganz bestimmt nicht bestrafen wollen. In aufrichtiger Verehrung Ihr herzlichst grüssender Gregor.“ 681 Das war das einzige Mal, dass Gregor mit Strauss Schwierigkeiten hatte. Strauss fühlte sich von den Wienern nicht so geliebt wie von den Berlinern. Letztlich war er, obwohl in München geboren, lange Jahre Berliner, kgl. Generalmusikdirektor an der Berliner Hofoper. Strauss’ Ärger verflog bald. Im Jänner und Feber 1912 wurden in verschiedenen Schreiben zwei Abende für ein Dirigat von Strauss im März festgelegt, 27. und 29. 3. „Elektra“ und

678 Kt. Oper 249/11, Zl: 1354 und 1376. 679 Vgl.: Kt. Oper 247/11, Zl: 1120, v. 3.10. 1911. 680 Vgl.: Kt. Oper 249/11, Zl: 1421. 681 Kt. Oper 249/11, Zl: 1421. 206

„Rosenkavalier“. 682 (Dies zeigt eher kurzfristige Dispositionen für einen großen Opernbetrieb, was verwunderlich ist. Ist aber in verschiedenen Unterlagen immer wieder nachzulesen.) Für „Elektra“ am 27.3. erhielt Strauss 1.000 K und für „Rosenkavalier“ am 29.3., 2.000 K., Strauss wurde stürmisch gefeiert. 683 Das pekuniäre Entgegenkommen zeigte, dass Strauss mit Wien wieder ausgesöhnt war. Von der kgl.sächsischen Hofmusikhandlung Fürstner wurde Gregor die Glucksche „Iphigenie auf Tauris“ in Bearbeitung von Strauss angeboten. (Vermerk am Akt: zunächst zur Kenntnis, ad acta. Gregor) 684 Bei aller Wertschätzung des Meisters konnte Gregor auch nein sagen. Strauss dirigierte wieder einmal am Hofoperntheater, „Elektra“ am 6.12. 1915. Außerdem wollte er anschließend mit den Philharmonikern ein Wohltätigkeitskonzert (Kriegsfürsorge) in Budapest geben. 1.) Gregor musste ihm einen abschlägigen Bescheid von der Hoftheaterbehörde mitteilen, 2.) werden die Musiker an der eigenen Hofoper benötigt. 685 Am 27.8. 1916 dirigierte Strauss seinen „Rosenkavalier“. Er hielt sich wegen der Erstaufführung seiner „Ariadne auf Naxos“ (Pariser Fassung) ohnehin in Wien auf. 686 Die Teuerung und der Materialmangel machten es unmöglich, Strauss’ „“ aufzuführen. Gregor musste dem Meister auf dessen Anfrage vom 2.12. 1916 mitteilen, dass die Dekorationen für andere Werke umgebaut wurden und er sich außerstande sehe, die Oper in nächster Zeit aufzuführen. 687 Aus einem Briefwechsel zwischen Strauss und Gregor am 5. und 8. 2. 1917 geht hervor, dass Gregor Strauss zu gelungenen Aufführungen in der Schweiz mit Fr. Jeritza, Fr. Gutheil-Schoder und Hr. Weidemann gratulierte. Unter einem erwähnte Gregor, dass sich leider mit Rücksicht auf die in Wien vorliegenden Repertoire- und Gesundheitsverhältnisse der Anteil nicht so gestaltete, wie er es anfänglich ins Auge gefasst hatte. (Leider ist nicht ersichtlich um welche Oper es sich handelte, es klingt fast wie Resignation, da die guten Kräfte auswärts waren.) Gregor teilte auch mit, dass „Elektra“ und „Ariadne“ an zwei Abenden gespielt wurden und „Rosenkavalier“ in Gregors Umbesetzung vor das Publikum gegangen sei: Fr. Lehmann als

682 Vgl.: Kt. Oper 256/12, Zl: 218. 683 Vgl.: Kt. Oper 258/12, Zl: 437. 684 Vgl.: Kt. Oper 259/12, Zl: 612, v. 16.4. 1912. 685 Vgl.: Kt. Oper 308/15, Zl: 986, v. 22.11. 1915. 686 Vgl.: Kt. Oper 321/16, Zl: 887. 687 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1108. 207

„Octavian“, Fr. Dahmen als „Sophie“, Hr, Wiedemann als „Faninal“. Schalk dirigierte und hatte einen glücklichen Abend, er „lächelte über den ganzen Körper“. Ein Abend, auf den man als Künstler stolz sein konnte. Schade, dass die Reiseverhältnisse es nicht zuließen, sonst könnte sich Strauss selbst überzeugen. Die Aussage von Fr. Jeritza, dass einer „Salome“ – Aufführung nichts im Wege stehe, verstehe er nicht. 688

Die Dirigenten-Misere, die Gregor seine gesamte Zeit an der Wiener Hofoper begleitete, versuchte er auch durch dirigierende Komponisten etwas zu mildern, außerdem sparte er oftmals das Honorar. Am 9.5. 1912 dirigierte Oskar Nedbal ohne Honorar sein Ballett „Des Teufels Großmutter“. 689 Gregors Anfrage an Siegfried Wagner am 9.5. 1912, ob er selbst seine Oper „Banadietrich“ dirigieren würde, wurde positiv beantwortet; er dirigierte ohne Gage. Das Werk erntete sehr schlechte Kritiken. 690 Allerdings musste Gregor aus Prestigegründen auch hie und da tief in die Schatulle greifen und so wurde zum Beispiel Wilhelm Kienzl aus Graz eingeladen, anlässlich seines 60. Geburtstages seinen „Evangelimann“ gegen ein Ehrenhonorar von 2.000 K, am 3.2. 1917 zu dirigieren. 691 Die Kritiken waren sehr positiv. 692 Kapellmeister Ferdinand Hellmesberger , früher Cellist der k.k. Hofoper, bewarb sich am 28.1. 1913 über Vermittlung von Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este beim Obersthofmeister um den Posten eines Hofopernkapellmeisters. Gregors Erkundigungen bei Schalk, Direktor Simons von der Volksoper und bei Graf Hülsen, Berlin, waren eher negativ. Er leitete diese Schreiben dem Obersthofmeisteramt weiter. 693 Am 25.8. 1916 wurde Hans Knappertsbusch von einer Berliner Agentur angeboten, doch Gregor machte keinen Gebrauch davon. 694 (Gregors „Nase“ dürfte ihn verlassen haben, hatte er doch früher ein untrügliches Gefühl für kommende Künstler gehabt.)

688 Vgl.: Kt. Oper 328/17, Zl: 152. 689 Vgl.: Kt. Oper 260/12, Zl: 736. 690 Vgl.: Kt. Oper 260/12, Zl: 751 und 784. 691 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1149, v. 16.12. 1915. 692 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl 74, v. 23.1. 1917. 693 Vgl.: Kt. Oper 275/13, Zl: 347. 694 Vgl.: Kt. Oper 320/16, Zl: 766. 208

Bernhard Tittel , der erst am 15.8.1915 seinen Dienst an dem Hofoperntheater antreten konnte, sprang für den erkrankten Reichwein ein und dirigierte am 30.11. „Tiefland“ und am 6. 12. 1914 „Maskenball“. Er erhielt 100 K pro Abend. 695 (Die Höhe des Honorars zeigt die künstlerische Einschätzung seines Könnens.) Im Jänner 1915 wurde er gebeten, öfters einzuspringen, da Schalk krank war; Gregor war zwar nicht sehr glücklich darüber, jedoch bat er die GI, das Abend- honorar auf 200 K anzuheben. 696 Tittels Sechsjahres-Vertrag ab 15.8.1915 war mit einem Jahreshonorar von 16.000 K dotiert und dauerte bis 14. 8. 1922. Mit diesem Datum verließ er die Oper. 697 Bei der Einteilung der Opern für die Saison 15/16 am 2. 9. 1915 erhielt Tittel 17 Werke zugeteilt, etwas mehr als ein Drittel der anderen Dirigenten, und meist Werke, die Schalk, Reichwein und Reichenberger nicht wollten. 698 Tittel wurde am 19. 4. 1916 bei Gregor vorstellig: 1.) Wegen Bewerbung um die Stelle des zweiten Hofkapellmeisters (Gregor stehe hier keine Ingerenz zu); 2.) Wegen seiner Beschäftigung bei Rückkunft Reichenbergers – dieser war wieder in Deutschland für einige Zeit beim Militär – (er möge sich keine Sorgen machen); 3.) Er würde gerne ein Werk dirigieren, das Gregor inszeniere (derzeit kann keine Zusage gemacht werden). 699 Am 26. 5. 1917 dirigierte Erich Wolfgang Korngold seine beiden Opern „Der Ring des Polykrates“ und „Violanta“ selbst und Gregor gratulierte ihm zu dem Erfolg. Er möge aber auf seinen Ruhm als Komponist und Dirigent nicht ausruhen und er freue sich von ihm bald in einer anderen Angelegenheit zu hören. Korngold war damals 20 Jahre alt. Die Aufführung war zwar schon für 12.4. 1917 geplant, konnte jedoch durch Korngolds Militärdienst nicht eingehalten werden. 700 Die andere Angelegenheit war eine Auftragsoper (Titel nicht bekannt); sie sollte in der Spielzeit 1917/18 aufgeführt werden. Korngold musste wegen militärischer Dienstleistungen die Arbeit einstellen. Gregor wollte jedoch nicht darauf verzichten und mahnte die Fertigstellung, eventuell zu einem späteren Zeitpunkt, ein, da es in

695 Vgl.: Kt. Oper 297/14, Zl: 1171. 696 Vgl.: Kt. Oper 302/15, Zl: 103. 697 Vgl.: Kt. Oper 288/14, Zl: 57 und Kt. Oper SR 52/14, Zl: 57. 698 Vgl.: Kt. Oper 306/15, Zl: 692, v. 2.9. 1915. 699 Vgl.: Kt. Oper 316/16, Zl: 441. 700 Vgl.: Kt. Oper 329/17, Zl: 344, v. 27.5. 1917. 209 den Kriegszeiten immer schwieriger war, das Repertoire zu gestalten. Korngold dürfte eher im Hinterland eingesetzt gewesen sein. 701 Am 4. 3. 1918 ersuchte E. W. Korngold, seine Oper „Violanta“ trotz großartiger Erfolge vom Spielplan zu nehmen, da Fr. Jeritza Äußerungen gemacht habe, dass sie ihr Auftreten oder Nichtauftreten als Violanta mit Kritiken seines Vater über sie und andere KünstlerInnen des Wiener Hofoperntheaters in Beziehung bringe. Auch sei sein Vater (Kritiker der Neuen Freien Presse) seiner Meinung. 702 Gregor schreibt E. W. Korngold einen vier Seiten langen Brief zurück, dass er auf die Äußerungen der Künstler keinen Einfluss habe, jedoch diese Äußerungen – wenn so gefallen – nicht billige. (Welche Äußerung genau, wird nicht erwähnt.) Jedoch muss er bei dieser Gelegenheit erwähnen 703 , „[…], dass leider Sie und Ihre Familie – Ihr Bruder eingeschlossen – erhebliche Irrungen begehen, oder, soll ich sagen, sich Entgleisungen ähnlicher Art zu Schulden kommen lassen. Sie dürfen bei den wiederholten Einmischungen Ihrer Familie, und auch Ihres Vaters, in die Angelegenheiten des Komponisten Erich Wolfgang Korngold nicht erstaunt sein, wenn die Künstler des Hofoperntheaters nicht so subtil differenzieren wie der ergebenst Gefertigte. Hans Gregor.“704 Gregor führte in seinem Schreiben weiter aus, dass Korngold selbst zugebe, dass „Violanta“ ein großartiger Erfolg beschieden sei, vor ausverkauften Häusern laufe und dass letztlich die Jeritza sein Werk zum Erfolg geführt habe, denn sie sei die einzige, die die schwere Partie im Original singe und die Oper auch in anderen Städten aus der Taufe gehoben und zum Erfolg geführt habe. Gregor verhehlte auch nicht sein Befremden über Korngolds Beschwerde anlässlich seines Dirigates bezüglich des Orchesters. Er habe so viele Änderungen vorgenommen, dass die Musiker verunsichert waren, hier treffe Kapellmeister Reichwein keine Schuld, der die Einstudierungen vorgenommen hatte. 705 Es folgte ein handschriftliches Schreiben Vater Korngolds vom 13. März 1918 an Gregor, überaus höflich, („Hochverehrter Herr Direktor“), worin er sich von den Äußerungen seines Sohnes distanzierte. Allerdings sei es eine Tatsache, dass die

701 Vgl.: Kt. Oper 333/17, Zl: 925, v. 5.10. 1917. 702 Vgl.: Kt: Oper 343/18, Zl: 306. 703 Vgl.: Kt. Oper 343/18, Zl: 306. 704 Kt. Oper 343/18, Zl: 306. 705 Vgl.: Kt. Oper 343/18, Zl.306. 210

Jeritza schon öfters abgesagt habe, er sich aber entschieden wehre, sich deswegen in seinen Kritiken beeinflussen zu lassen. (In Rotstift steht auf dem gesamten Akt: „Mündlich mit Herrn K. junior erledigt, 13. 3. Gregor.“) 706

Am 7. 4. 1918 wurde Gregor von der Konzertdirektion Hugo Heller unter anderem Kapellmeister Furtwängler angeboten. Gregor reagiert nicht einmal darauf, was unverständlich anmutet. 707

Am 14. 8. 1918 scheint noch eine Werke - Einteilung für die Saison 1918/19 auf. Schalk werde 20 Werke dirigieren mit 3 Premieren, bzw. Neueinstudierungen, darunter „Salome“; Reichwein 22 Werke mit 2 Neueinstudierungen; Reichenberger 22 Werke und Tittel 23 Werke mit 2 Neueinstudierungen. 708

7.2. Sängerinnen

7.2.1. Anna Bahr-Mildenburg Die am 29.11. 1872 in Wien geborene Sopranistin folgte von Hamburg aus im Jahre 1898 Gustav Mahler – mit dem sie auch privat verbunden war – an die Wiener Hofoper. Ihre großen Partien hier waren die Donna Anna in „Don Giovanni“, die Leonore in „Fidelio“, die Rezia in „Oberon“, dazu zahlreiche dramatische Partien aus der italienischen Opernliteratur. Sie war die Wunsch-Klytämnestra von Richard Strauss in dessen Oper „Elektra“. Seit 1909 war sie mit dem Dichter Hermann Bahr verheiratet. 709 Bahr erledigte für seine Frau die gesamte Korrespondenz, meistens handschriftlich in kleinster Schrift auf blauem Briefpapier. Die Mildenburg hatte ihre Auftritte am Hofoperntheater genau vorgegeben, die Zeiten, wo sie zur Verfügung stand und in welcher Reihenfolge sie die verschiedene Werke angesetzt haben wollte. Gregor kam den Wünschen meistens nach. Manchmal musste er aus organisatorischen Gründen die Werke in einer anderen Reihenfolge ansetzen. Dann erfolgte ein langer Briefwechsel zwischen Bahr und Gregor; das dürfte nicht immer einfach gewesen

706 Vgl.: Kt. Oper 343/18, Zl: 306. 707 Vgl.: Kt. Oper 343/18, Zl: 394. 708 Vgl.: Kt. Oper 346/18, Zl: 752. 709 Vgl.: Kutsch K.J./ Riemens L.: Großes Sängerlexikon, Bd. 1; München, K.G. Saur-Verlag, 2003, S 207. 211 sein. Frau Mildenburg hatte ihre Verpflichtungen sozusagen in Blockterminen absolviert. Die meisten Termine waren für Wagner-Opern reserviert, die einzige Ausnahme war Klytämnestra in „Elektra“ von Strauss.710 (Beide Herren korrespondierten mit äußerster Höflichkeit.) Die Mildenburg erhielt einen besonderen Vertrag als Gastspielsängerin, der sie für eine bestimmte Zeit nach ihrer Wahl an das Hofoperntheater band. Gregor lud sie einmal zu einem Auftritt außerhalb ihrer Gastspielverpflichtungen ein, für die Rolle der Ortrud in „Lohengrin“ am 16. 9. 1911. Der GI gegenüber untermauerte Gregor dieses Extraengagement mit Mildenburgs besonderer Zugkraft und ersuchte, ein Honorar von 2.000 K zu genehmigen. 711 Am 24. 10. 1911 beschwerte sich Bahr, dass früher vor dem Auftreten seiner Frau eine Pressemeldung zweimal geschaltet war, damit das Publikum, das sie hören wollte, disponieren könne. Jetzt werde nur einmal, am Tag des Auftretens, die Presse verständigt. 712 Bereits im September 1911 wird der Vertrag der Künstlerin, der am 30.4. 1912 abgelaufen wäre, mit einer Klausel verlängert: Wenn ab 1. 5. 1913 von beiden Vertragspartner kein Gebrauch vom Kündigungsrecht gemacht werde, verlängere sich der Vertrag stillschweigend auf ein weiteres Jahr.713 In dem Akt befindet sich noch eine langwierige Korrespondenz mit Urgenzen von beiden Seiten, da der Vertrag angeblich bei der Künstlerin nicht angekommen sei. Endlich am 14. 10. 1911 konnte der unterschriebene ratifizierte Additions-Artikel zu ihrem Vertrag an die GI übersandt werden. Die Presse reagierte auf die Vertragsverlängerung positiv: „Neue Freie Presse“, vom 17.9. 1911; „Heute ist Frau Bahr-Mildenburg wieder eingezogen um zunächst ihre mächtige Ortrud zu spenden. Ihr berühmt gewordener Appell an die Götter, in dem alle Gewalten zerstörender Urinstinkte entfesselt seien, weckte stürmischen Beifall auf offener Szene. Vielleicht noch mehr als die lautgewordene Wildheit dieser Ortrud, packt die stumme, zurückgehaltene […]“ 714

710 Vgl.: Kt. Oper 242/11, Zl: 176, v. 5.3. 1911. 711 Vgl.: Kt. Oper 247/11, Zl: 991. 712 Vgl.: Kt. Oper 247/11, Zl: 1005. 713 Vgl.: Kt. Oper 247/11, Zl: 1005. 714 Kt. Oper 247/11, Zl: 1005. 212

„Die Zeit“, vom 14.10. 1911: „Eine neuer Vertrag mit Frau Mildenburg. Dir. Gregor hat mit Frau Bahr-Mildenburg ein neues Abkommen getroffen. Sie wird in Hinkunft anstatt zwei Monate, alljährlich vier Monate in der Hofoper tätig sein. Spielmonate werden Jahr für Jahr im Einvernehmen mit der Künstlerin bestimmt.“ 715 Im gleichen Akt befindet sich Korrespondenz, die nur Bahr betraf. Er urgierte ein Feuilleton, das er Gregor aus Venedig geschickt hatte. Muster entschuldigte seinen Chef mit geschäftlicher und privater Überlastung, außerdem sei er im Moment in Angelegenheit der Komischen Oper in Berlin. 27.6. 1911. 716 Am 25.7. 1911 teilte Bahr der Direktion mit, seine Frau zeige „wenig Lust“, die Rolle der „Venus“ in der Pariser „Tannhäuser“ Bearbeitung zu übernehmen. Er empfahl unter einem den Bassbuffo Schultz aus Weimar und am 18.8. 1911 gab Bahr eine Empfehlung für den Tenoristen Van Dyck ab und fragte Gregor, ob er Siegfried Wagners „Banadietrich“ noch in der Saison 1911/12 geben würde; Wagner würde dafür die nächste Uraufführung der Hofoper überlassen. 717 Bahr vertrat in seiner umfangreichen Korrespondenz mit Gregor nicht nur die Interessen seiner Frau, sondern seine Tätigkeiten erstreckten sich auf viele Gebiete. Die Mildenburg hatte eine Sonderstellung im Wiener Hofoperntheater. Wenn Anfragen von auswärts wegen eines Gastspieles kamen, wie zum Beispiel vom Hoftheater Gera-Reuss, und keine terminlichen Kollisionen entstanden, war Gregor immer großzügig. 718 Leicht dürfte es Gregor mit der Mildenburg nicht gehabt haben. Im Februar 1912 bestätigte Bahr nochmals den Termin für „Elektra“ für 27.3., „Isolde“ wollte Mildenburg am 20.3. oder an einem anderen ihr genehmen Tag singen. 719 (Konnte so kurzfristig disponiert werden?) Bereits im Dezember 1911 schlägt Strauss in einem Schreiben für die „Elektra“ Frl. Dopler vor. Gregor gab aber zu bedenken, dass diese Rolle von Dopler nur einmal gesungen wurde. 720 (War sie als Konkurrenz gedacht?) Hie und da hatte die Mildenburg auch selbst zur Feder gegriffen, so am 1.5. 1913. Sie bestätigte Gregor in äußerst freundlichem Ton ihre Auftritte im Oktober 1913 und

715 Kt. Oper 247/11, Zl. 1005. 716 Vgl.: Kt. Oper 247/11, Zl. 1005. 717 Vgl.: Kt. Oper 248/11, Zl: 1189. 718 Vgl.: Kt. Oper 248/11, Zl: 1262. 719 Vgl.: Kt. Oper 257/12, Zl: 386. 720 Vgl.: Kt. Oper 249/11, Zl: 1421. 213

Jänner 1914. Wörtlich schließt sie ihre Schreiben: „[…] und begrüße Sie herzlich als Ihre verehrungsvoll ergebene Anna Bahr-Mildenburg.“721 Im Oktober 1913 sah die Angelegenheit schon wieder anders aus. Die Mildenburg war sehr launenhaft; sie sträubte sich, die Kundry in „Parsifal“ zu singen – obwohl sie vertraglich verpflichtet war; sie war verstimmt, dass sie nicht so oft eingesetzt war, war eifersüchtig auf die Weidt, reiste ohne Meldung nach Salzburg. Letztendlich kam sie ihren Verpflichtungen doch nach. Gregor verlor nie die Contenance, so wie man es aus der Korrespondenz ersehen kann, jedoch aus dem Primadonnen-Verhalten der Mildenburg entstand unnötige Korrespondenz. Die Leidtragenden waren Gregor und Bahr. 722 Im Februar 1915, nach einem persönlichem Gespräch mit der Mildenburg, bestätigte Gregor schriftlich die Vereinbarung: Mildenburg wolle mit 1918 aufhören und noch 15 Abende am Hofoperntheater singen. Fünf Abende in der laufenden Spielzeit und zehn Abende im nächsten Jahr. Schließlich endete die Vereinbarung so: die restlichen 15 Abende seien bis 1918 aufzuteilen und zwar so, dass in der laufenden Spielzeit noch drei Abende im Mai und in jeder der folgenden Spielzeiten zwei Abende vor und zwei nach Weihnachten stattfänden. Auf den Vorwurf seitens der Künstlerin, sie habe das Gefühl, man halte sie von der „Isolde“ fern, beteuerte Gregor, er habe die Wünsche der Künstlerin – Stücke ins Repertoire aufzunehmen, die ihr am Herzen lagen – oft berücksichtigt und 723 „[…] wenn man in Wien wüsste, dass es sich um ein Abschiednehmen handle, bei der mir bekannten Pietät des Wiener Opernpublikums, sicher jede Opposition Böswilliger von vorneherein ausgeschlossen sei. […]“ 724 (Wollte Gregor die Mildenburg schon „loswerden“?) Bahr antwortete: Kein Gastspiel ohne „Isolde“ und Götterdämmerungs-„Brünnhilde“. Er schlug vor, den aktuellen Vertrag aufzuheben und bis 1918 einen neuen Vertrag folgendermaßen abzuschließen: zwei „Isolden“ und zwei „Götterdämmerungen“; sie singe an sechs Abenden statt an zehn in der Saison, beginnend mit 1.10. 1915. 725

721 Kt. Oper 277/13, Zl: 647. 722 Vgl.: Kt. Oper 281/13, Zl: 1265. 723 Vgl.: Kt. Oper 302/15, Zl: 159. 724 Kt. Oper 302/15, Zl: 159. 725 Vgl.: Kt. Oper 302/15, Zl: 159. 214

Gregor wollte sich nichts vorschreiben lassen und antwortete am 11. 2. 1915, er glaube, es käme zu Zwischenfällen, die er der Mildenburg und dem Hofoperntheater ersparen wolle. Am 25. 2. 1915 nahm er in seinem Schreiben an Bahr zur Kenntnis, dass die Frau Kammersängerin im Mai 1915 programmgemäß ihre fünf Vorstellungen absolviere.726 Die weitere Korrespondenz zeugt von Unstimmigkeiten. Gregor am 31. 8. 1915 an Bahr: „Sehr geehrter Herr Bahr! Der in Ihrer geehrten Zuschrift vom 30.ds.Mts. gewählte Ton macht es mir zu meinem aufrichtigen Bedauern unmöglich, Ihnen zu antworten. Ich muss es Ihrer Gattin anheim stellen, mir etwaige Wünsche bezüglich ihres nächsten Auftretens persönlich zu unterbreiten. In vorzüglicher Hochachtung, Gregor.“ 727 Mildenburg schrieb dann höflich, aber kühl ihre Wünsche an Gregor: Sie stehe vom 1. 10. – 1. 11. 1915 zur Verfügung und würde sich gerne ihrem Wiener Publikum als „Isolde“ und „Brünnhilde“ zeigen. Gregor teilte sie am 6. 10 als „Klytämnestra“ in Elektra ein und die übrigen Rollen würden im wöchentlichen Repertoire angesagt. Die weitere Korrespondenz von Bahr war wieder äußerst höflich gehalten. Frau Mildenburg sang im Oktober 1915 und im Jänner 1916. Eine weitere Verpflichtung im Jänner 1916 in „Tristan“ musste sie wegen einer „hoffentlich vorübergehenden nervösen Herzaffektion“ telegrafisch absagen. 728

Frau Mildenburgs Zeit dürfte schon langsam vorüber gewesen sein. Ein anonymer Briefschreiber (mit falscher Unterschrift), bezog sich im Oktober 1915 auf den Inhalt eines Sonntags-Feuilletons in der „Neuen Freien Presse“, dessen Inhalt sowohl Gregor als auch dem Obersthofmeister zur Kenntnis gebracht wurde: „Herr Redakteur! Trotz des Ernstes der Zeit, der andere Gedanken aufkommen lassen soll, muss ich Ihnen bezüglich Ihres gestrigen Feuilletons, welches eigentlich „Rund um eine Sängerin“ heißen soll, einige richtig stellende Worte sagen. Die öffentliche Meinung, soweit sie sich nicht selbst ein eigenes Urteil bildet, wird durch diese Auslassung direkt getäuscht. Der Mann, der den Schriftsatz verbrach, ist entweder unmusikalisch oder er ist für seine Schreiberei nur gehaltlich bezahlt. Sollte er musikalisch sein, so hat er kein Gehör, was auch vorkommen soll. Das

726 Vgl.: Kt. Oper 302/15, Zl: 159. 727 Kt. Oper 304/15, Zl: 449. 728 Vgl.: Kt. Oper 304/15, Zl: 449. 215 musikalisch hörende Wien, welches die Oper besucht, ist glücklich, dass dieses ‚fürchterliche Weib’ nicht mehr singt und nun wird einem in diesem Feuilleton vorgeplauscht, dass der Verlust dieser Sängerin einen unersetzlichen Verlust für die Welt bedeutet und dass Wien auch wirtschaftlich darunter leidet. Das ist unerhört! Diese brave Frau sang oft um einen ganzen Ton, zum Schlusse eines Wagner Werkes (Brünhilde) schon um eine Terz zu tief! Dazu die spitze, kreischende Stimme! Ich will ja die früheren Verdienste dieser guten Frau nicht schmälern, sie hatte gewiss dramatische Gestaltungskraft und eine durchschlagende, jedoch nie edle, warme Stimme. Aber jetzt sollte man sie in Frieden ziehen lassen und ihr die Ruhe gönnen, die sie schon längere Zeit verdient. Ich habe, sehr geehrter Herr Redakteur, eine Abschrift dieses Briefes der Direktion der Hofoper eingesandt, damit sich dort wenigstens eine entrüstete (ich glaube aber an hunderte) Stimme gegen diese Expektoration erhebt. Ich zeichne mit Hochachtung, Chrisoth. Offenöhrlein.“729

Ein Gesuch Gregors vom 20. 12. 1915 um eine allerhöchste Auszeichnung für Frau Mildenburg an den Obersthofmeister bezeugt das Bemühen, ihr den Abschied so leicht wie möglich zu machen. Gregor legte eine Liste aller mit dem goldenen Verdienstkreuz ausgezeichneten Mitglieder (bisher vier) bei. Mildenburg trat am 1. 6. 1898 in den Verband der Hofoper ein, war seit 1907 Kammersängerin und war mit ihrem letzten Vertrag ab 1909 nur mehr als Gast verpflichtet; ihr Austritt erfolgte am 30. 4. 1916. 730 KS Mildenburg sagte ihre letzte Vorstellung am Hofoperntheater als „Klytämnestra“ am 26. 1. 1916 wegen Indisposition ab und ersuchte gleichzeitig, ob sie ihre Kostüme nach ihrem Ausscheiden leihweise benützten dürfe. Gregor verabschiedete sich brieflich von ihr und bedauerte, dass er das nicht persönlich tun könne, da sie ihr letztes Auftreten abgesagt habe. Leider könne er nach Rücksprache mit der GI ihrer Bitte bezüglich der Kostüme nicht nachkommen, da diese auf die neue Trägerin umgearbeitet würden; außerdem wolle man kein Präjudiz schaffen, da ein solcher Vorgang noch nie genehmigt worden sei.731

729 Kt. Oper 307/15, Zl: 818, vom 20.10. 1915. 730 Vgl.: Kt. Oper 309/15, Zl: 1128. 731 Vgl.: Kt. Oper 314/16, Zl: 124, vom 25.1. 1916, u. Parizek, Gabriele: „Anna Bahr-Mildenburg“; Wien, Diss. 2007. 216

7.2.2. Marie Gutheil-Schoder Eine Sopranistin, geboren am 16. 2. 1874 in Weimar, wo sie auch ihre Ausbildung genoss. Ihren Durchbruch hatte sie mit „Carmen“ an der Weimarer Hofoper, von wo sie Mahler als „musikalisches Genie“ im Jahre 1900 an das Wiener Hofoperntheater holte. Ihr Repertoire umfasste unter anderem: Carmen, Pamina, Elektra, Cherubino, Donna Elvira, Octavian, Komponist in „Ariadne auf Naxos“, Despina in „Così fan tutte“, Venus in „Tannhäuser“, Elsa in „Lohengrin“. Sie war eine der großen Darstellerinnen ihrer Generation. In erster Ehe war sie mit dem Dirigenten Gutheil verheiratet, in zweiter Ehe mit dem Fotografen Franz Setzer. 732

Im August 1911, anlässlich einer Kur in Finstenbergen/Thüringen, erlitt die Sängerin einen Magendarmkatarrh; dies bestätigte am 15.8. 1911 der dortige Kurarzt Dr. Kleinschmidt, ebenso ein persönliches Handschreiben von Frau Gutheil an Gregor. Die ihr zustehenden Ruhetage 17., 18. und 19.8. mussten noch um 10 Tage verlängert werden, um ihre Wiederherstellung zu gewährleisten. Die Saison begann am 15. 8., und wenn Mitglieder der Hofoper verhindert waren, sich zu diesem Datum im Hofoperntheater zu melden, musste dies begründet und belegt werden. Außerdem standen Sängerinnen nach Unpässlichkeiten, oder den weiblichen Regeltagen, drei Ruhetage zu. Nur durch eine ärztliche Bescheinigung wurde dies zur Kenntnis genommen, innerhalb von Wien vom befugten Theaterarzt, oder wie im Falle Frau Gutheil, durch den Kurzarzt in Deutschland. Vermerk in der Opernkrankenliste: ab 21.8. – 29.8. 1911 krank.733 Auf Frau Gutheil-Schoder war im Allgemeinen Verlass, zum Beispiel sprang sie im Mai 1911 trotzt angemeldeter Ruhetage für die erkrankte Kollegin Kiurina ein. Sie erhielt auf Vorschlag von Gregor 240 K Extrahonorar zuerkannt. 734 KS Gutheil war eine gefragte Sängerin. Das Hoftheater in Weimar fragte am 20. 10. 1911 an, ob man mit der Sängerin in Gastspielverhandlungen treten dürfe. Gregor antwortete am 23.10. 1911: Vorausgesetzt, dass es sich nicht um ein sehr lang- fristiges Gastspiel handle, habe er nichts dagegen.735

732 Vgl.: Kutsch K.J./ Riemens L.: Großes Sängerlexikon; Bd. 2, 4. Auflage, S 1903/04. 733 Vgl.: Kt. Oper 246/11, Zl: 883. 734 Vgl.: Kt. Oper 245/11, Zl: 617. 735 Vgl.: Kt. Oper 248/11, Zl: 1226. 217

Das genehmigte Gastspiel fand dann vom 14.- 26. 4.1912 statt; allerdings die Bitte Gutheils, ihr für die Dauer dieses genehmigten Urlaubes die Funktionszulagen zu belassen, wurde von der GI abgeschlagen, um nicht ein Präjudiz zu schaffen. Das Honorar der KünstlerInnen des Hofoperntheaters bestand aus Gage und Funktionszulage. Bei selbstverschuldeter Verhinderung, oder zusätzlichem Urlaub wurde nur die Gage ausbezahlt. Letztendlich bekam die Künstlerin einen Reisekostenzuschuss von 500 K, um ihre moralische Verpflichtung gegenüber Weimar, ihrem einstigen Stammtheater, einhalten zu können. In einem handschriftlichen Schreiben an Gregor bedankte sich Frau Gutheil bei Gregor für seine Fürsprache. 736 Am 2. 5. 1913 beschwerte sich Gutheil bei Gregor, dass ihre Beschäftigung in der vergangenen Saison nicht ihren Vorstellungen entspreche; außer in Puccini-Opern habe sie keine interessante Rolle. In der Folge hatte KS Gutheil mit Gregor eine Unterredung.737 (Leider am Akt kein Vermerk.) Gutheils Vertrag wäre Ende Mai 1916 ausgelaufen. Die Sängerin war bereit, einen neuen Vertrag abzuschließen, wollte jedoch das geringere Honorar, das Gregor ihr nur zugestehen konnte, mit einem Extraurlaub abgegolten haben. Gregor ersuchte sie um ein Gespräch und ihre Vorstellungen über diesen Extraurlaub. 12.11. 1915. 738 Am 20. 4. 1916 wurde einvernehmlich ein neuer Vertrag ab 1. 6. 1916 mit 4jähriger Laufzeit und einer Gesamtgage von 27.000 K und 2 Monate Extraurlaub abgeschlossen, wobei 1 Monat mit den Sommerferien gekoppelt wurde und 1 Monat in Teilen, oder nach Vereinbarung zu konsumieren war. Die ursprüngliche Forderung von Gutheil-Schoder war ein 5jähriger Vertrag mit 30.000 K Jahresgage. 739 Am 3. 10. 1916 gab es ein Zerwürfnis mit Gutheil-Schoder. Es betraf die Strauss- Oper „Ariadne“. Gutheil schrieb Gregor, da er ja selbst, wie auch der Konzertmeister meine, ihr liege die Rolle des Komponisten nicht, lege sie die Rolle zurück. Gregor antwortete umgehend: „Sie müssen Herrn Dr. Strauss missverstanden haben, wie Sie mich ganz bestimmt missverstanden haben. Ich habe Ihnen nämlich bestimmt nicht gesagt, dass die Rolle für Sie ungeeignet ist, sondern lediglich erwähnt, dass eine andere Vertreterin der Rolle hier im Haus den Erwartungen des Komponisten

736 Vgl.: Kt. Oper 257/12, Zl: 403. 737 Vgl.: Kt. Oper 278/13, Zl: 809. 738 Vgl.: Kt. Oper 308/15, Zl: 947. 739 Vgl.: Kt. Oper 316/16, Zl: 437. 218 mehr entspricht.“ 740 Gregor legte Wert darauf hinzuweisen, dass er sie von der Rolle nicht dispensiere. Gutheil erschien jedoch nicht zu den Proben und so konnte Gregor seine Neuentdeckung, Lotte Lehmann, die er diese Rolle auch einstudieren ließ, als Komponisten einsetzen. Strauss war von ihr entzückt.741 Strauss soll zu Gregor gesagt haben: „Hören Sie, Direktor, Ihre Hamburgerin ist hundertmal besser, als die erste Besetzung je sein wird. Sie müssen sie unter allen Umständen die Premiere singen lassen.“ 742 Der Komponist wollte Frau Gutheil das auch mitteilen, aber Gregor fand, dass das seine Aufgabe war, wenngleich er wusste, dass sie tödlich beleidigt sein würde. Gregor schreibt: „Für mich hatte Frau Gutheil von Stunde an kein Wort mehr, keinen Gruß.“ 743 Außer einer Mitteilung anlässlich einer „Präliminar-Sitzung“ im Obersthofmeisteramt am 14. 1. 1918, wie oft welche Künstler aufgetreten waren (KS Gutheil-Schoder ab September 1917 an 28 Abenden) fand sich in den Unterlagen nicht sehr viel über die Sängerin. Sie dürfte eine zuverlässige, anerkannte Künstlerin gewesen sein, die nur einmal, bei Straussens „Ariadne“, Schwierigkeiten gemacht hatte. 744

7.2.3. Berta Kiurina Kiurina wurde am 18. 2. 1882 in Linz geboren, studierte anfänglich Klavier am Konservatorium in Wien bei Fischhof, dann Gesang bei Geiringer. Die Sopranistin debütierte 1904 in Linz, wurde bereits 1905 an das Hofoperntheater geholt und blieb diesem bis 1922 treu. Sie sang ein Repertoire von ungewöhnlichem Umfang, das neben eigentlichen Koloraturpartien auch die Desdemona in Verdis „Othello“, die Nedda in „Bajazzo“, Eva in „Meistersinger“, Ovatavian in „Rosenkavalier“, Cherubino in „Figaros Hochzeit“ enthielt. Viele Gastspiele absolvierte Kiurina in Europa, hatte aber auch in Übersee Erfolge. Sie war in erster Ehe mit dem Tenor Hubert Leuer verheiratet, der ebenfalls an der Wiener Hofoper engagiert war. 745

740 Kt. Oper 321/16, Zl: 927. 741 Vgl.: Kt. Oper 321/16, Zl: 927. 742 Gregor: S 179. 743 Ebd.: S 179. 744 Vgl.: Kt. Oper 341/18, Zl: 74. 745 Vgl.: Kutsch K.J./ Riemens L.: Großes Sängerlexikon, Bd. 4, S 2396/97. 219

Berta Kiurina war eine verlässliche Kraft, die auch öfters für Kolleginnen einsprang, konnte jedoch sehr „lästig“ werden, wenn sie das Gefühl hatte, übergangen worden zu sein. So bat sie in einem handschriftlichen Schreiben vom 27. 11. 1913, Gregor möge ihr die Rolle des Blumenmädchens in „Parsifal“ abnehmen, nachdem Frau Jeritza diese Rolle auch abgeben durfte. Da sie schon 9 Jahre am Hause wirke, müssten für sie die gleichen Rechte gelten wie für Maria Jeritza. Man könne von ihr nur eine Rolle verlangen, wenn diese sonst auch mit erstklassigen Interpretinnen besetzt werde.746 Am 29. 8. 1915 wollte sie wieder einmal eine Rolle abgeben, die Chrysothemis in „Elektra“, da diese ihrer Stimme schade. Gregor antwortete, dass er dies jetzt nicht könne, aber sehen werde, was er für die folgenden Vorstellungen machen könne. Er glaube jedoch, dass diese Rolle in keiner Weise ihrer Stimme schade, sie sei nur bei der letzten Aufführung etwas unpässlich gewesen.747 Am 5. 11. 1916 erhielt Berta Kiurina über Antrag von Gregor ein Extrahonorar, da sie an drei aufeinander folgenden Tagen in großen Partien auftrat: am 3.11. in „Martha“, am 4.11. in „Saba“ und am 5.11. in „Ariadne“. 748 Die meisten SängerInnen verlangten nach einer schwierigen Partie Pausen; das war natürlich Verhandlungssache, was sich der jeweilige Künstler ausverhandeln konnte. Zum Beispiel hat sich Christa Ludwig bei großen Partien immer drei Tage Pause ausbedungen. In ihrem Interview anlässlich ihres 80. Geburtstages sagte sie wörtlich: „[…] Den Tag nach der Aufführung war ich hin, den zweiten Tag habe ich mich erholt, den dritten habe ich mich wieder eingesungen für die nächste Vorstellung.“ 749 Warum Berta Kiurina am 21.11. 1916 bei Gregor in der Sprechstunde erschien, um sich wegen der in letzter Zeit geringen Beschäftigung zu beklagen, ist nicht ganz verständlich. Am Akt der Vermerk: „Von Dir. Gregor mündlich erledigt“. 750 Kapellmeister Schalk erstattete am 13. 2. 1917 Anzeige unter anderem gegen die Solosängerin Kiurina, die die Vorstellung „Ariadne auf Naxos“ am 8. 2. durch Weglassen des Terzetts – Hermine Kittel und Carola Jovanovic waren gleichfalls

746 Vgl.: Kt. Oper 283/13, Zl: 1523. 747 Vgl.: Kt. Oper 306/15, Zl: 654. 748 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1019. 749 Sinkovicz, Wilhelm: „Die Presse“, Spectrum, Beitrag „Warum nicht Gold?“, Wien, 15.März 2008, Seite V. 750 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1067. 220 beteiligt – in der Bacchus–Szene störte. Kiurina nahm die ganze Schuld auf sich – so etwas passierte ihr noch nie – aber beim Anblick ihrer Kostüme bekam sie einen Lachanfall und hatte außerdem ein Bonbon im Mund, was die Sache noch erschwerte. Sie bat um eine milde Strafe in diesen schweren Zeiten. Gregor meinte in seinem Schreiben, eine Strafe, die dies tilgen könnte, gebe es gar nicht und verwarnte sie auf das Schwerste. 751 Die SängerInnen sollten bereits gesungene Partien immer präsent haben; dies war eine Vorschrift. Die Kiurina sollte ein halbes Monatseinkommen bezahlen, da sie wegen Nicht-Präsenthaltung einer gesungenen Partie – der Julia in „Romeo und Julia“ im Mai 1917 – gegen diese Vorschriften verstoßen hatte. Nach ihrer Behauptung, sie kenne diesen Passus nicht, legte ihr Gregor nahe, ihren Vertrag genauer zu studieren. Letztlich war er gnädig und erließ ihr die Strafe. 752 Da Kiurinas Vertrag mit Ende der Saison 1916/17 auslief, verhandelte sie mit Gregor im Juni 1917 wegen eines neuen Vertrages. Ebenso ihr Mann Hubert Leuer. Ihre Gagenforderungen waren Gregor zu hoch und den Forderungen nach einem eigenen Konzert, der Verleihung des Kammersängerinnen-Titel konnte nie Gegenstand einer vertraglichen Festlegung sein. Außerdem wurde von ihr 100maliges Auftreten (sie wollte nur 80mal pro Saison auftreten) verlangt und der Bedingung, nicht zweimal hintereinander singen zu müssen, konnte nicht entsprochen werden. 753 Am 12. 6. 1917 wurde ein 3jähriger Vertrag ab 1. 9. 1917 mit einem Gesamtjahres- bezug von 34.000 K und einem 30tägigen Winterurlaub (zusammenhängend oder in Teilen, bei Urlauben 1 – 3 Tage kein Abzug, erst ab dem 4. Tag Abzug der Funktionszulage und ab 14 Tagen Abzug sämtlicher Bezüge) abgeschlossen. Letztlich hatte ihr Gregor ein Konzert im Jahr zugestanden. Der Vertrag ihres Mannes, Hubert Leuer, fiel ähnlich aus, allerdings nur mit 26.000 K im Jahr.754 Am 4.12. 1917 verlangte Kiurina in der Sprechstunde bei Gregor 1.) einen Beitrag zur Anschaffung von Kostümen für „Traviata“(wegen ihrer Schwangerschaft?) und 2.) man möge sie wegen ihrer Schwangerschaft bis Ende Jänner einsetzen.

751 Vgl.: Kt. Oper 328/17, Zl: 169. 752 Vgl.: Kt. Oper 330/17, Zl: 450, vom 10.5. 1917. 753 Vgl.: Kt. Oper 330/17, Zl: 537, v. 5.6. 1917. 754 Vgl.: Kt. Oper 331/17, Zl: 551 und 552. 221

1.) wurde abgelehnt, da Gregor kein Präjudiz schaffen wollte und 2.) konnte ihrem Wunsche nicht entsprochen werden, da ihr Zustand schon so weit fortgeschritten war und daher eine Beschäftigung zum gewünschten Zeitpunkt unmöglich erschien. 755 Schließlich einigte man sich dahingehend, dass sie bis 15. 1. 1918 ihre vollen Bezüge erhalte, aber im Jänner nicht mehr eingesetzt werde – sie würde als taktvolle Frau verstehen, dass man das dem Publikum nicht mehr zumuten könne. Ab 16. 1. 1918 erhält sie nur mehr ihre Gage und Gregor betonte, er hoffe, dass sie nach der zu erwartenden Frist in gewohnter künstlerischer Frische erscheine. Kiurina bedankt sich handschriftlich in innigsten Worten für Gregors Entgegen- kommen. 756 Das Ganze hatte aber noch ein Nachspiel. Die Künstlerin hatte, wie sich später herausstellte, bei Vertragsabschluss vor dem 1. 9. 1917 bereits gewusst, dass sie schwanger war und diese Tatsache verschwiegen. Nun hatte sich die Geburt noch um drei Wochen verzögert. Nach ihrer Schonfrist wollte sie den ihr vertraglich zugestandenen Monat Urlaub gleich anschließen, um am 18.4. 1918 in Belgrad ein Konzert zu geben. Gregor fühlte sich betrogen und ließ die Finanzprokuratur dieses Vorgehen der Sängerin überprüfen. 757 (Gregor musste sich gegenüber seinem neuen Obersthofmeister absichern und konnte nicht mehr so großzügig sein wie unter Montenuovo; außerdem zwang ihm der Krieg ein härteres Vorgehen auf.)

7.2.4. Selma Halban-Kurz Die Sopranistin wurde am 15. 10. 1874 in Biala (Galizien) geboren und war ursprünglich Näherin. Ihre Stimme wurde in der Synagoge von Biala entdeckt. Fürst Nikolaus Ersterházy finanzierte ihr Gesangsstudium in Wien und Paris. Ihr Debüt gab sie 1895 am Opernhaus in Hamburg, es folgte 1896 ein Engagement im Frankfurter Opernhaus. Von dort holte sie Mahler 1899 an die Wiener Hofoper, deren Mitglied sie bis 1929 (offiziell) blieb. Zu Beginn ihrer Karriere sang sie Partien aus dem lyrischen Fach und wurde bald eine gefeierte Koloratursängerin. Bis zu ihrem Rücktritt 1927 trat sie an der Wiener Oper in 992 Vorstellungen auf. Ihre Darstellung der Fiordiligi in Mozarts Oper „Così fan tutte“ bedeutete eine Neuentdeckung des Werkes (1900). Sie sang die Premiere von Johann Strauß’ „Der

755 Vgl.: Kt. Oper 334/17, Zl: 1167. 756 Vgl.: Kt. Oper 335/17, Zl: 1211, vom 17.12. 1917. 757 Vgl.: Kt. Oper 343/18, Zl: 370, vom 1.4. 1918. 222

Zigeunerbaron“ (1910), sie sang die Zerbinetta 1916 in der Zweitfassung der „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss, die Rosina im „Barbier von Sevilla“, die Gilda in „Rigoletto“, die Elisabeth in „Tannhäuser“, die Marguerite in „Faust“, die Juliette, Traviata, Mimi, Zerline, die Konstanze in „Entführung aus dem Serail“. Kurz gab viele Gastspiele in Europa, in Amerika gab sie ein Konzert. Sie gehörte zu den größten Koloratursopranistinnen aller Zeiten. In der mühelosen Bewältigung schwierigster Koloraturpassagen, der Subtilität ihres Stilgefühls, vor allem aber ihren endlosen, ganz unvergleichlichen Trillern, ist sie noch auf Schallplatte zu bewundern. Sie war verheiratet mit dem Wiener Gynäkologen Prof. Joseph Halban und trat auch unter dem Namen Halban-Kurz auf. Beider Tochter, Desi Halban-Kurz, wurde gleichfalls eine bekannte Sopranistin. Selma Kurz-Halban erkrankte an einer langen, unheilbaren Krankheit. Sie erhielt von der Stadt Wien ein Ehrengrab. 758

Selma Kurz hatte sich, als sie die 2. Karte für die Generalprobe zu „Rosenkavalier“ nicht bekam (siehe Punkt 6.2.) krank gemeldet und mit ärztlichem Attest (in diesem erregten Zustand könne sie nicht singen) ihr Auftreten bei der Generalprobe als Sophie abgesagt; Frl. Förster, die zweite Besetzung, wurde verpflichtet. Am nächsten Tag war sie wieder „gesund“ – angeblich hatte sie Strauss bestürmt, am 8. 4. die Erstaufführung zu singen – Gregor lehnte jedoch mit der Begründung ab, er habe bereits disponiert und könne nicht vertragsbrüchig werden. Er setzte sie erst am 2. Tag ein, als Strauss dirigierte. Kunz sang zwar die Sophie, kündigte jedoch. Gregor nahm die Kündigung nicht an. Diese Verstimmung ging so weit, dass sogar Fürst Montenuovo eingeschaltet wurde; ja sie wollte bis zum Kaiser gehen, denn mit Gregor könne man nicht arbeiten. Montenuovo sorgte für ein klärendes Gespräch zwischen Kurz und Gregor und diese hatten dann während der gesamten Direktionszeit Gregors ein einigermaßen gutes Verhältnis. 759 Allerdings war sich die Kurz für manche Rollen zu schade. So ließ sie durch ihren Gerichtsadvokaten Dr. Ernst Gross am 30. 6. 1911 die Direktion wissen, dass sie die ihr zugesandte Rolle der Norina in „Don Pasquale“ von Donizetti nicht übernehmen

758 Vgl.: Kutsch, K.J./ Riemens L., „Großes Sängerlexikon“, Bd. 4, S 2254/55. 759 Vgl.: Kt. Oper 244/11, Zl: 412. 223 könne, da diese Partie „Coloratursoubrettencharakter“ hätte und damit ihrer Individualität nicht entspräche. 760 Wenn die Kurz zu dieser Zeit auch der Star des Hofoperntheaters war, musste sie ebenso wie alle anderen Mitglieder der Hofoper für Extra-Konzerte ansuchen, bzw. wie in diesem Fall der Initiator, Alfred Prinz Liechtenstein, Präsident des Österreichischen Flottenvereins, für ein Konzert am 26. 11. 1911. Die Zusage wurde aber nur mit Rücksicht auf das Repertoire gegeben. 761 KS Halban-Kurz erwartete nach eigener Aussage ein Kind, hat dies zwar gegenüber Sekretär Muster erwähnt, jedoch noch keine näheren Daten bekannt gegeben. Gregor reklamiert dies am 18. und 29. 11. 1911 in einem Schreiben und ersuchte mit Rücksicht auf den Spielplan und im Interesse des Hofoperntheaters um Aufklärung. In ihrem besonderen Falle würde auch eine gutachtliche Bestätigung ihres Gatten genügen. Außerdem erhielt er Kenntnis, dass sie auch am 23. 11. 1911 an einem öffentlichen Konzert mitgewirkt habe, ohne eine offizielle Bewilligung einzuholen. Ihr Vertrag sehe nur ein Konzert pro Saison vor. Er sehe diesmal von Konsequenzen ab. Am 29. 11. 1911 teilte die Kurz zur unverbindlichen, internen Kenntnisnahme mit, dass sie voraussichtlich im März und Mai 1912 nicht auftreten könne und für die Abgabe eines ärztlichen Attestes fehle derzeit jede Veranlassung. 762 Aus einem Brief des Theateragenten Salter geht hervor, dass er einer Zeitungsmeldung entnommen habe, dass die Kurz ein Gastspiel an der Volksoper gebe und es doch wünschenswert wäre, dass nicht wieder unzufriedene Größen der Oper den „Weg nach Währing“ suchten. In dem Schreiben ging es auch um Leo Slezak. 763 (Aus dem Brief geht leider nicht hervor worum es wirklich ging. Jedoch ist Frau Kurz sicher mit Genehmigung von Gregor dort aufgetreten, denn die Direktoren halfen einander in Notsituationen – wenn möglich – immer aus.) Am 26. 1. 1912 schrieb Gregor an Selma Halban-Kurz, er hätte von Muster erfahren, dass sie gerne die Tosca im September mit Caruso anlässlich dessen Gastspieles singen würde. Er freue sich darüber und biete ihr seine Unterstützung an, wenn sie die Rolle studiert habe, mit ihr weiterzuarbeiten. Kurz antwortet am 1. 2. Gregor, bat ihn um die Zusendung der Klavierauszüge und bestätigte, dass sie mit Caruso gerne

760 Vgl.: Kt. Oper 246/11, Zl: 804. 761 Vgl.: Kt. Oper 248/11, Zl: 1291, vom 14.11. 1911. 762 Vgl.: Kt. Oper 249/11, Zl: 1382. 763 Vgl.: Kt. Oper 255/12, Zl: 149. 224 die Tosca italienisch singe, jedoch wolle sie vorher in dieser oder einer anderen Rolle auftreten, da sie nach so langer Zeit nicht mit einer exponierten Rolle auftreten möchte. Am 25. 8. 1912 sagte sie jedoch die Rolle wieder ab und bedankte sich für die Bereitwilligkeit, mit ihr die Rolle einzustudieren. 764 Einer Pressemeldung zufolge (Neue Freie Presse vom 11.9. 1912) dürfte die Kurz in der Zwischenzeit länger pausiert haben – wahrscheinlich wegen der Geburt ihrer Tochter; sie trat in „Traviata“ auf. Es gab eine wunderbare Presse, ihre Violetta war wunderbar. Herr Piccaver sprang für Herrn Maikl ein. Die Kurz sang deutsch und Piccaver italienisch. 765 Kommentar: „Man fragt sich, warum zwar einem engagierten, aber jungen Sänger die Sonderstellung eingeräumt wird, in einem deutschen Ensemble italienisch zu singen. Eine Unzulänglichkeit, an der die Opernleitung nicht festhalten wird können.“ 766 Wieder einmal teilte am 6. 4. 1912 der Gericht-Advokat Dr. Gross im Auftrag der KS Halban-Kurz der Direktion mit, dass sie für die Spielsaison 12/13 in Erfüllung ihres Vertrages, die Monate Oktober/November 1912 und März bis Mai 1913 vorgesehen habe, die ausgefallenen 2 Monate der Spielzeit 11/12 wäre sie jedoch leider nicht in der Lage nachzuholen. 767

Mit 1. 9. 1913 erhielt Selma Kurz einen neuen Vertrag bis 31. 8. 1917. Die Bedingungen in diesem Vertrag zeigen, dass sie der absolute Star des Hofoperntheaters war. Kurz stand der Oper vom 15. 9. – 31. 5. jeweils für 45 Auftritte zur Verfügung, erhielt für jeden Auftritt 2.800 K, bei Ausfällen ihrerseits waren diese nachzuholen. Bei Absage aus Krankheitsgründen entfielen die Zahlungen. In der angegebenen Zeit hatte sie Anspruch auf 90 Urlaubstage, bei Gastspielverpflichtungen nach Amerika 105 Tage. In diesem Falle reduzierten sich ihre Auftritte an der Oper auf 40 Abende. Bei jeder ihrer Vorstellungen hatte sie Anspruch auf 4 Parkett- und 4 Galeriesitze. Einmal im Jahr wurde ihr ein Konzert erlaubt. In den Sommermonaten hatte sie jeweils eine neue Oper einzustudieren, damit mit Saisonbeginn sofort mit den Proben begonnen werden konnte. Für die

764 Vgl.: Kt. Oper 256/12, Zl: 184. 765 Vgl.: Kt. Oper 256/12, Zl: 184. 766 Kt. Oper 256/12, Zl: 184. 767 Vgl.: Kt. Oper 258/12, Zl: 547. 225

Dauer ihres Vertrages hatte sie sich – wie alle anderen Künstler – den Dienstvorschriften des Hauses zu unterwerfen. 768 In „Die Zeit“ vom 27. 4. 1913 („Theater und Kunst – Neues aus der Hofoper“) wurde positiv erwähnt, dass die Kurz einen neuen Vierjahres-Vertrag abgeschlossen habe und weiter eine Hauptstütze des Repertoires sein werde.769 Ganz leicht machte es die Kunz ihren Kollegen allerdings nicht. Am 1. 6. 1913 beschwerte sich Kapellmeister Reichenberger, dass sie die von ihr gewünschten Striche, Transpositionen und dergleichen immer erst unmittelbar vor der Vorstellung bekannt gebe, wodurch natürlich leicht Störungen entstehen könnten. (Vermerk am Akt: „Wurde mit Frau Kurz auf mündlichem Wege erledigt.) 770 Nach Ausbruch des Krieges erklärt sich Kurz bereit – wenn wieder gespielt werden könne – ihre Dienste mit 1.400 K pro Vorstellung zur Verfügung zu stellen und hielt sich vorläufig bis 15. 9. 1915 an diese Abmachung gebunden. Der sonstige Inhalt ihres Vertrages wurde durch dieses Abkommen nicht verändert. 771

Zahlreiche Korrespondenz zwischen Kurz, Direktion und GI mögen auch als Beispiel für andere Künstler gelten, die entweder ihren Vertrag nicht genau gelesen hatten oder einfach individuell interpretierten. Kurz urgierte 5 Honorare. Die GI war folgender Meinung: Wenn sie Urlaubstage mit den Osterferien koppele, erhöhten sich ihre Urlaubstage. Wenn dies jedoch nicht so gehandhabt werde, stünden ihr weniger Urlaubstage zu und somit auch weniger Honorar. Gregor schaltete sich schließlich ausgleichend ein und vertröstete Kurz auf den Herbst. Seine Begründung: Solche Unstimmigkeiten gab es öfters, da die juristische Auslegung maßgeblich sei. Er werde sich bemühen, einen Kompromiss zu finden. 772 In diesem Fall dürfte die GI jedoch unerbittlich geblieben sein. Kurz klagte den Hofärar um 8.750 K, ließ jedoch die Klage wieder fallen, beklagte sich aber bei Gregor, er hätte die Angelegenheit dem Obersthofmeister „hinterbracht“. Dieser wehrte sich, er hinterbringe nichts, sondern berichte seinem Auftrag entsprechend an seine vorgesetzte Behörde. 773

768 Vgl.: Kt. Oper 277/13, Zl: 548, vom 14.4. 1913. 769 Vgl.: Kt. Oper 288/14, Zl: 18. 770 Vgl.: Kt. Oper 279/13, Zl: 891. 771 Vgl.: Kt. Oper 296/14, Zl: 973, vom 4.9. 1914. 772 Vgl.: Kt. Oper 304/15, Zl: 400, vom 6.5. 1915. 773 Vgl.: Kt. Oper 316/16, Zl: 447, vom 20.4. 1916. 226

Aus einer Gedächtnisnotiz Gregors vom 26.11. 1916 anlässlich einer Unterredung mit KS Kurz bezüglich ihrer Gage geht hervor, dass Gregor nicht mehr als 2.000 K pro Vorstellung zahlen konnte. Die früheren Gagen waren auch durch die Angebote aus dem Ausland auf eine solche Höhe getrieben worden. Jedoch jetzt, in der Kriegssituation, relativierte sich dies alles und in Anbetracht der Teuerungen und der ihm auferlegten Sparmaßnahmen sehe er sich nicht in der Lage, eine höhere Gage zu zahlen. Kurz war nicht bereit, sich dem zu fügen und meinte, dann werde sie eben schon 4 – 5 Jahre früher einen Strich unter ihre Karriere ziehen, sie bleibe bei einem „Nein“. Gregor meinte, dieses „Nein“ schiene ihm nicht endgültig. 774

Aus einem Schreiben Gregors an KS Kurz geht hervor, dass diese in der Vorstellung am 28. 12. 1916, in der sie die Violetta sang, ungebührlich lange Umzüge gehabt habe (1. Akt 16 Minuten, 2. Akt 23 Minuten 3. Akt 20 Minuten. Spieldauer der Oper 94 Minuten, Zwischenpausen 59 Minuten). Diese langen Pausen seien „stimmungs- mordend“ für eine Vorstellung, wo Pausen von 10 Minuten vorgesehen seien. Sie möge sich in Hinkunft an die entsprechenden Vorschriften halten und Oberinspizient Skofitz wurde angewiesen, in Hinkunft ohne Ansehen des Mitgliedes, wer es auch sei, für die Vorstellung keine Verzögerung zu dulden. 775 (Wie immer schließt Gregor auch dieses Ermahnungs-Schreiben überaus höflich.) KS Kurz dürfte es aber auf eine Konfrontation mit Gregor angelegt haben. In der Vorstellung „Manon“, am 30.1. 1917 hatte ihr Umzug 23 Minuten gedauert, außerdem schloss sie ihre Garderobe ab und verweigerte damit dem Oberinspizienten den Zutritt. Wieder mahnte Gregor sie nur höflich ab. 776 Zahlreiche Korrespondenzen zwischen 4. 4. und 9. 6. 1917 untermauern ihr gespanntes Verhältnis zur Gregor. Gregor konnte auch nicht mehr alleine entscheiden, denn Obersthofmeister Hohenlohe verlangte, über jedes Detail unterrichtet zu werden und er entschied, was geschehen sollte. Am 9. 6. 1917 erklärte sich Kurz in einer Unterredung mit Gregor bereit, für 2.000 K pro Abend zu singen, sie wollte aber nur einen Einjahres-Vertrag; vorher verlangte sie 3.000 K, nur von ihr kündbar und eine Rolle soll nur ihr vorbehalten bleiben, wobei die Lehmann

774 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1086. 775 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1177. 776 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl: 137, vom 1.2. 1917. 227 eingesetzt werden könne. Dem konnte Gregor auf keinem Fall zustimmen (wie kann man disponieren, wenn eine Sängerin absagt oder absagen muss?) Gregor kam ihr soweit entgegen, dass er ausnahmsweise eine gegenseitige Kündigung vorschlug, dem stimmte Kurz nicht zu, denn sie müsse sich vor Schikanen schützen. Gregor verlangte von ihr eine Aufklärung, da er diese Aussage auf sich bezog. Die Erklärung blieb Kurz dem Direktor schuldig. Hier schaltete sich der Gatte von KS Kurz ein, der Gregor Unwahrhaftigheit vorwarf, da in einem Zeitungsartikel stand, dass die Kurz 3.000 K verlange, was sie auch tat. Gregor bemühte sich, um des lieben Friedens willen, für sie die erhöhte Gage von 3.000 K durchzusetzen; dabei hatte sie noch vor der Unterredung mit Gregor sich bereit erklärt, über besonderes Ersuchen von Strauss, in der nächsten Saison die „Zerbinetta“ zu singen. 777 (Gregor schien müde geworden zu sein und war nicht mehr bereit, wie früher zu kämpfen.) Schließlich schloss KS Kurz mit 1. 9. 1917 doch wieder einen Einjahres-Vertrag mit einer Abendgage von 2.000 K ab, von beiden Seiten kündbar. Sie sang jedoch nur mehr 21mal in drei Monaten und zwar vom 15. 10. – 15. 11. 1917, im Jänner 1918 und vom 5. 4. – 5. 5. 1918. Allerdings wurden auch diese Termine noch einmal geändert, ihre Auftrittsabende blieben aber gleich.778 Am 26. 11. 1917 erging an die GI eine Meldung von Gregor: Lt. § 8 des Vertrages dürfe Kurz nur zweimal absagen, jede weitere Absage koste sie 400 K. Da sie bereits dreimal abgesagt hat, waren 400 K von der Gage abzuziehen, was die GI auch verfügte. 779 Ebenso wurden für Absagen am 1. 5. (Violetta) und 4. 5. (Mignon) je 400 K abgezogen. 780

7.2.5. Lotte Lehmann Die Sopranistin wurde am 27. 2. 1888 in Perleburg (Mark Brandenburg) geboren. Gesangsstudium bei der berühmten Wagner-Sängerin Mathilde Mallinger in Berlin, Debüt am Opernhaus in Hamburg und dort weiteres Studium bei Alma Schadow. Erster Erfolg in Hamburg als Elsa in „Lohengrin“. 1914 wurde sie an die Wiener Hofoper (seit November 1918 Staatsoper) engagiert. In Wien fand sie ihre eigentliche künstlerische Heimat. Obwohl nicht aus Wien gebürtig, wurde sie für eine ganze

777 Vgl.: Kt. Oper 329/17, Zl: 345. 778 Vgl.: Kt. Oper 331/17, Zl: 621, vom 28.6. 1917 und Kt. Oper 333/17, Zl: 886, vom 29.9. 1917. 779 Vgl.: Kt. Oper 334/17, Zl: 1122. 780 Vgl.: Kt. Oper 344/18, vom 22.5. 1918. 228

Generation zur „wienerischsten aller Sängerinnen“. Am 14. 10. 1916 übernahm sie in der Zweitfassung der Richard Strauss Oper „Ariadne auf Naxos“ die Rolle des Komponisten. Am 10. 10. 1919 sang sie in der Uraufführung der weiteren Strauss- Oper „“ die Partie der Färberin. 1920 kreierte sie in der Wiener Erstaufführung der Puccini-Oper „Suor Angelica“ die Titelpartie (wobei der anwesende Komponist Puccini zu Tränen gerührt wurde). Lotte Lehmann war mit dem jüdischen Arzt Dr. Otto Krause verheiratet, löste 1938 ihren Vertrag mit der Wiener Staatsoper und blieb von da an ganz in den USA, wo sie am 26. 8. 1976 in Santa Barbara (Kalifornien) verstarb. Ihr Repertoire war sehr groß: Eva in „Meistersinger“, Gräfin in „Figaros Hochzeit“, Donna Elvira in „Don Giovanni“, Sieglinde in „Walküre“, Leonore in „Fidelio“, Marschallin in „Rosenkavalier“, Titelpartie in „Turandot“, Puccinis nachgelassener Oper. Lehmann sang in Europa, in den USA und Australien. Als sie politisch bedingt Europa 1938 verließ, wurde sie Mitglied an der Metropolitan Opera in New York, wo sie 1945 mit ihrer unvergleichlichen Marschallin im „Rosenkavalier“ ihren Abschied von der Bühne feierte. 1951 gab sie ihr letztes Konzert. 1955 war sie erstmals nach dem Krieg wieder in Wien, wo man sie wie eine Königin feierte. Lotte Lehmann besaß eine der schönsten Stimmen ihrer Generation, gleich bedeutend durch die ausgewogene Musikalität des Vortrags, wie durch die frische Natürlichkeit ihres Singens. Neben ihrer großen Karriere auf der Bühne, stand eine zweite, nicht weniger bedeutende als Konzert- und namentlich als Liedsängerin. 781

Gregor war auf ständiger Suche nach neuen Kräften. Von der Agentur Salter wurden Gregor in einem Schreiben vom Dezember 1913 mehrere Kräfte angeboten, unter anderem Lotte Lehmann. Gregor möge sich bei Exzellenz Graf Hülsen für die Lehmann stark machen. Gregor antwortete Salter, da er weder den Umfang ihres Repertoires, noch ihre Gagenforderungen kenne, sei dieser Zeitpunkt schlecht gewählt. 782

781 Vgl.: Kutsch, J.K./ Riemens, R.: „Großes Sängerlexikon“, Bd. 4, S 2666/67. 782 Vgl.: Kt. Oper 283/13 Zl: 1572 und Zl: 1578. 229

Lotte Lehmann erzählt in ihrer Biographie: „Salter sagte zu ihr; Ja, Fräulein Lehmann, wenn ich nicht irre, haben sie das große Los gezogen. Direktor Gregor ist zwar nach Hamburg gekommen, um Carl Ziegler zu engagieren, aber nun will er nicht den Ziegler, sondern Sie. Hier ist der Vertrag […]“.783 Gregor hatte sich anlässlich einer Reise nach Hamburg die Lehmann angehört und am 28. 2. 1914 mit ihr einen Interimsvertrag per 18. 8. 1915 auf 6 Jahre mit einer Anfangsgage von 20.000 K ansteigend bis 28.000 K abgeschlossen. Ein vorheriges zweimaliges Gastspiel, je 300 K, war obligatorisch und sie sollte dieses bis zu den Sommerferien absolvieren. 784 Gregor schlug ihr das Evchen in „Die Meistersinger von Nürnberg“ vor und er würde wegen des Termins auch mit Hamburgs Operndirektor Loewenfeld sprechen. 785 Dann dauerte es doch noch bis 30. 10. 1914, dass Lotte Lehmann ihr Gastspiel als Evchen absolvierte. Sie blieb etwas länger in Wien, trug noch einige Gesangsnummern vor, damit die Direktion sich ein abschließendes Bild ihrer künstlerischen Qualifikation machen konnte. Über Antrag Gregors erhielt sie insgesamt eine Gage von 400 K, abzgl. 6% für den Pensionsfond und 100 k für die weite, teure Bahnfahrt. Ein übriges Gastspiel war nicht mehr vonnöten. Als Loewenfeld von dem Engagement erfuhr, versuchte er mit allen Mitteln die Lehmann zu halten, bot ihr mehr Geld und Gregor glaubte, Salter stecke dahinter. Dieser dementierte und betonte, dass die Mutter der Lehmann dahinter stecke, da diese nicht nach Wien übersiedeln wolle. 786 Letztlich pochte Loewenfeld auf seinen Vertrag mit der Lehmann, der erst in der Saison 1915/16 auslief; dies bestätigt auch diverse Korrespondenz zwischen Loewenfeld und Gregor aus den Monaten November und Dezember 1914. So begann ihr Engagement am Wiener Hofoperntheater erst am 15. 8. 1916. 787 Noch im Oktober und Dezember 1915 versuchte der Hamburger Theaterleiter von Gregor eine Freigabe der Lehmann, auch die Theateragentur Drenker & Co., Berlin schaltet sich dafür ein, doch Gregor blieb hart. 788

783 Wessling, Berndt W.: „Lotte Lehmann – Sie sang, dass es die Sterne rührte“, eine Biographie; Köln- Rodenkirchen, Tonger-Musikverlag, 1995, S 69. 784 Vgl.: Kt. Oper 290/14, Zl: 302. 785 Vgl.: Kt. Oper 291/14, Zl: 424, vom 5.4. 1914. 786 Vgl.: Kt. Oper 292/14, Zl: 591, vom 1.5. 1914. 787 Vgl.: Kt. Oper 297/14, Zl: 1155. 788 Vgl.: Kt. Oper 308/15, Zl: 910, 919 und 931. 230

Am 17. 1. 1916 schrieb Loewenfeld an Gregor: „Sehr verehrter Herr Hofoperndirektor! Ich bestätige Ihnen mit bestem Dank den Empfang des Telegramms und muss mich also in das Unvermeidliche schicken. Sie können sich denken, dass mir die ganze Angelegenheit sehr unangenehm ist, aber Sie werden wohl Ihre Gründe haben, wenn Sie Fräulein Lehmann wirklich in Wien brauchen. Ich hoffe nur, dass sie Ihren Erwartungen, die sie in sie setzen, ganz entspricht. Ich begrüße Sie als Ihr ergebener Dr. Loewenfeld.“ 789 (Anscheinend wollte Loewenfeld Gregor noch unsicher machen, aber Gregor ließ sich nicht beirren. Bald wusste die Opernwelt, dass er Recht hatte.) Gregor bemühte sich ebenfalls um Genehmigungen für die reibungslose Über- siedlung der Lehmann nach Wien. Ein kriegsbedingtes Ansuchen beim Kaiserlich Deutschen Reichsamt war nötig. 790 Lotte Lehmann begann in Wien in Strauss’ „Ariadne auf Naxos“ (Wiener Fassung). Sie sang die Rolle des Komponisten und hatte damit einen riesigen Erfolg. Wie bereits unter 7.2.2. kurz erwähnt, war allerdings anfangs KS Gutheil dafür vorgesehen. Als Gregor ihr die Entscheidung mitteilte, dass sie die Rolle auf besonderen Wunsch des Komponisten übernehmen solle, fleht sie unter Tränen Direktor Gregor an: „Um Gottes Willen, tun Sie mir das nicht an! Die mächtige Frau Gutheil! Sie würde meine ewige Feindin sein.“ Gregors Antwort: „Ihre? Ihre? – Ach so. – Ich werde versuchen Ihnen das tragen zu helfen.“ 791 Wie bereits erwähnt, sprach Frau Gutheil kein Wort mehr mit Gregor. Lehmann sprang am 4. 1. 1917 für Maria Jeritza, als Elisabeth in „Tannhäuser“ ein und erhielt ein Extrahonorar von 120 K. 792 Das Honorar dürfte ihr zu wenig gewesen sein. Sie beschimpfte Sekretär Lion auf das Gröblichste. Es sei eine Zumutung, das Hofoperntheater sei eine Schmiere, in Hamburg sei alles besser gewesen und Gregor sei ein Blutsauger, da wäre ja Loewenfeld noch besser, obwohl er Jude sei.

Nach dem Gregor von diesem Vorfall unterrichtet wurde, erhielt die Lehmann von ihm einen geharnischten Brief; sie möge unverzüglich in der Kanzlei erscheinen. Nachdem das Gespräch am 29. 1. 1917 stattgefunden hatte, traf am 31. 1. 1917 ein

789 Kt. Oper 313/16, Zl: 112. 790 Vgl.: Kt. Oper 320/16, Zl: 715, vom 1.8. 1916. 791 Gregor: S 179. 792 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl: 36. 231 handgeschriebener Brief von Lotte Lehmann ein. Sie bat um Verzeihung, werde sich besonders anstrengen und doppelter Pflichteifer solle ihr Benehmen wieder gut machen. Gregor möge ihr nicht böse sein, es wäre ihr schrecklich, wenn er schlecht von ihr denke und sie werde ein hoffähigeres Benehmen an den Tag legen. 793 (Was die Lehmann zu dieser Attacke verleitet hatte, geht aus dem Akt nicht hervor.) In ihrer Biographie betont die Lehmann, sie habe gehofft, als sie nach Wien kam, in Gregor eine feste Stütze zu finden. „Und das war dann auch so.“ 794 Im Mai 1918 unterrichtete die Agentur Eugen Frankfurter, die jetzt die Lehmann vertrat, dass ihre Gagen gegenüber der von Maria Jeritza zu gering seien. Schließlich konnte Gregor ihren Vertrag ab 1. 9. 1918 auf weitere 8 Jahre mit einem steigenden Gesamtjahresbezug von 34.000 bis 48.000 K (jährlich um 2.000 K steigend) verbessern und bei der GI durchsetzen (Urlaub in den Jahren 1918 – 21, einen Monat und von 1922 – 26, zwei Monate zusätzlich).795 Die Lehmann konnte ihre Position am Hofoperntheater weiter ausbauen und obwohl sie im November 1918 ihren großen Förderer Gregor durch dessen Demission verlor, hat sie trotz anfänglicher Skepsis gegen sie durch Kapellmeister Schalk, später in diesem einen kreativen Förderer gefunden. Schalk war zu Beginn ihres Engagements am Wiener Hofoperntheater von ihr nicht angetan. Zu Gregors Ansinnen, die Lehmann statt der schmollenden Gutheil in „Ariadne“ einzusetzen, sagte er: „Nicht mit mir. Zwecklos.“ 796 Wie irrte er hier. Aber ganz problemlos war ihr Position nicht, denn sie hatte viele Neiderinnen, besonders Maria Jeritza. Für die Lehmann war diese impertinent und frivol, der Opernvamp jener Zeit. 797 Diese Antipathie beruhte auf Gegenseitigkeit.

7.2.6. Maria Jeritza (Marie Marcellina Jedlicková [Jedlická]) Die Sopranistin wurde am 6.10. 1887 in Brünn geboren und verstarb am 10. 7. 1982 in Orange (New Jersey). Sie studierte am Konservatorium in Brünn, soll schon 1904 als Chorsängerin dort tätig gewesen sein, jedoch die Anfänge ihrer Karriere liegen eher im Dunklen. 1906

793 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl: 43, v. 4.1. 1917. 794 Wessling, B.W.: „Lotte Lehmann – Sie sang, dass es die Sterne rührte“, S 78. 795 Vgl.: Kt. Oper 344/18, Zl: 531, vom 6.5. 1918. 796 Gregor: S 178. 797 Vgl.: Wessling, B.W.: „Lotte Lehmann – Sie sang, dass es die Sterne rührte“, S 78. 232

Elsa in „Lohengrin“ in Olmütz. 1909 gastierte sie am Münchner Künstlertheater, dort hörte sie Direktor Simons von der Wiener Volksoper und engagierte sie an sein Haus von 1907-1913. Debüt hier als Elisabeth in „Tannhäuser“. […] 1912 wurde sie über Veranlassung von Kaiser Franz Joseph an die Wiener Hofoper engagiert, der sie in Bad Ischl in der „Fledermaus“ noch als Mizzi Jeritza hörte. Sie war sehr bald die Primadonna der Hofoper. Am 16. 3. 1912 trat sie in der Titelrolle „Aphrodite“ von Max Oberleithner auf. Glänzende Erfolge hatte sie vor allem als Salome von Strauss, eine Partie, in der sie ihr eminentes darstellerisches Talent ganz einsetzen konnte. Weitere Partien: Minnie in Puccinis „Mädchen aus dem Goldenen Westen“, die Titelrolle in der Uraufführung der 2.Fassung der Richard Strauss-Oper „Ariadne auf Naxos“, Puccinis „Turandot“, „Tosca“ (gerne sang sie die Arie „Vissi d’ arte“ auf dem Boden der Bühne liegend). […] In New York sang sie die „Carmen“ mit blonden Haaren, eine Sensation. Bis 1935 blieb sie Mitglied der Wiener Staatsoper. In den dreißiger Jahren hatte sie eine erfolgreiche Karriere beim Tonfilm. […] Maria Jeritza war eine der größten Sängerpersönlichkeiten ihrer Zeit. Neben der Leuchtkraft ihrer Stimme bewunderte man die leidenschaftliche Dramatik ihres Vortrages und ihr unvergleichliches Bühnenspiel. Richard Strauss hat ihr ein Lied gewidmet mit dem Titel „Malven“, das er am 23. 11. 48 in Montreux geschrieben hat: „Für die geliebte Maria – die letzte Rose“. Jeritza war viermal verheiratet: 1907-15 mit dem Wiener Fabrikanten F. Wiener, 1919-35 mit Freiherrn Leopold Popper von Podhragy, dem Amerikaner W.H. Sheean, 1948 dem Schirmfabrikanten J.F. Seery. Letzte Auftritte hatte die Jeritza in New York 1950-53. 798

Zur Entdeckung von Maria Jeritza durch Kaiser Franz Joseph I. 1912 in Bad Ischl muss erwähnt werden, dass bereits am 24. November 1910 mit Fräulein Mizzi Jeritza ein Vertrag geschlossen wurde mit der Klausel: „Sollte Frl. Mizzi Jeritza von ihrem noch laufenden Vertrag mit der Wiener Volksoper früher frei, und ihr Engagement an die Wiener Hofoper auf Grund des absolvierten Gastspieles perfekt werden, so tritt der vorstehende Vertrag mit dem Tag in Kraft, als Frl. Mizzi Jeritza ihre Verpflichtungen der Wiener Volksoper gegenüber legal gelöst hat.

798 Vgl.: Kutsch, K.J. u. Riemens, L.: „Großes Sängerlexikon“, Bd.2., 4. Auflage, S 2249/50. 233

Unterschriften: Weingartner – Mizzi Jeritza.“ Zl: 880. 799 Gregor war bereits im Oktober 1910 in Wien zur Unterredung mit Fürst Montenuovo wegen seines Engagements an das Wiener Hofopernheater – es stand nur mehr die Zustimmung des Kaisers aus – und hatte zu diesem Zeitpunkt eine Unterredung mit dem scheidenden Direktor Weingartner im Grand Hotel, Opernring 9, wie unter Pkt. 6 erwähnt. 800 Nach den üblichen Usancen ist doch anzunehmen, dass ein scheidender Direktor kaum mehr Abschlüsse tätigt, ohne vorher mit dem Nachfolger dies zu besprechen. Es darf nach Aktenlage angenommen werden, dass der Vorvertrag mit Frl. Mizzi Jeritza auf Veranlassung von Gregor getätigt wurde, aber noch von Weingartner unterschrieben werden musste. Gregor wird in verschiedenen Publikationen das Engagement der Jeritza an die Hofoper zugeschrieben, was allerdings Werba bestreitet; freilich bezweifelt auch er, ob das Engagement über Wunsch des Kaisers stattgefunden habe.801 Zeitlich gesehen, führt sich diese Behauptung ad absurdum.

Die Agentur Maria Jeritzas, Richard Lanik, ersuchte Gregor am 25. 11. 1911, sich doch öfters die Künstlerin in der Volksoper anzusehen, damit er sich von der Weiter- entwicklung überzeugen könne; außerdem seien doch Künstler wie kleine Kinder, sie wollten ein wenig umschmeichelt sein. 802 Volksoperndirektor Simons machte keine Anstalten, die Jeritza früher aus ihrem Vertrag zu entlassen. Hans Liebstöckl schaltete sich ein – in welcher Funktion auch immer – und schlug Gregor vor, Jeritza bald einmal gastieren zu lassen; wenn sie großen Erfolg hätte, könne man mit Simons leichter reden. 803 Muster vereinbarte mit Jeritza einen Termin, nach dem 14. 1. 1912 beim Direktor. 804 (Die Jeritza wohnte zu diesem Zeitpunkt in Wien 9., Wasagasse 11.)

799 Werba, Robert: „Maria Jeritza – Primadonna des Verismo“; Wien, Österr. Bundesverlag, 1981, S 81. 800 Vgl.: Kt. OMeA/1910, 19/A/71, Zl: 3472. 801 Vgl.: Werba, Robert, „Maria Jeritza – Primadonna des Verismo“, S 49. 802 Vgl.: Kt. Oper 249/11, Zl: 1442. 803 Vgl.: Kt. Oper 255/12, Zl: 86 vom 9.1. 1912. 804 Vgl.: Kt. Oper 255/12, Zl: 86 vom 9.1. 1912. 234

Bis die Jeritza mit 1. 3. 1913 (vorzeitig aus dem Vertrag der Volksoper entlassen) in den Verband des Hofoperntheaters aufgenommen werden konnte, gab es zahlreiche Korrespondenzen zwischen Simons, Jeritza, Agenten und Gregor. 805 Die Jeritza nahm es nicht so genau mit Zusagen und war dem Johann Strauß - Theater gegenüber ebenfalls eine Verpflichtung eingegangen. Doch nach längeren Verhandlungen waren auch diese Schwierigkeiten ausgeräumt. Außerdem legte Gregor der Künstlerin nahe, nicht mehr als Operettensängerin aufzutreten; Simons möge ihr keine neuen Rollen mehr zum Einstudieren geben, es würde der Kraft und das Potential der Sängerin zu sehr schaden. Der Sechsjahres-Vertrag begann mit einer Gage von 18.000 K und stieg jährlich um 2.000 K. 806 Ihr Gastspiel an der Hofoper am 25. 3. 1912 als „Aphrodite“ von Max v. Oberleithner, musste sie wegen ihres 2 Tage früher einsetzenden Unwohlseins verschieben. Ihr Abendhonorar betrug 400 K abzüglich 6% für den Pensionsfond.807 Gregor bedankte sich bei Simons für dessen Entgegenkommen, dass er der Jeritza so viel Zeit für die Proben eingeräumt habe und stehe er ihm für einen entsprechenden Gegendienst selbstverständlich zur Verfügung. 808 Die Gegenforderung kam stehenden Fußes; Gregor erlaubte der Volksoper eine zweimalige Aufführung der „Tosca“, anlässlich der italienischen Wochen. 809

Endlich, nach einer mehr als umfangreichen Korrespondenz, die sich über fast zwei Jahre hinzog, konnte die Jeritza mit 1. 3. 1913 in den Verband des Hofoperntheaters eintreten und wurde für die Proben der Oper „Das Spielwerk der Prinzessin“ schon früher freigestellt, musste aber im März und April 1913, siebenmal an der Volksoper für jeweils 100 K pro Abend, die sie von der Hofoper bekam, auftreten. Als Äquivalent überließ die Hofoper der Volksoper das ausschließliche Aufführungsrecht an Kienzls Oper „Der Evangelimann“. 810

Zu Rechtsangelegenheiten dürfte die Jeritza eher ein gestörtes Verhältnis gehabt haben; sie machte öfters anderwärtig Zusagen, ohne genaue Beurteilung ihrer

805 Vgl.: Kt. Oper 256/12, Zl: 215, Kt. Oper 257/12, Zl: 415. 806 Vgl.: Kt. Oper 259/12, Zl: 690 und Kt. Oper 258/12, Zl: 514. 807 Vgl.: Kt. Oper 257/12, Zl: 415. 808 Vgl.: Kt. Oper 256/12, Zl: 215, vom 26.2. 1912. 809 Vgl.: Kt. Oper 258/12, Zl: 475. 810 Vgl.: Kt. Oper 274/13, Zl: 291 und Kt. Oper 275/13, Zl: 363. 235

Verpflichtungen gegenüber ihren Vertragspartnern. So habe der Berliner Agent Salter die Künstlerin mit einem Amerika-Angebot bestürmt, obwohl sie noch an die VOP gebunden war und der Vorvertrag des Hofoperntheaters bestand. Simons brachte in Berlin Anzeige gegen Salter ein (lt. Statuten des Deutschen Bühnenvereins war es untersagt, Angebot an gebundene Künstler zu machen) und der Berliner Polizeipräsident hatte sich dann in der Folge an Gregor persönlich gewandt. Gregor konnte die Angelegenheit aus der Welt schaffen. 811 Trotzdem dürfte Salter in Sachen Jeritza und New Yorker MET nochmals tätig geworden sein, was dann – wie unter Punkt 6.2. erwähnt – zum Bruch zwischen Gregor und Salter gekommen war. Jeritza gab am 18.2. 1915 zu Protokoll dass die Initiative von Salter ausging und sie sich damit gegen diese Verleumdung wehren müsse. 812 Maria Jeritza war sehr viel im Repertoire der Hofoper eingesetzt, so musste Gregor ein Ersuchen, der Künstlerin 5 Tage für London („Zauberflöte“) frei zu geben, absagen. 813 (Auftreten außerhalb der Hofoper musste – wie bereits erwähnt – von der Direktion, bzw. der GI genehmigt werden.) Gregor war es auch wichtig, dass seine Sänger sich nicht verausgabten. An der Volksoper wurde die Jeritza wenig geschont, oft sang sie an zwei Tagen drei Aufführungen, meist Hauptrollen. Das ging eine Zeitlang gut, aber ihr Stuttgarter Ausflug zu Max Reinhardts „Ariadne“-Aufführung dürfte doch zu anstrengend gewesen sein. Jedenfalls klang sie nach ihrer Rückkehr an die VOP in der „Aida“ – Aufführung indisponiert. Außerdem machte sie der neu erworbene Ruhm (Hofoper und Volksoper) undiszipliniert, wenn sie auch reizvoll und jugendlich aussah, merkte man Fehler in ihrer Gesangstechnik. 814

Am 30. März 1915 wurde ein neuerlicher Vertrag mit der Künstlerin abgeschlossen und von der GI ratifiziert. Beginnend am 1. 9. 1915 bis 25. 8. 1925 (10 Jahre, was außergewöhnlich war), mit 30.000 K Jahresgage, ansteigend jedes Jahr um 2.000 K und ab dem 5. Jahr – ein großer Sprung – 50.000 K wieder ansteigend 2.000 K pro Jahr. Kündigungsrecht der Direktion am 31. 5. 1918 per 31. 8. 1919. Die Jahresgage

811 Vgl.: Kt. Oper 280/13, Zl: 1066, vom 29. und 30.8. 1913. 812 Vgl.: Kt. Oper 302/15, Zl: 198. 813 Vgl.: Kt. Oper 294/14, Zl: 719. 814 Vgl.: Werba, Robert: „Maria Jeritza – Primadonna des Verismo“, S 71. 236 setzte sich, wie bei allen Künstlern, je zur Hälfte aus Gage und Funktionszulage zusammen. Extraurlaub: in den ersten vier Jahren 14 Tage Winterurlaub, in den restlichen sechs Jahren 30 Tage Winterurlaub. Außerdem eine Regelung der Extrahonorare für mehr geleistete Auftritte, bzw. selbstverschuldete Minderleistung, ebenfalls jährlich ansteigend; diese fing mit 190 K an und endete im 10. Jahr mit 400 K. Mit Inkrafttreten des neuen Vertrages erlosch der alte Vertrag. 815

Am 7. 6. 1915 teilte die Künstlerin dem Direktor mit, dass sie sich mit Friedrich Leopold Freiherrn von Popper verehelichen wolle. So eine Verständigung sahen die Statuten des Hofoperntheaters vor und sie wurde der GI zur Kenntnis gebracht. 816

Jeritza wurde über Anfrage des Kgl. Deutschen Landestheater in Prag die Erlaubnis erteilt, während ihres Winterurlaubes ein dreimaliges Gastspiel dort zu geben. Die Termine waren rechtzeitig der Direktion zu melden. 817 Allerdings wurde am 4. 11. 1915 eine Beurlaubung für ein Gastspiel in Nürnberg mit der Begründung abgelehnt, dass die Künstlerin ihren kontraktlichen Urlaub bereits überschritten hätte, im Hause beschäftigt und gesundheitlich schonungsbedürftig sei.818 Trotz Eintreten ihres Unwohlseins sang die Jeritza zweimal die beiden Korngold – Opern „Der Ring des Polykrates“ und „Violanta“, da der Intendant der Königl. Oper Budapest, Graf Banffy, und auswärtige Bühnenvertreter anwesend waren und Gregor die Aufführung in der Premierenbesetzung zeigen wollte. Sie erhielt 500 K Gratifikation. 819 Zum Beispiel am 1. 6. 1916 musste sie die Elsa in „Lohengrin“ wegen Krankheit – mit ärztlichem Attest – absagen, Frl. Stephanie Zimmer vom Stadttheater Graz sprang für ein Abendhonorar von 350 K ein, abzgl. 6% Pensionsfond, Jeritza wurden 150 K Funktionszulage abgezogen. 820 Gregor erreichte am 24. 8. 1916 bei der GI, dass der Jeritza für die Fortschritte sowohl gesanglicher, als auch schauspielerischer Leistungen, ab 1. 1. 16, also

815 Vgl.: Kt. Oper 302/15, Zl: 201. 816 Vgl.: Kt. Oper 305/15, Zl: 569. 817 Vgl.: Kt. Oper 307/15, Zl: 804, vom 1.10. 1915. 818 Vgl.: Kt. Oper 308/15, Zl: 997. 819 Vgl.: Kt. Oper 318/16, Zl: 510, vom 12.5. 1916. 820 Vgl.: Kt. Oper 319/16, Zl: 568/569. 237 rückwirkend, eine Remuneration von 12.000 K pro Jahr ausbezahlt wurde, da ihre Gage um einiges geringer als die ihrer Kolleginnen war; er wollte damit ihren Eifer unterstützen. 821 Die Künstlerin erhielt über Antrag von Gregor vom 29. 9. 1916 den Titel Kammer- sängerin verliehen. Begründung: Sie sei nach verhältnismäßig kurzer Zeit ihres Engagements künstlerisch bedeutend gestiegen und habe bereits bei Publikum und Presse die vollste Anerkennung gefunden und die Bereitschaft ihrer Treue zum Institut bewiesen. (Erledigt s. ad Zahl 155 ex 1917, 10.2. 1917). 822 Im November 1916 gab es viele Krankmeldungen (mit ärztlichem Attest), darunter auch die Jeritza. (Das Wetter muss sehr schlecht gewesen sein.)823

Im Jahre 1918 konnte sich Gregor für seine Künstler und Mitarbeiter nicht mehr so leicht bei der GI oder beim neuen Haushofmeister durchsetzen. In diesem Fall für die Jeritza. Sie hatte am 8. 3. die Rolle im „Fliegenden Holländer“ wegen Krankheit mit ärztlichem Attest abgesagt, jedoch am 9. 3. wieder geprobt. Gregor wollte, dass der Rollenabzug von 170 K in Form eines 2/3 Betrages davon als Geldaushilfe rückvergütet werde. Die GI lehnte dies mit der Begründung ab, dass Frau Jeritza in letzter Zeit wiederholt abgesagt hatte und unmittelbar darauf wieder dienstfähig war. Ein ärztliches Attest des Theaterarztes lag vor: „Dyspepsia nervosa“, heute ein obsoleter Ausdruck für: „vorübergehende nervöse Darmbeschwerden“. Am 3.3. Absage von „Violanta“, (Zl: 324/18 v. 14.3.); am 17.3. Absage von „Ariadne“, (Zl: 342/18, v. 20.3.); am 23.3. Probeabsage von „Lohengrin“, (Zl: 363/18, v.26.3.) wegen Kopfschmerzen: Abzüge jeweils von 170 K. 824 Manchmal war es mit Maria Jeritza schwierig; Gregor erwähnte eine „Salome“ – Probe mit ihr, anwesend war auch Richard Strauss und es wollte an diesem Tag nichts klappen, die Jeritza war indisponiert und tonlich nicht einwandfrei. Gregor schaute Strauss besorgt an, dieser aber meinte beruhigend: „Die darf patzen.“ 825

821 Vgl.: Kt. Oper 320/16, Zl: 759. 822 Vgl.: Kt. Oper 321/16, Zl: 893. 823 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1026, vom 10.11. 1916. 824 Vgl.: Kt. Oper 343/18, Zl: 302/18 825 Gregor: S 303. 238

7.2.7. Lucie (Marie-Luise) Weidt Geboren am 11. 5. 1876 in Troppau (Opava/Böhmen), gestorben am 31.7. 1940 in Wien. Der Vater, Dirigent Heinrich Weidt (1821-1901), war ihr erster Lehrer. Schülerin von Rosa Papier-Baumgartner in Wien. Debüt in Leipzig 1900-1903. 1902 wirkte sie in Weingartners „Orestes“-Uraufführung mit. 1903 wurde sie an die Wiener Hofoper engagiert. Glanzvolle Erfolge unter Mahler. Ihre Antrittsrolle war Elisabeth in „Tannhäuser“. Sie sang Wagner alternierend mit der großen Wagner-Sängerin Mildenburg. 1907 kreierte sie für Wien die Lisa in „Pique Dame“, 1911 die Marschallin in Rosenkavalier. In der Uraufführung von Strauss’ „Frau ohne Schatten“ sang sie die Amme. Weidt sang in ganz Europa, in Amerika an der MET und in Buenes Aires. Sie beendete ihre Karriere 1927 und gehörte zu diesem Zeitpunkt 27 Jahre der Wiener Hofoper, bzw. der Staatsoper an, wurde zum Ehrenmitglied ernannt. Wirkte weiter als Gesangspädagogin. Sie war mit dem österreichischen Diplomaten Johann Andreas Freiherr von Eichhoff verheiratet. 826 (In den Akten des HHStA scheint als Gatte der k.u.k. General-Konsul von Urményi in Nizza auf.)

Gleich zu Beginn seiner Direktion musste Gregor sich mit einer unangenehmen Sache, KS Weidt betreffend, herumschlagen, die ihm Weingartner hinterlassen hatte, da er zum Abschluss seiner Direktionszeit keine Sanktionen mehr setzen wollte. Weidt kam statt am 6. 2. 1911 erst am 11. 2. 1911 aus Amerika zurück, mit der Begründung: es sei kein Dampfer gegangen. Ursprünglich sollte sie am 1. 2. 1911 zurück sein, da sie aber noch 5 Tage Urlaub hatte, verlängerte sie ihren Amerikaaufenthalt. Die GI hatte dann von strengeren Sanktionen abgesehen, ihr wurden nur die Bezüge von 1. – 10. 2. 1911 gestrichen. Das wollte sie aber nicht hinnehmen. So musste sich Gregor mit der Angelegenheit auseinandersetzen. Die Begründung, es ginge nicht rechtzeitig ein Dampfer, ließ er jedoch nicht gelten, dann hätte sie sich eben früher um eine rechtzeitige Überfahrt kümmern müssen, bei 90 Tagen Urlaub in der Saison müsse das wohl möglich sein. 827

826 Vgl.: Kutsch, K.J./ Riemens, L: Großes Sängerlexikon, Bd. 7, S 4996. 827 Vgl.: Kt. Oper 251/11, Zl: VIII a – 32/1922. Kt. Oper 242/11, Zl: 153 u. Kt. Oper Kt. Oper 256/12, Zl: 152. 239

Schalk beschwerte sich bei Gregor, dass KS Lucie Weidt nicht zur Soloprobe „Rosenkavalier“ am 28. 3. 1911 erschienen sei. Weidt an Gregor: Die Probe sei in ihre Ruhetage gefallen, sie habe sie zwar selbst ansetzen lassen, jedoch sei sie physisch außerstande gewesen, diese einzuhalten. Sie befand sich bei Frau Mildenburg, habe ein paar Mal versucht Schalk zu erreichen, um abzusagen, leider vergeblich. 828 Weidt besuchte Gregor in der Sprechstunde. Er erklärte ihr, er wäre berechtigt – lt. ihrem Vertrag – für die Probeabsage am 22. Mai 1911 (wegen Unpässlichkeit) die Funktionszulage abzuziehen, aber er sehe davon ab. Jedoch durch ihre Weigerung, die vor längerer Zeit einstudierte Rolle der Irene in „Rienzi“ zu übernehmen, müsse er lt. Weisung der GI 160 K in Abzug bringen lassen, da sie ihre Ruhetage vom 23. – 25. Mai genützt hatte. 829 (Dieser Akt umfasst allein acht Schriftstücke und die Korrespondenz wird von Weidts Gatten, General-Consul von Urményi, Consulat Impérial et Royal d’Autriche-Hongrie, Nizza, geführt.) Nach der Aktenlage kann man sich des Eindruckes nicht verwehren, dass KS Weidt jede Möglichkeit wahrnahm, bei ihrem Gatten in Nizza zu verweilen. Zu Beginn der Saison 1911/12 verlängerte sie sich den Sommerurlaub und meldete für 18. - 20. 8. 1911 Ruhetage an, da sie sich am 17. 8. unwohl (angeblich Menstruation) fühlte. Sie teilte Gregor mit, dass sie am 1. 9. 1911 der Direktion wieder zur Verfügung stehe, denn Gregor selbst hätte ihr den Urlaub genehmigt. Was dieser natürlich bestritt und die KS auf Artikel 13, Pkt. 6 ihres Vertrages hinwies, wodurch sie sich eines Vertragsbruches schuldig gemacht habe; außerdem sei ein ausdrücklich eingeräumtes Benefizium dreier Ruhetrage in ihrem Vertrag nicht vorgesehen. Die Finanzprokuratur kam zu dem Schluss, dass sie für den Vertragsbruch 3.500 K Konventionalstrafe zu bezahlen habe, außer die KS könne einen triftigen Grund mit ärztlichem Attest erbringen; von einer Entlassung sehe die Direktion ab. Natürlich bekam die Presse davon Kenntnis und in der Bonner Zeitung vom 7. 9. 1911 hieß es: „Dir. Gregor von der Wiener Hofoper hat schon wieder einen Zwist mit einer Sängerin“. 830 Nach diesem enormen Schriftverkehr entschuldigt sich die Weidt – sie habe einen Fehler gemacht – dadurch sei ein Missverständnis entstanden. 831

828 Vgl.: Kt. Oper 243/11, Zl: 382. 829 Vgl.: Kt. Oper 245/11, Zl: 620. 830 Kt. Oper 246/11, Zl: 895 und 911. 240

Vom 10. – 12. 10. 1911 gab es bereits wieder eine Krankmeldung; die KS litt an Muskelrheumatismus. 832

Das Hoftheater München ersuchte um Überlassung einer Feldmarschallin für den „Rosenkavalier“ am 19. 11. Gregor bedauerte, Weidt sei eingesetzt und Windheuser krank, sonst habe niemand studiert. 833 Lucie Weidt war dann vom 21. – 26.11. an einem Katarrh der oberen Luftwege erkrankt, lt. hofärztlichem Attest. 834 (Diese zeitliche Abfolge lässt schon darauf schließen, dass sie gerne in München gesungen hätte. Leicht hatte es Gregor mit Weidt nicht.) Diesmal schrieb Weidt persönlich an Gregor. Sie habe einen Rückfall ihrer Influenza - Erkrankung, die Ärzte rieten, dass sie sich auskuriere, ein ärztliches Attest werde auf Wunsch zugesandt. Er möge ihr erlauben, 8 – 10 Tage auf den Semmering zu fahren. Gleichzeitig ersucht sie um eine Orchesterprobe und um ein bis zwei Ensembleproben, wenn sie die Gräfin singen solle, da sie die Partie 5 ½ Jahre nicht gesungen habe. 835 So viele Krankmeldungen wie von KS Weidt existieren von ihren Kolleginnen nicht. Die Weidt weilte sehr oft bei ihrem Gatten in Nizza und dürfte sich durch ihre diversen Krankmeldungen den Aufenthalt an der Coté Azur verlängert haben, wie im Feber 1912. Gregor beklagt sich bei ihr in einem Schreiben vom 12. 2.1912, er ersuche um genaueste Angabe ihrer Rückkehr, damit er disponieren könne.836 Schließlich dürfte es Gregor gereicht haben; er bot Weidt an, in der Saison 1912 nicht mehr aufzutreten und sich auszukurieren. Sie nahm das Angebot an, außerdem habe sie eine Blinddarmentzündung und muss sich einer Operation unterziehen. Sie werde Mitte Oktober 1912 wieder zur Verfügung stehen und bedauerte sehr, dass ihr ihre Gesundheit so viel Kummer bereite, aber ihr Pflichtgefühl gegenüber ihrem Beruf und ihrer Gesundheit mahne sie zur Vorsicht.837

831 Vgl.: Kt. Oper 247/11, Zl: 1030. 832 Vgl.: Kt. Oper 248/11, Zl: 1171. 833 Vgl.: Kt. Oper 249/11, Zl: 1401. 834 Vgl.: Kt. Oper 249/11, Zl: 1402. 835 Vgl.: Kt. Oper 250/11, Zl: 1564 vom 16.11. 1911 836 Vgl.: Kt. Oper 256/12, Zl: 275. 837 Vgl.: Kt. Oper 257/12, Zl 385. 241

Diese vielen Krankmeldungen, besonders an dem Fall Weidt zu ersehen, bedeuteten einen enormen Zeitaufwand und Schriftverkehr. Die Hoftheaterkasse musste verständigt werden, da die Funktionszulagen von der Gage jeweils einbehalten werden mussten, meist kamen die Arztbestätigungen später oder mussten extra angefordert werden, die GI wurde von jedem Fall unterrichtet und „last but not least“, das Allerwichtigste, der Spielplan musste der jeweiligen Situation angepasst werden, Ersatz gesucht, manchmal auch geändert werden. Die jeweilige Direktion hatte zwar ihr Büro, das die Schreibarbeiten erledigten, jedoch musste die Direktion von allem unterrichtet sein.

Trotz ihres langen Sonderurlaubes kam die Sängerin öfters nach dem vereinbarten Eintreffen in die Hofoper erst zurück. Gregor ließ dann konsequent die Bezüge einstellen. Weidt beanstandete am 18. 5. 1913 die Höhe der Gagenabzüge lt. ihrem Vertrag – der seit 1909 bestand – doch fiel ihr dies erst 1913 auf? Gregor weigerte sich, den Vertrag vorzeitig zu ändern, auch die GI war dieser Meinung. 838 Schließlich wollte sie vor Ablauf ihres Vertrages diesen in einen Gastspielvertrag umändern, was sowohl die GI als auch Gregor strikte ablehnten. Anscheinend fügte sie sich. Aber es sind in regelmäßigen Abständen in den Akten Schreiben Weidts zu finden, worin sie behauptete, dass sie die Paragraphen nicht kenne, bzw. hätte sie die Ordnungsvorschriften nie erhalten. Gregor antwortete immer sehr höflich, jedoch er blieb hart. 839 Dann wieder sprang sie für eine erkrankte Kollegin am 12. 6. 1913 als „Elisabeth“ ein, allerdings zu einer Gage von 550 K. 840 Am 30. 8. 1914 (bereits im Krieg) teilte sie Gregor mit, dass sie ihren kontraktlichen Urlaub vom 1. 12. 1914 – 1. März 1915 nicht konsumieren werde und sie stehe in dieser Zeit der Hofoper zur Verfügung. Gregor dankte ihr und nahm ihre Bereitschaft zur Kenntnis, jedoch in der momentanen Lage könne er gar nichts sagen. Wenn jedoch wieder aufgesperrt werde, habe er natürlich längst seine Dispositionen getroffen. 841

838 Vgl.: Kt. Oper 275/13, Zl: 378 und 393, vom 10.3. 1913 und Kt. 279/13, Zl: 852. 839 Vgl.: Kt. Oper 290/14, Zl: 332, vom 27.3. 1914 und Kt. Oper 291/14. 840 Vgl.: Kt. Oper 275/13, Zl: 868. 841 Vgl.: Kt. Oper 296/14, Zl: 960. 242

Die ständigen Differenzen mit der Weidt zogen ein Disziplinarverfahren nach sich, das dann nach ihren glaubhaften Begründungen zurückgezogen wurde. Da sie aber im April 1915 ohne Bewilligung einen Landaufenthalt genommen hatte und somit gegen die Bestimmungen der §30 und 31 der Ordnungsvorschriften verstoßen und sich ohne triftigem Grund ihre Tätigkeit dem k.k. Hofoperntheater entzogen hatte (Art. 13, Punkt b, der Engagementbedingnisse), wurde eine Geldstrafe von einem Viertel ihrer Monatsbezüge einbehalten. Weiters wurde erwähnt, dass die Direktion bereits im Feber 1911 das Recht der Entlassung gehabt hätte (Urlaubs- überschreitung) jedoch mit Rücksicht auf ihre künstlerische Persönlichkeit Abstand genommen habe.842

Die ewigen Querelen mit der Weidt wurden nun sogar Gregor zu viel, am 26.11. 1915 schrieb er ihr einen geharnischten Brief, da sie unter anderem ihn beschuldigte, er sei schuld, dass ein Gastspiel nicht zustande kam: „[…] und ich kann mir deshalb durchaus recht wohl vorstellen, dass es Ihnen unbekannt war, dass Sie tatsächlich, und zwar schon aus ihrer Leipziger Zeit, nicht als ein gerade sehr angenehmer – darf ich sagen – Komparent im Theaterbetriebe gelten: Zuguterletzt Ihrer wiederholten Zwischenfälle hier an der Hofoper, die sich ja auch nicht immer nur unter vier Augen abgespielt haben, dieses Vorurteil, das gegen Sie nun einmal bestand, zu verstärken. Es ist also, wie mir jeder objektiv Denkende zugeben wird, durchaus nicht ohne weiters anzunehmen, dass nun gerade ich derjenige ‚gewesen sein muss’, der Ursache und Anlass an dem Scheitern des betreffenden Gastspieles war. Ich nehme mit umso größeren Vergnügen Kenntnis davon, dass Sie in Ihrer freundlichen Zuschrift versprechen, dass die Aera der Missverständnisse und Differenzen ein- für allemal beendet ist und begrüße Sie in der angenehmen Hoffnung, dass Ihre und meine Erwartungen sich erfüllen, als Ihr aufrichtig ergebener Hans Gregor“. 843 Am 26.11. 1915 und am 23.1. 1916 zeigte Weidt sich sehr einsichtig und sprang für erkrankte Kolleginnen ein, wie immer um 550 K Extrahonorar. 844

842 Vgl.: Kt. Oper 304/15, Zl: 436 vom 15.5. 1915, Schreiben der GI. 843 Kt. Oper 308/15, Zl: 952. 844 Vgl.: Kt. Oper 308/15, Zl: 1000 und Kt. Oper 313/16, Zl: 103. 243

In einem handschriftlichem Schreiben vom 11. 3. 1918 der Künstlerin (es dürfte an den Agenten Eugen Frankfurter gerichtet sein und Gregor hatte sichtlich davon Kenntnis erhalten) heißt es: „Lieber Freund. Bitte Sie recht sehr, weder jetzt noch zu einem späteren Zeitpunkt für einen neuen Vertrag mit der Wiener Hofoper nichts zu unternehmen . Alle anderen Propositionen die Sie mir machen wollen, werden von mir gerne acceptirt. Habe eine Reihe sehr schöner Concerte für nächstes Jahr abgeschlossen. Mit herzlichen Grüßen Ihre Lucy Weidt.“ 845 Anscheinend wollte Weidt selbst ihre Bedingungen für einen neuen Vertrag mit der Wiener Hofoper ausverhandeln. Gregor schrieb ihr am 18. 6. 1918 einen äußerst liebenswürdigen Brief nach Bad Gastein und ersuchte sie, sich nochmals ihre Forderungen, die sie nach Ablauf ihres derzeitigen Vertrages, Dezember 1918, zu überlegen. Er sei mit ihren ihm im Juni gegebenen Forderungen bei seiner vorgesetzten Behörde auf einen „rocher de bronce“ gestoßen. Er bat sie um eine kleine oder große Revision. Er wolle sie unbedingt dem Hofoperntheater erhalten und vielleicht sei es auch ihr Wunsch, hier zu bleiben. Es tue ihm sehr leid, ihr keinen Nachurlaub gewähren zu können, 846 „ […] da der Komponist und wir alle sie als Herodias in „Salome“ wünschen und Anfang Oktober herauskommen wollen. Ich bitte Sie nochmals ergebenst und erwarte Sie am 15. August in Wien. Hans Gregor.“ 847 Aus einem Bericht Gregors an die GI am 22.6. 1918 geht hervor, dass die Forderungen der Sängerin Weidt kaum zu erfüllen seien; so solle man doch der hochdramatischen Sängerin Paula Windheuser den 4wöchigen Winterurlaub genehmigen um sie statt der Weidt halten zu können.848

7.3. Sänger

7.3.1. Georges Baklanoff (Georgij Andrejewitsch Bakkis), Bariton, 23.12. 1880 , + 6.12. 1938 . Studierte Jura, gab sein Studium wegen Geldnot auf, wurde kostenlos vom berühmten russischen Sänger Pryanischniko zwei Jahre lang in Petersburg ausgebildet.

845 Kt. Oper 343/18, Zl: 290. 846 Vgl.: Kt. Oper 345/18, Zl: 639. 847 Kt. Oper 345/18, Zl: 639. 848 Vgl.: Kt. Oper 346/18, Zl: 695. 244

Debüt 1903 an der Oper Kiew, Titelpartie in Rubinsteins „Der Dämon“. 1905 trat er in Moskau im Bolschoj-Theater auf, ebenso hatte er große Erfolge an der Hofoper in Petersburg. Er war international sehr gefragt – in London, Convent Garden Opera oder Boston. 1911 feierte er sensationelle Erfolge an der Komischen Oper Berlin als „Rigoletto“ und als Scarpia in „Tosca“. Von 1912-16 war er Ensemblemitglied an der Hofoper in Wien unter Gregor. Seine Rollen: u.a. Rigoletto, Scarpia, Mephisto in „Faust“, Escamillo in „Carmen“, Amonasro in „Aida“, Telramund in „Lohengrin“, Jago in „Othello“, Tonio in „Bajazzo“. Ein Bariton von großer Tonfülle und –schönheit, sowie bezwingender Ausdrucks- kraft, dazu mit großem schauspielerischem Gestaltungsvermögen. Sein Repertoire enthielt auch Basspartien wie den Mephisto in „Faust“ und den Ruslan in „Ruslan und Ludmilla“ von Glinka. 849

Gregor hatte sich Baklanoff – der ebenfalls vom Agenten Salter vertreten wurde – im Mai 1911 in Paris angehört und ihn ab März 1912 vertraglich an das Wiener Hofoperntheater gebunden. 850 Der Künstler trat in der Herbstspielzeit 1911 bereits als Gast in Wien auf und es dürften dabei Differenzen bezüglich seiner Gagenabzüge aufgetreten sein. Gregor bereinigte dies. 851 Baklanoff bekam seine vertragsgemäßen Bezüge abzugsfrei und wurde aus der Pensionskassa gestrichen. 852 Die „Berliner Lokal-Anzeige“ vom 2. 3. 1912 meldet: „Der russische Baritonist Baklanoff, der jetzt am Kgl. Opernhaus gastiert, wurde von Direktor Gregor auf fünf Jahre für das Wiener Hofoperntheater verpflichtet, und zwar in der Form, dass der Künstler in jeder Spielzeit in einer bestimmten Anzahl Vorstellungen mitwirkt.“ 853 Salter hat den Vertrag für ihn abgeschlossen, sein Beginn ist mit 10. 3. 1912 angesetzt. Gleichzeitig will er jedoch noch im März zwei Tage Urlaub für ein Gastspiel in Budapest. Gregor gewährt ihm diese Tage, gibt aber gleichzeitig zu bedenken, dass er sich erst in Wien eingewöhnen müsse, außerdem trete er in einer für ihn neuen Rolle (als „Heiling“) auf. 854

849 Vgl.: Kutsch, K.J./ Riemens, L.: „Großes Sängerlexikon“ Bd. 1, S 215/16. 850 Vgl.: Kt. Oper 244/11, Zl: 500. 851 Vgl.: Kt. Oper 249/11, Zl: 1332, vom 22.11. 1911. 852 Vgl.: Kt. Oper 560/12, Zl: 563. 853 Kt. Oper 257/12, Zl: 358. 854 Vgl.: Kt. Oper 257/12, Zl: 358. 245

Die „Neue Freie Presse“, Wien, kritisierte am 6. 3. 1912, dass Baklanoff in diesem Jahr französisch und italienisch singe und das gegen die Abrede. „[…] Für das dauernde Gastverhältnis, in dem dieser Sänger steht und das fast einem Engagement gleichkommt, wurde uns ein deutsch singender Baklanoff versprochen.“855 Am 22. 3. 1912 meldete die gleiche Zeitung: „Der Russe ist erst 30 Jahre alt, gelernter Jurist, hat schon an vielen Häusern gesungen, bindet sich für 5 Jahre an die Wiener Hofoper für mindestens 20 Abende und verlangte, dass er die Opern in der jeweiligen vom Komponisten vorgegebene Sprache singen darf, dies wurde sogar von SM dem Kaiser persönlich genehmigt. Baklanoff ist der Meinung, dass nur in der ursprünglichen Sprache, die dafür gedacht war, die Oper voll zur Geltung komme.“ 856

„Die Zeit“ vom 18. 3. 1912 berichtet: „Baklanoff hatte einen großen Erfolg in „Carmen“, er gab den Escamillo. Piccaver der den Don José gab, wurde von Baklanoff fast erdrückt.“ 857

Bereits am 28. 4. 1912 wollte der Sänger aus seinem Wiener Vertrag aussteigen; er wolle nur in Russland singen, die deutsche Sprache läge ihm nicht, auf die anderen Gründe, warum er vorzeitig seinen Vertrag aufkündigen wolle, könne er nicht eingehen. Gregor lehnte in einem Schreiben vom 29.4. 1912 den Vertragsausstieg ab und war guter Dinge, dass die „Wunden“ die er ihm in Paris geschlagen hatte, sicherlich ehest verheilen würden und dass sich bald eine Brücke zwischen seinen Wünschen und den Wünschen des Künstlers aufbauen lasse.858 (Leider sind die „Wunden“ nicht verifizierbar.) Agent Salter schaltete sich im Mai 1912 öfters bezüglich Vertragsauflösung ein. Er riet Baklanoff von einer Vertragslösung ab, denn so ein befriedigendes Engagement wie an der Wiener Hofoper unter so einem Direktor, der sich ihm gegenüber doch

855 Kt. Oper 257/12, Zl: 376. 856 Kt. Oper 257/12, Zl: 376. 857 Kt. Oper 257/12, Zl: 376. 858 Vgl.: Kt. Oper 259/12, Zl: 672. Brief geht an Wien IV. Alleestrasse19. 246 wirklich kulant und menschlich zeige, bekomme er nie wieder. Wegen der „paar Rubel“ die er in Petersburg bekomme, sollte er Wien nicht aufgeben. 859 Baklanoff gab über Salter seine Termine für die Wiener Hofoper bekannt, die allerdings von seiner persönlichen Korrespondenz mit Gregor abweichen. Gregor dürfte in der Saison 13/14 große Schwierigkeit bei der Besetzung gehabt haben, er erwähnte Salter gegenüber, dass er viele Absagen bekommen habe. Dieser riet ihm, sich nach einem Ersatz für den Russen umzusehen, der bleibe stur und wolle die Partie des „Amonasro“ auch nicht deutsch einstudieren. 860 Nachdem die Presse sich auf Baklanoff eingeschossen hatte und dieser absolut kein Werk deutsch singen wollte, hatte Gregor mit Zustimmung der GI vom 14. 9. 1913 eine Vertragsabänderung erreicht. Baklanoff war einverstanden; er wurde nur in italienisch gesungenen Opern eingesetzt, damit reduzierte sich sein Vertrag auf fünfmaliges Auftreten in einer Saison. Der alte Vertrag sah 36 Auftritte in der Saison vor. 861 (Gregor war enttäuscht von Baklanoffs Disziplinlosigkeit.) Baklanoff dürfte es doch bereut haben, den ersten Vertrag der Wiener Hofoper nicht erfüllt zu haben, denn er bot Gregor am 13. 6. 1914 für die Saison 1914/15 Termine an. Gregor verzichtete auf seine Dienste für die Spielzeit 1914/15, außer er stehe vom 7.- 13.12. 1914 für zwei oder drei Gastspiele zur Verfügung und halte der Hofoper bis auf weiteres die Zeit zwischen 15. u. 31. Mai 1915 frei. 862 Baklanoff dürfte sich dem Diktat des Direktors letztendlich doch gefügt haben. Erst am 8. 2. 1917 geht aus einem Bericht an die GI hervor, dass sein Vertrag mit 31. 8. 1917 auslaufe, da er infolge des Krieges verhindert sei, seinen kontraktlichen Verpflichtungen nachzukommen. 863

7.3.2. Carl Burrian Der Tenor wurde am 12. 1. 1870 in Rousino (Böhmen) geboren und starb am 25. 9. 1924 in Senomaty bei Prag. So wie Baklanoff wollte er Jurist werden, seine Stimme fiel an der Prager Universität auf und wurde durch Franz Pivoda in Prag und Felix von Kraus in München

859 Vgl.: Kt. Oper 259/12, Zl: 716. 860 Vgl.: Kt. Oper 279/13, Zl: 993, Korrespondenzen vom 2. u. 25.8., 4. u. 6. 10. 1913. 861 Vgl.: Kt. Oper 280/13, Zl: 1145. 862 Vgl.: Kt. Oper 294/14, Zl: 863 Vgl.: Kt. Oper 327/17, Zl: 144. 247 ausgebildet. Debüt am 28. 3. 1891 am Stadttheater Brünn als Hans in der „Verkauften Braut“ von Smetana. Er war ein berühmter Wagner-Interpret. Burrian war international engagiert, sowohl in Europa als auch in Übersee. Er war der Herodes der Uraufführung von „Salome“ von Strauss in Dresden am 9. 12. 1905, wobei er eine unvergessliche Charakterstudie dieser Partie lieferte. Er war unter anderem der Don Ottavio in „Don Giovanni“, der Titelheld in „Benvenuto Cellini“ von Berlioz, der Radames in „Aida“, der Ricardo in „Maskenball“. Burrian gastierte oft sehr erfolgreich an der Wiener Hofoper und war von 1912 – 14 Ensemble-Mitglied. 864

Mit Burrian wurde per 1. 9. 1912 ein Fünfjahres-Vertrag geschlossen. Er sollte für 35 Aufführungen in einer Saison zu einer Gage von 60.000 K zur Verfügung stehen, für weitere Auftritte würde er pro Abend 1.600 K erhalten. Zusatz: Sollte seine leidige Ehescheidungsaffäre in Dresden bis zu diesem Datum nicht erledigt sein, verschiebe sich der Vertragsbeginn, spätestens jedoch auf 1. März 1914. Sollte dieses Datum nicht eingehalten werden, werde eine Konventionalstrafe von 60.000 K festgesetzt. 865 Agent Salter schreibt am 6.2. 1912 an Gregor, dass sich Graf Seebach, Dresden, für Burrian einsetzen werde, er könne verstehen, dass er in Deutschland nicht auftreten wolle, da er sofort verhaftet würde. 866

Gregor reiste am 13. 3. 1912 für einen Tag nach Dresden zu Graf Seebach, um sich für Burrian einzusetzen. 867 Auch Fürst Montenuovo wurde von Gregor gebeten, in der Angelegenheit Burrian seine Verbindungen spielen zu lassen, damit dieser sein Engagement in Wien antreten könne. Burrian hatte den Prozess verloren und konnte oder wollte nicht zahlen. Gregor schrieb am 20.4. 1912 an Burrian 868 : „[…]Wenn Sie ein regierender Herr wären, würde ich mir ganz bestimmt einen Orden schon heute um Sie verdient haben. […]“869

864 Vgl.: Kutsch, K.J./Riemens, L.: „Großes Sängerlexikon“, Bd.1, S 660. 865 Vgl.: Kt. Oper 255/12, Zl: 110. 866 Vgl.: Kt. Oper 256/12, Zl: 230. 867 Vgl.: Kt. Oper 258/12, Zl: 446. 868 Vgl.: Kt. Oper 258/12, Zl: 579. 869 Kt. Oper 258/12, Zl: 579. 248

KS Burrian wurde von Graf Seebach freigegeben und Sekretär Muster fuhr am 1. 5. 1912 nach Budapest zu dem Künstler um die nötigen Unterschriften für Dresden zu erhalten und gleichzeitig mit ihm die Auftrittstermine für Mai zu fixieren. 870 (Erstaunlich, wie kurzfristig disponiert wurde.)

Bereits am 31. 3. 1913 ersuchte Burrian Gregor um Lösung seines Vertrages. Sein Grund: Er glaubte, dass sich in Wien ein nationaler Gegensatz entwickle zwischen Österreichern und Tschechen, er halte es nicht mehr aus, von der Claque der Galerie „Pfui Burrian“ und „Hoch Schmedes“ zu hören. Bei Auftritten in Wien verschlechtere sich sein Gesundheitszustand. Burrian versicherte Gregor seine Wertschätzung als Person und künstlerische Persönlichkeit und er würde Gregors Ruf überallhin folgen, nur nicht nach Wien. 871 (Auf dem Akt steht: „Nach mündlicher Rücksprache mit Herrn Direktor erledigt.) Im April erhielt Gregor Schreiben von Anhängern Burrians. Er möge ein Machtwort sprechen, damit man diesen herrlichen Künstler nicht verliere.872 Im Mai 1913 sollte der Künstler in „Othello“ in italienischer Sprache auftreten. Am 13. 4. erhielt er ein infames, anonymes Schreiben, das nur so von Tschechen-Hass triefte. Nach dem Inhalt zu schließen, musste man mit einem Skandal rechnen. Gregor ersuchte am 16. 4. die GI alles in ihrer Macht Stehende auszunützen, um eventuelle Lärmszenen im Keim zu ersticken. 873 KS Burrian dürfte sich dann in Prag erholt haben. Gregor betonte am 16. 6. in seinem Schreiben, dass er fest ab 18. 8. 1913 mit ihm rechne und er wieder voll und ganz zur Verfügung stehe. Im Oktober rechne er ebenfalls fix mit Ihm, da er Schmedes Urlaub gegeben habe und ersuchte gleichzeitig um Termine für seinen Amerika-Aufenthalt. 874 Burrian wollte seinen Wohnsitz in Budapest nehmen und zwischen Wien und Budapest pendeln, da seine Prozessgegnerin ihn in Wien effektiv verfolgte; seine Nerven seien komplett ruiniert. Der Antrag wurde von der GI abgelehnt, obwohl sich

870 Vgl.: Kt. Oper 259/12, Zl: 699 und Zl: 700. 871 Vgl.: Kt. Oper 276/13, Zl: 476. 872 Vgl.: Kt. Oper 276/13, Zl: 476. 873 Vgl.: Kt. Oper 277/13, Zl: 559. 874 Vgl.: Kt. Oper 279/13, Zl: 896. 249

Gregor dafür einsetzte. Er wurde auf Saisonbeginn vertröstet, Gregor würde dann schon eine Lösung finden. 875 Monatliche Unterhaltszahlungen wurden mittels Gehaltspfändung für Franziska Burrian einbehalten. Im September 1913 war er angeblich mit 43.000 Mark Alimenten noch im Verzug, es sollte ihm nur ein Existenzminimum von 800 K bleiben. Er bestritt diese Forderung. Die GI forderte ihn auf, das selbst zu regeln. Schließlich stimmte Gregor einem Wohnsitz in Budapest zu, Burrian gab dort auch sehr viele Gastspiele. In Ungarn fühlte er sich sicher, da seine Gage dort nicht exekutiert wurde. Seine oftmaligen Absagen wegen Krankheit brachten Gregor in arge Dispositionsschwierigkeiten und langsam verlor er die Geduld mit dem von ihm sonst geschätztem Künstler. 876 Das Entlassungsgesuch von KS Carl Burrian per 1. 11. 1913 wurde sowohl von Gregor als auch über dessen Empfehlung von der GI genehmigt. 877 Am 10.12. 1916 bestätigte Gregor KS Burrian, Budapest, dass er zwar einen Vertrag mit der Hofoper habe, aber angesichts der Alimentationspflicht in Österreich gegenüber seiner Gattin, von dem restlichen Teil seiner Gage nicht leben könne und daher den Vertrag mit der Hofoper lösen musste, dem die Direktion der Hofoper mit großem Bedauern zustimmte, da der Künstler unter solchem Druck nicht singen konnte. 878

7.3.3. Richard Mayr Geboren am 18.11. 1877 in Henndorf bei Salzburg, gestorben in Wien am 1.12. 1935. (Mayr’s Vater besaß in Salzburg das Gablerbräu, heute kann man dort in der Gaststätte noch ein Glasfenster sehen: Mayr als Ochs von Lerchenau im „Rosenkavalier“.) Mayr studierte in Wien Medizin und war während seines Studiums Mitglied des Wiener Akademischen Gesangsvereines. Von Gustav Mahler dort entdeckt und durch diesen inspiriert, ließ er seine Stimme am Konservatorium in Wien ausbilden. 1900 sang er in Bozen das Baß-Solo in der Missa solemnis von Beethoven, dann in Wien im Requiem von A.Dworák. 1902 wurde er von Mahler an die Wiener Hofoper

875 Vgl.: Kt. Oper 279/13, Zl: 914. 876 Vgl.: Kt. Oper 280/13, Zl: 1095, 1102, 1111 und 1112. 877 Vgl.: Kt. Oper 282/13, Zl: 1392. 2.u. 3.11. 1913. 878 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1134. 250 geholt. Debüt: Silva in Verdis „Ernani“. Mayr blieb bis zu seinem Tod Mitglied der Hofoper, bzw. ab November 1918 Staatsoper. Mayr sang unter anderem den Hagen in „Götterdämmerung“, Pogner in „Meistersinger“, Gurnemanz in „Parsifal“ (diese Partie sang er 1914 bei der Wiener „Parsifal“ – Premiere), Figaro in „Figaros Hochzeit“, Sarastro in „Zauberflöte“, aber an erster Stelle den unvergleichlichen Ochs von Lerchenau in „Rosenkavalier“. (Strauss, sowie der Librettist Hugo von Hofmannsthal bezeichneten ihn „als Ochs schlechthin“). Mayr verkörperte diese Rolle natürlich auch bei der Wiener Premiere. Er sollte diese Rolle in Dresden bei der Uraufführung übernehmen, jedoch erwies sich dies als undurchführbar. Seine prachtvolle, dunkel timbrierte Bassstimme, sowohl im seriösen, als auch im Buffo-Fach war von großer Überzeugungskraft. Dazu galt er als hervorragender Darsteller, unübertroffen in seiner Charakterisierungskunst. 879

Mayr war ein sehr disziplinierter Sänger und sprang auch immer wieder für erkrankte Kollegen ein. Zum Beispiel: Obwohl er für ein Gastspiel in Leipzig vom 11. – 12. Mai 1911 Urlaub bewilligt bekam, und in Wien der Ersatz für ihn als Ochs von Lerchenau erkrankte (Lorenz Corvinus), kam er zurück und ließ die Aufführung in Wien am 12. Mai 1911 nicht platzen. Für sein außerordentliches Entgegenkommen setzte sich Gregor bei der GI für ein Extrahonorar von 500 K ein, was auch bewilligt wurde. 880

Im September 1913 kam es zu einer Vertragsverlängerung und Mayr schrieb dem Agenten Salter – der ihn managte – dass der Vertrag so gut wie unterschrieben wäre. 881 Im November 1913 fragte Bayreuth bei Gregor an, ob man mit Mayr zu den Festspielen 1914, am 20. 8. als Gurnemanz in „Parsifal“ rechnen könnte. Gregor vertröstete auf später. Am 27. 11. 1913 versicherte Gregor Siegfried Wagner, er werde sich zum gegebenen Zeitpunkt sehr bemühen, aber zusagen könne er noch nicht. 882

879 Vgl.: Kutsch, K.J./Riemens, L.: „Großes Sängerlexikon“ Bd. 4, S 3013/14. 880 Vgl.: Kt. Oper 245/11, Zl: 634. 881 Vgl.: Kt. Oper 281/13, Zl: 1225. 882 Vgl.: Kt. Oper 282/13, Zl: 1402. 251

Zu Kriegsbeginn, bzw. anfangs September 1914 wollte Mayr seinen zusätzlichen kontraktlichen Urlaub verschieben, aber das genehmigte Gregor nicht. Er schrieb Mayr, er könne verstehen, dass er sein geliebtes Salzburg nicht verlassen wolle, jedoch müsse er mit jeder Kraft rechnen – einige Sänger wurden einberufen – sonst könne kein Repertoirebetrieb gewährleistet werden. Wenn die Oper auch vorläufig geschlossen sei, der Probenbetrieb finde statt. 883 Selbst für eine Wohltätigkeitsveranstaltung in Budapest im Jänner 1915, gab Gregor Mayr nicht frei. 884 Aus einem Protokoll einer Präliminar-Sitzung am 15.1. 1918 im Obersthofmeisteramt ist zu ersehen, dass KS Mayr im Jahre 1917 56mal aufgetreten war. 885 (Aus der Aktenlage ist zu erschließen, dass KS Mayr der Direktion kaum Schwierigkeiten bereitete.)

7.3.4. Alfred Piccaver Geboren am 15. 2. 1884 in Long Sutton (England), gestorben in Wien am 23. 9. 1958. Piccaver lebte später in Amerika, studierte Elektrotechnik und arbeitete zeitweise in den Laboratorien des berühmten Erfinders Edison. Seine Stimme wurde anlässlich einer Europareise in Hallstatt (Tirol) vom Leiter des Deutschen Theaters in Prag entdeckt, worauf man ihn gleich als Tenor engagierte. Seine Ausbildung erhielt er erst nach seinem Debüt. 1910 kam er mit einer italienischen Opernstagione mit dem berühmten Bariton Mattia Battistini nach Wien. Er war so erfolgreich, dass ihn Gregor 1912 an das Wiener Hofoperntheater verpflichtete, deren Mitglied er bis 1931 und nochmals von 1932 – 37 war. Er war beim Wiener Publikum überaus beliebt. Sein Repertoire: unter anderem Cavaradossi in „Tosca“, Herzog in „Rigoletto“, Don Ottavio in „Don Giovanni“, Florestan in „Fidelio“, Stolzing in „Meistersinger“, Canio in „Bajazzo“. Piccaver hatte eine der schönsten Tenorstimmen seiner Generation, durch die Weite des Tonumfanges, wie durch die stilvolle Beseelung des Vortrages. Die Kritik verglich seine Stimme gerne mit der Carusos. 886

883 Vgl.: Kt. Oper 295/14, Zl: 905, v. 18.8. 1914. 884 Vgl.: Kt. Oper 310/15, Zl: VII a – 1, v. 6.1. 1915. 885 Vgl.: Kt. Oper 341/18, Zl: 74. 886 Vgl.: Kutsch, K.J./Riemens, L: „Großes Sängerlexikon“, Bd.5, S 3653/54. 252

Am 24. Oktober 1911 sang Piccaver mit Eventualvertrag – von Prag dafür beurlaubt – bereits den Herzog in „Rigoletto“ an der Wiener Hofoper. Gastspielhonorar 600 K, abzgl. 6% Pensionsfond. Piccaver hatte einhellig sehr gute Kritiken. „Die Zeit“ vom 25. 10. 1911: „[…] Herr Piccaver, der die Rolle des Herzogs schon während der Battistinistagione gesungen hat, nahm mit dem ersten Takten der Kavatine die Zuhörer gefangen. Mühelos schlug seine nicht sehr große, aber warme Tenorstimme scharmierender Plauderei und leichtsinnigen Tändelns an und mit bestrickender Liebenswürdigkeit, schmeichelte sich die Verdische Melodie, vornehm und elegant vorgetragen, ins Ohr. […]“. 887 Auch Gregor wurde wegen des Engagements des Künstlers in den Rezensionen besonders hervorgehoben. 888

Theateragent Salter wollte am 4. 11. 1911 wissen, ob Gregor Piccaver bestimmt engagiere, da er von allen Seiten mit Offerten für diesen bestürmt werde. Gregor antwortete ihm am 9. 11. 1911, man wolle sich Piccaver noch in einer deutsch gesungenen Oper anhören, aber nach dem riesigen Erfolg von Rigoletto dürfte eine Ratifizierung des Vertrages nicht mehr angezweifelt werden. 889 Salter verlangte für Piccaver für seine beiden ausständigen Gastspiele bereits 1.000 K pro Auftritt, da das kgl. Landestheater in Prag für seinen Ausfall die Gage in Abzug bringe und er dadurch schlechter gestellt sei. Die erhöhte Gage wurde bewilligt. 890

Die beiden Gastspiele sollten dann im März 1912 stattfinden und zwar am 13. 3. „Carmen“ und am 15. 3. „Rigoletto“. Piccaver wollte aber so knapp hintereinander nicht auftreten, um seinen Erfolg in „Rigoletto“ nicht zu gefährden. 891 (Alle Sänger und Sängerinnen versuchten ihre Vertragsverpflichtungen so zu gestalten, dass zwischen den einzelnen Auftritten genügend Zeit für Erholung blieb, um ihre Erfolge nicht zu gefährden.)

Im September 1912 sprang Piccaver kurzfristig für den Kollegen Maikl in „Traviata“ ein, seine Partnerin, Selma Kurz in der Titelrolle sang deutsch und Piccaver

887 Kt. Oper 248/11, Zl: 1233. 888 Vgl.: Kt. Oper 244/11, Zl: 500 und Kt. Oper 248/11, Zl: 1233. 889 Vgl.: Kt. Oper 249/11, Zl: 1279 und 1301. 890 Vgl.: Kt. Oper 249/11, Zl: 1480, vom 23. 11. 1911 und Kt. Oper 259/12, Zl: 601, vom 15.4. 1912. 891 Vgl.: Kt. Oper 255/12, Zl: 82. 253 italienisch. Die „Neue Freie Presse“ vom 11. 9. 1912 bemerkte: „[…] Man fragt sich, warum zwar einem engagierten, aber jungen Sänger die Sonderstellung eingeräumt wird, in einem deutschen Ensemble italienisch zu singen. Eine Unzukömmlichkeit, an der die Opernleitung nicht festhalten wird können.“892

Piccaver wollte, von Agenten Salter unterstützt, die Zeit nützen und so viele Auslandsengagements abschließen wie nur möglich und wollte von Gregor einen Vorschuss auf seine Sonderurlaube. Doch da bissen sich beide an Gregor die Zähne aus; dieser blieb hart, um sein Repertoire nicht zu gefährden, außerdem war es branchenunüblich. 893 Piccaver wollte nur zu Beginn und am Ende der Spielzeit in Wien auftreten. Vier Monate benötigte er für auswärtige Verpflichtungen, außerdem wollte er bereits 14 Tage vorher seine Termine wissen, um an den spielfreien Tagen anderweitig disponieren zu können. Gregor war strikt dagegen; die Zeit für die Auftritte sei zu knapp und da sein Repertoire zu gering sei, müsse er wenigsten eine neue Rolle einstudieren, auch wenn es ihm schwer falle zu lernen, aber das benötige einen längerfristigen Aufenthalt in Wien. 894 Am 17. 1. 1915 wird der bestehende Vertrag neu ausverhandelt. Frau Piccaver vertrat nun ihren Mann. Die Änderung: Ab Herbst 1915 außer den Theaterferien einen 3monatigen Sonderurlaub und auf 14tägigen Antrag 5mal einen 3tägigen Urlaub. Ab der Spielzeit 17/18 und 18/19 1.500 K Abendgage, ab 19/20 bis 21/22 pro Abend 2.000 K, 40 Auftritte pro Saison. Der Künstler war nicht verpflichtet, mehr als zweimal pro Woche aufzutreten und nicht auf zwei aufeinander folgenden Tagen. Ab der Saison 16/17 ein einmaliges eigenes Konzert pro Saison. Piccaver war verpflichtet, eine vom Direktor seiner Individualität entsprechende lyrische Tenorpartie, die er bis 1.4. eines Jahres genannt bekommt, vollkommen bühnen- fertig vorzustudieren, das heißt nach seinem Eintreffen nach einer Ensembleprobe mit den anderen Künstlern gemeinsam die Bühnenproben aufzunehmen. 895

892 Kt. Oper 256/12, Zl: 184. 893 Vgl.: Kt. Oper 289/14, Zl: 155, vom 3.2. 1914. 894 Vgl.: Kt. Oper 291/14, Zl: 1103, vom 6.11. 1914 895 Vgl.: Kt. Oper 301/15, Zl: 171, ratifiziert Zl: 203/15 vom 8. März 1915 von der GI. 254

Bei allem Verständnis seitens Gregors gegenüber dem hervorragenden Sänger hatte er es nicht leicht mit ihm. Am 21. 3. 1915 musste er die Vorstellung „Das Mädchen aus dem goldenen Westen“ absagen. Er war vom 19. – 26.3. krank gemeldet. Für 21. 3. wurde ein Rollenabzug vorgenommen und für die übrigen Tage die Funktionszulagen gestrichen. 896 (Für alle Künstler galt: Bei Auftrittsabsage, Rollenabzug und bei Krankmeldung für nicht eingeteilte Tage, erfolgte der Abzug der Funktionszulagen. Die Grundgage lief weiter.)

Für die Saison 1915/16 verzichtete Alfred Piccaver auf den kontraktlichen 3monatigen Urlaub und erklärte sich mit zweimal 14 Tagen Winterurlaub einverstanden. 897 (Während des Krieges wurde das Reisen schwieriger.) Piccaver wurde im Krieg kooperativer; er musste zwar am 26. 1. 1916 seine Partie des Ottavio in „Don Juan“ wegen Krankheit absagen; da er jedoch am 27.1. in der Probe von „Liebestrank“ mitwirkte und sich bereit erklärte, am 28.1. (Premiere „Gemma“) zu singen, ließ ihm Gregor lediglich die Funktionszulage streichen und sah von dem Rollenabzug für 26. 1. ab. 898 Über Antrag von Gregor am 29. 9. 1916 bekam Piccaver am 10. 2. 1917 den Kammersängertitel verliehen. 899 Der Ausgezeichnete bedankte sich herzlichst bei Gregor. 900

Dem Vertrag des Künstlers vom 23. 2. 1915 wurde ein Passus hinzugefügt: „[…] alljährlich einen dreimonatigen Urlaub in den Monaten Jänner, Feber und März eines jeden Vertragsjahres.“ 901 Im Jahre 1917 trat Piccaver 50mal auf. 902

7.3.5. Erik Schmedes Geboren am 27. 8. 1868 in Gjentofte bei Kopenhagen, gestorben am 21. 3. 1931 in Wien.

896 Vgl.: Kt. Oper 303/15, Zl: 284. 897 Vgl.: Kt. Oper 306/15, Zl: 679, vom 26.8. 1915. 898 Vgl.: Kt. Oper 314/16, Zl: 144, vom 31.1. 1916. 899 Vgl.: Kt. Oper 321/16, Zl: 893 und ad Zahl 155 ex 1917. 900 Vgl.: Kt. Oper 328/17, Zl: 155, vom 10.2. 1917. 901 Kt. Oper 327/17, Zl: 35, vom 4.1. 1917. 902 Vgl.: Kt. Oper 341/18, Zl: 74, vom 15.1. 1918. 255

Er studierte in Kopenhagen zuerst Klavier, kam 1888 zu weiteren Studien nach Berlin. Auf Anregung von Pauline Viardot-Garcia ging er dann zum Gesangsstudium über. Ausbildung in Berlin, Wien und Paris. Debüt als Bariton 1891 am Hoftheater in Wiesbaden als Valentin in „Faust“. Über Nürnberg (Stadttheater) ging er 1896 nach Hamburg, wo Bernhard Pollini seine Tenorstimme entdeckte. Nach neuerlichem Studium war er als Heldentenor in Dresden tätig. 1898 wurde er an die Hofoper in Wien berufen, Debüt als „Siegfried“ und er fand hier seine eigentliche künstlerische Heimat. Länger als 25 Jahre war er der erklärte Liebling des Wiener Opernpublikums. Schmedes wirkte in vielen Erst- und Uraufführungen mit. 903

Zu Beginn der Ära Gregors ist über Schmedes nicht viel zu erfahren. Jedoch im Jahre 1913 musste ihn Gregor ermahnen, im Falle einer Erkrankung sich ebenso nach den Statuten zu verhalten wie alle Künstler. Trotz Erkrankung besuchte er einen Festabend der KS Kurz und ging bei Schlechtwetter zum Begräbnis von Erzherzog Rainer, was die Absage des „Siegmund“ am 24. 2.13 zur Folge hatte. Schmedes begründete seine Absage nicht mit Erkrankung, sondern wegen stimmlicher Übermüdung. Gregor antwortete ihm, dass er einer Diskussion auf diesem eingeschlagenen Weg nicht folgen werde und in Zukunft werde Schmedes bei Vertragsverstößen die Konsequenzen – ohne Vorwarnung seitens der Direktion – zu tragen haben. 904 Schmedes war sonst zuverlässig und sprang immer wieder für erkrankte Kollegen ein. Im Mai und Juni 1913 erhielt er eine Gratifikation, da er für ausgefallene Kollegen einsprang, obwohl er seinen anstrengenden Verpflichtungen genau nachkam. 905 (Gregor hat sich immer für seine Künstler eingesetzt, die sich im Rahmen der vorgegebenen Richtlinien bewegt haben; für ihn war das Disziplin. Umso unangenehmer konnte er werden, wenn diese Grenzen überschritten wurden.) Im Juni 1913 hatte der Künstler Geldschwierigkeiten, durch Gregors Fürsprache bei der GI konnte ihm geholfen werden. 906

903 Vgl.: Kutsch, K.J./Riemens, L.: „Großes Sängerlexikon“; Bd. 6, S 4219. 904 Vgl.: Kt. Oper 275/13, Zl: 313, vom 26.2. und 1.3. 1913. 905 Vgl.: Kt. Oper 279/13, Zl: 867, vom 14.6. 1913. 906 Vgl.: Kt. Oper 279/13, Zl: 898, vom 18.6. 1913. 256

Im September 1913 ersuchte Schmedes, seinen Vertrag dahingehend abzuändern, dass er die anfänglich geforderte Gage erhalte, da er für den Kollegen Burrian wegen dessen unentwegten Absagen einspringen müsse. Die seinerzeitige Begründung der Ablehnung – der Etat der Tenöre sei ausgeschöpft – könne doch wohl in solcher Situation nicht mehr gelten. Er habe sich immer bereit erklärt einzuspringen und den Direktor nie hängen gelassen. 907 (Vermerk am Akt: „Mündlich mit Dir. Gregor erledigt. M.“) Seine geschiedene Frau, Tessa Schmedes, wurde von Gregor in einer Aussprache ersucht, den Künstler nicht mehr in finanzielle Bedrängnis zu bringen. Sie hatte auf seinen Namen Waren eingekauft. 908 (Das Wohl seiner Künstler lag Gregor sehr am Herzen, denn unter psychischem Druck konnten keine Leistungen erbracht werden.)

Gregor hatte an vielen Fronten zu kämpfen oder zu schlichten: Burrian sagte die Rolle in „Dalibor“ ab, Schmedes sprang ein, Schalk hatte sich dann abfällig über Schmedes geäußert, obwohl die Proben vorher glatt abliefen und so musste Gregor ihm absagen. Natürlich war Schmedes gekränkt. 909

Immer wieder finden sich in den Akten Hinweise, dass KS Schmedes ein zuverlässiges Mitglied des Wiener Hofoperntheaters war. Trotz kontraktlichen Urlaubes vom 10.- 30.11. 1914 stand er für die Novität von Weingartner „Kain und Abel“ der Hofoper zur Verfügung. Nur seine Finanzen hatte er nicht im Griff und hier musste ihm Gregor immer wieder helfen. 910 Für eine uneheliche Tochter, Margarethe, forderte der Vormund Franz Körner, Hof- und Gerichtsadvocat, höhere Alimente und zwar monatlich 10 K, da Schmedes eine höhere Gage beziehe. 911 (Das Arbeitsfeld einer Theaterdirektion war mehr als vielfältig.) Trotz Krankmeldung am 29. 1. 1916 (Absage für „Prophet“) wurde Schmedes in einem Kino gesehen, die Direktion erwarte eine Erklärung. 912

907 Vgl.: Kt. Oper 280/13, Zl: 1127, vom 7.9. 1913. 908 Vgl.: Kt. Oper 281/13, Zl: 1293, vom 19.11. 1913. 909 Vgl.: Kt. Oper 288/14, Zl: 18, Artikel in Extra-Blatt vom 6.4. 1913. 910 Vgl.: Kt. Oper 291/14, Zl: 409, vom 21.3. 1914 und Kt. Oper 296/14, Zl: 1032 vom 5.11. 1914. 911 Vgl.: Kt. Oper 302/15, Zl: 197, vom 23.2. 1915. 912 Vgl.: Kt. Oper 314/16, Zl: 146 und 147, vom 31.1. 1916. 257

Schmedes erbat von Gregor in Anerkennung besonderer Leistungen ein Extra- honorar. Gregor konterte, der Wagner-Zyklus werde nicht einmal in so rascher Aufeinanderfolge gegeben wie das sonst hier und auch an anderen Bühnen üblich sei. Seine Auftritte waren vertragsgemäß. 913 Wörtlich schrieb ihm Gregor: „[…] Seien Sie, lieber Herr Kammersänger, Philosoph, und gewöhnen Sie sich an, ohne Murren die Feste zu feiern wie sie fallen.“ 914 (Wenn Gregor sich ausgenützt fühlte, konnte er sehr rigoros sein.)

Mit 1. 6. 1917 wurde eine Vertragsverlängerung zu den gleichen Konditionen ab 1. 9. 1918 auf weitere drei Jahre von der GI ratifiziert. Der alte Vertrag endete mit 31. 5. 1918. 915

7.3.6. Leo Slezak Geboren am 18. 8. 1873 in Mährisch-Schönberg – gestorben 1. 6. 1946 in Rottach- Egern am Tegernsee. Er war zuerst Gärtner und Schlosser, seine Stimme wurde durch Adolf Robinson in Brünn ausgebildet. Der Tenor hatte sein Debüt 1896 als „Lohengrin“ am Stadttheater in Brünn. Dann Berlin, Breslau, London. 1901 berief ihn Mahler an die Hofoper in Wien, deren Mitglied er bis 1912 und von 1917-1934 war. In Wien war er in 44 Rollen und insgesamt in 936 Vorstellungen zu sehen. Er war „Lohengrin“, Hermann in „Pique Dame“, „Othello“, „Tannhäuser“. Sein Repertoire umfasste 66 Rollen und er sang in ganz Europa und Amerika an der MET. Im lyrischen Repertoire war er z.B. als Tamino in „Zauberflöte“ zu hören. 1933 verabschiedete er sich mit dem Canio in „Bajazzo“ von seinem Wiener Publikum. Er machte auch eine erstaunliche Karriere im Film. 916

Gregor wollte Slezak wieder als Ensemblemitglied gewinnen, dies scheiterte jedoch an dessen Gagenforderungen. Slezak hatte seit 1. 9. 1908 einen Gastspielvertrag. 917 Im Juni 1911 schrieb Gregor an Slezak nach Egern am Tegernsee:

913 Vgl.: Kt. Oper 318/16, Zl. 528. 914 Kt. Oper 318/16, Zl: 528, vom 30.5. 1916. 915 Vgl.: Kt. Oper 330/17, Zl: 479. 916 Vgl.:Kutsch, K.J./Riemens,L.: „Großes Sängerlexikon“, Bd. 6, S 4436. 917 Vgl.: Kt. Oper 305/15, Zl: 533. 258

„Lieber Herr Kammersänger! Es wird Ihnen ja nach dem Gang unserer Verhandlungen in meinem Büro nicht verborgen geblieben sein, dass Sie mit Ihren Gagenforderungen, deren Berechtigung ich in keinem Augenblick in Abrede stellen will, da man Ihnen anderen Orts entsprechende Offerten gemacht hat, für die Wiener Hofopernverhältnisse Unmögliches verlangen. Ich muss es also, wenn auch mit blutenden Herzen bei den bescheidenen Maß von Diensten für die nächste Zeit bewenden lassen, die zwischen Ihnen und der Wiener Hofoper bereits vertraglich festgelegt sind. Dass dies niemand mehr bedauert, als ich selbst, werden Sie gewiss mir nachempfinden.[…]“ 918 Es gab aber auch kritische und sehr böswillige Bemerkungen zu Slezak, da die fruchtlosen Verhandlungen publik wurden. Heinrich Hart, Musiker, Teinfaltstrasse 2. schrieb an Gregor: „Aber lieber und werter Herr Direktor, wie können Sie denn so viel Geschichten machen um eine große O(Null) wie dieser Slezak! Lassen Sie ihn doch ziehen, wir pfeifen auf ihn. Der ist ja schlimmer als ein Handelsjude und will ein Künstler sein. Pfui! Wir haben den Miller und unseren Schmedes, der ist der wahre Künstler und uns Wagnerianern teuer an Herz gewachsen. Weg mit dem dummen Böhmen.“ 919 „Theater und Kunst“ vom September 1911 meldete, die Verhandlungen mit Slezak seien zwar noch nicht abgeschlossen, dürften jedoch an den ungeheuren Gagen- forderungen, 4.000 K pro Abend, bei Einnahmen zu normalen Preisen von 8.500 K pro Abend, in keinem Verhältnis stehen. Bisher erhielt der Künstler 1.600 K, Gregor bot 2.000 K pro Abend. Die gleichen Meldungen brachten unter anderem die Arbeiterzeitung, Neue Freie Presse, Wiener Sonn- und Montagszeitung. Einige sahen die Verhandlungen schon gescheitert. 920

In der Zeit von September bis Oktober 1911 waren 12 Auftritte geplant, da aber Caruso in der Zeit zwischen 19. – 27. September 1911 in Wien auftrat, mussten einige September-Termine auf später verlegt werden. Slezak wollte zur Caruso – Zeit auf keinem Fall in Wien sein, wofür Gregor volles Verständnis hatte. 921

918 Kt. Oper 245/11, Zl: 665. 919 Kt. Oper 245/11, Tl: 665. 920 Vgl.: Kt. Oper 245/11, Zl: 735. 921 Vgl.: Kt. Oper 245/11, Zl: 665. 259

Im Jänner 1912 dürfte Slezak mit der Volksoper in Wien für „Zigeunerbaron“ abgeschlossen haben. Gregor telegrafierte Salter, der Slezak managte: „Slezak durch Engagement Volksoper entwertet. Gregor.“ 922 Slezak war verärgert, da Gerüchte an die Öffentlichkeit langten, er biete sich Gregor an. Salter ersuchte die weiteren Verhandlungen vertraulicher zu führen und vielleicht machte der Künstler bei weiteren Verhandlungen sein Gastspiel an der Volksoper rückgängig. 923 Dann gibt es wieder ein Schreiben von Salter, Slezak würde für 3.000 K pro Abend abschließen, vielleicht könne man noch weiter verhandeln. 924 Das Tauziehen um Slezak zog sich noch bis in das Jahr 1913; Salter meinte, Gregor möge an den Magnet Slezak denken. Gregor antwortete Salter, er kenne seinen Standpunkt und daran habe sich nichts geändert. Er gebe keinen Einflüsterungen nach, für ihn seien lediglich künstlerische und für das Institut materielle Vorteile maßgebend. 925 Slezak bot zu Beginn des Krieges seine Teilnahme an einem Wohltätigkeitskonzert an, die GI werde zu einem geeigneten Zeitpunkt darauf zurückkommen. 926 Nach fünfjähriger Pause konnte Gregor mit Slezak wieder einen Gastspielvertrag vom 15. 9. 1917 bis 14. 9. 1923, abschließen. Inhalt: 40malige Auftreten, Abendgage 2.000 K, er erhielt 3 Monate Urlaub und für die davor stattfindenden Gastspiele erhielt er 2.500 K. Am 1. 2. trat er in „Othello“ auf und am 4. 2. 1917 als Eleazar in „Jüdin“. Sehr gute Kritiken, das Wiener Publikum freute sich, ihn wieder zu haben. Gregor wurde mit keinem Wort in den Kritiken erwähnt. 927

„Fremdenblatt“ vom 5. 3. 1917. Slezak sang am 4. 3. den “Propheten“: „Ausgeruht und glänzend bei Stimme erschien nach kurzer Pause Leo Slezak gestern wieder auf der Hofopernbühne und sang den Propheten. Wenige Rollen sind es, welcher der künstlerischen und persönlichen Individualität Slezaks so sehr entsprechen, als Johann von Leyden. Das Monumentale und Majestätische, das echt Heldenhafte und Großtragische hat er in Gestalt und Stimme. […] Der Riesenmann spielt mit

922 Kt. Oper 255/12, Zl: 149, vom 22.1. 1912. 923 Vgl.: Kt. Oper 255/12, Zl: 149, vom 22.1. 1912. 924 Vgl.: Kt. Oper 256/12, Zl: 230, vom 22.1. 1912. 925 Vgl.: Kt. Oper 280/13, Zl: 1058, vom 25. u. 31.8. 1913. 926 Vgl.: Kt. Oper 296/14, Zl: 984, vom 28.8. u. 6.9. 1914. 927 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1021. 260 schlichter Beseelung die kleinsten Nuancen und die Riesenstimme hat die feinsten Piani, die zarteste Modulation, alles rein und klar und fast deklamatorisch gesungen. Das Publikum hatte seine helle Freude. […]“928

Mit 2. 4. 1917 wurde von der GI per 15. 9. der Gastspielvertrag ratifiziert. Er enthielt eine so genannte „Kurz“- Klausel. Wenn Frau Selma Kurz nach Ablauf ihres Vertrages mit dem Hofoperntheater einen weiteren Vertrag abschloss, in dem sie mehr als 2.000 K pro Abend erhielt, stieg auch die Abendgage von Slezak. Ausgenommen waren nach Ausscheiden von Kurz nur hie und da Gastspiele ohne besondere Vereinbarungen. 929 Eine Änderung des Sonderurlaubes wurde am 18. 8. 1917 von der GI ratifiziert; der dreimonatige Sommerurlaub begann jeweils bereits am 16. 6., dafür verzichtete Slezak auf sieben Tage Winterurlaub. 930 Slezak trat im Jahre 1917, ab September, lt. einem Bericht in der Präliminar-Sitzung, an 15 Abenden auf. 931 Am 13. 2. und am 18. 2. 1918 musste Slezak wegen Erkrankung „Maskenball“ und „Othello“ absagen. 932 Am 22. 5. schrieb Gregor an Slezak, dass dessen Urlaub für die Spielzeit 18/19 in Ordnung gehe: 15. 10. – 20. 11. 1918 und 1. 3. – 14. 4. 1919 und er möge sich mit Sekretär Lion in Verbindung setzen, dieser werde ihm in seinem Auftrag außer „Bachus“ noch einen anderen Vorschlag machen. 933 (Aus verschiedenen Akten ist ersichtlich, dass Gregor seit geraumer Zeit sehr viele Agenden an Sekretär Lion delegierte und seine Korrespondenz war gegenüber früher ziemlich sachlich in Anrede und Abschluss gehalten. Bei Slezak zum Beispiel: „Sehr geehrter Herr Kammersänger“ und bei Briefende „Hochachtungsvoll“.

7.3.7. Der amerikanische Tenor William Miller hatte in Europa seine Gesangstudien absolviert und wirkte von 1910 bis 1917, vor allem im lyrischen Fach, am Wiener Hofoperntheater. Miller war beim Wiener Publikum sehr beliebt. 934

928 Kt. Oper 328/17, Zl: 194, vom 23.2. 1917. 929 Vgl.: Kt. Oper 328/17, Zl: 243, vom 10.3. 1917. 930 Vgl.: Kt. Oper 331/17, Zl: 608, vom 16.6. 1917. 931 Vgl.: Kt. Oper 341/18, Zl: 74, vom 15.1. 1918. 932 Vgl.: Kt. Oper 342/18, Zl: 232, vom 19.2. 1918. 933 Vgl.: Kt. Oper 344/18, Zl: 577. 934 Vgl.: Kutsch, K.J./ Riemens L.: „Großes Sängerlexikon“, Bd. 5, S 3135. 261

Die relativ hohe Gage von 60.000 K – die sich Miller mit Dir. Weingartner noch ausverhandelte – war Gregor allerdings ein Dorn im Auge. Aus der Korrespondenz mit Agent Salter– der diesen vertrat – geht hervor, dass nicht er, sondern Miller selbst seine Gage verhandelte. 935 Zusätzlich benötigte Miller immer wieder Urlaube für verschiedene Konzerte in München, Wiesbaden und Brünn, oder für private Zwecke, in den Jahren 1911/12. 936 (Für Urlaubsanforderungen gab es eigene Formulare, außerdem mussten Extra- Urlaube in den einzelnen Verträgen verankert sein.) Nach Ablauf seines Vertrages wurde dieser dahingehend abgeändert, dass der Künstler vom 1. 9. 1916 – 31. 5. 1917 bei 30maligem Auftreten eine Gesamtgage von 25.000 K erhielt, bei Belassung eines 3monatigen Urlaubs. 937 Gregor dürfte mit Miller keine besondere Freude gehabt haben, das würde der nur eher unübliche einjährige Vertrag zeigen und über Anfrage vom Hoftheater Wiesbaden an Gregor, dem Miller für die Saison 1917/18 angeboten wurde, telegrafierte dieser an Wiesbaden: „Routinierter zuverlässiger Sänger der anscheinend letzter Zeit stimmlich nachgelassen deshalb sein hiesiges Reengagement noch fraglich. 938 Miller erhielt über Antrag Gregors den Titel Kammersänger verliehen. Miller bedankt sich herzlichst bei Gregor. 939 Noch am 9. 3. 1917 schlug Gregor Miller einen mehrjährigen Vertrag bei 6monatiger Beanspruchung vor, jedoch am 13. 5. 1917 war noch kein neuer Vertrag abge- schlossen, das Vertragsverhältnis endete am 31. 5. 1917. Am 4. 6. 1917 erschien KS Miller in der Sprechstunde bei Gregor, um sich zu verabschieden. 940 Am 9. 6. 1917 sandte Gregor in einem Schreiben an Graf Banffy, Budapest, dem neuen Chef von William Miller, einen seiner Meinung nach ungeziemenden Artikel eines Interviews, damit er sich ein Bild von dem Menschen Miller machen könne. Graf Banffy bedankte sich sehr herzlich. Gregor unterrichtete auch Miller von seinem Schritt. Dieser rechtfertigt sich damit, man habe ihm den Artikel vor Erscheinen nicht

935 Vgl.: Kt. Oper 248/11, Zl: 1214, Korrespondenz v. 2.9. 1911 und Kt. Oper 296/14, Zl: 973, v. 4.9. 1914. 936 Vgl.: Kt. Oper 252/11, Zl: VIII a – 146, 152, 162, 169 und 176. 937 Vgl.: Kt. Oper 314/16, Zl: 167, v. 3.2. 1916. 938 Vgl.: Kt. Oper 315/16, Zl: 192, v. 8.2. 1916. 939 Vgl.: Kt. Oper 321/16, Zl: 893, v. 29.9. 1016, Kt. Oper 328/17, Zl: 155, v. 10.2. 1917. 940 Vgl.: Kt. Oper 328/17, Zl: 258, Kt. Oper 330/17, Zl: 480 u. Zl: 542. 262 gezeigt. 941 (Leider ist der Inhalt des Interviews im Akt nicht enthalten. Jedoch wenn man Gregor im Bezug auf Pressemeldungen im Laufe seiner Direktionszeit verfolgt hat, muss das Interview die Oper oder ihn sehr scharf betroffen haben, sonst hätte er niemals so einen Schritt gesetzt.)

7.3.8. Mit Hans Duhan hatte Gregor ab 1914 einen verlässlichen Bariton engagiert, der der Hofoper, bzw. Staatsoper bis zum Ende seiner Bühnenlaufbahn erhalten blieb. In Wien am 27. 1. 1890 geboren, erhielt er hier seine Gesangsausbildung an der Musikakademie, wo er auch Klavier und Orgelspiel studierte. Debüt 1910 in Troppau. 1914 wurde er an die Wiener Hofoper engagiert. Er erlangte eine große Popularität. Besonders in Mozart-Partien wirkte Duhan mit, wie dem Grafen in „Figaros Hochzeit, Papageno in „Zauberflöte“, und unter anderem als König Salomon in „Königin von Saba“ v. Goldmark, Amfortas in „Parsifal“, Scarpia in „Tosca“ und Escamillo in „Carmen“. Duhan hatte eine warm timbrierte, ungewöhnlich modulationsfähige Stimme und ein weitläufiges Opernrepertoire. 942

Gregor engagierte Hans Duhan mit 16. 4. 1914, laut dem von der GI ratifizierten sechsjährigen Vertrag, erhielt er ein Honorar von 6.000 K, aufsteigend bis 14.000 K. Für die vorherigen obligaten Gastspiele erhielt er 200 K, abzgl. 6% für die Pensionskasse. Seine Antrittsrolle war die des Tio Lucas im „Corregidor“. 943 Vom Angebot der Volksoper für ein zweimaliges Gastspiel als „Amfortas“ vor seinem Auftritt an dem Hofoperntheater, riet ihm Sekretär Muster ab, er möge lieber als ein „unbeschriebenes Blatt“ nach Wien kommen und sich hier langsam ein solides Repertoire aufbauen. 944 Gregor hatte mit allen Mitteln versucht, Duhan vom Militärdienst mit Hilfe der GI freizubekommen, was ihm auch gelang, denn er war einer der zuverlässigsten Künstler des Hofoperntheaters, der immer wieder einsprang, sich auch in künstlerischer Beziehung bedeutend entwickelte; er sang bereits große Partien zur

941 Vgl.: Kt. Oper 331/17, Zl: 599. 942 Vgl.: Kutsch, K.J./Riemens, L.: „Großes Sängerlexikon“; Bd.2, 4. Auflage, S 1247/48. 943 Vgl.: Kt. Oper 289/14, Zl: 220, v. 23.2. 1914. 944 Vgl.: Kt. Oper 289/14, Zl: 95, v. 14.1. 1914. 263 vollster Zufriedenheit, so erhielt er öfters eine Remuneration, für die sich Gregor sehr einsetzte. 945 Laut Präliminar – Sitzung am 14.1. 1918 trat Duhan im Jahre 1917 72mal auf. 946

Gregor setzte sich über Ersuchen Duhans bei Graf Hülsen, kgl. Hoftheater in Berlin, dafür ein, dass dieser in Wien bleiben konnte und nach Ablauf seines Wiener Vertrages nicht mehr seine Berliner Verpflichtungen wahrnehmen musste. 947 (Vermerk am Akt: „Herr Dir. Gregor mündlich mit Sr. Exzellenz Rücksprache genommen. ad acta! 6.3. 1918.“)

7.3.9. In den Jahren 1911/12/13 gab es so genannte Enrico Caruso –Tage. Der internationale Startenor absolvierte seine Gastspiele meist im September und Oktober des jeweiligen Jahres. Sein Impresario, der Geheime Intendanzrat Emil Ledner, legte jede Einzelheit meist ein dreiviertel Jahr vorher, manchmal auch früher, genau fest: Welche Stücke, wie viele Pausen dazwischen, mit wem Caruso auftreten werde, wie viele Freikarten er in den verschiedenen Kategorien pro Auftritt erhalte, dass in seiner Garderobe ein Klavier oder Pianino sein müsse, wie viele Personen sich während seines Auftrittes hinter der Bühne aufhalten durften und vieles mehr. Die Bedingungen enthielten meist 12 Paragraphen. Er erhielt pro Auftritt 15.000 K; es waren jeweils drei Auftritte vorgesehen, Steuern und Stempelabgaben waren nicht von Caruso zu tragen. 1911 trat Caruso als Herzog in „Rigoletto“, Don José in „Carmen“, Canio in „Pagliacci“ auf. Sein weiteres Repertoire in Wien waren „Boheme”, „Maskenball”, „Aida”, „Fedora”. Caruso hatte durchwegs hervorragende Kritiken. Lediglich die erhöhten Eintrittspreise erhitzten die Gemüter, jedoch waren diese durch die hohe Gage des Weltstars bedingt. Die Eintrittspreise wurden durch die GI um das 5fache angehoben. 948

945 Vgl.: Kt. Oper 305/15, Zl: 519, v. 14.6. 1915, Kt. Oper 322/16, Zl: 1060, v. 20.11. 1916 u. Kt. Oper 334/17, ZL. 1107, v. 20.11. 1917. 946 Vgl.: Kt. Oper 341/18, Zl: 74, v. 15.1. 1918. 947 Vgl.: Kt. Oper 342/18, Zl: 245, v. 22.2. 1918. 948 Vgl.: Kt. Oper 242/11, Zl: 97. 264

Gregor erwähnt in seinem Buch, dass sowohl Impresario Ledner, als auch Caruso selbst an ihn wiederholt die Frage richteten, warum er nicht als Rodolfo in „Boheme“ eingesetzt werde. Gregor konterte, er wolle sich seine Boheme – Inszenierung, die von Carusos Rodolfo abweiche – nicht verderben lassen. Caruso bat Gregor, sie im nächsten Jahr anzusetzen und er werde so lange probieren, damit er sich in Gregors Inszenierung ohne Probleme einfügen könne. Caruso probierte mit ihm – nicht nur einen Vormittag – mit unverdrossenem Eifer und akzeptierte jede Anweisung von Gregor, die Caruso bei der Aufführung genauso brachte. 949

Da Künstlergastspiele an der Wiener Hofoper verpönt waren – außer zu Aushilfszwecken oder als Befähigungsnachweis für ein späteres dauerndes Engagement – wurde Caruso durch einen besonderen Gnadenakt des Kaisers zum Kaiserlichen Kammersänger bestellt und damit ein für allemal in ein ideelles Verhältnis zur Hofoper gerückt; dies war einmalig. 950 Für das Jahr 1914 waren wieder September-, bzw. Oktober-Termine vereinbart worden, doch sie mussten kriegsbedingt entfallen. 951

Eine persönliche Einstellung Gregors zu seinen Künstlern – nach der er stets gehandelt hatte – wäre abschließend zu erwähnen: „Persönliche Erfahrung hat mich gelehrt, kein Mitglied bedarf gegen Unbilden im eigenen Wirkungskreise so sehr des energischen Schutzes seiner Bühnenleitung, wie das junge, soeben erst in den Verband aufgenommene. Ein Kreuzfeuer überkritischer Blicke seiner dienstergrauten Kollegen empfängt es beim Ueberschreiten der Schwelle. Seine Fähigkeiten werden subtil gemessen. Nur selten ist es für sein künftiges Allgemeinbefinden von Vorteil, sollte sein Talent als zu beträchtlich befunden werden.“952 Gregor zitierte Leo Slezak, der sonst ein liebenswürdiger Kollege war: „Ich mache kein Hehl daraus, auch ich würde vor Zorn platzen, wenn an meiner Bühne ein Tenor engagiert wäre, der stärkeren Erfolg hätte, als ich.“ 953

949 Vgl.: Gregor: S 20f. 950 Vgl.: Ebd.: S 20. 951 Vgl.: Kt. Oper 242/11, Zl: 97, Kt. Oper 250/11, Zl: 1514, Kt. Oper 256/12, Zl: 247, Kt. Oper 259/12, Zl: 685, Kt. Oper 274/13, Zl: 176, Kt. Oper 295/14, Zl: 922, u. Kt. Oper 296/14, Zl: 982. 952 Gregor: S 62f. 953 Gregor: S 63. 265

7.4. Regisseure

7.4.1. Wilhelm Ritter von Wymétal Wymétal hatte mit dem Hofoperntheater per 1. 9. 1908 einen Zehnjahres-Vertrag als Oberleiter der gesamten Inszenierung, mit einem Honorar von 20.000 K, abgeschlossen. Jedoch bereits am 14. 6. 1910 wurde mit einem Additional-Artikel der Endtermin des Vertragsverhältnisses auf 31. 8 1912 vorverlegt, er hatte ein Engagement an das Stadttheater Frankfurt/Main angenommen.954 Wymétal lehnte die Regie des „Rosenkavalier“ im April 1911 unter Schalk erst ab, jedoch über Vermittlung von Gregor einigte man sich. 955 Schalk dürfte auch der Grund für die frühzeitige Vertragslösung gewesen sein. Am 23. 10. 1911 schloss Wymétal mit Gregor einen neuerlichen 6jährigen Vertrag, beginnend mit 1. 9. 1912, 20.000 K, und blieb so dem k.k. Hofoperntheater in seiner Funktion als Oberregisseur erhalten. In der Ausübung seiner Dienstobliegenheiten war er an die Weisungen des Direktors gebunden und verpflichtet, diesen in der Wahrung der künstlerischen und wirtschaftlichen Interessen des k.k. Hofoperntheaters in allen Kräften zu unterstützen. Er erhielt Diäten, Wagengelder etc. eines Hofbeamten der VII. Rangklasse und verpflichtete sich dem Amtsgeheimnis für Hofbeamten des Hofes. Urlaub war während der Theaterferien zu nehmen. Eine eventuelle Konventionalstrafe wurde mit 20.000 K festgelegt. Unterschriften: Hans Gregor, Wilhelm von Wymétal, ratifiziert am 15. 11. 1911 von der GI. 956 1916 wurde Wymétal zusätzlich die Stelle eines Lehrers für dramatische Darstellung an der Akademie für Musik und darstellende Kunst angeboten, mit gleichzeitiger Verleihung des Professoren-Titels, was Gregor schweren Herzens, nach Rücksprache mit Fürst Montenuovo, genehmigen musste; er wollte seinem Regisseur – mit dem er sich sehr gut verstanden hatte – diese Ehre nicht verweigern, aber er befürchtete, Wymétal würde sich überlasten. Er unterrichtete 3mal die Woche von 15 – 18 Uhr. 957 Am 30. 3. 1917 verlängerte Gregor Wymétals Vertrag, der mit 31.8. 1918 ausgelaufen wäre, um weitere 6 Jahre, allerdings mit einer begründeten Erhöhung

954 Vgl.: Kt. 1899 OMeA/1910, Zl: 19/A/50, v.9.4. 1908, Kt. Oper SR: 52, Zl: 435/1908 u. Zl: 562/1910. 955 Vgl.: Kt. Oper 242/11, Zl: 158. 956 Vgl.: Kt. Oper SR 52, Zl: 1215/1911. 957 Vgl.: Kt. Oper 322/16, Zl: 1062, v. 9.12. 1916 u. Kt. 331/17, Zl: 657, v. 28.6. 1917. 266 von 4.000 K – er gehörte dem Haus bereits 10 Jahre an – also insgesamt auf 24.000 K, die gleiche Gage wie die Kapellmeister. Außerdem erhielt er eine Gratifikation von 3.000 K und einen Vorschuss von 7.000 K, da der materielle Verlust zu Beginn des Krieges, erst ½ Gage, dann ¾ Gage ihn in Schulden stürzte, denn er konnte nicht wie die anderen Künstler zu Beginn des Krieges sein Salär aufbessern. Er hatte zwei Söhne an der Front und eine Tochter in der Ausbildung. All dies wurde von der GI genehmigt. 958 Wymétal musste für den zweiten Regisseur des Hofoperntheaters, Dr. Stoll, einspringen, da dieser schwer erkrankt war und somit, außer an den Ballettabenden, alle anderen Abende als Spielleiter seinen Dienst versehen. Gregor beantragte am 4. 6. 1918 eine Remuneration von 2.000 K, die GI gewährte jedoch nur 1.000 K. Stoll verstarb im Herbst 1917.959 Gregor versuchte zwar einen Ersatz zu schaffen. Baron Pullitz vom königl. Württ. Hoftheater in Stuttgart, ein guter Freund Gregors, wollte ihm auch helfen, jedoch hatte Hörth mit Stuttgart in der Zwischenzeit auf vier weitere Jahre verlängert und somit war Wien in weite Ferne gerückt. 960 Gregor hatte bis 1915 noch teilweise selbst Regie geführt, jedoch ließen dies dann die umfangreichen Direktionsgeschäfte und die bürokratische Mehrbelastung während des Krieges nicht mehr zu.

7.4.2. Dr. August Stoll Stoll gehörte bereits seit 1886 dem Ensemble des Wiener Hofoperntheaters als Sänger und Regisseur an. Er trat als Regisseur eher selten in Erscheinung und wurde daher von der Presse auch nur wenig beachtet. Neben den wenigen Premieren die Stoll leitete, war er aber regelmäßig als Abendregisseur beschäftigt. Stoll war keine Regisseurpersönlichkeit, er versuchte aber dennoch etwas von den Prinzipien der Mahler-Ära zu retten. 961 Anlässlich einer von ihm geleiteten „Entführung aus dem Serail“ schreibt die Neue Freie Presse vom 20.4. 1913:

958 Vgl.: Kt. Oper 329/17, Zl: 321. 959 Vgl.: Kt. Oper 345/18, Zl: 634. 960 Vgl.: Kt. Oper 345/18, Zl: 618, v. 29.5. 1918. 961 Vgl.: Fath, Rolf; „Die Opernregie an der Wiener Staatsoper in der Zeit nach Gustav Mahler bis zu Wieland Wagner (1908 – 1965); Wien, Dissertation, 1983, S 42f. 267

„Dankenswert, wenn wenigstens an einigen Errungenschaften der Mahler-Zeit, an der dramaturgischen Einrichtung der Szenierung, festgehalten wird.“ Stoll verstarb im Jahre 1917 nach längerer schwerer Krankheit.

7.5. Ausstatter und Bühnenbildner

Gregor war es gelungen, Alfred Roller für einige Produktionen wieder an das Hofoperntheater zu binden. Roller hatte mit Gustav Mahler intensiv zusammen- gearbeitet und sehr schöne Erfolge errungen, jedoch mit Felix Weingartner konnte Roller nicht klarkommen und verließ die Oper. In der Zwischenzeit war er k.k. Direktor der Kunstgewerbeschule in Wien 3., Landstr. Hauptstraße 81, geworden. Roller hatte auch für Reinhardt in Berlin gearbeitet, das kollidierte mit der ersten Arbeit, die er am Hofoperntheater mit Gregor zu „Rosenkavalier“ machte, aber mit einigem guten Willen von beiden Seiten konnten beide Projekte von Roller betreut werden. 962

Heinrich Lefler , der schon in Berlin an der Komischen Oper mit Gregor zusammengearbeitet hatte, betreute ebenfalls in Wien einige Aufführungen. Dem Dekorationsmaler Anton Brioschi , der seit 1874 für das k.k. Hofoperntheater tätig war, wurde der Malersaal zur Verfügung gestellt. Gregor wollte alle Arbeiten im Hause anfertigen lassen. 963 Am 27.10 1915 musste Brioschi einen Revers unterschreiben, dass die von ihm gelieferten Skizzen in das Eigentum des Hofärar übergehen sollten und übertrug damit die ausschließliche Ausübung des Rechtes, die gelieferten Skizzen und die Dekorationen, sowie Dekor-Gegenstände, Kostüme und deren Nachbildungen zu veröffentlichen. 964

Der künstlerische Beirat für das Ausstattungswesen, Hans Pühringer , erhielt per 1. 7. 1915 auf drei weitere Jahre seinen Vertrag verlängert, dieser wurde ihm zur Unterfertigung per Feldpost nachgesandt.

962 Vgl.: Kt. Oper 243/11, Zl: 202. 963 Vgl.: Kt. Oper SR 53/1910, Zl: 837. 964 Vgl.: Kt. Oper SR 53/1915, Zl: 808. 268

Einer Forderung von Pühringer von 150 K monatlich für die Überlassung der Urheberrechte der von ihm in das Eigentum des Hofoperntheaters übertragenen Arbeiten konnte nicht entsprochen werden, da dies bisher unüblich war und Gregor kein Präjudiz schaffen wollte. 965

965 Vgl.: Kt. Oper 307/15, Zl: 803. 269 270

8. Ur- und Erstaufführungen in Hans Gregors Direktionszeit

8.1. „Der Rosenkavalier“ Komödie für Musik in drei Akten Erstaufführung am 8. April 1911. Musik: Richard Strauss, Libretto: Hugo von Hofmannsthal. Regie: Wilhelm von Wymétal; Dirigent: Franz Schalk; Ausstattung: Alfred Roller. Kritik: Das Können von Strauss wird größtenteils anerkannt, jedoch wegen Hofmannsthals Libretto dürfte der Oper kein dauerhafter Erfolg beschieden sein. Es gab auch Beanstandungen durch die Zensurbehörde, im 1. und 3. Akt duldete man keine einsehbare Schlafstätte. Ebenso gab es Einspruch gegen den Satz: „ Jessas Maria, da steht a Bett drin, a mordsmäßig großes.“ 966 Hofmannsthal hatte sich noch gegen Striche in seinem Textbuch gewehrt, da er bei der Uraufführung in Dresden textlich schon sehr entgegengekommen sei und möchte nicht weitergehen. 967 In „Die Politische Wochenschrift“ v. 15. 4. 1911, Seite 7 heißt es: „Die mit ungeheuer großer Reklame stattgefundene Aufführung „Der Rosenkavalier“ war diese Mühe nicht wert.“ Der „hypermoderne“ Komponist und auch der Textdichter werden getadelt. Die Hofoper habe aber das Werk glänzend ausgestattet und mit ausgezeichneten Kräften besetzt und das Orchester erhielt ein Speziallob.968 „Dem Applaus an den Aktschlüssen wird mit Zischen gekontert und die Galerie antwortete am Schluss mit einem Hausschlüsselpfeifen. Die Ausstattung Rollers wird lobend erwähnt.“969

8.2. „Pelléas et Mélisande“ Musikdrama in fünf Akten und zwölf Bildern Erstaufführung am 23. Mai 1911. Musik: Claude Debussy, Libretto: Maurice Maeterlinck. Regie: Hans Gregor; Dirigent: Bruno Walter; Ausstattung: Heinrich Lefler; (Übernahme der Berliner Ausstattung der Komischen Oper).

966 Vgl.: Wiesinger, Rainhard: „Die Rezeption der Ur- und Erstaufführungen während der Ära Hans Gregors (1911 – 1918) an der Wiener Hofoper“, Wien, Diplomarbeit, 2001, S 55ff. 967 Vgl.: Kt. Oper 243/11, Zl. 202. 968 Vgl.: Kt. Oper 244/11, Zl. 412. 969 Wiesinger, Rainhard: „Die Rezeption der Ur- u. Erstaufführungen…“, S 61f. 271

Kritik: Gregor hat die Debussy-Oper seinerzeit in Berlin inszeniert, seitdem spricht man von ihr. Er hat die Berliner Inszenierung mit dem Bühnenbild von Lefler und den Berliner Maßen übernommen. Nur ein kleiner Teil der Hofopernbühne wurde zur Szene, der restliche Raum bildete eine schwarze Umrahmung, wodurch die bildhafte Atmosphäre gesteigert und durch die Lichtregie zusätzlich intensiviert wurde. Die Wiener Musikjournalisten brachten für Debussys Musik mehrheitlich wenig Verständnis auf. Das Werk werde nicht überleben. 970

8.3. „Der Bergsee“ Oper mit einem Vorspiel und zwei Akten Uraufführung am 9. November 1911. Musik und Libretto: Julius Bittner, Regie: Wilhelm von Wymétal; Dirigent: Bruno Walter; Ausstattung: Kolo Moser Kritik: Die Musikkritiker sind zwar anfangs skeptisch; man wirft Bittner kompositions- technische Mängel vor, jedoch hinsichtlich der Breitenwirkung prophezeit man der Direktion, mit der Uraufführung eine Investition für die Zukunft getätigt zu haben. Dir. Gregor könne viele Ausgaben ersparen, wenn er die Dekoration von „Pelléas et Mélisande“ für alle folgenden neuen Werke verwenden würde, in der Finsternis sei jede neue Leinwand Verschwendung. 971

8.4. „Der Gaukler von Notre Dame“ („Der Gaukler unserer lieben Frau“) Mirakel in drei Akten. Erstaufführung am 23. Dezember 1911. Musik: J. Massenet, Libretto: Maurice Léna, Regie: Hans Gregor; Dirigent: Hugo Reichenberger. Kritik: Hier konnte Gregor die große Bühne nützen. Er setzte mehr Statisten ein und brachte lebende Tiere (Kühe, Schafe, Gänse und Hühner) auf die Bühne. Das Werk war ein Publikumserfolg. Die Musikkritiker waren der Oper gegenüber nicht sehr wohlwollend, sie sei von schwacher Inspiration. Der Librettist wird gerügt, das Sujet sei gerade für einen Einakter ausreichend. Das Werk trage keinen Ewigkeitswert in sich. 972

970 Vgl.: Wiesinger, Rainhard: „Die Rezeption der Ur- und Erstaufführungen …“, S 70/75. 971 Vgl.: Ebd.: S 91f. 972 Vgl.: Ebd.: S 94ff. 272

8.5. „Die verschenkte Frau“ Komische Oper in drei Akten. Uraufführung am 6.Jänner 1912. Musik: Eugen d’Albert, Libretto: R. Lothar Regie: W. v. Wymetal; Dirigent: Bruno Walter; Kritik: Negatives Presseecho. Eine Zweitfassung der Oper lehnte Gregor ab. Das Libretto wird eher negativ beurteilt. Die Komposition d’Alberts wird hervorgehoben, manchmal sogar gelobt, jedoch sei es fast eine Operette. 973

8.6. „Aphrodite“ Oper in einem Akt. Uraufführung am 16.März 1912. Musik: Max von Oberleithner, Libretto: Hans Liebstöckl. Regie: W. v. Wymetal; Dirigent: Franz Schalk; Kritik: Der Librettist, selbst Kritiker, kommt bei den Kollegen nicht gut an. Die Partitur wird eher positiv beurteilt. 974

8.7. „Banadietrich“ Oper in drei Akten. Erst-Aufführung am 15. 5. 1912. Musik und Libretto: Siegfried Wagner. Regie: W. v. Wymetal; Dirigent: Franz Schalk. Kritik: Gregor habe das falsche Werk von Wagner ausgewählt; bis auf zwei positive Bewertungen wird das Werk durchwegs abgelehnt. Wagner habe noch keinen eigenen Weg gefunden, er komponiere in Gedanken an seinen Vater. 975 „Der Morgen“ v. 20. 5. 1912: „[…] Er weiß wohl selbst am besten, wie schwer es ist ein reiches Erbe zu verwalten […]. Er soll eigene Wege gehen, die Kraft dazu hat er, anstatt sich immer wieder als Sohn seines Vaters zu geben […].“976

8.8. „Oberst Chabert“ Musiktragödie in drei Akten. Erst-Aufführung am 25. November 1912. Musik und Libretto: H.W. Freiherr Sartorius von Waltershausen. Regie: W. v. Wymetal; Dirigent: Gregor Fitelberg.

973 Vgl.: Wiesinger: S 106f. 974 Vgl.: Ebd.: S 118f. 975 Vgl.: Ebd.: S 130f. 976 Kt. Oper 260/12, Zl: 751 u. 784. 273

Kritik: Das Libretto findet Anklang, jedoch die Partitur erhält mehrheitlich eine vernichtende Kritik. Gregor wird ob seiner Entscheidung für dieses Werk heftig kritisiert. 977

8.9. „Tannhäuser“ (und der Sängerkrieg auf Wartburg) Handlung in drei Aufzügen, Pariser Fassung. Premiere am 9. Jänner 1913. Musik und Libretto: Richard Wagner. Regie: W. v. Wymetal; Dirigent: Franz Schalk; Ausstattung: Alfred Roller; Kritik: Das Niveau der Aufführung wird Zielscheibe heftiger Kritik, 978

8.10. „Spielwerk der Prinzessin“ Oper in einem Vorspiel und 2 Aufzügen. Uraufführung am 15.März 1913. Musik und Libretto: Franz Schreker. Regie. Hans Gregor; Dirigent: Hugo Reichenberger; Ausstattung: Alfred Roller. Kritik: Die Wiener Uraufführung wurde nach nur fünf Aufführungen abgesetzt. Für die Regie benötigte Gregor einen erheblichen technischen Aufwand, wird kritisch angemerkt. Die Musik Schrekers wird durchaus positiv bewertet, jedoch das Libretto heftigst kritisiert. 979

8.11. „Das Mädchen aus dem goldenen Westen“ (La Fanciulla del West) Oper in drei Akten Erstaufführung am 24.Oktober 1913. Musik: Giacomo Puccini; Libretto: G. Civini und C. Zangarinii. Regie: Hans Gregor; Dirigent: Leopold Reichwein; Ausstattung: Alfred Roller. Kritik: Das Publikum nahm die Novität sehr positiv auf. Dem Werk wurde sehr lange ein großer Erfolg zuteil. Breite Ablehnung erhielt das Werk von den Kritikern. Für Gregors Regie fand man allgemein lobende Worte. 980

977 Vgl.: Wiesinger: S 139f. 978 Vgl.: Ebd.: S 148. 979 Vgl.: Ebd.: S 150ff. 980 Vgl.: Ebd.: S 165ff. 274

8.12. „Parsifal“ Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen. Erstaufführung am 14. Jänner 1914. Musik und Libretto: Richard Wagner. Regie: Wilhelm v. Wymétal; Dirigent: Franz Schalk; Ausstattung: Alfred Roller. Kritik : Die Fachpresse war geteilter Meinung. Eine Gruppierung war der Ansicht, „Parsifal“ sollte Bayreuth vorbehalten bleiben, die andere fand, eine exklusive Bindung an Bayreuth sei nicht zu begründen. Der offene Orchestergraben könne die Lautstärke nur schwer bändigen (Neue Musik Zeit, Bühne und Welt, Neues Wiener Tagblatt). Der offene Orchestergraben habe den Vorteil, dass sich der Klang ungehindert entfalten kann (Neue Freie Presse). Die Aufführung im Gesamten sei als gelungen anzusehen. Die Wiener Aufführung sei die beste und schönste außerhalb Bayreuths. Aus dem Weihefestspiel sei eine Oper geworden (Neues Wiener Tagblatt). 981 (Siehe S 107, Gregor veranlasste teilweise überdeckten Orchestergraben.) Die Vorstellung fand zugunsten des Pensions-Institutes des Hofoperntheaters statt.

8.13. „Die Tante schläft“ Singspiel in einem Akt. Erstaufführung am 7. März 1914. Musik: Henri Caspers; Libretto: Hektor Grémieux. Regie: W. v. Wymetal; Dirigent: Hugo Reichenberger; Kritik: Diese Erstaufführung war der eklatanteste Misserfolg der Ära Gregor, es handelte sich um ein bereits von Weingartner angenommenes Werk. Die weiteren Werke des Komponisten blieben dann weiterhin unter Verschluss. Das Publikum zollte den bemühten Sängern einen matten Applaus und die Oper wurde von einem Zischkonzert – wie hier noch selten gehört – unterbrochen. 982

8.14. „Notre Dame“ romantische Oper in zwei Aufzügen. Uraufführung am 1. April 1914. Musik: Franz Schmidt; Libretto: L. Wilk und F.Schmidt (nach Victor Hugo). Regie: W. v. Wymetal; Dirigent: Franz Schalk.

981 Vgl.: Wiesinger: S 183ff. 982 Vgl.: Ebd.: S 189. 275

Kritik : Sowohl die Musik als auch das Libretto werden geteilt aufgenommen. Zum einen wird Schmidts Musik gelobt, dann wieder heißt es: das Libretto und die Musik transportierten nichts von der Atmosphäre der literarischen Vorlage. Das Publikum zollte der Aufführung außerordentlichen Beifall. 983

8.15. „Kain und Abel“ Oper in einem Akt. Erstaufführung am 4. Dezember 1914. Musik und Libretto: Felix von Weingartner. Regie: W. v. Wymetal; Dirigent: Franz Schalk. Kritik : Das Werk wird von der Fachwelt geteilt aufgenommen. Die Musik wird teils gelobt, jedoch Wagners Einfluss sei nicht zu überhören. Das Libretto sei spannungs- los. Dem Werk wird kein langer Erfolg vorausgesagt.984

„Wiener Legende“ Ballett in fünf Tanzbildern von H. Regel. Uraufführung am 4. Dezember 1914. Musik: Raoul Mader. Regie: Josef Haßreiter; Dirigent: Julius Lehnert. Kritik: Das Ballett war zwar glänzend ausgestattet, jedoch wird es mehrheitlich als künstlerisch wertlos klassifiziert. Es sei schade um die teure Ausstattung. 985

8.16. „Der arme Heinrich“ Musikdrama in drei Akten nach der Legende des Mittelalters Erstaufführung am 17. März 1915. Musik: Hans Pfitzner; Libretto: James Grun. Regie: W. v. Wymetal; Dirigent: Leopold Reichwein. Kritik : Das Werk sei eher ein Mysterienspiel als eine Oper. Man müsse es unter den Aspekt seiner frühen Entstehungszeit sehen. Die Uraufführung war 1895. Das Libretto wird mehrheitlich kritisiert. Die Musik tröste über das schwache Libretto hinweg. 986

983 Vgl.: Wiesinger: S 196ff. 984 Vgl.: Ebd.: S 207ff. 985 Vgl.: Ebd.: S 214f. 986 Vgl.: Ebd.: S 219f. 276

8.17. „Mona Lisa“ Oper in zwei Aufzügen und einem Vor- und Nachspiel, nach der Dichtung Beatrice Dovskys Erstaufführung am 4. Oktober 1915. Musik: Max von Schillings; Libretto: Beatrice Dovsky. Regie: Hans Gregor; Dirigent: Leopold Reichwein; Ausstattung: Alfred Roller. Kritik : Das Libretto wird mehrheitlich negativ beurteilt, die Musik jedoch positiv aufgenommen. Schillings habe sich das falsche Libretto ausgesucht. Gregors Entschluss zur Aufführung dieser Oper wird positiv bewertet, seine Vorgänger hätten dies leider verabsäumt. 987

8.18. „Violanta“ Oper in einem Akt. Musik: Erich Wolfgang Korngold; Text: Hans Müller; und „Der Ring des Polykrates“ heitere Oper in einem Akt. Musik: Erich Wolfgang Korngold; Libretto: Leo Feld und Julius Korngold, nach einem Stück Heinrich Tewels. Erstaufführung am 10. April 1916. Regie: W. v. Wymetal; Dirigent: Leopold Reichwein; Kritik: Größtenteils werden Musik und Libretti gelobt. Der junge Korngold, 17 Jahre alt, müsse allerdings noch zu einem Personalstil finden. Sein Musikstil lehne sich an Strauss und Wagner an. 988

8.19. „Ariadne auf Naxos“ Oper in einem Aufzug nebst einem Vorspiel. Uraufführung der Zweitfassung am 4. Oktober 1916. Musik: Richard Strauss; Libretto: Hugo von Hofmannsthal. Regie: W. v. Wymetal; Dirigent: Franz Schalk; Ausstattung: Oskar Strnad. Kritik : Die Neubearbeitung sei ein Gewinn für das Werk. Einigen Kritikern fehlt die dramatische Handlung, jedoch der überwiegende Teil der Fachwelt beurteilt das Werk sehr positiv. Der Eigensinn Gregors, der vier Jahre diese Oper den Wienern vorenthielt, hat gute Früchte getragen. Die neue Fassung – Gregor soll eine

987 Vgl.: Wiesinger: S 230ff. 988 Vgl.: Ebd.: S 244ff. 277

Umarbeitung angeregt haben – ließ die Moliere-Komödie beiseite, wurde mit den prunkvollen Mitteln des Hauses lebendig gemacht und mit Jubel belohnt. 989

8.20. „Die Schneider von Schönau“ Komische Oper in drei Akten. Erstaufführung am 20. Februar 1917. Musik: Jan Brandts-Buys; Libretto: Bruno Warden. Regie: W. v. Wymetal; Dirigent: Bernhard Tittel. Kritik : Die Oper wird von der Fachwelt uneinheitlich, jedoch vorwiegend negativ beurteilt. Gregor wird getadelt, „wo habe er seine Augen und Ohren gehabt“, als er sich entschloss, diese Nichtigkeit auf den Spielplan zu bringen. 990

8.21. „Eine Florentinische Tragödie“ Oper in einem Akt nach Oscar Wildes „A Florentine Tragedy“. Erstaufführung am 27. April 1917. Musik: Alexander von Zemlinsky. Regie: W. v. Wymetal; Dirigent: Hugo Reichenberger; Ausstattung: Hans Pühringer. Kritik : Die Oper wurde ziemlich eisig von den Musikkritikern aufgenommen. Gregor hatte auch anfänglich das Werk abgelehnt. Die Ausstattung wird ebenfalls kritisiert, sie sei zwar kostbar, aber günstig, sie wurde für „Mona Lisa“ gestaltet. 991

„Klein Idas Blumen“ Ballettpantomime nach einem Märchen Johann Christian Andersens. (27. April 1917) Musik: Paul August von Klenau. Regie: Josef Haßreiter; Dirigent: Julius Lehnert. Kritik : Das Ballett wird als ganz nett bezeichnet, jedoch sei die Musik zu anspruchslos. Einzelne solistische Leistungen in einer biedermeierlichen Ausstattung machten es jedoch sehenswert. 992

989 Vgl.: Wiesinger: S 263ff. 990 Vgl.: Ebd.: S 268f. 991 Vgl.: Ebd.: S 289ff. 992 Vgl.: Ebd.: S 298f. 278

8.22. „Ferdinand und Louise“ Oper in vier Akten nach Schillers „Kabale und Liebe“ Erstaufführung: 23. November 1917. Musik: Julius Zaiczek-Blankenau; Text: August Koppits. Regisseur und Dirigent scheinen auf dem Theaterzettel nicht auf. Dirigent war Franz Schalk. Kritik : Schillers Werk eigne sich nicht für eine Vertonung, war der Grundtenor der Kritiken. Der Musik werden gewisse Qualitäten attestiert. Nach sechs Aufführungen wird das Werk abgesetzt, das Gregor nur als Tauschgeschäft für „Salome“ von Richard Strauss in den Spielplan aufnahm. 993 (Am Theaterzettel stand: Zeichnet 7. Kriegsanleihe.)

8.23. „Jenufa“ Oper in drei Akten nach dem Theaterstück „Ihre Ziehtochter“ von Gabriela Preissová. Erstaufführung am 16. Februar 1918. Musik: Leos Janácek; Libretto: Leos Janácek und Gabriela Preissová. Regie: W. v. Wymetal; Dirigent: Hugo Reichenberger. Kritik: Das tschechische Werk wird unterschiedlich von der Fachwelt aufgenommen. Die Musik sei wenig interessant, zu national, aus diesem Grund anderswo vielleicht unverständlich. In Prag dürfte die Oper wegen des nationalen Charakters einen großen Erfolg errungen haben. In Wien löste die Aufführung ein politisches Spektakel im Parlament aus. Textlich wurde die Oper für Wien von Hugo Reichenberger eingerichtet. 994 (Ankündigung am Theaterzettel: „Auf Allerhöchste Anordnung zu Gunsten der Gesellschaft zur Fürsorge für Kriegsinvalide.“)

8.24. „Salome“ Musikdrama in einem Aufzug nach Oscar Wildes gleichnamiger Dichtung (übersetzt von Hedwig Lachmann). Erstaufführung am 14. Oktober 1918 am Hofoperntheater (Erstaufführung in Wien am 25. Mai 1907) Musik: Richard Strauss. Regie: W. v. Wymetal; Dirigent: Franz Schalk.

993 Vgl.: Wiesinger: S 300ff. 994 Vgl.: Ebd.: S 317f. 279

Kritik : Die Musik wird mehrheitlich positiv bewertet, sie sei von der technischen Seite betrachtet grandios. Die Partitur fordere die Sänger. Für die einen hatte das Werk seinen Schrecken verloren, die Anderen fanden es abstoßend. Wiesinger zitiert Richard Batka vom Fremdenblatt, dieser weist auch auf den kulturpolitischen Aspekt hin: „Die Begeisterung des Publikums war ungeheuer wie der Eindruck, der sie erweckte. Galt es doch, Richard Strauß nicht nur als Schöpfer des Werkes zu ehren, sondern auch als künftigen Leiter unserer Hofoper zu begrüßen …“ 995 (Ankündigung am Theaterzettel: „Auf Allerhöchste Anordnung zu Gunsten des österreichischen Militär-Witwen und Waisen-Hilfsfond.“)

995 Vgl.: Wiesinger: S 322ff. 280

9. Gregors Inszenierungen

9.1. „Pelléas und Mélisande“ von Claude Debussy.

Gregors erste Inszenierung am Wiener Hofoperntheater fand am 23. Mai 1911 statt. Dirigent war Bruno Walter. Gregor hatte die Berliner Inszenierung mit Bühnenbildern von Heinrich Lefler eins zu eins übernommen, damit wurde allerdings nur ein kleiner Teil der Riesenbühne der Hofoper zur Szene. Diese konsequente Verwirklichung der Berliner Inszenierung des Werkes – die Bühne der Komischen Oper war wesentlich kleiner – richtete sich zwar gegen den Raumcharakter der Hofoper, war aber trotzdem vom Vorteil und steigerte die Bildhaftigkeit der Szene. Das Bühnenbild war von einer dunklen Zone umfangen – seitlich und oberhalb schwarze Abdeckungen – jedoch durch durchdachte Lichtgebung wurde die Wirkung der Szene noch gesteigert. Gregor brachte aus Berlin seinen Beleuchtungsmeister Robert Beck nach Wien mit, der, wie in der Komischen Oper, die so wichtige Beleuchtung nach Gregors Vor- stellungen umsetzte. Die Szenenbilder traten aus dem Dunkel hervor und versanken wieder ins Dunkel. Die Besetzung der Hauptpartien mit Hubert Leuner als „Pelleas“ und Marie Gutheil- Schoder als „Melisande“ fanden die geringste Zustimmung, sie stünden neben ihren Rollen. Rudolf Hofbauers „Golo“, den dieser auch in der Berliner Inszenierung gesungen hatte, fand besonderen Anklang. 996 Mit dieser Inszenierung dürfte sich Gregor glänzend in Wien eingeführt haben, sogar Korngold „Neue Freie Presse“ (v. 24.5. 1911) rezensierte sehr positiv. Gregor bekam einige Glückwunschtelegramme, unter anderem von Debussy: „Retenu par Saint Sebastien vous envie Souhaits Sincerement Affectueux. C.D.“ (Aufgehalten durch Saint Sebastien schicke ich Ihnen meine aufrichtigen empfundenen Wünsche. C.D.) 997

996 Vgl.: Wiesinger: S 216ff und Fath: S 30f. 997 Kt. Oper 243/11, Zl: 377. 281

Telegramm aus Berlin vom 25.5. 1911 von Deetjen: „mit einem lachenden und einem weinenden Auge gratuliert deejten herzlichst zum groszen erfolg.“ 998

9.2. „Don Pasquale“ von Gaetano Donizetti. Aufführung am 14.9. 1911.

„Von Dir. Gregor mit auf das präziseste ineinander fließenden Spielnuancen ausgestattet, schlug die Chornummer der Dienerschaft ein, dies deutet schon Gregors Fähigkeiten der feinen Differenzierung der Massen an, aber auch Absichtlichkeiten laufen unter, der szenische Aufputz, manche Nuancen drücken auf diese einfache Musik. Doch immer wieder fühlt man die Hand des guten Regisseurs.“ 999 Gregor hatte schon in Berlin mit dieser Oper großen Erfolg und auch in der Wiener Inszenierung war die Nähe zur Commedia dell’ arte zu spüren. Durch eine behutsame Stilisierung erreichte er einen feinen Lustspielton, der das Werk dem Zuschauer näher rückte. 1000 Schon 1911 schrieb Jacobsohn über Gregors Berliner Inszenierung im Jahre 1906: „Er bot damit allen musikalischen Feinschmeckern einen Leckerbissen, der entzückend war. Hier waren alle Geister der Buffo-Oper losgelassen.“ 1001 Pietschmann schrieb: „Die Darstellung in der Gregorschen Don Pasquale – Aufführung war die *Belebteste* aller Gregor-Inszenierungen, sowohl in Berlin wie in Wien.“ 1002

9.3. „Der Gaukler unserer lieben Frau“, von Jules Massenet. Aufführung am 23.12. 1911.

Das dreiaktige Mirakel stellte wieder eine Einstudierung nach dem Berliner Muster dar. Die Bühnenbilder griffen auf die Berliner Entwürfe Walsers zurück. Auf der großen Hofopernbühne konnte Gregor alles verwirklichen, was ihm die kleine Bühne

998 Kt. Oper 342/11, Zl: 377. 999 „Neue Freie Presse“, Wien, vom 15. September 1911. 1000 Vgl.: Fath: S 32. 1001 Jacobsohn: S 32. 1002 Pietschmann: S 50. 282 in Berlin versagte. In der Marktszene traten 70 Statisten samt Kühen, Schafen, Gänsen und in Holzsteigen befindlichen Hühnern auf. Gregor hatte 40 Proben angesetzt. Er war unermüdlich und schien auch nie müde zu werden. Er legte auf jedes Detail wert. Allerdings konnte wegen der hohen Kosten diese aufwendige Inszenierung nur einige Vorstellungen so über die Bühne gehen, dann wurde die Statisterie samt Tieren erheblich dezimiert. Aber dem Publikum gefiel es dennoch. Das Werk war ein finanzieller Erfolg und erlebte 52 Aufführungen. Richard Mayr schuf als Küchenmeister Bonifatius eine von konventioneller Komik befreite Gestalt, die in den folgenden Jahren zu den beliebtesten Figuren der Wiener Opernbühne zählte. 1003 Auf Julius Korngolds Kritik in der „Neuen Freien Presse“ erwiderte Gregor: „Richtig, ‚Der Gaukler unserer lieben Frau’ ist gewiss nicht das beste Produkt eines sicherlich nicht unsterblichen Meisters […], […]aber ein oder zweimal in der Woche erschien es auf meinem Spielplan, weil es so freundlich war, volle Häuser zu machen. Dem Theaterleiter, auch dem der Wiener Hofoper, auferlegen volle Häuser Pflichten.“1004 Die Wiener Zeitung vom 27.12. 1911: „[…]Die Arbeit, die Dir. Gregor mit den Menschenmassen auf der Bühne verrichtete, bekundet einen energischen Willen und sei als dynamisches Zeugnis herzlich anerkannt, sie führt aber zu einer übertriebenen Lebendigkeit der Szene. Es ist die hinlänglich bekannte Regie der Ablenkung. Wir kennen das Schlagwort der Individualisierung der Massen. […]wenn jeder erhabene Gegenstand der Bühne fürs Schauturnen eingerichtet wird, so kommt die Kunst selbst arg ins Gedränge.“ Für den Erwerb der Aufführungs-Rechte und das Material hatte Gregor mit dem Bühnenverlag Ahn & Simrock, Berlin verhandelt, aber es wurde die Bedingung gestellt, dass die Aufführungen nur in deutscher Sprache stattfanden, und sollte das Werk zwei Jahre nicht aufgeführt werden, erlösche das ausschließliche Aufführungsrecht der Wiener Hofoper. „Der Gaukler unserer lieben Frau“ erlebte 79 Vorstellungen. 1005

1003 Vgl.: Pietschmann: S 218f. 1004 Gregor: S 372f. 1005 Vgl.: Kt. Oper 294/11, Zl. 781. 283

9.4. „La Bohème“, Oper von Giacomo Puccini. Aufführung am 9.10. 1912.

Die Wiener „Bohème“-Inszenierung – für die Gregor 40 Bühnenproben benötigte – konnte er ebenfalls hier großzügiger anlegen als in Berlin. Besonders seine Massenszenen – wie bei „Don Pasquale“ und teilweise bei „Der Gaukler […]“ sind besonders zu erwähnen. Gregor gab damit dem Beiwerk ein Übergewicht und damit wird das Hauptwerk in den Hintergrund gedrängt. Das exakte Bühnenbild, jede Kleinigkeit wurde von Gregor bedacht, das Zusammenspiel mit der Beleuchtung wurde zu einer prägnanten Episode. Mit Puccinis „“La Bohème“ endete die Reihe der Inszenierungen von Werken, die Gregor schon in seiner „Komischen Oper“ in Berlin leitete und hier in Wien nur neu inszenierte, wobei er die größere Bühne der Wiener Hofoper ausgiebig nützte. 1006 Korngolds Kritik, auch anlässlich der 40 Proben, die Gregor benötigte: „Sehr begreiflich angesichts der erreichten Präzision, aber auch angesichts der überreichen Fülle des szenischen Details, das tatsächlich ablenkend wirkt. Wir rühmen mit Vergnügen den Blick des Herrn Gregor für das Bildhafte, den Reichtum seine Gefühle und den zwanglosen Fluß, in dem er sie zu erhalten weiß. Man muß ihm auch die Kunst der Übergänge zusprechen. 1007 Sehr hart ist allerdings sein Urteil über die Sänger, diese bezeichnet er als marionettenhaft und die Aufführung nennt er eine „Pantomime mit Gesang“. 1008 Stefan schreibt wesentlich kritischer auch über Gregors Inszenierung. Wörtlich heißt es: „Hier wird bereits nach dem Takt der Musik gemalt. Karikatur der Opernregie und Gregor wendet sie an, nicht anderes. […]Textregie, nicht Musikregie und jedenfalls Regie als Selbstzweck ist die Losung des immer noch ‚berühmten Regisseurs’. Vollkommene Unterordnung des Dirigenten unter diese Regie oder doch Disziplin wird gefordert und durchgesetzt; die Musik bleibt sozusagen – und es wird so gesagt – in der Oper ein notwendiges Übel.“ 1009 Bis 1915 erlebte die Oper 38 Vorstellungen, dann durfte sie nicht mehr gespielt werden; Puccini war ein „feindlicher Ausländer“.

1006 Vgl.: Pietschmann: S 219f. 1007 „Neue Freie Presse“ vom 5.10. 1912. 1008 Ebd. 1009 Stefan, Paul; „Die Wiener Oper“- Ihre Geschichte von den Aanfängen bis in die neueste Zeit; Wien – Leipzig, Augarten-Verlag Stphan Szabo, 1932, S 82. 284

9.5. „Das Spielwerk der Prinzessin“ , Oper in einem Vorspiel und zwei Aufzügen von Franz Schreker. Aufführung am 15.3. 1913.

Gregor konnte für diese Oper wieder Alfred Roller für das Bühnenbild gewinnen. Diese Arbeit erlebte als einzige das Lob der Presse. Ein Riesenaufwand für Schrekers Werk, wenn man bedenkt, dass dieses lediglich drei Aufführungen erlebte. Korngold – „Neue Freie Presse“ – nennt die Handlung: „[…]das Äußerste was je einem Opernbesucher zugemutet wurde. […]Die Aufführung mag vielleicht durch ihre bizarre Bildersprache beeindruckt haben, durch gelungene Einzelheiten, ‚Kabinettstücke’, aber sie blieb in vielen Szenen, besonders in der Schlußszene, unverständlich und unklar: […]ein wirrer Menschenknäuel wälzte sich im nächtlichen Dunkel vor den Blick der Zuschauer hin und her, dazu wüstes Geschrei, Unverständlichkeit der Einzelrede.“1010 In Frankfurt wurde Schrekers Werk mit „warmer Begeisterung“ aufgenommen. Stefan nennt diese Oper ein „vertracktes“ Werk. 1011 Das Fremdenblatt schreibt: „Es war ein wirkungsvoller Regieeinfall Gregors, beim Brande der Hütte aus dieser riesige Orgelpfeifen aufsteigen zu lassen, die das brennende Spielwerk maskierten. Ein Kabinettstück ist übrigens der ‚tote Mann’, der auf einer Bahre sitzend dort geigt.“ 1012 Aus Schrekers Schreiben an Gregor vom 1.3. 1913: „[…]Es drängt mich, Ihnen unter dem Eindruck des gestrigen Abends und des wütenden, gehässigen Geschreis einer verlogenen Presse herzlichsten und wärmsten Dank für die ungeheuere Mühe zu sagen mit der Sie mein Werk zu – kurzem oder längerem – wer weiß es zu sagen – Leben erweckt haben. Ich spüre unter dem Eindruck der glänzenden Aufführung des schönsten Erfolges den sich ein Künstler wünschen kann, von empfänglichen Menschen gefeiert, vom Pöbel verlacht – ein Gefühl, wie es mir schöner nach der Uraufführung meiner ersten Oper nicht beschieden war. […]Das verblödete Gekläff der Pressemeute vermag uns vielleicht den materiellen Erfolg rauben, den ideellen trage er in sich wie noch nie. […]. Laut einem Telegramm aus Rottenberg (gleichzeitige Aufführung wie in Wien,

1010 Korngold: Neue Freie Presse vom 16.3. 1913. 1011 Vgl.: Stefan: S 83. 1012 Fremdenblatt vom 16.3. 1913. 285 zuerst sollte es Frankfurt sein, doch dort gab es Besetzungsschwierigkeiten) […] nach dem II. Akt 14 Hervorrufe.“ 1013 Frankfurter Zeitung: „[…] und nach dem Fallen des Vorhangs starkes Zischen, das sich auch durch den lauten Beifall der persönlichen Anhängerschaft des Komponisten nicht unterdrücken ließ. Der Kampf zwischen Applaudieren und Zischen dauerte fast eine Viertelstunde. Uns ist kein Fall so vehementer Ablehnung eines neuen Werkes an der Hofoper erinnerlich. Das Publikum mag dabei auch ein wenig gegen die Leitung der Hofoper demonstriert haben.“1014 Das Spielwerk der Prinzessin stand nur dreimal am Programmzettel.

9.6. „Das Mädchen aus dem goldenen Westen“ , Oper in drei Akten von Giacomo Puccini. Aufführung am 24.10. 1913.

Größtes Lob erntete Gregor für Puccinis „Das Mädchen aus dem goldenen Westen“, (Fanciulla del West). Hans Pühringer entwarf die Bühnenbilder. Pietschmann bezeichnet diese Aufführung als Gregors größten Regieerfolg in Wien. 1015 Korngold attestiert Gregor Liebe und Gefühl fürs Detail: „Die Spektakeloper ist von Herrn Dir. Gregor mit einer fast unverhältnismässig zu nennenden Sorgfalt inszeniert worden.“1016 In der New Yorker Premiere traten sehr dominierend Pferde im Vordergrund auf (3.Akt), aber Gregor positionierte diese im hinteren Teil der Bühne – entgegen Puccinis Wunsch – womit dem Vorgang die Aufdringlichkeit genommen wurde. Die letzte Aufführung dieser Puccini-Oper in der Gregor’schen Inszenierung fand an der Wiener Staatsoper am 19. 1. 1938 statt. 1017 Von einer Regieleistung in höchster Vollendung sprachen unter anderem die Kritiker Kalbeck, Batka, Specht, Korngold und Lafite. Besondere Bedeutung enthält Spechts Kritik, der oft Gregors vorhergehenden Inszenierungen vorwarf, dass sie vom Detail und nicht vom Ganzen her angelegt seien. „[…] nicht nur in den famosen Bühnenbildern, unter denen der rossedurchsprengte Urwald des letzten Aktes in

1013 Kt. Oper 271/13, Zl: 204. 1014 Frankfurter Zeitung (gez. G.), vom 16.3. 1913. 1015 Vgl.: Pietschmann: S 222. 1016 Korngold: Neue Freie Presse vom 25.10. 1913. 1017 Vgl.: Pietschmann: S 224. 286 seinen feinen Sonnenaufgangsbeleuchtungen ein Meisterstück ist. Sondern auch in der ganzen Inszenierung, in der Herr Direktor Gregor mit unsäglichem Fleiss und bewunderungswürdiger Geduld jedes Detail, alles Bildhafte, jede Bewegung bis ins Kleinste vollendet und in Einzelheiten wohltuend gemildert, durchgebildet hat, ohne jemals den Eindruck des Drills zu machen. Eine einwandfreie und sehenswerte Regieleistung, in der die schwierigsten Probleme gelöst wurden und in der alles in dramatische Aktion umgesetzt, nichts der bloßen ‚Nuance’ willen eingeordnet worden ist.“ 1018 Ein nicht genannter mitwirkender Sänger sagte dem Fremdenblatt gegenüber, dass die langen Proben aufreibend seien, der Direktor stehe auf der Bühne, unerschöpflich in Detailanordnungen, unermüdlich im Sprechen: „[…] ich begreife kaum, dass er noch ein Wort hervorbringen kann. Dass er nicht schon längst tonlos geworden ist. Wengleich er immer ganz ruhig spricht, die Geduld selbst. Ich glaube der Mann hat Stimmbänder wie Draht und Nerven wie Stricke. […]Puccini ist auch dabei und passt auf jeden Takt auf. […]“1019 Sicherlich wird bei so beschriebenen Proben nicht immer alles reibungslos abgelaufen sein. Gregor schreibt selbst: „[…] und jede Bühne, an der ernst gearbeitet wird, hat ab und zu ihre Stunden der Gewitterschwüle, in der auch die inneren Temperaturen nach oben gehen. Lachend habe ich manches liebe Mal nach elektrischen Entladungen, die mir galten, gesagt, ernsthaft sage ich es hier: Auf der Probe und im – Schlafzimmer gibt es keine Beleidigungen.“ 1020

Korngold: „Ein Sieg für Gregor, der das Stück selbst Inszenierte. […] Frl. Jeritza überraschte durch charakteristische Details […] Wie verwandelt schien Herr Piccaver […] so viel verwegene Energie schien in sein sonstiges Phlegma gefahren. Eine ausgezeichnete, durchaus fesselnde Charakterfigur lieferte Herr Hofbauer […]. Auf das subtilste hat Herr Kapellmeister Reichwein den anspruchsvollen Orchesterpart ausgearbeitet.“ 1021

1018 Ebd.: S 223. 1019 Fremdenblatt: vom 19.10. 1913. 1020 Gregor: S 247. 1021 Korngold: Neue Freie Presse, vom 26.10. 1913. 287

Die Vertragsrechte für diese Oper wurden zunächst für 3 Jahre erworben, für 2000 Kr (Material) und 7% Tantiemen inkl. Abonnement-Quote. 1022 Bis 1915 erlebte diese erfolgreiche Oper 31 Aufführungen und musste dann auf höchste Weisung vom Spielplan genommen werden, da Puccini als „feindlicher Ausländer“ eingestuft wurde.

9.7. „Mona Lisa“ , Oper in zwei Aufzügen und einem Vor- und Nachspiel, von Max von Schilling. Aufführung am 4.10. 1915.

Die Schilling-Oper „Mona Lisa“ war im 2. Kriegsjahr Gregors letzte Regie am Wiener Hofoperntheater. Auch diese Inszenierung wurde als Meisterleistung klassifiziert. Es war eine Inszenierung, die letzten Endes selbst zum Kunstwerk wurde und über die Schwächen des zu realisierenden Werkes, Schillings „Mona Lisa“, triumphierte. Korngold: „Die Regie, von Herrn Direktor Gregor mit erlesenem Geschmack besorgt, läßt an Bildhaftigkeit der Szene, an tänzerischer Bewegtheit der Gruppe aber auch an Abtönung und stimmungsvoller Herausarbeitung der dramatischen Höhepunkte nichts zu wünschen. An manchen Stellen hat der Regisseur die Wirkung verstärkt. Er hat den Aufschrei der Buße draußen nach der Predigt des Savanarola ersonnen, auch die große Pause erdichtet, wenn Giovanni im Schrein versperrt ist, eine Pause, die bezeichnenderweise packender ist als manches in der Musik. […] Mit aller Liebe lenkte Herr Reichwein sein Orchester, das glanzvoll klingt wie immer.“1023 Alle Künstler werden gelobt, allen voran die Jeritza. 1024 So zeigte die letzte Inszenierung Gregors an zwei als Höhepunkte empfundenen Stellen noch einmal sein Inszenierungsanliegen: Das Gesamtkunstwerk der Aufführung. 1025 Natürlich gab es auch einige wenige negative Meldungen zu Gregor und Reichwein, jedoch die Mehrheit der Rezensionen zollten allen Mitwirkenden Lob. Lediglich das Werk selbst wurde fast überall direkt oder indirekt kritisiert. 1026

1022 Vgl.: Kt. Oper 277/13, Zl: 615. 1023 Kt.: Oper 304/15, Zl: 471 (Neue Freie Presse vom 5.10. 1915, Korngold). 1024 Vgl.: Kt.: Oper 304/15, Zl: 471 1025 Vgl.: Pietschmann: S 226. 1026 Vgl.: Kt. Oper 304/15, Zl: 471. 288

Gregor hatte nach 1915, seiner letzten Regie von Schillings „Mona Lisa“ am 4.10. 1915, selbst nicht mehr inszeniert. Der Theaterbetrieb in der Kriegszeit ließ ihm wohl keine Zeit mehr dazu. Wie wir aus den Ausführungen seiner Inszenierungen erfuhren, waren diese meistens sehr aufwendig und es ist gut vorstellbar, dass diese Zeit der konzentrierten Regietätigkeit nicht mehr gegeben war.

Es ist jedoch anzunehmen, dass Gregor bei den Inszenierungsvorbereitungen des „Rates der Drei“, die auch in Wien stattfanden, teilnahm und es sind dabei sicherlich Anregungen von ihm anzunehmen, die jedoch nicht zu belegen sind. Offiziell mischte sich Gregor nie in andere Inszenierungen ein. 1027 „In einigen Passagen seiner unveröffentlichten „Farbflecke“, erwähnte Gregor Gespräche mit Richard Strauss nach dessen Stuttgarter „Ariadne“-Premiere; er riet Strauss zu einer Trennung des Werkes vom Stück des Molière und einem neuen Vorspiel. Es kam darüber zu einer Verstimmung mit Strauss, die sich erst bei den Wiener Proben wieder legte. Gregor erwähnte in den „Farbflecken“, dass sein von der üblichen Theaterschablone so total abweichender Inszenierungsplan für „Ariadne“ von Strauss sofort akzeptiert wurde, womit für einen Fall Inszenierungs- angaben in Einstudierungen anderer Regisseure – in diesem Falle Wymetal – gegeben ist. Die Abweichung bestand darin, dass der Orchesterraum in das Spiel mit einbezogen wurde. Zerbinetta und ihre vier Partner stiegen in der „Oper“ über Treppen aus dem Orchesterraum und im Vorspiel erzählte der Komponist über das Pult des echten Dirigenten gebeugt, von seinem Melodie-Einfall. Das Spiel mit dem Realitätswert der Figuren, das sich im Stück entfaltete, wird dadurch szenisch verwirklicht in einem gleichartigen Spiel mit dem Realitätswert des Aufführungs- raumes.“1028 Bedingt durch die große Zahl der laufenden und größtenteils vorher übernommenen Werke, dürfte es jedoch Gregor nicht ganz gelungen sein, nach dem Muster seiner Berliner Regiesitzungen den künstlerischen Betrieb zu prägen. Nur in dem Bereich der Novitäten und dem der Neueinstudierungen wäre die Gregor’sche Wiener Theaterarbeit zu suchen. Beide zusammen beherrschten aber

1027 Vgl.: Pietschmann: S 225f. 1028 Pietschmann: S 225ff. 289 nicht den Spielplan. Die Hauptwerke des Spielplanes wurden höchsten durch Neubesetzungen im Darstellerischen neu geformt. 1029

Der größte Misserfolg von Gregors Inszenierungen war: „Das Spielwerk der Prinzessin“.

1029 Vgl.: Ebd.: S 213. 290

10. Demission Gregors

Gregors Ausscheiden aus dem Verband des Wiener Hofoperntheaters zeichnete sich nach seinen eigenen Angaben bereits 1917, bald nach dem Abgang von Obersthofmeister Fürst Montenuovo ab. Der Nachfolger, Prinz Konrad von Hohenlohe-Schillingsfürst, gab sich zwar leutseliger und „artiger“ gegenüber jedermann als sein Vorgänger. Das aber war das Schwierige. Die Wünsche oder Anregungen des Hofes, der Erzherzöge, hatten aufgehört Wünsche zu sein, sie waren jetzt Anordnungen. So kam es zum schlimmsten „Kuhhandel“ in Gregors Karriere. Das Machwerk des erzherzoglichen Klavierlehrers Zaiczek-Blankenau, „Ferdinand und Louise“, musste aufgeführt werden. Gregors Sträuben half nichts mehr, seine Kapellmeister waren übrigens seiner Meinung. So nützte er die Gelegenheit, die Aufführungserlaubnis für das so lang geschmähte Werk „Salome“ von Richard Strauss zu erwirken. Nach einigen Schwierigkeiten wurde zwar mit Stirnrunzeln der Bann von der Oper genommen, doch den frei gewordenen Indexplatz zierte nun ein anderer Name, nämlich der des Hans Gregor. Nach diesem „Erfolg“ war es seiner Meinung nach an der Zeit „die Koffer zu packen“. 1030

Der Ausspruch von Heinrich Laube, zur Begründung für seinen ersten neunjährigen Vertrag am Wiener Hofburgtheater (1849 – 1867): „Drei Jahre lerne ich, drei Jahre baue ich, drei Jahre ernte ich,“ sollte nach Gregors Meinung noch ergänzt werden: „Kriegs- und Pestilenzzwischenfälle erweitern die vorbenannten Bedingungen.“1031 Der zehnjährige Vertrag von Gregor war also nicht so aus der Luft gegriffen, doch konnte er 1910 bei Abschluss des Vertrages den Krieg nicht voraussehen.

Obersthofmeister Hohenlohe-Schillingsfürst wurde bereits am 9. Mai 1918 von Graf Josef Hunyady de Kèthely abgelöst und am 18. Juli 1918 wurde erstmals seit 1906 wieder ein Generalintendant und zwar Freiherr Leopold von Andrian-Werburg eingesetzt. 1032 Auf dessen Betreiben wurde versucht, mit allen Mitteln Gregors Vertrag zu lösen. Doch das war nicht so leicht.

1030 Vgl.: Gregor: S 412f. 1031 Ebd.: S 414. 1032 Vgl.: Beetz, Wilhelm: „Das Wiener Opernhaus“ (1869 bis 1955); Wien, Vorwärts-Verlag, 1955, S 57. 291

Weingartner erwähnte hiezu: „Als der neue Obersthofmeister es für richtig befand einen unfähigen Beamten als Generalintendanten einzusetzen und Gregor bemerkte, dass er hinausgedrängt werden sollte, wollte er sich zur Stärkung seiner Position mit ihm verbinden. Jetzt lehnte aber angeblich er ab.“ 1033 (Diese Behauptung ist sonst nirgends zu finden.)

Prawy in seinem Buch: „Gregors Vertrag, den er als raffinierter Manager sich seinerzeit aushandelte, war schwer zu lösen. Andrian-Werburg, der bis 24. November 1918 noch tätig war, betrieb mit allen Mitteln die Lösung von Gregor. Er soll es auch gewesen sein, der Richard Strauss fragte, ob er nicht Direktor der Wiener Hofoper werden will. Am 10. November 1918, also am letzten Tag der Monarchie, wurde Schalk zum Leiter des Opernhauses bestellt.“1034

Bereits am 26. März 1918 geht aus einem Schriftstück der Finanzprokuratur hervor, dass über die Kündbarkeit Gregors nachgedacht wurde; man wollte Gregors Meinung widerlegen, dass er nur nach dem 2. und 9. Jahr, jeweils per 1. März, gekündigt werden könne.1035 In der Folge wurde Gregor vom Geheimen Justizrat und k.k. Regierungsrat Dr. Adolf Edler von Bachrach, Wien 1., Rosenbursenstrasse vertreten. Persönliche Gespräche gab es später mit der Generalintendanz nicht mehr. In den Unterlagen finden sich verschiedene Szenarien zur Lösung des Vertrages, ja man dachte sogar an einen Prozess. Gregor wurde am 9. November 1918 per 30. November 1919 gekündigt, ab 15. November 1918 beurlaubt. Die Bezüge bis 30. 11. 1919 wären 50.000 K abzüglich eines Vorschusses von 45.000 K gewesen, also hätte Gregor noch 5.000 K zu bekommen, gleichzeitig wurden Franz Schalk per 15. November 1918 die Amtsgeschäfte übertragen. Mit Schreiben vom 11. November 1918 verweigerte Gregor die Annahme der Kündigung, beschwerte sich, dass die Kündigung in den Tagesblättern publiziert wurde und den Tatsachen nicht entspräche. Er behalte sich alle Rechte gegen

1033 Weingartner: S 218. 1034 Prawy, Marcel: „Die Wiener Oper“; Wien-München-Zürich, Verlag Fritz Molden, 1969, S 101f. 1035 Vgl.: Kt. GI 417/18, Zl: 602. 292 dieses rechtswidrige Verhalten vor und werde seine vertraglichen Rechte und Pflichten auch nach dem 15. November 1918 wahrnehmen. (H.G.m.p.) 1036 Leider fehlt der wichtigste Akt – die Kündigung Gregors: OMeA Kt. 2218/18, Zl: 10552, dieser wurde 1959 von einem Benützer entnommen und nicht zurückgegeben.

Am 28. November 1918 sandte die Verwaltung des Hofärars Abteilung I Gregor über dessen Anwalt Bachrach ein Enthebungsdekret zu, sprach ihm einen Abfertigungsbetrag von 80.000 K zu und löschte den Vorschuss von 45.000 K, womit Gregor für die Zukunft keine weiteren Forderungen gegenüber der Hofverwaltung hätte. Unterzeichnet wurde dieses Schreiben von Hofzentraldirektor und Sektionschef Keller. 1037 Der Vertrag Gregors muss so abgefasst gewesen sein, dass man sich einer Klage nicht sicher war. Somit war diese Angelegenheit aus der Welt geschafft; Gregor nahm das Angebot an. Die Vorgangsweisen der Generalintendanz und des Obersthofmeisteramtes zeigten keine „Klasse“ und niemand kann Gregor einen Vorwurf machen, seine verbrieften Rechte einzufordern, denn er musste ebenfalls seinem Vertrag entsprechend agieren.

Gregor „klebte“ nicht unbedingt am Sessel des Hofoperntheaters fest, denn er hätte sofort die Gelegenheit gehabt, in Deutschland wieder tätig zu sein. Doch auch dort hatten sich die Verhältnisse politisch sehr verändert und die Rolle des „kopfnickenden Pagoden“ war stets die, die ihm am wenigsten lag. 1038

Das Hofoperntheater war infolge des verlorenen Krieges vom 21. Oktober bis 1. November 1918 geschlossen. Am 11. November 1918 trat die Regierung der Monarchie zurück und Kaiser Karl I. verzichtete auf jegliche Teilnahme an den Staatsgeschäften. Am 12. November 1918 wurde die Republik ausgerufen.

1036 Vgl.: Kt. GI 423/18, Zl: 4540. 1037 Vgl.: Kt. GI 423/18, Zl: 4540. 1038 Vgl.: Gregor: S 415. 293

Am 10. November 1918 gratulierte Gregor seinem Nachfolger Franz Schalk. (Im Anhang: Schreiben an Schalk.)

Ab 15. November 1918 war Gregor beurlaubt und mit diesem Tag übernahm Schalk die Direktion der Wiener Staatsoper. 1039

1039 Vgl.: Ottner: S 116. 294

11. Aus der Sicht der Nachwelt

Aus der Sicht Robert Haas’ versanken nach anfänglichen Erfolgen Gregors mit „Rosenkavalier“ und „Pelléas et Mélisande“ die reichen Mittel des Instituts in „stumpfes Dämmern“, abgesehen von spärlichen Zeichen geistiger Regsamkeit wie Bittners „Bergsee“ oder Oberleithners „Aphrodite“ und Schmidts „Notre Dame“, sowie den beiden Einaktern Korngolds „Der Ring des Polygrates“ und „Violanta“, und Straussens „Ariadne auf Naxos“. 1040 Weiters sah Haas die Situation folgendermaßen: „Die Hofoper erfährt seit etwa 1906 (also noch Mahler-Zeit) bei allem äußeren Glanz einen ständig zu nehmenden inneren künstlerischen Niedergang. Die kurze Direktion Felix von Weingartners, 1908-1911, entspricht schon nicht mehr den hochgespannten Erwartungen, die darauf folgende Leitung durch den Theater- Fachmann Hans Gregor führt aber vollends ab von den idealen Forderungen, zur nüchternen, unbekümmerten Geschäftspraxis, wobei der Druck des Weltkriegs diesen Prozeß begünstigte.“ 1041

Josef Reitler geht in seinem Artikel „Die Wiener Hofopernkrise“ in „Bühne und Welt“ im Jahre 1913 mit Gregor hart ins Gericht. „Gregors Position als Hofoperndirektor ist ernstlich erschüttert, sein hocherwünschtes Abtreten vom Schauplatz seiner tatenlosen Tätigkeit ist eine Frage von Monaten geworden. Es war ein schwerer Fehler, das höchste musikalische Amt, das Österreich zu vergeben hat, dem Manne zu übertragen, der zur Musik gar keine Beziehung hat. […]Zwei durchgefallene Novitäten, zwei missglückte Neueinstudierungen: es ist eine lächerliche Arbeitsleistung für volle acht Monate. […]In einer „Hugenotten“- Aufführung, die sicherlich nicht eine der allerschlechtesten Vorstellungen der Saison war, kam, was nicht ausbleiben durfte: die große Revolte des Publikums, das in seltener Einmütigkeit die Generalabrechnung mit Gregor vornahm. Ein so heftiger Entrüstungssturm, wie dieser, hat das vornehme Haus des Kaisers wohl noch niemals durchtobt.“ 1042

1040 Vgl.: Haas, Robert: „Die Wiener Oper“; Wien-Budapest, Eligius-Verlag, 1926, S 67ff. 1041 Ebd.: S 67ff. 1042 Hrsgb: Stümcke, H.: „Bühne und Welt“, Beitrag Josef Reitler „Die Wiener Hofopernkrise“; Berlin-Leipzig- Wien, Verlag Georg Wigand, 1913, 15. Jg., Heft1, S 122f. 295

Reitler prangert in vorgenanntem Artikel noch die Praktiken der aktuellen Opernführung in Bezug auf die Sänger an. Den guten Sängern würde zu großes Entgegenkommen in Bezug auf Auslandsverpflichtungen gewährt, besonders für Amerika, von wo sie dann „verdorben“ zurückkämen. Der Ensemblegedanke werde in den Hintergrund gedrängt. Nur Kapellmeister Schalk und die Wiener Philharmoniker fanden noch einiges Lob. 1043 1911, anlässlich Gregors Inszenierung von Debussys „Pelléas et Mélisande“, hatte Reitler noch auf die positive, künstlerische Arbeit des geschmackvollen Regisseurs hingewiesen, jedoch fand er die typische „Gregorische Finsternis“ etwas ermüdend. 1044 In Berlin hingegen hatte man Gregors Scheiden bedauert; es bedeute sein Wien- Engagement einen erheblichen Verlust für die Berliner Opernwelt, man betonte Gregors Wagemut und Kunstsinn, seine Taten seien reinsten Goldes im engen Haus an der Weidendammer Brücke gewesen. Außerdem befürchtete man, dass er verschiedene Künstler mit nach Wien nehmen könnte, was für Berlin ein weiterer schwerer Verlust wäre. 1045

Als man den Berliner Theaterdirektor Hans Gregor an die Hofoper berief, wurde bald der kaum berechtigte Vorwurf erhoben, er sei ein amusischer Geschäftsmann ohne Musikverständnis. Gregor war keine geniale Persönlichkeit und gewiss kein Musiker, aber ein trefflicher Regisseur, dem es gelang, die Oper künstlerisch wie finanziell zu heben, bedeutende SängerInnen wie die Jeritza, die Lehmann, Hans Duhan und anderen zu gewinnen, vor allem den Kontakt mit Richard Strauss herzustellen und die zeitgenössische Kunst zu fördern. Krieg, Inflation und Zeitnöte untergruben schließlich seine Stellung. 1046

Paul Stefan sah in Hans Gregor vorwiegend einen Unternehmer. Zwar gestand er ihm anfängliche Erfolge zu, die weiteren Erfolge zählte er so auf, als wären sie

1043 Vgl.: Hrsgb: Stümcke, H.: „Bühne und Welt“, Beitrag von Josef Reitler: „Die Wiener Hofopernkrise“, Heft 1/1913, S 122ff. 1044 Vgl.: Hrsgb: Stümcke, H.: „Bühne und Welt“ Jg. 13/1911, Juli Heft 1, S 301ff. 1045 Vgl.: Hrsgb: Stümcke, H.: „Bühne und Welt“ Jg. 13/1910 , Heft 2, S 162, u. Jg. 13/1911, Heft 2, S 60ff. 1046 Vgl.: Ullrich, Hermann: Beitrag in „Große Persönlichkeiten in den letzten Jahrzehnten der Hofoper“ in Theater in Österreich; Notring-Jahrbuch 1965, Verlag Notring der wissenschaftl. Verbände Österreichs, Wien, S 177. 296

Zufälligkeiten, ob es um Neuentdeckungen von KünstlerInnen oder um Werke und deren positive Umsetzung geht. Auch die Aufführung der „Salome“ wurde als Zufälligkeit gewertet, lediglich die Regie von „Pelléas et Mélisande“ wurde hervorgehoben. Über neue Werke entscheide der Text und Gregors Textregie. Textregie, nicht Musikregie, jedenfalls Regie als Selbstzweck sei die Losung des immer noch „berühmten“ Regisseurs. 1047 Irgendetwas Beiläufiges, irgendein Nebeneinander, von klugem und von nur noch gefälligem Getriebe, reiche Mittel, gute Geschäfte und gar kein Halt: „das ist die Zeit eines Gregors.“ 1048

Richard Specht ging in seiner Kritik ziemlich hart mit Gregor ins Gericht, wenngleich er ihm auch einiges Gutes zugestanden hatte, Entdeckungen einiger KünstlerInnen, Pflege der zeitgenössischen Musik, jedoch habe das Negative überwiegt 1049 . „[…] Bis zum Jahre 1911 war im Hofopernhaus die Kunst einziger Zweck gewesen. Jetzt wurde sie zum Mittel. Zum Mittel der Kasseneinnahme. Aus dem Kunstinstitut war, in weniger als einem Jahr, ein Geschäftshaus geworden. Der es dazu gemacht hat, war Herr Hans Gregor, bis dahin Direktor der Berliner Komischen Oper und es hieß, daß er – nachdem lange und vergebliche Umschau nach einem Künstler von Rang zur Führung der freilich arg zerfahrenen Anstalt gehalten worden war – durch eine große Konzertagentur ins Haus geliefert worden ist. Das ist selbst dann wahr, wenn es erfunden sein sollte – so grell faßt es die Signatur der Ära Gregor in ein Sinnbild.“ 1050

„Hans Gregor, Gründer und Leiter der Komischen Oper in Berlin, hatte sich auch als Regisseur einen Namen gemacht. Regisseure wurden damals in der Oper – im Gegensatz zum Sprechtheater – noch nicht als Künstler angesehen, deswegen haftet Gregor bis heute das Manager-Stigma an, obwohl niemand leugnen kann, dass es in der Geschichte der Wiener Oper mit Ausnahme von Gustav Mahler bis dahin – und, wenn man die Auswahl seines Repertoires berücksichtigt, auch bis heute – keinen erfolgreicheren Direktor gegeben hat als Hans Gregor. Sein forscher

1047 Vgl.: Stefan: S 81ff. 1048 Ebd.: S 81ff. 1049 Vgl.: Specht, Richard: „Das Wiener Operntheater“ – Von Dingelstedt bis Schalk und Strauß; Wien, Verlag Paul Knepler (Wallishaussersche Buchhandlung), 1919, S 58. 1050 Ebd. S 58. 297

Ton, er sprach öfters die Wiener Schlamperei an, gefiel den Wienern nicht. Seine Direktionszeit fiel in die schwerste Zeit, dennoch hat er eine große Zahl von Meisterwerken erst- und uraufgeführt und hervorragende Künstler quasi aus dem Boden gestampft, die – auch wenn sie keine Österreicher waren – zu solchen und sogar zu Ehrenmitgliedern des Hauses wurden. Er holte wieder Alfred Roller an die Hofoper, er schätzte ihn sehr. Es kam mit Gregor die bislang unwichtige Regie auf die Opernbühne – im Sinne des Sprechtheaters – das wurde ihm wieder von nur musikinteressierten Kreisen übel genommen. … Heute müssen wir sagen, dass Hans Gregor seine Aufgabe hervorragend erfüllt hat. Vielleicht war er seiner Zeit voraus.“ 1051

Ebenfalls sehr positiv beurteilte Franz Farga Hans Gregor: „Gregor brachte in diesen sieben Jahren 17 Neuheiten! Er hielt dabei den Spielplan in bester Ordnung, ließ sich keine sängerische Begabung entgehen. Hans Gregor konnte mit ruhigem Gewissen abtreten. Er hat die Hofoper künstlerisch gehoben. Finanziell aber hat er sie gerettet.“1052

Bizarre Anekdoten erzählte man sich über Gregor; so soll er von Bruno Walter mehr als drei Rheintöchter für Wagners „Rheingold“ gefordert haben und zwei Schiffe im „Fliegenden Holländer“ habe er „mies“ gefunden, das zeuge davon, dass Wagner vom Theater nichts verstanden habe. Auf Walters Kontra, man müsse doch den Willen des Komponisten respektieren, soll Gregor geantwortet haben: „Sie respektieren den Komponisten zu sehr. Bei mir gibt der Komponist seine Partitur beim Portier ab.“ „Gregor wurde als Kunstmanager allerersten Ranges angepriesen, wer hoch griff, bezeichnete ihn als „Max Reinhardt der Oper“. Dabei hatte dieser Mann des Rechenstiftes einen durchaus kunstsinnigen Verstand: d’Alberts „Tiefland“ war von ihm in Berlin durchgesetzt und zum Welterfolg geführt worden. Er hatte ein Faible für Offenbach und für den jungen Richard Strauss.“ 1053

1051 Hsgb. Seebohm, Andrea: „Die Wiener Oper – 350 Jahre Glanz und Tradition“; Beitrag von ; Wien, Überreuter-Verlag, 1986, S 90ff. 1052 Farga, Franz: „Die Wiener Oper von ihren Anfängen bis 1938“; Wien, Göth-Verlag,1947, S 309. 1053 Wessling: S 80f. 298

Lotte Lehmann: „Manchmal, sehr gelegentlich, zeigte Gregor sein eigentliches Gesicht und bekannte, daß sein Herz für Wagner schlug, über den er sich natürlich auch lauthals mokieren konnte. In seiner Betrachtungsweise war er seiner Zeit weit voraus. […] aber ich lernte von ihm – nicht zuletzt aus seinen Kommentaren bei den Wiedereinrichtungen – daß ein erotischer Mythos waltete und daß hinter dem gesamten Wagner-Werk eine erotische Philosophie stand. Wenn ich mich nicht irre, stammt das Wortspiel von Gregor: Wagner sei auf gesunde Art krank gewesen und auf kranke Art heroisch. Gregor machte eines Tages den Vorschlag, auf der Basis von Nietzsches Erkenntnissen den Ring zu inszenieren und das „paradoxe“ und ewig interessante Phänomen welterobernder Todesverbundenheit herauszukehren. Seine Pläne blieben Utopie. Die Zeit dazu war nicht reif.“1054 „Wagner fand einen ungeheueren Zeitpunkt vor, wo alle Religion aller früheren Zeiten in ihrer dogmatischen Götzen- und Fetischwirkung wankt: er ist der tragische Dichter am Schluß aller Religion, der Götterdämmerung. […] In welchem Lichte sieht er nun alles Gewordene und Vergangene? Die wunderbare Bedeutung des Todes ist hier voranzustellen: der Tod ist das Gericht, aber das frei gewählte, das ersehnte Gericht, voll schauerlichen Liebreizes, als ob es mehr sei als eine Pforte zum Nichts. Der Tod ist das Siegel auf jede große Leidenschaft und Heldenschaft, ohne ihn ist das Dasein Nichts werth.“ 1055

Marcel Prawy fragte sich, wie schlecht dieser Direktor gewesen sei, der ständig 60 – 70 Werke im Repertoire hatte, ja, bei reduziertem Spielplan im Ersten Weltkrieg noch 35 Werke und unter diesen so viele Novitäten? […] Natürlich waren die meist gespielten Komponisten Verdi, Wagner, Puccini, Strauss und auch Mozart, doch welche Direktion käme ohne sie aus[…] Wie schlecht war er also, der die Mahlersche „Fidelio“ -Inszenierung wieder einführte, Verdi so oft es ging italienisch singen ließ? […] Dieser „Kunstbanause“ und „Kunstvandale“ hat in sieben Jahren, die seine Zeitgenossen als die „sieben fetten Jahre für die Kasse“ und die „sieben mageren für die Kunst“ bezeichneten, fünf Gesamtaufführungen der Werke Wagners und vierzehn Mal den „Ring“ herausgebracht. […] Der drei große Richard Strauss-Premieren auf die Beine stellte,

1054 Wessling: S 82f. 1055 Förster-Nietzsche, Elisabeth: „Nietzsches Werke – Menschliches, Allzumenschliches II – aus dem Nachlaß 1874-1878“; Leipzig, Alfred Kröner-Verlag, 1919, S 423. 299 der der Stadt die drei größten Publikumslieblinge bescherte, die es jemals gehabt hatte: Lotte Lehmann, Maria Jeritza und Alfred Piccaver. Leo Slezak wurde wieder an die Oper gebunden. […]“War das nur ‚Managerglück’ oder wie man dies bei Künstlern bezeichnet ‚Initiative’?“1056

Herbert Gigler bezeichnet Gregor als den unausgeprägtesten Opernleiter bisher. Dennoch verdanke ihm Wien die bemerkenswerteste „Rosenkavalier“-Aufführung mit Gutheil-Schoder, Selma Kurz und Richard Mayr. Obwohl die Presse weder für Strauss, noch für Hofmannsthal günstig gewesen sei, sei der „Rosenkavalier“ ein Erfolg ohnegleichen. Mayr gelte noch immer als der klassische „Ochs von Lerchenau“. Jedoch der leidenschaftliche Dienst am Werk sei vorbei, die Dirigenten dirigierten mit Unlust und obwohl es einige interessante Premieren gegeben habe – Caruso füllte das Haus zum wiederholten Male – sei die Oper kein erhabenes Kunstinstitut mehr, aber ein gutes Geschäft. 1057

Der technische Direktor der Staatsoper, Ferdinand Jaschke, war zu Gregors Zeit der Assistent des technischen Leiters Richard Bennier und erinnerte sich an die schwierigste und kostspieligste Inszenierung seiner Laufbahn; es war „Parsifal“ am 14. 1. 1914. Die Ausstattung stammte von Alfred Roller, den Gregor wieder an die Hofoper holte. „Die Anforderungen, die Gregor an die technische Leitung stellte, konnten nur von einem hervorragenden Fachmanne, wie Richard Bennier, gelöst werden. In monatelanger Werkstättenarbeit wurden die Dekorationen hergestellt; in 60 Nächten in eigener Regie eine 4x13 m große Versenkung und die umfangreiche Wandelmaschinerie eingebaut. Dabei musste jeden Abend gespielt werden, so daß es vor der Generalprobe eigentlich nie möglich war, die ganze Oper glatt durchzuspielen, weil der Tag einfach zu kurz war. So kam es, daß die Generalprobe technisch nicht ganz klappte. Darob große Nervosität und nach Schluß der Probe, die bis 3 Uhr früh dauerte, Beratung mit der Direktion und Regie, ob es nicht doch geboten wäre, die Premiere zu verschieben, obgleich das Haus ausverkauft und alles was im In- und Ausland Rang und Namen hatte, angemeldet war. Aber Bennier

1056 Prawy: S 88ff. 1057 Vgl.: Gigler, Herbert: „80 Jahre Wiener Oper – 1869-1949“, Beitrag von Herbert Gigler: „Direktoren und Dirigenten“; Wien, Renaissance-Verlag GmbH, 1949, S 30. 300 hatte erkannt, daß er grundsätzlich richtig konstruiert und disponiert habe und nur geringfügige Unzulänglichkeiten sowie die geringe Probenmöglichkeit die Ursache der Verzögerung waren. Er lehnte eine Verschiebung ab. Wir jungen Mitarbeiter, ich war damals schon Stellvertreter Benniers, und mein Kollege und heutige Stellvertreter, Bühneninspektor Ernest Klepp, hatten noch gesunde Nerven. Wir versicherten dem Direktor und unserem Chef, dass am kommenden Abend alles klappen werde. Um 8 Uhr früh war das technische Personal wieder am Platze. Die geringen Fehler wurden in rascher Arbeit behoben, die Verwandlungen und technischen Manipulationen noch einmal probiert und um 4 Uhr Nachmittag begann die Premiere. Alles klappte tadellos. Es wurde ein großer künstlerischer Erfolg. Nicht geringen Anteil daran hatte Beleuchtungs-Inspektor Robert Beck, den Direktor Gregor bei seinem Amtsantritt nach Wien berufen hatte und dem es in kurzer Zeit gelungen ist, die Bühnenbeleuchtung in künstlerischer Hinsicht von Grund auf zu erneuern. Wenige Monate später brach der Weltkrieg aus und damit waren alle weiteren Umbaupläne zunichte gemacht.“ 1058

Walter Felsenstein gründete im damaligen Ostberlin 1947 – mit Unterstützung von Kulturoffizieren der sowjetischen Besatzung – eine neue Komische Oper und erwähnte anlässlich der Eröffnungsinszenierung „Die Fledermaus“ am 23. 12. 1947 im Programmheft Hans Gregor als Vordenker und quasi als Vorläufer dieses Hauses und dessen Richtung: „Was wir wollen ist nicht neu. Vor etwa 40 Jahren hat die Komische Oper an der Weidendammerbrücke unter Hans Gregor mit ähnlichen Zielen Vorbildliches geleistet.“ 1059 Im gleichen Beitrag erklärt Felsenstein seine Vorstellung von der Aufgabe, der sich die Komische Oper gestellt habe. Er wolle die „künstlerisch erlesensten und zugleich volkstümlichsten Werke des internationalen Musiktheaters aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im wechselnden Spielplan pflegen. Und zwar mit durchaus gleichmäßiger Betonung beider Teile des Wortes Musik – Theater . Denn Musik, die nicht aus dem dargestellten Vorgang wächst, hat nichts mit Theater zu tun, und eine

1058 Gigler, Herbert: „80 Jahre Wiener Oper – 1869-1949“, Beitrag von Ferdinand Jeschke: „Hinter den Kulissen“, S 46. 1059 Hrsgb. Stompor, Stephan: „Musiktheater“, Beiträge zur Methodik und zu Inszenierungskonzeptionen; Beitrag W. Felsenstein „Zu Beginn“: Leipzig, Verlag Philipp Reclam jun., 1976, S 24. 301

Darstellung, die sich nicht präzis und künstlerisch gültig mit der Musik identifiziert, sollte besser auf Musik verzichten. Der dramatische Einfall schafft die Situation, in der die Musik unentbehrlich und der Gesang zur einzig möglichen Aussage des Darstellers wird. Gesang als Einlage und als nur klangliche Produktion einer Stimme ist eine Degradation des Theaters, und die mehr oder weniger unverbindliche instrumentale Begleitung eines durchaus selbständigen Vorgangs ein Missbrauch wertvoller Musik.“ 1060 Diese Feststellung über das Musik – Theater könnte von Gregor stammen und sein bekannter Ausspruch „bei mir wird nicht gesungen“, hätte wahrscheinlich heißen sollen: bei mir wird nicht nur gesungen. Diese Aussage brachte ihm den Vorwurf der „Unmusikalität“ ein, der ihn besonders in seiner Wiener Zeit ständig begleitete.

Felsenstein bezieht sich in seinem Beitrag „Rückblick auf ein Jahrzehnt Komische Oper“ auf Jahrzehnte, bzw. Jahrhunderte alter Bestrebungen, dem „Musik-Theater“, also beiden Teilen dieses Wortes, gerecht zu werden. Er bezieht sich auf Äußerungen und Briefe beispielsweise von Gluck, Verdi und Tschaikowsky, die damals bereits gegen das kostümierte Konzert, die Sängereitelkeit und den üblichen Repertoirebetrieb der Oper Stellung bezogen. 1061

Stephan Stompor in einem Vorwort: „Ein um hohe Qualität auch des Szenischen bemühtes Operntheater nach dem Beispiel der Pariser Opéra Comique hatte bereits am Anfang des Jahrhunderts Hans Gregor in Berlin gegründet. Aber da er es als privates Unternehmen ohne jede Subvention führen musste, konnte er sich nur sechs Spielzeiten lang behaupten.“1062

Im Frühjahr 1966 fand eine Gregor-Ehrung anlässlich seines 100. Geburtstages in der Akademie der Künste (DDR) statt. Anwesend waren unter anderem Walter Felsenstein, Herbert Ihering und der hochbetagte Sänger Jean Nadolovitch. Ihering schreibt im Jahrbuch der Komischen Oper, Band VII, darüber: „[…] Als im April 1966 der hundertste Geburtstag von Hans Gregor in der Deutschen Akademie der Künste gefeiert wurde, nahm an der Feier auch der neunzigjährige Jean Nadolovitch teil, der

1060 Hrsgb. Stompor, Stephan: „Musiktheater“, Beitrag Walter Felsenstein „Zu Beginn“, S 24f. 1061 Vgl.: Hrsgb. Stompor, Stephan: „Musiktheater“ Beitrag von W. Felsenstein, S 40. 1062 Vorwort von Stephan Stompor, S 5. 302 unter Hans Gregor der erste Tenor der Komischen Oper war und den Hoffmann in „Hoffmanns Erzählungen“, den Cavaradossi in „Tosca“ und den Pelléas und „Pelléas und Mélisande“ gesungen hatte. Ich hatte die Freude, mich in seiner Gegenwart an seine Rollen in den Jahren 1909 und 1910 zu erinnern. Wir würdigten die Weiterwirkung des Musiktheaters in Deutschland und den schöpferischen Nachfolger Hans Gregors, Walter Felsenstein.“ 1063

1063 Hrsgb. Komische Oper: „Jahrbuch der Komischen Oper Berlin“, Bd. VII, Beitrag von Herbert Ihering; Berlin, Henschelverlag, 1967, S 229ff. 303 304

12. Resümee

In der vorliegenden Arbeit wurde versucht, ein Gesamtbild der Person Hans Gregors zu vermitteln. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, sind einige Zeitabschnitte von verschiedenen Autoren beschrieben oder kurz angerissen worden, aber ein Gesamtbild dieses immerhin bemerkenswerten Mannes existierte – so weit Veröffentlichungen zur Verfügung stehen – bisher nicht . Der Verfasserin dieser Arbeit lag es auch fern, Hans Gregor posthum zum „Erfolgsdirektor“ des k.u.k. Hofperntheaters zu stilisieren. Lediglich die ver- schiedenen Sichtweisen der einzelnen Autoren sollten aufgrund der umfassenden Aktenlage des Haus-, Hof- und Staatsarchivs etwas zurecht gerückt werden. Teilweise war es schwierig, die oft negativen Bemerkungen, besonders zu Gregors Wiener Zeit, sachlich zu revidieren, ohne die Partei dieses Mannes zu ergreifen, da sehr oft diese Kritiken nicht den Tatsachen entsprachen. Es konnte festgestellt werden, dass eine negative Richtlinie oftmals schlicht und einfach übernommen wurde, ohne dass man sich die Mühe machte, in die vorhandenen Quellen selbst Einsicht zu nehmen.

Gregor dürfte versucht haben, ein eisernes Regiment zu führen, denn Disziplin stand bei ihm an oberster Stelle. Wie wäre auch so ein großer Betrieb, mit so vielen Individualisten, sonst zu führen gewesen! Er musste nach Gustav Mahler, dem die Direktionsarbeit mehr Last als Bedürfnis war, nach Felix Weingartner, der den eingerissenen Schlendrian noch vertiefte, „das Ruder herumreißen“, um das Boot „Hofoperntheater“ wieder in das richtige Fahrwasser zu bringen. Sein Auftrag vom Obersthofmeister war mehr als eindeutig. Allerdings dürfte Gregor im Hinblick auf Wiener Verhältnisse – die nicht mit Berlin zu vergleichen sind – einen großen Fehler gemacht haben. Er ging die Disziplinierung zu rigoros an, andererseits erwartete das Obersthofmeisteramt baldige Erfolgs- meldungen. Trotz des „eisernen Regiments“ – wie einige Autoren dies beschrieben – war Gregor ein gerecht denkender Mensch und hatte für seine KünstlerInnen und Mitarbeiter stets ein offenes Ohr. Er war immer für diese zu erreichen und hörte alle Wünsche und Beschwerden – wie aus den Dokumenten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs 305 hervorgeht – meistens persönlich an; er versuchte zu helfen oder Kompromisse zu schließen. Lediglich wenn er sich ausgenützt fühlte, konnte er unerbittlich sein.

Sein „rüder Kasernenton“, wie dies Marcel Prawy laut angeblichen Aussagen von Maria Jeritza und Bruno Walter zitierte, konnte aus den schriftlichen Unterlagen, Korrespondenzen und Aufzeichnungen nicht herausgelesen werden. Im Gegenteil, der Schriftverkehr zwischen Gregor und seinen KünstlerInnen, Mitarbeitern, anderen Direktoren, Agenten, Journalisten und Besuchern (die Beschwerden vorbrachten) war immer äußerst höflich und voll Wertschätzung. Besonders die beiden vorgenannten Künstler hatten nach der Sachlage die geringste Veranlassung, Gregor zu kritisieren. Gregor machte es Walter erst möglich, das Hofoperntheater in Richtung München zu verlassen – obwohl dem Direktor bewusst war, dass Walter eine große Lücke hier hinterließ, und der flatterhaften Jeritza, die wie erwähnt, sehr oft undiszipliniert agierte, war Gregor wohl gesinnt und drückte öfters beide Augen bei ihren Aktionen zu. Lediglich Hermann Bahr dürfte sich einmal im Ton vergriffen haben; da war dann sogar die als schwierig geltende Anna Mildenburg-Bahr das ausgleichende Element und sandte Gregor eine handschriftliche Entschuldigung.

Nur zu Ende des Krieges kann seitens Gregors eine gewisse Resignation oder vereinzelt sogar ein Überreagieren gegenüber unmöglichen Forderungen in dieser schwierigen Zeit aus den Unterlagen herausgelesen werden.

Bemerkenswert ist jedenfalls, dass Gregor trotz des Krieges sein Haus so bestellt hatte – obwohl fast täglich mit scheinbar unlösbaren Situationen konfrontiert – dass jeden Abend der Vorhang aufgehen und die Mehrzahl des Gebotenen sich sehen lassen konnte. Darauf war er stolz.

Seine oft angeprangerte „Unmusikalität“, die ihm nur in Wien vorgeworfen wurde, war unberechtigt. Gregor wird oftmals posthum als der Max Reinhardt der Opernbühne bezeichnet, denn er hatte mit viel Erfolg die neuen Erkenntnisse der Schauspiel- Dramaturgie auf die Opernregie übertragen. Seine Sänger mussten Menschendarsteller sein, die Oper sollte ein „Stück Leben“ vermitteln, die Bühne war 306 kein Konzertsaal. Gregor entrümpelte ebenfalls die Bühne von allem Unnötigen, mit einem realistischen Bühnenbild unterstützte er die Werke – besonders veristische Intentionen der Urheber; außergewöhnliche Beleuchtungseffekte begleiteten die Regie, um den schauspielernden Sängern den wahrheitsgetreuen Rahmen zu geben. Das Publikum sollte Freude oder Schmerz und Leid mitempfinden können und wurde so in die Handlung mit einbezogen; hier sollte sich die Aristotelische Katharsis vollziehen. Bemerkenswert war es, dass Gregor gerne Werke selbst inszenierte, die, wenn auch im weitesten Sinn, veristische Züge beinhalteten. Das kann in seinen Wiener Inszenierungen nachvollzogen werden.

Gregors Ausspruch in Berlin „An meiner Bühne wird nicht gesungen“ 1064 , sollte eher heißen „An meiner Bühne wird nicht nur gesungen“. Es war natürlich eine große Herausforderung für die Sänger dieser Zeit, beim Singen nicht nur an der Rampe zu stehen, sondern schauspielerisch zu agieren. Das drückte Gregor den Stempel „Unmusikalität“ in Wien auf; Gesang käme für ihn erst an zweiter Stelle.

Felsenstein schreibt später: „Die intensive Darstellung der Protagonisten mit ihrer darzustellenden Rolle (Person) sollte das Publikum mit einbeziehen und dadurch die 4. Wand – die unsichtbare Wand trotz geöffneten Vorhangs – zum Verschwinden bringen.“ 1065 Weiters schreibt er: „Die Partnerschaft mit dem Publikum, obwohl sie eine Binsenwahrheit ist, wird leider von vielen Darstellern, Dirigenten, Regisseuren, Bühnenbildner als Grundvoraussetzung außer acht gelassen oder sie setzen sich sogar bewusst darüber hinweg.“ 1066 Gregor schreibt: „Man hört von vielen Seiten – Oper bedarf eigener fundamentaler Lebensgesetze, sie sei ein unglücklicher Zwitter. Es wird das Werk eines Künstlers an ein handwerksmäßig zurechtgezimmertes Werk festgekettet, mit einer Riesen- unzumutbarkeit an den gesunden Menschenverstand. Welcher Vernünftige singt die ihn bewegenden Gedanken? Aber wo ist der Unterschied der Absurdität; wenn Lohengrin seine Erzählung singt oder wenn Don Carlos seinem Freund Posa sein

1064 Gregor, S 289. 1065 Felsenstein, S 54. 1066 Ebd. S 52ff. 307

Herz in wohlgesetzten fünffüssigen Jamben erschließt? Gleichgültig was auf der Bühne geboten wird, es sollte ein Ort vollkommenster künstlerischer Harmonie aller Ausdrucksmittel sein. Der Interpret muß glaubwürdig, lebensecht sein. Der Zuschauer will mitleiden, sich mitfreuen, mitfühlen, mitlachen.“ 1067

Gregor hatte nach 1915, seiner letzten Regie von Schillings „Mona Lisa“ (am 10.4. 1915), nicht mehr selbst inszeniert. Der Theaterbetrieb in der Kriegszeit ließ ihm wohl keine Zeit mehr dazu. Wie bereits erwähnt, waren seine Inszenierungen sehr zeitaufwendig und ist es gut vorstellbar, dass diese schwierige Lage eine konzentrierte Regietätigkeit nicht mehr zuließ. Der größte Misserfolg seiner Inszenierungen war: „Das Spielwerk der Prinzessin“.

Jedoch ist anzunehmen, dass Gregor bei den Inszenierungsvorbereitungen des „Rates der Drei“, die auch in Wien üblich waren, teilnahm und es ist zu vermuten, dass die eine oder andere Anregung von ihm durchaus Berücksichtung fand, was jedoch nicht zu belegen ist. Aus einigen Bemerkungen in den Originalunterlagen des Haus-, Hof- und Staatsarchivs ist jedoch herauszulesen, dass der „Rat der Drei“ in Wien nicht so problemlos funktionierte wie in Berlin, was auch logisch erscheint, denn dort war Gregor der unumschränkte Hausherr. Bedingt durch die große Zahl der laufenden und größtenteils übernommenen Werke, dürfte es jedoch Gregor nicht gelungen sein, nach dem Muster seiner Berliner Regiesitzungen den künstlerischen Betrieb zu prägen. Nur in dem Bereich Novitäten und dem der Neueinstudierungen ist die Wiener Theaterarbeit zu suchen. Beide zusammen beherrschten aber nicht den Spielplan. Die Hauptwerke des Spielplans wurden höchsten durch Neubesetzungen im Darstellerischen neu geformt. 1068

In einigen Passagen in Gregors unveröffentlichten „Farbflecken“ erwähnt er, dass Richard Strauss von seinem von der üblichen Theaterschablone total abweichenden Inszenierungsplan für „Ariadne auf Naxos“ sofort eingenommen war. Die

1067 Gregor: S 288ff. 1068 Vgl.: Pietschmann: S 213. 308

Abweichungen bestanden unter anderem darin, dass der Orchesterraum in das Spiel mit einbezogen wurde. 1069

Gregor war an dem Ballett ebenso interessiert wie am Opernwerk. Sowohl Mahler als auch Weingartner hatten an diesem kaum Interesse. 1070 Durch Gregors Engage- ment des russischen Balletts unter Diaghilew ab 1912 – diese Abende fanden immer vor ausverkauftem Hause statt – wurde der allgemeine Ballettgedanke aufgewertet. Wenn diese Ballette auch etwas fremdartig wirkten – durch eingebaute nationale Elemente – so konnte das Wiener Ballettcorps sehr viel davon lernen: Unglaubliche Disziplin, großer Drill und absolute Präzision. 1071

Anlässlich der Ausstellung „Von der Hofoper zur Staatsoper“ (140jähriges Bestehen) im Jahre 2009, schrieb Peter Blaha: „Ein Opfer der Geschichte wurde hingegen Hans Gregor. Er brachte die Neufassung der „Ariadne auf Naxos“ zur Ur- sowie „Rosenkavalier“, „Parsifal“ und „Pelléas et Mélisande“ zur Wiener Erstaufführung. Er war es auch, der Maria Jeritza, Lotte Lehmann, Alfred Piccaver und andere Sänger engagierte, die zu großen Stars der Wiener Oper werden sollten. Selbst in den Jahren des ersten Weltkriegs, als „lebende Italiener und Franzosen“ nicht gespielt werden durften, somit auch nicht der in Wien so populäre Puccini, verlieh Gregor dem Haus Glanz und Würde. Doch der Zusammenbruch der Monarchie kostete auch ihn den Job. Die Ballettvorstellung am Nachmittag des 15. November 1918, Gregors letzter Arbeitstag, fand laut Plakat noch im k.k. Hofoperntheater statt, bei der abendlichen „Salome“ hieß es nur mehr Hof – Operntheater. […] Der neue Direktor hieß Franz Schalk.“1072

„Hans Gregor, als Mann des Rechenstifts verschrien, brachte siebzehn Neuheiten – besonders in der damaligen Zeit eine rekordverdächtige Zahl – darunter auch Franz

1069 Vgl.: Pietschmann: S 225ff. 1070 Vgl.: Matzinger, Ruth: „Die Geschichte des Wiener Balletts der Wiener Hofoper 1869 – 1918“; Wien, 1982, Diss. S 316ff. 1071 Vgl.: Ebd: S 298. 1072 Wiener Bühnenverein (Hrsg.): „Bühne“, Beitrag von Peter Blaha „Wo die Utopie am schönsten klingt“; Wien, Mai 2009, Heft Nr. 5, S9. 309

Schmidts „Notre Dame“. Das Werk erlebte in seiner Ära zweiundzwanzig Aufführungen, diese Inszenierung wurde bis 1923 gespielt.“1073

Nach monatelanger Einsichtnahme in die Originalunterlagen des Haus-, Hof- und Staatsarchivs und verschiedenster Veröffentlichungen kann man nur zu dem Schluss kommen, dass diesem Manne, Hans Gregor, mehr als Unrecht widerfahren ist. Er hatte Visionen, die er – kriegsbedingt – nur teilweise umsetzen konnte und seine Absetzung nach Kriegsende sollte eher politisch gesehen werden. Fast alle Theater, ob in Deutschland oder Österreich, wurden mit neuen Führungskräften besetzt, so auch das Hofburgtheater. Außerdem gehörte der letzte Generalintendant dem Kreis von Strauss und Schalk an. Schalk hatte sich bereits nach Weingartners Abgang Hoffnungen auf den Posten des Direktors des Hofoperntheaters gemacht.

„Hans Gregor war entschieden ein guter Direktor“; schreibt schlussendlich Heinrich Kralik. 1074 Dem kann man sich nur anschließen.

1073 Ottner, Carmen: „Oper in Wien 1900 – 1925, Symposion 1989, Beitrag von Gerhard Schmidpeter „Notre Dame“ und „Fredigundis“ – Stiefkinder der Opernpläne“; Wien-München, Doblinger Ludwig – Verlag, 1991, S 34ff. 1074 Kralik, Heinrich: „Die Wiener Oper“: S 75f. 310

13. Anhang In Abschrift: Zu Seite 75: Dienstes – Instruktion Für den Direktor des k.k. Hofoperntheaters Hans Gregor

§1 Der Direktor des k.k. Hofoperntheaters untersteht in seiner Wirksamtkeit der k.u.k. General-Intendanz der k.k. Hoftheater und hat die von letzterer im Sinner dieser Instruktion ausgehenden dienstlichen Anordnungen zu befolgen. Ihm ist das gesamte künstlerische Personale des k.k. Hofoperntheaters samt den Hilfsorganen, sowie das technische und Bühnendienst-Personale mit den Abteilungsvorständen und allen unterstehenden Organen untergeordnet.

§2 Die Wirksamkeit des Direktors besteht in der Leitung des Hofoperntheaters und unfasst insbesondere folgende Agenden: 1.) Die Zusammenstellung des gesamten künstlerischn und des für den technischen Bühnenbetrieb erforderlichen Personales, vorbehaltlich der Genehmigung der k.u.k. General – Intendanz. 2.) Die Auswahl der Novitäten, 3.) die Bildung des Repertoires, 4.) die Besetzung der Rollen, 5.) die gesamte Inszenierung der Werke, sowie die Festsetzung und oberste Leitung aller hiezu erforderlichen Arbeiten und Proben, 6.) die administrativen Geschäfte des k.k. Hofoperntheaters (88 8-12) soweit sie nicht direkt in den Wirkungskreis der k.u.k. General – Intendanz fallen.

§ 3 Das Wochenrepertoire ist sofort nach seiner Feststellung der General – Intendanz vorzulegen, welche sich jedoch nur beim Vorhandensein zwingender Gründe vorbehält, eine sich als notwendig darstellende Abänderung des Repertoires zu fordern. 311

Das Repertoire ist möglichst abwechslungsreich zu gestalten und hiebei auch auf die Abonnements- sowie auf die Kassenerträgnisse der Werke angemessene Rücksicht zu nehmen.

§ 4 Die Besetzung der Rollen, das ist sowohl die Übertragung einer Rolle des laufenden Repertoires von einem Mitgliede auf ein anderes, als auch die Rollenverteilung bei Novitäten und Reprisen, wird lediglich dem Ermessen des Direktors überlassen.

§ 5 Die Auswahl der Novitäten und Reprisen, sowie die Verhandlungen mit den Autoren oder deren Vertreter wegen Erwerbung des Aufführungsrechtes der Werke und der Lieferung des notwendigen Materiales, steht dem Direktor zu. Über das Resultat dieser Verhandlungen ist jeweils an die General – Intendanz zu berichten. Sobald die General – Intendanz die vereinbarten Bedingungen genehmigt hat, ist mit dem Autor oder dessen Vertreter ein Vertrag abzuschließen, welcher jedoch erst nach Ratifikation durch die General – Intendanz perfekt wird. Dem Berichte ist ein Textbuch behufs Vornahme der Zensur ein approximativer Voranschlag des Ausstattungserfordernisses anzuschließen. Derselbe Vorgang ist einzuhalten, wenn es sich um die Wiederaufnahme älterer Werke handelt und für selbe bedeutendere Neuanschaffungen erforderlich sind oder eine neuerliche Zensur rätich erscheint.

§ 6 Sobald die Inszenierung der Novität oder Reprise in bestimmte Aussicht genommen wird, ist ein detaillierter, von den berufenen Rechnungs-Kontroll-Organen mitzufertigender Kostenvoranschlag vorzulegen, welcher das Erfordernis für die einzelnen Anschaffungen genau auszuweisen und als Basis für die spätere Rechnungslegung zu dienen hat. Auch bezüglich sonstiger Anschaffungen für den laufenden Bühnendienst und dergleichen, sind die das Erfordernis bezeichnenden Eingaben rechtzeitig an die General – Intendanz zu leiten.

312

§ 7 Alljährlich und zwar längstens ein Monat nach Beginn der Saison – hat der Direktor, soweit es tunlich ist, der General – Intendanz ein Arbeitsprogramm für die laufende Saison vorzulegen, welches die bereits in Aussicht genommenen Novitäten oder Reprisen zu enthalten hat. Die Bestimmung der Reihenfolge, in welcher die Werke zur Aufführung gelangen sollen, bleibt dem Direktor überlassen. Alljährlich vor Eintritt der Ferien sind die in der nächsten Saison ablaufenden oder beginnenden Engagementsverträge, bezw. eintretenden Kündigungstermine u.a.m., eventuell auch die nach § 11 vereinbarten Gastspiele anzuzeigen. Überdies wird der Direktor behufs Evidentführung des Künstlerpersonalstatus, alljährlich – und zwar in der ersten Hälfte Dezember – über die im Laufe des nächsten Jahres im Stande des Solopersonales vorauszusehenden Änderungen, welche sich durch Lösung oder Verlängerung bestehender Verträge oder durch den Eintritt neuer Kräfte ergeben, sogenannte Veränderungsausweise der General – Intendanz vorzulegen.

§ 8 Der Direktor ist der Chef der Direktionskanzlei und unterzeichnet alle amtlichen Ausfertigungen derselben. Für den allfälligen Verkehr mit anderen Behörden hat er die Vermittlung der General – Intendanz anzusuchen. Er führt selbständig die gesamte artistische Korrespodenz mit Autoren, auswärtigen Bühnenkünstlern u.a.m. Dem Direktor ist für die Versehung der administrativen Geschäfte ein Sekretär beigegeben, der bei kürzeren Verhinderungen des Direktors diesen eventuell unter Hinzuziehung der artistischen Vorstände vertritt.

§ 9 In allen die artistischen Mitglieder, das Personale der Direktionskanzlei, den technischen und Bühnendienst betreffenden Personal-Angelegenheiten, als das sind: Engagements, Erneuerung oder Auflösung von Verträgen, Pensionierungen, Entlassungen, Gagenerhöhungen oder Reduzierungen, Disziplinar-Behandlungen, Straf- und Rollenabzüge Extrahonorare, Remunerationen, Aushilfen, Vorschüsse, Urlaube für mehr als drei Tage (bis zu welchem Ausmaße der Direktor eine Beurlaubung selbständig bewilligen kann), Mitwirkungen der Mirglieder bei Vorstellungen in Privattheatern und bei anderen Unternehmungen in Wien, hat der 313

Direktor die Anträge zu stellen und nach Maßgabe der von der General – Intendanz getroffenen Entscheidungen die erforderlichen Verfügungen zu treffen.

§ 10 Die Einleitung von Verhandlungen wegen neuer oder Verlängerung bestehender Engagements steht dem Direktor zu, doch bedarf er zum Übergange in konkrete Vertragsverhandlungen, das ist zur Vereinbarung der wesentlichen Vertragsbestimmungen der Zustimmung der General – Intendanz: letzterer ist überdies in dem ihr von Seiner Durchlaucht dem Herrn Ersten Obersthofmeister übertragenen Wirkungskreise die Ratifizierung der Vertragsurkunden vorbehalten. Bei solchen Verträgen, in denen ein Probegastspiel oder eine Kündigung zu einem bestimmten Termine oder ein Optionrecht vorgesehen ist, hat der Direktor den Antrag zu stellen, ob der unterlegte Vertrag in Kraft treten, bezw. ob von dem Kündigungsrechte oder aber von dem Optionsrechte der Direktion Gebrauch gemacht werden soll oder nicht. In wichtigen Fällen, die eine beschleinigte Behandlung erheischen, ist der Direktor ermächtigt, Seiner Durchlaucht dem Ersten Obersthofmeister direkt Vortrag zu erstatten, worauf er der k.u.k. General-Intendanz hievon Meldung zu machen hat.

§ 11 Gastspiele sollten in der Regel nur wenn sie auf Engagement abzielen stattfinden und sind, wie die unterlegten Engagementsverträge von der Genehmigung der General – Intendanz abhängig. Nur in dringenden Fällen, wenn infolge Verhinderung eines Mitgliedes, um Repertoirestörungen zu vermeiden, ein sogenanntes Aushilfsgastspiel notwendig ist, kann der Direktor die ihm geeignet scheinenden Maßregeln treffen und ist dann bloß die Anzeige an die General – Intendanz zu erstatten.

§ 12 Urlaube an Mitglieder oder vielmehr Absontierungsbewilligungen bis zu drei Tagen, kann der Direktor selbständig erteilen: längere Urlaube sind bei der General – Intendanz zu beantragen.

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§ 13 Die Bibliothek und das Archiv des Hofoperntheaters ist der Obhut und Benützung des Direktors übergeben. Es wird ihm das Recht eingeräumt, hiefür Anschaffungen von Werken bis zum Maximalbetrage von 600 Kronen jährlich zu machen. Zur Anschaffung eines einzelnen, mehr als 200 Kronen kostenden Werkes oder zur Erwerbung von Bühnenwerken, falls obige Summe von 600 Kronen in einem Jahr bereits überschritten wäre, ist die spezielle Bewilligung der General – Intendanz einzuholen. Die von dem Direktor gefertigten Rechnungen sind der General – Intendanz behufs Kasseanweisung vorzulegen. Der Direktor ist berechtigt, die nach seinem Ermessen für das Theaterwesen wichtigsten Zeitschriften zu abonnieren. Die abgeschlossenen Abonnements sind im Wege der General – Intendanz zur Anweisung zu bringen.

§ 14 Der Direktor ist verpflichtet, soweit es mit seinem künstlerischen und administrativen Wirkungskreise zusammenhängt, zu einer sehr sparsamen Verwaltung nach allen Kräften beizutragen, insbesondere alle übertriebenen Anforderungen des ihm unterstehenden Personales in Bezug auf Kostüme, Dekorationen, Requisiten u.s.w. mit aller Entschiedenheit zurückzuweisen. Die Bestimmung der ihrem Wesen und der bestehenden Übung nach in den sogenannten Tageskosten einer Vorstellung zur Verrechnung gelangenden Honorare und kleinen Auslagen für außerkontraktliche besondere Dienstleistungen und diverse sonstige Erfordernisse, steht – insoweit selbe nicht bereits normalmäßig fixiert sind – dem Ddirektor zu: doch wird ihm, namentlich auch in dieser Rubrik, die äußerste Sparsamkeit zur Pflicht gemacht. Der Direktor ist berechtigt, und verpflichtet, sich über den Gagenetat, die Tageskosten, den tatsächlichen Gebarungserfolg gegenüber den Präliminarien, den jeweiligen Kasastand u. dgl. in Kenntnis zu erhalten, zu welchem Behufe ihm auch von der General – Intendanz die jeweiligen Bilanzen, Gebarungsausweise, Präliminarien, Kassarapporte u. dgl. zur Einsicht zukommen werden. 315

Auf die Geldgebarung und wirtschaftliche Verwaltung des Hofoperntheaters, die von der General – Intendanz im eigenen Wirkungskreise geführt wird, nimmt der Direktor nur als Antragsteller Einfluss.

§ 15 In Fällen ganz besonderer Dringlichkeit, wenn eine selbst nur mündliche Zustimmung der General – Intendanz nicht mehr rechtzeitig einzuholen wäre, veranlasst der Direktor ausnahmsweise die notwendigen Vorkehrungen, hat aber sofort, unter genauer Darlegung der zwingenden Motive, die nachträgliche Genehmigung der General- Intendanz einzuholen.

§ 16 Bei einer längeren Verhinderung des Direktors, d.i. im Falle seiner Erkrankung, Beurlaubung u. dgl. trifft die General – Intendanz über Vorschlag des Direktors die Verfügung bezüglich seiner Stellvertretung.

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Zu Seite 76: 317 318

Zu Seite 120: In Abschrift: Zl 425/1914

Wien, am 22. März 1914

Herrn Dr. J u l i u s K o r n g o l d, W i e n, VI., Theobaldgasse 7.

Sehr geehrter Herr Doktor!

Sie haben heute in einem achtspaltigen Feuilleton über meine Direktionsführung zu Gericht gesessen. Ich vertraue, dass Sie „Richter“ genug sind, um auch den „Angeklagten“ – der schöne Vergleich stammt von Kerr – ein Wort zu gönnen, zumal wenn er Ihnen sagt, dass er sich lediglich aus Respekt vor Ihrer Person, die er bisher immer abseits von denen gestellt hat, die sich in Wien mit mehr oder minder Beruf über künstlerische und nicht künstlerische Dinge zu äussern pflegen, „verantworetet“, und dass diese Zeilen darum auch nur dem persönlichen Gebrauche bestimmt sind.

Nichts für ungut, wenn ich etwas verlegen nach einem Anfang suche: Ich bin Neuling in solchen Verteidigungsreden, denn es ist wörtlich genommen, das erstemal, dass ich einem ernsten Kritiker ernsthaft in dem Arm falle – und vielleicht tue ich es auch nicht wieder. Sie beginnen mit einem Schiller-Zitat. Ich bin überzeugt, der wohlangesehene „Akademische Verband für Literatur und Musik“ hätte sich in seiner ihn gewiss zierenden Bescheidenheit niemals träumen lassen, dass die Wiener Presse seinen Enunciationen solche Ehrungen erweisen würde. Kennen Sie den „Akademischen Verband für Literatur und Musik“? Mir sind unerbetene Schilderungen über diese Repräsentanten der „deutschen Jugend“ auf den Tisch geflogen. Danach zu schliessen, bedankt sich die deutsche Jugend für diese Repräsentation. 319

Un dann: Ich bin selbst Student gewesen, hätte es aber niemals in einer politisierenden Studentenschaft ausgehalten. Junge Leute, denen der Wind noch nicht um die Nase gegangen ist, - das war schon als junger Mann mein Grundsatz – (ich weiss nicht, ob da unsere Ansicht sich trennen) sind nicht berufen, sich in die Geschäfte reifer Männer zu mischen. Und was von der Politik gilt, gilt auch von anderem, und es müsste um meine Achtung vor meinem Stand und vor der Summe von Erfahrungen, die mein Beruf erfordert, schlecht bestellt sein, wenn ich jedem hergelaufenen Springinsfeld eine Ingerenz auf meine Entschliessungen einräumen wollte. Und würden Sie es nicht auch von Ihrem Standpunkte aus – na sagen wir einmal – deplaciert finden, wenn demnächst – denn solche Beispiele machen ja immer Schule – ein ander jungdeutscher Verband eine Kritik der Wiener Kritik schreiben würde? Sie zitieren einen Ausspruch von mir, geehrter Herr Doktor; Pardon, Sie zitieren ihn falsch. Dies zu erklären muss ich etwas weiter ausholen. Fräulein Elsa Bienenfeld, deren besonderer Sympathie ich mich, wie Ihnen nicht verborgen geblieben sein wird, erfreue, hatte so um die Jahreswende herum das Bedürfnis, mir einige Artigkeiten zu sagen. Unter diesen befand sich auch das Wort, dass ich die Hofoper zum „schlecht gehenden Geschäftstheater“ degradiert habe. Der Zufall wollte es nun, dass mich bei einer letzten Anwesenheit in Berlin der Berliner Korrespondent des „Neuen Wiener Journal“ um ein Interview bat. Ich lehnte ab. Er wurde dringlicher, und wies mir eine Depesche vor, die den striken Auftrag enthielt, mich lebend oder tot zum „Mitarbeiter“ des „Neuen Wiener Journal“ zu gewinnen. Der Gedanke amüsierte mich, gerade weil es sich um das „Neue Wiener Journal“ handelte. Ich sagte: „Aber ich habe Ihnen gar nichts interessantes und gar nichts neues zu erzählen, oder vielmehr, das was ich Ihnen erzählen könnte, können gerade Sie nicht schreiben.“ Der Korrespondent kannte aber seine Redaktion besser als ich und verschaffte meinen von A bis Z auf die eigene Kunstreferentin gemünzten satirischen Glossen Aufnahme. Ich habe, so bedauerlich diese journalistische Selbstentäusserung vom Standpunkte des Kritikers der betreffenden Zeitung ist, niemals zuvor in Wien so herzlichst gelacht, als damals, da ich mein Interview zu Gesicht bekam. 320

Ich ersehe n u n aus der Sache zweierlei: Erstens, dass Fräulein Bienenfeld, im Gegensatze zu mir, mit Ausschluss der Öffentlichkeit schreibt, denn Sie und alle, die mich bisher zitierten, scheinen nur mich, nicht aber Fräulein Bienenfeld, gelesen zu haben; denn der Zusammenklang von Fräulein Bienenfeld und von mir hätte sonst ganz gewiss auf die richtige, mich nicht kompromittierende Betonung geführt; zweitens, dass mein Humor leider zu schwach bestellt sein muss, um mich vor mir selber zu schützen: man nimmt mich auch selbst im „Neuen Wiener Journal“ ernsthaft. Das hätte ich bei aller schuldigen Hochachtung vor mir, selbst niemals getan. Doch ohne Scherz und ganz beiseite, ob der Ton auf das Adjektivum oder auf das Substantivum gehört: Was entrüstet Sie? Können Sie mir ein Theater der Welt, ich sage der W e l t, nahmhaft machen, das kein Geschäftstheater ist, das nicht Geschäfte machen will, Geschäfte machen muss um bestehen zu können? Nur dem Grade nach gibt es in dieser Hinsicht Differenzierungen, nicht dem Prinzipe: Das subventionierte Theater darf sich larger in seinen Repertoire-Ambitionen gerieren, als ein nicht subventioniertes. Aber, um das Defizit zu bestreiten, das ein Wochen-Repertoire nach dem Herzen des „Akademischen Verbandes für Literatur und Musik“: Fidelio, Freischütz, Barbier von Bagdad, Die Zähmung der Widerspenstigen, Die lustigen Weiber von Windsor, Iphigenie in Aulis, Die Rose vom Liebesgarten, u.s.w., u.s.w., einbringen würde, reicht die grösste Subvention nicht aus. Und Ferner. Für wen spielt das Theater, für wen mühen sich die Künstler? Für das Publikum, das bei diesem Repertoire nicht kommt? Oder für die leeren Sitzreihen? Oder zur höheren Ehre des Hauses? Nichts wohlfeiler, als auf Kosten eines anderen, der die Kriegssteuern bezahlen muss, literarisch erscheinen zu wollen! Und dann, vergessen Sie, bitte, doch eines nicht – ich spreche ernsthaft –: Die gesteigerten Fleischpreise! Jahn, Mahler hatten es noch verhältnismässig leicht, weniger wählerisch bei der Repertoire-Bildung zu sein. Wissen Sie aber, was h e u t e die Solisten, das Orchester, die Chor-Körperschaft, das technische Personal, der Quadratmeter bemalte Leinwand kosten, und wie sich damals die Gagen-Verhältnisse stellten?! 321

Die Einnahmefähigkeit ist aber fast begrenzt an die Raumverhältnisse gebunden, und einer Preissteigerung der Plätze werden Sie doch ganz gewiss nicht das Wort reden wollen! Die im Voranschlage präliminierte Einnahme für jede Vorstellung muss darum zur Deckung der Kosten von Jahr zu Jahr höher werden, und die Folgeerscheinung davon, auf die ich die zustelligen Faktoren häufig genug schon aufmerksam gemacht habe, muss – leider Gottes – muss ganz richtig ein künstlerisches Defizit sein, d.h., die im Theater-Jargon als „Hausleerer“ bezeichneten Werke haben zugkräftigeren mehr und mehr Platz zu machen. Aber -- kennen Sie Berlin? Kennen Sie München, Dresden, Paris, London? Ist das etwa an anderen Plätzen anders? Darum sollten nach meinem Dafürhalten Männer, die doch gewiss nicht als solche gelten wollen, die weltfremd im Leben stehen, nicht posieren, und von der „gebieterischen Notwendigkeit der Abwehr“ sprechen, wenn jemand, oder wenn selbst ein Bühnenleiter von seiner eigenen Bühne sagt: „Vergessen wir nicht, das wir auch um Geschäfte zu machen da sind!“ Dann halten wir doch nicht die beiden Augen gewaltsam verschlossen! Handeln denn andere Kulturfaktoren nicht nach derselben Regel? Nehmen wir, z.B., die Zeitungen an! Die „Neue Freie Presse“ zum Beispiel! Die „Neue Freie Presse“ hat in ihrer heutigen Nummer 74 Druckseiten. Wollen Sie, sehr geehrter Herr Doktor, nachzählen, wie viele Seiten davon Kulturaufgaben erfüllen, und wie viele den Annoncen, also dem schnöden Verdienen, gewidmet sind! Ich, für meine Person, bin einsichtig genug, mir zu sagen, die „Neue Freie Presse“ kann eben halt ohne diesen Annoncenteil, er mag so unkulturell sein, wie er wolle, nicht bestehen, und, um mich der Existenz der „Neuen Freien Presse“ auch in Zukunft zu erfreuen, muss ich diese – Knochenbeilage mit in Kauf nehmen. Nun kommen Sie und wollen die traurigen Folgen eines verwerflichen Systems mit der Behauptung erweisen, die Hofoper gienge schlecht. Woher wissen Sie das, Herr Doktor? Wäre es selbst der Fall, gienge die Hofoper in der Tat schlecht, so könnte dies bei der Kenntnis der allgemeinen wirtschaftlichen Depression einen billig Denkenden nicht in Erstaunen setzen. Oder glauben Sie etwa, dass andere Theater in Wien, in Österreich, in Europa – ich bin gut orientiert – 322 besser gehen? Klagen nicht alle Stände über schlechte – darf ich das Wort gebrauchen – Geschäfte? Warum sollte gerade das Theater eine Ausnahm finden? Und wenn Sie an den wenigen, relativ wenigen, Abenden an denen Sie selbst Besucher waren, nach dem Augenschein urteilen sollten, und etwa heute mit früher, oder die Hofoper mit einem anderen Theater vergleichen wollten, - was wissen Sie, wie viele Freibilletts früher oder in jenen anderen Theater zur höheren Ehre des Hauses verteilt worden sind: Im Hofoperntheater gibt es heute keine Freikarte mehr. Sie klagen, dass die Ensemblekunst im Hofoperntheater mehr und mehr schwinde. Niemand beklagt dies tiefer als ich, als, mehr oder minder, jeder Bühnenleiter. Würden Sie ein wenig mehr draussen, ausserhalb Wiens, Umschau halten, so würden Sie sehen, dass nicht die kräftigsten kritischen Mahnworte, nicht die mächtigsten Arme des Bühnenleiters, diesem Umstande steuern können. Der Künstler von nur ein wenig mehr als Ddurchschnittsbedeutung, ist nicht mehr für eine einzige Stadt zu fesseln. Die besseren Bahnverbindungen, die namenlose Konkurrenz auf dem Theatermarkte – schon wieder gebrauche ich einen Geschäftsausdruck – der Drang nach Ruhm u n d – Geld , treiben ihn auf die Landstrasse, und gar Wien mit seinem bescheidenen Fremdenverkehr, den Sie gerade von Ihrem Standpunkte, nach dem Beispiel München, heben und stützen könnten, bietet ihm wenig verlockendes. Zeigen Sie mir, und das müssten Sie doch, wenn mich aus diesem Umstande ein Vorwurf treffen soll, das Theater, die Stadt, wo es anders wäre! Sie träumen sich zurück in längst vergangene, glückselige Postkutschenzeiten, doch damit kann man in der Praxis nichts anfangen. Sie und das Wiener Publikum werden sich, wie die Berliner, die Dresdner, die Münchner, daran gewöhnen müssen, dass die Weidt, Miller, Piccaver, Baklanoff, auf Grund ihrer vertraglichen Rechte, und ohne diese Rechte gibt es eben keinen Vertrag mit ihnen, Proben Proben sein lassen, und ihr Rollenstudium, wenn sie fleissig sind, im Eisenbahncoupé oder in fremden Hotels besorgen, sind sie es aber nicht, hier die Repertoirebildung stören: und dass wir Bühnenleiter – das ist gewiss traurig, ich sagte es schon – Kompromisse, nichts als Kompromisse machen und in Angst und Schrecken leben müssen, dass alles klappt und kein böser Dämon uns einen Streich spielt. Das sonderbarste aber ist: Sie machen mich für Sünden meiner Vorgänger, wenn solche Mitgliederverträge sündhaft sind, verantwortlich. Ja, Sie haben mir schon bei 323 einem früheren Anlasse in Bezug auf Urlaubserteilung unbegreifliche Schwäche vorgeworfen. Sind Frau Weidt, Frau Mildenburg, Herr Miller, Herr Schalk, von mir engagiert worden? Trauen Sie mir in der Tat zu, dass ich mehr in dieser Hinsicht tue, als wozu mich Verträge zwingen? Ja, eben der Umstand, dass ich mit jenen aus der Mahler-Weingartner-Zeit stammenden Gepflogenheiten brach, dass nun nicht jeder Verein, jedes Vereinchen, mehr „unter gütiger Mitwirkung eines Hofopernsängers“ sein Stiftungsfest feiern, auf Kosten der Hofoper wohltätig sein darf, hat mir im Betriebe und nach aussen Gegnerschaft genug eingetragen. Leider hat auch da die Wiener Presse immer nur hemmend, nie fördernd gewirkt, und stets und ohne Ausnahme bei Disziplinlosigkeiten sich des armen bedrückten Künstlers angenomen. Aber verlassen Sie sich darauf, verehrter Herr Doktor, bei mir wird gearbeitet. Von den Diensten Schalks habe ich freilich nur einen beschränkten Nutzen: seine Interessen sind zu stark ausserhalb des Hauses gebunden. Aber der von mir engagierte Herr Reichwein, und der neue verpflichtete Herr Reichenberger tun das menschenmöglichste. Wenn sie nicht mit dem Umfange und mit dem Erfolge schaffen können, den ich und gewiss auch sie wünschen, so liegt das wiederum an den schon oben angedeuteten Verhältnissen, und wiederum daran, dass die Wiener Presse und das Wiener Publikum durch seine blinde Zuneigung für seine Lieblinge in diesen den Hang zur Zuchtlosigkeit stärkt, dann aber, wenn sie den künstlerischen Schaden gewahren, die Hände in Unschuld zu waschen suchen. Wer verdirbt, z.B. um mal blos von dem zu sprechen, das Wiener Orchester? Ich sage es unumwunden und frei: Sie Herr Doktor, und alle, die bei der passenden und unpassenden Gelegenheit Primadonnenlaunen wecken. Das Orchester übt heute schon eine ganze Tyrannis auf den Betrieb aus, denn das Orchester ist mehr als eine Primadonna, die ich am Ende, wenn sie renitent und eigenwillig sein sollte, ausschalten kann. Das Orchester ist eine Macht, die von allen verhätschelt wird, und im Bewusstsein ihrer Sonnenhöhe glaubt, der fleissigen Arbeit entraten zu können. Beobachten Sie nur einmal die Herren, wenn es sich, selbst angesicht der hehrsten Kunstaufgabe, um die kleinste Selbstentäusserung handelt, wie geschlossen die Herren dann reagieren! Beobachten Sie ihre Arbeitsfreudigkeit, wenn es eine 324

Störung auf der Szene gibt und eine Stelle repetiert werden muss, oder wenn die Probe, Gott behüte, um ein Uhr noch nicht beendet ist! Guarnieri hatte gut reden, er wolle den Herren beibringen, wie sie „Tosca“, wie sie „Rigoletto“ spielen müssten. Doch der Abgang Guarnieri’s belastet ja ebenfalls nach Ihrer Ansicht mein Konto. Sie repetieren die Fabel, Guarnieri sei wegen Verweigerung einiger Proben flüchtig geworden. Glauben Sie wirklich an diese Sinnlosigkeit? Warum vergass er dann seinen Vorschuss zu begleichen, seine Wohnungsmiete und seine Lieferanten zu bezahlen? Aber so geht es in gewissen Kreisen hier! Nichts ist so abgeschmackt, selbst die Ausrede eines Rechtsanwaltes nicht, der mit Mühe nach einem Milderungsgrunde für das straffällige Verhalten seines Klienten sucht, und eine gelegentliche im Unmut hingeworfene Bemerkung für seine Zwecke aufgreift: sie kolportiert und kolportiert, bis sie selbst ernste Männer als lautere Wahrheit hinnehmen. Alle diese Dinge aber zu berichtigen entspricht weder meiner Würde, noch erlaubt mir, offen gestanden, meine freie Zeit diesen Luxus. Auf derselben Höhe steht das andere Märchen, das Sie reproduzieren: „Der Chordirektor hatte dem neuinszenierten „Prophet“ zum rettenden Profeten werden müssen.“ Dieser Chordirektor war kein geringerer als der Hofkapellmeister Luze, der ranglich übrigens selbst über den Kapellmeister Schalk, Reichwein und Reichenberger steht, und der unter dem von Ihnen hoch gewerteten Mahler-Regime eine ausgiebige Dirigentenpraxis am Hofoperntheater ausübte, und heute lediglich deshalb, weil ihm neben seinem anspruchsvollen Hofdienste die Sorge um den Chor in erster Reihe anvertraut ist, hier nicht mehr am Pulte erscheint: Zeigen Sie mir, bitte, das Theater der Welt, das einen solchen Reservemann zur Verfügung hat, und die Presse, die einen in angesehener Kunststellung, stehenden Mann nur um einen anderen, den sie treffen will, solch kränkendes Unrecht zufügt. Da wir aber gerade bei der Kapellmeisterfrage angelangt sind: Sie behaupten, ohne auch nur den geringsten Beweis dafür erbringen zu können, der Lösung dieser Frage sei nach dem Abgange Walter’s, dem Sie selbst, wie Sie sich entsinnen werden, die Türe aufriegeln halfen, nicht die grösste Aufmerksamkeit zugewendet worden. 325

Sie wissen, oder sollten wissen, dass trotz aller Bemühungen meinerseits von den wenigen noch lebenden ganz grossen Meistern am Pulte keiner für Wien abkömmlich war. Nun I h r e Kanditaten: BRECHER, ein Faiseur und Poseur, der schlimmste neben Vigna, den ich kenne. Wehe mir! Den hätte ich nach seinem unvergleichlichen Durchfall in München bringen sollen: Der Sturm im Wiener Blätterwalde! HESS: Schon in , da ich mit ihm Verhandlungen anknüpfte, war er nach München gebunden. Die Münchner sahen der Tätigkeit Walter’s mit sehr geteilten Erwartungen entgegen, und wollten auf Hess, der als Münchner beim Gastdirigieren einen schönen Erfolg hatte, nicht verzichten. Unmöglich mit ihm abzuschliessen, zumal Hess selbst sich anscheinend in seiner Vaterstadt geborgener fühlte als anderswo. MIKOREY war bei mir ehedem (Elberfeld) engagiert. Sie werden mir darum wohl ein Urteil über ihn zutrauen, und ist zudem, wenn ich schon die Salzburger Katastrophe übergehe, unter Mahler an der Wiener Hofoper energisch abgelehnt worden. Er sitzt in Dessau und wird und soll dort bleiben. POLLAK war schon einmal mein Kandidat für einen Dirigentenposten an der Komischen Oper – bevor, ich nach Bremen mir ihn ansehen gieng: Glauben Sie im ernste – oder kennen Sie ihn nicht? – dass dieser kalte, grobkörnige Routinier der Profet am Pulte gewesen wäre? Soll ich Ihnen auch ein Sprüchlein über ZEMLINSKY, über BODANSKY sagen! Und Pfitzner?! Ich kenne Pfitzner sicherlich länger als Sie, und habe für ihn mehr getan, als Sie wohl jemals Gelegenheit haben werden für ihn zu tun, denn ich habe, z.B., ihn bei seiner Arbeit an „Die Rose vom Liebesgarten“ encouragiert, und habe das Werk (Hoch lebe mein künstlerisches Unverständnis) als erster Bühnenleiter herausgebracht. Aber Pfitzner als Dirigenten, als musikalischen „Coadjutor“ ? – Nein, ich danke! Sie haben gewiss nur sehr einseitige Berichte aus Strassburg empfangen, dennn sonst ------Und nun Ihre Repertoir-Monita: Verzeihung, aber ich fürchte, ich bin Ihnen auch da über! „Ariane und Barbe bleue“ war sofort nach meinem Berliner „Pelleas“-Erfolge für meine Komische Oper vorgemerkt. – Sie haben Recht: das schickte sich – hier aber 326 bereits von Herrn Rainer Simons erworben und aufgeführt, als ich meinen Dienst antrat. Kollege Simons hätte dieses delikate Werk, das bei ihm nur deplaciert war, beruhigt dem Hofoperntheater überlassen können. Was wollen Sie? Er hatte es anders vor. Der letzten BUSONI-Première – oder war es gar die Dernière?, denn das Werk erlebte, glaube ich, nur zwei Aufführungen – wohnte ich in Hamburg bei.Was hätte das Wiener Publikum, das mir, wie auch Sie es tun, bei Schreker’s „Spielwerk“ Mangel an Verständnis vorwarf, zu dieser Komposition gesagt? Für „Boris Godounoff“ – Sie haben Pech mit Ihren Beispielen – habe ich schon vor etwa acht Jahren mich um eine deutsche Neuübersetzung in Paris bemüht. Die technischen Anstände gegen „Ariadne auf Naxos“ dürften Ihnen, als einer, der Wiener Hoftheaterverhältnisse kennt, nicht fremd sein, und den neuen CHARPENTIER habe ich mir schon in der zweiten Pariser Aufführung angehört. Dass ich ihm mit willigem Ohr und willigem Auge beizukommen versuchte, sollte schon der Umstand erweisen, dass ich „Julien“’s Vorgänger, „Louise“, zur deutschen Uraufführung brachte, und – fragen Sie Neitzel – keine Ruhe gab, bis er sich an die Übersetzung machte. Inzwischen ist „Julien“, wie ich nebenbei bemerken möchte, in Amerika durchgefallen. Das beweist indessen noch nichts, und darum klappe ich auch heute die Akten über dieses Werk nicht vor der Leipziger ersten deutschen Aufführung zu. Nun aber schmälen Sie – und damit komme ich leider auf ein persönliches Gebiet – meinen theaterfachmännischen Blick und speziell mein Kunstverständnis im allgemeinen. Dagegen lässt sich ja nun freilich nur schwer objektives Beweismaterial erbringen: Sie finden den „Fernen Klang“, den Sie ja doch wohl hoffentlich so genau wie ich kennen, besser als das „Spielwerk“, -- ich bin der gerade gegenteiligen Ansicht und mit mir Walter, der mich auf Schreker aufmerksam machte, Frankenstein, Paul Bekker. Und – last not least – der Komponist selbst, „Das Spielwerk“ ist jedenfalls eine Einheit, bei dem „Fernen Klang“, besteht, für mich wenigstens, eine unüberbrückbare Divergenz zwischen Buch und Musik. Das weniger mystisch und weniger schwer gehaltene „Ferne Klang“ – Drama hat dem Werke da und dort einen Achtungserfolg verschafft; hier und in Frankfurt hat ein liebloses Publikum ein 327 ernstes, grosses, ehrliches Kunstwerk in ein frühes Grab gebracht, aus dem es vielleicht noch, so hoffe ich, einmal wiederauferstehen wird. Für Pfitzner’s „Rose vom Liebesgarten“ habe ich nämlich in Elberfeld auch nur Spott geerntet, bis dann Mahler nach Jahren in Wien mich rehabilitierte. Doch das alles streift nur die Kardinalfrage; meine Geeignetheit für den Posten, den ich inne habe, und wird Ihnen, der Sie mich mit lässiger Handbewegung beiseite schieben möchten: Er ist kein Musiker, ist kein Künstler, nie und nimmer etwas beweisen. Auch nicht der Umstand wird es tun, dass ich doch in gewissem Sinne eine künstlerische Vergangenheit habe, die Sie allerdings nicht kennen oder nur vom Hörensagen kennen; nicht, dass ich mich mehr als einmal in Serien von Aufsätzen künstlerisch ausgesprochen habe – denn Sie haben von mir, scheint es, eben nur das letzte Berliner Interview gelesen -; nicht, dass zahlreiche künstlerische Taten – ich weiss nicht, ob es Ihnen bekannt ist, dass, z.B. auch „Samson“ und vieles mehr mir seinen Weg nach Deutschland und Österreich verdankt – in gewissem Sinne für meine künstlerische Qualifikation den Wahrscheinlichkeitsbeweis erbringen; nicht Auslassungen ganz angesehener Musiker und Komponisten, die mich bei der Arbeit gesehen – fragen Sie Reznizek, lesen Sie, was verflossene Woche, eben im Neuen Wiener Journal, Waghalter über mich zu erzählen weiss -; nicht Krebs und die Berliner Kritiken brauchten Ihnen massgebend zu sein; auch nicht die zahlreichen Nekrologe bei meinem Abgange von Berlin, von welchen ja einer der ehrenvollsten selbst in der „Neuen Freien Presse“ erschien; nicht einmal die doch immerhin recht glücklichen Engagements von Piccaver und Frau Jeritza; nicht das endlich, was Sie selbst von mir als künstlerische Arbeit gesehen haben! Sie missachten meine Künstlerschaft. Das soll Ihnen nicht verdacht sein, wenn ich auch bei dem von Ihnen gewählten „Bohème“-Beispiel sagen muss, dass Sie sich mit Ihren Ausführungen im striktesten Gegensatze zum Komponisten des Werkes befinden, der Ihre Ansichten mit aller Energie – und da rede ich nicht aus dem blauen Dunst – als falsch zurückweisen würde. Und theaterkundige Komponisten, wie Carpentier, Puccini, Debussy, sollten doch wohl dafür massgebend sein, wie sie ihre Werke vor das Publikum gebracht sehen wollen. Aber Sie gehen zu weit, wenn Sie aus Vorurteilen oder aus Unkenntnis den gewissenhaften Chronikeur ausseracht lassen! 328

Sie waren nicht häufig genug in der Hofoper, um sagen zu können, wir hätten nichts, z.B. für Verdi getan. Darum hören Sie jetzt, bitte, von mir: Wir haben Verdi, und wir haben fast alle Werke des laufenden Repertoires „beledert“, und vielleicht gründlicher beledert, als es durchgängig bei Mahler geschehen ist, von dem ich ja doch, Gott sei Dank, auch einige Vorstellungen kenne. Wann sahen Sie zum letztenmale „Die verkaufte Braut“, „Die heilige Elisabeth“, „Rigoletto“, „Traviata“, „Maskenball“, den „Evangelimann, u.s.w., u.s.w.? Freilich geschah dies unserseits ohne viel Reklame, geschah in stiller, selbstverständlicher Arbeit. Ja, noch mehr, ich habe selbst die Vorwürfe, dass nichts geschehen, nichts getan sei, immer eingesteckt, von allen – ausgenommen heute von Ihnen! Warum? Das sagte ich anfangs. Und weil ich an Sie die Frage richten möchte: Sind Sie denn, der so soverän die Menschen mit Etiketten versieht: „Künstler“ und „Nichtkünstler“, „Musiker“ und „Nichtmusiker“, in Ihrem Sinne ein Musiker? Sie waren, so viel mir bekannt, vordem Rechtsanwalt, ich Ingenieur. Ich weiss nicht, ob das juridische Kolleg ein besserer Vorkursus auf den Musiker ist, als der Zeichensaal in der technischen Hochschule! Ich denke aber, - und Sie sehen daraus, ich bin weit objektiver als Sie – Sie werden ebenso wie ich, erst in den späteren Lebensjahren die Ellenbogenfreiheit bekommen haben, Ihrem eigentlichen Lebensziele nachzustreben. Deklassiert das Sie – oder (pardon) mich als Musiker? Macht Sie und mich dieser Umstand ungeeignet für unsere Aufgaben? Ich bitte Sie herzlichst, Herr Doktor, ich bitte Sie, machen Sie doch die Brust auf! Sie sind nicht die Bienenfeld und nicht der Dr. Graf! Wozu soll ich noch andere Namen nennen? Sie kennen gewiss Wiener Dinge genau so gut und b e s s e r als ich, und wissen, warum ich – denn Sie haben ja das hässliche Beispiel einer hässlichen Opferung im Hause – in gewissen Zirkeln nicht persona grata bin. Aber gerade dieser Umstand sollte mir, müsste ich meinen, die Achtung aller anständigen sichern, und mir nicht Nachsicht, den dafür bedanke ich mich, aber eine gerechte, vorurteilslose Behandlung bei den Wissenden eintragen. Meine Selbstachtung – darauf dürfen Sie sich verlassen – meine Meinung, was ich kann, und wer ich bin, zerstört mir doch kein fremder, und wenn man mich aus Wien wegtreibt, blamiere nicht ich mich, sondern blamiert sich Wien! 329

Genehmigen Sie, sehr verehrter Herr Doktor, die Versicherung der besten Hochachtung Ihres ergebenen

P.S. Nun habe auch ich ein achtspaltiges Feuilleton geschrieben! Doch will ich keine Weiterungen, und dispensiere Sie darum feierlichst von einer Beantwortung meines Briefes.

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Zu Seite 126: 991 In Abschrift:

Wien, 2. Jänner 1915. Euer Durchlaucht!

Anlässlich der bei einer mündlichen Rücksprache mit Euer Durchlaucht erhaltenen Weisung, betreffs eventueller Wiederaufnahme des vollen Spielbetriebes am k.k. Hofoperntheater, habe ich zunächst ein technisches Gutachten in dieser Hinsicht vom Bühneninspektor BENNIER eingefordert, das ich in der Anlage gehorsamst überreiche und dem ich gleichzeitig auch mit voller Überzeugung beitrete. Nach diesem Gutachten erwächst vor allen Dingen die Sorge wegen einer beträchtlichen Personalergänzung, die ich bei nachfolgender kassentechnischen Berechnung entsprechend berücksichtigte. Bei Durchführung dieser Berechnung sollen zwei Gesichtspunkte zur Grundlage dienen: A. Das künstlerische Personal tritt im Augenblick der Wiederaufnahme des vollen Betriebes in den vollen Genuss seiner Bezüge.

B. Den Solisten werden nur 50% der Funktionszulage bewilligt. Die monatlichen Mehrausgaben im Falle A. Würden alsdann sein: Differenz zwischen den reduzierten und den normalen Bezügen der Solisten …………………………………………….42.000 K. Tageskosten-Differenz……………………………………………. 3.200 K Lohn für neu aufzunehmende 40 Arbeiter ( 6 K. pro Mann und Tag) ……………………………………………………. 7.200 K Vorausgaben zur Kompletierung des technischen Per- sonalstandes 10.800 K. (vergleiche Pkt 5 der BENNIER’schen Ausführungen) auf die restlichen 4 Spielmonate repartiert, 331 d.i. pro Monat …………………………………………………….. 2.700 K. Tantiemen ………………………………………………………… 3.500 K. Spielgelder für die artistischen Körperschaften ………………. 6.100 K. Beleuchtung ………………………………………………………. 4.300 K . Summer der Mehrausgaben pro Monat …………………69.000 K.

Das Hofoperntheater hat in den beiden vergangenen Monaten November und Dezember circa 66.000 K in jedem Monate eingenommen, das ergibt bei 17 Spieltagen pro Monat eine durchschnittliche Tageseinnahme von circa ………………………………………………………….. 3.900 K. Um kein schlechteres Ergebnis zu erzielen, müssten nach vorstehender Aufstellung eingenommen werden: Bisherige Monatseinnahme ……………………… 66.000 K. Mehrsausgaben pro Monat für den Fall A. …….. 69.000 K. Somit zusammen pro Monat ……………………. 135.000 K d.i. pro Tag bei 30 Spieltagen …………………………………… 4.500 K. Das würde also besagen, dass wir bei 30 Vorstellungen im Monate täglich circa 600 K. mehr Einnahmen erzielen müssten! Eine Steigerung der täglichen Einnahmen bei Vermehrung der Spieltage anzunehmen, ist aber kaufmännisch unzulässig. Ferner aber darf nicht vergessen werden, dass eine derartige Bareinnahme von 4.500 K bei den derzeitigen reduzierten Preisen überhaupt nicht zu erreichen ist.

B. Differenz der jetzigen reduzierten auf die um 50% der Funktionszulage erhöhten Bezüge der Solisten………….. 21.000 K. Tageskosten………………………………………………………. 3.200 K. Lohn für 40 neu aufzunehmende Arbeiter ……………………. 7.200 K. Vorausgaben zur Kompletierung des techn. Personales ……. 2.700 K. Tantiemen ………………………………………………………… 3.500 K. Spielgelder der artistischen Körperschaften ………………….. 6.100 K. Beleuchtung ………………………………………………………. 4.300 K Summer der Mehrausgaben pro Monat ………… 48.000 K 332

Nach vorstehender Aufstellung B müsste eingenommen werden: Bisherige Monatseinnahme ……………………. 66.000 K., pro Tag 3.900 K. Mehrausgaben pro Monat für den Fall B. 48.000 K. Somit zusammen pro Monat ……………………114.000 K. d.i. pro Tag bei 30 Spieltagen ………………………………………….. 3.600 K. d.i. um 300 K. weniger als die bisherige durchschnittliche Tageseinnahme. Da, wie oben erwähnt, bei einer Vermehrung der Spieltage eher eine Herab- minderung als eine Steigerung des täglichen Besuches zu erwarten ist, so könnte mithin bei einer Beurteilung der Vorteile, welche die beiden vorstehenden Berechnungen bieten, vom rein kassentechnischen Standpunkte aus lediglich die Durchführung der Eventualität B ins Auge gefasst werden.

II. Obgleich ich der Meinung Euer Durchlaucht in Bezug auf Wiederherstellung der normalen Eintrittspreise während der Kriegsdauer kenne, sei es mir zum Schlusse noch erlaubt, eine Rechnung für jende Situtation aufzumachen, die sich ergibt, wenn in Hinkunft das Hofoperntheater wie bisher viermal wöchentlich, dafür aber bei normalen Preisen spielen würde. Die einzige Mehrbelastung würde alsdann die Mehrausgabe für die Bezüge der Solo- mitglieder sein, die je nachdem A die vollen Bezüge …………………………………………………… 42.000 K. oder B nur 50% der Funktionszulage ……………………………………… 21.000 K. bewilligt werden, 42.000 bezw. 21.000 K. pro Monat beträgt. Bei diesem Betriebe würde erzielt werden müssen: Im Falle A Bisherige Tageseinnahme ……………………………………………. 3.900 K. Die Mehrausgabe von 42.000 K für die Bezüge der Solo- mitglieder auf 17 Spieltage repartiert, macht pro Tage ……………. 2.400 K. zusammen 6.300 K.

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Im Falle B Bisherige Tageseinnahmen …………………………………………… 3.900 K. Die Mehrausgaben von 21.000 K für 50 % der Funktions- zulage der Solisten auf 17 Spieltage repartiert, macht pro Tag ………………………………………………………….. 1.200 K. zusammen 5.100 K. Wenn man in Erwägung zieht, dass das Präliminare für die Monate Jänner, Februar, März, April 6.000 K., bezw. 6.200 K. erforderter Tageseinnahmen bei siebenmaligem Spielen pro Woche vorsieht, so scheint zwar die Eventualität A unerschwinglich, die durch die Berechnung B hingegen bedingte Einnahme, in Anbetracht des Umstandes, dass im Hofoperntheater nur viermal in der Woche gespielt wird, durchaus rationell. Ich möchte nicht verfehlen hinzuzufügen, dass, um nicht neuerliche Misstimmungen im Solopersonale zu provozieren, bei Wiederherstellung des täglichen Spieles im Hofoperntheater, nach meinem unmassgeblichen Dafürhalten, trotzdem sie vom kassentechnischen Standpunkte, wie oben ausgeführt, nicht vertretbar ist, die Ent- scheidung Euer Durchlaucht wohl kaum anders als auf die Eventualität A fallen könnte, weil der grossen Mehrheit der Mitglieder schwer verständlich zu machen sein wird, dass nicht die normale Arbeitslast unbedingt die normalen Einkünfte zur Folge haben müsse. Die herabgesetzten Eintrittspreise werden die Mitgliedeer als eine Angelegenheit betrachten, die auf ihre kontraktlichen Bezüge ohne Einfluss sein muss. Der Fall würde hingegen mit viel mehr Aussicht auf Erfolg die Möglichkeit eröffnen, die Mitglieder zur Annahme der Eventualität B zu bestimmen, da sie trotz halber Arbeitslast in den Genuss von ¾ ihrer kontraktlichen Bezüge gelangen. Genehmigen Euer Durchlaucht die Versicherung der grössten Hochachtung und Verehrung, mit der ich verbleibe Euer Durchlaucht ehrerbietigster Hans Gregor m./ p.

334

Zu Seite 141: In Abschrift: 991/ 1915 Wien, am 22. November 1915

E u e r D u r c h l a u c h t !

Die Kassengebarung der letzten Monate am Hofoperntheater hat nach meinem Dafürhalten zur Evidenz erwiesen, dass die derzeit für das Hofoperntheater fixierten ermässigten Eintrittspreise die Kasseneinnahmen zwar beträchtlich herabmindern, dem Publikum aber in Wirklichkeit keine Vorteile bringen. Nur wenigen Bevorzugten ist es heute möglich, auf normalen Wege sich eine Eintrittskarte in das Hofoperntheater zu verschaffen: Der Zwischenhandel blüht mehr denn je, und die Agios der Billetthändler sind beträchtlich höher, als die Differenz zwischen den normalen Eintrittspreisen und den durch das Entgegenkommen der Hoftheaterleitung fixierten Ausnahmspreisen. Die Klage im Publikum hierüber ist ganz allgemein, und es würde leicht fallen, eine grosse Zahl Beispiele dafür anzuführen. Die Kassenverwaltung ist aber selbst am Besten in der Lage, dies zu erhärten; ich höre, dass es in letzter Zeit wiederholt vorgekommen ist, dass bereits in den Abendstunden gewisse Interessenten – und das sind in den meisten Fällen der Agiotage nahe stehende Leute – sich vor der Kassa aufstellen, um beim Beginne des Kartenverkaufes ja als Erste die Hand auf die vorhandenen Kartenbestände legen zu können. Ich würde also, indem ich diesem Uebelstande Rechnung trage, gehorsamst beantragen:

I.) ab 1. Jänner 1916 die normalen Preise am Hofoperntheater wieder einzuführen.

Ich verhehle mir nicht, dass ein gewisser, dem Hofoperntheater nicht wohlwollender Teil der Presse und das Publikum diese Hinaufsetzung der Preise aus den oben 335 angeführten Gründen nicht für gerechtfertigt erachten wird. Dem gegenüber muss ich aber pflichtgemäss an dieser Stelle auch erwähnen, dass die allgemeine Ver- teuerung aller Bedarfsartikel auch am Betriebe des Hofoperntheaters keineswegs spurlos vorübergegangen ist, dass Stoffe, Materialien, Fuhrlöhne, etc. erhebliche Preissteigerungen erfahren haben, dass wir Notstandslöhne geben müssen, dass wir noch immer eine beträchtliche Zahl von Arbeitskräften zur Verfügung halten müssen, und dass uns nicht erlaubt ist, den im Felde befindlichen Angestellten des Hofoperntheaters Kürzungen in gleicher Höhe aufzuerlegen.

II.) Die Zahl der Spieltage am Hofoperntheater zu vermehren, und, wenn aus technischen Gründen tunlich, möglichst dem täglichen Spielen wieder nahe kommen zu dürfen.

E u e r D u r c h l a u c h t hatten mir gelegentlich des letzten mündlichen Vortrages über diesen Gegenstand anbefohlen, rechnungsmässig diese Anträge dazulegen. Im Nachstehenden drei Berechnungen: a.) Für den Fall, dass E u e r D u r c h l a u c h t anordnen, die normalen Preise wieder einzuführen, bei sonstiger Aufrechterhaltung des heutigen Betriebes . b.) dass E u e r D u r c h l a u c h t bestimmen möglichst täglich zu spielen , bei Aufrechterhaltung der dermaligen ermässigten Eintrittspreise , c.) dass E u e r D u r c h l a u c h t befehlen, sowohl die normalen Preise wieder einzuführen, als auch möglichst täglich zu spielen .

Als Beobachtungszeit für meine Berechnung nehme ich die Frist vom 1. Februar bis 31. Oktober 1915, und unterstelle den in diesem Zeitabschnitt tatsächlich verein- nahmten Ziffern die Voraussetzungen zu a) b) und c).

a.) Es wurden eingenommen – exklusive der Abonnementquote – in der Zeit vom 1. Februar bis 31 Oktober ds.J. in 128 Vorstellungen …………………………………………………. rund K 726.000 Es hätten bei normalen Preisen eingenommen werden können, wenn ich voraussetze, dass die 336

Besucherzahl ungefähr die gleiche geblieben wäre, zirka um ein Viertel mehr, d.i. .. An Mehr – Einnahmen ………………………………………………K 181.000.- An Mehr – Ausgaben wären erwachsen der den So- listen zurückgehaltene Teil der Funktionszulage, d.i. pro Monat K 21.000, daher für 8 Monate …………………….K 168.000.- Wir hätten also besser gestanden in der Zeit vom 1. Februar bis 31. Oktober ds.J. um zirka ………………….K 13.000.- ein Koeffizient, der selbst diejenigen beruhigen wird, die annehmen, dass infolge der erhöhten Preise die Besucherzahl vielleicht doch etwas zurückgeblieben wäre. ------

b.) Ich will 25 Vorstellungen pro Monat zur Grundlage nehmen; das würden in 8 Monaten 200 Vorstellungen sein. Gespielt wurde nur ……………………….. 128 mal, wie sub a.) angeführt also um …………………………………….. 72 mal weniger. Die Durchschnittseinnahme pro Vorstellung war in der Beobachtungszeit K 5.670, also für 72 Vorstellungen rund K 408.000.- Dem stehen an Mehrausgaben gegenüber: Funktionszulage der Solisten +) ………….K 168.000.- Differenz der Tageskosten …………………K 25.000.- Löhne für Aushilfsarbeiter ………………….K 16.000.- Tantièmen ……………………………………K 28.000.- Spielgelder der artistischen Körper- schaften ………………………………………K 49.000.- Beleuchtung ………………………………….K 34.000.- K 320.000.- Das hätte vom 1.II. – 31.X. eine Mehreinnahme von K 88.000.- ergeben, ein Koeffizient, der, wie notwendig, höher ist, wie der sub a.) erschienene, weil angenommen werden muss, dass die erhöhte Zahl an Vorstellungen und auch der Umstand, dass bei fast täglichem Spielen nicht nur Vorstellungen angesetzt 337 werden können, die allgemeines Interesse beim Publikum finden, das Kassenresultat beeinflussen werden. ______+) Mir ist sehr wohl bewusst, dass nach dem Übereinkommen vom 1. Februar ds. J. den Solomitgliedern erst bei 30 maligem Spielen, nicht bei 25 maligem Spielen, die volle Funktionszulage gebührt.

c.) Im Falle normaler Preise bei fast täglichem Spielen – 25 mal pro Monat – gilt folgende Berechnung: Durchschnittseinnahme pro Vorstellung zu Ermässigten Preisen, wie bei b) ……………K 5.670.- Normale Preise um ein Viertel mehr ……………..K 1.430.- Daher Durchschnittseinnahme für Vor- stellungen zu normalen Preisen ………………….K 7.100.- 200 Vorstellungen zu normalen Preisen Würden demnach ergeben …………………K 1,420.000.- 128 Vorstellungen zu ermässigten Preisen ergaben ……………………………………….K 726.000.- An Mehreinnahmen daher …………………………………………………..K 694.000.- An Mehrausgaben stehen die unter b.) angeführten gegenüber ……….K 320.000.- Das ergibt für diesen Fall einen Koeffizienten von ……………………….K 374.000.- Auch über diesen Koeffizienten gilt, vielleicht in beträchtlich verstärktem Masse, was unter a.) und b.) gesagt worden ist. ------Genehmigen E u e r D u r c h l a u c h t die Versicherung der grössten Hochachtung und Verehrung, mit der ich verharre als E u e r D u r c h l a u c h t ganz ergebenster

Hans Gregor m.p.

338

Zu Seite 293: 339 340

14. Literaturverzeichnis

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346

15. Kurzfassung/Abstract

In der vorliegenden Dissertation über Hans Gregor (1866-1945), der von 1911 bis 1918 die Wiener Hofoper leitete, werden Gregors Lebensgeschichte, sein Werdegang und seine Intentionen, der Oper am Beginn des 20. Jahrhunderts neue Impulse zu geben, dargestellt. Besonders seine Ära als letzter Wiener Hofoperndirektor wird ausführlich beschrieben. Aus den umfangreichen dokumentarischen Quellen des Österreichischen Haus-, Hof- und Staatsarchivs, die zu diesem thematischen Bereich bisher kaum so zahlreich herangezogen und veröffentlicht wurden, konnten viele Zusammenhänge erfasst und damit mehrere nicht den Tatsachen entsprechende Situationen und Abläufe historisch revidiert werden. Widerlegt konnte auch die verbreitete Behauptung der „Unmusikalität“ Gregors werden. Dieser Ruf eilte ihm von Berlin nach Wien voraus: Er sei in erster Linie am Darstellerischen und erst dann am Musikalischen interessiert. Sein Ausspruch, bei ihm werde „nicht gesungen“, wurde – meist willentlich – falsch verstanden. Gregors Bestreben war es, dem Bühnengeschehen in der Oper die gleiche Wertigkeit zu geben wie dem Gesang, denn seiner Meinung nach konnte – was heute als selbstverständlich gilt – das Eine ohne das Andere nicht existieren, wenn eine adäquate Darstellung des Werkes verwirklicht werden sollte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war dies eine revolutionäre und notwendige Neuerung. Gregor entdeckte vielversprechende Sängerinnen und Sänger und konnte diese an das Wiener Opernhaus binden. Manche dieser Künstler, wie Maria Jeritza, Lotte Lehmann, Alfred Piccaver und viele andere, wurden „Weltstars“ und sind bis heute nicht nur Opernfreunden noch immer ein Begriff.

Die Direktionszeit Hans Gregors fiel zum größten Teil in die Zeit des Ersten Weltkriegs, womit zahlreiche Einschränkungen und Schwierigkeiten verbunden waren; trotzdem konnte Gregor zahlreiche künstlerisch hochwertige Aufführungen ermöglichen. Er hatte – wie die Quellen zeigen – für seine Mitarbeiter stets ein offenes Ohr und trug der Sensibilität seiner Künstler Rechnung; lediglich seine straffe Organisation und sein Bestreben, dadurch eine ausgeglichene Kassengebarung zu erreichen, fand in Wien wenig Zustimmung. 347

Wenn ihn auch die Nachwelt großteils kritisch sah, so waren sich die Kritiker doch in einem Punkt einig: Ihm war es zu verdanken, dass Richard Strauss so oft seinen Weg nach Wien fand und dass dessen Werke zu gefeierten Höhepunkten im Wiener Opernleben wurden.

Mit dieser Arbeit soll Hans Gregor eine kritische Würdigung erfahren.

Abstract

This thesis presents Hans Gregor’s biography. Hans Gregor (1866-1945) was in charge of the Court Opera (Wiener Hofoper) from 1911 to 1918. His professional history and his endeavours to give fresh impetus to the opera at the beginning of the 20 th century are presented in this paper. His time as the last director of the Hofoper, in particular, is described in detail. Several correlations and hence many situations and issues which did not concur with the facts were historically revised, using the extensive documentary sources of the “Haus-, Hof- und Staatsarchiv” which have hardly been drawn upon and published to such an extent. Similarily the widely spread allegation as to Gregor being unmusical, could be refuted. This reputation preceded him from Berlin to Vienna: he – so the general concensus would have it – was primarily interested in aspects of acting and presentation and only secondarily in music. His statement “no singing with him” was – mainly deliberately, misunderstood. His endeavour was to give the same merit to the play as to the vocal music in the opera. According to his opinion one of these could not exist without the other if the opus was to be performed adequately – a fact which nowadays is viewed as a forgone conclusion. At the beginning of the 20 th century this was a revolutionary and necessary innovation. Gregor discovered promising female and male singers and was able to attach them to the Vienna . Some of these artists like Maria Jeritza, Lotte Lehmann, Alfred Piccaver und many others became world stars and up to the present time a byword for quality and not only for opera fans. The largest part of Gregor’s directorship coincided with the time of the First World War. Coupled with his there were many restrictions and 348 difficulties. Gregor, however, was able to put on stage numerous artistically notable performances. He had – as the sources show – always an open ear for his colleagues and took the sensitivity of his artists into account. However his tight organisation and his endeavour consequently to achieve a satisfactory cash balance, found little consent in Vienna.

Even though posterity saw him through critically harsh eyes, his critics agreed on one point: We owe it to him that Richard Strauss found his way so often to Vienna and that his became highlights if the Vienna opera life. This work is to be a laudatory and critical appraisal of Hans Gregor.

349 350

CURRICULUM VITAE

Mag. Liselotte Regler Geboren: 31.03 1933 in Karlsbad Österreichische Staatsbürgerschaft Verwitwet Mutter von vier Kindern

Ausbildung Gymnasium Reichenberg (Sudetenland) Nach Vertreibung (Regierung Benes), Gymnasium Pößneck/Thüringen Nach Flucht in den Westen (Österreich), Ausbildung zur Bürokauffrau

Tätigkeiten 1950: Anwaltskanzlei Dr. E. Zinsler 1953: Non Stop Kino (Messepalast), Assistentin der Geschäftsführung 1959: Filmproduktion Dr. E. Regler, Produktions-Assistentin 1976 – 1988: Konzessionsgeschäftsführerin und Gesellschafterin der Regler-Film GmbH 1989: Pensionsanstritt 1991: Teilstudium der Rechtswissenschaft mittels Studienberechtigung 1998: Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft Fächerkombination: Musikwissenschaft, Kunstgeschichte 2005: Sponsion zur Magistra der Theaterwissenschaft 2006: Beginn des Dr.-Studiums der Philosophie (Theater-, Film- und Medienwissenschaft)