SWR2 Musikstunde Peter Ustinov Zum 100
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SWR2 Musikstunde Peter Ustinov zum 100. Geburtstag (1-5) Folge 4: An die Musik! Von Antonie von Schönfeld Sendung: 15. April 2021 Redaktion: Dr. Ulla Zierau Produktion: SWR 2021 SWR2 können Sie auch im SWR2 Webradio unter www.SWR2.de und auf Mobilgeräten in der SWR2 App hören. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Die SWR2 App für Android und iOS Hören Sie das SWR2 Programm, wann und wo Sie wollen. 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In seiner Autobiographie bekennt er sich vor allem zu Mozart: „Ich würde Mozart an die erste Stelle setzen, denn eine tiefgründigere Oberfläche als bei ihm findet sich nicht. Die Oberfläche seiner Werke ist immer ruhig, und diese Ruhe (diese Klarheit) erlaubt es uns, zu erkennen, wie komplex die Steine am Grund angeordnet sind. Musik 1 Wolfgang Amadeus Mozart: 2´36 Arie: „Der Vogelfänger bin ich ja“ aus: Die Zauberflöte Michael Kraus, Papageno Wiener Philharmoniker Leitung: Georg Solti SWR M0322536 003 Michael Kraus als Vogelfänger Papageno in Mozarts Zauberflöte, Georg Solti hat die Wiener Philharmoniker geleitet. Für diesen Komponisten hält Peter Ustinov geradezu ein Plädoyer: „In meinen Augen muss Mozart, der göttliche Mozart, wiederentdeckt werden, vielleicht von jeder nachfolgenden Generation (von neuem)“, so Peter Ustinov in seiner Autobiographie. Ustinov entdeckt Mozart schon früh für sich, nicht nur privat, sondern auch für die Bühne – drei seiner Opern hat er inszeniert: Ende der sechziger Jahre die „Zauberflöte“, ein paar Jahre später „Don Giovanni“ und Ende der Achtziger schließlich „Die Hochzeit des Figaro“. 2 3 Ustinov kommt vom Theater, doch für die Musik hat er zeitlebens ein besonderes Faible: Zusammen mit dem Dirigenten Karl Anton Rickenbacher hat er in den 90er Jahren einige Wort- Musik-Produktionen realisiert, u.a. Beethovens Prometheus mit neuem Libretto und Mussorgskys Bilder einer Ausstellung mit eigenem Text. Ustinov, der Schauspieler, der Unterhalter, wird von Rickenbacher sogar Musiker genannt, doch wenn er dann selbst als solcher auftrat, dann ohne Instrument in der Hand: Als Mime und überraschend guter Sänger konnte Ustinov gleich eine ganze Szene übernehmen - Ensemble, Recitativo, Orchester und Arie inklusive: „Mock Mozart“ hat er eine solche Szene genannt, der ‚vorgetäuschte‘ oder der ‚gespielte‘ Mozart: Musik 2 Peter Ustinov: 3´22 „Mock Mozart” Peter Ustinov Anthony Hopkins, Cembalo FRC6144, LC Forum (Regis Records) Das Mehrspur-Tonband macht es möglich: eine Parodie auf Mozart vom vielstimmigen Peter Ustinov mit Anthony Hopkins am Cembalo. Sein erstes Engagement als Opernregisseur verdankt Ustinov Georg Solti. Der fragt ihn Anfang der sechziger Jahre, ob er in Covent Garden ein etwas merkwürdiges Dreierprogramm inszenieren wolle, und zwar die drei Einakter „L‘Heure Espagnol“ von Ravel, „Gianni Schichi“ von Puccini und „Die Erwartung“ von Schönberg. Die Bedingungen hätten eigentlich abschrecken müssen: Gerade mal fünf Wochen für die Proben mit drei verschiedenen Bühnenbildnern und jeweils anderen Sängern waren angesetzt. Dazu tritt Ustinov in dieser Zeit selbst nachmittags in seinem Stück „Endspurt“ im Londoner West End auf. An diesen Tagen bleibt also noch weniger Zeit zum Proben. Doch trotz der Bedingungen: Ustinovs Interesse an der Oper ist geweckt. Und er sagt zu: Gut fünf Jahre später bietet sich die Gelegenheit zu einer größeren Produktion mit wesentlich mehr Zeit und Kontinuität: Wieder ist es Solti, der Ustinov fragt, ob er eine Operninszenierung übernehmen will. Dieses Mal geht es um Mozarts „Zauberflöte“ an der Hamburger Staatsoper (unter der Intendanz von Rolf Liebermann). – Und Ustinov will. 3 4 Für ihn geht es in der Zauberflöte: „...um nicht mehr als um den ewigen Kampf zwischen Tag und Nacht, zwischen plötzlichem Sonnenschein und Mondlicht, Gut und Böse, also zwischen elementaren Kräften, von denen winzige Sterbliche auseinandergerissen und wieder zusammengefügt werden.“ Auf die Frage, ob Ustinov sich bei einer Inszenierung eher vom Text oder von der Musik inspirieren lasse, hat er geantwortet: „Ich komme ja vom Theater, entsprechend neige ich dazu, mich eher am Text zu orientieren, damit fühle ich mich einfach sicherer.“ Bei der Regieführung der „Zauberflöte“ in Hamburg sind ihm vor allem zwei Aspekte wichtig: Zum einen ist Texttreue ein wichtiges Stichwort: Ustinov streicht im Libretto von Emanuel Schikaneder alles an Zusätzen und Regieanweisungen, was im Laufe der Zeit durch Regisseure und Sänger hinzugefügt worden ist. Der Theatermann stellt also den Originaltext wieder her. Zum anderen besteht er auf einer fortlaufenden Handlung ohne Unterbrechungen durch Bühnenumbau und Kulissenwechsel. Beide Neuerungen stoßen damals zunächst auf Ablehnung: Ustinov nehme sich Freiheiten heraus, pfusche gar in Mozarts Intentionen hinein. Umso mehr freut den Regisseur bei einer späteren Aufführung beim „Maggio Musicale“ in Florenz die Kritik des „Herald Tribune“: Der englische Kritiker nämlich lehnt die Hamburger Kritik reinweg ab: Als diese Inszenierung „noch ganz neu war, wurde sie heftig kritisiert, inzwischen kann man sich kaum noch vorstellen, warum: sie respektiert den Text, ist der Musik treu - und sie ist einfallsreich!“ Musik 3 Wolfgang Amadeus Mozart: 5´35 Quintett: “Hm, hm, hm…” aus: Die Zauberflöte Michael Kraus, Papageno / Uwe Heilmann, Tamino Adrianne Pieczonka, 1. Dame / Annette Küttenbaum, 2. Dame Jard van Nes, 3. Dame Wiener Philharmoniker Leitung: Georg Solti SWR M0322536 006 4 5 Das Quintett aus dem Ersten Akt von Mozarts Zauberflöte mit Michael Kraus als Papageno, den Drei Damen Adrianne Pieczonka, Annette Küttenbaum und Jard van Nes und Uwe Heilmann als Tamino. Georg Solti hat die Wiener Philharmoniker geleitet. „Es ist eine Pantomime, es ist eine absurde Geschichte, eine liebenswerte Geschichte, eine amüsante Geschichte, es ist eine eigenwillige Geschichte - und sie ist voller Schauspieltricks der damaligen Zeit.“ - soweit Peter Ustinov über Mozarts und Schikaneders „Zauberflöte“. Als Ustinov ein paar Jahre später beim Edinburgh Festival die da Ponte-Oper „Don Giovanni“ zusammen mit Daniel Barenboim auf die Bühne bringt, da greift er auf Bewährtes zurück: Im Vergleich zu Hamburg ist das Theater in Edinburgh ein kleines Haus. Entsprechend stellt sich Ustinov Ausstattung und Umsetzung schlanker vor, einfacher als sonst bei Don Giovanni üblich. Auch hier soll die Handlung kontinuierlich ablaufen, ohne „die schwerfälligen Pausen, unterbrochen von Klappern und Krachen des Kulissenumbaus“ wie Ustinov sagt, und ohne „den Anblick vorbeihuschender Füße bei jeder Bewegung des Vorhangs“. Und er nimmt als Regisseur den Untertitel der Oper ernst: Bei „Don Giovanni“ handelt es sich nicht um ein „Drama“, sondern explizit um ein „dramma giocoso“, also um ein „heiteres Drama“. Dazu Ustinov in den 1970er Jahren: Heutzutage werde es als „psychologische Tragödie behandelt, bei der man vor lauter Würze die ursprüngliche Speise’ nicht mehr erkennen könne.“ Und ‚ wahlloser Geschlechtsverkehr sei nun wirklich nicht der Stoff, aus dem Tragödien sind’... Musik 4 Wolfgang Amadeus Mozart : 5´15 Aria: „Madamina, il catalogo è questo” aus: „Don Giovanni“ Lorenzo Regazzo, Leporello Freiburger Barockorchester Leitung: René Jacobs SWR M0083751 W01 009 „Ihm ist´s egal ob sie reich ist oder hässlich - wenn sie nur einen Rock anhat - Ihr wisst schon was er tut.“ Die Register-Arie aus „Don Giovanni“ mit Lorenzo Regazzo als Leporello und dem Freiburger Barockorchester unter René Jacobs. 5 6 In seinem Bemühen um Texttreue hat Peter Ustinov in seiner Inszenierung Wert auch auf den originalen Schluss gelegt: Lange Zeit war es üblich, die Oper mit Don Giovannis Fahrt zur Hölle zu beenden, also mit der gerechten Bestrafung des Unholds durch den Komtur - Höllenfahrt, Vorhang und Schluss! In der originalen letzten Szene aber kommen alle Beteiligten zurück zum Ort des Geschehens, Leporello erzählt atemlos, was passiert ist, und dann, als ihm alle zugehört haben, wendet sich jeder wieder seinen eigenen Dingen zu und sagt was er jetzt vorhat: Don Ottavio will Donna Anna nun endlich heiraten, die fordert erst ein Jahr zur Besinnung, Donna Elvira will ins Kloster, Leporello ins Wirtshaus und sich