Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

FoDEx-Studie Rechtsradikalismus

Florian Finkbeiner Niklas Schröder

Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Eine Fallanalyse zum Sozialprofil der Wählerschaft und ihrer politischen Einstellungen am Beispiel von Niedersachsen

Nr. 4 (2020)

1 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus FoDEx 2 Inhalt

1. Einleitung 5

2. Politik und Parteien in Niedersachsen 8

3. Die Entwicklung der AfD in Niedersachsen 11

4. Dimensionen einer Einordnung 16

5. Annäherungen an das Profil der AfD-Wähler in Niedersachsen 21 5.1 Zur Forschungsdebatte: Wer wählt warum die AfD? 21 5.2 Sekundärauswertung des NDM 2019 für das AfD-Parteiprofil 28 Politisches Interesse und Partizipation 29 Bewertung der Politik 31 Politische Einstellungen 34 Demokratie 35 Zwischenbilanz 42 5.3 Wahl-Verteilung der AfD in Niedersachsen 44 5.4 Zur Soziodemographie der AfD-Wähler 46 Wahlbeteiligung 46 Demographie und Abwanderung 47 Arbeitslosigkeit 51 Ausländeranteil 54 Religion 55 Stadt/Land 57 Zwischenbilanz 60

6. Zusammenführung und Schlussbetrachtung 61

Anhang 67

Literaturverzeichnis 72

Autoren 78

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 1 Verzeichnis der Schaubilder, Diagramme, Tabellen und Karten

I. Schaubilder Diagramm 14: Zustimmung zum Itemset Schaubild 1: Parteipolitische Herkunft der „Verschwörungstheorien“ nach AfD-Wähler 23 Parteineigung 35 Diagramm 15: Demokratie-Zufriedenheit nach Parteineigung 36 Diagramm 16: Vorteile der Demokratie II. Diagramme nach Parteineigung 37 Diagramm 1: AfD-Wahlergebnisse in Bund, Diagramm 17: Na chteile der Demokratie Ländern und Europa (2013–2020) 12 nach Parteineigung 37 Diagramm 2: Mitgliedschaft in Vereinen, Diagramm 18: Befolgung einer „nationalen Gewerkschaften, Religionsgemein- Leitkultur“ als Bestandteil von Demo- schaften und Parteien nach Partei- kratie nach Parteineigung 38 neigung 29 Diagramm 19: Best andteile von Demo- Diagramm 3: Politisches Engagement nach kratie nach Parteineigung 39 Parteineigung 30 Diagramm 20: „Politiker/Parteien müssen Diagramm 4: P olitische Meinung im Inter- den Vorgaben des Wählers folgen“ net nach Parteineigung 30 nach Parteineigung 39 Diagramm 5: Wahlentscheidung von Diagramm 21: „Politiker handeln gegen AfD-Sympathisanten bei letzter die Interessen der Bevölkerung“ nach Landtagswahl 30 Parteineigung 40 Diagramm 6: Wichtigstes Problem in Diagramm 22: AfD-Sympathisanten Deutschland (erstgenannt) nach - Vertrauen in Bundes- und Landes- Parteineigung 31 regierung 40 Diagramm 8: „Die Wirtschaftsordnung in Diagramm 23: Vertrauen (stark und eher) der BRD ist gerecht“ nach Partei- in Politiker, Parteien und Institutio- neigung 32 nen nach Parteineigung 41 Diagramm 7: Wichtigstes Problem in Diagramm 24: V ertrauen in Social Media Deutschland (zweitgenannt) nach nach Parteineigung 41 Parteineigung 32 Diagramm 26: „Die staatlichen Behörden Diagramm 9: „Die eigene Zukunft wird im überwachen alle“ nach Parteineigung 42 Vergleich zu heute“ nach Parteineigung 33 Diagramm 25: Vertrauen in Gewerkschaf- Diagramm 10: „Die Zukunft künftiger ten nach Parteineigung 42 Generationen wird im Vergleich zu Diagramm 27: W ahlbeteiligung und Wahl- heute“ nach Parteineigung 33 erfolg der AfD zur Europawahl 2019 47 Diagramm 11: L inks-/Rechts-Selbsteinord- Diagramm 28: Korrelation Nicht-Religions- nung nach Parteineigung 34 gemeinschaft und AfD-Wahl zur Diagramm 12: „Starke Führung, der alle Landtagswahl 2017 57 folgen müssen“ nach Parteineigung 34 Diagramm 13: „Härter gegen Außenseiter und Unruhestifter vorgehen“ nach Parteineigung 34

2 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus III. Tabellen Tabelle 1: AfD-Ergebnisse in Niedersachsen 44 Tabelle 2: Gebietsgliederungen mit dem höchsten Altersdurchschnitt in Niedersachsen 48 Tabelle 3 a–c: Geb ietsgliederungen mit den höchsten AfD-Ergebnissen bei Bundestagswahl, Landtagswahl, Europa​wahl sowie deren Durch- schnittsalter 49

Tabelle 4: Gebietsgliederungen mit der anteilsmäßig höchsten Abwanderung von Menschen in der Altersgruppe 18–25 in Niedersachsen 50

Tabelle 5: Arbeitslosigkeit und AfD-­ Ergebnisse in den Gebieten der statistischen Region Hannover 53 Tabelle 6: Geb ietsgliederungen mit den höchsten Anteilen von Mitgliedern der römisch-katholischen Kirche in Niedersachsen 56

Tabelle 7: Die 15 größten Städte Nieder- sachsens und die jeweiligen AfD-­ Ergebnisse 58 Tabelle 8: Gebietsgliederungen mit der niedrigsten Bevölkerungsdichte in Niedersachsen 59

IV. Karten Karte 1: AfD-Ergebnisse in Regionen bei der Landtagswahl 2017 45 Karte 2: Arbeitslosigkeit in Niedersachsen 52 Karte 3: AfD-Wahl in niedersächsischen Gebietsgliederungen zur Landtags- wahl 2017 52

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 3 Auf einen Blick

m Anschluss an die FoDEx-Studie zum dass die AfD-Unterstützung vorrangig aus Rechtsradikalismus in Niedersachsen (2019), soziokulturellen, mentalen und habituellen in der wir die regionalkulturellen Verdich- Motiven resultiert. tungsräume und lokalspezifischen Kontext- 3. Die AfD findet in allen gesellschaftlichen bedingungen für den politischen Rechtsra- Gruppen und in allen Gebieten von Nieder- dikalismus in historischer Perspektive untersucht sachsen Zuspruch. Die Partei wird aber Ihaben, analysiert der FoDEx-Fachbereich Rechts- tendenziell vor allem in Regionen gewählt, radikalismus den Zusammenhang und die Ver- die a.) zuvor eine relativ niedrige Wahlbetei- flechtung von rechtsradikalen Mentalitäten und ligung hatten, b.) in denen ein relativ hohes der politischen Mehrheitskultur an ausgewähl- Maß an Arbeitslosigkeit herrscht und c.) die ten Beispielen. Unser Ziel ist es, in mehreren Teil- eher protestantisch geprägt sind oder in studien die verschiedenen Aspekte des neuen denen ein relativ hoher Anteil an Konfes- Rechtsradikalismus in direkter Verbindung mit sionslosen lebt. der regionalen politischen Kultur zu untersuchen. 4. Die AfD in Niedersachsen ist keine politisch Die vorliegende Kurzstudie analysiert das po- homogene Partei. Sie versammelt in pro- litische Wählerpotenzial der AfD in Niedersach- grammatischer Hinsicht verschiedene politi- sen in systematisch-vergleichender Perspektive. sche Versatzstücke und ist daher tendenziell Sie fragt danach, zwischen nationalkonservativ, deutsch- national und rechtsradikal einzustufen. Sie ■ was die Wähler der AfD von den Wählern ist keine bürgerlich-konservative Partei, aber anderer Parteien unterscheidet, sehr wohl eine Partei mit konservativen ■ vor allem aber auch, was sie gemeinsam Mitgliedern und vor allem bürgerlich-konser- haben, vativen Wählern. ■ wie die AfD in Niedersachsen politisch ein- 5. Die AfD hat sich etabliert: Aufgrund der zuordnen ist, primär kulturellen und habituellen Unter- ■ wo die Partei in Niedersachsen aus welchen schiede zwischen den AfD-Wählern und den Gründen elektoral mehr oder weniger Erfolg Wählern der anderen Parteien bedeutet eine hat, weiterführende Radikalisierung der Partei ■ und welches sozioökonomische und sozio- keineswegs ein potenziell schwindendes kulturelle Profil den AfD-Wähler in Nieder- Wählerreservoir. Ob die AfD ihr politisches sachsen auszeichnet. Wählerpotenzial ausreichend erschöpft hat, wird also nicht nur von ihrer eigenen partei- Die Studie kommt u. a. zu folgenden Ergebnissen: politischen Entwicklung abhängen, sondern vor allem von den Reaktionen und dem 1. Es gibt nicht den AfD-Wähler, zumindest gibt Umgang der anderen Parteien mit der AfD, es in Niedersachsen kaum Anzeichen dafür, und davon, ob die Politikangebote von CDU, dass sich die AfD-Wählerschaft hinsichtlich SPD und Grünen an das bürgerliche Lager der Sozialstruktur und der politischen Ein- als ausreichend wahrgenommen werden, stellungen besonders von anderen Partei- um den Verheißungen der AfD dauerhaft zu Wählern unterscheidet. widerstehen. 2. Da die Unterschiede zwischen den AfD- Wählern und anderen Wählern in vielen Punkten keineswegs so groß sind, wie oftmals suggeriert wird, gehen wir davon aus,

4 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 1 Einleitung

er elektorale Erfolg der „Alternative sich das politische Klima in Niedersachsen in den für Deutschland“ (AfD) gibt weiter- letzten Jahren verändert hat. Die AfD als Wahlpar- hin Rätsel auf.1 Bis vor kurzer Zeit tei ist dafür zentraler Indikator und zugleich Aus- hielt sich hartnäckig das Wunsch- druck für diese gesellschaftlichen Veränderungen denken, die neue Rechtsaußenpar- und den möglichen Mentalitätswandel. Unabhän- tei werde das gleiche Schicksal ereilen wie zuvor gig davon, wie stark diese Partei nun prozentual Ddie Piraten-Partei, die nach einem kurzen Auffla- in gewissen Winkeln des Landes abschneidet (ob ckern relativ schnell wieder in der Bedeutungslo- nun 6, 7 oder 8 Prozent) – entscheidend ist vor sigkeit versank.2 Doch entgegen dieser Erwartung allem, dass sie in nicht unerheblichem Maße für konnte sich die AfD weitgehend im Parteiensys- einen Teil der Bevölkerung als wählbare „Alterna- tem etablieren, ihr gelang schließlich der Einzug tive“ wahrgenommen wird, allein dies unterschei- in den und alle Landtage, teilweise so- det sie schon von anderen Rechtsaußenparteien gar als zweitstärkste politische Kraft. der letzten Jahre wie beispielsweise der NPD, die Zwar sieht es im Bundesland Niedersachsen in Niedersachsen – gleichwohl sie hier gegrün- derzeit keineswegs danach aus, dass die neue det wurde – nie über einen relativ kleinen Wäh- Partei rechts der Mitte zur zweitstärksten Kraft lerstamm hinausgekommen ist. Dass eine Partei werden könne. Die AfD ist im direkten Länderver- wie die AfD überhaupt über die 5-Prozent-Hürde gleich was die Wahlergebnisse angeht sogar re- kommt, wurde vor wenigen Jahren noch für na- lativ schwach – nicht nur bezüglich eines Ost- hezu unmöglich gehalten.3 West-Vergleiches, sondern auch im Vergleich zu Einen entscheidenden Beitrag zur Erforschung anderen westdeutschen Bundesländern. Dennoch der politischen Kultur in Niedersachsen hat Fo- dürfte kaum jemand ernsthaft bestreiten, dass DEx bereits mit dem Niedersächsischen De- mokratie-Monitor (NDM) 2019 geleistet.4 In die- ser repräsentativen Umfrage wurden die Poli- 1 Wir danken an dieser Stelle dem FoDEx-Fachbe- tik- und Gesellschaftsvorstellungen der nieder- reich Rechtsradikalismus (Katharina Trittel, Nik- sächsischen Bevölkerung untersucht. Ein zentra- las Knepper, Marie Nolte, Ellen Brühl) für wert- les Ergebnis unter vielen war hier auch, dass die volle Hinweise und Kritik. Außerdem gilt unser AfD entgegen der gängigen Zeitdiagnose eines Dank Efpraxia Dermitzaki und Julian Schenke für die Unterstützung bei der statistischen Aufberei- tung des Materials sowie Prof. Dr. Steffen Kühnel vom Methodenzentrum Sozialwissenschaften der 3 Vgl. Decker, Frank: The „“. Georg-August-Universität Göttingen für die Prü- Factors Behind its Emergence and Profile of a fung und Kontrolle der statistischen Auswertungen. New Right-wing Populist Party, in: German Poli- tics and Society, Vol. 34 (2016), No. 2, S. 1–16. 2 Vgl. Nestler, Christian/Rohgalf, Jan: Eine deut- sche Angst – Erfolgreiche Parteien rechts von der 4 Vgl. Marg, Stine/Finkbeiner, Florian/Küh- Union. Zur AfD und den gegenwärtigen Gelegen- nel, Steffen/Dermitzaki, Efpraxia: Nieder- heitsstrukturen des Parteienwettbewerbs, in: Zeit- sächsischer Demokratie-Monitor (NDM) 2019, schrift für Politik, Jg. 61 (2014), H. 4, S. 389–413. FoDEx-Studie Nr. 2/2019, Göttingen 2019.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

gesellschaftlichen „Rechts-Rucks“ keineswegs von sich diese Studie auch in dieser Forschungsrich- dieser politischen Stimmung profitiert. Nach den tung sieht.5 Zwar gibt es inzwischen eine ganze vorliegenden Daten sind die Bürger Niedersach- Fülle an Studien und Analysen zur AfD, aber diese sens keineswegs „Motor“ einer gesellschaftlichen sind zumeist entweder eher journalistisch ge- Radikalisierung, denn laut unserer Umfrage käme prägt oder sehr allgemein gehalten und auf die die AfD auf nur knapp 6 Prozent. Auch wenn die großen Entwicklungslinien der Partei bezogen.6 Partei demnach von der aufgewühlten Stimmung Es liegen hingegen nur wenige systematisch an- und Unzufriedenheit kaum profitieren kann, zeigt gelegte Untersuchungen zu einzelnen Landes- der NDM zugleich, dass die Unzufriedenheit mit verbänden wie etwa Brandenburg7 oder Hessen8 Politik und Demokratie in der niedersächsischen vor. Über die AfD in Niedersachsen gib es bisher Gesellschaft deutlich stärker ausgeprägt zu sein keine vergleichbaren Studien. Diese Forschungs- scheint, als man es nur über den Blick auf die lücke will die vorliegende Studie schließen, indem – bundesweit zu den niedrigsten gehörenden – das politische Phänomen AfD in Niedersachsen Wahlergebnisse der AfD erahnen kann. Gesell- analysiert wird. Der Schwerpunkt liegt hierbei we- schaftliche Verunsicherung und politische Frust- niger auf parteipolitischen oder -theoretischen ration sind jedenfalls relativ stark ausgeprägt, so- Ansatzpunkten, sondern auf dem Herausstellen dass die Partei bei weiterhin schwellenden Krisen der soziokulturellen Konstituierungsbedingungen in Zukunft davon profitieren könnte. Allein schon und der Spannweite an Wahlmotiven und poli- aus diesem Grund lohnt es sich, genauer auf die tischen Einstellungsmustern, die überhaupt erst Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen dazu führen, dass eine Rechtsaußenpartei wie die den AfD-Wählern und den Wählern anderer Par- AfD dieses gesellschaftspolitische Potenzial ab- teien zu schauen, auch, um das politische Wäh- rufen kann. lerpotenzial der Partei und dessen Charakteristika Um diese Fragen beantworten zu können, wird abschätzen zu können. Aus diesem Grund werden folgendermaßen vorgegangen: Zunächst werden die Daten des NDM in dieser Studie gezielter auf die allgemeinen Entwicklungstendenzen in Politik diese Zusammenhänge hin untersucht. Diese Se- und Gesellschaft skizziert, besonders die groben kundärauswertung der Monitor-Daten zielt darauf Entwicklungslinien der Parteien in den letzten ab, sich mit den bisher zur Verfügung stehenden Jahren in Niedersachsen. Im Anschluss erfolgen Daten so nah wie möglich an Einstellungen, Posi- tionen und Motive der AfD-Wählerschaft in Nie- dersachsen anzunähern. 5 Vgl. grundlegend Schumann, Siegfried: Methoden Die vorliegende Studie setzt sich hierfür zwei und Methodenprobleme der empirischen Wahl- forschung, in: Falter, Jürgen/Schoen, Harald (Hrsg.): Ziele: Zum einen systematisiert sie die politischen Handbuch Wahlforschung, Wiesbaden 2014, S. 75–107. und kulturellen Entwicklungstendenzen in Nie-

dersachsen, um das politisch-kulturelle „Hinter- 6 Vgl. Lewandowsky, Marcel: Literaturbe- grundrauschen“, also die aktuelle Grundnervosi- richt: Eine rechtspopulistische Protestpartei? tät von Politik und Gesellschaft, überhaupt erfas- Die AfD in der öffentlichen und politikwissen- sen zu können. Zum anderen trägt sie alle derzeit schaftlichen Debatte, in: Zeitschrift für Politik- wissenschaft, Jg. 25 (2015), H. 1, S. 119–134. zur Verfügung stehenden Daten zum AfD-Wahl- verhalten zusammen und kontrastiert dieses Ma- 7 Vgl. Kopke, Christoph/Lorenz, Alexander: „Ich kenne terial mit den bisher diskutierten Erklärungsan- keine Flügel, ich kenne keine Strömungen. Ich kenne sätzen zum AfD-Erfolg. Es soll also letztlich dem nur die Brandenburger AfD“. Die Alternative für Fragenkomplex nachgegangen werden, von wem Deutschland (AfD) in Brandenburg im Frühjahr 2015, die AfD in Niedersachsen unterstützt wird, wo sie in: Häusler, Alexander (Hrsg.): Die Alternative für gewählt wird, worin die Ursachen hierfür liegen Deutschland. Programmatik, Entwicklung und poli- tische Verortung, Wiesbaden 2016, S. 221–235. und welche Wahlmotive sich dahinter verbergen können. Die Fragen nach den Ursachen und Kons- 8 Vgl. Kleinert, Hubert: Die AfD und ihre Mit- tituierungsbedingungen sowie den Wahlmotiven glieder. Eine Analyse mit Auswertung einer zählen zu den klassischen Kernanliegen der em- exemplarischen Mitgliederbefragung hessi- pirischen Wahl- und Parteienforschung, weshalb scher Kreisverbände, Wiesbaden 2018.

6 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 1 Einleitung ein kursorischer Überblick über die Entwicklung den AfD-Wählern im Vergleich zu den Wählern der der AfD in Niedersachsen und ein Versuch, die anderen Parteien gibt. Im Anschluss daran werden unterschiedlichen Dimensionen zu skizzieren, detailliert die Wahlstrukturmomente und die so- wie man den Landesverband politisch einordnen ziodemographischen Kontextbedingungen für die kann. Der Hauptteil der Untersuchung konzen- AfD-Wahlergebnisse bei den letzten Wahlen ver- triert sich auf die Beantwortung der Frage, wer gleichend analysiert, in Beziehung gesetzt und im Allgemeinen eigentlich die AfD wählt und wer danach wiederum auf die aktuelle Forschungsde- dies im Besonderen in Niedersachsen tut. Diese batte rückbezogen. Diese verschiedenen Schritte auf den ersten Blick relativ einfach klingende sollen sich am Ende der Untersuchung ineinan- Frage entpuppt sich schnell als äußerst komplexe derfügen, um ein möglichst aussagekräftiges Pan- Problematik, deren Beantwortung gerade vor dem orama über die Konstituierungsbedingungen, Ur- Hintergrund der schwierigen Datengrundlage und sachen und das gesellschaftspolitische Potenzial der umstrittenen Forschungsdebatte alles andere der AfD und ihrer Wählerschaft abzubilden. Denn als leicht fällt, wie nachfolgend noch gezeigt wird.9 abseits von moralisierenden Ab- und Ausgren- Mit Blick auf die Forschungsdebatte werden zu- zungsmechanismen sowie Pathologisierungsver- nächst bestimmte Orientierungspunkte identi- suchen ist es vielmehr entscheidend, den poli- fiziert, die nachfolgend für die Analyse genutzt tischen wie kulturellen Dimensionen nachzuspü- werden. Hierdurch wird es möglich, in der Sekun- ren, die die Wählerschaft der AfD im Inneren um- därauswertung der Daten des NDM gezielt Hypo- treiben. Erst auf Grundlage solcher Erkenntnisse thesen dazu zu überprüfen, welche Zusammen- kann überhaupt eruiert werden, wie dem Phäno- hänge, Gemeinsamkeiten und Unterschiede es men politisch begegnet werden kann. zwischen den in dieser Umfrage offen bekennen-

9 Siehe zur Diskussion hierzu Manow, Philip: Die Poli- tische Ökonomie des Populismus, Berlin 2019, S. 70.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 7 2 Politik und Parteien in Niedersachsen

uf den ersten Blick ist Nieder- bis heute die unzähligen Heimatvereine, die re- sachsen ein relativ unauffälliges gionalkulturellen Prägungen und die Präsenz von Bundesland – keineswegs so ei- Sport- und Schützenvereinen in der (ländlichen) genkulturell wie Bayern, nicht so Öffentlichkeit. Diese historisch-kulturellen Tradi- eingeschworen und lokalpatrio- tionslinien präformierten entsprechend auch das tisch wie das Saarland, auch nicht so egozent- politische Leben in Niedersachsen. Arisch, wie man es dem Freistaat Sachsen nach- Das ländlich geprägte Niedersachsen galt sagt. Das Land Niedersachsen wurde erst 1946 lange Zeit als sozialdemokratische Bastion. Nie- formal gegründet, besitzt allein schon deshalb dersachsen war über Jahrzehnte eine SPD-Ka- kaum ein ausgeprägtes „Landesbewusstsein“10, derschmiede, vor allem Hannover war so etwas sondern ist politisch-kulturell geprägt von an- wie die „Herzkammer der Sozialdemokratie“12. Von deren Entwicklungssträngen, besitzt ganz eigene hier kamen oder agierten über die Landesgren- „landesspezifische Charakteristika“11. Diese Be- zen hinaus bedeutende Politiker wie Kurt Schu- sonderheiten resultieren aus ganz verschiede- macher, Gerhard Schröder oder Sigmar Gabriel. nen historischen Tendenzen: Angefangen bei der Ein für die sozialdemokratische Seele besonders mittelalterlichen welfischen Traditionslinie und wichtiger Grund hierfür liegt in dem hohen Or- dem Herzogtum Braunschweig-Lüneburg, über die ganisationsgrad der Niedersachsen-SPD. Die So- Konflikte im 19. Jahrhundert zwischen dem Kö- zialdemokraten haben hier ein dicht geflochte- nigreich Hannover und dem Herzogtum Braun- nes, lokal tief verwurzeltes Organisationsnetz auf- schweig bis zu den antipreußischen Affekten gebaut, was sich etwa an der ländervergleichend nach dem Deutschen Krieg 1866. Auch aufgrund enorm hohen Machtstellung der Bezirksverbände dieser Veränderungen konnte sich mentalitätsge- gegenüber dem Landesverband zeigt.13 Nichts- schichtlich überhaupt kein konstantes Landesbe- destotrotz kämpfen die Sozialdemokraten heut- wusstsein entwickeln, es bildeten sich vielmehr zutage auch hier um ihre Stellung. Niedersachsen kleinteilige regionalkulturelle Einheiten mit je ist zwar aktuell eines der wenigen Bundesländer, spezifischem Heimatbewusstsein. Davon zeugen in denen sich die SPD entsprechend der Wahl- ergebnisse noch als Volkspartei verstehen darf – bei der Landtagwahl 2017 wurde sie mit 36,9 10 Reeken, Dietmar von: Ein Land – Viele Regionen? Prozent wieder stärkste Kraft, wozu vor allem der Landesbewusstsein, Landesintegration und Regio- nalkultur in Niedersachsen, in: Nentwig, Teresa/Wer- wath, Christian (Hrsg.): Politik und Regieren in Nie- 12 Micus, Matthias: Die SPD in Niedersachsen. Rote Bas- dersachsen, Wiesbaden 2016, S. 59–78, hier S. 62. tion auf tönernen Füßen, in: Nentwig, Teresa/Wer- wath, Christian (Hrsg.): Politik und Regieren in Nie- 11 Nentwig, Teresa/Werwath, Christian: Einleitung, dersachsen, Wiesbaden 2016, S. 107–133, hier S. 108. in: dies. (Hrsg.): Politik und Regieren in Nieder- sachsen, Wiesbaden 2016, S. 15–24, hier S. 18. 13 Vgl. ebd., S. 117.

8 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 2 Politik und Parteien in Niedersachsen zum „Landesvater“ erkorene Stephan Weil beige- teien – bleiben trotz geringer Verschiebungen zu- tragen hat14 – aber vor allem auf regionaler Ebene meist relativ konstant. Diese Parteientendenz be- kämpft die Partei um ihre Klientelen – und wie deutet freilich nicht, dass die kleineren Parteien alle anderen Parteien auch um ihre lokale Stel- politisch unbedeutend wären. Die Grünen haben lung und Basis. Obwohl die Rahmenbedingun- sich in Niedersachsen in den letzten Jahren fest gen des Landes außerordentlich günstig für die als drittstärkste Kraft etabliert. Denn gerade die Christdemokratie sind – agrarisch strukturiert, lokal-kulturelle und agrarische Prägung des Bun- historisch konstante Dominanz in den katho- deslandes begünstigt zugleich auch eine gewisse lisch geprägten Regionen und eine enorme ge- ökologische Sensibilität. Diese Verbindung führte sellschaftspolitische Integrationsherausforderung zusammen mit dem Protest gegen die Errich- von Flüchtlingen und Vertriebenen vor allem aus tung einer Entsorgungsanlage für nukleare Brenn- Schlesien15, die nach 1945 fast ein Drittel der Ge- stoffe in Gorleben und gegen das Kernkraftwerk samtbevölkerung ausmachten – tat sich die CDU Grohnde zu einer starken Anti-Atombewegung in Niedersachsen immer schon schwer.16 Anders in Niedersachsen, von der vor allem die Grünen als in anderen Bundesländern präformiert die ei- profitieren konnten.18 Die wechselhafteste Partei- genspezifische Organisationsstruktur aufgrund ei- entwicklung hat indes die FDP in Niedersachsen ner Aufteilung des „Landesverbandes“ CDU in drei durchlaufen. In den 1950er Jahren war die Partei Landesverbände (Braunschweig, Hannover und im Spektrum des politischen Rechtsradikalismus Oldenburg) ganz eigene Parteilogiken. Das nieder- angesiedelt, konkurrierte hier mit der 1952 verbo- sächsische Parteienspektrum ist seit der „verzö- tenen SRP und der DRP um die Stimmen im poli- gerten Normalisierung“ (Günter Trittel), also dem tischen Lager rechts der Mitte.19 Schließlich ge- nachgeholten Volkspartei-Bildungsprozess in den hört auch diese Seite zur Geschichte Niedersach- 1950er und 1960er Jahren, stark volksparteilich sens: In keinem anderen westdeutschen Bundes- geprägt17: Das politische Geschehen ist enorm land war der politische Rechtsradikalismus so er- auf die beiden alten Volksparteien SPD und CDU folgreich wie hier. Nicht ohne Grund bezeichnete ausgerichtet. Es gibt seither relativ wenige Aus- die Historikern Helga Grebing es deshalb als das reißer-Wahlergebnisse, die Parteien – sowohl die „Stammland des Nachkriegsrechtsradikalismus“20. großen Volksparteien als auch die kleinen Par- Auch diese politisch-kulturellen Traditionslinien wirken in veränderter Form unterschwellig bis heute weiter.21 Doch nachdem die FDP damit ge- 14 Überhaupt zählt Weil zu den beliebtesten Minis- scheitert war, das Erbe des politischen Rechts- terpräsidenten Deutschlands, vgl. o. V.: Forsa- radikalismus anzutreten bzw. weiterzutragen, Umfrage: Das ist Deutschlands beliebtester Minis- terpräsident, in: Welt, 15.07.2019, URL: https://www. welt.de/politik/deutschland/article196865019/ Winfrid-Kretschmann-bleibt-beliebtes- 18 Vgl. Klecha, Stephan: Wahlen und Wahlverhal- ter-Ministerpraesident.html [03.02.2020]. ten in Niedersachsen, in: Nentwig, Teresa/Werwath, Christian (Hrsg.): Politik und Regieren in Nieder- 15 Vgl. Koß, Michael/Spier, Tim: Das Parteiensystem sachsen, Wiesbaden 2016, S. 79–104, hier S. 94. Niedersachsens, in: Jun, Uwe/Haas, Melanie/Nieder- mayer, Oskar (Hrsg.): Parteien und Parteiensysteme in 19 Vgl. Marten, Heinz-Georg: Die FDP in Niedersach- den deutschen Ländern, Wiesbaden 2008, S. 291–314. sen. Demokratie der ersten Stunde, Hannover 1972.

16 Vgl. D’Antonio, Oliver: Die CDU in Nieder- 20 Grebing, Helga: Niedersachsen vor 40 Jahren. Gesell- sachsen, in: Nentwig, Teresa/Werwath, Chris- schaftliche Traditionen und politische Neuord- tian (Hrsg.): Politik und Regieren in Niedersach- nung, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landes- sen, Wiesbaden 2016, S. 135–158, hier S. 135. geschichte, Bd. 60 (1988), S. 213–227, hier S. 224,

17 Trittel, Günter J.: Die „verzögerte Normali- 21 Zur Geschichte der Parteien rechts der Mitte in sierung“: Zur Entwicklung des niedersächsi- Niedersachsen seit 1945 vgl. Finkbeiner, Florian/ schen Parteiensystems in der Nachkriegszeit, in: Trittel, Katharina/Geiges, Lars: Rechtsradikalis- Ucker, Bernd Ulrich et al. (Hrsg.): Niedersächsi- mus in Niedersachsen. Akteure, Entwicklungen sche Geschichte, Göttingen 1997, S. 635–650. und lokaler Umgang, Bielefeld 2019, S. 37–85.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 9 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

schwenkte sie auf eine „sozialliberale Orientie- Dieser kursorische Überblick verdeutlicht das rung“22 ein und konnte sich damit zumindest eine relativ eingefahrene Parteienspektrum, das auf- Zeit lang als Partei des urbanen Bürgertums pro- grund historischer Entwicklungslinien und poli- filieren, „bis ihr die Grünen die Stellung als Groß- tisch-kultureller Trägheitsmomente den Hand- stadtpartei streitig“23 machten. Seither kämpft lungs- und Ermöglichungsspielraum für neue die FDP als Klientelpartei um ihr Profil, weil sie politische Phänomene entsprechend mit- und stetig um den Einzug in die Parlamente bangen teilweise vorbestimmt. Die Struktur des Partei- muss. Die Partei Die Linke ringt wie in den meis- enspektrums und die politisch-kulturelle Prä- ten westdeutschen Bundesländern um ihre ge- gung des öffentlichen Lebens beeinflussen dem- sellschaftspolitische Bedeutung. Sie konnte bis- entsprechend auch die Entwicklung der AfD in her nur einmal, 2007, in den niedersächsischen Niedersachsen. Landtag einziehen und hadert seither mit der Fünf-Prozent-Hürde.

22 Klecha: Wahlen und Wahlverhal- ten in Niedersachsen S. 104.

23 Ebd.

10 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 3 Die Entwicklung der AfD in Niedersachsen

ie „Alternative für Deutschland“ stellten.25 Auf dem Essener Bundesparteitag hat sich 2013 vor dem Hintergrund wurde Lucke dann im Sommer 2015 gestürzt, ihm der Euro- und Finanzkrise gegrün- folgten und Jörg Meuthen als Partei- det. Sie verstand sich zu Beginn als vorsitzende, sodass Lucke mit seinem Unterstüt- neue politische Oppositionspartei zerkreis aus der Partei austrat – und mit ihnen gegen einen als „alternativlos“ wahrgenommenen etwa ein Viertel der damaligen Parteimitglieder.26 DPolitikstil der Bundesregierung. Im Zuge der Eu- Die AfD schien bis dahin das Schicksal ihrer rokrise konnte die neue Partei rechts der Mitte Vorgängerparteien am rechten Rand zu teilen. Die als eine Art „Professorenpartei“ mit Bernd Lucke, unter den Erwartungen bleibenden Wahlergeb- Hans-Olaf Henkel oder Joachim Starbatty ein in- nisse und Umfragewerte, die organisatorischen haltliches „Alleinstellungsmerkmal“24 entwickeln, Lagerkonflikte und die schwindende Wirkungskraft indem sie für eine Auflösung des Eurowährungs- des thematischen Alleinstellungsmerkmals durch gebietes plädierte, sich als euro-skeptische Pro- partielle Adaption der anderen Parteien hätten testpartei und als eine Art „rechte FDP“ gerierte. wie bei der NPD Ende der 1960er Jahre oder bei Im Frühjahr 2015 wurden deutliche innerpar- den Republikanern Anfang der 1990er Jahre das teiliche Konflikte erstmals öffentlich. Diese fanden Ende des Parteierfolgslaufs bedeuten können. ihren Ausdruck in einem Wettstreit um die po- Entgegen der Erwartung vieler Beobach- litisch-programmatische Ausrichtung. Dieser La- ter fiel die Partei 2015 aber gerade nicht in die gerkonflikt wurde einerseits durch Bernd Lucke „politische Bedeutungslosigkeit“27 zurück, son- und einen wirtschaftsliberalen Flügel personali- dern setzte trotz der Spaltung zu einem bis siert, der die Parteiführung stärker zentralisieren wollte; andererseits durch Frauke Petry und Ale- xander Gauland und einen sogenannten natio- 25 Korte, Karl-Rudolf/Leggewie, Claus/Lewandow- nalkonservativen Flügel, der gestützt wurde durch sky, Marcel: Partei am Scheideweg: Die Alter- native der AfD, in: Blätter für deutsche und die ostdeutschen Landesverbände von Björn internationale Politik, H. 6/2015, S. 59–67. Höcke (Thüringen) und André Poggenburg (Sach- sen-Anhalt), die mit der sogenannten „Erfur- 26 Jesse, Eckhard: Das Aufkommen der Alternative für ter Resolution“ innerparteiliche Machtansprü- Deutschland. Deutschland ist kein Ausnahmefall mehr, che nach den erfolgreichen Landtagswahlen 2014 in: Brinkmann, Heinz Ulrich/Panreck, Isabelle-Chris- tine (Hrsg.): Rechtspopulismus in Einwanderungsge- sellschaften, Wiesbaden 2019, S. 97–132, hier S. 115.

27 So noch die Erwartung von Naßmacher, Karl- 24 Niedermayer, Oskar: Eine neue Konkurrentin im Par- Heinz: Andere Parteien in Niedersachsen, in: teiensystem? Die Alternative für Deutschland, in: Nentwig, Teresa/Werwath, Christian (Hrsg.): Poli- ders. (Hrsg.): Die Parteien nach der Bundestags- tik und Regieren in Niedersachsen, Wies- wahl 2013, Wiesbaden 2015, S. 175–207, hier S. 186. baden 2016, S. 203–226, hier S. 226.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 11 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Diagramm 1: AfD-Wahlergebnisse in Bund, Ländern stellungsmerkmals einer neuen und Europa (2013–2020) Partei, respektive einer Kleinstpar- 30 tei, zugleich das Ende der Partei 27,5 ein, wie es noch vor wenigen Jah- 24,3 25 23,5 23,4 ren die Piratenpartei traf. Außer- 20, dem hat es drittens bisher noch 20 keine Partei zuvor geschafft, trotz 15,1 14,2 Parteispaltung in kürzester Zeit 15 13,1 12,2 12,6 12,6 10,6 11 dennoch einen neuen elektoralen 9,7 10,2 10 Erfolgslauf zu starten.29 Eng da- 7,1 7,4 6,1 6,2 6,2 6,1 5,5 5,9 5,3 mit zusammenhängend hat die 4,7 4,1 5 AfD viertens eine relativ ausge- prägte Resilienzkraft entwickelt: 0 Trotz fortgesetzter innerparteili- 13 ) cher Konflikte, seien sie personell SL (3/17) SL EP (7/14) EP EP (5/19) EP S (5/17) S RP (3/16) RP E (9/ E (2/15) (5/15) B SA (3/16) SA (9/16) BE (10/17) NI T (9/14) T B (5/19) B (9/19) SN SN (/14) SN BB (/14) BB BB (9/19) BB (2/2020) NW (5/17) NW MV (9/16) MV BW (3/16) BW T (10/19) T E (10/1) E BY (10/1) BY BTW (9/17) BTW BTW (9/13) BTW (z. B. der Sturz von Frauke Petry 2017) oder programmatisch (z. B. der Unvereinbarkeitsbeschluss mit Kräften wie der Identitäten Bewe- dahin ungeahnten Höhenflug an. Als sich 2015 gung oder die Frage des Umgangs mit Antisemi- der Lucke-Flügel abspaltete, schien die AfD zu- tismus in der Partei wie etwa mit dem baden- nächst am Boden. Doch das thematische Gele- württembergischen AfD-Abgeordneten Wolfgang genheitsfenster der „Flüchtlingskrise“ verschaffte Gedeon), und vor allem trotz unzähliger Skandale ihr seitdem ein neues Leitmotiv, das Migrations- und Tabubrüche (z. B. Gaulands „Vogelschiss“-Re- thema ein neues „Alleinstellungsmerkmal“. lativierung oder Höckes Forderung einer „erinne- Die Entwicklung der AfD unterscheidet sich rungspolitischen Wende um 180 Grad“) büßt die spätestens seit diesem Zeitpunkt von den Partei- Partei in Umfragen kaum an Wählerzuspruch ein. entwicklungen früherer Vorgängerparteien rechts Vielmehr hat es den Anschein, als dass die AfD der Mitte. Diese Besonderheiten lassen sich grob teilweise gerade deshalb noch weitere Zugewinne in vier Punkten zusammenfassen: Erstens über- erzielt, wie es sich beispielsweise bei der Land- springt die Partei nun aus verschiedensten Grün- tagswahl in Thüringen 2019 gezeigt hat, wo die den die traditionellen Hürden und Schwellen AfD mit Björn Höcke 23,4 Prozent erzielte, obwohl scheinbar leichtfüßig (an denen beispielsweise der Landesverband zuvor vom thüringischen Ver- noch die Republikaner gescheitert sind) und ist fassungsschutz als „Prüffall“ eingestuft worden inzwischen im Bundestag und in allen Landtagen war.30 Unklar ist derzeit (Stand März 2020), wie die vertreten, sodass die AfD mittlerweile weitgehend Ankündigung des als rechtsextrem eingestuften als etabliert im Parteienspektrum gelten muss.28 „Flügels“ sich auf Machtverhältnisse innerhalb der Zweitens hat es keine Partei zuvor vermocht, ei- Partei und auf die Wählerschaft auswirken wird. nen thematischen und programmatischen Wan- del zu vollziehen, ohne die entsprechende Mit-

glieder- und Unterstützerbasis einzubüßen. In der 29 Zur Geschichte der bisherigen Parteien am rech- bundesrepublikanischen Parteiengeschichte läu- ten Rand, vgl. Stöss, Richard: Der rechte Rand tete sonst die Erosion des thematischen Allein- des Parteiensystems, in: Niedermayer, Oskar (Hrsg.): Handbuch Parteienforschung, Wiesba- den 2013, S. 563–618; Steglich, Henrik: Rechts- 28 Zur Auseinandersetzung um die Etablierungschancen außenparteien in Deutschland. Bedingungen und Herausforderungen der AfD, vgl. Hensel, Alexan- ihres Erfolgs und Scheiterns, Göttingen 2010. der/Finkbeiner, Florian et al.: Die AfD vor der Bundes- tagswahl 2017. Vom Protest zur parlamentarischen 30 Vgl. Rath, Christian: AfD schei- Opposition, OBS-Studie, Frankfurt a. M. 2017, S. 72ff. tert mit Klage, in: taz, 20.11.2019.

12 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 3 Die Entwicklung der AfD in Niedersachsen

Die Entwicklung der AfD in Niedersachen ist stark die Regionalverbände in die Entscheidungs- besonders durch die internen Machtkämpfe zwi- prozesse des Landesverbands eingebunden wer- schen der amtierenden Landesvorsitzenden Dana den, und nach dem programmatischen Richtungs- Guth und dem abgewählten Landeschef Armin streit, der sich beispielsweise an der Frage nach Paul Hampel geprägt worden. Trotzdem stiegen der Zusammenarbeit mit der Identitären Bewegung die Mitgliederzahlen des Landesverbandes Nie- oder der offenen Parteinahme für den „Flügel“ von dersachsen seit seiner Entstehung beständig. Björn Höcke und Andreas Kalbitz zeigt. In manchen Zählte der Verband 2013 lediglich knapp 1.400 Landesverbänden wurden solche Konflikte in der Mitglieder, so hat sich trotz aller Entwicklungen Regel durch einen autoritativen Führungsstil des und Umbrüche die Mitgliederzahl in nur wenigen Landesverbandsvorsitzenden unterdrückt wie etwa Jahren auf über 2.800 Mitglieder mehr als ver- in Brandenburg33 oder durch partielle Zugeständ- doppelt. Allein von der absoluten Mitgliederzahl nisse an einzelne Kreisverbände überlagert wie in zählt der Landesverband Niedersachsen im Jahr Rheinland-Pfalz.34 In Niedersachsen hingegen blei- 2019 damit zu den mitgliederstärksten Landes- ben diese Konflikte weitestgehend bestehen und verbänden überhaupt, mehr Mitglieder haben nur schwelen weiter. Kam es zu Spannungen, wie etwa Nordrhein-Westfalen (5.100), Bayern (4.900), Ba- im Vorfeld des Landesparteitags im September den-Württemberg (4.700) und Hessen (4.900).31 2016 in Hannover, übte der Landesvorsitzende ve- Der AfD-Landesverband in Niedersachsen hementen Druck auf die Kreisverbände aus, wor- wurde im Frühjahr 2013 in Lüneburg gegründet. aufhin sich diese gegen Hampels Politik stellten. Zunächst war er politisch auf den Kurs von Bernd Allerdings war weder die Position von Hampel zu Lucke ausgerichtet. Doch es kam bereits nach der diesem Zeitpunkt so gefestigt, dass er sich ohne Bundestagswahl 2013, als die Partei den Einzug in großen Widerstand durchsetzen konnte, noch wa- den Bundestag noch knapp verpasste, in Verbin- ren die Kreisverbände in der Lage, Hampel ab- dung mit Rücktritten von Vorstandsmitgliedern zusetzen.35 Hampel wollte die innerparteilichen zu Konflikten und Parteistreitigkeiten. In dieser Spannungen zwischen Parteiführung und Partei- Gemengelage setzte sich Armin-Paul Hampel als basis autoritativ durchbrechen, indem er die Par- neuer Landesvorsitzender durch, der in der Folge teistrukturen selbst neu organisieren wollte. Doch versuchte, die Parteistrukturen ganz auf sich aus- dieser Versuch, die Kreisverbände zu entmachten, zurichten. Bis zu seiner Abwahl 2018 würde er den scheiterte.36 Sein Führungsanspruch ist umstrit- tief zerstrittenen Landesverband führen. Die Par- ten, aber die innerparteilichen Kritiker können sich tei hat in Niedersachsen von Anfang an Probleme, nicht ausreichend organisieren, sodass der unaus- regionale Organisationsstrukturen aufzubauen, getragene Parteikonflikt zunächst bestehen blieb.37 sodass sich die wenigen schon konstituierten Or- ganisationseinheiten schnell gewisse innerpartei- liche Eigenständigkeiten und Machtbasen erarbei- 33 Kopke/Lorenz: „Ich kenne keine Flü- ten können.32 Wie in den meisten anderen AfD- gel, ich kenne keine Strömungen. Ich kenne nur die Brandenburger AfD“. Landesverbänden kam es auch in Niedersachsen zu vehementen innerparteilichen Machtkämpfen. 34 Vgl. Hensel/Finkbeiner: Die AfD vor Diese entzündeten sich an Streitfragen nach dem der Bundestagswahl 2017, S. 39. organisatorischen Aufbau auf lokaler und regio- naler Ebene, nach dem politischen Führungsan- 35 Vgl. Roeser, Rainer: AfD-Verband der Pannen und spruch des Landesverbandsvorsitzenden, bzw. wie Skandale, in: Blick nach rechts, 03.01.2018, URL: https://www.bnr.de/artikel/hintergrund/afd-ver- band-der-pannen-und-skandale [21.01.2020]. 31 Alle Angaben sind gerundet nach Niedermayer, Oskar: Parteimitglieder in Deutschland: Ver- 36 Vgl. Wyputta, Andreas: Missglück- sion 2019, Arbeitshefte aus dem Otto-Stam- ter Putsch von oben, in: taz 21.09.2016. mer-Zentrum, Nr. 30, FU Berlin 2019, S. 19. 37 Vgl. Bender, Justus: AfD in Niedersachsen: „Über uns 32 Vgl. Pirkmayr, Ina: Alle gegen die AfD, in: Frank- könnte man eine Sitcom drehen“, in: furter Allgemeine Zeitung, 10.09.2016. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.10.2017.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 13 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Nach monatelangen Streitereien, parteiinter- Die erfolgreiche Landtagswahl für die AfD stärkt nen Machtkämpfen, Rücktritten und mehreren daraufhin Guths Position gegenüber Hampel, so- Austritten enttäuschter Parteimitglieder scheint dass es zum Bruch des Landesvorstands kommt. Hampel dann im Frühjahr 2017 den Machtkampf Ein neuer Parteitag soll die Machtverhältnisse für sich entschieden zu haben, indem er seine klären, doch Hampel verzögert und verschiebt ei- Kritiker auf dem Landesparteitag entweder par- nen solchen immer wieder, um sich gegen seine teistrategisch ausspielt oder besänftigt, letztlich innerparteilichen Widersacher zu wappnen. Dar- aber im Amt des Landesvorsitzenden bestätigt aufhin sieht sich gar der AfD-Bundesvorstand ge- wird.38 Doch kurz darauf kommen mehrere Ereig- zwungen, den niedersächsischen Landesvorstand nisse zusammen, die den überformten Parteikon- komplett zu entmachten und abzusetzen, um die flikt wieder ausbrechen lassen: Zunächst gerät die Verhältnisse zu klären.43 Ein kommissarischer AfD-Niedersachsen im Juni 2017 in die Öffent- Notvorstand leitet daraufhin die niedersächsische lichkeit, als es zu einem kleinen Skandal um ge- AfD, bis im Frühjahr 2018 dann ein Sonderpar- fälschte Briefe bei der Einreichung der Landes- teitag in Braunschweig einberufen wird. Auf die- liste für die kommende Bundestagswahl kommt.39 sem setzt sich Guth schließlich gegen Hampel als Kurze Zeit danach steht der Landesverband in der neue Landesvorsitzende durch.44 Kritik aufgrund der Verstrickungen mit rechtsra- Hampel wurde zwar abgewählt, aber er hat dikalen Kreisen und Organisationen. Es werden weiterhin eine relativ starke Unterstützerbasis nicht nur immer mehr Verbindungen der AfD zu in Niedersachsen, denn viele Kreisverbände stel- Mitgliedern der Identitären Bewegung bekannt40, len sich gegen den Kurs von Guth und votieren sondern außerdem wird der schon seit längerer für eine stärke Kooperation mit dem sogenann- Zeit in der Kritik stehende Lars Steinke zum Vor- ten „Flügel“ der AfD. Zu den engsten Unterstüt- sitzenden der Jungen Alternative (JA) Niedersach- zern von Hampel zählt vor allem der Northeimer sen, der Jugendorganisation der AfD, gewählt, wo- AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Kestner.45 Guth raufhin mehrere Mitglieder aufgrund der Parteira- hingegen gilt als Gegnerin des parteiintern um- dikalisierung austreten.41 Ein Jahr später wird die strittenen „Flügels“46 und ist weiterhin ihrerseits JA ihren eigenen Landesverband in Niedersachsen als Führungsperson im Landesverband umstrit- aufgrund ihrer provokativ-radikalen Ausrichtung ten. Als Fraktionsvorsitzende sitzt sie heute im auflösen, die selbst der Bundes-AfD zu weit ging. Landtag, ihr Widersacher Hampel hingegen im Der Machtkampf eskaliert dann vollends, als Bundestag. Dieser Dualismus prägt weiterhin den Hampels innerparteiliche Gegenspielerin Dana schon seit längerem zerstrittenen Landesverband. Guth zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl So brechen immer wieder neue Streitigkeiten aus 2017 gewählt wird, nachdem Hampel erneut in dieser Konfliktlinie heraus auf, wie beispielsweise die Kritik geraten war, dass er für die desolate Fi- im Sommer 2019 über die Finanzlage des Lan- nanzlage des Landesverbands verantwortlich sei.42 desverbandes oder über seine politische Aus- richtung im Zuge der Debatte um die personelle

38 Vgl. Mohaupt, Dietrich: Niedersachsens AfD vor der Zerreißprobe, in: Deutschlandfunk, 24.03.2017. 43 Vgl. Bender, Justus: AfD-Landesvorsitzen- der soll aus dem Amt fliegen, in: Frank- 39 Vgl. Scharpen, Andrea: Fälschungen auf furter Allgemeine Zeitung, 15.01.2018. AfD-Website, in: taz, 18.06.2017. 44 Vgl. Seng, Marco: AfD-Landesvorsitz: Guth 40 Vgl. ARUG: Handreichung zum kommunal- siegt in Stichwahl gegen Hampel, in: Han- politischen Umgang mit der AfD in Nieder- noversche Allgemeine, 10.04.2018. sachsen. Infobroschüre, Wolfsburg 2017. 45 Vgl. o. V.: Ex-AfD-Chef Hampel attackiert Guth, 41 Vgl. Speit, Andreas: Schwund bei der Jun- in: Rundblick Niedersachsen, 03.12.2019, URL: gen Alternativen, in: taz, 07.07.2017. https://www.rundblick-niedersachsen.de/ex- afd-chef-hampel-attackiert-guth/ [04.12.2019]. 42 Vgl. Kamann, Matthias: Vor dem heißen Herbst wird es bei der AfD unappetitlich, in: Welt, 27.08.2017. 46 Ebd.

14 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 3 Die Entwicklung der AfD in Niedersachsen

Rolle von Dana Guth, die auf dem Bundespartei- weitere Entwicklung der AfD in Niedersachsen tag im November 2019 als Bundessprecherin kan- wird davon abhängig sein, wie die Partei auf eine didieren wollte47, letztlich dort aber unterlag. Seit solch mögliche Einstufung reagieren wird (gerade Herbst 2019 stuft das Landesamt für Verfassungs- vor dem Hintergrund, dass das Bundesamt für schutz die AfD in Niedersachsen als sogenannten Verfassungsschutz seit März 2020 den „Flügel“ als „Prüffall“ ein.48 Mit dieser „Verdachtsgewinnungs- „rechtsextremistisch“ einstuft) und wie der Füh- phase“ gibt sich der Verfassungsschutz eine ein- rungs- und Machtanspruch in der niedersächsi- jährige Prüfungsphase, ob die AfD als Partei ein schen AfD weiter ausgetragen wird. Fall für den Verfassungsschutz sein könnte.49 Die

47 Vgl. Seng, Marco: Steht Dana Guth aus Nie- dersachsen künftig an der AfD-Spitze?, in: Hannoversche Allgemeine, 21.11.2019.

48 Vgl. Speit, Andreas: AfD als Prüf- fall eingestuft, in: taz, 12.09.2019.

49 Vgl. Henkel, Angelika/Schölermann, Stefan: Verfas- sungsschutz nimmt Niedersachsen-AfD ins Visier, in: ndr, 11.09.2019, URL: https://www.ndr.de/nachrichten/ niedersachsen/Verfassungsschutz-nimmt-Nieder- sachsen-AfD-ins-Visier,afd2384.html [19.11.2019].

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 15 4 Dimensionen einer Einordnung

ie kann man die AfD politisch Aufgrund der Flügelkämpfe um das Jahr 2015 he- einordnen? Was ist für den rum und der entsprechenden Entwicklung der demokratischen Prozess des Partei wurde der politisch-programmatische Kon- Gemeinwesens und den öf- flikt zumeist zugespitzt in einer Richtungsent- fentlichen Diskurs gewonnen, scheidung zwischen Nationalliberalismus und Na- wenn man die Partei des „Rechtsextremismus“ tionalkonservatismus. Diese Deutung hat aller- Wüberführt? Oder ist sie letztlich doch eine bürger- dings seither an Erklärungskraft eingebüßt, bzw. lich-konservative Partei, wie es Alexander Gau- wird kaum mehr vertreten, nur noch wenige For- land behauptet?50 Über die genaue Einordnung scher halten weiterhin an dieser vereinfachenden der AfD wird seit Bestehen der Partei gestritten.51 Zweiteilung fest.54 Vielmehr wurde versucht, diese Am Anfang ging es in der Forschung noch um bipolare Aufteilung zu überwinden und beide die Etikettierung der Partei als „rechtspopulis- Stränge unter der Formel einer „nationalpopulis- tisch“52, obwohl dabei von Beginn an unklar blieb, tischen Rechtspartei“55 zu verbinden, doch auch was mit diesem Begriff überhaupt gemeint war.53 solche begriffspolitischen Experimente konnten sich nicht durchsetzen. Und so bleibt die Einord- nung der Partei weiterhin in der Forschung und in 50 Vgl. Bender, Justus: Interview mit : der öffentlichen Debatte umstritten: Je nachdem, „Ich kann ja nichts dafür, wenn einige Leute spin- welcher Aspekt mit welchem begriffspolitischen nen“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.09.2019, URL: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ afd-vorsitzender-gauland-ueber-die-buergerlich- Populismus, Neo-Populismus und Demokratie, keit-seiner-partei-16374319.html [04.02.2020]. in: Werz, Nikolaus (Hrsg.): Populismus. Populisten in Übersee und Europa, Opladen 2003, S. 15–43. 51 Vgl. Lewandowsky: Literaturbericht: Eine Zu den verschiedenen Deutungen und histori- rechtspopulistische Protestpartei? schen Dimensionen vgl. Münkler, Herfried: Populis- mus, Eliten und Demokratie. Eine ideengeschicht- 52 Decker, Frank: Die „Alternative für Deutschland“ lich-politiktheoretische Erkundigung, in: Totalitaris- aus der vergleichenden Sicht der Parteienfor- mus und Demokratie, Jg. 8 (2011), H. 2, S. 195–219. schung, in: Häusler, Alexander (Hrsg.): Die Alterna- tive für Deutschland. Programmatik, Entwicklung 54 Karin Priester unterscheidet noch im Jahr 2019 die und politische Verortung, Wiesbaden 2016, S. 7–23, zwei Hauptströmungen in der AfD zwischen den hier S. 10; Jesse, Eckhard/Panreck, Isabelle-Chris- „Nationalliberalen“ und den „Nationalkonservati- tine: Populismus und Extremismus. Terminologi- ven“, Priester, Karin: Die Alternative für Deutsch- sche Abgrenzung – das Beispiel der AfD, in: Zeit- land, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, schrift für Politik, Jg. 64 (2017), H. 1, S. 59–76. Jg. 67 (2019), H. 3, S. 443–453, hier S. 448.

53 Grundlegend zur Auseinandersetzung um die ver- 55 Botsch, Gideon: Populismus plus Programm: Das schiedenen Populismusbegriffe vgl. Puhle, Hans-Jür- Dilemma der AfD, in: Blätter für deutsche und gen: Zwischen Protest und Politikstil: internationale Politik 6/2016, S. 9–12, hier S. 9.

16 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 4 Dimensionen einer Einordnung

Inventar betont wird, kommt man zu teils ganz zu zerstreuen, weil kaum anders an die Mit- unterschiedlichen Bewertungen. Insofern gleich glieder heranzukommen ist.58 vorweg: Die AfD ist derzeit nicht eindeutig ein- B. Heftig diskutiert wird ebenfalls die Einord- zuordnen, weil sich unter dem Schirm der Par- nung der Ebene der Wähler.59 Doch auch tei noch unterschiedliche politische Strömun- über die Wählergruppen liegen nur wenige gen versammeln, zumal sich die Partei bereits in Analysen vor oder diese sind nur einge- ihrer kurzen Geschichte in mehrfacher Hinsicht schränkt aussagekräftig. Wie im Folgenden gewandelt hat und aller Voraussicht nach auf- noch dargelegt wird, bleibt es nach aktuellem grund von anstehenden Richtungsentscheidun- Forschungsstand weiterhin unklar, welche gen (Stichwort: Fundamentalopposition oder re- politischen Ansichten die Wähler der AfD alpolitische Koalitionsfähigkeit) auch noch wei- vertreten und welche Motive sich hinter ihrer ter wandeln wird. Hilfreich ist in diesem Fall ein Wahlentscheidung genau verbergen. Blick auf das kleine Einmaleins der Parteienfor- C. Die Ebene der Partei und Programmatik ist schung. Diese unterscheidet bekanntlich zur Ein- diejenige, die in der Regel in der Öffentlich- ordnung zwischen den Ebenen der a.) Funktio- keit am meisten diskutiert wird. Allerdings ist näre und Mitglieder, b.) Wähler und c.) Partei und die „Alternative für Deutschland“ keine po- Programmatik. litisch homogene Partei (ebenso wenig wie die ehemaligen Volksparteien). In ihr ver- A. Über die Ebene der Parteifunktionäre lie- sammeln sich ganz unterschiedliche Strö- gen kaum Untersuchungen vor. Die wenigen mungen, die politisch zum Teil auch kont- existierenden Analysen zeigen vor allem per- räre Vorstellungen haben. So gab es vor al- sonelle Verbindungen von Funktionären in lem auf programmatischer Ebene zu Beginn rechtsradikale Kreise56, auch wenn sich diese der Parteientwicklung einige „marktliberale Untersuchungen vor allem auf die bekannte- Positionen“60. Diese wirtschaftsliberalen Ele- ren Vorfälle und Personen beziehen und kei- mente und Versatzstücke gibt es weiterhin neswegs beanspruchen können, die Funktio- in der AfD-Programmatik, aber diese sind närsebene insgesamt abdecken zu können.57 inzwischen – vor allem seit der Abspaltung Über die Mitglieder sind bis heute kaum va- des wirtschaftsliberalen Flügels um Bernd lide Untersuchungen durchgeführt worden. Lucke nach 2015 – entweder überformt und Die wenigen existierenden Studien sind ent- eingebunden oder stehen nur noch lose ne- weder nur sehr eingeschränkt aussagekräftig ben nationalliberalen und völkischen Po- und keineswegs repräsentativ oder sie be- sitionen.61 In einigen Fällen widersprechen schränken sich schon vom Grundsatz her nur sich diese Positionen auch in bestimmen auf einen begrenzten Bereich. Die Herausfor- derung hierbei liegt darin, wie Hubert Klein- ert in seiner AfD-Mitgliederstudie bemerkt, 58 Vgl. Kleinert: Die AfD und ihre Mitglieder, S. 54. das enorme Misstrauen der Parteifunktionäre 59 Vgl. Niedermayer, Oskar/Hofrichter, Jürgen: Die Wäh- lerschaft der AfD: Wer ist sie, woher kommt sie und wie weit rechts steht sie?, in: Zeitschrift für Parla- 56 Siehe hierzu beispielsweise die Recher- mentsfragen, Jg. 47 (2016), H. 2, S. 267–284; Leng- che zur AfD im Bundestag, vgl. Gürgen, Mal- feld, Holger/Dilger, Clara: Kulturelle und ökonomische ene/Jakob, Christian/Orde, Sabine am: Netz- Bedrohung. Eine Analyse der Ursachen der Partei- werk AfD. Die neuen Allianzen im Bundestag, identifikation mit der „Alternative für Deutschland“ OBS-Arbeitspapier 30, Frankfurt a. M. 2018. mit dem Sozio-oekonomischen Panel 2016, in: Zeit- schrift für Soziologie, Jg. 47 (2018), H. 3, S. 181–199. 57 Siehe dazu etwa die Analyse der Profile der AfD- Landtagsabgeordneten, die vor allem den christ- 60 Niedermayer/Hofrichter: Die Wäh- demokratischen Hintergrund vieler Funktionäre lerschaft der AfD, S. 270. betont, vgl. Schroeder, Wolfgang et al.: Parlamentari- sche Praxis der AfD in deutschen Landesparlamen- 61 Zum „Volks“-Begriff der AfD, der Ethnisierung des ten, WZB-Discussion Paper 102, Berlin 2017, S. 21. Volkes und dessen Bedeutung für die

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 17 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Themenfeldern, wie in der weiterhin schwe- habe.67 Er meinte hierbei den fehlenden Na- lenden Konfliktlinie bezüglich der politischen tionalstolz, der sich seiner Ansicht nach nur Ausrichtung in der Sozialpolitik, bzw. beson- unzureichend durch eine Abgrenzung vom ders in der Rentenfrage.62 Daneben gibt es Nationalsozialismus bilden könne. Zugleich aber auch durchaus konservative Elemente spielt er hierbei aber auch darauf an, dass auf programmatischer Ebene, etwa in der Fa- „Auschwitz“ nur als Last der Geschichte und milien- und Kinderpolitik.63 Doch eben jene Gegenwart empfunden werde – und deshalb einzelnen Versatzstücke sind verbunden mit wohl auch in Vergessenheit gehöre. Schließ- nationalkonservativen, geschichtsrevisionis- lich fügte Gauland später selbst hinzu, dass tischen und national-chauvinistischen Po- der Nationalsozialismus und Hitler nur ein sitionen, wie es etwa schon das Bekennt- „Vogelschiss“68 in der deutschen Geschichte nis zur deutschen „Kulturnation“64 im Bun- seien.69 An solchen Positionen wird darüber destagswahlprogramm 2017 anzeigt. Der Be- hinaus mehr als nur ein latenter Antisemitis- griff der „Kulturnation“ (in Anlehnung an die mus erkennbar.70 Das zentrale politische Ziel begriffliche Unterscheidung des Historikers der AfD ist, wie sie auch in ihrem Programm Friedrich Meinecke zur „Staatsnation“) wird zur Bundestagswahl 2017 festhält, der „Fort- von der AfD wörtlich genommen, denn die bestand der Nation als kulturelle Einheit“71. deutsche Kultur zeichne sich primär durch Doch diese kulturelle Einheit werde durch die die „über Jahrhunderte gewachsene deut- „Ideologie des Multikulturalismus“ gefähr- sche Sprache“65 aus. Die Partei verbindet in det, weil hierdurch die „deutsche kulturelle ihrem Programm damit völkische Konnota- tionen, wenn sie aus dieser „Kulturnation“ eine sprachlich, kulturell und politisch homo- 67 Vgl. Ulrich, Bernd/Geis, Matthias: „Hitler hat den gene „deutsche Leitkultur“ ableitet.66 In der Deutschen das Rückgrat gebrochen“, Interview Programmatik zeigen sich auch deutliche Be- mit Alexander Gauland, in: Die Zeit, 14.04.2016, URL: https://www.zeit.de/2016/17/alexander-gau- zugspunkte zu einem offenen Geschichtsre- land-afd-cdu-konservatismus [15.02.2020]. visionismus als Relativierung der deutschen

Geschichte: Paradigmatisch hat dies Alexan- 68 Kaube, Jürgen: Gaulands Geschichtsverständ- der Gauland vorgeführt, als er in einem In- nis: Erfolgshistory, in: Frankfurter Allgemeine Zei- terview mit der Zeit davon sprach, dass Hit- tung, 05.06.2018, URL: https://www.faz.net/aktuell/ ler den Deutschen das Rückgrat gebrochen feuilleton/die-aeusserung-von-alexander-gau- land-zur-ns-zeit-15622713.html [12.02.2020].

69 Im Bundestagswahlprogramm 2017 heißt es: „Die aktuelle Verengung der deutschen Erinne- völkische Radikalisierung der AfD, siehe Wildt, rungskultur auf die Zeit des Nationalsozialis- Michael: Volk, Volksgemeinschaft, AfD, Hamburg 2017. mus ist zugunsten einer erweiterten Geschichts- betrachtung aufzubrechen, die auch die posi- 62 Vgl. Orde, Sabine am: AfD sucht nach Ren- tiv identitätsstiftenden Aspekte deutscher tenkompromiss. Neoliberal oder deutsch- Geschichte mit umfasst.“ (Alternative für Deutsch- national?, in: taz, 31.01.2020. land: Programm für Deutschland, S. 48).

Vgl. Alternative für Deutschland: Programm für 63 70 Der Antisemitismus kann in diesem Rahmen nur Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für kursorisch angedeutet werden, ausführlicher hierzu Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag etwa Grimm, Marc/Kahmann, Bodo: AfD und Juden- am 24. September 2017, beschlossen auf dem Bun- bild. Eine Partei im Spannungsfeld von Anti- desparteitag in Köln am 22./23. April 2017, S. 37ff. semitismus, Schuldabwehr und instrumentel- ler Israelsolidarität, in: Grigat, Stephan: AfD & FPÖ: 64 Ebd., S. 47. Antisemitismus, völkischer Nationalismus und Geschlechterbilder, Baden-Baden 2017, S. 41–59. 65 Ebd. 71 Alternative für Deutschland: Pro- 66 Ebd. gramm für Deutschland, S. 47.

18 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 4 Dimensionen einer Einordnung

Identität“ bedroht sei.72 Die Partei inszeniert dieses Vorhaben auch nicht zielführend. Viel ent- sich also als Phalanx zur Verteidigung dieser scheidender ist für unseren Zusammenhang die sogenannten „deutschen Identität“. In dieser Frage nach der Rechtsradikalismus-Einordung. politischen Vorstellungswelt müsse also das Versteht man „Rechtsradikalismus“ als ein his- kulturelle Gebilde Deutschland nicht einfach torisch-kulturelles und politisch spezifisches En- nur bewahrt, sondern es müsse wiederher- semble von politischen Einstellungen und Men- gestellt werden – zurück zu einem vermeint- talitäten, in dessen Zentrum „autoritäre Politik- lich vormaligen Zustand vor dem „links-rot- und Gesellschaftsvorstellungen (etwa Antilibera- grün verseuchte[n] 68er-Deutschland“73, wie lismus, Rassismus, Geschichtsrevisionismus) [ste- es Jörg Meuthen nannte. Allein hieran wird hen], die auf die Wiederherstellung imaginierter schon ersichtlich, dass die bürgerlich-kon- vordemokratischer Zustände zielen“75, kann viel servativen Lippenbekenntnisse letztlich reak- stärker und tiefgehender etwas über das gesell- tionäres Gebaren sind.74 schaftliche Potenzial und die politisch-kulturelle Empfänglichkeit der Mehrheitsgesellschaft für Die Einordnung einer Partei als „rechtsradikal“ rechtsradikale Versprechungen ausgesagt wer- oder gar „rechtsextrem“ birgt politische Spreng- den.76 Kurzum: Mit einem solchen „Rechtsextre- kraft, denn eine solche Deutung kann entspre- mismus“-Begriff können Randmarkierungen zu chende Auswirkungen auf die politisch-mediale einer „demokratisch“ legitimierten Grenze gezo- und -kulturelle Verhandlung und auf die weitere gen werden, womit zumeist77 die freiheitlich-de- Entwicklung einer Partei haben. Zunächst einmal mokratische Grundordnung (fdGO) gemeint ist.78 ist zu konstatieren, dass sich aus unserer for- Wenn man aber nicht an einer solchen Grenzzie- schungspraktischen Sicht eine Parteieinordnung hung interessiert ist, sondern sich vielmehr für als „rechtsextrem“ (oder nicht) grundsätzlich ver- das „rechtsradikale Denken“ (Iring Fetscher) und bietet, wenn unter „Rechtsextremismus“ Gesin- die potenzielle Empfänglichkeit gewisser Teile nungen verstanden werden, die auf die aktivis- der Gesellschaft für rechtsradikale Versprechun- tische, gewaltorientierte Handlung abzielen und gen (Theodor W. Adorno) interessiert, bietet sich sich kollektiv in Zusammenschlüssen organisie- der „Rechtsradikalismus“-Begriff viel eher an, weil ren. Eine solche Bewertung in der sicherheitspo- er erstens nicht auf die sicherheitspolitische Lo- litischen Logik, welche „Handlung“ inwiefern als gik abzielt und zweitens keinen entsprechend „gefährdend“ einzuschätzen ist oder nicht, kann erstens im Rahmen unserer Untersuchung nicht geleistet werden und zweitens erscheint sie für

72 Ebd. 75 Vgl. Fodex-Forschungsperspektive, in: fodex- online, URL: https://www.fodex-online.de/ ueber-fodex/#prime [10.02.2020]. 73 Lucke, Albrecht von: Gegen ‘68: Grün-Schwarz und der Kulturkampf der AfD, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 6/2016, S. 5–8, hier S. 5. 76 Vgl. Finkbeiner, Florian/Trittel, Katharina: Poli- tische Kulturforschung als Zugang zur Ana- lyse rechtsradikaler Bewusstseinsformen, 74 Das Landesprogramm der AfD Niedersachsen unter- in: Demokratie-Dialog 4/2019, S. 57–64. scheidet sich in den zentralen Grundlinien kaum vom Bundestagswahlprogramm, weshalb in diesem Rahmen auf nähere Ausführungen hierzu verzichtet 77 Es gibt auch Stimmen im Forschungsfeld, die sich werden kann. Die AfD Niedersachsen bekennt sich der Problematik einer Konnotation des Begrif- ebenfalls zur „Kulturnation“ (Alternative für Deutsch- fes im Paradigma der Verfassungsschutzbehörden land: Niedersachsen. Unsere Heimat. Unsere Zukunft. bewusst sind, indes trotzdem für die Verwendung Landesprogramm des Landesverbandes Niedersach- des Begriffes plädieren, vgl. beispielsweise Salzborn, sen der Alternative für Deutschland, beschlossen auf Samuel: Rechtsextremismus. Erscheinungsformen dem Landesparteitag der AfD Niedersachsen am 6. und Erklärungsansätze, Baden-Baden 2014, S. 16f. und 7. Mai 2017 in Hannover, S. 77) und verschreibt sich dem Kampf um die Erhaltung der deutschen 78 Vgl. Finkbeiner/Trittel/Geiges: Rechtsra- Identität und der „deutschen Leitkultur“ (ebd., S. 10). dikalismus in Niedersachsen, S. 13.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 19 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

vergleichbaren exklusiven Charakter hat.79 Ganz Die Bedeutung der unterschiedlichen Dimen- abgesehen davon ist aber selbst in der Logik der sionen einer Einordnung erscheint aber gerade Extremismusforschung die Einordnung der Partei deshalb so wichtig, weil allein durch die Katego- als „rechtsextrem“ umstritten, weil die AfD (noch) risierung der Partei in programmatischer Hinsicht nicht vergleichbar sei mit der „rechtsextremisti- für das Verständnis der politisch-kulturellen Um- schen“ NPD.80 Eckhard Jesse urteilt, dass sich die brüche und den AfD-Wahlerfolg noch relativ we- AfD zwar in den letzten Jahren programmatisch nig gewonnen ist. Denn auch wenn die AfD keine weiter nach rechts entwickelt habe, „[g]leichwohl genuin konservative Partei ist, kann sie sehr wohl ist sie im Kern trotz Radikalisierung keine ext- eine Partei mit konservativen Mitgliedern und vor remistische Partei – jedenfalls bejaht der über- allem mit bürgerlich-konservativen Wählern sein. wiegende Teil der politisch Verantwortlichen den Vor allem die Ereignisse rund um die Regierungs- demokratischen Verfassungsstaat“81. Die AfD ist bildung in Thüringen zu Beginn des Jahres 2020, programmatisch aber auch keineswegs bürger- als ein FDP-Kandidat mit Stimmen von FDP, CDU lich-konservativ.82 Partei und Parteifunktionäre und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde wie Alexander Gauland nutzen vielmehr aus tak- und kurz darauf infolge einer bundesweiten Em- tischen Gründen den Deckmantel des Konservati- pörungswelle wieder zurücktrat, haben den „Burn- ven, um an das bürgerliche Lager anschlussfähig out des bürgerlichen Lagers“85, der sich schon seit zu bleiben und um national-chauvinistischen In- Jahren abzeichnete, für jeden offensichtlich wer- halt zu bedecken.83 In programmatischer Hinsicht den lassen. Die politisch-geistige Verwahrlosung spricht einiges dafür, die AfD zumindest tenden- und die mangelnde parteipolitische Repräsenta- ziell zwischen nationalkonservativ, deutschnatio- tion von bürgerlichen, konservativen, traditiona- nal und rechtsradikal einzustufen.84 listischen und überhaupt kleinbürgerlichen Krei- sen der Gesellschaft – inklusive deren politischen Vorstellungswelten und Wahlmotiven – sind in 79 Vgl. Fetscher, Iring: Rechtes und rechtsradika- den letzten Jahren viel zu wenig berücksichtigt les Denken in der Bundesrepublik, in: ders. (Hrsg.): Rechtsradikalismus, Frankfurt a. M. 1967, S. 11–29, und erforscht worden. Es ist entscheidend, die hier S. 14; Adorno, Theodor W.: Aspekte des neuen Situation nachzuvollziehen, in der sich das bür- Rechtsradikalismus. Ein Vortrag, Berlin 2019. gerliche Lager in Deutschland heutzutage befin- det (und ob es diese „Bürgerlichkeit“ überhaupt 80 Pfahl-Traughber, Armin: Die AfD und der Rechts- noch gibt), und die dafür gesorgt hat, dass diese extremismus. Eine Analyse aus politikwissen- gesellschaftlichen Kreise zumindest potenziell schaftlicher Perspektive, Wiesbaden 2019, S. 41. empfänglich sind für die Verheißungen der AfD.86 Die nachfolgenden Wahl- und Wähleranalysen 81 Jesse: Das Aufkommen der Alterna- tive für Deutschland, S. 124–125. zeigen, dass die AfD – auch in Niedersachsen – in allen Teilen und Berufsgruppen der Gesell- 82 Siehe zu dieser Einordnung etwa Caspari, Lisa: schaft Zuspruch erfährt. „Eine Neuwahl wäre für Deutschland wohl die beste Lösung“. Interview mit Andreas Röd- der, in: Zeit Online, 10.02.2020, URL: https://www. zeit.de/politik/deutschland/2020-02/andreas- im Parteiensystem?; Decker: Die „Alter- roedder-cdu-neuwahlen-bund-konservativis- native für Deutschland“ aus der verglei- mus-forscher/komplettansicht [11.02.2020]. chenden Sicht der Parteienforschung.

83 Siehe zu dieser Einordnung im Zusammenhang 85 Vgl. Walter, Franz: Baustelle Deutschland. Politik mit dem Wandel des Konservatismus, Finkbei- ohne Lagerbildung, Frankfurt a. M. 2008, S. 138–181. ner, Florian: Nationale Hoffnung und konserva- tive Enttäuschung. Zum Wandel des konserva- 86 Vgl. Dieckmann, Cornelius: „Die Grenzen zum Ter- tiven Nationenverständnisses nach der deut- ror sind dabei fließend“. Interview mit Claus Leg- schen Vereinigung, Bielefeld 2020 (i. E.). gewie, in: Süddeutsche Zeitung, 13.02.2020, URL: https://www.sueddeutsche.de/kultur/nach- 84 Vgl. Pfahl-Traughber: Die AfD und der Rechtsextre- wahl-in-thueringen-die-grenzen-zum-terror- mismus; Niedermayer: Eine neue Konkurrentin sind-dabei-fliessend-1.4794824 [15.02.2020].

20 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5 Annäherungen an das Profil der AfD-Wähler in Niedersachsen

5.1 Zur Forschungsdebatte: Aber diese Einsicht kann sicherlich verallgemei- Wer wählt warum die AfD? nert werden. Denn „Parteien sind Agenten von Milieus, aber ein Milieu kann als überparteilicher s ist weiterhin unklar, warum die AfD Sozialzusammenhang unterschiedliche Parteien eigentlich so erfolgreich ist. Im Fol- gleichermaßen bestimmen.“88 Indem also die Mo- genden werden daher zunächst die mente identifiziert werden, die Menschen dazu verschiedenen aktuellen Erklärungs- bewegen, die AfD zu unterstützen, kann überdies versuche für die AfD-Wahlerfolge dis- vertiefend etwas darüber ausgesagt werden, was kutiert, um im Anschluss die aktuelle Kontroverse Menschen (noch vorgeschaltet vor dem eigent- Eüber die AfD-Wahlmotive skizzieren zu können. lichen Wahl- oder Parteiunterstützungsakt) poli- Das Vorgehen orientiert sich an der empirischen tisch bewegt und umtreibt. Wahl- und Parteienforschung. Eike Hennig poin- Zunächst also geht es darum, einen for- tierte die Bedeutung von Wahlanalysen einmal schungspraktischen Zugriff auf das politisch-so- folgendermaßen: Die Wahlanalyse ist „aus inter- ziale Phänomen des Wahlverhaltens zu erhalten: pretativer Sicht […] lediglich Mittel zum Zweck“, Es kursieren ganz unterschiedliche Erklärungs- sie ist die „analytische Vorarbeit vor den analyse- ansätze, um Wahlpräferenzen für Parteien zu be- geleiteten Erklärungsversuchen, welche ohne die stimmen. Entscheidend ist hierbei, auf welcher Vorschaltphase aber in Gefahr stehen, zu völlig Ebene diese Erklärungsansätze ansetzen, bzw. beliebigen und subjektiven bzw. schulengebunde- welchen Punkt in der Kette der Wahlentscheidung nen Verstehensakten und Sinnrekonstruktionen sie zu bestimmen versuchen. Eine klassische Ein- zu verkommen.“87 Zwar beziehen sich diese An- teilung aus der Wahl- und Parteienforschung be- merkungen zunächst einmal auf die Erklärungs- stimmt für die Analyse des Wahlverhaltens drei versuche für die Konsolidierung bestimmter so- Ebenen (Partei-, Kandidaten- und Sachthemen- zialmoralischer Milieus (M. Rainer Lepsius) und Orientierung).89 Mit diesem Einteilungsmodell darauf aufbauend auf die regional unterschied- lässt sich zugleich auch das jeweilige Wählerpo- lichen Parteierfolge beispielsweise der NSDAP. tenzial von Parteien einordnen. Grundlegend ist

87 Hennig, Eike: Das sozialmoralische Milieu und seine 88 Ebd., S. 151. Ausgestaltung vor Ort: Die historische Wahlana- lyse kleiner Gemeinden und Stimmbezirke, in: Best, 89 Vgl. Gabriel, Oscar W.: Parteiidentifikation, The- Heinrich (Hrsg.): Politik und Milieu. Wahl- und Eliten- men- und Kandidatenorientierungen, in: ders./Nie- forschung im historischen und interkulturellen Ver- dermayer, Oskar/Stöss, Richard (Hrsg.): Parteiende- gleich, St. Katharinen 1989, S. 119–154, hier S. 132. mokratie in Deutschland, Opladen 1997, S. 228–249.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 21 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

dabei die Bedeutung sogenannter „Ebenen“ oder einzufangen.92 Dieses grobe Ebenen-Modell wird „Dimensionen“, die das Wahlverhalten bestim- im weiteren Verlauf die Untersuchung vorstruk- men und auf bzw. in denen sich unterschiedliche turieren. Hierdurch wird es möglich, einen Über- Entwicklungen abspielen: Die erste Ebene betrifft blick über die Forschungsdebatte und gleichzeitig die Partei-Orientierung bzw. Parteiidentifikation. einen Zugriff auf das Phänomen des AfD-Wahler- Sie zeigt den langfristigen Grad an Stammwäh- folgs zu erhalten. Kurzum: Mithilfe dieser Ebenen lern und verlässlicher Basis an. Für kleine Parteien kann sich der Black-Box AfD-Erfolg systematisch liegt hier die Schwelle zur Etablierung. Die Partei- angenähert werden. identifikation ist vor allem für große, respektive Betrachten wir nun das Profil der AfD-Wäh- Volksparteien entscheidend, denn die Lagerbin- ler: Dabei muss natürlich zunächst eingeschränkt dungen und Loyalitäten der Stammwählerschaf- werden, dass die aktuellen Untersuchungen ten verschaffen den Parteien eine stabile Basis hierzu lediglich mit den Daten von 2016 und 2017, und ermöglichen einen gewissen Handlungsspiel- teilweise bis 2018, arbeiten. Das bedeutet, wenn raum für die Parteien. Allerdings wird schon seit über die aktuelle Forschungsdebatte gesprochen Jahren ein Rückgang der Parteiidentifikation fest- wird, geht es zumeist um die Beschreibung zeit- gestellt, der das politische Parteienspektrum ins- lich zurückliegender Phänomene. Dieser Umstand gesamt erfasst.90Auch für kleinere Parteien sind ist strukturell bedingt ein normaler Modus in der diese Parteibindungen bedeutend, allerdings in Forschungslandschaft. Aber gerade für aktuell wesentlich kleinerem Umfang und vor allem we- hochumstrittene Thematiken wie dem AfD-Er- sentlich schwieriger herzustellen. Die zweite folg scheint ein solcher Hinweis doch angebracht. Ebene bestimmt die sogenannte Kandidaten- Denn damit wird schon angezeigt, dass es ein Orientierung.91 Sie ist kurzfristig angelegt und vor immanentes Spannungs- und Wechselverhältnis allem im Wahlkampf für die großen Parteien be- gibt zwischen dem Wandel des empirischen Phä- deutend. Mit einem unbeliebten Spitzenkandida- nomens und dem Forschungsergebnis samt dem ten hat eine Partei in der Regel schlechte Chan- daraus resultierenden Erklärungsversuch. Dies ist cen auf einen Wahlerfolg. Und die dritte Ebene ist zugleich schon ein entscheidender Punkt in der die Sachthemen-Orientierung. Sie ist besonders Forschungsdebatte, denn die AfD-Wählerschaft kurzfristig, unterliegt thematischen Moden und ist hat sich im Laufe der noch jungen Entwicklungs- fluide. Keine dieser Ebenen kann allein für sich geschichte der Partei seit 2013 gewandelt. Darü- genommen jeweils den Wahlerfolg von Parteien ber hinaus deuten die aktuellen Erhebungen über ausreichend erklären, anhand eines Vergleichs das Sozioprofil der AfD-Wähler- und Anhänger- der Ebenen lassen sich allerdings übergreifend schaft auf zwei allgemeine Tendenzen bezüglich die strukturellen Unterschiede zwischen den Par- des Geschlechts und des Alters hin: Das AfD- teien anzeigen. Mit diesem Wahlverhaltensmodell Wählerprofil ist vor allem männlich und mittleren werden auch Wahlerfolge für Parteien rechts der Alters. Deutlich mehr als die Hälfte der AfD-Wäh- Mitte analysiert, bzw. wird diese Ebenen-Eintei- ler sind in der Regel Männer. Der größte Anteil lung zur Hilfe genommen, um die inneren Ent- der Wählerschaft ist in der Altersgruppe der 35- wicklungstendenzen einer entsprechenden Partei bis 44-Jährigen zu finden, während die geringste

92 Andere Erklärungsmodelle verhandeln Wahlent- scheidungen zwar teilweise mit anderen Begriff- lichkeiten, folgen aber der gleichen Logik, siehe dazu etwa die Analyse von Schmitt-Beck, van Deth 90 Vgl. Gabriel, Oscar W./Keil, Silke I./Thaidigsmann, S. und Staudt, die die Wahlentscheidung für die AfD Isabell: Kandidatenorientierungen und Wahlentscheid anhand einer Vermittlungskette mit drei Partial- bei der Bundestagswahl 2005, in: Gabriel, Oscar W./ modellen und deren Wirkung auf Wahlentscheidung Weßels, Bernhard/Falter, Jürgen W. (Hrsg.): Wahlen untersucht, vgl. Schmitt-Beck, Rüdiger/Deth, Jan und Wähler. Analysen aus Anlass der Bundestags- W. van/Staudt, Alexander: Die AfD nach der rechts- wahl 2005, Wiesbaden 2009, S. 267–303, hier S. 268. populistischen Wende. Wählerunterstützung am Bei- spiel Baden-Württembergs, in: Zeitschrift für Poli- 91 Vgl. ebd. tikwissenschaft, Jg. 27 (2017), H. 3, S. 273–303.

22 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.1 Zur Forschungsdebatte: Wer wählt warum die AfD

Zustimmung, so eine Untersuchung von 2016, Parteientwicklung verändert: Den nominal größ- bei den Jüngeren (18 bis 24 Jahren) liegt.93 Be- ten Anteil machen die ehemaligen Nichtwähler züglich der Bildungsabschlüsse lässt sich zumin- und CDU-Wähler aus, gefolgt von den Linkspar- dest ein tendenzieller Wandel im Sozioprofil ab- tei-Wählern, die in absoluten Zahlen zwar weni- lesen94: Während Untersuchungen von 2014 und ger Wähler an die AfD abgegeben haben als die 2015 vor allem auf niedrige bis mittlere Bildungs- Sozialdemokraten, aber im Vergleich zur Partei- abschlüsse hindeuteten, hat sich dieses Ver- und Wählergröße der SPD natürlich prozentual hältnis inzwischen verschoben, da der Anteil an mehr abgeben mussten. mittleren und höheren Bildungs- abschlüssen immer weiter steigt. Schaubild 1: Parteipolitische Herkunft der AfD-Wähler Aktuelle Studien bemessen den Anteil der AfD-Wähler mit „hohem Schulabschluss“ bei etwa einem Viertel bis einem Drittel95, wo- bei hier anzumerken ist, dass sich die Vergleichswerte der Studien teils unterscheiden, je nachdem was unter einem „hohen Schulab- schluss“ verstanden wird. Woher kommen aber die AfD- Wähler parteipolitisch und was haben sie vorher gewählt? Die parteipolitische Herkunft des größten Anteils der Wählerschaft Quelle: Infratest dimap für Tagesschau, URL: https://wahl.tagesschau.de/ war zu Beginn vor allem die FDP, wahlen/2017-09-24-BT-DE/analyse-wanderung.shtml [27.01.2020]. die Gruppe der Kleinparteien und der Nichtwähler, aber in Relation je nach Wahl und Zeitpunkt gab es von Beginn Der für das Sozioprofil der Partei wohl ent- an auch relativ große Anteile von CDU und der scheidendste Punkt ist die soziale Gruppierung Linken.96 Diese Tendenz hat sich im Laufe der der Wählerschaft nach Berufsgruppen. Denn aus der (vermeintlich) sozialen Schichtung werden in der politischen Debatte unmittelbar gewisse 93 Niedermayer/Hofrichter: Die Wäh- Erklärungsmuster abgeleitet, wie die populäre lerschaft der AfD, S. 273. Schnellschuss-Erklärung, dass es Arme, Schlecht-

94 Vgl. Kroh, Martin/Fetz, Karolina: Das Pro- verdienende, Arbeiter und/oder Sozial-Abge- fil der AfD-AnhängerInnen hat sich seit Grün- hängte seien, die der Partei vor allem ihre Stimme dung der Partei deutlich verändert, in: DIW- geben würden. Dabei muss von vorneherein kon- Wochenbericht Nr. 34/2016, S. 711–719. statiert werden: Es gibt nicht die eine Berufs- gruppe, die die AfD-Wählerschaft ausmacht. Viel- Hambauer, Verena/Mays, Anja: Wer wählt die AfD? 95 mehr speist sich das Elektorat aus allen sozialen Ein Vergleich der Sozialstruktur, politischen Einstel- lungen und Einstellungen zu Flüchtlingen zwischen Schichten und Berufsgruppen.97 Zwar ist der An- AfD-WählerInnen und der WählerInnen der anderen teil an Arbeitslosen und Arbeitern am höchsten, Parteien, in: Zeitschrift für Vergleichende Politikwis- aber inzwischen finden sich in allen gesellschaft- senschaft, Jg. 12 (2018), H. 1, S. 133–154, hier S. 141. lichen Gruppen AfD-Anhänger, wobei es – so die Analyse von Schmitt-Beck – vor allem Angehörige 96 Vgl. Schmitt-Beck, Rüdiger: Wähler und Parteien bei der Bundestagswahl 2017: Eine Analyse des Entscheidungsverhaltens auf Basis von Panel- daten der German Longitudinal Election Study, 97 Vgl. Nickel, Carsten: Populismus, Politikwissen- in: Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaf- schaft und die Zukunft der Sozialdemokratie, in: ten, Jg. 15 (2017), H. 4, S. 627–656, hier S. 631. Leviathan, Jg. 48 (2020), H. 1, S. 59–69, hier S. 60.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 23 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

des alten Mittelstands der Selbstständigen und Um nun Aussagen über das Sozioprofil hinaus Landwirte sowie Arbeiter seien.98 Auch Holger treffen zu können, also um etwas über die partei- Lengfeld betont, dass es keineswegs klassische politische Bedeutung aussagen zu können, wird „Modernisierungsverlierer“ der unteren Statusla- auf das oben skizzierte Wahlentscheidungsmodell gen seien, die die AfD wählen würden, weil ein zurückgegriffen. Ein Blick auf die Ebenen-Eintei- relativ großer Anteil der Wählerschaft besser Ver- lung verdeutlicht eine parteipolitische Verände- dienende seien.99 Niedermayer und Hofrichter zu- rung in der Wählerschaft, die quer zum Wandel folge stieg von 2013 bis 2016 die „Affinität der Ar- der AfD-Wählerschaft aus Sicht des Sozioprofils beiterschaft zur AfD“100 kontinuierlich, aber auch liegt. Auf den ersten Blick erfolgte die Wahlent- sie kommen zu dem Ergebnis, dass der größte scheidung für die AfD bei der Bundestagswahl Anteil der AfD-Wählerschaft vor allem Angestellte 2017 hauptsächlich aus Enttäuschung über an- seien.101 Diese teils unterschiedlichen Urteile zei- dere Parteien, weshalb vor allem bei den etablier- gen schon, dass die genaue Verteilung umstritten ten Parteien die Rede vom „Protestwähler“ weiter- ist, einerseits liegt dies (wie oben bereits ange- hin beliebt ist. Aber: So einfach ist es leider nicht. deutet) an den zeitlichen Entwicklungstendenzen, Auch wenn die Parteibindung/Parteiidentifikation andererseits an teils erheblichen Unterschieden für die AfD noch keineswegs besonders ausge- je nach Region und Bundesland. Zum Beispiel prägt ist, allein aufgrund der zeitlichen Dimen- unterscheiden sich die soziostrukturellen Zusam- sion auch überhaupt nicht übermäßig aufgebaut mensetzungen der AfD-Wählerschaft zwischen sein kann, deuten zumindest aktuelle Studien be- Ost und West. Während im Westen ein deutlicher reits darauf hin, dass der Anteil der Parteiidenti- Männer-Überschuss weiterhin feststellbar ist, re- fikation in den letzten Jahren im Vergleich schon lativiert sich dieses Übermaß im Osten. Eine ähn- deutlich zugenommen hat.104 Die AfD hat zwar liche Tendenz ist für den Bildungsgrad und das noch verhältnismäßig wenige Stammwähler und Einkommen der ostdeutschen Wähler festzustel- auch ihre Mitgliederzahl – obwohl inzwischen len.102 Von der groben Tendenz her ist die Partei, auf beachtliche 33.000 Mitglieder angewachsen wie Bergmann, Diermeier und Niehus festhalten, – rangiert noch deutlich hinter den Werten der „im Durchschnitt heute zweifelsohne sozio-de- anderen Parteien.105 Aber berücksichtigt man die mographisch eine Partei der Mitte“103. Skandale, Spaltungen und Entwicklungen, die die Partei bereits hinter sich hat, sind alleine diese Zahlen schon überraschend hoch. Es scheint, 98 Vgl. ebd., S. 650. als hätte die Partei in puncto Skandal-Anhäu- fung, personeller Unfähigkeit und interner Que- 99 Lengfeld, Holger: Die „Alternative für Deutschland“: Eine Partei für Modernisierungsverlierer?, in: Köl- relen regelrechte Narrenfreiheit bei ihren Wählern. ner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Außerdem deuten die aktuellen Analysen gerade Jg. 69 (2017), H. 2, S. 209–232. Zur Kritik an Leng- hier auf weitere Entwicklungstendenzen hin: Vor feld, vgl. Lux, Thomas: Die AfD und die unteren Sta- allem nimmt der Bereich der Partei-Überzeu- tuslagen. Eine Forschungsnotiz zu Holger Lengfelds gung weiter zu. Die Studie von Schwarzbözl und Studie Die „Alternative für Deutschland“: Eine Par- tei für Modernisierungsverlierer?, in: Kölner Zeit- Fatke betont schon für die Anfangsphase der schrift für Soziologie, Jg. 70 (2018), H. 2, S. 181–199. AfD ein nicht unerhebliches Potenzial an AfD-

100 Niedermayer/Hofrichter: Die Wäh- lerschaft der AfD, S. 271. 104 Vgl. Hertel, Florian R./Esche, Frederike: Die rechte Mitte? Zur Rolle objektiver Position und subjekti- 101 Vgl. ebd., S. 272. ver Verunsicherung für die Identifikation mit rech- ten Parteien, in: Lübke, Christiane/Delhey, Jan 102 Vgl. Hambauer/Mays: Wer wählt die AfD?, S. 140f. (Hrsg.): Diagnose Angstgesellschaft? Was wir wirk- lich über die Gefühlslage der Menschen wis- 103 Bergmann, Knut/Diermeier, Matthias/Niehues, Judith: sen, Bielefeld 2019, S. 255–285, hier S. 271. Die AfD: Eine Partei der sich ausgeliefert fühlenden Durchschnittsverdiener?, in: Zeitschrift für Parla- 105 Niedermayer: Parteimitglieder in Deutsch- mentsfragen, Jg. 48 (2017), H. 1, S. 57–75, hier S. 71. land: Version 2019, S. 6.

24 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.1 Zur Forschungsdebatte: Wer wählt warum die AfD

Stammwählerschaft.106 Weitere Studien haben dies der Modernisierungsverlierer-These: Meinte diese auch für die weitere Parteientwicklung bestä- ursprünglich eine „Modernisierungsverlierer-The- tigt und noch vertieft.107 Diese Entwicklung kann orie“ im inhaltlichen Sinn als „spezifische Verbin- mehrere Gründe haben. Nach aktuellen Untersu- dung von Erklärungen auf den Ebenen des sozia- chungen liegt es zwar weniger an der sogenann- len Wandels, der sozialen Lage des Individuums ten Kandidaten-Orientierung (was allerdings auch und seiner psychischen Disposition“108, so wird sie wiederum typisch wäre für kleinere Parteien), je- heutzutage tendenziell inhaltlich verflacht, indem doch ist anzunehmen, dass das parteipolitische sie entweder auf ökonomisch-soziale oder auf Auftreten von Parteigrößen wie Jörg Meuthen, psychologische Faktoren reduziert wird. In öko- , Alexander Gauland oder Björn Höcke nomisch-sozialer Ausprägung besagt die Moder- für die jeweilig angesprochene Kernklientele doch nisierungsverlierer-These, dass sozioökonomisch eine gewisse Bedeutung hat. Auch die sogenannte Abgehängte oder sich zumindest so Fühlende von Sachthemen-Orientierung dürfte für einen gewis- der Wahrscheinlichkeit her eher Parteien rechts der sen Teil der Wählerschaft eine mitentscheidende Mitte wählen würden. In politisch-psychologischer Bedeutung haben, wie es aktuelle Umfragen im- Ausprägung hingegen wird die Modernisierungs- mer wieder betonen, da AfD-Wähler beispielsweise verlierer-These mit der sogenannten relativen De- anfangs besonders gegen die Euro-Rettungspoli- privation erklärt: Diese bezeichnet einen Zustand tik und später vor allem gegen Migration eintraten, der Enttäuschung und Unzufriedenheit (Depriva- bzw. diese Themen besonders bei der AfD partei- tion meint die Nicht-Erfüllung bestimmter Erwar- politisch vertreten sahen. Nicht zuletzt dürfte sich tungen bzw. Bedürfnisse): „Unter Deprivation soll ein gewisser Teil der Wählerschaft, der sich derzeit ein Zustand des tatsächlichen oder perzipierten schon offen zur AfD bekennt, auch aufgrund der Entzugs bzw. der Entbehrung von etwas Erwünsch- politisch-gesellschaftlichen Polarisierung und Ver- tem verstanden werden.“109 Daraus wird abgeleitet, härtung immer stärker mit der Partei identifizieren. dass vor allem rechtspopulistische Parteien diesen In der Forschung wird derzeit aber nicht nur gesellschafts-politischen Unmut aufgreifen und über die empirisch erfassbare Wählerschaft de- weiter anfeuern. Aus diesem Grund hängt diese battiert, sondern auch über die Frage nach den Ausprägung eng mit der Protestwähler-These zu- Wahlmotiven. Dabei zeigt sich ein Spannungsver- sammen. Diese bezeichnet die Annahme, dass hältnis: Einerseits ist diese Frage äußerst umstrit- sich politischer Unmut (hier übersetzt die Frust- ten, andererseits dominieren doch besonders zwei ration über die etablierte Politik) in einem Protest- beliebte Erklärungsmuster: die sogenannte Moder- verhalten zugunsten von rechtspopulistischen Par- nisierungsverlierer- und die Protestwähler-These. teien artikuliert. Die entscheidende Variable ist da- Wie im Folgenden gezeigt wird, hängt beides mit- bei die Selbsteinschätzung der eigenen politischen einander zusammen und vor allem bleiben die ak- Einflusschancen (die wiederum vom Bildungsgrad tuellen Erklärungsfolien schablonenhaft und kön- und der materiellen Zufriedenheit abhängt).110 nen die AfD-Wahlmotive zwar oberflächlich, aber keineswegs vertiefend und ausreichend beschrei- ben. Es existieren inzwischen ganz unterschied- 108 Spier, Tim: Modernisierungsverlierer? Die Wäh- liche Ausprägungen und Abstufungen innerhalb lerschaft rechtspopulistischer Parteien in Westeuropa, Wiesbaden 2010, S. 57.

109 Rippl, Susanne/Baier, Dirk: Das Deprivations- 106 Vgl. Schwarzbözl, Tobias/Fatke, Matthias: konzept in der Rechtsextremismusforschung. Außer Protesten nichts gewesen? Das politi- Eine vergleichende Analyse, in: Kölner Zeit- sche Potenzial der AfD, in: Politische Viertel- schrift für Soziologie und Sozialpsychologie, jahresschrift, Jg. 57 (2016), H. 2, S. 276–299. Jg. 57 (2005), H. 5, S. 644–666, hier S. 645.

107 Vgl. Bieber, Ina/Roßteutscher, Sigrid/Scherer, Phi- 110 Vgl. Hennig, Eike: Politische Unzufrieden- lipp: Die Metamorphosen der AfD-Wählerschaft: heit. Ein Resonanzboden für Rechtsextremisms?, Von einer euroskeptischen Protestpartei zu einer in: Kowalsky, Wolfgang/Schroeder, Wolfgang (r)echten Alternative?, in: Politische Viertel- (Hrsg.): Rechtsextremismus. Einführung und For- jahresschrift, Jg. 59 (2018), H. 3, S. 433–461. schungsbilanz, Opladen 1994, S. 339–380.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 25 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Innerhalb der Forschungsdebatte sind die Mo- „Einstellungen“ mit dem entsprechenden „Wahl- dernisierungsverlierer- und Protestwähler-These verhalten“ gleich. So z. B. die sogenannte „Natio- äußerst umstritten.111 Wie bereits angedeutet, nalismusthese“ von Holger Lengfeld114, die davon hängt eine Positionierung innerhalb dieser Kon- ausgeht, dass die politische Einstellung der Men- troverse vor allem davon ab, mit welchem Ver- schen auch zum entsprechenden Wahlverhalten ständnis von der Modernisierungsverlierer-These (hier der AfD) führt. Dies ist allein schon deshalb operiert wird. Zudem wird diese Erklärung zu- nicht haltbar, weil diese Gleichsetzung bedeuten gleich wegen ihres Protest-Begriffs kritisiert, würde, dass alle, die beispielsweise für einen star- weil die Frage nach der „Enttäuschung“ immer ken Staat eintreten würden, automatisch auch die schon nur ein Erklärungsaspekt gewesen und da- AfD (und nicht etwa CDU oder SPD) wählen. Ein mit nicht mit der Protestwahl gleichzusetzen sei. anderes Beispiel für diese Art der Erklärung ist Denn es kann schließlich ganz unterschiedliche die sogenannte Anti-Migrations-These, die davon Gründe und Motive haben, warum man von einer ausgeht, dass die Ablehnung von Flüchtlingen eigentlich präferierten Partei enttäuscht ist und oder der Protest gegen Migration zur AfD-Wahl ob man potenziell überhaupt zu dieser zurück- führt.115 Zwar findet sich empirisch nachweisbar kommen kann. Versteht man in der empirischen eine etwas erhöhte Zustimmung in aktuellen Um- Überprüfung das Protestmotiv in dem Sinn, dass fragen bei AfD-Wählern hinsichtlich restriktiver der Protestwähler mit dem Wahlakt für eine Pro- Forderungen in der Migrations- und Asylpolitik testpartei den anderen Parteien einen sogenann- oder auch bei Fragen nach Recht und Ordnung. ten „Denkzettel“ verpassen will, dann stößt die Aber es gibt bisher keinen Nachweis einer empi- Protestwähler-These allein schon empirisch rela- rischen Evidenz und eines AfD-Spezifikums, son- tiv schnell an ihre Grenzen, weil von den bloßen dern es wurde bislang lediglich gezeigt, dass die Zahlen her diese Form der Protestwähler immer Wahrscheinlichkeit steigen kann, die AfD zu wäh- nur einen Teil innerhalb der Wählerschaft aus- len, wenn man diese Einstellung beispielsweise macht.112 Auch aus diesem Grund betonen aktuelle zu einer restriktiveren Migrationspolitik teilt. Wie Untersuchungen immer wieder, dass es sich bei Philip Manow bemerkt, hilft es nur bedingt weiter, den AfD-Sympathisanten inzwischen „keineswegs den Protest gegen Migration lediglich als „Aus- um ,ökonomisch prekäre‘ Protestwähler“113 handele. druck eines kulturellen Abwehrreflexes“116 zu in- Andere Erklärungsansätze versuchen das terpretieren, wie es beispielsweise durch die Pa- Wahlverhalten geradezu phänomenologisch zu thologisierungen der AfD-Wählerschaft, der Kul- erklären. Manche aktuell diskutierten Erklä- turalisierungen der politischen Konflikte und der rungsversuche setzen das Vorhandensein von Komplexitätsreduzierungen qua Simplifizierungen mit Denkschablonen wie Protestwählern und Mo- dernisierungsverlierern implizit geschehe. Viel-

111 Vgl. Rippl, Susanne/Seipel, Christian: Moderni- mehr müsse nach Manow der Zusammenhang sierungsverlierer, Cultural Backlash, Postdemo- entschlüsselt werden zwischen dem Protest ge- kratie. Was erklärt rechtspopulistische Orien- gen Migration, den gesellschaftlichen Verteilungs- tierungen?, in: Kölner Zeitschrift für Sozial- kämpfen und den politischen Interessen der je- psychologie, Jg. 70 (2018), H. 2, S. 237–254. weiligen Parteien. Um inhaltlich an diese Kritik von Manow an- 112 Siehe dazu als Fallanalyse Finkbeiner, Florian: Mäch- tiges Überraschen. Die Crux des AfD-Erfolges am zuschließen, wird nachfolgend auf noch zwei Beispiel der Landtagswahl in Niedersachsen 2017, weitere Überlegungen eingegangen, die in der in: Demokratie-Dialog 2/2018, S. 80–86, hier S. 84.

Lengfeld: Die „Alternative für Deutschland“: Eine 113 Siri, Jasmin/Lewandowsky, Marcel: „Wir sind das 114 Volk“. Zur Herausbildung eines Diskurses der iden- Partei für Modernisierungsverlierer?, S. 211. titären Demokratie im Umfeld der Partei Alternative für Deutschland (AfD), in: Bergem, Wolfgang/Diehl, 115 Vgl. Hambauer/Mays: Wer wählt die AfD?, S. 148. Paula/Lietzmann, Hans J. (Hrsg.): Politische Kultur- forschung reloaded: Neue Theorien, Methoden und 116 Manow: Die Politische Ökono- Ergebnisse, Bielefeld 2019, S. 273–293, hier S. 283. mie des Populismus, S. 13.

26 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.1 Zur Forschungsdebatte: Wer wählt warum die AfD

Wahl- und Parteienforschung zwar regelmäßig Konfliktlinie, verlaufe entlang der Frage, ob die in Erwägung gezogen werden, aber kaum analy- Grenzen international geöffnet (multikulturalis- tisch weiterverfolgt werden. In der aktuellen For- tisch, universalistisch und pluralistisch) oder be- schungsdebatte wird immer wieder diskutiert, dingt geschlossen (partikularistisch, protektionis- dass ein spezifisches Politik- und Demokratiever- tisch) werden sollten.121 Aktuelle Studien betonen ständnis bestimmter Bevölkerungsteile diese für in diesem Zusammenhang vor allem die Erklä- die AfD-Wahl prädisponierten, oder sie zumin- rungskraft einer kulturellen Bedrohung für die po- dest empfänglich machen würden für die Poli- tenzielle Empfänglichkeit gewisser Bevölkerungs- tikangebote dieser Partei. Dabei unterscheiden teile.122 Sie beziehen sich hierbei vor allem auf das sich zugleich die Begriffsbestimmungen, welche Faktum, dass AfD-Anhänger stärker als Anhänger Form des Demokratieverständnisses überhaupt anderer Parteien Flüchtlinge ablehnen.123 Aller- als ausschlaggebende Ursache für die AfD-Präfe- dings kann diese Flüchtlings-Ablehnung alleine renz angenommen werde. Einige Forscher sehen natürlich kaum das Mysterium des AfD-Wahlerfol- in der allgemeinen tendenziellen Unzufriedenheit ges erklären: Schließlich gab es die AfD schon vor mit der Demokratie ein zentrales Erklärungsmo- der „Flüchtlingswelle“ 2015 und außerdem bleibt ment.117 Manche Forscher betonen gerade in ei- dadurch weiterhin relativ unklar, was die Men- ner „diffusen identitären Demokratievorstellung“118 schen am bloßen Faktum, dass Flüchtlinge nach das Erklärungsmoment. Andere identifizieren Deutschland kommen, wirklich stört – oder sozial- demgegenüber einen Zusammenhang zwischen psychologisch ausgedrückt: Was die Einwanderung „rudimentär und normorientiert-gouvernemen- von Menschen nach Deutschland bei den Autoch- talen Lebenswelten“119 und einem „direkten De- thonen auslöst oder welche Wünsche, Sehnsüchte mokratieverständnis“, was ihrer Ansicht nach die und Ängste dabei eigentlich genau angesprochen AfD-Parteineigung erklären würde. Und wiederum werden. Nicht zuletzt ist die Frage, ob es wirklich andere bestimmen eine „populistische Demokra- einen neuen Cleavage gibt oder ob sich die alten tiekonzeption“120 als Erklärungsfolie für die Affini- Cleavages nur verändern, weiterhin umstritten.124 tät zur Wahl der AfD. Die zweite Überlegung rückt In der Forschung ist es weiterhin strittig, wo- vor allem ein politisch-emotionales Bedrohungs- rin genau die Ursachen für die aktuellen Konflikte gefühl im Zusammenhang mit einer polarisierten liegen. Gemeinsam ist den meisten Erklärungs- politischen Kultur in den Vordergrund. Demnach ansätzen, dass sie den soziokulturellen Entwick- drücke sich eine (nicht nur) gefühlte politisch-ge- lungen eine mitentscheidende Rolle einräumen.125 sellschaftliche Spaltung, eine politisch-kulturelle Polarisierung, in einem neuen „Cleavage“ aus. 121 Rippl/Seipel: Modernisierungsverlierer, Cul- Dieser Cleavage, also diese neue gesellschaftliche tural Backlash, Postdemokratie.

122 Vgl. Lengfeld/Dilger: Kulturelle und öko- 117 Bieber/Roßteutscher/Scherer: Die Metamor- nomische Bedrohung. phosen der AfD-Wählerschaft, S. 456. 123 Ebd., S. 191. 118 Siri/Lewandowsky: „Wir sind das Volk“, S. 289. 124 Vgl. Hooghe, Liesbet/Marks, Gary: Cleavage theory 119 Frankenberger, Rolf/Gensheimer, Tim/Buhr, Daniel: meets Europe’s crises: Lipset, Rokkan and the trans- Zwischen Mitmachen und Dagegen sein. Politi- national cleavage, in: Journal of European Pub- sche Lebenswelten in Baden-Württemberg, in: lic Policy, Jg. 25 (2018), H. 1, S. 109–235; Koppetsch, Baden-Württemberg-Stiftung (Hrsg.): Demo- Cornelia: Die Gesellschaft des Zorns. Rechtspopu- kratie-Monitoring Baden-Württemberg 2016/17, lismus im globalen Zeitalter, Bielefeld 2019; Franz, Wiesbaden 2019, S. 149–172, hier S. 170. Christian/Fratzscher, Marcel/Kritikos, Alexander S.: Grüne und AfD als neue Gegenpole der gesell- 120 Steiner, Nils D./Landwehr, Claudia: Populistische schaftlichen Spaltung in Deutschland, in: DIW Demokratiekonzeptionen und die Wahl der AfD: Evi- Wochenbericht, Jg. 86 (2019), H. 34, S. 591–603. denz aus einer Panelstudie, Working Paper number 1812, Gutenberg School of Management and Econo- 125 Vgl. Jesse: Das Aufkommen der Alter- mics, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz 2018. native für Deutschland, S. 118f.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 27 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Sowohl die Erklärungsthese bestimmter Politik- mit den bisherigen Erkenntnissen über Wahlmo- und Demokratievorstellungen als auch die Hypo- tive und das Wählerprofil zu diskutieren. these einer politisch-kulturellen Spaltung können Bevor wir uns nachfolgend in konzentri- einige Plausibilität beanspruchen, auch wenn sie schen Kreisen immer mehr dem Sozialprofil, den beide empirisch bisher kaum bestätigt wurden, politischen Vorstellungswelten und damit dem bzw. die bisherigen Studien zumeist nur Teilas- Kern, also dem Motiv für die AfD-Wahl, Schritt pekte der jeweiligen Erklärungsthese analysiert für Schritt annähern, bedarf es einer (nicht nur haben. Auch aus diesem Grund bietet es sich methodisch) notwendigen Einschränkung: Auf- an, diese Thesen in die weiteren Analyseschritte grund der teilweise doch relativ geringen Fallzah- miteinzubeziehen. Denn diese Ausführungen zur len für die einzelnen Parteiwähler-Profile können aktuellen Forschungsdebatte sollten verdeut- wir kaum Aussagen über „den Typus“ generie- licht haben, dass es offensichtlich kein einheitli- ren. Die vorliegenden Daten behandeln lediglich ches „Profil“ des AfD-Wählers insgesamt gibt, und die Antworten 48 bekennender AfD-Wähler, wes- dass sich dieses zugleich zeitlich auch noch wan- halb keine Repräsentativität beansprucht werden delt. Deshalb gilt weiterhin der Umstand, wie ihn kann (und soll) und die Aussagen entsprechend Schmitt-Beck festgestellt hat, dass die Wahl- und nur eingeschränkte Erklärungskraft beanspruchen Parteienforschung das AfD-Wahlverhalten noch können.128 Zudem fallen einige Besonderheiten „nicht hinreichend“ erklären kann und es weiter- auf, die im späteren Interpretationsprozess be- führende Untersuchungen braucht.126 rücksichtigt werden müssen: Wir haben aufgrund des Erhebungsverfahrens offensichtlich doch eher ältere Kohorten in unserem Sample. Die Mehrheit aller Partei-Wähler ist über 50 Jahre (bspw. bei 5.2 Sekundärauswertung den Grünen) bei manchen Parteien sogar über 65 des NDM 2019 für das Jahre (bspw. bei der CDU) und liegt damit über AfD-Parteiprofil dem niedersächsischen Altersdurchschnitt. Wir haben insgesamt nur eine geringe Fallzahl an Wer wählt die AfD in Niedersachsen und aus wel- AfD-Wählern, aber auch hier fällt auf, dass wir chen Gründen? Was macht den AfD-Wähler in eher ältere Wählerkohorten erreicht haben. Mit Niedersachsen aus und worin unterscheidet sich diesem Problem der relativ geringen Fallzahlen dieser genau von Wählern anderer Parteien? Im haben auch andere Projekte zu kämpfen.129 Eine Folgenden wird sich dem Profil der AfD-Wähler in der wenigen überhaupt existierenden Studien Niedersachsen in zwei Teilschritten angenähert: zu AfD-Mitgliedern beispielsweise baut auf ei- Der erste Teil versucht mit einer Sekundärauswer- ner Fallzahl von 95 auf, weil nicht mehr Daten- tung des Materials des Niedersächsischen De- sätze über die Online-Befragung generiert wer- mokratie-Monitors 2019 (NDM)127, der bereits er- den konnten.130 Die nachfolgende Analyse nutzt wähnten repräsentativen Umfrage in der nieder- zumindest die vorliegenden Daten, um durch sächsischen Bevölkerung, tiefgehender an Wahl- eine Kontrastierung der Wählerprofile der anderen strukturmomente und politische Einstellungsmus- ter der AfD-Wähler im Vergleich zu den Wählern 128 Die Fallzahlen: SPD = 190; CDU = 202; Grüne anderer Parteien heranzukommen. Im zweiten Teil = 235; Linke = 46; FDP = 50; AfD = 48. werden unter Rückgriff auf Thesen aus der ak- tuellen Forschungsdebatte die AfD-Wahlvertei- 129 Vgl. dazu auch jüngst die Sekundärauswertung lungen analysiert, um die soziodemographischen der Leipziger Autoritarismus-Studie über die AfD- Konstituierungsbedingungen im Zusammenhang Wählerschaft: Schuler, Julia et al.: Rechtsextremis- mus, Gewaltbereitschaft, Antisemitismus und Ver- schwörungsmentalität: AfD-Wähler_innen weisen 126 Schmitt-Beck: Wähler und Parteien bei die höchste Zustimmung zu anti-demokratischen der Bundestagswahl 2017, S. 639. Aussagen auf, Arbeitsgruppe der Leipziger Auto- ritarismusstudien, Universität Leipzig 2020. 127 Vgl. Marg et al.: Niedersächsi- scher Demokratie-Monitor 2019. 130 Vgl. Kleinert: Die AfD und ihre Mitglieder, S. 54.

28 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.2 Sekundärauswertung des NDM 2019 für das AfD-Parteiprofil

Parteien sich zumindest kursorisch dem Wäh- Das politische Engagement unserer Befragten lerprofil der AfD anzunähern. Die grundlegende hängt insgesamt nicht mit einer gewissen Par- Frage lautet hierbei, ob es etwas Bestimmtes gibt, teipräferenz zusammen. Je nach Form der poli- was diese AfD-Wähler ausmacht oder ob es gar tischen Aktivität verteilt sich die Parteineigung „den“ AfD-Wähler gibt. unterschiedlich. Nimmt man der Übersicht halber aber die unterschiedlichen Formen von Partizi- pation (wie Unterschriftensammlung, politische Politisches Interesse und Partizipation Meinung im Internet äußern, Kontaktaufnahme zu Politikern, Boykott, Mitarbeit in Bürgerinitiative/ Der Blick auf die Verteilung von Mitgliedschaften politischem Verein, Teilnahme an Demonstratio- in kulturellen oder sportlichen Vereinen offenbart nen oder auch Volksbegehren/Bürgerentscheid) kaum Unterschiede zwischen allen Parteien. Dies zusammen, dann sind die Linkspartei-Wähler ins- gilt ebenso für den Aktivitätsgrad in den jewei- gesamt die aktivsten. Fast alle Linkspartei-Wähler ligen Vereinigungen. Die in unserem Sample er- haben schon einmal an einer Unterschriftenak- fassten Wähler sind so gut wie gar nicht Partei- tion teilgenommen, drei Viertel auch schon ein- mitglieder, egal welcher Partei sie nahestehen. In mal an einem Boykott oder einer Demonstration; Gewerkschaften ist insgesamt nur eine Minder- und die Hälfte hat schon einmal an einem Volks- heit Mitglied. Die Aufteilung hierbei reicht an- begehren partizipiert, einen Politiker kontaktiert teilig von knapp einem Fünftel (bei CDU) bis zu oder seine Meinung im Internet kundgetan. Jeder einem Drittel (bei der Linkspartei). Auffallend ist, Vierte ist in einer Bürgerinitiative/politischem dass sich die Anteile von Gewerkschaftsmitglie- Verein, aber dieser Wert ist generell bei allen Par- dern in unserem Sample zwischen Grünen-, FDP- teien relativ niedrig – ebenso wie die Teilnahme und AfD-Wählern kaum unterscheiden. Fast alle an einer Blockade einer Demonstration poli- Anhänger sind kaum oder gar nicht in Gewerk- tischer Gegner. Bei allen anderen Parteien (von schaften aktiv, nur bei den Linkspartei-Wählern AfD, Grüne und SPD, CDU bis FDP) gibt es an- gibt knapp die Hälfte an, auch aktiv zu sein. Die sonsten relativ wenige Auffälligkeiten: Die meis- AfD- und die Linkspartei-Wähler sind am we- ten haben schon einmal an einer Unterschriften- nigsten in einer Kirche Mitglied (weniger als ein sammlung teilgenommen, aber kaum jemand ist Drittel), demgegenüber sind Wähler der CDU, der in Bürgerinitiativen aktiv, auf die übrigen Parti- Grünen und der SPD am meisten Kirchenmitglied zipationsformen verteilen sich die Anteile relativ (etwa die Hälfte). gleichmäßig. Ansonsten ist lediglich bemerkens- wert, dass es (entgegen der Ver- mutung) nicht die AfD-Wähler zu Diagramm 2: Mitgliedschaft in Vereinen, Gewerkschaften, sein scheinen, die besonders häu- Religionsgemeinschaften und fig ihre politische Meinung im In- Parteien nach Parteineigung ternet äußern. Die AfD-Wähler in unserem Sample tun dies nach 70 eigenen Angaben äußerst selten. AfD 60 Am meisten äußern den eige- CDU nen Angaben zufolge dagegen die 50 FDP Wähler der Linken und der Grünen SPD 40 ihre Meinung im Internet. Grüne

30 Linke gesamt 20

10

0 kultuerelle/ Gewerkschaft/ irche/ Parteien sportliche Vereine Interessenvertretung Religionsgemeinschaft

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 29 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Unsere Erhebung aus dem Diagramm 3: Politisches Engagement nach Parteineigung

Winter 2018/2019 spiegelte die po- 0 10 20 30 40 50 60 70 0 litischen Machtverhältnisse nach AfD der Landtagswahl 2017 wider. Dies zeigt nicht nur die von uns ge- CDU

stellte Sonntagsfrage, die relativ FDP nah an den zu diesem Zeitpunkt aktuellen Umfragewerten lag, son- SPD dern es zeigt sich auch bei der Grüne Konstanz der Wahlentscheidun- Linke gen. Fast alle Wähler, die bei der nächsten Wahl die entsprechende gesamt Partei wählen würden (Sonntags- Politische Meinung im Internet Demonstration Bürgerinitiative/politischer Verein frage), haben dieser Partei auch bei der letzten Wahl ihre Stimme gegeben – besonders ausgeprägt ist diese Treue bei Wählern von CDU und SPD, die fast ausnahms- Diagramm 4: Politische Meinung im Internet los auch bei der letzten Wahl ihre nach Parteineigung Stimme für Sozial- oder Christde- 0 10 20 30 40 50 60 mokraten abgegeben haben. Die AfD volatilste Wählergruppe gibt es bei den Grünen, bei denen zwar CDU drei Viertel der Anteile konstant FDP

blieben, aber immerhin ein Vier- SPD tel hat die potenzielle Grünen- Grüne Wählerschaft hinzugewonnen aus Linke ehemaligen SPD- und CDU-Wäh- lerkreisen. Bemerkenswert ist da- gesamt rüber hinaus, dass sich die AfD- Wählerbasis, zumindest nach den Angaben aus dem Monitor, zu verfestigen scheint. Der Groß- teil derjenigen, die bei der letz- Diagramm 5: Wahlentscheidung von AfD- ten Landtagswahl die AfD wähl- Sympathisanten bei letzter Landtagswahl ten, würde auch bei der nächsten Wahl der Partei seine Stimme ge- ben. Lediglich ein kleiner Anteil aus ehemaligen CDU- und SPD- Wählern würde nun auch zur AfD tendieren. Zwar sind diese Zahlen keineswegs repräsentativ, aber sie zeigen dennoch eine gewisse po- litische Tendenz an, dass sich die AfD-Wählerbasis stabilisiert.

n = 45

AfD CDU FDP SPD Grüne Linke

30 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.2 Sekundärauswertung des NDM 2019 für das AfD-Parteiprofil

Bewertung der Politik die Problemwahrnehmungen zwischen dem erst- und zweitgenannten Problem relativ überein (so- Der Niedersächsische Demokratie-Monitor 2019 ziale Gerechtigkeit auch als das zweitwichtigste hat gezeigt, dass die Bürger in Niedersachsen mit Problem). Bei den anderen Parteien differieren die der Politik überwiegend unzufrieden sind oder Problemwahrnehmungen zum Teil deutlich. Bei diese zumindest relativ schlecht bewerten, wenn den FDP-Wählern gibt es keine herausgehobe- es darum geht, dass diese Probleme in der Ge- nen Ausreißer, sodass sich kaum ein Muster er- sellschaft angeht und löst. Zudem unterschieden kennen lässt, welche gesellschaftlichen Probleme sich je nach Parteineigung zum Teil deutlich die als besonders drängend empfunden werden. Bei Wahrnehmungen über die drängendsten Prob- den CDU-Wählern fällt auf, dass soziale Gerech- leme. Für die CDU- und AfD-Wähler stellt jeweils tigkeit bei den zweitgenannten Problemen am die Migration das wichtigste Problem dar. Sowohl meisten adressiert wurde, danach folgen relativ bei den SPD- und Linkspartei-Wählern als auch gleichmäßig verteilt Migration, Bildung, Umwelt bei den Grünen ist es demgegenüber die soziale und Altersarmut. Am auffälligsten ist der Kontrast Gerechtigkeit. Nur bei den FDP-Wählern gibt es zwischen dem erst- und zweitgenannten Prob- nicht das eine hervorstechende zentrale Problem lem bei den AfD-Wählern. Hier zeigt sich deutlich, – stattdessen sind die Themen soziale Gerech- dass es sehr heterogene Problemwahrnehmungen tigkeit, Infrastruktur und Migration relativ gleich- bei den Wählern gibt, die sich relativ gleichmä- mäßig verteilt. Darüber hinaus fallen drei Dinge ßig verteilen auf Politik im Allgemeinen, die Wirt- bei den Nennungen über die wichtigsten Prob- schaftsstruktur, Altersarmut, soziale Gerechtigkeit leme auf: Erstens ist das Thema Umwelt selbst und Migration. Für die AfD-Wählerschaft lässt sich bei den Grünen-Wählern nur auf Platz zwei, also hieraus schließen, dass Migration zwar ein domi- noch hinter der sozialen Gerechtigkeit; zweitens nant wahrgenommenes Problem darstellt, die Mi- gibt es besonders bei den SPD-Wählern (nach der grationsproblemwahrnehmung aber – auch wenn sozialen Gerechtigkeit) eine große Streuung be- sie am deutlichsten ausgeprägt ist von allen Par- züglich der drängenden Probleme (von Migration, teien – kein AfD-Wahl-Charakteristikum dar- Sorge um den gesellschaftlichen Zusammenhalt stellt.131 Außerdem lässt sich im Verhältnis zum und Bildung) – ebenso wie bei der CDU, bei der sich nach der Migration die An- teile auf soziale Gerechtigkeit, Altersarmut Diagramm 6: Wichtigstes Problem in Deutschland und Bildung verteilen; das bedeutet, dass (erstgenannt) nach Parteineigung vor allem die alten Volksparteien aufgrund 70 der besonders großen Heterogenität ih- AfD 60 rer Wählerschichten weiterhin auch ganz CDU unterschiedliche Problemwahrnehmungs- 50 FDP Wählertypen versammeln. Als Drittes fällt SPD 40 auf, dass bei den Linkspartei-Wählern Grüne nach der sozialen Gerechtigkeit die The- 30 Linke men Migration und Politik im Allgemeinen gesamt als drängendste Probleme auftauchen. 20

Wesentlich aussagekräftiger als die 10 Antwort auf die Frage, welches das wich- tigste Problem in Deutschland sei, das die 0 Migration Soziale Altersarmut Bildung Politik Politik angehen sollte, waren die Aussa- Gerechtigkeit gen bezüglich des zweitwichtigsten Pro- blems. Während es bei fast allen Par- tei-Wählern jeweils ein dominantes erstgenann- tes Problem gibt, zeigen sich bei der Zweit-Nen- 131 An diesem Punkt scheint es Parallelen zu den poli- nung bei allen Parteien große Streuungen. Bei den tischen Einstellungen und Motiven der Wählerschaft SPD-, Grünen- und Linkspartei-Wählern stimmen der Republikaner in den 1990er Jahren zu geben.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 31 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

zweitgenannten Problem festhalten, dass Diagramm 7: Wichtigstes Problem in Deutschland die Migrationsfrage offenkundig tieferlie- (zweitgenannt) nach Parteineigung

gende Probleme verdeckt oder symbolhaft 35 AfD

verdichtet. So liegt die Vermutung nahe, CDU 30 dass die Migrationsfrage eine Art Kata- FDP

lysator oder Ausdrucksform zum Einkla- 25 SPD

gen von sozialen Verteilungsfragen sein Grüne 20 könnte, bzw. dass, allgemeiner gespro- Linke

chen, „Migration“ als Stellvertreterthema 15 gesamt von Liberalisierung, Marktöffnung, Trans- 10 nationalisierung usw. verhandelt wird.

Zweifelsfrei belegen lässt sich ein solcher 5 Zusammenhang allerdings nicht – insbe- sondere, weil die monokausale Rückfüh- 0 Migration Soziale Altersarmut Bildung Politik rung der AfD-Wahl auf materielle/ökono- Gerechtigkeit mische Motive im Gesamtpanorama der Umfrageresultate Zweifel wecken muss. Die Bürger in Niedersachsen schätzen die Ge- Die Wähler von CDU und FDP finden die Situation rechtigkeit in der Gesellschaft unterschiedlich ein. in Deutschland „alles in allem“ mehrheitlich ge- Auf die Frage „Geht es in Deutschland Ihrer Meinung recht. Bei den Wählern der Grünen und der SPD ist nach alles in allem gerecht zu?“ zeigen sich zum es annähernd die Hälfte. Die Wähler der Linkspar- Teil deutliche Unterschiede je nach Parteipräferenz. tei und der AfD finden die Verhältnisse mehrheit- lich „eher ungerecht“ oder „sehr ungerecht“. Interessanterweise un- Diagramm 8: „Die Wirtschaftsordnung in der BRD terscheiden sich diese Gerech- ist gerecht“ nach Parteineigung tigkeitseinschätzungen von einer 0 20 40 60 0 100 anderen Frage. Die Frage, ob die „Wirtschaftsordnung in Deutsch- AfD 6 19 1 5 land im Großen und Ganzen ge- CDU 7 116 43 27 recht“ sei, führt zu einem gespalte- FDP 1 2 11 6 4 nen Ergebnis. Am gerechtesten fin- SPD 7 5 52 41 5 den die Wähler von CDU, SPD und Grüne 5 103 69 53 5 FDP die Wirtschaftsordnung mit

Linke 15 10 16 5 jeweils mehr als der Hälfte, wäh- rend bei den Grünen der größte gesamt 20 361 212 170 3 Anteil darüber unschlüssig ist; Sehr gerecht Eher gerecht Weder gerecht noch ungerecht Eher ungerecht Sehr ungerecht am ungerechtesten finden indes wieder die Linkspartei- und AfD- Wähler die Wirtschaftsordnung. Da sich die Einschätzungen, ob es in Deutsch- land insgesamt gerecht zugeht oder ob die „Wirt- Denn auch die Wähler der Republikaner haben etwas häufiger als die Wählerschaften der anderen Par- schaftsordnung“ insgesamt gerecht ist, zum Teil teien die Themen „Ausländer und Asyl“ als „wich- unterscheiden, ist davon auszugehen, dass die tigste Problemfelder der Politik“ angesehen. Aller- Befragten nicht unbedingt das Wirtschaftssys- dings hat schon Jürgen Falter darauf hingewiesen, tem, also die Ökonomie, als zentralen Austra- dass dies keinen genuinen Erklärungsfaktor darstellt, gungspunkt für die Gerechtigkeit in Deutsch- sondern lediglich eine zusätzliche Bedingung der land identifizieren. Diese Unterschiede in den Wahrscheinlichkeit „zur Wahl rechter Parteien“ dar- stellt; Falter, Jürgen W.: Wer wählt rechts? Die Wäh- Einschätzungen zeigen sich auch bei den Wäh- ler und Anhänger rechtsextremistischer Parteien lern von Linkspartei und AfD: AfD-Wähler schät- im vereinigten Deutschland, München 1994, S. 155. zen im direkten Vergleich die Wirtschaftsordnung

32 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.2 Sekundärauswertung des NDM 2019 für das AfD-Parteiprofil gerechter ein als die Situation im Allge- Diagramm 9: „Die eigene Zukunft wird im Vergleich meinen. Demgegenüber empfinden die zu heute“ nach Parteineigung Linkspartei-Wähler im direkten Vergleich 70 die Situation in Deutschland gerechter als 60 die Wirtschaftsordnung. Bei dieser Dis- 50 40 krepanz stellt sich die Frage, welchen ge- 30 sellschaftlichen Bereich, vielleicht auch 20 welche politische Institution die Befrag- 10 ten als Verursacher oder auch als Regu- 0 AfD CDU FDP SPD Grüne Linke gesamt lierer der sogenannten Gerechtigkeit in schlechter gleich besser Deutschland ansehen. Die Wähler aller Parteien erwarten von der eigenen Zukunft nicht besonders viel. Sie schätzen ihre eigene Zukunft im Ver- Diagramm 10: „Die Zukunft künftiger Generationen wird gleich zu heute überwiegend gleichblei- im Vergleich zu heute“ nach Parteineigung bend ein. Bei den Grünen-, SPD-, CDU- 100 und FDP-Wählern schätzt kaum jemand 90 0 die eigene Zukunft als schlechter ein. Bei 70 den Linkspartei- und AfD-Wählern ist es 60 umstritten, aber auch hier findet sich je- 50 40 weils nur ein Drittel, das pessimistisch in 30 die eigene Zukunft schaut. 20 Was diese unterschiedlichen Zu- 10 0 kunftsaussichten und Erwartungshaltun- AfD CDU FDP SPD Grüne Linke gesamt gen letztlich aussagen, ist schwer einzu- schlechter gleich besser schätzen, weil die Erklärungskraft hier- bei kaum zu bestimmen ist. Schließlich gehen andere Studien davon aus, dass „allgemeiner wirtschaftlicher Pessimismus“132 keineswegs so groß, als dass dies ein entschei- ein zentraler Erklärungsfaktor für die AfD-Wahl dendes Charakteristikum wäre.134 sei. Ob dieser Faktor allerdings eine notwen- Ganz anders sieht es bei der Einschätzung der dige und hinreichende Bedingung sein könnte Zukunft allgemein im Vergleich zu heute aus. Bei oder ob sich die Konditionalität je nach Fall allen Parteien findet sich jeweils eine Mehrheit, unterscheidet133, lässt sich mit dem vorliegen- die die Zukunft – abstrahiert von der individu- den Datenmaterial nicht bestimmen. So kom- ellen – insgesamt negativ einschätzt. Die Wähler men auch Bergmann, Diermeier und Niehues in von SPD, CDU und Grünen schätzen jeweils zu un- ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass AfD-Wäh- gefähr einem Drittel die Zukunft der Gesellschaft ler zwar die allgemeine wirtschaftliche Lage in als zumindest gleichbleibend ein. Aber auch un- der Zukunft etwas pessimistischer einschätzen ter diesen Wählerschaften sieht kaum jemand die als andere Parteiwähler, aber der Abstand ist Zukunft künftiger Generationen als besser wer- dend. Bei den FDP-, Linkspartei- und AfD-Wäh- lern ist es jeweils die absolute Mehrheit, die ne- 132 Schmitt-Beck: Wähler und Parteien bei gativ in die Zukunft schaut – wobei sich hier na- der Bundestagswahl 2017, S. 653. türlich der Eindruck aufdrängt, dass die Motive für diesen Zukunftspessimismus je nach Wähler- 133 Hambauer und Mays identifizieren hier einen Ost- schaften unterschiedlicher Art sein könnten. West-Unterschied: Die AfD-Wähler in Ostdeutsch- land sehen „generell pessimistischer, was die Ent- wicklung der eigenen wirtschaftlichen Lage“ angeht als die AfD-Wähler in Westdeutschland in die Zukunft, Hambauer/Mays: Wer wählt die AfD?, S. 146. 134 Vgl. Bergmann/Diermeier/Niehues: Die AfD, S. 63.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 33 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Politische Einstellungen

Die Frage nach der politischen Selbstverortung Lager-Gruppierungen findet sich bei den Zustim- bestätigt die Macht der „Mitte der Gesellschaft“. mungswerten zur Aussage, dass es mehr Recht Das Mantra der Mitte, Hort der Stabilität und und Ordnung bedarf und man „härter gegen Au- Sehnsuchtsort maßvoller Politik135, zeigt sich auch ßenseiter und Unruhestifter“ vorgehen müsse. bei dieser Erhebung. Zwar überra- schen die Rechts-Links-Selbst- verortungen der Partei-Wähler Diagramm 11: Links-/Rechts-Selbsteinordnung nicht unbedingt, aber es wird klar, nach Parteineigung dass vier Parteien um die Gunst 0 20 40 60 0 100

der goldenen „Mitte“ konkurrie- AfD 3 12 26 6

ren – von den Grünen (Mitte-links) CDU 6 19 101 62 12 über SPD (Mitte/Mitte-links) und FDP 22 1 2 CDU (Mitte/Mitte-rechts) bis zur SPD 25 4 63 13 2 FDP (Mitte/Mitte-rechts). Lediglich Grüne 47 100 60 24 1 Linkspartei- und AfD-Wähler po- Linke 29 13 1 1 2 sitionieren sich nicht mehrheit- gesamt 107 227 259 144 25

lich in der Mitte, sondern tenden- Links Mitte-links Mitte Mitte-rechts Rechts ziell eher Links/Mitte-links, bzw. Mitte-rechts. Bei den Zustimmungs-Aus- sagen zum sogenannten „Autori- Diagramm 12: „Starke Führung, der alle folgen tarismus“ fällt ein politischer La- müssen“ nach Parteineigung gerkonflikt ins Auge. Gefragt nach 0 20 40 60 0 100 der Zustimmung oder Ablehnung AfD 19 24 1 3 1 zur Aussage, dass es eine „starke CDU 55 63 31 36 14 Führung brauche, der alle folgen FDP 10 15 12 7 6 müssen“, stimmen so gut wie alle SPD AfD-Wähler zu. Im Gegensatz dazu 34 57 2 46 23 lehnen vor allem die Linkspartei- Grüne 23 73 55 49 34 Wähler diese Aussage ab. Aber Linke 7 11 7 11 10 auch bei den CDU- und FDP-Wäh- gesamt 154 252 139 161 90 lern ist die Zustimmung relativ Stimme voll und ganz zu Stimme eher zu weder noch Lehne eher ab Lehne voll und ganz ab hoch, bzw. relativ viele in diesen Wählerschaften wollen weder zu- stimmen noch ablehnen. Anders bei den SPD- und Grünen-Wäh- Diagramm 13: „Härter gegen Außenseiter und Unruhestifter lern: Zwar stimmen auch bei die- vorgehen“ nach Parteineigung sen Wählerkreisen jeweils knapp 0 20 40 60 0 100 die Hälfte dieser Aussage voll und ganz oder eher zu, aber gleichzei- AfD 20 14 7 7 tig lehnen hier auch relativ viele CDU 66 57 36 34

diese Aussage ab. Eine ähnliche FDP 19 9 10 3

Verteilung zwischen den Partei- SPD 32 4 39 53 15

Grüne 21 42 54 73 43

Linke 6 12 16 4

135 Vgl. Münkler, Herfried: Mitte und gesamt 174 17 161 199 74 Maß. Der Kampf um die rich- tige Ordnung, Berlin 2010. Stimme voll und ganz zu Stimme eher zu weder noch Lehne eher ab Lehne voll und ganz ab

34 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.2 Sekundärauswertung des NDM 2019 für das AfD-Parteiprofil

AfD-Wähler unterscheiden sich Diagramm 14: Zustimmung zum Itemset hier nur unwesentlich von den „Verschwörungstheorien“ nach Parteineigung CDU- und FDP-Wählern. Demge- 70 genüber stimmen bei den Grü- 60 nen-, SPD- und Linkspartei-Wäh- lern jeweils weit weniger als die 50

Hälfte zu. 40 Gewisse Tendenzen zum Ver- 30 schwörungsglauben finden sich unter allen Parteianhängern. Aller- 20 dings sind diese sowohl zwischen 10 den Parteien als auch je nach Di- mension unterschiedlich ausge- 0 Welt zu unübersichtlich Staatliche Behörden Geheime Aktivitäten Einfluss geheime prägt. Der Aussage, die Welt ist zu überwachen alle Ursache Organisationen unübersichtlich geworden, stimmt AfD CDU FDP SPD Grüne Linke gesamt bei fast allen Wählern etwas we- niger als die Hälfte zu. Am we- nigsten teilen die FDP-Anhänger diese Ansicht, hier ist es etwas mehr als ein Drit- Demokratie tel, am meisten sind die AfD-Wähler dieser An- sicht (etwas mehr als die Hälfte). Quer durch alle Die AfD-Wähler sind am unzufriedensten mit Wählerschaften ist weniger als ein Drittel der An- dem Zustand und Funktionieren der Demokratie. sicht, dass staatliche Behörden alle überwachen In Relation dazu sind die SPD-Wähler am zufrie- würden, prozentual gesehen ist der Anteil bei den densten, gefolgt von den FDP- und CDU-Wählern FDP-Wählern abermals am geringsten, wo nur – hier liegt der Anteil an Personen, die angeben, knapp jeder zehnte dieser Ansicht ist, am höchs- „sehr“ oder „eher“ zufrieden zu sein, zwischen 60 ten liegt der Anteil in Relation bei den Linkspar- und 70 Prozent. Gleichzeitig gibt kaum jemand tei- und AfD-Wählern, wo knapp jeder Fünfte die- unter den Wählern dieser Parteien an, wirklich ser Aussage zustimmt. Bei der Frage, ob geheime unzufrieden mit dem Funktionieren der Demokra- Aktivitäten Ursache von scheinbar unabhängigen tie zu sein. Bei den Grünen ist zwar auch knapp Ereignissen seien, ist das Ergebnis zwiespältig: die Mehrheit zufrieden, aber ein relativ großer Unter den AfD-Wählern stimmen hier die meisten Teil ist sich unsicher (teils/teils); ganz ähnlich bei zu (jeder zweite ist dieser Ansicht). Aber auch den Linkspartei-Wählern, wobei der Anteil der bei den Linkspartei-Wählern ist es etwa ein Drit- Zufriedenen bei nur 40 Prozent liegt. Schmitt- tel. Die FDP-Wähler lehnen diese Aussage dem- Beck kommt in seiner Analyse des Wahlverhal- gegenüber am stärksten ab, hier stimmt nur jeder tens zu einem durchaus vergleichbaren Ergebnis. Fünfte zu. Es gibt offensichtlich einen Unterschied Demnach seien die AfD-Wähler tendenziell unzu- aus Sicht der Wähler zwischen der Frage nach ge- friedener mit der Demokratie als andere Partei- heimen Aktivitäten als Ursache von scheinbar wähler, aber gleichwohl sei dies kein signifikanter unabhängigen Ereignissen und der Frage nach ei- Erklärungsfaktor, schließlich seien auch die Wäh- nem großen Einfluss geheimer Organisationen auf ler anderer Parteien relativ unzufrieden. Er deutet die Politik. Denn bei dieser zweiten Frage liegen diese Unterschiede in der „Unzufriedenheit mit die Zustimmungswerte bei allen Wählerschaften der Performanz der Demokratie“ gesellschaftspo- deutlich höher als beim ersten Item. Der Ansicht, litisch als Ausdruck einer Polarisierungstendenz, dass geheime Organisationen im Verborgenen indem er das Wahlverhalten mit der Demokra- agieren und großen Einfluss ausüben, sind mit tiezufriedenheit verbindet. Demnach drücke sich knapper Mehrheit vor allem Wähler von AfD und diese gesellschaftspolitische Konfliktlinie zwi- der Linkspartei. Aber auch bei Grünen, SPD, CDU schen dem Wahlverhalten der AfD und den Grü- und FDP stimmen hier jeweils mehr als ein Drittel nen vor allem darin aus, wer derzeit von den po- der Wählerschaften zu. litisch-kulturellen Verhältnissen profitiere, aber

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 35 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

eben noch mehr erreichen möchte (weshalb die Daniel J. Levinson und R. Nevitt Sanford beobach- Grünen-Wähler tendenziell eher mit der Realität teten bereits in den 1950er Jahren in empirischen der Demokratie zufrieden seien) und wer dem- Untersuchungen, dass die „Erbitterung“137 über die gegenüber meint, er profitiere derzeit überhaupt gefühlte Machtlosigkeit des Individuums in einem nicht von diesen Verhältnissen (weshalb die AfD- demokratischen System über personalisierte Pro- Wähler zwar mit der Idee der Demokratie zufrie- jektionsmechanismen abgleitet würde. Aus diesem den, aber mit dem Funktionieren und der Realität Grund richte sich das Ressentiment weniger gegen tendenziell am unzufriedensten seien).136 die Struktur der „wirtschaftlichen Ungleichheit“, sondern „gegen die demokratische Staatsform selbst“138, bzw. gegen Diagramm 15: Demokratie-Zufriedenheit nach Parteineigung den politischen Usurpator, des-

60 sen Prototyp der ehemalige US- Präsident F.D. Roosevelt war und 50 an dem in den Studien der soge- AfD nannte „Usurpatorkomplex“ ge- 40 CDU bildet wurde: „In der Regel ist der FDP 30 Usurpatorkomplex mit dem Prob- SPD lem der Familie verknüpft. Usur- 20 Grüne pator ist der, welcher behauptet, Linke 10 Mitglied einer Familie zu sein, die gesamt nicht die seine ist, oder der zu- 0 mindest Rechte beansprucht, die sehr zufrieden eher zufrieden teils/teils eher sehr unzufrieden unzufrieden einer anderen Familie gebühren.“139 Gefragt nach den Vor- und Nachteilen der Demokratie, zeigt sich, dass es kaum Unterschiede Angesichts der Zahlen (hier und im Folgen- zwischen den Wählergruppen gibt in der Wert- den) erscheint es plausibel, einen latent wirksa- schätzung bestimmter Prinzipien oder Faktoren men Faktor anzunehmen, der für die Demokratie- der Demokratie. Der mit Abstand größte Vorteil zufriedenheit entscheidend sein mag: Die Selbst- der Demokratie ist für alle Wähler der Wert der positionierung zum (vorhandenen oder gefühlten) Meinungsfreiheit. Bei den einzelnen Parteien un- „Establishment“, d. h. zur als herrschend wahrge- terscheidet sich jeweils nur, welcher Vorteil als nommenen Gruppe von Eliten in den politischen Zweites rangiert: Bei den FDP-Wählern folgt die Repräsentationsorganen, Institutionen, Medien politische Teilhabe, dann das politische System usw., oder salopp: das Empfinden, dass andere und dann Freiheit – genauso bei den Grünen- und als „die eigenen Leute“ an den Schalthebeln der SPD-Wählern. Bei den CDU-Wählern sind diese Macht sitzen. Wenn unter AfD-Wählern (und in drei Kategorien relativ gleichmäßig verteilt, übri- geringerem, aber doch auffallendem Maße unter gens ebenso wie bei den Linkspartei-Wählern. Die Linkspartei-Wählern) das Gefühl grassiert, Politi- einzelne Aufteilung bezüglich der Demokratie- ker würden gegen die Interessen der Bevölkerung Vorteile bei den AfD-Wählern ist relativ unauffällig handeln (siehe nachfolgend), könnten ebendiese und unterscheidet sich kaum von anderen Wäh- „Interessen“ Chiffren für die Mitbestimmungsge- lergruppen. Vielmehr lässt sich hieraus schluss- walt der eigenen Leute sein. In den Studien zum folgern, dass die Kategorien von Meinungsfreiheit autoritären Charakter wurden diese Mechanismen bereits ausführlich untersucht. Die Studien-Au- 137 Adorno, Theodor W.: Studien zum autoritä- toren Theodor W. Adorno, Else Frenkel-Brunswik, ren Charakter, Frankfurt a. M. 1995, S. 221.

138 Ebd. 136 Schmitt-Beck: Wähler und Parteien bei der Bundestagswahl 2017, S. 656. 139 Ebd., S. 224.

36 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.2 Sekundärauswertung des NDM 2019 für das AfD-Parteiprofil und Freiheit im Allgemeinen viel Diagramm 16: Vorteile der Demokratie nach Parteineigung zu ungenau und abstrakt sind, als 45 dass hierüber nähere Bestimmun- 40 gen getroffen werden könnten. Ein 35 30 AfD gewisser Unterschied besteht in 25 CDU 20 der Stellung zur Möglichkeit po- FDP 15 litischer Teilhabe als Vorteil der 10 SPD Demokratie. Anteilsmäßig heben 5 Grüne 0 v. a. Wähler der FDP, Grünen und Linke

Linkspartei diesen Vorteil hervor, gesamt Freiheit während die Differenz zum Item

Meinungsfreiheit olitische Teilhabe leichberechtigung Meinungsfreiheit bei AfD, CDU und P Politisches System G SPD-Sympathisanten deutlicher ist. Der größte Nachteil der Demo- kratie ist für alle Wähler der pro- zedurale Charakter, also der Um- Diagramm 17: Nachteile der Demokratie nach Parteineigung stand der langen bürokratischen 45 Entscheidungsprozesse. Diese Kri- 40 tik ist bei allen ausgeprägt, unab- 35 30 AfD hängig davon, welche Partei präfe- 25 CDU riert wird. Bei den Grünen-, SPD-, 20 FDP FDP- und CDU-Wählern ist dies 15 10 SPD auch mit großem Abstand der am 5 Grüne 0 häufigsten genannte Nachteil. Alle Linke anderen als Nachteile bestimmten gesamt Migration Faktoren wurden verhältnismäßig Politik/Politiker Politisches System wenig genannt. Bei den AfD-Wäh- Entscheidungsprozesse negatives Bild der Bürger lern fällt auf, dass es – entgegen der Annahme, die AfD-Wähler- schaft vereine eine gemeinsame Kritik – ganz unterschiedliche Faktoren sind, die Gewaltenteilung oder ein Machtwechsel durch als zentrale Nachteile der Demokratie genannt Wahlen unbedingt zu einer Demokratie dazuge- werden. So nimmt auch Migration bei den AfD- hören, genauso wie Volksentscheide auf Bundes- Wählern keine herausgehobene Rolle ein. Und ebene, eine nationale Leitkultur und das staatli- entgegen den von der Studie von Frankenberger/ che Gewaltmonopol sowie die prinzipielle Kom- Gensheimer/Buhr nahegelegten Ergebnissen140 promissfähigkeit. Aber ebenso eindeutig gehört scheinen die AfD-Wähler in unserem Sample die demnach der Respekt vor Andersdenkenden, die Demokratie-Komponente „Meinungsfreiheit“ nicht informationelle Selbstbestimmung, Meinungsfrei- überdurchschnittlich wichtig zu finden. Es handelt heit, Chancengleichheit, Leistungsgerechtigkeit sich hier durchweg (Gesamtwert 99 Prozent) um und die soziale Marktwirtschaft zu einer Demo- einen hochgeschätzten Aspekt bzw. Vorteil de- kratie dazu. Einzelne Kernfragen sind für die AfD- mokratischer politischer Systeme. Wählerschaft offensichtlich umstritten, so z. B. die Gleichwohl gibt es einige Punkte oder Kern- Frage, ob das Austragen von Konflikten zu einer paradigmen, die aus Sicht der AfD-Wähler das Demokratie dazugehört oder nicht. Zwar ist eine Wesen der Demokratie ausmachen: Für nahezu Mehrheit unbedingt oder eher dafür, aber knapp alle AfD-Wähler in unserem Sample ist klar, dass jeder Vierte sieht dies anders. Genauso bei der Frage, ob die parlamentarische Repräsentation ein bedeutsamer Faktor ist. In der Frage nach der 140 Vgl. Frankenberger/Gensheimer/Buhr: Zwi- Rolle der Experten scheint die AfD-Wählerschaft schen Mitmachen und Dagegen sein, S. 165. besonders gespalten. Knapp die Hälfte glaubt,

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 37 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

dass Experten in einer Demokratie entscheiden Befürwortung von Volksentscheiden auf Bundes- sollten, während nicht ganz die andere Hälfte ebene liegen bei den AfD-Wählern in etwa auf dies ablehnt. Und dann gibt es nicht zuletzt ein- gleicher Höhe wie bei den Linkspartei-Wählern, zelne mit der Demokratie assoziierte Leitbilder, aber auch die Werte bei den SPD-Wählern sind die aber aus Sicht der AfD-Wähler keineswegs nur unwesentlich geringer. Insgesamt decken sich dazugehören: Dies ist vor allem der Wert der So- unsere Werte mit dem Befund vieler Umfragen der lidarität, also die Frage, ob der Staat auch für die letzten Jahre, die über Parteigrenzen hinweg eine Fürsorge von Menschen aufkommen sollte, die deutliche Befürwortung für derlei direktdemokra- zuvor nicht in die Sozialkassen einbezahlt haben. tische Elemente auch auf Bundesebene feststel- Eine Mehrheit der AfD-Wähler sieht dies nicht als len konnten.142 Selbst die Wertung einer nationa- zur Demokratie dazugehörig an. len Leitkultur ist keineswegs ein AfD-Spezifikum. Sind dies nun die Umrisse eines spezifischen Schließlich ist auch fast die Hälfte der Grünen- Demokratie- oder Staatsbildes, das den AfD- Wähler unbedingt oder eher für diese. FDP- und Wähler auszeichnet? Mit Blick auf die Demokra- CDU-Wähler haben eine ähnliche Priorisierung tievorstellungen der Wähler ande- rer Parteien lässt sich konstatie- ren: Die Demokratievorstellungen Diagramm 18: Befolgung einer „nationalen Leitkultur“ als der AfD-Wähler unterscheiden Bestandteil von Demokratie nach Parteineigung sich nur unwesentlich von de- 0 20 40 60 0 100 nen anderer Wähler. Bei genau- erer Betrachtung zeigt sich, dass AfD

die Wertigkeiten oder Priorisie- CDU rungen der AfD-Wähler ebenso bei anderen Wählern auftreten, FDP also keineswegs als Alleinstel- SPD lungsmerkmal eines spezifischen Grüne AfD-Elektorats bezeichnet werden können: Die Grünen-Wähler bei- Linke

spielsweise sind in der Frage des gesamt Expertentums ganz ähnlich ge- spalten, nur eine knappe Mehrheit Zustimmung Ablehnung ist dafür. Aber auch mit Blick auf die anderen Wählergruppen zeigt sich, dass dies eine Art politischer Grundsatz- konflikt zu sein scheint. So fällt beispielweise auf, 142 So zeigt eine repräsentative Meinungsumfrage des dass die Verteilungen bei Wählern der Linkspartei Institutes YouGov, dass 75 Prozent der Befragten und der FDP nahezu identisch sind – etwa eine bundesweite Volksentscheide voll oder eher befür- Hälfte ist jeweils „eher“ dafür respektive dagegen, worten würden (YouGov: Große Mehrheit für bun- während ein sehr kleiner Anteil in beiden Lagern desweiten Volksentscheid, Union-Wähler und Junge sich komplett gegen Expertenentscheidungen kritischer, URL: https://yougov.de/news/2016/10/18/ stellt oder diese ausnahmslos begrüßt. Die oft er- grosse-mehrheit-fur-bundesweiten-volksent- scheid-un/ [13.11.2019]); Merkel und Ritzi verwei- wähnte direktdemokratische Vorstellungswelt, die sen mit Bezug auf eine Studie der Bertelsmann den AfD-Wähler auszeichnen würde, dass also ein Stiftung, dass sich im Jahr 2011 mehr als 80 Pro- „direktes Demokratieverständnis“141 ein AfD-Wahl- zent der Deutschen mehr politische Beteiligungs- entscheidender Faktor sei, kann mit Blick auf möglichkeiten wünschten (Merkel, Wolfgang/Ritzi, den NDM nicht bestätigt werden. Die Anteile zur Claudia: Direkte Demokratie oder Repräsentation? Zum Reformbedarf liberal-repräsentativer Demo- kratie im 21. Jahrhundert, in: Wolfgang Merkel/Clau- dia Ritzi (Hrsg.): Die Legitimität direkter Demo- 141 Frankenberger/Gensheimer/Buhr: Zwischen kratie. Wie demokratisch sind Volksabstimmun- Mitmachen und Dagegen sein, S. 152. gen?, Wiesbaden 2017, S. 227–250, hier S. 232.

38 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.2 Sekundärauswertung des NDM 2019 für das AfD-Parteiprofil hinsichtlich einer nationalen Leitkultur als Teil der nicht alle sehen diesen Anspruch erfüllt. Es ist bei Demokratie. Die entschiedensten Gegner gegen Wählern von SPD, CDU, FDP und den Grünen, also diese sind dagegen die Wähler der Linkspartei. den sogenannten „etablierten“ Parteien, jeweils Wenn überhaupt, dann gibt es ex negativo immer nur ein knappes Drittel, das der Aussage zwei Auffälligkeiten hinsichtlich dessen, was an- zustimmt, dass Politiker gegen die Interessen der dere Wählergruppen auszeichnet und die offen- Bevölkerung handeln würden, gewissermaßen sichtlich nicht für das AfD-Elektorat gelten. Die also dem Anspruch auf responsive Repräsenta- erste Auffälligkeit betrifft die Zurechnung der So- tion der gewählten Politiker nicht gerecht werden. lidarität zur Demokratie. Von SPD und CDU, Grü- Demgegenüber sind drei Viertel der AfD-Wähler nen und Linkspartei bis selbst zur FDP; mindes- dieser Ansicht, fühlen sich also überdurchschnitt- tens drei Viertel jeder Wählerschaft gibt an, dies lich stark von den politischen Eliten betrogen als Wert zur Demokratie dazuzuzählen. Im Ver- – nur etwas mehr als 10 Prozent der AfD-Wäh- gleich schätzen AfD-Wähler den Wert der Solida- ler verwirft diese Aussage teils oder ganz. Neben rität nur gering. Das ist auffällig und ein deutli- den AfD-Wählern vermutet auch die Gruppe der cher Hinweis auf eine mögliche Bereitschaft zur Linkspartei-Wähler ein Handeln gegen die In- Unterstützung sozialchauvinistischer Politikvor- teressen der Bevölkerung. Die Hälfte von ihnen stellungen. Ein Wahlmovens, das durchaus der stimmt ganz oder teils zu, jedoch lehnen immer- Hypothese des „Establishment-Misstrauens“ bzw. hin fast 30 Prozent die Aussage ab. des „Usurpatorkomplexes“ hin- sichtlich eines rigiden Natio- nalegozentrismus entsprechen Diagramm 19: Bestandteile von Demokratie nach Parteineigung würde. Die zweite Auffälligkeit ist 100 eine Differenz in der Frage der 95 90 5 Leistungsgerechtigkeit: Für AfD- AfD 0 Wähler zählt diese unbedingt zu 75 CDU 70 einer Demokratie dazu, kaum je- 65 FDP mand zweifelt hieran. Hierin sind 60 SPD 55 sich AfD-Wähler sehr ähnlich mit 50 Grüne 45 Linke CDU- und FDP-Wählern. Während 40 gesamt zwar auch bei den Grünen- und 35 SPD-Wählern die Mehrheit dies auch so sieht, aber zumindest ein Solidarität Meinungsfreiheit Chancengleichheit knappes Drittel dies eher nicht Minderheitenschutz Experten entscheiden Leistungsgerechtigkeit zur Demokratie dazu zählt, ist ein Unterschied vor allem zu den olksentscheide auf Bundesebene V Linkspartei-Wählern zu beobach- ten. Mehr als ein Drittel lehnt die Leistungsgerechtigkeit als nicht Diagramm 20: „Politiker/Parteien müssen den Vorgaben zur Demokratie dazugehörig ab. des Wählers folgen“ nach Parteineigung Egal, welche Partei die Wäh- ler unterstützen, sie alle eint der 100 Anspruch an das demokrati- 0 sche System, dass Politiker/Par- teien sich nach den Vorgaben der 60 Wähler richten müssten. Bei allen 40 Wählergruppen stimmen dieser Aussage jeweils mindestens drei 20 Viertel zu. Zwar haben alle Wäh- 0 ler einen ähnlichen Anspruch an AfD CDU FDP SPD Grüne Linke gesamt das demokratische System, aber Zustimmung Ablehnung

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 39 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Diagramm 21: „Politiker handeln gegen die Interessen unsicher („weder noch“) und etwas mehr der Bevölkerung“ nach Parteineigung als jeder Dritte schenkt der Landesre- 0 gierung sogar ein gewisses Maß an Ver-

70 trauen. Die Vertrauenswerte für die Lan- desregierung sind dennoch deutlich 60 schwächer als bei den anderen Parteien – 50 die Linkspartei-Wähler vertrauen der Re- 40 gierung in Hannover zumindest knapp zur 30 Hälfte, bei FDP und Grünen sind es etwa 20 drei Viertel; und bei SPD- und CDU-Wäh-

10 lern sind es erwartungsgemäß fast alle.

0 Auffällig ist auch, dass selbst wenn sich AfD CDU FDP SPD Grüne Linke gesamt die Personen aus dieser Gruppe nicht dazu hinreißen lassen, der Landesregie- voll und ganz + eher lehne eher ab + lehne ganz und gar ab rung ihr Vertrauen auszusprechen, nur die wenigsten aktiv ein Misstrauen kundtun. Welchen staatlichen Institutionen ver- Kaum jemand schenkt Politikern und Par- trauen die Bürger? Die von uns befragten Nieder- teien ein gewisses Maß an Vertrauen. Es ist bei sachsen vertrauen dem Bundesverfassungsgericht allen Wählergruppen weniger als die Hälfte. Unter wie kaum einer anderen staatlichen Institution. den SPD- und CDU-Wählern vertrauen dabei die Quer durch alle Parteineigungen hinweg miss- meisten noch „eher“. Bei den Grünen-, Linkspar- traut kaum jemand dem höchsten deutschen Ge- tei- und FDP-Wählern vertraut jeweils nur etwa richt. Selbst unter den AfD-Wählern, die noch die ein Drittel. Am wenigsten Vertrauen in Politiker geringsten Vertrauenswerte im Vergleich haben, und Parteien haben die AfD-Wähler. Dabei wird vertrauen ihm mehr als drei Viertel. Ähnlich hohe deutlich, dass der Wähler zwischen Politikern Vertrauenswerte erhält sonst – überraschender- und Parteien auf der einen Seite und der Bun- weise – nur die Polizei. Auch hier gibt es kaum desregierung auf der anderen Seite unterschei- Unterschiede zwischen den Parteiwählerschaften. det. Denn vor allem bei SPD-, CDU-, Grünen- und Die geringsten Vertrauenswerte haben im Ver- FDP-Wählern gibt es ein außerordentlich hohes gleich die Linkspartei-Wähler, aber selbst unter Vertrauen (von weit mehr als der Hälfte) in die diesen vertrauen drei Viertel der Polizei. Auch das Bundesregierung. Unter CDU-Wählern sind es so- Vertrauen zum Verfassungsschutz ist insgesamt gar mehr als drei Viertel. Zumindest jeder dritte relativ hoch. Mehr als die Hälfte der CDU-, FDP- Linkspartei-Wähler schenkt der Bundesregierung und SPD-Wähler spricht diesem ihr Vertrauen aus. ein gewisses Maß an Vertrauen. Hier unterschei- Selbst bei Grünen- und AfD-Wählern ist es aber den sich die AfD-Wähler, denn nur hier gibt es quasi keine Ver- trauensebene – zwar ist sich ein Diagramm 22: AfD-Sympathisanten - Vertrauen in Drittel unschlüssig („weder noch“), Bundes- und Landesregierung aber drei Viertel sprechen offen ihr Misstrauen aus. Interessanter-

weise setzen AfD-Wähler offen- Landesregierung 2 16 11 14 5 sichtlich die Bundes- nicht mit der Landesregierung gleich. Denn in der Frage des Vertrauens in die

niedersächsische Landesregie- Bundesregierung 2 11 21 14 rung ist sich die AfD-Wählerschaft uneins. Zwar misstraut ein knap- pes Drittel auch der Landesregie- 0 20 40 60 0 100 rung, aber etwa ein Drittel ist sich Vertraue stark Vetraue eher Weder noch Misstraue eher Misstraue stark

40 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.2 Sekundärauswertung des NDM 2019 für das AfD-Parteiprofil immerhin fast die Hälfte, die dem Diagramm 23: Vertrauen (stark und eher) in Politiker, Parteien Verfassungsschutz traut, bzw. der und Institutionen nach Parteineigung größte Teil unentschlossen („weder 100 noch“) ist. Das größte Misstrauen 90 0 haben die Linkspartei-Wähler, nur 70 jeder Dritte vertraut, aber annä- 60 AfD 50 hernd die Hälfte misstraut offen CDU 40 FDP dem Verfassungsschutz. 30 SPD 20 Grüne Den meisten anderen gesell- Linke 10 gesamt schaftlichen, kulturellen und staat- 0 lichen Institutionen vertrauen die BVerfG Polizei Wähler deutlich weniger. Das EU- Politiker Parteien

Parlament genießt erwartungsge- Bundesregierung erfassungsschutz V mäß kein sehr hohes Vertrauen. Bei den meisten Parteien ist es unter der Wählerschaft jeweils nur knapp die Hälfte, die dem EU- Diagramm 24: Vertrauen in Social Media nach Parteineigung

Parlament eher vertraut. Lediglich 0 20 40 60 0 100 bei den AfD-Wählern findet sich AfD 2 2 13 14 16 ein deutlich niedrigerer Wert: Hier vertraut nur knapp jeder Fünfte CDU 9 31 6 77 dem EU-Parlament. Offensicht- FDP 4 19 22 lich haben aber auch die Kirchen SPD 23 34 57 5 und Religionsgemeinschaften un- Grüne 4 20 0 126 ter der Wählerschaft keinen guten Stand. Nur eine Minderheit unter Linke 3 3 14 24 allen Parteien schenkt den religiö- gesamt 4 21 110 261 367 sen Institutionen Vertrauen. Selbst unter den CDU-Wählern ist es nur Vertraue stark Vetraue eher Weder noch Misstraue eher Misstraue stark jeder Dritte. Bei allen anderen Parteien sind es noch weniger. Den öffentlich-rechtlichen Medien vertrauen Facebook als Möglichkeit empfänden, Meinun- vor allem die Wähler der Grünen und der SPD, gen zu äußern, die sonst „unterdrückt“ würden.143 jeweils mehr als drei Viertel. Bei der CDU- und Ebenso bekunden die AfD-Wähler in dieser Un- FDP-Wählerschaft ist es jeweils etwas mehr als tersuchung, dass „sie selbst bei Facebook muti- die Hälfte. Unter den Linkspartei-Wählern ist es ger seien und Meinungen äußerten, die sie sonst jeweils nicht ganz jeder Zweite, bei den AfD-Wäh- nicht artikulieren würden.“144 lern wiederum nur knapp jeder Fünfte. Die Ver- teilung bei den Vertrauenswerten zur gedruck- ten Tagespresse ist ähnlich zu der der öffentlich- rechtlichen Medien. Auch hier vertrauen Grünen- und SPD-Wähler am stärksten, während die AfD- 143 Pokorny, Sabine: (Un-)Soziale Medien? Der Einfluss Wähler der Tagespresse am wenigsten Vertrauen der Facebooknutzung auf die Sprach- und Streit- schenken. Es ist auffallend, dass den sozialen Me- kultur, Analysen & Argumente Nr. 356/2019, Konrad- dien so gut wie gar nicht in irgendeiner Weise Adenauer-Stiftung, S. 14, URL: https://www.kas.de/ documents/252038/4521287/Der+Einfluss+der+Fa- vertraut wird. Das Misstrauen ist bei allen Wähler- cebooknutzung+auf+die+Sprach-+und+Streitkultur. gruppen, auch bei der AfD, äußerst ausgeprägt. pdf/e6758fe4-3836-c0f5-d4cc-bdd33a10d469?ver- Dieser Wert mag überraschen, geben AfD-Wäh- sion=1.0&t=1561010152737 [13.11.2019]. ler doch in anderen Untersuchungen überdurch- schnittlich häufig an, dass sie soziale Medien wie 144 Ebd.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 41 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Den Unternehmen in Deutsch- Diagramm 25: Vertrauen in Gewerkschaften nach Parteineigung

land wird insgesamt relativ wenig 0 20 40 60 0 100 Vertrauen geschenkt – unter kei- ner Wählergruppe ist es mehr als AfD 5 11 11 14 7

die Hälfte. Das meiste Vertrauen CDU 14 67 71 37 7 mit fast jedem Zweiten haben die FDP FDP- und CDU-Wähler, bei allen 5 19 9 10 5

anderen Parteien ist es weniger als SPD 27 5 13 3 ein Drittel, das größte Misstrauen Grüne haben die Wähler der Linkspartei. 19 123 67 23

Demgegenüber genießen Gewerk- Linke 5 20 14 4 3 schaften insgesamt relativ viel gesamt Vertrauen. Bei fast allen Parteien 76 343 23 105 2 vertraut ihnen mehr als die Hälfte Vertraue stark Vetraue eher Weder noch Misstraue eher Misstraue stark der jeweiligen Wähler. Das größte Vertrauen schenken die Wäh- ler von SPD und Grünen, das ge- ringste demgegenüber die Wähler der AfD. Unter nicht primär daran, ob ihre materiellen Interessen der AfD-Wählerschaft scheint die Frage des Ver- oder auch Privilegien parteipolitisch und legisla- trauens in die Gewerkschaften umstritten zu sein. tiv bzw. exekutiv umgesetzt werden, sondern vor Während fast die Hälfte diesen offen misstraut, allem an der mangelnden Abbildung ihres ima- gibt mehr als ein Drittel an, den Gewerkschaf- ginierten Kollektivs (ihrer „Truppe“) in den Parla- ten zu vertrauen – wobei es auch sein kann, dass menten, Institutionen und Posten. eben jene Vertrauenden auch diejenigen sind, die in unserem Sample Gewerkschaftsmitglieder sind. Auch hinsichtlich der Fragen von Vertrauen Zwischenbilanz und Verschwörungsneigung scheint die Motiv- achse des „Establishment-Misstrauens“ das Ant- Ließen sich bis hierhin schon Charakteristika ex- wortverhalten zu grundieren. Denn: Das starke trahieren, was die AfD-Wähler ausmacht? Gibt Institutionenmisstrauen der AfD-Wähler (und es überhaupt „den AfD-Wähler“? Aktuelle Unter- ebenso das moderate Misstrauen der Linkspar- suchungen suggerieren zumindest auf den ers- tei-Wähler) führt zu einer stärkeren Bereitschaft ten Blick, dass sich die AfD-Wählerschaft grund- zum Verschwörungsglauben. Gerade AfD-Wählern legend vom Rest der Bevölkerung unterscheide, scheint es nach Responsivitätserfahrungen gera- weil (vermeintlich allein) die AfD-Wähler „antide- dezu zu dürsten. Allerdings messen sie, so ließe mokratisch“ geprägt seien. Diese These mag im sich vermuten, ihr Repräsentationsdefizit gerade nominalistischen Sinn zutreffen, wenn im direk- ten statistischen Vergleich allein danach geschaut wird, bei welchen Einstellungs- Diagramm 26: „Die staatlichen Behörden überwachen items die AfD-Wähler die höchsten Zu- alle“ nach Parteineigung stimmungswerte liefern. Die jüngst er- 0 schienene Sekundärauswertung der Leip- 70 ziger Autoritarismus-Studie kommt zu 60 diesem Ergebnis, weil sie allein die „Un- 50 terschiede“145 herauszustellen versucht. 40

30

20 145 Schuler, Julia et al.: Rechtsextremismus, 10 Gewaltbereitschaft, Antisemitismus und 0 Verschwörungsmentalität: AfD-Wähler_ AfD CDU FDP SPD Grüne Linke gesamt voll und ganz + eher lehne eher ab + lehne ganz und gar ab innen weisen die höchste Zustimmung zu anti-demokratischen Aussagen auf, S. 4.

42 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.2 Sekundärauswertung des NDM 2019 für das AfD-Parteiprofil

Ihre empirische Untersuchung bestätigt zwar Abgesehen davon finden wir kaum Anzeichen nach der Logik ihres Vorgehens, dass die AfD- dafür, was hinsichtlich der Sozialstruktur und Wähler hinsichtlich der erfragten Dimensionen der politischen Einstellungen eine ausschlagge- von „rechtsextremen Einstellungen“ die höchs- bende Besonderheit der AfD-Wähler ausmachen ten Zustimmungswerte haben. Aber ihre Auswer- könnte. Nicht nur die aktuell diskutierten Erklä- tung bestätigt im gleichen Atemzug auch, dass rungs-„Modelle“ zur AfD-Wahl beschreiben kein die Unterschiede zu den meisten anderen Par- Spezifikum der AfD-Wähler147, sondern es scheint tei-Wählergruppen je nach Frage-Item keineswegs auch empirisch in unserem Sample der Fall zu besonders groß sind, was die Autoren allerdings sein, dass es nicht den AfD-Wähler in Niedersa- nicht ausdrücklich thematisieren.146 Insofern be- chen gibt. Ähnliche Diskussionen wurden bereits stätigt diese Studie ex negativo doch die Befunde früher bei anderen Parteien rechts der Mitte ge- unserer vorliegenden Untersuchung, dass allein führt. So wurde etwa Anfang der 1990er Jahre bei auf positivistischer Einstellungsebene kaum aus- dem kurzen Erfolgslauf der Republikaner disku- reichend die AfD-Wahl erklärt werden kann. tiert, ob das wahlentscheidende Moment für die Unsere Vermutung ist vielmehr, dass das Mo- Republikaner mit der sogenannten „Protestwäh- vens in politisch-kulturellen Mentalitätsgründen ler-“ oder der „Modernisierungsverlierer“-These zu suchen ist. Daher formulieren wir die These, begriffen werden könne. Doch weder diese The- dass der AfD-Wähler derjenige Parteiwähler mit sen noch die Vermutung, dass sich die Republi- dem größten „Establishment-Misstrauen“ ist. Er kaner-Wählerschaft damals grundlegend von den geht davon aus, dass „seine Leute“ von den po- Wählerschaften der anderen Parteien unterschei- litischen Repräsentationsorganen und damit von den würde, konnten in späteren Analysen bestä- den Schalthebeln der Macht ferngehalten werden tigt werden. Ganz im Gegenteil, sie unterschieden („Usurpatorkomplex“). Diese grundsätzliche Hal- sich „bezogen auf ihre Sozialstruktur sowie […] tung scheint sich in den Einzelaspekten (Prob- ihre politischen Einstellungen und Problemsich- lemwahrnehmung, Demokratieverständnis, Ver- ten“148 kaum, sondern wiesen vergleichend „große schwörung und Vertrauen) stärker auszudrücken, Übereinstimmung“ zu den anderen Partei-Wäh- so dass diese kollektivitätsstiftender wirken als lerschaften auf. spezifische inhaltliche Motivationen (trotz der do- minanten Migrationskritik). Und: Im „Establish- ment-Misstrauen“ ist der niedersächsische AfD- Wähler dem Linkspartei-Wähler am nächsten: Beide sehen ihre Gruppe nicht politisch abgebil- det. Ungeklärt ist hier die auffällig geringe Zu- stimmung zum Wert der Solidarität, der durchaus auf ein spezifisches sozialchauvinistisches Wahl- movens hindeuten könnte – und den einzigen genuinen Unterschied zwischen AfD-Wählern und Linkspartei-Wählern darstellt. Wenn das stimmt, genügt weder eine Einzelthematik noch ein be- stimmtes Einstellungsmuster als hinreichender 147 So auch die Vermutung von Nachtwey, Oli- ver/Heumann, Maurits: Regressive Rebellen und Erklärungsfaktor für die AfD-Wahl. autoritäre Innovatoren: Typen des neuen Auto- ritarismus, in: Dörre, Klaus et al. (Hrsg.): Große Transformation? Zur Zukunft moderner Gesell- 146 Beispielsweise hinsichtlich der Wahlpräferenz und schaften, Wiesbaden 2019, S. 435–453. Ausländerfeindlichkeit (ebd., S. 9), der Wahlpräferenz und Sozialdarwinismus (ebd., S. 10) oder auch der 148 beispielsweise Scheike, Ivo: Die Wählerschaft der Wahlpräferenz und der Zustimmung zur Aussage: „Es Republikaner: Eine Analyse vor dem Hintergrund gibt geheime Organisationen, die großen Einfluss auf ihres früheren Wahlverhaltens, in: Dörner, Chris- politische Entscheidungen haben“ (ebd., S. 13), welche tine/Erhardt, Klaudia (Hrsg.): Politische Meinungsbil- zugleich zeigt, dass sich die Wählerschaften von AfD dung und Wahlverhalten. Analysen zum „Superwahl- und Linkspartei in einigen Punkten sehr ähnlich sind. jahr“ 1994, Wiesbaden 1998, S. 184–202, hier S. 200.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 43 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

5.3 Wahl-Verteilung der Bis vor wenigen Jahren hätte ein solches Wahl- AfD in Niedersachsen ergebnis einer Partei rechts der Mitte einen Auf- schrei ausgelöst, inzwischen wirken AfD-Erfolge Die AfD ist keine rein ostdeutsche Partei.149 Auch dermaßen normal, dass der knappe Einzug als wenn sie bisher tendenziell eher in den neuen beruhigend interpretiert wird, weil weitaus höhere Bundesländern erfolgreicher war als in den al- Ergebnisse schon befürchtet wurden und wer- ten, erzielte die AfD dennoch etwa auch bei den den. Jedenfalls: Betrachtet man die AfD-Wahler- Landtagswahlen 2016 in Baden-Württemberg gebnisse in Niedersachsen genauer, fallen unter- 15,1 Prozent. Dies wirft letztlich die grundlegende schiedliche elektorale Schwerpunktregionen auf, Frage auf, ob der AfD-Erfolg – oder eben auch in denen die Partei überproportional viele Stim- regionaler Misserfolg – Ausdruck eines politisch- men erhielt. Diese Fragmentierung innerhalb Nie- kulturellen Traditionsbestandes ist, oder ob wir dersachsens gilt es genauer zu beleuchten:150 gerade erste Tendenzen eines solchen Traditions- Im Bezirk Braunschweig erhielt die AfD bei bruchs beobachten können. Wie schneidet die den letzten Wahlen tendenziell überdurchschnitt- AfD also in Niedersachsen bei Wahlen ab, wo ist liche Stimmenanteile im Vergleich zum jewei- sie eher erfolgreich und woran liegt das? ligen Landesdurchschnitt. Bei den Kommunal- wahlen 2016 erzielte sie hier ihre besten Ergeb- nisse in Wolfsburg (10,5), Wolfenbüttel (10,6) und Tabelle 1: AfD-Ergebnisse in Niedersachsen Goslar (11,1) – das schlechteste in Göttingen (5,4). Auch bei den Bundestagswahlen 2017 erlangte sie Wahl Prozent hier überdurchschnittliche Stimmenanteile, wobei ihre Hochburgen oder „elektoralen Schwerpunkt- Bundestagswahl 2013 3,7 regionen“ (Eike Hennig) besonders in Helmstedt- Wolfsburg (10,9) und Salzgitter-Wolfenbüttel (12,3) Europawahl 2014 5,4 lagen. Dieses Muster bestätigte sich auch bei den niedersächsischen Landtagswahlen 2017. Ihr lan- Kommunalwahlen 2016 7,8 desweit bestes Ergebnis erzielte sie hier im Wahl- kreis Salzgitter mit 13,7 Prozent.151 Bundestagswahl 2017 9,1 Auch im Bezirk Hannover lagen die AfD-Er- gebnisse tendenziell etwas über dem Landes- Landtagswahlen 2017 6,2 durchschnitt. Bei den Kommunalwahlen 2016 schaffte die AfD ihre besten Ergebnisse in Ha- Europawahl 2019 7,9 meln-Pyrmont (10,5) und in der Region Hanno- ver (10,1), ihr schlechtestes in Diepholz (7,7). Bei Quelle: Angaben nach Landeswahlleiterin. der Wahlanalyse der Bundestagswahl 2017 im Be- zirk Hannover fällt auf, dass die AfD in Großstäd- ten wie Hannover (Hannover-Stadt II: 7,6) deutlich Die AfD tut sich in Niedersachsen verhältnis- schlechter abschnitt als im Umland (Hannover- mäßig schwer. Nicht nur partei- und personalpo- Land II: 10,4). Lediglich bei den Landtagswahlen litische Probleme hemmen derzeit ihre Entwick- 2017 verändert sich die Verteilung, denn die AfD lung. Die AfD erhält auch elektoral noch relativ trat hier im Bezirk Hannover nicht in allen Wahl- wenige Stimmen. Bei den Bundestagswahlen 2017 kreisen an; wo sie sich jedoch zur Wahl stellte, erreichte sie in Niedersachsen 9,1 Prozent, bei den schaffte sie lediglich zwischen 5 und 7 Prozent. niedersächsischen Landtagswahlen 2017 schaffte sie mit 6,2 Prozent den Einzug in den Landtag. 150 Nachfolgende Angaben beziehen sich auf Angaben der Landeswahlleiterin und Infratest Dimap: Wahl- report Landtagswahl Niedersachsen 2017. Eine Ana- 149 Vgl. Begrich, David: AfD. Die neue Macht im lyse der Wahl vom 15. Oktober 2017, Berlin 2017. Osten, in: Blätter für deutsche und inter- nationale Politik 7/2019, S. 9–12. 151 Vgl. ebd., S. 60.

44 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.3 Wahl-Verteilung der AfD in Niedersachsen

Im Bezirk Lüneburg allerdings tut sich die Im Bezirk Weser-Ems zeigen sich regionale AfD überraschenderweise erstaunlich schwer. Bei Ambivalenzen. Im nördlichen Weser-Ems-Bezirk den Kommunalwahlen 2016 erreichte sie hier nur kam die AfD teilweise auf hohe, teilweise auf sehr durchschnittliche Ergebnisse. Zwar erzielte sie schlechte Ergebnisse. Während sie bei den Kom- in Celle 10,7 Prozent, schwankte sonst allerdings munalwahlen 2016 in einigen Kreisen nicht ein- zwischen 6,6 in Rotenburg (Wümme) und 9,2 in mal antreten konnte, oder etwa in Aurich nur 6,1 Verden. Auch bei der Bundestagswahl 2017 kam Prozent erzielte, schaffte es die AfD auf 11,2 Pro- die AfD hier nur auf durchschnittliche Ergebnisse zent in Wilhelmshaven und in Delmenhorst gar zwischen 8 und 10 Prozent. Auch die Ergebnisse auf 15,1 Prozent. Bei den Landtagswahlen 2017 bei der Landtagswahl 2017 für die AfD im Be- kam sie hier auf durchschnittliche Ergebnisse, zirk Lüneburg sind bemerkenswert. Denn gerade einzige Ausnahme war wiederum Delmenhorst, in dieser Region, die eine lange Tradition rech- wo sie 11,0 Prozent erhielt. Demgegenüber kam ter Erfolge aufweist152, tut sich die AfD außeror- die AfD im südlichen Weser-Ems-Bezirk auf ihre dentlich schwer. Sie erzielte auch hier nur lan- landesweit schlechtesten Ergebnisse. So erzielte desdurchschnittliche Ergebnisse. In Regionen wie sie etwa bei den Kommunalwahlen 2016 in Os- Bremervörde oder Rotenburg (Wümme), wo die nabrück oder Vechta lediglich 5,6 bzw. 5,9 Pro- SRP in den 1950er Jahren enorme Erfolge erzielen zent, in Cloppenburg gar nur 3,3 Prozent. Auch konnte, tritt die AfD nicht einmal an. Lediglich in bei der Bundestagswahl 2017 erzielte die AfD Celle schaffte sie 8,7 Prozent. im südlichen Bezirk Weser-Ems ihre landesweit schwächsten Ergebnisse. In Mittelems erhielt sie ihr schlechtestes Ergebnis von ganz Niedersach- sen mit gar nur 5,0 Prozent. Dieses Muster bestä- 152 Vgl. Finkbeiner, Florian/Trittel, Katharina: Traditions- linien des Rechtsradikalismus in der politischen Kul- tigte sich auch bei der niedersächsischen Land- tur Niedersachsens. Ein historischer Problemaufriss, tagswahl 2017. Die AfD trat hier in weniger als der Fodex-Studie Rechtsradikalismus, Göttingen 2019. Hälfte der Wahlkreise überhaupt erst an, was für

Karte 1: AfD-Ergebnisse in Regionen bei der Landtagswahl 2017

Quelle: Infratest Dimap: Wahlreport Landtagswahl Niedersachsen 2017, S. 77.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 45 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Organisationsprobleme und eine schwache lokale Mustern sowie Besonderheiten im Bereich der Verankerung spricht. Und wo sie antrat, schaffte Wahlbeteiligung innerhalb niedersächsischer Ge- sie nur zwischen 3 und 4 Prozent. bietsgliederungen (Landkreise bzw. kreisfreie Die jeweiligen regionalen AfD-Ergebnisse dür- Städte) zu fragen.156 fen an dieser Stelle freilich nicht überbewertet werden, dafür sind nach bisherigem Forschungs- stand die Wahlmotive, die soziostrukturellen Pro- Wahlbeteiligung file und die regional-kulturellen Kontextbedingun- gen zu diffus und heterogen. Allerdings dienen Eine aktuelle Studie zu den Landtagswahlen 2014 diese spezifischen Wählerreservoirs als ein Indiz und 2019 in Thüringen zeigt, dass die AfD ten- und ein weiterführendes Puzzleteil für die vertie- denziell in solchen Regionen überdurchschnittli- fende Forschung über die Performanz der Par- che Erfolge erzielt, in denen – am Landesdurch- teien rechts der Mitte in Niedersachsen. schnitt gemessen – eine niedrige Wahlbeteiligung herrscht.157 Um das Bestehen einer solchen nega- tiven Korrelation auch für den niedersächsischen Fall zu überprüfen, wurde das statistische Stan- 5.4 Zur Soziodemographie dardmaß des Pearson-Korrelationskoeffizienten158 der AfD-Wähler für die Bundestagswahl, Landtagswahl und Euro- pawahl in Niedersachsen berechnet. Tatsächlich Die nachfolgende Darstellung zur Eruierung so- zeigen die Daten159 für die Bundestagwahl (BTW) zioökonomischer und soziokultureller Momente, 2017, die Landtagswahl (LTW) 2017 sowie die Eu- die potenziell eine gewisse Erklärungskraft für ropawahl (EW) 2019 einen negativen Zusammen- das Wahlverhalten haben können, orientiert sich hang zwischen niedriger Wahlbeteiligung in einer sowohl an vorhergehenden Wahlanalysen zu frü- Gebietsgliederung und einem höheren Ergebnis heren Parteien rechts der Mitte als auch an an- für die AfD. Dabei ist der Zusammenhang mit ei- deren vergleichend angelegten Länderanalysen.153 nem Korrelationskoeffizienten („r“) von −0,467 bei Für die Ausführungen des folgenden Abschnitts der LTW und −0,401 bei der BTW mittelstark aus- wurde auf Datensätze des Niedersächsischen geprägt. Für die EW zeigt sich sogar ein noch stär- Landesamts für Statistik154 zurückgegriffen. Kon- ker ausgeprägter Zusammenhang mit einem Wert kret haben wir die Zweitstimmenergebnisse der Partei „Alternative für Deutschland“ in Nieder- sachsen bei der Bundestagswahl 2017 (9,1 Pro- 156 Die letzten Zahlen zur Volkswirtschaftli- chen Gesamtrechnung liegen lediglich für zent) und der Landtagswahl 2017 (6,2 Prozent) das Jahr 2011 vor, weswegen wir für diesen sowie in Teilen155 die Ergebnisse der AfD bei der Bereich auf eine Bezugnahme verzichten. Europawahl 2019 (7,9 Prozent) verwendet, um nach sozioökonomischen und demographischen 157 Richter/Salheiser/Quent: Rechts- radikale Landnahme, S. 8.

153 Vgl. beispielsweise Scheike: Die Wählerschaft der 158 Der Korrelationskoeffizientr gibt Auskunft über den Republikaner; Richter, Christoph/Salheiser, Axel/ Zusammenhang zwischen zwei Variablen – sofern Quent, Matthias: Rechtsradikale Landnahme. Ana- dieser linear ist. Ein negativer Koeffizient deu- lyse des AfD-Wahlerfolgs zur Landtagswahl 2019 tet dabei auf einen negativen Zusammenhang hin in den Thüringer Gemeinden, Jena 2019. (höhere Werte einer Variable gehen mit niedrigeren Werten der anderen Variable einher), ein positiver 154 Landesamt für Statistik Niedersachsen: LSN- Koeffizient zeigt einen positiven Zusammenhang an Online Datenbank, URL: https://www1.nls.nie- (hohe Werte einer Variable gehen mit hohen Wer- dersachsen.de/statistik/default.asp. ten der anderen Variable einher), während bei einem Koeffizienten von 0 kein Zusammenhang besteht. Je 155 Die Aufbereitung der Ergebnisse zur Europa- mehr sich die Werte dabei 1 (positiv) bzw. -1 (nega- wahl war lediglich im Abschnitt „Stadt/Land“ tiv) annähern, desto stärker ist der Zusammenhang. nicht möglich, weil hier nicht für alle Gebiets- gliederungen zuverlässige Daten vorliegen. 159 Vgl. dazu Tabelle im Anhang.

46 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.4 Zur Soziodemographie der AfD-Wähler

Diagramm 27: Wahlbeteiligung und Wahlerfolg bergen.160 Wie verhält sich die- der AfD zur Europawahl 2019 ser Befund zu den 46 niedersäch- sischen Landkreisen und kreis- 16 freien Städten in unserer Untersu- 14 chung? Zur Annäherung an diese 12 Frage wurden zuerst die Daten- 10 sätze analysiert, die Aufschluss über die Bevölkerungsentwicklung

is AfD in in AfD ge bn is 6 in den Gebieten geben. Einerseits 4

Wahler 2 beziehen wir uns hierbei auf das

0 Durchschnittsalter der einzelnen 50,0 52,0 54,0 56,0 5,0 60,0 62,0 64,0 66,0 6,0 Gebietsgliederungen, um zu er- Wahlbeteiligung in fragen, ob Gebiete mit einer äl- teren Bevölkerung in der Tendenz Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des auch solche Gebiete sind, in de- Niedersächsischen Landesamtes für Statistik. nen vermehrt AfD gewählt wird. Anderseits beziehen wir uns auf das Maß des Wanderungssaldos, von −0,640. Allerdings verdeutlicht selbst die zu- das Aufschluss darüber gibt, inwiefern Kreise und gehörige Punktewolke, dass eine durchaus große kreisfreie Städte von einer Bevölkerungsabwan- Streuung entlang der Trendlinie für die Europa- derung betroffen sind. wahl vorliegt. Als „ältere“ Gebietsgliederungen sollen im Fol- Auffällig ist indes trotzdem, dass die zwei genden solche gelten, die das Maß der statisti- Städte mit den höchsten Anteilen für die AfD schen Standardabweichung zum vorliegenden (Salzgitter-Stadt – 15 Prozent bei EW und Del- niedersächsischen Altersdurchschnitt von 44,6 menhorst-Stadt – 11,9 Prozent bei EW) auch sol- Jahren erreichen oder überschreiten. In diesem che Gebietsgliederungen in Niedersachsen sind, Fall beträgt die standardmäßige Abweichung – die im Landesdurchschnitt zu den Gebieten mit berechnet aus der Varianz der Durchschnittsalter der schwächsten Wahlbeteiligung gehören. Diese aller Regionen zum Mittelwert161 – 1,7 Jahre. Ange- sind in der Grafik oben rot markiert. Genauso wendet auf den vorliegenden Datensatz ergeben zeigt die vorliegende Grafik aber auch, dass eine sich aus diesem Schema neun Landkreise, die hohe Wahlbeteiligung nicht automatisch vor ei- diese Bedingung erfüllen, weil ihr Altersdurch- nem überdurchschnittlichen Ergebnis der AfD be- schnitt den Wert von 46,3 Jahren erreicht oder wahrt. Das beste Beispiel hierfür dürfte der Fall überschreitet. In der Tabelle 2 sind die Anteile des Kreises Harburg (grün markiert) sein, der trotz der AfD hervorgehoben (gefettet), die den Lan- der landesweit drittbesten Wahlbeteiligung von desdurchschnitt bei der LTW 2017 (6,2 Prozent), 66,5 Prozent ein überdurchschnittliches Ergebnis der BTW 2017 (9,1 Prozent) oder der EW 2019 (7,9 für die AfD (8,6 Prozent) aufweist. Prozent) überschreiten. Die hier hervorgehobenen Gebietsgliederungen erfüllen bei allen drei Wah- len diese Bedingung eines überdurchschnittlichen Demographie und Abwanderung Ergebnisses für die AfD – Holzminden weist nur für die Bundestagswahl und Europawahl erhöhte Ein Erklärungsansatz für den Wahlerfolg der AfD Werte auf, für Cuxhaven gilt die Feststellung nur bedient sich soziodemographischer Variablen. bei der Europawahl. Während die älteste Region Insbesondere solche Gebiete, in denen die Ge- sellschaft überaltert, während gleichzeitig jün- 160 Franz/Fratzscher/Kritikos: Grüne und AfD gere Menschen abwandern, sowie Gebiete, in de- als neue Gegenpole der gesellschaftli- nen Arbeitsplatzverlust und eine schlechte wirt- chen Spaltung in Deutschland, S. 601. schaftliche Lage drohen, scheinen im westdeut- schen Vergleich gute Ergebnisse für die AfD zu 161 Vgl. hierzu Tabelle im Anhang.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 47 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Tabelle 2: Gebietsgliederungen mit dem höchsten Altersdurchschnitt in Niedersachsen

Gebietsgliederung Altersdurchschnitt AfD BTW 2017 AfD LTW 2017 AfD EW 2019

354 Lüchow-Dannenberg 48,2 7,8 5,4 7,5

153 Goslar 47,9 11,1 7,8 10,3

255 Holzminden 47,3 9,6 6,0 8,3

360 Uelzen 47,0 9,4 6,7 8,8

155 Northeim 47,1 9,5 6,3 8,1

455 Friesland 46,9 8,2 5,9 7,7

252 Hameln-Pyrmont 46,8 10,5 7,2 9,8

257 Schaumburg 46,5 10,3 6,9 9,0

352 Cuxhaven 46,5 8,9 5,9 8,1

Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik

Niedersachsens, Lüchow-Dannenberg, sich dem Hochburgen in Niedersachsen sind also mitnich- vermuteten Trend entzieht, können bei sieben ten stets überalterte Städte oder Kreise – wie fol- (EW), sechs (BTW) und fünf (LTW) aus neun Ge- gende Aufstellung veranschaulicht. bieten überdurchschnittliche Werte für die „Alter- Während Tabelle 3a und Tabelle 3b zur Bun- native für Deutschland“ festgestellt werden. Aller- destags- und Landtagswahl zeigen, dass unter dings ist äußerste Vorsicht geboten, hieraus eine den fünf Gebietsgliederungen mit den höchsten Regelmäßigkeit ableiten zu wollen. Um das Maß AfD-Anteilen (hervorgehoben) keine den vorher der Überalterung in Relation zu einer verstärk- definierten Status einer älteren Region erreicht, ten AfD-Affinität des Elektorats zu setzen, schei- gelingt dies bei der Europawahl (Tabelle 3c) le- nen doch gerade solche Werte, die den AfD-Lan- diglich Goslar. Mehr noch: Die niedersächsischen desdurchschnitt nur um wenige Zehntelprozent Landkreise bzw. kreisfreien Städte, die in einer sta- überschreiten, ungeeignet. Stattdessen werden tistischen Definition den Begriff der Hochburg162 wir die neun aufgeführten Gebietsgliederungen erfüllen, liegen mit Ausnahme von Celle, Goslar mit der Liste der zehn Landkreise und kreisfreien und Wilhelmshaven sogar unter dem landesweiten Städte im Bundesland vergleichen, die die höchs- ten Stimmanteile für die AfD aufweisen. Für die Ergebnisse der Bundestagwahl kann so konsta- 162 Eine Hochburg ist nach einer statistischen Defini- tiert werden, dass immerhin drei der angespro- tion eine Region, deren Abweichung vom arithmeti- chenen sechs Gebiete (Goslar, Hameln-Pyrmont, schen Mittel der Stimmenverteilung im Land (9,1 bei Schaumburg) auch zu den zehn Gebieten in Nie- BTW / 6,2 bei LTW) die der Standardabweichung dersachsen mit den höchsten AfD-Wahlergeb- (σ = 1,84 bei BTW / σ = 1,66 bei LTW) überschrei- tet (vgl. dazu Kaack, Heino: Wahlkreisgeogra- nissen bei der Bundestagswahl gehören. Im Be- phie und Kandidatenauslese. Regionale Stim- reich der Landtagswahlen und Europawahlen er- menverteilung, Chancen der Kandidaten und füllen nur zwei der fünf bzw. sieben Gebiete (Gos- Ausleseverfahren, dargestellt am Beispiel der lar, Hameln-Pyrmont) diese Prämisse. Die AfD- Bundestagswahl 1965, Bonn 1969, S. 21).

48 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.4 Zur Soziodemographie der AfD-Wähler

Tabelle 3 a–c: Gebietsgliederungen mit den höchsten AfD-Ergebnissen bei Bundestagswahl, Landtagswahl, Europa​wahl sowie deren Durchschnittsalter

Gebietsgliederung Ø Alt. AfD BTW Gebietsgliederung Ø Alt. AfD LTW

102 Salzgitter, Stadt 44,2 16,4 102 Salzgitter, Stadt 44,2 13,6

401 Delmenhorst, Stadt 44,0 13,1 401 Delmenhorst, Stadt 44,0 10,5

103 Wolfsburg, Stadt 44,4 11,7 405 Wilhelmshaven, Stadt 46,2 8,3

351 Celle 45,2 11,7 103 Wolfsburg, Stadt 44,4 8,1

151 Gifhorn 43,9 11,4 351 Celle 45,2 8,0

153 Goslar 47,9 11,1 153 Goslar 47,9 7,8

405 Wilhelmshaven, Stadt 46,2 10,6 151 Gifhorn 43,9 7,3

252 Hameln-Pyrmont 46,8 10,5 158 Wolfenbüttel 46,1 7,2

157 Peine 44,6 10,3 252 Hameln-Pyrmont 46,8 7,2

257 Schaumburg 46,5 10,3 353 Harburg 45,1 7,1

Gebietsgliederung Ø Alt. AfD EW Altersdurchschnitt von 44,6 Jahren. Wenn wir also über die AfD-Hochburgen in Niedersachsen spre- 102 Salzgitter, Stadt 44,2 15,0 chen, sind diese tendenziell nicht älter, sondern jünger als der landesweite Durchschnitt. Der von 401 Delmenhorst, Stadt 44,0 11,9 Franz/Fratzscher/Kritikos beschriebenen AfD-An- fälligkeit von „überalterten Regionen“163 können 351 Celle 45,2 10,9 wir zumindest mit Blick auf das Bundesland Nie- dersachsen also nur in bedingtem Maße zustim- 153 Goslar 47,9 10,3 men. Insgesamt scheinen sich die Ergebnisse da- gegen vielmehr solchen Befunden anzuschließen, 103 Wolfsburg, Stadt 44,4 10,2 die keinen Zusammenhang zwischen AfD-Sym- pathie und Alter feststellen können.164 151 Gifhorn 43,9 9,8 Neben der Frage nach der Überalterung stel- len wir zudem die Frage nach den Wanderungs- 252 Hameln-Pyrmont 46,8 9,8 strömen in den Gebietsgliederungen. Sind sol- che Kreise oder kreisfreien Städte, die besonders 402 Emden, Stadt 43,5 9,5 von einer Bevölkerungsabwanderung betroffen sind, AfD-affine Gebiete? Um uns diesem Aspekt 157 Peine 44,6 9,3

163 Franz/Fratzscher/Kritikos: Grüne und AfD 405 46,2 9,3 Wilhelmshaven, Stadt als neue Gegenpole der gesellschaftli- chen Spaltung in Deutschland, S. 601. Quelle: Eigene Darstellungen nach Angaben des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik 164 Hambauer/Mays: Wer wählt die AfD?, S. 150.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 49 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

anzunähern, werfen wir einen Blick auf den to- AfD-Wahlabsicht nachweisen können, zeigen sie talen Wanderungssaldo der Regionen, bevor ver- doch, dass die AfD in Westdeutschland v. a. in der tiefend auf die Zu- und Abwanderung innerhalb Altersgruppe der 45 bis 52-Jährigen ihren größ- der jüngeren Bevölkerungssegmente eingegan- ten Rückhalt findet, während sie (mit Ausnahme gen wird. Der Wanderungssaldo in einem Gebiet der Gruppe 75–86) bei den Menschen zwischen 18 kann errechnet werden durch die Subtraktion der und 24 die niedrigste Zustimmung erhält.166 Und fortgezogenen Bürger von den zugezogenen Bür- auch demoskopische Daten zur letzten Land- gern. Blicken wir auf die Datenreihen der unter- tagswahl belegen, dass die AfD-Anteile in Nie- suchten 46 Gliederungen165, fällt zuerst auf, dass dersachsen in der Altersgruppe 18–24 unter dem nur drei Gebiete in Niedersachsen (Braunschweig, Landesdurchschnitt blieben.167 Kann deshalb dort, Stadt; Lüchow-Dannenberg; Heidekreis) einen ne- wo anteilsmäßig viele junge Menschen die Region gativen Wanderungssaldo aufweisen. Die anderen verlassen, auch eine Tendenz zu erhöhten AfD-Er- Kreise und kreisfreien Städte tragen mit einem – gebnissen erkannt werden? Um diesen Sachver- zumeist leichten – Übergewicht an Zuzügen dazu halt zu ermitteln, wurde der Wanderungssaldo der bei, dass Niedersachsen im Jahr 2017 gut 38.000 Gruppe der 18 bis 25-Jährigen in Relation zur Ge- Menschen mehr neu registrieren konnte, als es samtbevölkerung gesetzt. Tabelle 4 führt die fünf durch Abwanderung verlor. Weder bei den drei Gebiete auf, bei denen sich der negative Wande- genannten Regionen noch bei den Gebieten, die rungssaldo am deutlichsten in Bezug auf die Ge- nur knapp einen positiven Wanderungssaldo er- samtbevölkerungszahl bemerkbar macht. reichen können, lassen sich jedoch Regelmäßig- Anstatt aber eine Liste mit AfD-affinen Ge- keiten einer höheren AfD-Anfälligkeit feststellen. bietsgliederungen vorzufinden, können wir eher Ist aber vielleicht nicht nur der totale Wan- das Gegenteil beobachten: Vier der fünf ermit- derungssaldo, sondern dieselbe Maßeinheit in telten Landkreise bleiben bei LTW und BTW un- Bezug auf jüngere Altersgruppen aufschlussge- ter dem landesweiten Durchschnitt; nur Osterholz bend? Vor allem vor dem Hintergrund der Frage weist leicht erhöhte AfD-Werte auf, rangiert aber nach der Beziehung zwischen Alter und AfD- Wahl? Während Hambauer und Mays zwar keine statistische Signifikanz in Bezug auf Alter und 166 Ebd., S. 141.

167 Infratest dimap: Wahlreport Landtags- 165 Vgl. hierzu Tabelle im Anhang. wahl Niedersachsen 2017, S. 61.

Tabelle 4: Gebietsgliederungen mit der anteilsmäßig höchsten Abwanderung von Menschen in der Altersgruppe 18–25 in Niedersachsen

Wanderungs­ Gesamt­ saldo – Verhältnis Abwanderung AfD AfD AfD Gebietsgliederung bevölkerung Alter 18–25 zu Gesamtbevölkerung BTW LTW EW

354 Lüchow-Dannenberg 48424 −214 0,44 7,8 5,4 7,5

455 Friesland 98460 −369 0,37 8,2 5,9 7,7

462 Wittmund 56882 −198 0,35 8,6 5,8 8,8

356 Osterholz 113517 −351 0,31 9,6 6,6 8,1

352 Cuxhaven 198213 −577 0,29 8,9 5,9 8,1

Quelle: Eigene Berechnung mit Daten von LSN Online: Tabellen A100001G und K1200050 sowie Z5000312, M5000312 und M500e313.

50 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.4 Zur Soziodemographie der AfD-Wähler weit hinter den zuvor festgestellten Hochburgen. psychologische Folgen haben, die das Gefühl rela- Bei der EW überschreiten zwar Cuxhaven und tiver Deprivation bestärken – und damit im Sinne Osterholz den landesweiten Durchschnitt knapp, der genannten Theorie ein Votieren für rechtspo- während Wittmund mit 0,9 Prozent darüber liegt pulistische Parteien begünstigen können.172 – trotzdem bleiben die Gebiete damit noch weit Um die Diskussion für Niedersachsen weiter- von den Hochburgen im Land entfernt. zuführen, haben wir aktuelle Zahlen der Bundes- agentur für Arbeit für den niedersächsischen Ar- beitsmarkt mit den Wahlergebnissen der AfD im Arbeitslosigkeit Land verglichen.173 Wie auch bei anderen bisher angelegten Variablen verbietet sich die vorschnelle Noch umstrittener als die Frage nach der Fixierung Ableitung eines kausalen Mechanismus zwischen der AfD-Wähler durch demografische Variablen ist hoher Arbeitslosigkeit (niedersächsischer Durch- die Frage nach dem Verhältnis zu sozioökono- schnitt = 4,8 Prozent) und hohen Wahlergebnissen mischen Indikatoren. Nahm man die AfD in ihrer für die AfD. Allerdings legt nicht nur der Korre-

Frühphase öffentlich gerne als „Professorenpartei“ lationskoeffizient von x5y1 r = 0,515 einen Zusam- wahr168, verweist Alexander Häusler schon für diese menhang zwischen erhöhter Arbeitslosigkeit und Anfangszeit auf den Sammlungscharakter, den die erhöhten Ergebnissen für die AfD bei der zurück- Partei für unterschiedliche politische Milieus und liegenden Landtagswahl nahe. Auch der grafische Wählerschichten besaß.169 Wie aber sehen diese Vergleich deutet Muster in der regionalen Vertei- verschiedenen Wählerschichten aus? Bezieht man lung zwischen Arbeitslosigkeit und AfD-Wahl an. diese Frage auf ihren sozioökonomischen Back- In Karte 2 sind die drei Regionen in Nieder- ground, erweist sich insbesondere die Diskussion sachsen mit einem gelben Kreis markiert, die lan- als virulent, ob es sich bei den Wählern der AfD desweit die höchsten Arbeitslosenquoten aufwei- in besonderem Maße um sogenannte Moderni- sen: Salzgitter, Stadt mit 8,3 Prozent im Südwes- sierungsverlierer handelt. Während Holger Lengfeld ten, Delmenhorst, Stadt mit 8,9 Prozent (angren- der These, nach der die AfD eine Partei für Moder- zend an Bremen) und Wilhelmshaven, Stadt mit nisierungsverlierer sei, entschieden widerspricht170, 9,6 Prozent an der Nordseeküste gelegen. Doch weisen Martin Kroh und Karolina Fetz auf ein star- weisen diese Städte nicht nur die höchsten Ar- kes Übergewicht an Arbeitern und Arbeitslosen in beitslosenquoten im Landesschnitt, sondern auch der Wählerschaft hin.171 Dies ist insofern von Be- durchweg überdurchschnittliche Ergebnisse für deutung, als dass Arbeitslosigkeit neben ande- die AfD bei den vergangenen Wahlen zu Land- ren Faktoren einen gewichtigen Indikator inner- tag, Bundestag und dem europäischen Parlament halb der Modernisierungsverlierer-Theorie dar- (vgl. dazu Tabellen 3 a-c) auf: Demnach erschei- stellt. Neben dem Verlust von materiellen Ressour- nen die drei Regionen nicht nur auf der Karte zur cen, kann Arbeitslosigkeit auch immaterielle und Landtagswahl (Karte 3) als dunkelblau einge- färbte Gebiete, sondern auch insgesamt jeweils in der Liste der zehn Regionen mit den höchs- 168 Gamperl, Elisabeth: Europas neue Anti-Parteien, ten AfD-Ergebnissen. Besonders auffällig scheint in: Zeit Online, 23.05.2013, URL: https://www.zeit. diese Verbindung bei Salzgitter und Delmenhorst de/politik/ausland/2013-05/protestparteien- europa-antieuro/komplettansicht [02.12.2019]. zu sein, die bei allen drei Wahlen die höchsten Er- gebnisse für die Partei bereithielten. 169 Häusler, Alexander: Ausblick, in: ders. (Hrsg.): Doch auch abseits der Frage nach Hochburgen Die Alternative Für Deutschland: Programma- der AfD lassen die dargestellten Karten gewisse tik, Entwicklung und Politische Verortung, Wies- Trends erkennen: Auffällig ist beispielsweise, dass baden 2016, S. 239–245, hier S. 240.

170 Lengfeld: Die „Alternative für Deutschland“: Eine Partei für Modernisierungsverlierer? 172 Spier: Modernisierungsverlierer?, S. 66.

171 Kroh/Fetz: Das Profil der AfD-AnhängerInnen hat sich 173 Eine vollständige Aufstellung fin- seit Gründung der Partei deutlich verändert, S. 715 f. det sich als Tabelle im Anhang.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 51 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Karte 2: Arbeitslosigkeit in Niedersachsen

Karte 3: AfD-Wahl in niedersächsischen Gebietsgliederungen zur Landtagswahl 2017

Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben von: Basiskarte: NordNordWest von Wikimedia Commons [CC BY-SA 3.0]; Daten zur Arbeitslosigkeit: Bundesagentur für Arbeit: Statistik, Niedersachsen, URL: https://sta- tistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Statistik-nach-Regionen/Politische-Gebietsstruktur/Nie- dersachsen-Nav.html [02.12.2019]. Für das Gebiet der Landeshauptstadt Hannover wurde in Erman- gelung an Daten durch die Bundesagentur für Arbeit auf Daten der Stadt Hannover aus 2018 zurück- gegriffen, siehe Stadt Hannover: Hannover in Zahlen. Arbeitsmarkt, URL: https://www.hannover.de/ Leben-in-der-Region-Hannover/Politik/Wahlen-Statistik/Statistikstellen-von-Stadt-und-Region/Sta- tistikstelle-der-Landeshauptstadt-Hannover/Hannover-in-Zahlen/Arbeitsmarkt [05.12.2019].

52 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.4 Zur Soziodemographie der AfD-Wähler

die Landkreise in der westlichen Weser-Ems Re- Mit Ausnahme des Stadtgebietes von Hanno- gion (bspw. Grafschaft Bentheim, Emsland, Clop- ver können für den gleichnamigen Landkreis so- penburg) in beiden Karten als nur blass einge- wie Hameln-Pyrmont, Hildesheim, Holzminden färbte Gebiete erscheinen, während die bereits und Schaumburg erhöhte Werte beim Anteil der benannten Städte der Region weiter nördlich Arbeitslosen und der AfD-Stimmen bei Bundes- (Wilhelmshaven, Delmenhorst) bei beiden Fakto- tags-, Landtags- und Europawahl gefunden wer- ren hohe Ausprägungen aufweisen. Indes scheint den. Scheinen Regionen mit höherer Arbeitslosig- aber besonders der süd- und südwestliche Teil keit in der Tendenz also tatsächlich anfälliger für des Bundeslandes bei beiden Variablen erhöhte gute Ergebnisse der AfD zu sein, bedeutet nied- Werte aufzuweisen. So lassen sich etwa für die rige Arbeitslosigkeit im Umkehrschluss nicht au- vier Gebiete in der statistischen Region Braun- tomatisch auch niedrige Ergebnisse für die Par- schweig, die eine überdurchschnittliche Arbeits- tei im gesamten Bundesland. So weist beispiels- losenquote haben (Salzgitter, Helmstedt, Goslar, weise der Landkreis Gifhorn eine Arbeitslosen- Northeim), auch bei den vergangenen drei Wahlen quote von nur 3,7 Prozent auf. Sieht man von den überdurchschnittliche Ergebnisse für die „Alter- Kreisen im Westen des Bundeslandes ab, die sich native für Deutschland“ feststellen. Diese Tendenz teilweise Werten der Vollbeschäftigung annähern, bestätigen auch Ergebnisse aus der statistischen belegt Gifhorn damit den viertbesten Platz inner- Region Hannover: Sechs von acht Gebieten wie- halb der statistischen Regionen Lüneburg, Han- sen im November 2019 Arbeitslosenquoten über nover und Braunschweig. Trotz dessen findet sich dem niedersächsischen Mittel auf – in fünf dieser der Kreis bei allen untersuchten Wahlen in der sechs Gebiete votierten die Einwohner bei den Liste der zehn am stärksten AfD-wählenden Ge- letzten drei Wahlen in überdurchschnittlichem biete mit Werten wieder, die die Anteile in Regi- Maße für die AfD. In Tabelle 5 sind Werte über onen mit einer deutlich höheren Arbeitslosigkeit dem jeweiligen Durchschnitt gefettet. teilweise klar übersteigen.

Tabelle 5: Arbeitslosigkeit und AfD-­Ergebnisse in den Gebieten der statistischen Region Hannover

Gebietsgliederungen in der statistischen Region Hannover AfD BTW AfD LTW AfD EW Arbeitslosenquote

241 Hannover, Region 9,4 6,4 8,1 6,2

241001 Hannover, Landeshauptstadt 8,3 5,7 6,8 7,6¹

251 Diepholz 8,4 5,5 7,5 3,8

252 Hameln-Pyrmont 10,5 7,2 9,8 5,9

254 Hildesheim 9,3 6,4 8,4 5,4

255 Holzminden 9,6 6,0 8,3 5,8

256 Nienburg (Weser) 9,8 6,4 8,6 4,5

257 Schaumburg 10,3 6,9 9,0 4,9

¹ Zahlen der Stadt Hannover, vgl. dazu die Ausführungen zur Quelle bei Karten 2/3 Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik und der Stadt Hannover

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 53 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Ausländeranteil bei der Bundestagswahl in der Region und y3 = AfD-Anteile bei der Europawahl in der Region. Aus Eine Beobachtung, die in der Diskussion um die der Tabelle im Anhang zu diesen Daten ergeben Unterstützung der „Alternative für Deutschland“ sich folgende Korrelationskoeffizienten r für die öfter hervorgehoben wird, ist die Feststellung, niedersächsischen Kreise und kreisfreien Städte:

dass gerade da, wo nur wenige Ausländer leben, r x6y1 = 0,220

hohe Werte für die AfD festzustellen sind. Dies r x6y2 = 0,149

behaupten nicht nur journalistische Beobachtun- r x6y3 = 0,063 gen174, sondern auch Teile der Forschung: In einer Überraschenderweise können wir die Richtung Untersuchung spüren Rees et al. den Zusammen- der Korrelation, die Rees et al. für die kumulierten hängen zwischen Arbeitslosigkeit und Ausländer- Daten in Deutschland nachweisen, für den spe- anteil auf der einen Seite sowie Hassverbrechen zifischen niedersächsischen Fall nicht erkennen. und AfD-Wahl auf der anderen Seite nach.175 Da- Statt einer negativen Korrelation, weisen unsere bei kommen sie in ihrer Untersuchung von 401 Daten einen – wenn auch sehr schwach ausge- deutschen Gebietsgliederungen (294 Landkreise; prägten – positiven Zusammenhang zwischen 107 kreisfreie Städte) unter anderem zu dem Er- den zwei Variablen aus. Während diese Korrela- gebnis, dass eine negative Korrelation zwischen tion bei den Daten der Europawahl verschwin- dem Anteil an Ausländern und den Wahlanteilen dend gering ist, kann zumindest für die Daten für die AfD besteht.176 der Landtagswahl ein schwacher positiver Zu- Lässt sich auch für Niedersachsen eine Ten- sammenhang festgestellt werden. Allerdings müs- denz zwischen einem geringen Anteil an Aus- sen hierbei zwei Einschränkungen berücksichtigt ländern in der Gesamtbevölkerung und erhöhten werden: Erstens wird die von Gordon W. Allport Wahlergebnissen für die AfD erkennen? Um dies begründete Kontakthypothese, nach der Kon- zu überprüfen, wurde zuerst die Zahl an Auslän- takt eines Mitglieds der Ingroup mit Mitgliedern dern in den niedersächsischen Gebieten in Rela- der Outgroup zum Abbau von Vorurteilen führe178, tion zur Gesamtbevölkerung gesetzt.177 Als Auslän- auf die Individualebene bezogen179 und nicht wie der in der statistischen Definition gelten alle Men- in unserem Fall auf Aggregatdaten. Zweitens pro- schen, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft fitiert unser Datensatz deutlich von den Werten nach Artikel 116 des Grundgesetzes besitzen. Für der AfD-Hochburgen Salzgitter und Delmenhorst, unsere Untersuchung haben wir erneut das Maß die mit 13,6 Prozent bzw. 10,5 Prozent nicht nur des Pearson-Korrelationskoeffizienten berechnet, die höchsten AfD-Anteile bei der Landtagswahl, um nach einem linearen Zusammenhang zwi- sondern mit 18,9 Prozent (Salzgitter) bzw. 16,7

schen den Variablen zu fragen. Hierbei ist x6 = Prozent (Delmenhorst) auch den zweit- und dritt- Anteil der ausländischen Bevölkerung an Gesamt- höchsten Anteil an ausländischer Bevölkerung in

bevölkerung in der Region, y1 = AfD-Anteile bei Niedersachsen vorweisen: Lassen wir diese bei-

der Landtagswahl in der Region, y2 = AfD-Anteile den Gebiete in unserer Korrelationsrechnung un- berücksichtigt, ergibt sich auch für den vorliegen- den Fall eine schwache negative Korrelation. Generell bedeutet ein höherer Ausländeran- 174 Backes, Laura: „Nischt is‘ passiert“, in: Spie- gel Online, 10.09.2016, URL: https://www.spiegel. teil also mitnichten immer auch hohe Ergebnisse de/spiegel/print/d-146741962.html [11.01.2020].

175 Rees, Jonas/Rees, Yann P. M./Hellmann, Jens/ 178 Allport, Gordon: Die Natur des Vor- Zick, Andreas: Climate of Hate: Similar Corre- urteils, Köln 1971, S. 273. lates of Far Right Electoral Support and Right- Wing Hate Crimes in Germany, in: Fron- 179 Hierzu etwa die Untersuchung von Weins, Cor- tiers in Psychology, H. 10/2019, S. 1–14. nelia: Fremdenfeindlichkeit durch Zuwanderung? Eine empirische Analyse für die Bundesrepublik, 176 Ebd., S. 10. in: Kaspar, Hanna et al. (Hrsg.): Politik – Wissen- schaft – Medien. Festschrift für Jürgen W. Falter 177 Vgl. hierzu Tabelle im Anhang. zum 65. Geburtstag, Wiesbaden 2009, S. 67–84.

54 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.4 Zur Soziodemographie der AfD-Wähler für die AfD, wie anhand zweier weiterer Beispiele, Landeshauptstadt Hannover vor.182 Wie die Da- der Landeshauptstadt Hannover und der Graf- tensätze belegen, zeigen sich im Bundesland schaft Bentheim, illustriert werden soll: Unter den aber vor allem drei dieser Gruppen dominant. Der knapp 540.000 Einwohnern der Stadt Hannover evangelischen Kirche gehörten 2011 51,5 Prozent befinden sich über 20 Prozent Ausländer – damit der Niedersachsen an, keiner öffentlich-rechtli- übersteigt der Ausländeranteil sogar den der Stadt chen Religionsgesellschaft zugehörig zeigten sich Salzgitter und stellt den höchsten Anteil ausländi- 25,8 Prozent und der römisch-katholischen Kirche scher Bevölkerung im Bundesland dar – trotzdem 18,3 Prozent angehörig. Zusammen repräsentie- gaben nur 5,7 Prozent der Hannoveraner der nie- ren diese drei Statusgruppen über 95 Prozent der dersächsischen AfD ihre Stimmen bei der Land- niedersächsischen Bevölkerung – deshalb werden tagswahl, womit die Partei noch unter dem Lan- wir uns im Folgenden auf den Vergleich dieser desdurchschnitt blieb. Noch eindrücklicher ist der drei Statusgruppen konzentrieren.183 Fall der Grafschaft Bentheim im Westen Nieder- Bisher mangelt es in der Forschungsliteratur sachsens: In der ländlichen Region um die Kreis- zwar an Studien, die dezidiert der Frage der Kon- stadt Nordhorn leben unter 136.500 Einwohnern fessionalität des AfD-Elektorats nachgehen. Al- 21.500 Menschen, die keine deutsche Staatsange- lerdings scheinen repräsentative Umfragen und hörigkeit besitzen – ein Anteil von 15,8 Prozent Wahlstatistiken eine Tendenz bezüglich der Kir- (Platz vier im niedersächsischen Vergleich). Aller chenzugehörigkeit der AfD-Sympathisanten Tendenz zum Trotz ist der Landkreis aber die Re- zu zeichnen. So gaben 2014 laut einer Umfrage gion in Niedersachsen, die für die Landtagswahl des Meinungsforschungsinstituts Forsa 47 Pro- 2017 das schlechteste Ergebnis für die AfD bereit- zent der AfD-Sympathisanten an, konfessionslos hielt. Nur 3,3 Prozent gaben demnach ihre Stimme zu sein, während 29 Prozent auf Mitglieder der für die AfD ab und blieben damit knapp 3 Prozent evangelischen Kirche und 24 Prozent auf Mitglie- unter dem landesweiten Durchschnitt. Diese bei- der der katholischen Kirche fielen.184 Auch aus der den Beispiele verdeutlichen abschließend, dass Wahlstatistik zur Bundestagswahl 2017 geht her- keineswegs von einer Regelmäßigkeit zwischen vor, dass die Partei am meisten von der Gruppe höherem Ausländeranteil und erhöhten AfD-Er- der Konfessionslosen profitiert (17 Prozent ent- gebnissen gesprochen werden kann. schieden sich für die AfD), während nur 11 Prozent der Protestanten und lediglich 9 Prozent der Ka- tholiken für die AfD votierten.185 Religion

Die letzte Erhebung zu den Religionszugehörig- den aktuellen Gebietsgliederungen sicherzustel- keiten der Niedersachsen wurde vom Zensus 2011 len, wurden die absoluten Zahlen aus beiden Krei- durchgeführt.180 Dabei liegt eine differenzierte sen addiert und hieraus die jeweiligen prozentualen Aufschlüsselung in die Kategorien römisch-ka- Anteile unter den Religionskategorien berechnet. tholische Kirche, evangelische Kirche, evangeli- Püschel: Religion und Glauben im Blick- sche Freikirchen, orthodoxe Kirchen, jüdische Ge- 182 punkt des Zensus 2011, S. 402f. meinden, Sonstige sowie keiner öffentlich-recht- lichen Religionsgesellschaft zugehörig in den 38 183 Vgl. für den kompletten Daten- Landkreisen181, acht kreisfeien Städten und der satz die Tabelle im Anhang.

184 Mathes, Werner: Wer die AfD wählt, in: Stern.de, URL: 180 Püschel, Otto: Religion und Glauben im Blickpunkt https://www.stern.de/politik/deutschland/forsa-ana- des Zensus 2011, in: Statistische Monatshefte Nie- lyse-wer-die-afd-waehlt-3172084.html [12.01.2020]. dersachsen 8/2014, S. 395–404, hier S. 395. 185 Deutscher Bundestag: Datenhandbuch zur Geschichte 181 Zum Zeitpunkt der Erhebung waren die Land- des Bundestages (Onlineausgabe) – 1.11 Stimmab- kreise Göttingen und Osterode im Harz noch nicht gabe nach Beruf und Konfession (Zweitstimme), zum neuen „Landkreis Göttingen“ fusioniert. Um S. 9, URL: https://www.bundestag.de/resource/ die Vergleichbarkeit mit den Wahlergebnissen aus blob/272928/2bca1c3521f6d1ee3bc7b07f648deda5/

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 55 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Tabelle 6: Gebietsgliederungen mit den höchsten Anteilen von Mitgliedern der römisch-katholischen Kirche in Niedersachsen

Gebietsgliederung Römisch-katholische Kirche AfD BTW AfD LTW AfD EW

454 Emsland 69,2 6,3 3,9 5,4

460 Vechta 67,7 7,0 4,2 6,1

453 Cloppenburg 61,4 9,1 5,2 7,5

459 Osnabrück 41,8 7,0 4,3 5,6

404 Osnabrück, Stadt 38,3 6,2 4,2 4,8

456 Grafschaft Bentheim 27,6 5,3 3,3 4,7

254 Hildesheim 24,5 9,3 6,4 8,4

159 Göttingen 20,5 8,1 5,4 6,8

103 Wolfsburg, Stadt 19,7 11,7 8,1 10,2

102 Salzgitter, Stadt 19,5 16,4 13,6 15,0

Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik sowie des Zensus 2011

Beginnen wir mit einem Blick auf die Land- Während im Emsland und Vechta mehr als zwei kreise und kreisfreien Städte, deren Einwohner Drittel der Bevölkerung römisch-katholisch sind, im überdurchschnittlichen Maße der römisch-ka- überschreiten Salzgitter und Wolfsburg das Mit- tholischen Kirche angehören. Was hierbei zuerst tel nur um wenige Prozent. Diese Aufteilung zieht auffällt, ist der starke regionale Zusammenhang. sich auch durch die AfD-Wahlergebnisse (über- Nur vier aus den 46 untersuchten Gebieten zäh- durchschnittliche Werte gefettet): So kann da, wo len mehr Katholiken als Protestanten – alle vier ein signifikanter Teil oder sogar die Mehrheit der (Emsland, Vechta, Cloppenburg und Osnabrück) römisch-katholischen Kirche angehört, nur in ei- sind aneinandergrenzende Landkreise im Wes- nem einzigen Fall (der Bundestagswahl 2017 in ten des Bundeslandes in der statistischen Region Cloppenburg) ein AfD-Ergebnis gefunden werden, Weser-Ems. Insgesamt zählen zu den zehn Krei- das den niedersächsischen Durchschnitt erreicht. sen und kreisfreien Städten, die den niedersäch- Ansonsten bleiben die Landkreise und die Stadt sischen Schnitt von 18,3 Prozent überschreiten, Osnabrück immer – und zum Teil sehr deutlich – sechs zur Weser-Ems Region, eine zu Hannover unter dem niedersächsischen Mittel, während am und drei zur Region Braunschweig: Ende der Tabelle abermals der AfD-Spitzenreiter Auch wenn diese zehn Gebiete allesamt den Salzgitter gefunden werden kann. Durchschnitt überschreiten, stechen doch die Berechnen wir die Korrelationskoeffizienten starken Unterschiede in den Anteilen ins Auge. zwischen Anteil der katholischen Bevölkerung und den AfD-Ergebnissen aus den drei Wahlen in Niedersachsen, erhalten wir Werte in den Be- Kapitel_01_11_Stimmabgabe_nach_Beruf_und_Kon- reichen zwischen −0,351 und −0,406. Allerdings fession__Zweitstimme_-pdf-data.pdf [12.02.2020]. muss hierbei auf die mögliche Verzerrung dieser

56 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.4 Zur Soziodemographie der AfD-Wähler

Daten durch die genannten stark katholisch ge- Stadt/Land prägten Gebiete hingewiesen werden. Während wir im Verhältnis zwischen der Mitgliedschaft Bergen urbane oder rurale Räume das größere in der evangelischen Kirche und einer Affinität Wählerpotential für die „Alternative für Deutsch- bzw. Aversion gegen die AfD keine Muster un- land“ – oder sind es gerade Gebiete zwischen den ter den niedersächsischen Gebietsgliederungen Extremen, in denen die Partei überdurchschnitt- feststellen konnten (die Korrelationskoeffizien- liche Ergebnisse erzielt? Diese Frage stellen sich ten – zu finden im Anhang – weisen höchstens Deppisch/Klärner/Osigus in einer detaillierten Un- einen leichten positiven Zusammenhang auf), tersuchung der Strukturdaten aus ca. 11.000 Ge- scheint ein Blick auf die Gruppe der Menschen meindewahlergebnissen und kommen dabei zu ohne Mitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen dem Ergebnis, dass eine Differenzierung zwischen Kirchengesellschaft interessant. Für alle Wahlen Ost- und Westdeutschland vorzunehmen sei: Wäh- konnten wir mindestens einen schwachen, je- rend im Osten der Republik eher ländliche Ge- doch eher einen mittelstarken positiven Zusam- meinden deutlich höhere Ergebnisse für die AfD menhang zwischen den Variablen erkennen. Den bereithalten als die Städte, weisen die besonders niedrigsten Koeffizienten weisen dabei die korre- ländlichen Gebiete im Westen gleich hohe oder lierten Werte aus Europawahl und Nicht-Mitglied- sogar etwas niedrigere Werte auf als urbanere Ge- schaft auf (rx9y3 = 0,302), den zweithöchsten den biete.186 Allerdings machen die Autoren der Studie zur Bundestagwahl (rx9y2 = 0,402) und den höchs- darauf aufmerksam, dass die Operationalisierung ten der Koeffizient zur Landtagswahl (rx9y1 = 0,487). von Ländlichkeit stark von den Variablen abhän- Die zugehörige Punktewolke verdeutlicht dabei gig sei, die hierfür herangezogen würden.187 So den mittelstarken positiven Zusammenhang. beziehen sie in Anlehnung an die Ländlichkeits- Wie die eingezeichneten Konstanten der Mit- telwerte von AfD-Landtagswahlanteilen und 186 Vgl. Deppisch, Larissa/Klärner, Andreas/Osi- Nicht-Mitgliedschaft verdeutlichen, befinden sich gus, Torsten: Ist die AfD in ländlichen Räu- die meisten Punkte in den Feldern unten links men besonders erfolgreich?, in: Wissen schafft und oben rechts. Selbst unter Berücksichtigung Demokratie 5/2019, S. 74–87, hier S. 84. der Ausnahme in diesem Raster lässt sich also durchaus eine gewisse Tendenz feststellen: Land- 187 Ebd., S. 81. kreise und kreisfreie Städte, die unter dem landesweiten Durch- schnitt an Nicht-Angehörigen ei- Diagramm 28: Korrelation Nicht-Religionsgemeinschaft ner Religionsgemeinschaft blei- und AfD-Wahl zur Landtagswahl 2017 ben, bleiben in der Tendenz auch unter dem Durchschnitt des lan- 16,0 desweiten AfD-Ergebnisses. Ge- 14,0 biete, die einen der beiden Mittel- 12,0 werte überschreiten, werden da- gegen in Tendenz ebenfalls solche 10,0

Gebiete sein, die auch über den in il e ,0 anderen Mittelwert kommen. Da- μ = 6,2 bei sollen trotzdem nicht solche 6,0 AfD-Ante

Fälle außer Acht gelassen werden, 4,0 die dem Trend nicht entsprechen: Im urbanen Hannover gehören 2,0 μ = 25,8 über 40 Prozent der Menschen 0,0 keiner Religionsgemeinschaft an 4,0 9,0 14,0 19,0 24,0 29,0 34,0 39,0 44,0 – trotzdem bleiben die AfD-Werte Anteil Personen ohne Religionsgemeinschaftszugehörigkeit in zur Landtagswahl unter dem nie- Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des Niedersächsi- dersächsischen Durchschnitt. schen Landesamtes für Statistik sowie des Zensus 2011.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 57 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Typologie von Patrick Küpper188 neben Indikato- Für unsere Untersuchung verzichten wir aus da- ren wie Siedlungsdichte auch Werte wie etwa den ten- und forschungspraktischen Gründen auf Anteil an forst- und landwirtschaftlichen Flächen eine solch differenzierte Betrachtung von Länd- oder die Erreichbarkeit großer Zentren mit ein.189 lichkeit. Stattdessen werden wir uns nur auf die Maßeinheit „Einwohner je km²“ beziehen, die das Statistische Landesamt für die niedersächsischen 188 Küpper, Patrick: Abgrenzung und Typisierung länd- Gebietsgliederungen bereithält. licher Räume. Thünen Working Paper 68, Braun- Schon mehrfach sind wir auf den letzten Sei- schweig 2016, S. 5, URL: https://literatur.thuenen. de/digbib_extern/dn057783.pdf [12.01.2020]. ten auf die beiden Gebiete eingegangen, die mit deutlichem Abstand die höchsten Werte für 189 Deppisch/Klärner/Osigus: Ist die AfD in länd- die „Alternative für Deutschland“ bei Bundes- lichen Räumen besonders erfolgreich?, S. 81. tags- und Landtagswahl sowie bei der Wahl zum

Tabelle 7: Die 15 größten Städte Niedersachsens und die jeweiligen AfD-­Ergebnisse

Stadt Einwohner AfD BTW AfD LTW Ergebnis Landkreis BTW Ergebnis Landkreis LTW

Hannover 538.068 8,3 5,7

Braunschweig 248.292 8,4 6,0

Oldenburg 168.210 6,7 4,7

Osnabrück 164.748 6,2 4,2

Wolfsburg 124.151 11,7 8,1

Göttingen 119.529 6,3 4,3 8,1 5,4

Salzgitter 104.948 16,4 13,6

Hildesheim 101.744 9,4 6,4 9,3 6,4

Delmenhorst 77.607 13,1 10,5

Wilhelmshaven 76.278 10,6 8,3

Lüneburg 75.192 7,8 6,0 9,2 6,7

Celle 69.706 11,8 8,3 11,7 8,0

Garbsen 60.875 11,8 8,3 9,4 6,4

Hameln 57.228 10,3 7,2 10,5 7,2

Lingen 54.117 5,6 3,7 6,3 3,9

Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik sowie der Land- kreise Göttingen, Hildesheim, Lüneburg, Celle, Hannover, Hameln-Pyrmont und Emsland

58 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 5.4 Zur Soziodemographie der AfD-Wähler

Europäischen Parlament hatten: Salzgitter, Stadt wahl unter den Gebieten mit den höchsten AfD- und Delmenhorst, Stadt. Während Delmenhorst Anteilen auftauchen. Bei der Europawahl kommt mit etwa 1.240 Einwohnern pro Quadratkilometer mit Emden, Stadt noch eine weitere städtische eine Bevölkerungsdichte wie ähnlich große Städte Gebietsgliederung hinzu, sodass fünf aus neun im Land aufweist (Lüneburg – 1.067 Einw. pro km²; Städten in dieser Liste rangieren (siehe Tabellen Hildesheim – 1.102 Einw. pro km²)190, ist die Flä- 3 a-c). Zeigen sich kreisfreie Städte dabei insbe- che der Stadt Salzgitter mit nur 467 Einwohnern sondere auf den ersten Plätzen relativ dominant, pro Quadratkilometer deutlich spärlicher besie- darf dieses Urteil nicht für alle urbanen Räume delt. Insgesamt zeigt unsere Auflistung, dass von in Niedersachsen gefällt werden, wie Tabelle 7 den acht kreisfreien Städten (Braunschweig, Salz- veranschaulicht. gitter, Wolfsburg, Delmenhorst, Emden, Oldenburg, In dieser Tabelle sind die 15 einwohnerstärks- Osnabrück, Wilhelmshaven) sowie dem Stadtge- ten Städte im Bundesland Niedersachsen so- biet der Landeshauptstadt Hannover vier dieser wie die Wahlergebnisse für die AfD bei Bundes- neun Gebiete bei Landtagswahl und Bundestags- tags- und Landtagswahl im Stadtgebiet aufge- führt. Überdurchschnittliche Ergebnisse wurden wieder gefettet. Außerdem wurde für die Städte, 190 Landesamt für Statistik Niedersachsen: Meine die nicht kreisfrei, sondern Teil eines Landkreises Gemeinde, meine Stadt – 355 Lüneburg, Landkreis, sind, das jeweilige Gesamtergebnis des Landkrei- URL: https://www.nls.niedersachsen.de/gemeinden/ ses eingefügt, um zu überprüfen, inwiefern die Er- G355022.html [12.01.2020]; Landesamt für Statistik Niedersachsen: Meine Gemeinde, meine Stadt – 254 gebnisse eine Besonderheit für die Gesamtregion Hildesheim, Landkreis, URL: https://www.nls.nieder- darstellen. Zuerst fällt bei dieser Aufstellung auf, sachsen.de/gemeinden/G254021.html [12.01.2020]. dass unter den fünf größten Städten des Landes

Tabelle 8: Gebietsgliederungen mit der niedrigsten Bevölkerungsdichte in Niedersachsen

Gebietsgliederung Einwohner pro km² AfD BTW AfD LTW AfD EW

354 Lüchow-Dannenberg 39,5 7,8 5,4 7,5

360 Uelzen 63,3 9,4 6,7 8,8

358 Heidekreis 74,3 9,7 6,7 9,0

357 Rotenburg (Wümme) 78,8 8,1 4,9 7,3

462 Wittmund 86,6 8,6 5,8 8,8

256 Nienburg (Weser) 86,7 9,8 6,4 8,6

352 Cuxhaven 96,3 8,9 5,9 8,1

255 Holzminden 102,2 9,6 6,0 8,3

155 Northeim 104,6 9,5 6,3 8,1

461 Wesermarsch 107,5 8,3 5,3 7,9

Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 59 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

lediglich Wolfsburg den landesweiten Durchschnitt Zwischenbilanz bei den AfD-Ergebnissen überschreitet. Hinter den ersten fünf Plätzen ändert sich das Bild et- Wo war die AfD bisher überhaupt erfolgreich? In was. Mit Ausnahme der Studentenstädte Göt- welchen niedersächsischen Gebieten genießt die tingen und Lüneburg sowie der Stadt Lingen im Partei ihren größten Rückhalt und welche Gründe Emsland weisen die sieben übrigen Städte durch- kann es haben, dass die AfD in der einen Region gehend erhöhte Ergebnisse auf. Allerdings ste- relativ stark und in der anderen relativ schwach chen sie damit nicht unbedingt aus dem Land- ist? Um diese Fragen zu beantworten, wurden ak- kreismittel heraus. Mit Ausnahme von Garbsen, tuelle sozioökonomische und soziostrukturelle Er- das die Werte der umgebenden Region Hannover klärungsansätze aus der Forschungsdebatte her- um gut zwei Prozent übersteigt, ähneln sich die angezogen, um diese Thesen empirisch am nie- Ergebnisse aus Städten und Landkreisen zumeist dersächsischen Fall zu prüfen, bzw. um nach de- um wenige Zehntelprozent. Für die beiden Stu- ren Aussagekraft zu fragen. Wenn wir so auch dentenstädte Göttingen und Lüneburg kann da- kein abschließendes Profil des niedersächsi- gegen festgestellt werden, dass sie vor allem bei schen AfD-Wählers „an sich“ gewinnen konnten, der Bundestagswahl das Ergebnis des jeweiligen gibt unsere Untersuchung Hinweise auf regionale Landkreises deutlich unterschreiten. Auffälligkeiten im Wahlverhalten und mögliche Wirft man den Blick auf besonders ländliche, Gründe hierfür. Ein zentraler Befund unserer Un- also spärlich besiedelte Gebiete, zeichnet sich er- tersuchung ist, dass ein höheres Durchschnittalter neut ein gemischtes Ergebnis ab (vgl. Tabelle 8). in einer Region kein zuverlässiger Indikator für ein Sechs der zehn aufgeführten Gebiete überschrei- erhöhtes AfD-Ergebnis ist – dasselbe gilt auch ten den landesweiten Durchschnitt bei mindes- für den Wert des sogenannten Wanderungssaldos tens einer der zurückliegenden Wahlen. Indes ste- im Bundesland. Nicht zuletzt zeigt unsere Ana- chen selbst diese erhöhten Ergebnisse nicht im lyse auch, dass einige in der Forschungsdiskus- Landesvergleich heraus: Keiner der hier aufge- sion populäre Erklärungsschablonen relativ wenig führten Landkreise findet sich in den Tabellen mit Aussagekraft für Niedersachsen besitzen. Unsere den höchsten AfD-Ergebnissen im Land zur Bun- Studie zeigt etwa, dass eine erhöhte Arbeitslo- destagswahl, Landtagswahl oder Europawahl (vgl. senquote oder ein erhöhter Migrationsanteil in Tabellen 3 a-c). einer Region jeweils alleine kaum ausschlagge- Wie diese Ergebnisse verdeutlichen, bleibt bend dafür ist, ob die AfD dort erfolgreich ist. Al- die Frage nach der Stadt-Land-Beziehung inner- lerdings zeigt unsere Untersuchung ein anderes halb der AfD-Wählerschaft in Niedersachsen un- Muster (auch wenn nochmals bei fast allen be- klar. Während die Partei ihre besten Ergebnisse trachteten Variablen auf eine beträchtliche Zahl tatsächlich in Städten erzielen kann, entziehen an Sonderfällen hingewiesen werden muss). Eine sich andere Ballungsgebiete diesem Trend gänz- zuverlässige Tendenz weisen hingegen Werte der lich. Selbiges ist für die besonders spärlich besie- Wahlbeteiligung, Arbeitslosenquote und Konfes- delten Gebiete im Bundesland festzustellen, die sionalität auf: Es zeichnet sich dort ein Trend zu ebenfalls keine besonderen Regelmäßigkeiten er- höheren AfD-Ergebnissen ab, wo die Wahlbetei- kennen lassen. ligung eher niedrig, die Arbeitslosigkeit und die Konfessionslosigkeit dagegen hoch sind. Gebiete, die hingegen eine gute Arbeitsmarktsituation vorweisen können und solche Gliederungen, de- ren Bewohner in hohem Maße der katholischen Kirche angehören, zeigen sich resistenter.

60 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 6 Zusammenführung und Schlussbetrachtung

er FoDEx-Fachbereich Rechtsradika- anzunähern. Diese Orientierungspunkte wurden lismus analysiert insgesamt im An- daraufhin einerseits auf Umfragedaten zu den schluss an die Studie zum Rechts- Politik- und Gesellschaftsvorstellungen nieder- radikalismus in Niedersachsen191, sächsischer Wähler bezogen, um zu überprüfen, in in der die regionalkulturellen Ver- welchem Verhältnis Einstellungen der AfD-Wähler dichtungsräume und lokalspezifischen Kontextbe- zu anderen Wählergruppen stehen. Andererseits Ddingungen in historischer Perspektive untersucht wurden Hypothesen aus der Forschungsdebatte wurden, den Zusammenhang und die Verflech- auf soziodemografische Kontextbedingungen der tung von rechtsradikalen Mentalitäten und der verschiedenen niedersächsischen Landesteile politischen Mehrheitskultur an ausgewählten Bei- rückbezogen, um zu erfragen, welche Erklärungs- spielen. Unser Ziel ist es, in mehreren Teilstudien kraft bestimmte Faktoren für die Bestimmung von die verschiedenen Aspekte des neuen Rechtsra- AfD-starken und -schwachen Regionen besitzen. dikalismus in direkter Verbindung mit der regio- Wie lassen sich unsere Ergebnisse zusammen- nalen politischen Kultur zu untersuchen. Die vor- fassen? Welche Faktoren begünstigen die Wahl liegende Untersuchung hatte das Ziel, ein mög- der „Alternative für Deutschland“ und finden wir lichst aussagekräftiges Panorama über das ge- Charakteristika, die den AfD-Wähler ausmachen? sellschaftspolitische Potenzial der AfD und ihrer Am Anfang des Resümees steht die Erkenntnis, Wählerschaft im Bundesland Niedersachsen zu dass auch unsere Untersuchung keine abschlie- zeichnen. Aus diesem Grund waren folgende Fra- ßenden Befunde präsentieren kann, sondern ei- gen leitend: Was unterscheidet die Wähler der AfD nen Platz zwischen den Stühlen der Forschungs- von den Wählern anderer Parteien? Aber noch debatte einnimmt. Mehr noch: Wenn etwas aus der viel wichtiger: Was haben sie eigentlich alles ge- Diskussion der Erklärungsvermutungen klar ge- meinsam? Und wo hat die AfD in Niedersachsen worden sein sollte, dann, dass die Verengung auf aus welchen Gründen elektoral mehr oder weniger eine Erklärung für den AfD-Erfolg zu kurz greifen Erfolg? Aufbauend auf den Erkenntnissen, The- muss, um das Phänomen in seiner Komplexität sen und Erklärungsversuchen der aktuellen For- einzufangen; dieser Eindruck wird auch durch die schung und den bisher erhobenen Daten haben vollzogene Sekundärauswertung und Analyse der wir versucht, uns in konzentrischen Kreisen dem Strukturdaten eindrucksvoll gestützt. Gerade in Profil der AfD-Wählerschaft in Niedersachsen Bezug auf den Wunsch, distinkte Inhalte festzu- stellen, die die AfD-Wählerschaft definieren (und dadurch fast schon stigmatisierend vom Rest der 191 Vgl. Finkbeiner/Trittel/Geiges: Rechts- Bevölkerung abgrenzen), ergeben sich nur we- radikalismus in Niedersachsen. nige Anhaltspunkte. Was im Vergleich der AfD-

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 61 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Wähler zu den Wählern der anderen Parteien statt- sondern die Art, wie (und von wem) diese Idee dessen zuerst auffällt, ist wohl, wie ähnlich sich umgesetzt werde, unterscheidet die AfD-Wäh- diese Gruppen in einem Großteil der analysierten ler in besonderem Maße von den anderen Grup- Themenkomplexe sind. Zwar wich die Gruppe der pen. Folglich konnten wir bei der Frage, wie zu- AfD-Sympathisanten in den meisten Fällen et- frieden man mit dem Funktionieren der Demo- was von der Gesamtheit der Befragten ab, doch kratie sei, wie stark man Politikern und der Bun- bei den wenigsten Items kann wirklich von einem desregierung vertraue und ob man die Einschät- Charakteristikum der AfD-Wähler gesprochen wer- zung teile, dass Politiker gegen die Interessen der den. Zur Erinnerung zwei Beispiele: So ist es zwar Bevölkerung handeln würden, die größten Unter- tatsächlich die Gruppe der AfD-Wähler, die den schiede feststellen. Interessanterweise ähneln in höchsten Zustimmungswert bei der Frage auf- diesen Bereichen einzig die Wähler der Linkspar- weist, ob die Befolgung einer „nationalen Leitkul- tei (wenn auch in einem etwas geringeren Maße) tur“ ein Bestandteil von Demokratie sei – der Ein- der Gruppe der AfD-Wähler. Aus dieser Beob- druck eines AfD-Spezifikums relativiert sich aber achtung lässt sich die Vermutung ableiten, dass schnell beim Blick auf die Werte der Unterstützer beide Gruppen der Eindruck eint, dass sie nicht von Union, FDP, SPD und selbst der Grünen, bei politisch repräsentiert würden, weil die „eigenen“, denen ebenfalls eine Mehrheit dieser Frage zu- d. h. favorisierten Eliten keine Möglichkeit hätten, stimmt. Ein zweites Exempel aus dem Fragenset politische Macht auszuüben – ein politisch-kultu- zu politischer Beteiligung: Dass nur knapp 15 Pro- relles Deutungsmuster, das zuvor als sogenann- zent der bekennenden AfD-Unterstützer ange- ter „Usurpatorkomplex“ beschrieben wurde. Ab- ben, sich schon mal in einer Bürgerinitiative oder seits dieses Establishment-Misstrauens fallen zu- einem politischen Verein engagiert zu haben, dem noch zwei weitere Besonderheiten unter den scheint auf den ersten Blick das Bild des poli- AfD-Wählern auf: Das erste betrifft die Problem- tisch zwar unzufriedenen, jedoch nicht zur Parti- wahrnehmung von Migration: Auch, wenn unter zipation gewillten Bürgers192 zu stützen. Doch dass den Wählern der anderen Parteien das Thema als in der Gesamtheit gerade einmal 23 Prozent aller Problem wahrgenommen wird, zeigt unsere Ana- Befragten diese Frage bejahen, weist auf ein ins- lyse, dass unter den Wählern der AfD zwei Drit- gesamt niedriges politisches Partizipationsniveau tel die Migrationsfrage als wichtigstes politisches in der niedersächsischen Gesellschaft hin. Problem in Deutschland erkennen – das Stan- Freilich bedeutet dies nicht, dass es keine Un- ding als „Anti-Migrationspartei“ scheint demnach terschiede zwischen AfD-Wählern und dem Elek- weiter eine gewisse Attraktivität zu besitzen. Das torat der anderen Parteien gibt. Diese kristallisie- zweite Distinktionsmerkmal betrifft den Wert der ren sich nur weniger in distinkten inhaltlichen Solidarität innerhalb einer Demokratie. Während Positionierungen aus, sondern – so unsere These die anderen Wählergruppen zwischen 70 Prozent – finden ihren Ausdruck vor allem in politisch- (FDP) und über 90 Prozent (Grüne) Solidarität als kulturellen Mentalitätsströmen. Diese zeigt sich immanentes Merkmal von Demokratie begreifen, etwa in einer Haltung, die den Funktionseliten sind es bei der AfD weniger als die Hälfte (47 Pro- und deren Rolle in den politischen Repräsenta- zent) – ein solch deutlicher Unterschied könnte tionsorganen misstraut. Hierauf deuten vor allem ein Hinweis darauf sein, dass AfD-Wähler in ei- die Positionierung von AfD-Wählern bei solchen nem beträchtlichen Maße sozialchauvinistische Items hin, die Aufschluss darüber geben, wie sie Politikvorstellungen hegen. das Funktionieren der Demokratie, die eigenen Neben der Sekundärauswertung der Daten des Einflussmöglichkeiten im System und das Ver- Niedersächsischen Demokratiemonitors 2019 hat trauen in die Eliten bewerten. Weniger die Idee sich die Untersuchung auch den soziodemogra- der Demokratie an sich (und was Teil dieser sei), phischen Merkmalen der AfD-Wahl mithilfe der Strukturdaten des Niedersächsischen Landesam- tes für Statistik angenähert. Die Analyse der AfD-

192 Diese Vermutung wird etwa in der Untersuchung Ergebnisse bei den letzten Wahlen in den einzel- von Frankenberger/Gensheimer/Buhr: Zwischen Mit- nen Landkreisen und Regionen in Verbindung mit machen und Dagegen sein, S. 171 nahegelegt. den soziodemografischen Kontextbedingungen

62 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 6 Zusammenführung und Schlussbetrachtung hat gezeigt, dass keiner der derzeit populären Er- Andere Erklärungsversuche, Thesen und Ver- klärungsansätze das AfD-Wahl-Mysterium zu- mutungen, wie sie immer wieder populärwissen- friedenstellend entschlüsseln kann – damit ver- schaftlich vorgebracht werden (wie beispielsweise weisen wir unter anderem auf die Tatsache, dass der Ausländeranteil), können für die Wahlerfolge selbst dort, wo sich gewisse Zusammenhänge der AfD in Niedersachsen empirisch nicht bestä- zwischen den untersuchten Variablen und ho- tigt werden. hen bzw. niedrigen AfD-Ergebnissen abzeichne- Welche Schlussfolgerungen können nun aus ten, immer eine Reihe von Fällen gefunden wer- diesen Ergebnissen für die AfD in Niedersach- den konnte, die sich dem vermuteten Trend wi- sen und allgemeiner über die politische Lage im dersetzten. Das bedeutet indes nicht, dass nicht Bundesland gezogen werden? Wie unsere Unter- trotzdem gewisse Muster aufgespürt werden suchung gezeigt hat, teilt auch die niedersächsi- konnten: Ein überraschendes Ergebnis unserer sche AfD das Schicksal anderer Landesverbände Untersuchung mag sein, dass entgegen der in der im Nordwesten der Republik und konnte bislang Forschungsdiskussion geäußerten Vermutung, die nicht über einstellige Ergebnisse bei vergangenen AfD sei dort stark, wo Regionen überaltern, unsere Wahlen hinauskommen. Tragen hierfür sicherlich Daten eher eine gegenteilige Tendenz aufzeigen. die zuvor beschriebenen internen Streitigkeiten Gerade solche Gebiete, in denen die AfD in Nie- und auch eine sichtbare Organisationsschwä- dersachsen besonders stark ist, sind nur in weni- che im Flächenland eine Mitschuld, so legt unsere gen Ausnahmefällen Gebiete mit älterer Bevölke- Untersuchung ebenso nahe, dass auch tieferlie- rung, sondern eher mit jüngerer. Neben dem Grad gende politisch-kulturelle Resilienzkräfte hierzu der Überalterung lieferten auch Erklärungsansätze ihren Beitrag leisten. Denn: Ein beträchtliches Maß im Bereich einer Stadt/Land-Beziehung und der an Unzufriedenheit mit der politischen Lage und bezüglich der Frage nach dem Ausländeranteil ein spürbares Misstrauen der Frage gegenüber, ob keine Hinweise darauf, dass sie in Verbindung mit die Politik überhaupt in der Lage ist, die viel- erhöhten AfD-Ergebnissen in Niedersachsen ste- fältigen gesellschaftlich-politischen Probleme lö- hen würden. Ein anderes Urteil kann dagegen in sen zu können, die die Zeit mit sich bringt, sind den Bereichen der Wahlbeteiligung, Arbeitslosen- keinesfalls Eigenschaften, die nur AfD-Wähler in zahlen und Religion gefällt werden. So deutet un- Niedersachsen aufweisen. Nur kann die AfD von sere Analyse einerseits darauf hin, dass ein ge- dieser existenten Unzufriedenheit innerhalb der wisser Zusammenhang zwischen einer niedrige- niedersächsischen Wahlbevölkerung scheinbar ren Wahlbeteiligung und erhöhten Ergebnissen für nur in einem geringen Maße profitieren. Eine Be- die AfD besteht. Andererseits konnten wir eine gründung, die für dieses scheinbare Paradox ge- Korrelation zwischen höherer Arbeitslosigkeit und funden werden kann, drückt sich mit Sicherheit höheren Ergebnissen für die AfD feststellen. Es im volksparteilichen Charakter aus, den das Bun- sind vor allem die Gebiete und Regionen im Land desland weiter für sich beanspruchen kann. Wie robust gegenüber der AfD, die einen hohen Anteil unsere Untersuchung gezeigt hat, halten die von an Mitgliedern der katholischen Kirche aufweisen, uns befragten Niedersachsen in den überwiegen- während die Partei tendenziell gerade dort ihre den Fällen den Christdemokraten und den in (Nie- besseren Ergebnisse erzielt, wo ein relativ hoher dersachsen traditionell starken) Sozialdemokraten Anteil an Konfessionslosen zu verzeichnen ist. die Treue – oder wenden sich, wenn überhaupt ein Kurzum: Die AfD wird in Niedersachsen tenden- Wahlwechsel stattfindet, den Grünen zu, die nach ziell vor allem in Regionen gewählt, die Umfragen inzwischen ähnlich hohe Ergebnisse er- zielen wie die alten Volksparteien. Aller Unzufrie- A. zuvor eine relativ niedrige Wahlbeteiligung denheit zum Trotz scheint eine deutliche Mehrheit hatten, der Wähler weiterhin die Auffassung zu teilen, B. ein relativ hohes Maß an Arbeitslosigkeit dass die etablierten Kräfte die „Richtigen“ seien, aufweisen und um sie zu vertreten (als ein weiteres Indiz mö- C. eher protestantisch geprägt sind oder in de- gen hierfür die auffällig starken Vertrauenswerte nen ein relativ hoher Anteil an Konfessions- gelten, die Wähler aller Parteien der aktuellen losen vorliegt. großen Koalition in Hannover entgegenbringen).

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 63 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

Aus dem Blickwinkel der politischen Kulturfor- Hieran zeigen sich die Ambivalenzen politischer schung scheinen an dieser Stelle immer noch ge- Mentalitäten und Bewusstseinsformen sowie der wisse soziokulturelle Residuen ihre Wirksamkeit jeweiligen Erscheinungsformen: Zwar ist die AfD im Denken und Handeln der niedersächsischen je nach Blickwinkel in Niedersachsen derzeit Bürger zu entfalten, die in ihrer Verfasstheit hart- (noch) relativ schwach, aber dennoch finden sich näckig genug sind, um die historisch-tradierten auch in Niedersachsen Tendenzen politischer Bindungen zu den alten Volksparteien zu stabi- Verhärtung, Verkrustung, Frustration und teilweise lisieren. Das politische Denken der Niedersach- Resignation und Unzufriedenheit194 – dies zeigte sen kreist weiterhin primär um die Sozial- und auch die Sekundärauswertung, weil sich die Par- Christdemokraten, an denen kein Weg vorbeiführt. teiwählerschaften in vielen Punkten kaum vonei- An dieser Stelle werden die analytischen Vor- nander unterscheiden. teile der Begrifflichkeiten von Karl Rohes Ver- Wenn überhaupt, dann ist der Unterschied ständnis von „Politischer Kultur“ offensichtlich: zwischen den Wählern der „etablierten Parteien“ Nach Rohe ist die Politische Kultur geprägt von und den AfD-Wählern offensichtlich vor allem ha- einem Spannungsverhältnis von Sozio- und Deu- bitueller Art: Er zeigt sich in einem Kampf um den tungskultur, beide bedingen sich wechselseitig. „Erhalt von Etablierten-Vorrechten“195, der poli- Während der aktuelle Konflikt um die AfD derzeit tisch-kulturell überformt wird und dadurch an auf der (oberflächlichen) Ebene der Deutungskul- symbolischen Schauplätzen und auf der Ebene tur ausgetragen wird und wie in dieser Arbeit ge- sogenannter „Werte“ ausgetragen wird – wie bei- zeigt wurde: die Deutungskultur diesen Konflikt – spielsweise deutsche Identität, Heimat oder Leit- dialektisch betrachtet – sowohl befeuert als auch kultur. Doch letztlich sind diese „Werte“ natürlich einhegt, hilft der derzeitige politisch-kulturelle nicht objektiv gegeben, sondern ein kulturelles Bodensatz der politischen Mentalitätsbestände Produkt gesellschaftlich-subjektiver Wertschät- in Niedersachsen auf der Ebene der Soziokultur zung. Das Ressentiment der „Wertnostalgiker“, wie gleichzeitig dabei, das politisch-gesellschaftliche der Sozialpsychologe Ernst-Dieter Lantermann Potenzial für die AfD einzuschränken (der identi- AfD-Wähler nennt, speist sich demnach aus der fizierte volksparteilich geprägte Charakter Nieder- „Furcht vor einem Verlust der eigenen Privilegi- sachsens dürfte allerdings nur ein erster Baustein en“196. Die kulturelle Überformung dieser Konflikte sein, denn gleichzeitig heißt es auch in Nieder- resultiert demnach, wie es Adorno etwa in einem sachsen schon seit Jahren, dass es die Volkspar- jüngst zugänglich gemachten Vortrag über die teien zwischen Göttingen und Aurich auch immer Aspekte des neuen Rechtsradikalismus von 1967 schwerer haben). Insofern ist die AfD aus dieser bemerkt, aus den uneingelösten Versprechen der Perspektive zunächst einmal Ausdruck einer poli- Demokratie, denn „die Demokratie [hat] eben tischen Sinn- und Repräsentationskrise und das bis heute nirgends wirklich und ganz sich kon- politische Erregungspotenzial speist sich dem- kretisiert […], sondern [sie ist] formal geblieben nach aus einer deutungskulturellen Misstrauens- […]. Und die faschistischen Bewegungen könnte krise der aktuellen Politik gegenüber, aber ob die- man in diesem Sinn als die Wundmale, als die ser gesellschaftliche Konflikt tiefergehender greift, Narben einer Demokratie bezeichnen, die ihrem bzw. in Zukunft greifen wird, wird sich erst noch zeigen – je nachdem wie sich die gesellschaftli- che Situation weiterentwickeln wird. Aus der Sicht Wahlverhalten als Oberflächenphänomen der politi- der politischen Kulturforschung wird es demnach schen Kultur, in: Demokratie-Dialog 6/2020, S. 2–11. entscheidend sein, im Spannungsverhältnis von Sozio- und Deutungskultur die tieferliegenden 194 Finkbeiner/Trittel/Geiges: Rechtsradika- lismus in Niedersachsen, S. 307. Triebkräfte zu suchen, die politische Bewusst- seinsformen ganz offensichtlich mitgestalten.193 195 Koppetsch: Die Gesellschaft des Zorns, S. 64.

196 Lantermann, Ernst-Dieter: Die radikali- 193 Vgl. Schenke, Julian/Finkbeiner, Florian/Neumann, sierte Gesellschaft. Von der Logik des Fana- Amelie: Das Potenzial der Cleavage-Perspektive. tismus, München 2016, S. 71.

64 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 6 Zusammenführung und Schlussbetrachtung eigenen Begriff eben doch bis heute noch nicht auf diesen Sekundärauswertungen weiterführende voll gerecht wird.“197 Nimmt man diese Perspek- Analysen zu Gemeinsamkeiten und Unterschie- tive ernst, dann reicht es analytisch keineswegs den zwischen den unterschiedlichen Wählergrup- aus, Unterschiede zwischen einzelnen Wähler- pen herauszustellen. Diese Vertiefungen lohnen gruppen nur auf der Einstellungsebene aufspü- sich sowohl quantitativ als auch qualitativ: Einer- ren zu wollen, sondern dann müssen diese Un- seits gilt es zu fragen, ob sich die hier herausge- terschiede in den politischen Mentalitätsbestän- stellten Ergebnisse auch im kleinteiligen regiona- den gesucht werden. Dann interessieren vielmehr len Vergleich bestätigen oder ob es tieferliegende die politischen Leitvorstellungen, die Politik- und regionale eigenkulturelle Selbstverständnisse gibt, Demokratieverständnisse, die Sehnsüchte nach die zusätzliche oder konträre politisch-kulturelle Kollektivierungsformen und vor allem die gesell- Polster gegenüber politischen Disruptionen und schaftlichen Mechanismen, die bestimmten „Wer- konkret der Wahlentscheidung für die AfD bilden. ten“ die politisch-kulturelle Kraft zuschreiben, so- Andererseits gilt es aber auch diese Erkenntnisse dass diese für propagandistische Mittel instru- qualitativ zu vertiefen. Denn gerade die These der mentalisiert werden können.198 primär kulturell-habituellen Unterschiede zwi- Das gesellschaftspolitische Potenzial ist für schen den AfD-Wählern und den Wählern der an- die AfD tendenziell gegeben, die Partei könnte deren Parteien muss in erster Linie mit qualita- davon also in Zukunft profitieren. Dass dieses tiven Methoden analysiert werden – allein schon Szenario keineswegs so unplausibel ist, wie es deshalb, weil sich derlei Latenzen nicht durch auf den ersten Blick erscheint, wird spätestens standardisierte Fragesets einfangen lassen.199 Da- dann nachvollziehbar, wenn man sich nur ein- rüber hinaus lohnt es sich aber auch, mit einem mal vor Augen führt, was passieren würde, wenn offenen Blick jenseits von methodischen Dogma- zu den aktuellen politisch-kulturellen Disruptio- tismen auf die regionalen Aushandlungskämpfe nen noch eine Wirtschafts- und Finanzkrise hin- und Konflikte in Niedersachsen zu schauen. Denn zukommen würde (die Auswirkungen der Corona- da die AfD nun offensichtlich im politischen Ta- Krise sind derzeit, im März 2020, noch nicht ab- gesgeschäft als etabliert gelten kann, gilt es zu zusehen) oder wenn etwa die beiden Bundes- fragen, wie sich das Erscheinen der AfD auf der land-Volksparteien SPD und CDU das gleiche politisch-regionalen Bühne auf die Regionen aus- Schicksal wie im Bund ereilen würde und beide wirkt, wie die lokale Politik damit umgeht, wie sie Parteien nicht nur um ihr politisches Selbstver- aber auch die Ursachen und Konsequenzen der ständnis vor Ort, sondern auch konkret um ihre AfD-Erfolge vor Ort deutet. Nicht zuletzt sollen Wählerklientelen fürchten müssten. solche Teiluntersuchungen die bisherigen Analy- Aus diesen Überlegungen resultieren for- sen und Erkenntnisse ergänzen, um das politisch- schungspraktisch eine ganze Reihe an Anschluss- kulturelle Portrait der Geschichte des Rechtsradi- fragen und Forschungsperspektiven, denn diese kalismus in Niedersachsen im 20. und 21. Jahr- Ergebnisse aus der Perspektive der klassischen hundert, was der FoDEx-Fachbereich Rechts- Partei- und Wahlanalyse sind zunächst einmal radikalismus sich als Ziel gesetzt hat200, weiter nur der erste Schritt zum tiefergehenden Ver- auszumalen. ständnis politisch-kultureller Umbrüche, dem AfD-Wahl-Mysterium und der offenkundigen Fas- zinationskraft der Partei für gewisse Teile der Ge- sellschaft. So gilt es zunächst einmal, aufbauend 199 Siehe hierzu grundlegend die aktuelle Debatte um das Selbstverständnis einer modernen Poli- 197 Adorno: Aspekte des neuen Rechtsradikalismus, S. 18. tikwissenschaft und besonders der Rolle der empirischen Analysen von normativen Fra- 198 Vgl. Marg, Stine/Schenke, Julian/Finkbeiner, Flo- gen, vgl. Nickel: Populismus, Politikwissenschaft rian: Gegen einen formalistischen Demokratie- und die Zukunft der Sozialdemokratie, S. 64. begriff. Zwischenstand der begriffshistorischen und -theoretischen Reflexion im Forschungs- 200 Siehe hierzu ausführlich Finkbeiner/Trittel/Gei- prozess, in: Demokratie-Dialog 5/2019, S. 2–13. ges: Rechtsradikalismus in Niedersachsen, S. 311f.

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 65 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

66 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus Anhang

Korrelationskoeffizienten und Standardabweichung

Wahlbeteiligung und AfD-Wahl

rx1y1 = −0,467

rx2y2 = −0,401

rx3y3 = −0,640

Durchschnittsalter in den niedersächsischen Regionen

σx4² = 2,770 σx4 = 1,664

Arbeitslosigkeit und AfD-Wahl in Niedersachsen

rx5y1 = 0,515

rx5y2 = 0,444

rx5y3 = 0,466

Ausländeranteil und AfD-Wahl

rx6y1 = 0,220

rx6y2 = 0,149

rx6y3 = 0,063

Religion in Niedersachsen

rx7y1 = −0,351 rx8y1 = 0,110 rx9y1 = 0,487

rx7y2 = −0,354 rx8y2 = 0,162 rx9y2 = 0,402

rx7y3 = −0,406 rx8y3 = 0,296 rx9y3 = 0,302

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 67 Keiner ö.-r. Religions­ 9 gemeinschaft zugehörig x 8

Evangelische Kirche x

Römisch-katholische 7 Kirche x

Anteile Ausländer in 6 Gesamtbevölkerung x

Ausländer

Gesamtbevölkerung 5

Arbeitslosenquote x

Wanderungssaldo

Fortzüge

Zuzüge 4

Durchschnittsalter x

Anteile AfD 3 EW 2019 y

Wahlbeteiligung 3 EW 2019 x

Anteile AfD 2 BTW 2017 y

Wahlbeteiligung 2 BTW 2017 x

Anteile AfD 1 LTW 2017 y

Wahlbeteiligung 1 x 63,1 6,2 76,4 9,1 61,5 7,9 44,6 564.013 525.945 38.068 4,8 7.982.448 813.080 10,2 18,3 51,5 25,8 63,7 6,0 76,9 8,4 64,2 6,8 43,8 15.940 16.089 -149 4,5 248.292 29.730 12,0 14,0 44,5 36,0 56,9 13,6 71,7 16,4 51,2 15,0 44,2 6.898 5.672 1.226 8,3 104.948 19.850 18,9 19,5 44,6 31,1 58,2 8,1 73,9 11,7 56,5 10,2 44,4 6.635 6.395 240 4,1 124.151 19.325 15,6 19,7 43,6 29,7 63,2 7,3 77,3 11,4 60,8 9,8 43,9 11.565 11.099 466 3,7 175.920 11.810 6,7 9,5 57,0 27,6 59,9 7,8 74,0 11,1 58,464,4 10,3 6,9 47,968,0 77,5 9.234 7,2 10,362,5 79,8 8.494 62,0 5,4 9,9 9,3 76,9 740 64,4 44,6 8,1 5,7 8,9 60,3 7.286 137.014 46,1 6,8 13.455 6.502 6.785 44,8 9,8 784 6.732 34.763 11,2 4,2 32.363 58,0 53 133.965 2.400 27,8 4,0 11.035 5,0 119.960 8,2 328.074 12,0 7.515 30.170 56,3 6,3 9,2 27,7 12,7 20,5¹ 53,7 50,9¹ 24,6¹ 30,7 62,1 6,3 75,4 9,5 56,1 8,1 47,1 7.02165,8 6,4 6.666 77,3 355 9,4 4,9 64,0 132.765 8,1 8.805 43,9 72.916 6,6 11,9 67.585 66,3 5.331 18,2 6,2 1.157.624 181.570 15,7 13,7 44,1 36,3 60,1 6,8 74,5 9,9 58,4 9,2 46,1 5.872 5.727 145 5,5 91.307 6.485 7,1 10,8 57,7 28,9 LTW 2017 64,7 5,7 76,0 8,3 63,7 6,8 42,3 34.779 32.551 2.228 7,6² 538.068 111.255 20,7 14,3 36,8 41,3

Gebietsgliederung over, Region over, aunschweig, Stadt aunschweig, olfsburg, Stadt olfsburg, alzgitter, Stadt alzgitter, Niedersachsen Statistische Region Braunschweig Region Statistische Br S W Gifhorn Goslar Peine Wolfenbüttel Göttingen Northeim Hann Statistische Region Hannover Region Statistische Helmstedt Landeshauptstadt Landeshauptstadt

0

101 102 103 151 157 153 158 159 241 155 154 Hannover, Hannover, 241001

68 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus Keiner ö.-r. Religions­ 9 gemeinschaft zugehörig x 8

Evangelische Kirche x

Römisch-katholische 7 Kirche x

Anteile Ausländer in 6 Gesamtbevölkerung x

Ausländer

Gesamtbevölkerung 5

Arbeitslosenquote x

Wanderungssaldo

Fortzüge

Zuzüge 4

Durchschnittsalter x

Anteile AfD 3 EW 2019 y

Wahlbeteiligung 3 EW 2019 x

Anteile AfD 2 BTW 2017 y

Wahlbeteiligung 2 BTW 2017 x

Anteile AfD 1 LTW 2017 y

Wahlbeteiligung 1 x 62,6 5,5 76,7 8,4 62,2 7,5 45,2 16.248 14.711 1.537 3,8 216.886 17.565 8,1 11,8 60,6 24,6 61,2 7,2 74,6 10,5 58,4 9,8 46,8 9.027 8.181 846 5,9 148.559 16.535 11,1 12,4 58,6 24,4 65,7 6,4 77,7 9,3 62,4 8,4 45,6 16.592 15.638 954 5,4 276.594 24.090 8,7 24,5 49,6 22,1 63,1 6,060,9 74,6 6,463,1 9,6 73,3 59,9 6,9 9,8 76,7 8,3 56,7 10,3 47,3 8,6 58,7 4.602 45,1 9,0 4.454 10.467 46,5 9.957 11.741 148 10.426 5,8 510 1.315 4,5 70.975 4,9 121.386 4.330 157.781 10.430 6,1 13.985 8,6 12,2 8,9 63,1 7,8 10,6 19,9 67,8 61,4 20,4 23,1 62,7 8,0 75,3 11,7 60,2 10,9 45,2 11.682 10.581 1.101 5,3 178.936 14.130 7,9 9,1 59,7 26,0 62,1 5,9 75,6 8,9 61,8 8,1 46,5 11.732 11.232 500 5,0 198.213 13.335 6,7 7,5 65,8 23,9 66,2 7,1 81,3 10,0 66,5 8,6 45,1 18.392 16.875 1.517 3,5 252.776 18.930 7,5 7,1 48,3 40,8 64,4 5,465,3 74,1 6,762,4 7,8 79,0 59,0 6,664,2 9,2 78,4 7,5 66,9 4,9 48,2 9,6 77,0 7,5 62,6 3.468 43,6 8,1 8,1 62,2 3.559 15.760 45,8 14.160 7,3 -91 6.542 44,4 1.600 7,4 5.771 11.121 5,0 48.424 10.653 183.372 771 2.665 12.760 468 3,1 5,5 7,0 3,3 113.517 6,1 7,8 163.455 6.560 66,6 52,1 11.145 5,8 25,3 37,1 6,8 7,4 5,7 59,3 69,0 29,7 21,7 LTW 2017 62,4 6,7 75,2 9,7 59,2 9,0 45,0 14.587 14.601 -14 5,0 139.755 11.545 8,3 7,6 64,6 24,6

Gebietsgliederung yrmont urg zminden idekreis ienburg (Weser) ienburg ildesheim otenburg (Wümme) otenburg Diepholz Hameln-P H Hol N Schaumburg Celle Statistische Region Lüneburg Region Statistische Cuxhaven Harb Lüchow-Dannenberg Lüneburg Osterholz R He

252 251 254 256 255 257 351 352 353 357 354 355 356 358

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 69 Keiner ö.-r. Religions­ 9 gemeinschaft zugehörig x 8

Evangelische Kirche x

Römisch-katholische 7 Kirche x

Anteile Ausländer in 6 Gesamtbevölkerung x

Ausländer

Gesamtbevölkerung 5

Arbeitslosenquote x

Wanderungssaldo

Fortzüge

Zuzüge 4

Durchschnittsalter x

Anteile AfD 3 EW 2019 y

Wahlbeteiligung 3 EW 2019 x

Anteile AfD 2 BTW 2017 y

Wahlbeteiligung 2 BTW 2017 x

Anteile AfD 1 LTW 2017 y

Wahlbeteiligung 1 x 62,9 6,3 77,752,6 9,7 10,5 64,2 70,3 7,8 13,1 44,7 52,6 8.780 11,9 44,0 7.828 4.922 952 4.452 3,6 136.792 470 10.975 8,9 8,0 77.607 6,7 12.970 58,6 16,7 29,3 16,0 41,9 35,8 62,7 6,7 77,1 9,5 62,3 8,5 44,1 14.833 14.336 497 4,9 203.102 18.555 9,1 6,8 57,7 32,4 63,6 6,7 76,0 9,4 61,7 8,8 47,0 6.596 6.186 410 4,5 92.572 5.605 6,0 6,9 68,2 21,6 55,3 5,9 71,5 10,0 60,3 9,5 43,5 3.071 2.807 264 7,9 50.195 5.530 11,0 8,8 66,3 21,6 63,1 4,7 77,9 6,7 64,9 5,2 42,6 13.172 11.749 1.423 6,0 168.210 17.365 10,3 17,5 46,7 31,3 61,8 4,2 75,9 6,2 64,1 4,8 41,9 13.044 12.660 384 6,5 164.748 24.470 14,9 38,3 34,0 21,2 54,1 8,3 70,5 10,661,7 53,4 6,258,7 9,3 75,2 5,2 46,2 8,9 72,8 60,2 5.466 9,1 9,1 4.858 55,0 45,1 7,5 608 12.658 40,8 9,6 12.038 18.695 76.278 620 17.045 8.410 6,0 1.650 11,0 189.848 3,7 11,7 11.515 169.348 48,1 6,1 18.915 36,1 11,2 6,3 61,4 75,9 23,3 15,2 7,9 64,5 5,2 77,6 7,9 64,864,4 7,0 3,9 45,1 77,5 8.191 6,3 62,8 7.254 5,4 937 42,8 3,5 23.585 124.071 21.384 8.075 2.201 6,5 2,3 9,5 325.657 62,5 38.825 24,8 11,9 69,2 18,4 9,8 LTW 2017 63,9 5,964,1 76,0 3,3 8,2 77,2 62,1 5,3 7,7 67,1 46,9 4,7 6.432 43,7 5.900 6.966 532 6.709 4,0 257 98.460 2,3 4.830 136.511 21.550 4,9 15,8 9,2 27,6 61,9 48,8 26,5 14,5

Gebietsgliederung tadt afschaft Bentheim afschaft denburg, Stadt denburg, ilhelmshaven, Stadt ilhelmshaven, snabrück, Stadt snabrück, elmenhorst, Stadt Verden Weser-Ems Region Statistische D Stade Uelzen Emden, S Ol O W Aurich Cloppenburg Ammerland Emsland Friesland Gr

401 361 360 359 402 403 404 405 452 453 451 454 456 455

70 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus Keiner ö.-r. Religions­ 9 gemeinschaft zugehörig x 8

Evangelische Kirche x

Römisch-katholische 7 Kirche x

Anteile Ausländer in 6 Gesamtbevölkerung x

Ausländer

Gesamtbevölkerung 5

Arbeitslosenquote x

Wanderungssaldo

Fortzüge

Zuzüge 4

Durchschnittsalter x

Anteile AfD 3 EW 2019 y

Wahlbeteiligung 3 EW 2019 x

Anteile AfD 2 BTW 2017 y

Wahlbeteiligung 2 BTW 2017 x

Anteile AfD 1 LTW 2017 y

Wahlbeteiligung 1 x 59,8 6,2 74,3 9,2 55,8 9,0 44,1 11.251 10.207 1.044 5,0 169.809 13.610 8,0 11,2 71,2 14,1 65,8 6,264,3 78,8 4,363,5 8,9 77,0 62,9 4,2 7,0 76,3 7,8 62,760,3 44,7 7,0 5,6 64,3 5,8 11.474 44,0 73,2 10.764 6,1 25.898 40,8 8,6 710 24.249 53,0 13.053 2,8 1.649 12.626 8,8 130.144 2,8 46,1 427 11.595 357.343 3.902 3,3 8,9 32.625 3.761 141.598 12,7 9,1 58,4 19.790 141 41,8 25,3 14,0 39,4 4,8 67,7 14,2 56.882 19,3 9,6 2.675 4,7 6,9 73,5 17,3 LTW 2017 58,7 5,3 72,5 8,3 54,5 7,9 45,8 5.148 5.009 139 5,7 88.624 7.455 8,4 7,8 60,2 27,8

Gebietsgliederung Leer Oldenburg Osnabrück Vechta Wittmund Wesermarsch

458 459 460 462 457 461 ² Zahlen der Stadt Hannover der Stadt ² Zahlen Z5000312, M5000312 und M500e313 (AfD- Online: Tabellen (LSN) für Statsistik Landesamt aus Niedersächsisches = Auszüge Datengrundlage K1200050 (Zu- und Tabelle A100003G (Durchschnittsalter); Tabelle und Europawahl); Bundestags- Landtags-, zu und Wahlbeteiligung Anteile für Niedersachsen – Statistik für Arbeit + Bundesagentur und Ausländeranteil) A100001G und A1050001 (Gesamtbevölkerung Tabellen Abwanderung); (ausführlich) für Religion – Personen nach und individuell dynamisch + Zensus 2011 online: Ergebnisse 2019 (Arbeitslosenquote) im November (Religionsangehörigkeiten) Orte in %, URL: https://ergebnisse.zensus2011.de/ und weitere (Landkreis) Göttingen (Landkreis), Gifhorn ¹ Daten der Religionszugehörigkeit errechnet aus den Daten der beiden Altlandkreise Göttingen und Osterode im Harz. und Osterode Göttingen Altlandkreise der beiden aus den Daten errechnet der Religionszugehörigkeit ¹ Daten

FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 71 Literaturverzeichnis

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72 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus Literaturverzeichnis

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FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 73 Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen

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FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus 77 Autoren

Florian Finkbeiner, geb. 1988, Niklas Schröder, geb. 1994, Ba- Studium der Politikwissen- chelorstudium der Politikwis- schaft und Soziologie in Trier senschaft sowie Wirtschafts- und Göttingen; Promotion zum und Sozialgeschichte; aktuell Wandel des Konservatismus Masterstudium der Politikwis- nach der deutschen Vereini- senschaft in Göttingen inklu- gung 1989/1990. Er arbeitet als sive Aufenthalt an der Karl- wissenschaftlicher Mitarbeiter suniversität Prag. Er arbeitet am Göttinger Institut für Demo- als studentische Hilfskraft am kratieforschung und in der For- Göttinger Institut für Demokra- schungs- und Dokumentations- tieforschung und in der For- stelle zur Analyse politischer schungs- und Dokumentations- und religiöser Extremismen in stelle zur Analyse politischer Niedersachsen (FoDEx) zu den und religiöser Extremismen Themengebieten Rechtsradika- in Niedersachsen (FoDEx) und lismus und Politische Kultur. forscht zu Rechtsradikalismus und Demokratievorstellungen.

78 FoDEx-Studie | Rechtsradikalismus Impressum

Herausgeberin Forschungs- und Dokumentationsstelle zur Analyse politischer und religiöser Extremismen am Institut für Demokratieforschung Georg-August-Universität Göttingen Weender Landstraße 14 37073 Göttingen

Tel.: + 49 551 39 1701 00 Fax: + 49 551 39 1701 0 1 E-Mail: kontakt @ fodex- online. de

Ansprechpartner Studie: Nachweise Florian Finkbeiner Schrift: florian.finkbeiner@ demokratie-goettingen.de Kanit Font, Cadson De- mak [http://cadsondemak. com/], 2015, SIL Open Font Reihe FoDEx-Studien: License v1.10 [http://scripts. Dr. Matthias Micus sil.org/cms/scripts/page.

matthias.micus @ demokratie-goettingen.de php?item_id=OFL_web] F

ISSN 2628 - 3743 FoDEx-Studie (Print) Grafikdesign und Satz ISSN 2628 - 3751 FoDEx-Studie (Online) Jonas Neef Göttingen, Mai 2020 WWW. ODEX-ONLINE.DE

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