„Hintennach Gesehen“
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Günter Knopf „„HHiinntteennnnaacchh ggeesseehheenn““ Hintennach gesehen Fast 90 Jahre bin ich im Rätselrachen des Lebens gesessen, konnt´s nicht ergründen, konnt´s doch nicht ermessen. Bald fahr´ ich heim, doch will ich nicht klagen, bin ich zu Haus, wird´s Gott selber mir sagen. (obiges Signet und Text nach Hans Thoma (1839 – 1924). © 2009 3 Inhaltsverzeichnis Vorwort / Rückschau .............................................. 5 Der Nachholbedarf ................................................. 9 Neuanfang ........................................................... 20 Der Ruf................................................................. 27 Jährlicher Höhepunkt: Das Ferienlager ................ 36 Alltag.................................................................... 44 Endlich Jugendleiter............................................. 47 Meine neue Heimat ... .......................................... 49 Mein Chef............................................................. 53 In Politik unterentwickelt?..................................... 58 Knopf auf Freiersfüßen......................................... 65 Neu-Orientierung.................................................. 69 Vorbild oder ...?.................................................... 71 Weg oder Umweg?............................................... 74 Es wird Ernst!....................................................... 76 Zu neuen Ufern .................................................... 84 Da waren’s plötzlich Drei!..................................... 97 Endlich in „Amt und Würden“.............................. 101 Ein Haus wird gebaut ......................................... 107 Flurstraße – ein Kinderparadies ......................... 115 Kindermund ... ................................................... 125 ... und “kluge” Reden der Alten........................... 126 Die 60er Jahre – Studienfahrt nach Israel .......... 129 Die Vergangenheit meldet sich: Der Auschwitz-Prozess . 136 Studeinreise nach Rom1965 .............................. 137 Schulalltag ......................................................... 139 Kurze Familienchronik........................................ 142 Studenten-Unruhen – Die „68er“ ........................ 144 Ein Ausweg? ...................................................... 151 Hilf Dir selbst, dann ... (die Verbandsgründung) . 152 Mein Kirchen-Kampf........................................... 156 Ein Blick in die Politik ......................................... 160 Meine „Nebenberufe“ ......................................... 161 Die Familie „en detail“ ........................................ 165 Die Familie „en gros“.......................................... 174 Ein seltsamer “Grenzverkehr”............................. 176 4 Die Schule (ein letztes Mal?).............................. 181 Mein Drittes Leben ............................................. 182 Das Reisemobil .................................................. 184 Die Jungfernfahrt................................................ 191 Englandfahrt mit Werner..................................... 192 Spanien-Reise mit Dora ..................................... 196 Studienfahrten in die Sowietunion ...................... 200 Nordlandfahrt ..................................................... 202 Eine folgenschwere Wendung ............................ 205 Jugoslawien – Montenegro mit Wilhelm ............. 206 8-Pässe-Fahrt mit Werner und Wilhelm.............. 209 Benelux-Fahrt mit Dora und Gudrun................... 210 Türkei-Fahrt........................................................ 213 LT-Israel-Reise................................................... 225 Norwegen, Spanien, Pässefahrt mit Werner....... 232 Mauerfall ............................................................ 233 Das Ende ........................................................... 235 Was nun?........................................................... 241 Eine außergewöhnliche Reise auf die Krim ... ... 242 Epilog ................................................................. 247 Dank................................................................... 249 Bildnachweis ...................................................... 249 Abkürzungen ...................................................... 250 5 „„HHiinntteennnnaacchh““ ggeesseehheenn Motto: Die zweite Hälfte seines Lebens verbringt der Weise damit, sich von den Torheiten, Vorurteilen und irrigen Ansichten zu befreien, die er sich in der ersten zu eigen gemacht hat. Jonathan Swift Vorwort Dies soll der zweite Teil zu meinen wahr halten“ oder „ich weiß es nicht genau“. Erinnerungen „...wie es dir selber gefällt“ Bei dem, was wir unter christlichem werden. Er beginnt nach der Rückkehr aus Glauben verstehen, bedeutet glauben das meiner Gefangenschaft in Sevastopol auf aber nur ganz selten, sondern vertrauen, der Krim (1945 – 49). Der Zeit nach ist es sich auf jemanden oder auf etwas also mehr als die Hälfte meines Lebens, verlassen, es als Grundlage seiner fast zwei Drittel. Ich bin auch kein Weiser, Überlegungen und Handlungsweisen ein- hoffe aber, dass ich durch das Mehr an setzen. Wer das erleben will, muss sich Zeit (fast 60 Jahre) das Minus an Weisheit auf dieses Wagnis oder Abenteuer einlas- ausgleichen kann sen. Denn: „gelebt werden muss vorwärts“. Von Sören Kierkegaard 1 stammt die So verlasse ich mich z. B. darauf, Erkenntnis: „Das Leben versteht man nur dass die Geschichte in 2. Mose 33, 20 – im Rückblick. Gelebt werden aber muss es 23 im Kern wahr ist. In ihr wird ein Erlebnis vorwärts“. Durch Hintennach sehen denke von Mose geschildert. Ihn quälte es offen- ich, mehr Erkenntnisse von den Hinter- bar auch, dass immer wieder von Gott gründen meiner oft einfachen Erlebnisse gesprochen wird; aber beweiskräftig gibt zu gewinnen. Vielleicht löst sich auch hier es von ihm nichts. Er würde gerne einmal und da das Rätselhafte im Zeitpunkt des – nachdem er so oft gespürt hat, dass Gott Erlebens. die Hand im Spiel hatte - ihm gegenüber Darüber hinaus müsste etwas deut- stehen. Warum gestattet er es ihm nicht? lich werden von dem, was man Glau- Er, der Mensch, würde es nicht überleben, benserlebnisse nennt, d. h. welche Rolle läßt Gott ihn wissen. Vielleicht ist es so das gespielt hat, was als Höchstwert im ähnlich, wie wenn wir in die helle Sonne Denken und Handeln meines Leben sehen; das verträgt das Auge auch nicht. bestimmend war. So gesehen ist hier jeder Mose aber durfte wenigstens „hintennach“ Mensch gefragt, auch wenn er von sich sehen. behauptet: „Ich glaube nichts“. Oder wie Es ist daher sehr schwer, glaubhaft mein Ausbildungsgeselle während meiner von Gott reden zu wollen, wenn es über- Mechaniker-Lehrzeit in diesem Fall in sei- haupt möglich ist. Was zu sagen ist, muss nem hessischen Dialekt gesagt hat: „Ich aus Lebensvollzügen erkennbar werden. glaab, dass e Pund Rindflaasch e gud Bonhoeffer 2 soll sich in dieser Hinsicht Supp gibt“. Er hatte durchaus seine Prin- zipien, bei denen ich oft die Konsequenz 2 Dietrich, *1906, evgl. Theologe, 1931 bewundert habe, mit der er sie anwendete. Studentenpfr., 1934 beratendes Mitgl. des Leider heißt glauben (Glaube) in unserer Ökumen. Rates; Leiter des (illegalen) Sprache im täglichen Gebrauch meist „für Predigerseminars der BK, schloss sich der polit. Widerstandsbewegung um Canaris an. Am 5. 3. 43 verhaftet u. am 9. 1 Dänischer Philosoph und Theologe, 4. 45 im KZ Flossenbürg hingerichtet. Er 1813 – 1855. versuchte eine nichtreligiöse 6 geäußert haben: „Biographie und Theologie warteten, das konnte ich im Traum nicht sind untrennbar miteinander verknüpft“. ahnen – aber ich habe sie erlebt! Das Folgende habe ich am 31. De- Wir heutigen Menschen überprüfen zember 2004, Altjahrsabend, begonnen. den Wahrheitsgehalt eines Vorgangs Während ich diese Zeilen schrieb, fiel mir gerne mit der Frage, ob es „Tatsache“ war ein, dass ich genau auf den Tag vor 60 oder ist. Schüler im Religionsunterricht Jahren – also am 31. Dezember 1944 - (RU) erklärten immer wieder, dass sie am nach einigen Tagen Fronturlaub wegen liebsten Tatsachenberichte lesen: „Da des Fliegerschadens meiner Eltern mich weiß man, wie es war.“ Dabei zeigt der auf der Bahnfahrt von Hanau zurück zu Blick in unsere Literatur, dass es in ihr meiner Stuka 3-Staffel befand. Der Ab- Formen gibt, die alles andere sind. Man schied war schwer, besonders der von bedenke, welche lebenswichtigen Er- meiner Mutter. Vor wenigen Monaten hatte kenntnisse, die wahr sind, z. B. in Fabeln, sie die furchtbare Nachricht vom Solda- Märchen, Anekdoten oder Romanen tentod ihres ältesten Sohnes, meines lie- stecken, obwohl in ihnen meist auch nicht ben Bruders Werner, zutiefst getroffen. die kleinste Tatsache enthalten ist. Sie Nun mussten meine Eltern nach einem sind aber im Ganzen „wahr“: sie sind schweren Bombenangriff ihre schöne komprimierte = verdichtete Wahrheit:. Neubauwohnung in der Friedrichstraße Nehmen wir, um dies zu verdeutli- aufgeben; sie waren zwangseingewiesen chen, einmal die Lafontaine-Fabel vom worden in einige Zimmern der vorigen Fuchs und dem Raben. Sie enthält absolut Wohnung in der Leipzigerstraße. Dort war nichts an Tatsachen: Kann ein Fuchs mit ich zur Welt gekommen, und dort hatten einem Raben sprechen? Ist ein Fuchs wir viele glückliche Jahre erlebt. Durch oder Rabe scharf auf Käse? Der Verfasser den Sonderurlaub konnte ich ihnen helfen, war bestimmt nicht so blöd, nicht zu wis- sich in den beengten Verhältnissen eini- sen, dass beide, Fuchs und Rabe, alles germaßen wohnlich einzurichten. Das andere lieber fressen als ausgerechnet