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Januar 2012 / 6. Ausgabe CHF 5.00 / EUR 3.50 GRENZSTADTKURIER Seit 1999 Das FC Kreuzlingen - oldschool - Fanzine

Ausserdem in dieser Aus- 1934: West Ham United und die gabe: AS Roma beim FC Kreuzlingen - Die Vorrunde 11/12 - Bilderbogen 15 Jahre Whiskykurve 1997-2012 - Calling - Die Kur- ve beim BFC und TeBe - Die Saison 34/35 im Rückblick - Pascal Claude und An- dreas Gläser mit Kurzbe- richten - Reviews / Rezensionen

Kurven-Klassiker! Mendrisio - FCK

Jan Stöver ge- währt Einblicke in Altona 93 - Eine Liebe in ! Nummeriert / 150

TeBe Berlin vs. Reini- ckendorfer Füchse Fussball in Berlin Berliner FC Dynamo vs. SV Altlüdersdorf Mit Kulturteil

The Editor Speaks

Vor euch liegt die Platz mehr fanden. Kaum zu glauben, was sechste Ausgabe des damals für Vereine in unserem Grenzstädt- Grenzstadtkuriers. chen spielten. Klar, dass sich der FCK dabei Sechs Ausgaben in 13 auch gehörig übernahm. Allerdings vor allem Jahren, das Schne- sportlich, denn der finanzielle Verlust blieb ckentempo wird sich auch für damalige Verhältnisse im Rahmen. so fortsetzen - wenn Dass der FCK auch in der Neuzeit für span- überhaupt. Denn die nende Spiele sorgt, lest ihr bei unserem Schreibarbeit für Kurvenklassiker-Bericht ab Seite 6. Natür- eine meiner Leiden- lich sind wir weit weg von den grossen Spie- schaften nimmt mit len, von den grossen Derbys, dem grossen Fanzine und offiziellem Stadionheft mehr Fussball und den tollen Fankurven. Aber als genug Zeit in Anspruch. echte Emotionen und verrückte Fussballge- Schon diese Ausgabe war daher auf der schichten findet man auch bei uns. Ich glau- Kippe, aber es wäre einfach zu schönes be sowieso, dass der Amateurfussball seine Material liegen geblieben das man gerne Nische finden wird. Als Alternative zum veröffentlicht sieht. Sei es für Fan- immer seelenloseren Hochglanz-Profi-Sport. zinefreunde oder auch nur für einen selbst Es wird noch ein viele Jahre langer Weg, bis und die anderen Kurvengänger als Erinne- auch die Zuschauerzahlen bei uns wieder rungsstück. steigen. Doch uns Fussballfans braucht man nicht sagen was Geduld heisst, schliesslich Platz gefüllt haben diesmal auch die Gast- warten wir oft Jahre und Jahrzehnte auf berichte von Pascal Claude und Andreas eine Meisterschaft oder einen Aufstieg. Gläser, diese wurden bereits in ihren Inter- net-Blogs (und im BFC-Fanzine Zugriff!) Bei unserem Berlin-Wochenende lernten wir veröffentlicht, passen aber auch ganz gut wieder viele Freunde im Geiste kennen. Bei hier herein. Vielen Dank dafür. Der dritte TeBe und beim BFC. Wie das geht, lest ihr Gastbericht wurde extra für den Grenz- auf den Seiten 14-18. stadtkurier geschrieben. Jan Stöver bringt Diese Ausgabe gibt‘s übrigens in zwei ver- uns den Hamburger Traditionsverein Altona schiedenen Versionen. Einerseits in schwarz 93 mit einer speziellen Vorstellung näher. Auch hier ein Dankeschön. Das Kreuzlingen ein Fussballstädtchen mit Tradition ist, beweist auch diesmal wieder der Geschichtsteil. Aus diversen Quellen hab ich für diese Ausgabe die Saison 34/35 beleuchtet. Ausserdem kamen einige Freundschaftsspiele aus dem Frühling 1934 dazu, welche in der letzten Ausgabe keinen

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The Editor Speaks

-weiss, damit es günstig in Mailordern ver- trieben werden kann und dann noch in einer Kontakt: Daniel Kessler [email protected] www.grenzstadtkurier.ch

Verkaufsstellen:

Mailorder  www.jamaicaskinhead.ch  www.nofb-shop.de

Laden  Sportantiquariat Germond, Zürich

FCK-Spiele  Im Clubhaus  Bei der Whiskykurve Farbvariante, teilweise auch mit Vinyl– und

Sticker-Beilage. Daher fallen auch die Prei- se unterschiedlich aus. FCK & Whiskykurve im Netz:

Zuletzt noch ein Aufruf. Schaut bei unseren www.fck1905.ch Spielen vorbei, wir freuen uns immer sehr

über Besuch im Hafenareal! Die Spieltermi- www.whiskykurve.ch ne findet Ihr unter www.fck1905.ch.

Nun aber viel Spass mit dem www.grenzstadtkurier.ch „GRENZSTADTKURIER Nr. 6“ www.hafenschlampe.ch Message to you: de.wikipedia.org/wiki/FC_Kreuzlingen

Druck: Schalk Druck, Kreuzlingen

Die Kurvenbilder auf den Seiten 2, 3, 4, 5, 10, 11 und 12 sind von FCK- Fotograf Mario Gaccioli aufgenommen.

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Die Vorrunde 11/12

Im dritten Jahr der Viertklassigkeit sollte che 2:3-Niederlage gegen die SV Schaff- es nun endlich klappen mit der Rückkehr in hausen, in letzteren zwei Partien kassierte die 1. Liga. Im Schweizer Cup schied man der FCK drei Treffer in der Nachspielzeit. bereits in der 2. Vorrunde in Langenthal aus. Ein mässiger Start für den Aufstiegsfavori- Eine weite Anreise, ein stimmungsvoller Platz (Bild), Freibier, dass vom Verein gross angekündigt wurde und nach 5 Minuten aus- gegangen war, Besuch von Kurvenfreunden aus Bern und ein gutes Spiel sorgten trotz

ten FC Kreuzlingen. Dafür gabs wieder Cur- rywurst im Hafenareal und einige Kurvenver- anstaltungen. Nun begann für den FCK eine beispiellose Siegesserie: 2:0-Sieg zuhause Regens für einen gelungenen Aufenthalt im gegen Seuzach, 2:3-Auswärtssieg bei Phönix Emmental. Wie schon in Langenthal begleite- Seen (auch hier unterstützten uns 20 FCW- te den FCK auch zum ersten Meister- Fans), 2:1-Heimsieg gegen Linth, 1:2- schaftsspiel nach Freienbach ein Dutzend Auswärtssieg in Chur, 4:0-Heimsieg gegen Whiskykurvler. Eine heftige 5:1-Niederlage Altstätten und ein 1:3-Auswärtssieg in Ba- stellte die gute Vorbereitung plötzlich in zenheid. Die Auswärtsspiele haben sich auch Frage. Beim Auswärtsspiel in Töss war man dank Unterstützung von zahlreichen Win- terthurern mit 25 Supportern vor Ort. Wir tranken den Bierstand leer und feierten einen 0:3-Sieg. Nach einem 1:0-Heimsieg gegen Widnau erlebten wir die nervenaufrei- bendste Auswärtsfahrt beim 2:3-Sieg in Mels. Das Spiel wurde bereits ausführlich in unserem anderen FCK-Fanzine „Hafenschlampe“ behandelt. In zwei aufei- wieder stimmungstechnisch durchs Band nander folgenden Heimspielen resultierten gelohnt, überall war man mit einer kleinen, ein 2:2 gegen Diepoldsau und eine unglückli- aber sangesfreudigen Truppe FCK-Fans vor

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Whiskykurve Termine

Ort. Mein liebstes Auswärtsspiel der Vor- serdem erster Verkaufsort dieser GK- runde war das letzte in Bazenheid, genial Ausgabe. das Tor von Dragan Miljic mit Torjubel in Samstag, 18. Februar 2012 der Whiskykurve. Die anschliessende gelbe Hörnli Irish Pub Kreuzlingen Karte, welche dem FC 40 Franken kostete, Release-Party Vinyl-Single „Kreuzfahrt der wurde in Münzen gesammelt und Dragan Herzen“ mit der Whiskykurve-Allstar-Band. beim auslaufen überreicht. Auch ansonsten Ein Fanzine– und Fanartikelstand ist auch passte alles an dem Tag. Chur war ebenfalls geplant. Whiskykurve Outputs

Das zweite FCK-Fanzine „Hafenschlampe“ erschien mit der Nr. 6 im Oktober 2011. Man sagt sie hätte wieder zur alten Stär- ke zurück gefunden, find ich auch. Jede Menge satirische Berichte in tollem Lay- out und vielen heiteren Bildern. Erhältlich in der Whiskykurve und beim Sportanti- quariat Germond. eine tolle Reise. Alles getoppt wurde natür- Am 18. Februar wird die 7“-Vinyl-Single lich vom Thurgauer Derby im letzten Spiel „Kreuzfahrt der Herzen“ von der Whis- gegen Frauenfeld, ein 2:1-Heimsieg vor 850 kykurve All--Band erscheinen. Er- Zuschauern. Der FCK hat in der Winterpau- hältlich in der Whiskykurve und bei: se fünf Punkte Vorsprung auf Verfolger [email protected]. Freienbach, wobei nur der Erste aufsteigt.

Unsere Termine in der Winterpause:

Samstag, 14. Januar 2012 Libero-Stadionbar FC Winterthur Tumult Skinheds Winterthur präsentieren die zweite lange Nacht der jamaikanischen Tanzmusik. An den Plattentellern: DJ Pazi- Le-Fist (FCZ), DJ Le Longue-Shot (FC Schaffhausen), Tumult Système Musique (FCW). Kleiner JSSC-Fanzine-Stand, aus-

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Das Wunder von Mendrisio

Am 2. Juni 2007 kam es am letzten Da es keine 1.Liga-Spieltag zu einer spannenden Fotos von die- Kurven Konstellation. Der FCK lag auf einem sem denkwür- Klassiker- Abstiegsplatz, doch auch der FC Baden, digen Tag gibt, Chur 97 und Seefeld Zürich lagen maxi- hab ich den Be- mal zwei Punkte vom FCK entfernt. richt mit Bildern vom Ort des Geschehens, Bereits im Vorfeld stand der FCK in den dem Stadio Comunale in Mendrisio auf- lokalen Schlagzeilen, Trainer Fredi Iten gelockert. wurde fristlos entlassen. Später verlor der FCK vor dem Arbeitsgericht und Die Whiskykurve entschied sich mit ei- musste Fredy Itens Abgang mit der nem gemieteten Bus ins Tessin zu fah- grössten jemals im Schweizer Amateur- ren. Das Busunternehmen stellte auch fussball bezahlten Summe vergolden. gleich einen Fahrer. Abraham, so sein Als Retter in der Not kehrte Willy Schee- Name, hatte keine Ahnung von Fussball- pers nach seinem Gastspiel im Gefäng- fans, redete den ganzen Tag kein Wort, nis zurück in die Grenzstadt. Für alle nahm aber alle Widrigkeiten seines Ar- beitstages, und das waren eine Menge, mit stoischer Gelassenheit hin. Nebenbei betätigte er sich zu unserer vollsten Zufriedenheit als DJ im Bus, Oi!-Musik und Punkrock waren angesagt. Die Bier- dosen klackerten, der Bus dröhnte, so durchquerte man die Schweiz. Im Stadio Comunale trafen wir auf Vin- zenco Maiorana, welcher für die Kame- raübertragung ins Clubhaus eingeteilt wurde. Dort warteten am Nachmittag auswärtigen Leser, Willy Scheepers bereits mehrere Dutzend Kreuzlinger (ehemaliger holländischer Fussballprofi), Fussballfans mehr oder weniger aufge- führte den FC Kreuzlingen 2004 in die regt auf die Direktschaltung aus dem Aufstiegsspiele zur Challenge League, Tessin. wo er, wegen angeblichem Kokainhan- del im grossen Stil, kurz vor dem ent- Das Spiel begann pünktlich um 16.00 scheidenden Spiel auswärts in Baulmes- Uhr vor 400 Zuschauern, darunter etwa verhaftet wurde. Für reichlich Zündstoff 50 Kreuzlingern. Ein nervöses Kampf- war also bereits vor dem Spiel gesorgt. spiel auf Messers Schneide begann. Der sowieso schon eigenwillig spielende Ver- Der FCK musste an diesem letzten teidiger Muhamed Recica (später auch Spieltag auswärts beim FC Mendrisio im beim FC Singen 04 im Einsatz), vertän- Tessin antreten. Ausserdem hätte das delte Ball um Ball. Als er den Ball auch Spiel per Internetschaltung live ins noch zum 1:0 für Mendrisio ins eigene Clubhaus übertragen werden sollen.

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Das Wunder von Mendrisio

Netz schob, gab es kein halten mehr. Es nun angespannt wie begann zu Regnen, die Leute nervten selten. sich über Recica. In der 35. Minute In der 52. Minute konnte auch Willy Scheepers dem trei- gelang Mirco Graf ben nicht mehr zusehen und wechselte der vielumjubelte ihn durch den unerfahrenen Stürmer Ausgleichstreffer, Paul Gessler aus. Willy Scheepers gab alles lag sich in den nun die Devise „totaal Voetball - totaler Armen. Mirco Graf Fussball“ aus, Holländische Offensive schaffte es später als Karrierehöhepunkt oder „stürmen wie Ajax“ mit elf Amateu- zu einem Testspiel gegen den FC Liver- ren. pool. Wir schalten ins Clubhaus. Nichts zu sehen, die Leute sitzen auf Festbänken und starren auf die schwarze Leinwand. Crazy B informiert per Telefon. Techni- sche Schwierigkeiten. Die WM 1954 war technisch eindeutig weiter. Unser Kame- ramann Vincenzo drehte trotzdem unbe- irrt weiter, inzwischen deutlich angehei- tert von einigen Schnäpsen. Ein 1:1 sollte nach damaligem Stand In der Pause wackelten die Wände der nicht reichen und es war nur noch eine FCK-Kabine. Willy Scheepers hatte im Falle einer Niederlage angekündigt, die Spieler eigenhändig über den Gotthard zu jagen. Der Zorn lud sich nun auch am ehemaligen Challenge-League Tor- wart Philipp Bünter ab, dieser weigerte sich daraufhin weiterzuspielen. Die Luft brannte nun. Bünter liess nicht mehr mit sich reden, was für eine Farce. Für Bün- ter kam der völlig unerfahrene Pascal Tapfer ins Tor. Ausserdem kam nach der Pause der Stürmer Antonio Varrone für halbe Stunde zu spielen. Antonio Varro- den Mittelfeldspieler Dario Graf ins ne und Oscar Barreiro sahen zwischen- Spiel. Volles Risiko nun beim FCK, das zeitlich die gelbe Karte, Chancen auf Wechselkontingent war bereits zur Pau- beiden Seiten. Willy Scheepers lief ner- se aufgebraucht. vös die Spielfeldlinie entlang und legte sich lautstark mit sämtlichen Zuschau- Zur zweiten Halbzeit wurde der Regen ern der Haupttribüne an, ein Plastikstuhl stärker, emotional war auch die Kurve

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Das Wunder von Mendrisio

flog. Die Kurve sang „Freiheit für Wil- den… und dann liegt der Ball im Tor! ly!“. Grenzenloser Jubel, alle rennen aufs Spielfeld, Vincenzo samt Kamera hinter- In der 79. Minute schoss uns Serdar her. Das entscheidende Tor durch Mirco Kokal mit dem 1:2 in den Himmel. Aus- Graf. Serdar Kokal erkennt die Wichtig- gerechnet Kokal, ein extrovertierter keit des Augenblicks und rennt uns mit Stürmer bei dem Eigenbild und Realität seinem Schuh in der Hand entgegen, selten im Einklang standen. Kokal wuss- versucht sich als Torschützen und Held te immer was er Wert war, denn er hat- des Abends zu verkaufen. 29 Tore in der te vor Jahren mal 29 Tore in der Kreisli- Kreisliga - es musste einfach klappen! ga geschossen. Aber gerade solche bun- Bengalische Lichter liegen über der Sze- ten Leute mochten wir schon immer in nerie - die 80-jährige Möggi Rothacher, der Whiskykurve. 50 Jahre FCK-Erfahrung, verteilt den Das Spiel geht weiter, doch totale Of- FCK-Spielern Süssigkeiten. fensive heisst oft auch hinten offen wie In der Kabine feiern Fans und Spieler ein Scheunentor... weiter, mit dabei und heute (wieder) Drei Minuten nach Kokals Tor schiesst beim FCK: Manuel Ferrone und Marco Mendrisio den Ausgleich, Entsetzen Wagner. macht sich breit. Auf der Tribüne etwas ratlose Tessiner, Die Nerven liegen nun auch bei den 16 für sie war es schliesslich ein völlig un- Whiskykurvlern blank. Nun laufen unse- bedeutendes, objektiv gesehen wohl rem Sven, dem am meisten tätowierten Fan aus der Whiskykurve, aus emotio- naler Anspannung die Tränen hinunter. Was für ein Bild. Es begann die Nachspielzeit, die Whis- kykurve schrie den FCK mit letzter Kraft nach vorne. Es entwickelte sich ein wah- rer Veidstanz in der Kurve, auf der an- deren Spielfeldseite die emotionsgelade- nen Willy Scheepers und Bruno Am- mann, sowie die 80-jährige Möggi Rot- hacher, seit über 50 Jahren bei den FCK -Spielen mitfiebernd dabei. schlechtes 1.Liga-Spiel. Der Gegensatz In der 91. Minute ein letzter Angriff der zu den emotional aufgeladenen Kreuz- Grün-Weissen. Der Ball kommt in den lingern hätte grösser nicht sein können, Sechzehner, eine unübersichtliche Situ- Tänze auf dem Spielfeld noch lange ation, ein Geschiebe und Gedränge, ein nach Spielende. Unser Fahrer Abraham Gefluche und Gehacke, das viele Bier, sah ungläubig aufs Spielfeld. der Regen, die Sinnesorgane entschwin-

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Das Wunder von Mendrisio

Mancher kam auf den Trichter, dass sich Hintergrund waren statt des Tores nur Kreuzlingen den Sieg erkauft hätte. Wil- die aufgeregten Schreie der Zuschauer ly wäre mit Koksscheinen in die Kabine zu hören. Die Kamera schwenkte kurz von Mendrisio gerannt und hatte nicht vor dem entscheidenden Moment jeweils Crazy B exzellente Kontakte nach Men- drisio? Keinen hätte es damals gewun- dert, uns war es egal. Eine Stunde später schmiss Abraham den Motor an, aus den Lautsprechern dröhnten die Goldenen Zitronen mit ihrem Song „80 Millionen Hooligans“. Es ging zurück durch die Tessiner Dörfer, während sich die Einheimischen wegen des vor Lärm und Siegesgesängen wa- ckelnden Busses verwundert umdreh- ten. Unreale Szenen auf einer nebligen ins Nirvana. Beim 3:2 glaubt man, so Gebirgsstrasse. die Sonne im verregneten Himmel zu Nach vier Stunden war im Hafenareal erblicken. Ein Zuschauer hielt dabei dann grosses Hallo mit den Daheimge- Serdar‘s Schuh. bliebenen. Wir fühlten uns wie die Es war schrecklich, es war schön, es war Kreuzritter nach ihrer Rückkehr aus die Auswärtsfahrt nach Mendrisio. Zwei Jerusalem. Jahre später stiegen wir ab, dass letzte Kurz darauf folgte der Mannschaftsbus, Spiel erneut in Mendrisio, aber das ist bengalische Lichter erhellten das Hafen- eine andere Geschichte. becken, Gesänge aus heiseren Kehlen. Die Spieler: (In Klammern heutige Vereine) Spieler und Betreuer wurden nun ein- zeln beim Aussteigen gefeiert als wären Philipp Bünter (FC Uster) (46. Pascal sie Schweizer Meister geworden. Dabei Tapfer, FC Weinfelden-Bürglen), Manuel feierten wir den Klassenerhalt in der 1. Ferrone (FCK), Tobias Portmann Liga. Der Mannschaftsbetreuer Bejta (Karriereende), Muhamed Recica (SV Rexhepaj zeigte einen obszönen Tanz Schaffhausen) (35. Paul Gessler, FC 09 und alle jubelten. Überlingen), Marco Wagner (FCK), Vol- kan Aydin (FC Tuggen), Kibir Bilali (FC Im Clubhaus wurden nun endlich die Bischofszell), Dario Graf (Karriereende) Videoaufnahmen gezeigt, neun Stunden (46. Antonio Varrone, Seefeld Zürich), nach Anpfiff hatten wir die Technik im Oscar Barreiro (FC Küsnacht), Mirco Griff. Vincenzo hatte sich während des Graf (FC Chiasso), Serdar Kokal (TSV Filmens eine besondere Finesse ausge- Konstanz) dacht, immer kurz vor Toren lies er die nicht richtig fixierte Kamera los, diese Willy Scheepers (Sportchef Bali Devata schwankte langsam gen Himmel und im FC, Indonesien)

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Bilderbogen 15 Jahre

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Whiskykurve 1997-2012

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Bilderbogen 1997-2012

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Zum Thurgauer Derby

Gastbericht vom Internetblog www.knappdaneben.net: Ein, zwei Sätzchen zum Thurgauer Derby vielleicht noch, ein, zwei Sprechblasen, bit- te sehr. Es hat statt- und den richtigen Sieger gefunden, vor 850 Zuschauern. Zwei zu eins! Nach null-zu-eins-Rückstand! Und der Javier Belda kratzt einen Penalty. Ein sehr gutes Spiel an einem sehr guten Nach- mittag. Der FCK eine Macht. Und Ingo Backert, die weissen Hosen knapp unter der Brust, entscheidet das Spiel vom Punkt aus. Und dann: Was für ein Jubel! Die Krönung aber nach Schlusspfiff: Die Spieler des FCF laufen aus, schön gemächlich, rund ums Feld. Sie kommen immer näher. Plötzlich merken auch sie: Sie kommen immer näher. Also drehen sie ab, auf Höhe Mittellinie. Die Nummer 8, L. M. aus F., dreht sich noch einmal zur Whiskykurve und zeigt zwei Mit- belohnt für seinen Mut (von den Männern) und für seinen A…. (von den Frauen). Der FCF dreht eine zweite Auslaufrunde, wieder kommen sie näher, wieder drehen sie ab, wieder zeigt L. M. die Finger, wieder Hose runter. Brilliant fucking Amateurliga Purga- tory! Jetzt ist Winterpause, der FCK 1905 Tabellenführer mit Polster, der Grillmeister hat ein paar Monate Zeit, seine Currywurst- sauce aufzufüllen und ich verschenke ein von Badoux gestaltetes FCK- telfinger (er hätte auch drei oder vier ge- Matchprogramm – das schönste der zeigt, aber er hatte nur zwei dabei). Jubel Schweiz und brandneu – an die Erste oder und Getöse in der Kurve. Das stimuliert L. den Ersten, die oder der behauptet es zu M. sehr. Im Auslaufen zieht er sich die wollen. Hose runter und hält uns den A…. entgegen (manchmal lesen hier Leute mit @admin.ch- Pascal Claude Adressen mit, ich wills mir aber mit Bundes- Bild oben: Das von Christophe Badoux neu bern nicht verscherzen, deshalb anständige gezeichnete Matchprogramm. Sprache). Grenzenloser Jubel, L. M. wird

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Berliner Fussballkultur

Anfang Dezember flogen ein halbes Dut- „Sport-Frei!“. zend Whiskykurvler nach Berlin. Auf Interessant würde es auf alle Fälle wer- dem Programm standen Heimspiele von den, allein schon aufgrund des total Tennis Borussia und dem Berliner FC unterschiedlichen Rufs der beiden Dynamo. Unsere Affinität zu unterklassi- Fanszenen, die Whiskykurve auf heikler gem Fussball traditionsreicher Vereine, Mission. Nachdem wir früh morgens Jörg zu eigenwilligen Fanszenen und zu inte- in Berlin-Tegel trafen, wartete kurz spä- ressanten Menschen in spannenden ter Andreas bereits am Städten wurden dabei wieder mal vollauf auf uns. Eine BFC-Fahne hing in einer gestillt. Wohnung am Alexanderplatz. Andreas Bei beiden Vereinen hatten wir eine Be- hatte an alles gedacht, ein Wochenende zugsperson, was den Ausflug gleich eini- der Propaganda stand bevor. ges persönlicher machte. Auf Seiten der Nach einer kurzen Frühstücks-Station im gings zu einem Abste- cher in die Bierkneipe Alkopole (was für ein Name!). Dort lernten wir einige BFC- Freunde von Andreas kennen. Im Alko- pole gibt’s übrigens so Dinge wie „gewickelte Hunde“ (Rollmops für 1.10 Euro), sehr authentisch. Dort war aber nur kurze Zwischenstation, schliesslich wollten wir weiter zum nach . Bei Nieselregen liefen wir durch ein Wäldchen zum Sta- Lila-Weissen war dies Jörg Pochert. Ihn dion der Violetten. Baulich war dort lernte ich noch als Fanzineschreiberling Zwanziger-Jahre Charme angesagt. vom „Edelstahl“ kennen, ausserdem war Doch ganz so lange sind die TeBe- er damals Geschäftsstellenleiter vom Erfolge nicht her. In den siebziger Jah- Traditionsverein Stahl Brandenburg. Bis ren gab TeBe zwei kurze Gastspiele in dahin bestand der Kontakt aber lediglich der 1. und spielte zwischen aus regem E-Mail-Austausch und dem 1993 und 2000 in der 2. Bundesliga. Lesen der jeweils neusten Fanzines vom Danach ging es steil bergab, heute spielt Anderen. Nun sollten wir uns endlich der ehemalige Bundesliga-Verein Tennis persönlich kennen lernen. Borussia nur noch in der sechstklassigen Bereits im vergangenen Sommer war Berlin-Liga, wird dort aber wieder durch dagegen Andreas Gläser in Kreuzlingen einen engagierten Vorstand geführt. zu Besuch, dessen erstes Fanzine Bereits die ersten Minuten im Mommsen „Baufresse“ war für mich in den 90er- -stadion waren voller positiver Eindrü- Jahren schon fast eine Offenbarung. cke. Eine geräumige Stadionkneipe, bei Andreas Gläser ersang sich bei seinem der man sich herrlich die Massen vor- Kreuzlingen-Besuch gleich zu Beginn stellen konnte die in den achtziger Jah- seiner Lesung im Hörnli-Irish-Pub die ren bei Bundesliga-Spielen hereinström- Sympathien der anwesenden FCK-Fans ten. Beim lokalen Pils gleich freundliche durch sein live intoniertes BFC-Lied

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Berliner Fussballkultur

Gespräche mit Revolution wär nicht zu erwarten. Die alten Berlinern, grossen Ligen sind doch nur noch ein die von glorrei- Kasperle-Theater. Hier gibt’s dafür keine chen Zeiten überlaute Werbeberieselung vor dem schwärmten Spiel, kein infantiles Gehampel von Mas- und sich über kottchen, keine Eingangsschikanen wie den Schweizer am Flughafen, keine lieblosen Werbema- Besuch freu- gazine als Stadionheftchen, keine pappi- ten. Grosser gen Würste vom Massencatering, keine Beliebtheit endlosen Schlangen beim Bierholen erfreuten sich die aufgetischten Mett- (wenns denn überhaupt noch welches brötchen, dazu wird mit Vorliebe ein gibt). Dafür Berliner Pilsner und Mett- klarer Schnaps gereicht, sehr schön. Ein brötchen, so soll es sein bei einem Spiel Fanshop dann unter der Tribüne, wel- in Berlin. cher die Auswahl manches Super League Der Stadionsprecher hiess uns willkom- - Clubs locker übersteigen würde. Das ganze Spiel schien von Fans organi- siert zu werden, ob an der Kasse, im Fanshop, der Speaker, das Stadionpro- gramm, hier wird etwas durch Fans auf- recht erhalten, dass merkte man über- all. Gleich am Eingang kaufte man die neue Ausgabe des Pauli-Fanzines „Übersteiger“, welches mit einer TeBe- Beilage des Lila-Laune-Fanzines daher kam. Mein Augenmerk galt auch einem klei- nen Stand, welcher unter der Haupttri- büne aufgestellt war. Dahinter stand Achim, ein älterer Herr, den jeder zu kennen schien. Er verkaufte Anstecker von alten Fussballvereinen, viele alte Logos des DDR-Fussballs, für Nostalgi- ker eine Goldgrube. Am nächsten Tag sahen wir ihn mit seinem Stand auch am men mit einem „wir begrüssen die Gäste BFC-Spiel. Viele Leute schienen sich vom FC Kreuzlingen aus der Schweiz“, nicht dafür zu interessieren, er macht es wir dachten zuerst an einen Scherz. wohl einfach aus Freude an der Sache, Auch im Stadionprogramm fanden wir sehr sympathisch. Im Profi-Fussball wär Erwähnung und zur Pause wurde noch- so etwas undenkbar, dass einer einfach mal der FC Kreuzlingen ausgerufen, mit seinen Stand aufstellt um ein paar An- einem herzlichen „ihr passt hier her“ stecker zu verkaufen. Er hätte ja keine soweit ich das noch in Erinnerung hab. Lizenz. Er würde wie der Gemüsehändler Völlig überraschend für uns, eine sehr in Tunesien vertrieben werden, eine

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Berliner Fussballkultur

schöne Geste. Unter den ca. 400 Zu- einen guten Draht zu den jungen Fans. schauern waren sicher 80 lautstarke So war es für ihn völlig selbstverständ- TeBe-Supporter, dementsprechend war lich beim Spiel das Fanzine „Der Über- auch die Stimmung während des Spiels steiger“ zu kaufen und freute sich schon sehr ansprechend. Die „Lila-Weisse“- diesen zu lesen, schöner kann Fussball Schlachtrufe unter dem Tribünendach Generationen nicht verbinden. Die meisten von uns machten sich nun Richtung Kreuzberg auf, wo noch ein Konzert von Loikaemie stattfinden sollte. Dieses war dann ausverkauft, was aller- dings auch nicht weiter schlimm war, da man schon seit 4 Uhr morgens auf den Beinen war. Beendet wurde der Abend für uns ausgerechnet in einer Schweizer Kneipe in Kreuzberg, wohin uns Andreas und Titus führten, bei Rösti und Rivella. Nur für Roli konnte der Abend so natür- sorgten doch einige Male für Gänsehaut. lich nicht enden und er drehte mit An- Gepflegt wird hier der typisch spielbezo- dreas anschliessend noch eine kleine gene oldschool-Supportstil, den ich be- Kiez-Runde durch den Prenzlauer Berg. sonders mag. Zur guten Stimmung bei- getragen hat auch das nie langweilige Marco, der Estländer aus der Winterthu- Spiel, welches Tennis Borussia mit 4:0 rer Bierkurve und gerngesehener Gast gegen die Reinickendorfer Füchse ge- beim FC Kreuzlingen, und sein Hambur- wann. Das Spiel war überraschend gut, ger Bekannter, der ebenfalls für dieses man bekam schöne Kombinationen und Wochenende nach Berlin fuhr, verweil- klasse heraus gespielte Tore geboten. ten derweil noch im Mommsenstadion. In der Nacht kletterte der nicht gerade Nach dem Spiel wurde die Mannschaft leichte Marco in stark angeheitertem vor der Tribüne gefeiert und anschlies- Zustand über ein Stadiongitter, was send war man in den VIP-Raum eingela- wiederum dem Vorstandsvorsitzenden den. Die Pressekonferenz welche dort von Tennis Borussia auffiel. Dieser ho- stattfand, erinnerte stark an die 1. Liga norierte die beachtliche Leistung mit - Zeiten beim FCK. Ein buntes Publikum einem anschliessend im VIP-Raum spen- aus allen Altersschichten, vom altge- dierten Schnaps und öffnete nochmals dienten TeBe-Fan über junge alternative extra für ihn den Fanshop. Die kleine Fans bis zu sympathisch skurrilen Ge- Anekdote erfuhren wir erst am nächsten stalten, wie einem Herrn mittleren Alters Tag, als uns Marco beiläufig die Visiten- im gänzlich weissen Anzug und weissen karten vom TeBe-Vorsitzenden unter die Schuhen. Nase hielt. Nach dem Spiel lernten wir in der Stras- Ein absolut gelungener Tag bei einer senbahn einen alten TeBe-Spieler aus sympathischen Fanszene. Die Befürch- den fünfziger Jahren kennen. Er spielte tung, dass wir bei TeBe in einem damals vor bis zu 80‘000 Zuschauern, schwarzen Block von radikalen Linksak- geht auch heute noch zu TeBe und hat

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Berliner Fussballkultur

tivisten stehen würden, welche pausen- schaften in los die Internationale und Arbeiterlieder Folge) und singen würden, erwies sich als unbe- mit einem gründet. Na gut, so schlimm hatten wirs beachtlichen natürlich auch nicht erwartet. Hier wird Europacup- Fussballkultur einfach auf sympathische P a l m a r e s Weise gelebt. Dabei das Herz am richti- ausgestat- gen Fleck zu haben ist ja auch nicht tet, ist heut- verkehrt. z u t a g e hauptsäch- Am nächsten Tag erwachte man in einer lich für sei- typischen Altbauwohnung im Prenzlauer ne Problem- Berg bei Andreas und seinem neunjähri- fans bekannt. gen Emil. Kurz darauf spielte man auch schon ein kleines Dreier-Tipp-Kick- Auch dieser Verein spielt nur noch un- Turnier aus. Eine schöne Einstimmung terklassig, und zwar im Sportforum Ho- aufs Spiel. Emil gewann locker. Andreas henschönhausen in der fünftklassigen Oberliga Nordost/Nord. War die Atmo- sphäre beim Westberliner Fussballverein aus dem eher wohlhabenden Charlotten- burg freundlich, wehte beim BFC ein gänzlich anderer, wesentlich rauerer Wind. Allein schon die Gegend des Sportforums (Plattenbausiedlungen so- weit das Auge reicht) und die vielen Polizeiwagen verhiessen eine andere Fussballwelt. Die Eintrittskontrollen wa- ren extrem genau, Polizei und Ordner standen an jeder Ecke, wohlgemerkt bei schwor Revanche am Abend, wenn er gerade mal 238 Zuschauern und nur wach sei. Andreas Gläser war für das einem Dutzend harmloser Gästefans. Kontrastprogramm beim bedeutend we- Auch hier spürt man die Tradition wohin niger kuscheligen Berliner FC Dynamo man geht, alte Helden wie verantwortlich. Der BFC, seines Zei- grüssen von Bildern im Clubheim. Doch chens DDR-Serienmeister (10 Meister-

Die BFC-Logos im Laufe der Zeit v.l.n.r.: 1954-1966, 1990-1999, 1990, 1966-1990 und 1999-2009

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Berliner Fussballkultur

mit dem Schicksal der sportlichen Be- über die Atmosphäre hinweg, denn zum deutungslosigkeit kann man hier we- BFC geht kaum einer beiläufig. Sportlich sentlich weniger gelöst umgehen. Bei merkte man, dass der BFC technisch TeBe sieht man die Chance der Unter- besser war als die Vorstädter, wenn klassigkeit darin den Verein selbst mit- auch auf sehr bescheidenem Niveau, zugestalten, beim BFC versteht man es aber die Mannschaft agierte so hilflos wie unsere beim Abstieg aus der 1. Liga. Gegen ein sehr harmloses Altlüdersdorf verloren die Berliner schliesslich mit 0:1. Das geflügelte Wortspiel von Liverpool bis Lüdersdorf machte seine Runde und dass wir wenigstens das eine Ende von beiden Extremen gesehen hätten. Der Trainer vom BFC wurde nach dem äus- serst schwachen Spiel übrigens entlas- sen. Ob Mommsenstadion oder Sportforum, man sah zweimal einen sehr interessan- ten Fussballkosmos. Danke nochmals an dieser Stelle an Jörg und Andreas für die Gastfreundschaft! Wir passen wahr- als Beleidigung in diesen Ligen herum- scheinlich besser zu TeBe, doch ein Au- zugurken. Menschen mit Herzblut hat ge wird auch immer mit Sympathie zum man aber auch hier kennengelernt die BFC blicken. In unserem Clubhaus hän- keinesfalls dem dumpfen Klischee vom gen neuerdings so auch Vereinswimpel BFC-Nazi-Hooligan entsprechen. Natür- von beiden Berliner Vereinen. lich bleibt die Atmosphäre beim BFC rau und authentisch, verwachsen mit der Wie steht es auf einem BFC-Transparent Gegend ihres Stadions, inklusive negati- so schön - „There is a Light that never ver Begleiterscheinungen. goes out“. Es wäre den Berliner Fans und ihren (fast) vergessenen Vereinen Für uns war es etwas besonderes, dank zu wünschen. der Einladung von Andreas, mitten in der „GegenGerade“ unter den alten BFC- Fans stehen zu dürfen. Die dort ganz eigene, manchmal dann doch auch hu- morvolle Atmosphäre zu erleben und so bekannte und interessante Fans wie Titus, Janusz und Gigor kennenzulernen. Auch hier war das ganze drum herum mit viel Enthusiasmus für den Verein aufgebaut. Besonders zu begeistern wusste das Stadion. Herrlich Nostalgisch und die Geschichte wieder zum Greifen nah. Auch die 238 Zuschauer täuschen

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… und der BFC beim FCK

Ein Gastbericht von Andreas Gläser St. Pauli, dem FC Winterthur, und den Hilfsfranzosen vom FC Biel/Bienne. Der Meinen Ausflug in den von Napoleon an die FCW sicherte sich mit einem verdienten 1:0 Schweiz zugespielten Konstanzer Stadtteil den Klassenerhalt. Kurz vor der Pause rap- Kreuzlingen verbuche ich als Erfolg. Ich pelte es im heimischen Kassenbereich, da habe in einem Irish Pub gelesen, der dank wurde ein Angriff von 25 doofen aus Biel Daniel, dem Propagandachef vom FCK- abgewehrt, wovon ein über das Eingangstor Fanzine Grenzstadtkurier, gut gefüllt hängendes Fahrrad noch einige Zeit zeugte. war. Er hatte die lokale Whiskykurve dort- Jetzt fiel mir auf das keinerlei Polente vor hin gelotst, die zwischen Radolfzell und Ort zu sein schien, dafür aber eine Dauer- Winterthur die wohl reisefreudigste und austellung in der Heimkurve, und zwar im körperbemalteste Gruppierung darstellt. Salon Erika. Hinterher gab es auf der Ich surfte munter durch alte Bücher und Schützenwiese einen fröhlich ausufernden über neue Zettel, und musste kein Ver- Ska-Nighter zwischen den Getränkestän- kaufsexemplar mit zurück schleppen, hat- den. Ja, eine dufte Disko war das, bei der te vom Zweitwerk sogar zu wenig bei, was ich auflegen durfte, es aber nicht tat, weil selten vor kommt. Falls in der Bodensee- ich dort nicht gelesen hatte und vorher Arena ein Auftritt ansteht, kommt die auch nicht wusste, dass hinter dem DJ- Whiskykurve umsonst rein. Gespann Tumult Winterthur ja auch schon Meinen Aufenthalt bei den Pionieren der wieder die umtriebige Whiskykurve Provinz hatten wir so gelegt, dass ein Spiel stand. Respekt für die Pioniere der Provinz. des sagenumwobenen FC Kreuzlingen be- sucht werden konnte, der wegen der Fußball Andreas Gläser -Mafia SFV nur viertklassig agiert. Und Veröffentlicht im BFC-Fanzine Zugriff! Nr. 8 siehe da, es sollte im anstehenden Auf- stiegsduell noch mehr los sein als sonst: Großer Bahnhof am Sportplatz, denn eine Dreistufentribüne wurde eingeweiht. Der volksnahe FCK-Präsident hielt eine Rede und schob der Whiskykurve 50 Franken für Bier rüber. Als lieber Gast aus Berlin durfte ich mich als DJ wichtig machen, was ich gerne tat. Die Liechtensteiner vom FC Balzers sollten als Kanonenfutter herhalten, was sie beim 3:3 nur unzureichend taten. Lang- weilig war es nicht, sollte es auch nicht werden. Die Wanderkurve fuhr nun zum Zweit- ligaspiel zwischen dem schweizerischen FC

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Chuck Norris und der

Korea geschickt worden und hatte sich den dortigen Kampfkünsten verschwo- ren. Nun war er als Chuck Nor- ris nach Amerika zurück gekommen und be- gann Kara- teschulen zu grün- den. Zeit- gleich zer- bröckelte in Deutschland der Glanz von Altona 93 mit der offiziellen Einführung des Profi- fußballs in Form der Bundesliga, in der zunächst lediglich ein Vertreter jeder Stadt antreten sollte. Den Altonaer An- hänger_innen blieben lediglich der Ama- teurfußball und die altehrwürdige Adolf- Jäger-Kampfbahn. Jenes Stadion, das nach einem der ersten „Stars“ des deut- Chuck Norris gewinnt jedes Jahr schen Fußballs benannt ist. In diesem den Oddset-Pokal Stadion empfängt die Mannschaft in der einzigartigen Schönheit ihrer schwarz- Der Oddset-Pokal ist der Landespokal weiß-rot-geringelten Heimtrikots ihre des Hamburger Fußballverbandes. Und Gäste. Chuck Norris gewinnt ihn. Jedes Jahr. Tut er einfach. Dafür wechselt Chuck Deutschlandweites Aufsehen sollte Al- Norris andauernd seine Vereine – nur Altona mag er irgendwie nicht. Früher wäre der Hamburger Pokal kein Ziel für den Altonaer Fußballclub von 1893 gewesen. Die Ligamannschaft des AFC spielte zumeist in der höchstmögli- chen Spielklasse und lockte zwischen 1920 und 1960 bei großen Spielen re- gelmäßig fünfstellige Zuschauermassen an. Doch dann kam das Jahr 1963. Carlos Ray Norris jr. war als Militärpolizist nach

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Altonaer FC 93 Hamburg

tona 93 nun nur noch im DFB-Pokal er- Dabei ist Altona 93 in den letzten Jahren ringen. In diesem Wettbewerb war man im Oddset-Pokal immer gegen unter- schließlich 1955 erst im Wiederholungs- klassige Mannschaften ausgeschieden. spiel des Halbfinals gegen den späteren Durch hervorragenden Offensivfußball Pokalsieger Karlsruher SC gescheitert. gelang in der Saison 2007/8 sensationell Und tatsächlich. 1966 warf man immer- der Aufstieg aus der Oberliga Nord in die hin den 1.FC Nürnberg aus dem Wettbe- neu geschaffene . Dies war werb, 1975 war erst im Achtelfinale ge- geographisch gesehen die weit ausge- gen den MSV Duisburg Endstation und dehnteste Liga, in der Altona 93 je ge- spielt hat. Plötzlich standen Reisen nach

1979 und 1984 erreichte man zumindest die zweite Runde. Diese Möglichkeit besteht auch heute noch. Denn für den DFB-Pokal qualifizie- ren sich die Landespokalsieger des Vor- jahres. Anders als in den Flächenlän- dern, wie etwa Niedersachsen, wo es Kreis-, Bezirks- und Landespokale gibt, kann in Hamburg jede erste Herren- mannschaft Landespokalsieger werden. Das bedeutet jedoch auch, dass es viele Runden zu spielen gilt. Und dies bietet eben auch viele Möglichkeiten frühzeitig auszuscheiden. So ist die 0:2-Niederlage gegen Borussia Dortmund aus dem Jah- re 1994 – Chuck Norris war inzwischen Texas Ranger geworden – bis heute der Wilhelmshaven, Kiel, , Plauen, letzte Auftritt des AFC in der ARD- und Magdeburg auf dem Pro- Sportschau gewesen, obwohl eine weite- gramm. Uns Fans gelang es zu allen re Teilnahme für den klammen Ama- Spielen eine Fahrt anzubieten - ein teurclub auch finanziell ein Geschenk Highlight war sicherlich der Auswärts- gewesen wäre. Denn mit der ersten DFB punkt, den wir an einem Mittwochabend -Pokalrunde winkten bis zu dieser Sai- aus Chemnitz entführt haben. son Garantieeinnahmen von etwa 100.000 €. Nun sind die „boys“ längst „back in

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AFC 1893 Hamburg

town“. Ein positiver Nebeneffekt der ebenso wie auf der Tribüne, diejenigen Regionalligasaison war, dass die Fansze- zusammen, die seit Jahrzehnten mit ne näher zusammengerückt ist und sich Altona 93 durch dick und dünn gehen. Zur besseren Orientierung tragen einige Anhänger aus den verschiedenen Berei- chen seit einiger Zeit Kutten, auf denen ihr Standort angegeben ist. Dass ausgerechnet eine linke Fanszene dieses deutsche Kulturgut via Adaption erhalten muss, entbehrt nicht einer ge- wissen Ironie. Dafür hat es einen netten Nebeneffekt: Mit vereinten Kräften ha- ben die Anhänger_innen Chuck Norris in eine solche Kutte zwingen können. Und so wird Altona übernächstes Jahr auch wieder in der Sportschau auf sich auf- neu sortiert hat. Traditionell ist diese merksam machen! nämlich auf der Adolf-Jäger-Kampfbahn wie folgt verteilt: In der Meckerecke stehen die jüngsten und die älteren An- Jan vom All to nah-Fanzine hänger _innen zusammen, auf dem Ze- ckenhügel treffen sich die Punks der Bauwagenplätze, im vorderen Teil der Gegengerade ist der Blac Block behei- matet und etwas weiter hinten kommen,

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Das 2011 in der überschaubaren Stadion. Ermittelt wurde dabei natürlich Schweiz gleich mehrere Bücher mit dem auch die beste Stadionwurst der Bezug „Fussballkultur“ erschienen, ist so Schweiz, mittlerweile dürfte es aber erstaunlich wie schön. Zwei möchte ich wirklich jeder wissen welche Vereins- euch davon vorstellen. wurst diese Wahl gewann: Diejenige des SC Brühl St. Gallen. Das Buch ist erhält- Zum einen das gelungene Themen-Buch lich unter www.stadionwurst.ch für Fr. „Stadionwurst - Der Fussball- 55.00. schweiz auf die Pelle gerückt“. Das Auch das zweite Buch, dass ich euch 180 Seiten umfas- vorstellen möchte, sende Werk ist eine ist eine Hommage. Hommage an die „Flachpass - Die Wurst beim Fussball- Bar im Let- spiel. Sie gehört, zigrund“, so der besonders auch in Titel dieses Erin- der Schweiz, essenzi- nerungsbuches an ell zum Besuch eines die bewegte Zeit Fussballspiels dazu. der FCZ-Stadion– Dies fand endlich seine verdiente Wür- und Fankneipe. Wie schon bei der digung in Buchform. 24 Autoren und 20 „Stadionwurst“ hat auch hier Pascal Fotografen steuerten die Claude einige Geschichten beigesteuert. (dementsprechend qualitativ unter- Das Buch hat schiedlichen) Beiträge und Fotos dazu meine volle Kauf- bei. Eine sehr schöne Idee hatten die empfehlung, be- richtet es doch sehr kurzweilig, interessant und manchmal auch humorvoll über ein Thema das sehr viele lesens- werte Geschich- ten bereithält. Viele Fotos und Erinnerungsschnipsel lockern das Buch stilvoll auf. Es erinnert in der Machart an ein sehr gut gemach- tes Fanzine. Herausgeber mit der Buchhülle, welche Mit einer Auflage von 1‘200 Stück ist in rosarotem Original-Bratwurst-Papier dieses 155 Seiten umfassende Buch für daherkommt. Porträtiert wurden dabei Fr. 29.00 unter www.flachpass.ch er- Spielbesuche mit Bratwurstverzehr bei hältlich. allen Vereinen der beiden obersten An dieser Stelle sollte auch mal das mo- Schweizer Ligen, dazu einige Hinter- natlich erscheinende „Zwölf“ erwähnt grundberichte rund um die Bratwurst im werden. Das im Schweizer Zeitschriften-

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handel vertriebene aussagekräf- Heft ist ein wohl tige Bilder kaum profitables von Stadien F e i e r a b e n d - und Zu- Produkt welches schauern des mit viel Enthusias- britischen mus entsteht. Die Fussballs. Autoren, Fotogra- Von den un- fen und Layouter tersten Ama- sind hauptberuflich teurligen bis auf ihren Gebieten in die Premi- Profis, auch das er League. merkt man dem Hier sieht man das Stadien mehr als Heft an. So ist es zwar dünner als das Sportarenen sind, nämlich gesellschaftli- grosse deutsche Pendant „11 Freunde“, che Orte, an denen sich lokale Identität aber inhaltlich auf Augenhöhe, selbst- und Sozialgeschichte kristallisiert, verständlich mit viel Lokalbezug und in Schauplätze gemeinschaftlicher Rituale, Aufmachung, Themenwahl und Layout T r i u m p h e mit viel nostalgischer Aura. In der und Tragö- Nummer vier gabs in der Rubrik dien. „The „Schweizerreise“ auch einen stimmungs- Cradle of the vollen und launischen Artikel über den Game“ ist FC Kreuzlingen, inklusive eines Fotos das passende unseres damaligen Präsidenten Werner Buch dazu. Wyprächtiger im Präsidentenkostüm und Mal melan- mit Zigarre „ich muss mich kurz umzie- cholisch, mal hen“. Alte Ausgaben gibt’s unter h u m o r v o l l www.zwoelf.ch. und voller Leben, das Ein wunderschöner Bildband erschien ganze Programm, dass man auf Stadion- mal wieder auf der Insel. „The Cradle rängen und Fussballplätzen findet. Fans of the Game“ von Stuart Roy Clarke. und Trainingsplatz-Kiebitze, Gentleman- Auf 200 grossformatigen Seiten gibt es Reporter und verrückte Clubmanager in der 6. Liga, Liebespärchen im Stadion und junge Mütter im Fantrikot mit Kin- derwagen. Das Anstehen am Kassen- häusschen umringt von Pferden der Poli-

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zei, das Mädchen mit Gipsbein das ihre eine gewichtige Wortmeldung zum The- Fangruppe vermisst, durchnässte Fans ma deutsche Fussballvergangenheit ge- bei strömendem Regen auf einer verrot- wertet werden. Das hört sich doch viel- teten Tribüne irgendwo in Nordirland, versprechend an. Euro 19,80 mit der von einem spärlichen Flutlicht beleuch- ISBN-Nummer 978-3000365638. tet. Hillbillys und feine Herren in einem „Zugriff!“ Nr. 7 und 8 Band. Sehr britisch und sehr gut. Erhältlich für 29 Pfund bei : Ganz hoch im Kurs steht bei mir schon seit www.homesoffootball.co.uk. Übrigens längerem das BFC-Fanzine „Zugriff!“. Die gibt’s auf der Seite auch sehr schöne Dynamo-Schreibwerkstatt versteht einfach ihr Fach. Herausragende Texte in der Nummer 7 Bilder des Fotografen zu kaufen. (Frühling 2011): „Wenn der Westen siegen sollte“ und „Zwiegespräche mit Gott“, dicht Für folgendes Buch gebe ich euch ein- dahinter Reiseberichte aus Saigon und Bratis- fach blind eine Empfehlung. Bei dem lava. Ebenfalls gut der Mehrteiler „Eine Fern- Autor (Christian Wolter, Fanzine „Frösi beziehung“ und der Europacup-Rückblick. für die Frau“) und mit einem kleinen Aber man liest sowieso alles in einem Zug Beitrag von Andreas Gläser zum Stadion durch. In der Nummer 8 (Herbst 2011) gibt’s natürlich viel zum DFB-Pokalspiel gegen Kai- der Weltjugend, kann nicht viel schief serslautern. Für mich der gelungenste (Doppel gehen. Auch die bisherigen Kritiker -)Artikel der Ausgabe: „Meine 90er und der klatschen Beifall. Daher muss aus- BFC“. Kontakt: [email protected] nahmsweise einfach die Buchbeschrei- „All-to-nah“ Nr. 11, 12, 13, 14, 15 bung reichen: In "Rasen der Leiden- schaften - Die Fussballplätze in Ber- Bereits fünfzehn Ausgaben in fünf Jahren lin", werden die 66 wichtigsten Spiel- schmissen Jan Stöver und seine Freunde vom stätten des Hauptstadtfussballs von Altonaer FC 1893 auf den Fanzine-Markt. Das braucht viel Enthusiasmus. Zumal man dem 1880 bis heute - solche, die jeder kennt Heft anmerkt, dass die Macher den Lesern und jene, die schon lange vergessen etwas bieten wollen, viele verschiedene Auto- sind - vorgestellt, ren machen das Fanzine abwechslungsreich. mit allen wichtigen Mir ist das klassische A5er bereits sehr ans Informationen zu Herz gewachsen. Ich mag besonders die Serie Entstehung und „Altona 93 auf Sammelbildern“, einfach schön Eröffnung, Aufstie- wenn eine Passion zu solch einem Hinter- grundwissen führt. Und ein neues Sammelbild gen und Nieder- gibt’s mit jedem Heft dazu. gängen der dazu- Kontakt: [email protected] gehörigen Vereine, mit Zuschauerre- Folgende empfehlenswerten Fanzines fanden korden und Tumul- diesmal leider keinen Platz mehr: ten. Christian Wol- „In the Streets of Hamburg“ Nr. 13 ter entwirft ein lebhaftes Bild der Berli- Kontakt: [email protected] ner Fussballgeschichte, dass es in dieser „Lila-Laune“ Nr. 103 Erzählfreude und mit diesem Fakten- Als Beilage im Übersteiger Nr. 105. reichtum bisher noch nicht gab. Reich Genial: „Lyrik aus der Kurve“ und das Stan- garniert, mit bisher unveröffentlichten gentanz-Titelbild! Gibt’s auch im Netz: Fotos und kompletter Statistik kann http://lilalaune.tebe-szene.de/heft/ "Rasen der Leidenschaften" auch als LilaLaune_103_web.pdf

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Diese Ausgabe widmet sich der interessierten, Sie werden überrascht Meisterschaft 34/35 und den Inter- und begeistert sein!“. Beim Oxford City nationalen Freundschaftsspielen im FC spielten Akteure vom damals be- Frühjahr 1934. rühmten Corinthians FC. Diese Mann- schaft spielte nur Freundschaftsspiele

und galt als Kaderschmiede für die eng- Die Vergleichsspiele im Frühjahr lische Nationalmannschaft. Der Schwei- zer Verband war anwesend, der „Sport“ Zum traditionellen Osterturnier lud der in Zürich brachte mehrere begeisterte FC Kreuzlingen 1934 mit dem Teplitzer Artikel als Vorschau. Am Spielabend FK, dem FC Lugano und Oxford City drei beleuchteten die Scheinwerfer den klangvolle Namen ein. Als erster Gegner Sportplatz an der Konstanzerstrasse des FCK‘s waren die Tschechen vom taghell, die Schallplatten spielten Teplitzer FK zu Gast im Bodenseestädt- schneidige Musik („Volksfreund“), und chen. Vor 1‘400 Zuschauern verloren die unter den Klängen der englischen Natio- Kreuzlinger mit 0:3 gegen die Profi- nalhymne betraten die Insel-Profis vor Mannschaft. Teplitz nahm im gleichen 2‘500 erwartungsfrohen Zuschauern das Jahr auch am Mitropa-Cup teil, einem Spielfeld. Fotografen knipsten mit ihren Vorläufer des Europa-Cups, ausgeschie- riesigen Geräten. 90 Spielminuten spä- den sind sie dabei im Achtelfinale gegen ter verliessen die Zuschauer den Platz Juventus Turin. Ausserdem spielte mit ratlosen Gesichtern. Oxford blieb Teplitz einige Tourneen in Südamerika. weit hinter den Erwartungen zurück und Die Ballkunst der Tschechen begeisterte verlor mit 7:2 gegen Kreuzlingen. Man die Zuschauer genauso wie die aufopfe- würdigte zwar die Leistung der Kreuzlin- rungsvolle Abwehrarbeit der Kreuzlinger. ger, das ganze war für die damalige Zeit Die Kreuzlinger Elf gegen Teplitz: Maire, Fehr, Strobel, Pfaff, Smith, Hautle, Sandoz, Sweeney, Stadler, Pennig, Co- lombo. Auf den 31. März 1934 lud der FC Kreuzlingen mit dem Oxford City FC eine englische Profi-Mannschaft nach Kreuzlingen ein. Das Spiel wurde überall in der Grenzstadt und im Umland mit Plakaten beworben. Sieben Jahre war keine englische Profi-Mannschaft mehr in der Schweiz. Im Havanna-Haus Fried- rich lief der Vorverkauf auf Hochtouren aber ein derart grosse Enttäuschung, und auch an einen Extrazug wurde ge- dass der Schweizerische Fussballver- dacht, welcher die Zuschauer die Seeli- band ein Protestschreiben an die Engli- nie entlang nach Hause fahren sollte. sche Football Assocation richtete. Man Die Mannschaft wurde auf Plakaten an- fühlte sich verprellt, da Oxford fast nur gepriesen, als würde sie Fussball von mit Ersatzspielern antrat. Die beiden einem anderen Stern bieten: „Auch beim FCK spielenden Engländer Smith wenn Sie sich bis jetzt nie für Fussball und Sweeney hatten so Mitleid mit dem

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Ersatzteam von Oxford, dass sie im Der FCK-Nationalspieler Sandoz nächsten Spiel ihre Landsleute auf dem Spielfeld gegen den FC Lustenau unter- Am 29. Oktober 1933 lief in der Schweizer Nationalmannschaft ein Spieler des FC Kreuz- stützten. Auch dieses Spiel verloren die lingen auf den Rasen des Berner Wankdorf – Engländer mit 2:1 und danach wurde die Stadions. Zumindest ist auf diversen Inter- Tournee abgebrochen. Geplant gewesen netseiten ein wären noch Spiele gegen den FC St. M a r c e l Gallen, Young Fellows Zürich und den FC Sandoz vom Montreux. FC Kreuzlin- g e n i m Das letzte Spiel des Osterturniers be- S p i e l t e l e - stritt der FC Kreuzlingen gegen die Nati- g r a m m onalliga-Mannschaft vom FC Lugano. e r w ä h n t . Beim FCK Trotz der Enttäuschung des Oxford- spielten zu Spiels, pilgerten 2‘000 Zuschauer an die dieser Zeit Konstanzerstrasse, darunter ein grosser tatsächlich Teil der im Thurgau lebenden Tessiner, zwei Spieler welche ihr Team lautstark unterstützten. mit dem Die Kreuzlinger Zuschauer hatten gros- Nachnamen ses Verständnis für diesen Ausdruck der S a n d o z . Beide sind Freude („Thurgauer Volksfreund“). Das wie der vermeintliche „Marcel“ Stürmer, und Spiel gewann die Kreuzlinger 1.Liga- beide waren in dieser Zeit Teamstützen einer Mannschaft mit 3:0. Die Kreuzlinger Mannschaft die von der Spielstärke eigentlich Torschützen: Stadler, Sweeney und der in die Nationalliga gehörte. Der eine hiess Ex-Mannheimer Pennig. jedoch André „Dédé“ Sandoz, der andere Henry Sandoz (Bild). Wer mehr dazu weiss, Weitere Vergleichsgegner während der kann sich gerne bei mir melden: da- Rückrunde 33/34 waren die SpVgg Kon- [email protected]. stanz (erneuter 5:2-Sieg wie im vorigen Jedenfalls spielte der vermeintliche „Marcel“ Jahr), Lustenau 07 (1:0-Sieg), Pforz- Sandoz die ganzen neunzig Minuten im WM- heim (3:1-Sieg) und die SR Colmar, die Qualifikationsspiel gegen Rumänien. Das Franzosen waren aber schon damals Spiel endete vor 16‘000 Zuschauern mit 2:2 bestenfalls die elsässische Nr. 3 hinter und wurde später, da Rumänien mit einem Racing Strasbourg und dem FC Mul- nicht spielberechtigten Akteur antrat, am house. grünen Tisch in einen 2:0-Sieg für die Schweiz umgewandelt. Es blieb das einzige Mal, dass ein beim FC Kreuzlingen aktiver West Ham United in Kreuzlingen Spieler in die Schweizer A - Nationalmannschaft einberufen wurde. Tei- Trotz des Reinfalls mit dem Oxford City leinsätze galten damals nicht als Länderspie- FC versuchte es die Kreuzlinger Vereins- le, darum sind mögliche Kurzeinsätze heute leitung nochmals mit einem Profi-Team nicht mehr zu eruieren. aus dem Mutterland des Fussballs. Mit In der damals noch existenten B- West Ham United wurde ein Londoner Nationalmannschaft kam in den dreissiger Verein eingeladen, welcher in Jahren ausserdem der Kreuzlinger Flügelspie- eine Legende war und ist. Zur Vorstim- ler Anton Bacher zu Einsätzen. mung auf das Spiel vom 13. Mai 1934

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wurden im Fotogeschäft Lemmenmeier Die Mexikanische Nationalmann- Fotos von West Ham ausgestellt. West schaft in Kreuzlingen Ham trat mit drei Nationalspielern und Viele glaubten an einen Scherz, als sie dem legendären West Ham - Spieler in Kreuzlingen Spielplakate mit der Me- Jimmy Ruffell an. Ruffell spielte 505 Liga xikanischen Nationalmannschaft sahen. -Spiele für die Londoner, 159 Tore stan- In damaligen Zeitungen wurde berichtet, den schlussendlich auf seinem Konto. dass die Mannschaft an der WM 1934 in Bereits beim legendären „White-Horse“- Italien teilnehmen würde und darum zu Cupfinal im Wembleystadion kam Ruffell zwei Gastspielen nach Kreuzlingen und vor 200‘000 (!) Zuschauern zum Ein- Bern kommen könnte. Mexiko hatte sich satz, dass war da aber schon elf Jahre allerdings gar nicht für die WM 1934 her. Eine weitere Legende war ebenfalls qualifiziert. Es handelte sich aber tat- an der Konstanzerstrasse: Jim Barrett sächlich um die echte Nationalmann- (467 Spiele und 53 Tore für West Ham). schaft. Auch bei diesem Spiel wurden Der FCK konnte gegen die Engländer wieder Carfahrten aus den grösseren leider nicht in Bestbesetzung antreten, Städten nach Kreuzlingen organisiert, einige Spieler waren krank, andere 150 geparkte Autos mit vielen auswärti- mussten zum Militärdienst einrücken. Im gen Kennzeichen waren ebenfalls etwas Gegensatz zu Oxford wurde West Ham sehr besonderes zu dieser Zeit. Schluss- den Erwartungen gerecht und siegte mit endlich sollten knapp 3‘000 Zuschauer 2:9 (0:2) gegen die ersatzgeschwächten den Vergleichswettkampf besuchen, Kreuzlinger. Die FCK-Tore erzielten vor darunter auch ein mexikanischer Zei- 1‘800 Zuschauer Stadler und Colongo, tungsreporter und erfreulicherweise vie- allein vier Tore erzielte das Duo Ruffell/ le Damen schrieb der „Thurgauer Volks- Barrett auf Seiten von West Ham. freund“. Das gute und unterhaltsame Bild unten: der FCK 1934 mit einem Rei- Spiel gegen die schnellen und technisch sebus beim Auswärtsspiel in Lausanne starken Mexikaner endete mit 1:1 un-

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entschieden. bereits im ersten Jahr der Aufstieg in die Nationalliga. In der höchsten Schweizer Die AS Roma in Kreuzlingen Liga steigt Norman Smith mit den St. Am 30. Juni 1934 war mit der AS Roma Gallern bereits in der zweiten Saison als einer der bekanntesten italienischen Tabellenletzter wieder in die 1. Liga ab. Fussballvereine zu Gast in Kreuzlingen. In der Saison 37/38 kommt der FC St. Die AS Roma trat mit 12 (!) aktuellen Gallen unter Norman Smith in die Auf- und ehemaligen Nationalspielern an. Ein stiegsspiele, scheitert dort aber knapp Highlight war das Spiel auch für die vie- am FC La-Chaux-de-Fonds. Danach ver- len italienischen Emigranten in der Ost- lässt der ehemalige Kreuzlinger Erfolgs- schweiz. 3‘000 Zuschauer besuchten die trainer auch den FC St. Gallen. Norman Konstanzerstrasse und wurden nicht Smith kehrt zurück in seine Heimat und enttäuscht. Beide Mannschaften wurden wird Assistenztrainer bei Newcastle Uni- lautstark angefeuert und es entwickelte ted, dem Tabellenführer der Second sich ein hochstehendes Spiel mit einem Division. In erneut überragenden Maire im Kreuzlin- den fünfzi- ger Tor. Das Spiel endete mit 0:2 für die ger Jahren AS Roma. Untergebracht waren die Itali- hat er Anteil ener übrigens im Inselhotel in Konstanz. an den Die Kreuzlinger Elf: Maire, Strobel, Fehr, grossen Smith, Volentik, Pfaff, Robein, Schnei- Erfolgen von der, Stadler, Müller, Sandoz. Newcastle mit drei FA- Smith und Sweeney verlassen den Cup-Siegen. FC Kreuzlingen Zur Saison Nach dem Schweizer Amateurmeisterti- 61/62 wur- tel 1934 und dem Aufstiegsverzicht in de Norman die Nationalliga (Grenzstadtkurier Nr. Smith zum 5), stand der FC Kreuzlingen vor einer Sportmana- schwierigen Saison. Einen grossen Anteil ger von Newcastle United befördert, am sportlichen Erfolg der vergangenen aufgrund des schlechten Abschneidens zwei Jahre hatte der englische Spieler- in der Meisterschaft verliess er diesen trainer Norman Smith. Der 1897 gebo- Posten aber nach nur einem Jahr. Nor- rene Smith spielte als Verteidiger von man Smith blieb aber bis zu seinem Tod 1924-1927 bei Huddersfield Town, von 1978 bei Newcastle United angestellt. 1927-1930 bei Sheffield Wednesday und Der bei Verein und Fans äusserst belieb- von 1930-1932 bei den Queens Park te Smith verstarb 1978 auf dem Heim- Rangers. Gleich im ersten Jahr beim FC weg vom St. James-Stadion in Newcast- Kreuzlingen gelang ihm als Spielertrai- le. ner der Aufstieg in die zweithöchste Spielklasse, im Jahr darauf schliesslich Ein kurzer Filmclip mit Norman Smith als Assis- der Schweizer Meistertitel der 1. Liga. tenztrainer bei Newcastle United aus dem Nach dem Aufstiegsverzicht der Kreuz- Jahre 1938: linger wechselte Smith zum FC St. Gal- http://www.britishpathe.com/record.php?id=11272 len. Mit den Gallusstädtern gelang ihm

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Auch der zweite Engländer im Team des Die Saison 1934/1935 FC Kreuzlingen, Eric Sweeney, verlässt den FCK nach nur einer Saison, und Als neuen Spielertrainer verpflichtete beendet vermutlich seine Karriere. Es der FC Kreuzlingen auf die Saison 34/35 handelte sich bei ihm um Eric Edwin den Ungar Béla Volentik. Bereits beim Sweeney, welcher 92 Liga-Spiele in der letzten Spiel von Norman Smith gegen englischen Football-League absolvierte. die AS Roma stand der Ungar im Team Der 1905 geborene Sweeney spielte bis der Grenzstädter. 1925 bei Flint Town, seine erste Profi- Am 6. August 1934 lud man den BSC Station war anschliessend Manchester Young Boys Bern aus der Nationalliga United. Dort kam er in fünf Jahren aber zum Flutlichtspiel nach Kreuzlingen. Der nur zu 27 Einsätzen. Auch bei seiner FC Kreuzlingen gewinnt das Spiel vor nächsten 600 Zuschauern (starker Regen) mit Profi- 2:1, eine gute Leistung die Hoffnung auf Station eine weitere starke Saison macht. Drei Charlton Tage später sollte Graz in Kreuzlingen Athletic in spielen, aufgrund der politisch heiklen der engli- Zeit in Österreich wird das Spiel abge- schen Se- sagt. Als Ersatz kommt der FC Baden, cond Divi- welcher mit 5:3 besiegt wird. Weitere sion konn- drei Tage später, am 12. August 1934 te er sich kommt es zu einem mit Spannung er- nicht rich- warteten Flutlichtspiel. Zu Gast an der tig durch- Konstanzerstrasse war diesmal der setzen (9 Grasshoppers Club Zürich. Das Spiel Spiele stiess auf grosses Interesse in der während Grenzstadt. Immerhin ging es gegen der Saison den mehrfachen Schweizer Meister und 30/31). So folgte auf die Saison 31/32 amtierenden Cupsieger. Keine Schweizer der Wechsel zu Crewe Alexandra in die Mannschaft hatte zu dieser Zeit eine Third Divison, wo er in 27 Spielen 13 solche Strahlkraft wie die Grasshoppers. Tore schoss. Auf die Saison 32/33 heu- Bei GC spielten sieben Nationalspieler erte er beim Liga- konkurrenten Carlisle sowie der bekannte deutsche Internatio- United an, wo ihm nur noch drei Tore in nale Oskar Rohr. Rohr war in den dreis- 29 Spielen gelangen. Wahrscheinlich siger Jahren einer der talentiertesten durch die Vermittlung von Norman deutschen Fussballspieler. Da er mit Smith, beide spielten in der Second Divi- dem Fussball Geld verdienen wollte, sion gegeneinander, kam er auf die Sai- wechselte er im Herbst 1934 in die fran- son 33/34 für ein Jahr zum FC Kreuzlin- zösische Profi-Liga. Im Nationalsozialisti- gen, wo er eine tragende Stütze beim schen Deutschland wurde er von da an grössten Vereinserfolg war. Sein weite- zur Unperson erklärt. 1939 flüchtete rer Lebensweg ist nicht bekannt, Eric Oskar Rohr ins unbesetzte Südfrank- Sweeney verstarb 1968 in Birkenhead, reich, zwischen 1940 und 1942 kämpfte Nordwest-England. er in der Fremdenlegion, im November 1942 wurde Rohr verhaftet und nach

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Deutschland aus- geliefert, wo er ins Béla Volentik

KZ Kislau kam Der 1907 geborene Béla Volentik spielte in und später an die seiner aktiven Karriere bei Nemzeti FC und Ostfront abkom- Ujpest Budapest, mit letzteren erlebte Béla mandiert wurde. Volentik eine goldene Ära. 1929 Mitropa- Dort wurde er Cup-Sieger, 1930 Sieger im Cup der Natio- kurz vor Kriegsen- nen (in Genf vor 22‘000 Zuschauern), eben- de von einem falls 1930 sowie 1931 ungarischer Meister. Ausserdem spielte er 1927 für ein Länder- fussballbegeister- spiel in der ungarischen Nationalmann- ten Piloten er- schaft. Anschliessend wechselte er zum FC kannt und konnte Lugano in die Schweiz. Auf die Saison 34/35 zurück nach wird der FC Kreuzlingen seine erste Trainer- Deutschland flie- station, wobei er auch noch als Mittelfeld- gen. stratege auf dem Feld agiert. Nach nur einer Trainer bei den Grasshoppers war der Saison verlässt er 1936 den FC Kreuzlingen wieder. Es folgt eine dreissigjährige Trainer- ehemalige ungarische Nationalspieler karriere welche ihn zu folgenden Vereinen Izidor Kürschner. Kürschner kannte den führt: FC Aarau, FC St. Gallen, Young Boys Kreuzlinger Trainer Béla Volentik durch Bern, FC Lugano, Lausanne Sports, Natio- die gemeinsame Zeit bei MTK Budapest. naltrainer Luxemburg, MTK Budapest, Pécsi Ihm gelangen sieben Schweizer Meister- MFC und Nationaltrainer Bulgarien. Seine titel mit den Grasshoppers und einen Karriere beendet er 1967 beim Berliner FC deutschen Meistertitel mit Nürnberg. Dynamo. Seinen grössten Erfolg feiert er als Trainer 1964 mit dem MTK Budapest. Mit Aufgrund seiner jüdischen Wurzeln emi- der ungarischen Elf erreicht er das Finale grierte Kürschner vor Kriegsbeginn nach des Europapokals der Pokalsieger, welches Brasilien, wo er ein gefeierter Fussball- knapp gegen Sporting Lissabon verloren trainer wurde und in einem Kinofilm ging (3:3, Wiederholungsspiel 0:1). Béla mitspielte. Er starb bereits 1941 im Alter Volentik starb am 27. Oktober 1990. von 56 Jahren an einer Virusinfektion. Am Abend des 12. August 1934 liefen noch einige weitere sehr bekannte Spie- ler in Kreuzlingen auf, der Platz für all diese Geschichten würde hier nicht rei- chen. Die Grasshoppers standen zu die- ser Zeit der Nationalmannschaft an Spielstärke kaum nach und spielten auch international regelmässig gute Re- sultate. Aus dem Thurgauer Volks- freund: „Es war ein herrlicher Anblick als gegen 21 Uhr an die 3‘000 Zuschauer den Sportplatz säumten und in fieber- hafter Stimmung das Spiel erwarteten. Aus allen Teilen des Kantons waren sie gekommen, auch aus der deutschen Seite war das Interesse gross, es galt

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vorallem dem deutschen Internationalen (5:0-Niederlage gegen den 1.Ligisten, Rohr.“ Tatsächlich schiesst dieser beide 6‘000 Zuschauer). Der FC Rouen gehör- Tore für die Zürcher. Der FCK kam sei- te damals zu den Top-5 Fussballteams in nerseits zu einigen Torchancen, und so Frankreich. war man auch auf Seiten der Grenzstäd- Weiter gings in der Meisterschaft mit ter mit dem 0:2 zufrieden. einer 5:3-Niederlage in Chiasso und einem 3:0-Heimsieg gegen Bellinzona Vor Meisterschaftsbeginn folgten zwei vor 800 Zuschauern. In St. Gallen verlor weitere Freundschaftsspiele. Der SC man anschliessend gegen den FCSG mit Brühl wurde am 26. August vor 1‘600 2:0 vor 1‘500 Zuschauern und Zuhause Zuschauern mit 6:2 besiegt und gegen ging das Spiel gegen die Blue Stars Zü- den TSV 1860 München spielten die rich mit 2:3 vor nur noch 600 Zuschau- Kreuzlinger an der Konstanzerstrasse ern verloren. In den beiden letzten Spie- am 29. August ein respektables 1:1. len der Vorrunde spielte man an der Immerhin erreichten die Münchner drei Konstanzerstrasse gegen Sparta Schaff- Jahre zuvor das Finale um die deutsche hausen vor 700 Zuschauern 1:1 und Meisterschaft. gewann auswärts gegen Juventus Zürich mit 0:3. Die Vorrundenbilanz unter Béla In der folgenden 1.Liga-Meisterschaft Volentik fiel mit drei Siegen, einem Un- sollte es dann aber nicht mehr so rund entschieden und sechs Niederlagen also laufen. Zeigte der FCK in den Ver- sehr dürftig aus, immerhin war man gleichswettkämpfen noch immer gute Titelverteidiger. Leistungen, so schien die Mannschaft Es schien fast so als ob sich die Kreuz- zum Ligastart plötzlich deutlich schwä- linger mehr mit den Internationalen cher als noch im letzten Jahr. Vergleichsspielen beschäftigen würden. Die ersten drei Meisterschaftsspiele wur- Ein sportlicher Höhepunkt war das den verloren. Auswärts gegen Seebach Freundschaftsspiel am 14. November Zürich (3:1) und den FC Luzern (2:0 vor 1934 gegen den First Vienna FC welches 2‘500 Zuschauern) und Zuhause gegen mit 0:4 verloren wurde. Enttäuscht war den SC Brühl (1:2). Erst im vierten Sai- man über den Zuschaueraufmarsch, nur sonspiel siegten die Kreuzlinger, und 800 Zuschauer wollten das Spiel gegen zwar mit 5:1 gegen den FC Zürich. Bei den österreichischen Spitzenclub besu- diesem Spiel kam auch zum ersten mal chen. Der First Vienna FC wurde zu Virag zum Einsatz, ein ungarischer beginn der 30er Jahre mehrfacher öster- Landsmann von Spielertrainer Volentik. reichischer Meister– und Pokalgewinner und gewann 1931 den Mitropa-Cup. Das In einem weiteren Freundschaftsspiel Spiel stand für den FCK unter keinem besiegte man am 5. September den FC guten Stern. Volentik, Hautle und Frauenfeld mit 4:1 und gegen Bregenz Sandoz schieden mit Verletzungen aus, spielte man 1:1. Dazwischen fuhr der FC Hautle und Sandoz waren für den Rest Kreuzlingen auf eine Frankreich-Reise der Saison ausgeschieden (Miniskus). zum Racing Club Lens (15. Septem- Auch weitere hochkarätigen Spiele fan- ber, 5:2-Sieg gegen den 2.Ligisten vor den während der Vorrunde an der Kon- 2‘000 Zuschauern) und bereits ein Tag stanzerstrasse statt. So am 17. Oktober später in die Normandie zum FC Rouen gegen den Nationalligaverein FC Bern

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(3:4-Niederlage vor 1‘000 Zuschauern), mit 5:2 gegen Seebach Zürich. Es folgte gegen den FC St. Gallen (2. Dezember, eine 1:2-Niederlage gegen Juventus 4:1-Sieg), den FC Olten (16. Dezember, Zürich und ein 2:0-Sieg in Bellinzona. 6:3-Sieg), den Stuttgarter SV (30. De- Das folgende Auswärtsspiel im Let- zember, 4:4 gegen den Verein aus der zigrund gewann der FCK vor 2‘000 Zu- Gauliga Württemberg), den Ulmer FV (1. schauern mit 0:2 und auch gegen den Januar 1935, Vorgängerverein vom heu- FC Luzern konnte man vor heimischer tigen SSV Ulm, 2:3 vor 800 Zuschauern, Kulisse (800 Zuschauer) mit 2:1 gewin- damaliger Vize-Meister der Gauliga nen. Aus dem Thurgauer Volksfreund: Württemberg), den FC Dornbirn (13. „Als Korber kurz vor Schluss den Sieg- Januar 12:4 (Vorarlberger Cupsieger treffer für den FCK erzielte, gab es kein von 1933) und gegen den Nationalliga- Halten mehr, das war ein Jubel und eine Club FC Biel (2:1-Sieg vor 800 Zuschau- Begeisterung wie schon lange nicht ern). mehr. Der Schlusspfiff verhallte so im In die Rückrunde zur 1.Liga- Jubel der Zuschauer.“ Auch beim folgen- Meisterschaft startete der FC Kreuzlin- den Auswärtsspiel in Schaffhausen gab gen besser, die Grenzstädter gewannen der FCK gegen Sparta eine gute Figur

Smith, Maire, Hautle (hinter Maire), Stadler, Pfaff, Strobel, Anderegg, Fehr, Sweeney, Kübler (Reisebegleiter) Kniend: Breitenmoser, A. Sandoz, Colongo

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ab, die damals in Rot-Weiss auflaufen- Der FC Kreuzlingen erspielte sich in der den Kreuzlinger gewannen mit 2:0 vor zweithöchsten Schweizer Spielklasse mit 2‘000 Zuschauern. Der FCK spielte zu acht Siegen und nur zwei Niederlagen dieser Zeit trotz damals schon grün- eine starke Rückrunde. Am Ende reichte weissem Logo oft in Rot-Weisser Spiel- es für den vierten Rang, mit fünf Punk- kleidung. Noch besser lief das Heimspiel ten Rückstand auf den Aufsteiger FC St. gegen Chiasso, ein 8:2-Sieg. Nun hatte Gallen. Das war doch eine leise Enttäu- schung, erstmals seit vielen Jahren ver- zeichnete der FCK sportlich einen klei- nen Rückschritt.

Abschlusstabelle 1. Liga Gruppe Ost Saison 34/35

1. FC St. Gallen (NLB) 28 2. FC Luzern (NLA) 27 3. FC Brühl St. Gallen (NLB) 26 4. FC Kreuzlingen (2.IR) 23 5. Sparta Schaffhausen* (1.L) 21 6. FC Chiasso (NLB) 19 Spiel an der Konstanzerstrasse, später 7. SV Seebach Zürich (4.L) 18 auch „Grenzland-Stadion“ genannt. 8. Blue Stars Zürich (2.L) 17 Rechts im Hintergrund die damalige 9. SC Juventus Zürich (1.L) 15 Seifenfabrik Schuler, welche einen 10. FC Zürich (NLA) 14 grossen Anteil an den Erfolgen hatte. 11. AC Bellinzona (NLB) 12 der FCK einen richtigen Lauf, auch das In Klammern die heutige Liga- sechste Spiel in Folge gewannen die Zugehörigkeit. Grenzstädter. Ein 2:3-Auswärtssieg ge- gen Blue Stars Zürich. Ausgerechnet im *heute FC Schaffhausen folgenden Heimspiel gegen den neuen Smith-Club St. Gallen verloren die Ausserdem schloss die Vereinskasse mit Kreuzlinger zum ersten mal wieder (0:1 einem Minus von 2‘500 Franken ab, was vor 1‘100 Zuschauern). Norman Smith einerseits mit dem erfolgten Zuschauer- verstand es, die St. Galler gegen seinen rückgang zusammenhing, andererseits Ex-Club perfekt einzustellen. Ausserdem mussten für zahlreiche verletzte Spieler fehlten auf Kreuzlinger Seite Torhüter kurzfristiger Ersatz verpflichtet werden. Maire sowie Sandoz und Robein. Im Von einem schwankenden Schiff war an letzten Spiel der Saison gewannen die der GV die Rede. Der neue ungarische Kreuzlinger auswärts in Brühl mit 1:3 Spielertrainer Volentik stellte sich als vor 3‘000 Zuschauern. Dieser Sieg er- guter Trainer heraus, der auch die Ju- möglichte dem FC St. Gallen den Auf- gendmannschaften voran brachte, je- stieg in die Nationalliga, während sich doch war er als Spielführer nicht die der Stadtrivale Brühl knapp dahinter mit erhoffte Verstärkung. Das Vertragsver- dem dritten Rang begnügen musste. hältnis wurde kurz vor Ende der Saison

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aufgelöst. Etwas enttäuscht musste man Fussball. Staunend sahen die Kreuzlin- auch feststellen, dass trotz hervorragen- ger Zuschauer dieser Mannschaft von der Gegner bei den Flutlichtspielen, Everton zu, alle waren sich einig, dass nicht mehr ganz so viele Zuschauer be- war die stärkste Mannschaft welche je- geistert werden konnten. Sportlich mals in Kreuzlingen spielte. Der FC St. konnte man in der Rückrunde jedoch Gallen Trainer Norman Smith war sicht- auch mit den Freundschaftsspielen zu- lich stolz über die Leistung seiner Lands- frieden sein. leute. Everton gewann vor 2‘500 Zu- Am 1. April 1935 verlor man gegen den schauern mit 1:10. Der bekannteste Karlsruher FV (Gauliga Baden) nur mit Akteur bei Everton war Dixie Dean, 16- 0:1. Am 2. Mai 1935 kam mit dem Ra- facher englischer Nationalspieler (18 cing Club Paris wieder eine ganz gros- Tore) und in 399 Spielen für den FC se Mannschaft nach Kreuzlingen. Racing Everton gelangen ihm sensationelle 349 war ein traditionsreicher Pariser Verein Tore. Er wurde zweifacher Englischer und wurde im laufenden Jahr französi- Meister. Dixie Dean wurde in die English scher Meister. Er lässt sich also nahtlos Football Hall of Fame aufgenommen und einreihen in die grossen europäischen vor dem Everton-Stadion steht heute Gegner des FCK. Racing war zu dieser eine Statue von ihm. Dixie Dean starb Zeit ein reiner Profi-Klub und trat mit 1980 an einem Herzinfarkt als Zuschau- drei österreichischen Internationalen in er beim Spiel seines FC Everton gegen Kreuzlingen an. Die Grenzstädter gaben den FC Liverpool im Stadion. sich auch in diesem Spiel keine Blösse Weiter ging es mit einem Freundschafts- und verloren vor 1‘800 Zuschauern an spiel gegen eine tschechische Mann- der Konstanzerstrasse nur mit 1:2. Seit schaft. Genauso wie Teplitz konnte auch dem OxfordSpiel verpflichtete der FCK Viktoria Pilsen überzeugen, die ersatz- die internationalen Gegener übrigens geschwächten Kreuzlinger konnten wie- vertraglich in der Bestformation anzutre- dermal Torwart Maire verdanken, dass ten. Der damalige französische Meister sie nicht höher verloren. Das Spiel ende- Racing spielt heute in Frankreich nur te mit 0:4 für Pilsen. noch Viertklassig. Nochmals ein internationales Spiel, dies- Am 5. Juni 1935 kommt erneut Servet- mal gegen den amtierenden dänischen te Genf zum FC Kreuzlingen. Im Vorjahr Meister Aarhus GF. Nachdem der FCK hatte der FCK den amtierenden Schwei- nach den letzten Spielen in der Kritik zer Meister mit 3:2 besiegt und auch stand, von einer verbrauchten und ener- diesmal können die Genfer am Bodensee gielosen Mannschaft war die Rede, straf- nicht gewinnen, das Spiel endet 3:3. ten die Kreuzlinger mit diesem Spiel alle Zwischendurch verliert der FCK gegen Lügen. Ein überzeugender 7:3-Erfolg Lustenau mit 2:3, ehe nochmals drei war mehr als man erwarten konnte. Bei grosse Namen nach Kreuzlingen kom- den Kreuzlingern half freundschaftlicher men. weise Norman Smith aus, welcher die Am 25. Mai 1935 sollte zum dritten Mal Reihen des FCK noch einmal wie in den eine englische Mannschaft unseren klei- vergangenen Jahren hervorragend diri- nen Hafenort besuchen. Mit dem Ever- gierte. ton Football Club kam wieder ein gros- ser Gegner aus dem englischen Profi-

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5. Mai 1935, Konstanzerstrasse:

FC Kreuzlingen vs. Racing Club de Paris

Stehend:Volentik, Anderegg, Hollenstein, Bacher, Korber, Maire,Laifer Kniend: R. Müller Voléry, I, R. Colongo, Müller II

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