Donald R. Keough Die 10 Gebote für geschäftlichen Misserfolg

Vorwort von

Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm Die amerikanische Originalausgabe erschien 2008 unter dem Titel »The Ten Commandments for Business Failure« bei Portfolio, einem Unternehmen der Penguin Group (USA) Inc., New York.

Dieses Buch ist den Millionen Männern und Frauen auf der ganzen Welt gewidmet, die in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Coca-Cola-Familie angehören.

Umwelthinweis Dieses Buch wurde auf 100 % Recycling-Papier gedruckt, das mit dem blauen Engel ausgezeichnet ist. Die Einschrumpffolie (zum Schutz vor Verschmutzung) ist aus umweltfreundlicher und recyclingfähiger PE-Folie.

1. Auflage © 2009 der deutschsprachigen Ausgabe Riemann Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH © 2008 Donald R. Keough All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This edition published by arrangement with Portfolio, a member of Penguin Group (USA) Inc. Lektorat: Ralf Lay, Mönchengladbach Satz: Barbara Rabus Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck ISBN 978-3-570-50106-1

www.riemann-verlag.de Inhalt

Vorwort von Warren Buffett ...... 7

Einleitung ...... 11

Das erste Gebot – ganz oben auf der Liste – Gehen Sie keine Risiken ein ...... 21

Das zweite Gebot Seien Sie inflexibel ...... 34

Das dritte Gebot Isolieren Sie sich ...... 53

Das vierte Gebot Halten Sie sich für unfehlbar ...... 66

Das fünfte Gebot Operieren Sie stets am Rand der Legalität . . . . . 73

Das sechste Gebot Nehmen Sie sich keine Zeit zum Denken ...... 86 Das siebte Gebot Setzen Sie Ihr ganzes Vertrauen in Experten und externe Berater ...... 101

Das achte Gebot Lieben Sie Ihre Bürokratie ...... 117

Das neunte Gebot Vermitteln Sie unklare Botschaften ...... 134

Das zehnte Gebot Haben Sie Angst vor der Zukunft ...... 151

Das elfte Gebot Verlieren Sie die Leidenschaft für Ihre Arbeit – und Ihr Leben ...... 172

Dank ...... 185 Vorwort

Es ist ein wichtiger Grundsatz von mir, dass ich meine Freizeit stets mit Menschen verbringe, die besser sind als ich. Es be- steht kein Zweifel daran, dass man dadurch aufsteigt. Für mich hat dies in meiner Ehe funktioniert, und es hat bei Don Keough funktioniert. Wenn ich mit ihm zusammen bin, habe ich das Gefühl, in einem Aufzug nach oben zu fahren. Er hat eine so optimisti- sche Sicht von mir und dem, was ich bin, dass er mich dazu bringt, mir höhere Ziele zu setzen und mehr an mich und die Welt in meinem Umfeld zu glauben, als ich es sonst tun würde. Wer sich in der Nähe von Don aufhält, lernt immer etwas. Er ist ein hervorragender Wirtschaftsführer. Die wichtigste Fähigkeit guter Führungskräfte besteht darin, andere die Arbeit erledi- gen zu lassen, statt sie selbst zu tun. Don ist in der Lage, auf der ganzen Welt alle Arten von Männern und Frauen zu fin- den, die ihm dabei helfen wollen, Erfolg zu haben. Ich habe es selbst erlebt, wie er es macht. Vielleicht ist er deshalb so gut darin, weil niemand den menschlichen Aspekt einer Situation besser versteht als er. Er kann meine Kinder wohl klüger beraten als ich selbst, und sie lieben ihn dafür. Dasselbe tut er für alle, die er als seine Freunde bezeichnet, und das sind viele Menschen.  Vorwort

Die Graham-Gruppe, die nach meinem Mentor Ben Graham benannt ist, trifft sich etwa alle zwei Jahre. Meine engen Freunde, darunter auch Don Keough, gehören dazu. Und alle wollen, dass Don bei den Treffen die Grundsatzrede hält. Be- sonders für Bill Gates muss es immer Don sein. Er hört ihm einfach schrecklich gern zu, weil er so gescheit und anregend spricht. Don kann Ihnen derart wunderschön sagen, Sie sollen sich zum Teufel scheren, dass Sie die Reise genießen … Er sitzt in meinem Verwaltungsrat bei , weil er zu den ganz wenigen Menschen gehört, bei denen ich das Gefühl habe, dass ich ihnen die Schlüssel übergeben kann. Wir kennen uns schon fast fünfzig Jahre: seit wir an der Far- nam Street in Omaha auf derselben Straße gegenüber wohnten. Wir verdienten gerade genug, um unsere Familien zu ernäh- ren. Wenn wir Ihnen damals erzählt hätten, dass einer von uns President von Coca-Cola und der andere Chef von Berkshire Hathaway werden würde, hätten Sie bestimmt gesagt: »Hof- fentlich haben die Eltern dieser beiden Spinner genug Geld, um sie zu unterstützen.« Irgendwann klopfte ich bei Don an und bat ihn, mit mir zu- sammen etwa zehntausend Dollar zu investieren. Er lehnte rundweg ab. Ich hätte mich damals wahrscheinlich auch ab- gewiesen. Unsere Familien waren sehr gut befreundet. Unsere Kinder besuchten sich ständig. Meine haben schwer gelitten, als die Keoughs nach Houston zogen. Es gab eine Menge Tränen an dem Tag, als der Umzug stattfand. Schon interessant, wenn man darüber nachdenkt. Don und ich wohnten weniger als zweihundert Meter von dem Haus entfernt, in dem mein späterer Partner aufge- Vorwort  wachsen ist. Don ging nach Houston und , Charlie lan- dete in Los Angeles. Aber wir kamen als enge Freunde und Ge- schäftspartner wieder zusammen, und wir hatten alle noch viel Omaha in uns. Heute sagen natürlich viele Leute aus Sta- tusgründen, dass sie aus Omaha stammen! Wir sind all die Jahre in Kontakt geblieben, nachdem Don Omaha verlassen hatte. Ich traf ihn im Alfalfa Club, und ein- mal begegneten wir uns sogar im Weißen Haus. Dann las er 1984 einen Artikel von mir, in dem ich Pepsi lobte, »vor allem wenn man einen Schuss Kirschsirup hineintut«. Am folgenden Tag schickte er mir das neue Produkt von Coca-Cola, Cherry Coke, und lud mich ein, »den Nektar der Götter« zu probieren. Nachdem ich es getrunken hatte, sagte ich: »Vergesst eure Tests. Ich weiß nicht viel über das Zeug, aber ich weiß, es ist ein Sieger.« Ich wechselte sofort die Marke und erklärte Cherry Coke zum offiziellen Drink von Berkshire Hathaway. Ein paar Jahre später begann ich, Coke-Aktien zu kaufen, sagte Don aber nichts davon, weil er vielleicht das Gefühl ge- habt hätte, den Firmenanwalt informieren zu müssen, und das wer weiß wohin hätte führen können. Ich wollte ihn nicht in eine unangenehme Lage bringen. Aber dann rief er an und fragte: »Du hättest nicht zufällig Lust, ein oder zwei Coke-Ak- tien zu kaufen?« Und ich antwortete: »Zufällig hab ich Lust dazu.« Damals kauften wir 7,7 Prozent des Unternehmens. Es war eine einfache Entscheidung, besonders weil er der President war. Ich betrachtete Coke 1988 als ein Unterneh- men, das wusste, was es tat, und das Richtige tat – und des- halb offensichtlich ungeheuer wertvoll war. 10 Vorwort

Wenn Sie eine Verkörperung des Coca-Cola-Konzerns in Menschengestalt erfinden wollten, wäre es Don Keough. Er war und ist Mister Coke. Er kommt aus der Ben-Franklin- Schule: »Sorge für deinen Laden, und er sorgt für dich.« Im Grunde hat er immer mit Coca-Cola das Richtige getan, und er glaubt, es wird immer mit ihm das Richtige tun. Dons größte Fähigkeit besteht darin, bei einem Problem so- fort auf den Punkt zu kommen und den bürokratischen Nebel zu durchdringen. Er hat das Prinzip, die Dinge einfach zu hal- ten, und das ist auch mein Prinzip. Herbert Allen sagt, er kenne nur zwei amerikanische Ge- schäftsleute, die vielleicht zum Präsidenten gewählt worden wären, wenn sie kandidiert hätten: Jack Welch und Don ­Keough. Ich teile diese Ansicht. Beide haben eine natürliche Genialität. Beide sind Menschen, von denen wir enorm viel lernen können. Nach all den Jahren fühle ich mich immer noch so erfrischt, als hätte ich ein Cherry Coke getrunken, wenn ich Don Keough sehe. Er verliert nie sein Kohlendioxid. Ich habe ihn schon im Vorstand von Coke erlebt und erlebe ihn jetzt in dem von Berkshire. Don ist so begeisterungsfähig und engagiert wie eh und je, voller Pläne, voller Energie, voller Ideen. Und er for- dert uns alle zum Träumen heraus. Ich bin begeistert und ich bin mir sicher, dass dieses Buch vielen Menschen helfen wird, die einzigartige Vision Don ­Keoughs zu teilen. Warren Buffett Einleitung

Vor mehr als zwei Jahrzehnten wurde ich als President der Coca-Cola Company eingeladen, auf einer großen Kundenver- sammlung in Miami die Grundsatzrede zu halten. Das Thema der Veranstaltung war »Schließt euch den Gewinnern an«, und die Veranstalter baten mich, darüber zu sprechen, wie man im Geschäftsleben ein Gewinner wird. Kurz gesagt: Sie fragten mich nach dem Geheimnis des Erfolgs … Es war eine schmeichelhafte Aufgabe, doch es hat noch nie Mangel an Rednern und Autoren geherrscht, die gern gute Ratschläge erteilen, wie man Karriere macht, ohne sich anzu- strengen. Footballtrainer, Ex-CEOs, Psychologen, Lehrer, Pre- diger und Wahrsager versuchen alle, den Erfolgsguru zu spie- len, und verkaufen ihre Rezepte auf den Buchseiten und Büh- nen dieser Welt. Obwohl sie fast alle irgendetwas Gutes zu verkünden haben, laufen ihre Vorträge letztlich doch beinah immer auf Gemeinplätze hinaus wie »Arbeite hart« und »Tu, was deine Mutter sagt«. Ich selbst bin trotz meines langen Be- rufslebens als Geschäftsmann noch immer nicht fähig, einen Regelkanon oder ein Rezept vorzulegen, das in irgendeinem Bereich garantiert zum Erfolg führen würde, von einem so dy- namischen und wechselhaften Bereich wie dem Geschäftsle- ben ganz zu schweigen. Nehmen wir zum Beispiel den Fragenkomplex der Führung. 12 Einleitung

Er wurde regelrecht zu Tode studiert, ohne dass dabei je ein klares Ergebnis herausgekommen wäre. Ein Soziologieprofes- sor, der sein gesamtes akademisches Leben mit der Erfor- schung des Führungsproblems verbracht hatte, sagte einmal, er habe die Karrieren von fast zweitausend Studenten aus sei- nen Seminaren verfolgt und sei nach all diesen Nachfor- schungen zu dem Schluss gekommen, dass man eine Füh- rungspersönlichkeit nur erkennen könne, indem man einer Person über die Schulter blickt und feststellt, ob ihr jemand folgt. Als ich nun darüber sprechen sollte, wie man gewinnt, ant- wortete ich deshalb, dass ich das nicht könnte. Ich konnte le- diglich darüber reden, wie man verliert. Und ich garantierte, dass jeder, der mein Rezept befolgte, ein höchst erfolgreicher Verlierer sein würde. Und so hielt ich eine kleine Rede, die ich mit der Zeit zu ­»Keoughs 10 Gebote für geschäftlichen Misserfolg« ausbaute und aus der sich nach noch längerer Zeit dieses kleine Buch entwickelte, das sich auf über sechzig Jahre Berufserfahrung stützt, angefangen 1949 mit dem damals neuen Medium Fern- sehen bei WOW-TV in Omaha, Nebraska. Meine erste Erfahrung mit dem Fernsehen machte ich an der Creighton University, wo ich auf der Grundlage des GI-Gesetzes studierte, nachdem ich im Zweiten Weltkrieg bei der Flotte ge- dient hatte. Mit dem vagen Vorsatz, vielleicht später Jura zu studieren, machte ich einen Abschluss in Geisteswissen- schaften mit dem Hauptfach Philosophie. In all den Jahren habe ich jedoch nie eine Anzeige gesehen, in der zur Lösung eines Problems ein Philosoph gesucht worden wäre. Es machte mir Spaß, die großartigen Debatten über den Menschen und Einleitung 13 seinen Platz im Universum, das Wesen von Gut und Böse und die Schattenseiten und Realitäten des Lebens zu studieren. Auch wenn viele MBAs der Betriebswirtschaft über solch »nutzloses« Wissen die Nase rümpfen, ist mir klar, dass ein Großteil der bekannten Weltgeschichte auf die Verwirklichung von Ideen oder den Konflikt zwischen Ideen zurückzuführen ist, die lange zuvor von inzwischen längst toten Philosophen ausgebrütet worden sind. Mein Interesse an den Geisteswissenschaften führte mich ebenso in den Debattierclub an meinem College, zur improvi- sierten Rede und schließlich auch zu den darstellenden Küns- ten. Für diese wurde ich »entdeckt«, als man mich bat, eine Veranstaltung der medizinischen Fakultät zu moderieren, die im internen Fernsehen der Universität übertragen wurde. Im Zentrum dieser Livesendung stand die Operation an einem kranken Tier, die auf Fernsehgeräte in einem großen Hörsaal übertragen wurde. Leider dauerte der erste Teil der Veranstal- tung nicht besonders lange, weil das Tier sehr schnell starb, und ich musste viel Sendezeit überbrücken, bis ein weiteres Tier gebracht wurde. Zum Glück wurde das Ereignis nur im in- ternen Fernsehen übertragen, und es waren wahrscheinlich nur wenige Zuschauer in dem Hörsaal … Offen gesagt, glaube ich, dass ich durch das Ereignis zu einem Pionier in Reality-TV geworden bin. Obwohl das Nach- richtenwesen nach dieser Erfahrung eine starke Anziehungs- kraft auf mich ausübte, machte ich ein paar Seminare in Jura und gab damit auch der Juristerei eine Chance, mich in den Bann zu schlagen. Am Ende kehrte ich jedoch wieder zum Nachrichtenwesen zurück. An der Uni erhielt ich ein Me- dienstipendium, das es mir ermöglichte, ein Praktikum bei 14 Einleitung

WOW-TV zu machen. Dort hatte ich das Glück, dass meine Auf- gabe darin bestand, die erste Liveübertragung eines Football- spiels westlich von Chicago zu kommentieren. Es war ein vor- saisonales Spiel der National Football League, das in Omaha zwischen den Los Angeles Rams und den New York Giants ausgetragen wurde. Der Radiosprecher, der die Spiele sonst kommentierte, hatte nur einen Blick auf das neumodische Me- dium geworfen und die Aufgabe weitergegeben, nicht ohne jedem, der es hören wollte, zu sagen, dass die Fernsehübertra- gung von Sportereignissen niemals funktionieren würde. Das Spiel zwischen den Rams und den Giants war nicht ge- rade ein Highlight in meiner Karriere. Das Spielfeld befand sich in einem umfunktionierten Baseballstadion, und die Übertragungskabine lag hoch hinter der Home Plate des Base- ballfelds, sodass ich bei dem Footballspiel weit hinter der »End Zone« am Mikrophon stand. Das Stadion war schlecht beleuchtet. Ich konnte nur das halbe Spielfeld sehen, und der Kerl, der mir beim Identifizieren der Spieler helfen sollte, war betrunken, als er ankam. Ich stotterte ziemlich herum. Die Livesendung mit dem Spiel war nur ein Vorspiel zur Live- übertragung der Heimspiele der University of Nebraska durch WOW-TV im selben Jahr. Der Football der Uni-Mannschaft Ne- braska Cornhuskers ist in Nebraska eine Art Staatsreligion. Es gab damals nur ein paar hundert Fernsehgeräte im ganzen Staat, aber trotzdem waren die Leiter meines Senders begeis- tert, weil sie voraussahen und daran glaubten, dass das neue Medium bald alle anderen vor sich hertreiben würde. Sie soll- ten recht behalten. Trotz meines wenig spektakulären Einstands bei dem Spiel der Rams gegen die Giants durfte ich in jenem Jahr auch alle Einleitung 15

Spiele der Nebraska University kommentieren. Ich musste da- bei helfen, die ganze Ausrüstung in die kleine Übertragungs- kabine zu schleppen, aber das war der Mühe wert, denn ich wurde mit der fürstlichen Summe von fünfundfünfzig Dollar die Woche entlohnt. Für dieses Gehalt machte ich außerdem die tägliche Talkshow »Keoughs Coffee Counter«, auf die un- mittelbar eine sehr viel professionellere und witzigere Sen- dung folgte, die von einem anderen Newcomer des neuen Me- diums bestritten wurde: Johnny Carson. Er verdiente ebenfalls fünfundfünfzig Dollar die Woche. Wir wurden Freunde und blieben es ein Leben lang. Das Fernsehgeschäft war zwar interessant, aber die Firma Paxton and Gallagher’s Butternut Coffee, der Sponsor meiner Talkshow, bot mir das großzügigere Gehalt von fünfundsiebzig Dollar die Woche an, wenn ich bei ihr anfangen würde. Paxton and Gallagher war ein regionaler Lebensmittelgroßhändler mit Sitz in Omaha. An dem neuen Arbeitsplatz würde ich et- was mehr Geld verdienen und weniger reisen müssen, sodass ich mehr Zeit mit meiner frisch angetrauten Frau Mickie ver- bringen konnte. Also machte ich Ende der fünfziger Jahre den Sprung in die Geschäftswelt und schaute nie zurück. Gilbert und Clarke Swanson kauften 1958 Paxton and Gal- lagher der Familie Gallagher ab, nachdem sie unmittelbar zu- vor ihr ungemein erfolgreiches Unternehmen Swanson Foods an Campbell Soups verkauft hatten. Sie benannten das neu er- worbene Unternehmen in »Butternut Foods« um und hatten große Expansionspläne. Damit begann ein neues Kapitel in meinem Leben als Geschäftsmann. Die Brüder Swanson hat- ten ihr ursprüngliches Vermögen übrigens in den fünfziger Jahren mit einem extrem einfachen Produkt der neuen Tief- 16 Einleitung kühltechnik gemacht, dem »Swanson TV Dinner« (einer auf einem unterteilten Aluminium-Einwegteller verkauften Fertig- mahlzeit; das TV-Dinner war dazu gedacht, das Essen im Ofen zu erwärmen und während des Fernsehens zu verzehren). Da- bei hatten sie zwei Bedürfnisse der damaligen Verbraucher er- füllt: das Bedürfnis, mehr fernzusehen, und das Bedürfnis, bequemer zu kochen. Nach dem Tod von Clarke Swanson wurde Butternut Foods an Charles Duncan verkauft, und ich bekam dadurch eine Stelle in dem neuen, größeren Unternehmen Duncan Foods in Houston, Texas. Charles Duncan, mein neuer Chef, wurde spä- ter President der Coca-Cola Company und noch später stellver- tretender Verteidigungs- und Energieminister unter Jimmy Carter. Schließlich wurde Duncan Foods von der Coca-Cola Com- pany erworben, und ich sollte die bekannteste Marke der Welt von da an in einer Reihe von Funktionen mehr als dreißig Jahre lang vertreten, zuletzt als ihr President, als ich 1981 Nachfol- ger von Duncan wurde. Ich habe also den Großteil meines Be- rufslebens für die Coca-Cola Company gearbeitet, deshalb werden Sie in diesem Buch relativ viele Bezüge auf das Leben in diesem bemerkenswerten globalen Unternehmen finden. Es hat eine gewisse Berechtigung, Beispiele aus der Ge- schichte der Coca-Cola Company zu verwenden, weil das Un- ternehmen so vielfältig und multidimensional ist. Es umfasst einfach alles, von der Herstellung über den Vertrieb bis zum Einzelhandel, vom Straßenverkäufer bis zum Discounter. Und es hat mit einer großen Vielfalt von Menschen aller Rassen, Religionen und Kulturen in fast zweihundert Ländern zu tun. Als Vertreter der Coca-Cola Company lernte ich Präsidenten, Einleitung 17

Diktatoren, Industriekapitäne, Dichter, Maler und Filmstars kennen. Wichtiger noch, ich hatte das Privileg, mit dem Perso- nal der Abfüllbetriebe, die unsere Partner waren, mit den Kun- den im Einzelhandel und mit Verbrauchern in jeder Ecke des Planeten zu sprechen: vom Polarkreis bis zur Tierra del Fuego an der Südspitze Südamerikas, vom chinesischen Festland bis zu den anarchischen Gegenden Schwarzafrikas. Kein Unter- nehmen wird je die ganze Welt und die gesamte Menschheit umfassen, aber keines ist näher dran als Coca-Cola. In diesem Buch berichte ich mehrmals, wie Führungskräfte des Unternehmens, mich eingeschlossen, gescheitert und in die eine oder andere der Fallen getappt sind, die zum Miss­ erfolg führen. Aber es freut mich auch, berichten zu können, dass die meisten Misserfolge relativ kurzlebig waren, weil schnell Gegenmaßnahmen getroffen wurden, sodass das Un- ternehmen überlebte und gedieh. Heute, im Jahr 2008, erlebt es eine neue Wachstumsperiode unter Führung von Neville Is- dell, der gerade seine bemerkenswerte Zeit als Chief Executive Officer (CEO) des Unternehmens abschließt, und -des desi gnierten neuen CEO Muhtar Kent, eines hervorragenden Man- nes, der große Achtung vor dem Coca-Cola-System und seinen Leuten hat. Zunächst einmal ist es wichtig, zu erklären, wie sich die Be- ziehung zwischen und mir gestaltete, als wir die Coca-Cola Company zwölf Jahre lang gemeinsam führten. Wir hatten beide schon jahrelang für das Unternehmen gear- beitet und waren Freunde, als Goizueta Chairman und CEO des Unternehmens und ich President und Chief Operating Of- ficer (COO) wurde. Wir hatten eine enge und einzigartige Beziehung und eine 18 Einleitung große Aufgabe zu bewältigen. Roberto gab mir als COO und Kollege im Verwaltungsrat weitreichende Vollmachten, um dem Coca-Cola-System in über zweihundert Ländern rund um den Erdball eine Energiespritze zu verpassen. Aber damit kein Missverständnis entsteht: Goizueta delegierte zwar reichlich Aufgaben an mich, aber er konnte und wollte nicht seine oberste Verantwortung als CEO abgeben. Er war mein Boss und einer der genialsten Firmenchefs in der Geschichte der amerikanischen Wirtschaft. Im Jahr 1981 betrug der Markt- wert des Unternehmens vier Milliarden Dollar, und als er 1997 starb, belief er sich auf 145 Milliarden. Seit ich mich vor über einem Jahrzehnt aus der Coca-Cola Company zurückgezogen habe, bin ich als Chairman der In- vestmentbank Allen & Company weiterhin in der Wirtschaft aktiv. Vor diesem Hintergrund stelle ich Ihnen die »10 Gebote« vor, und ich verspreche Ihnen: Wenn Sie einem oder mehreren folgen, werden Sie garantiert scheitern oder doch auf den ab- schüssigen Weg in den Untergang geraten. Es herrscht kein Mangel an Unternehmen, die pleitegehen, das können Sie mir glauben. Den US-amerikanischen Insolvenzgerichten zufolge meldeten im Jahr 2007 bereits in den ersten drei Quartalen 20 152 Firmen Konkurs an. Eine ganze Armee selbsternannter Wirtschaftsexperten kann erklären, warum so viele Unternehmen Bankrott machen. Sie sind mit Tausenden von PowerPoint-Grafiken bewaffnet und haben komplizierte Erklärungen für den Misserfolg auf Lager: dürftigen Dienst am Kunden, Unterschätzung der Konkurrenz, Lücken in der Versorgungskette, schlechte Erwerbungen und/ oder zu hohe Schulden. Die Misserfolge werden in der Regel abstrakt als kollektives Versagen beschrieben: »Das Unterneh- Einleitung 19 men versäumte es, Innovationen durchzuführen. Das Unter- nehmen ignorierte den Rat seiner Gründer. Das Unternehmen tat dies. Das Unternehmen unterließ das …« Aber ein Unternehmen ist ein Konstrukt und keine Person. Ein Unternehmen versäumt es nicht, etwas zu tun. Es sind Menschen, die handeln. Und wer ein paar Nachforschungen anstellt, findet schnell heraus, dass Misserfolge in der Regel nicht durch eine lange Liste strategischer Fehler verursacht werden (obwohl diese vielleicht alle in der einen oder anderen Form begangen wurden), sondern dass der wirkliche Fehler, wie schon Shakespeare sagte, in uns selbst liegt, den Führern des Unternehmens. Firmen sind das Produkt und die Erweite- rung der persönlichen Eigenschaften ihrer Chefs, sie sind die verlängerten Schatten der Männer und Frauen, die sie leiten. Diese Männer und Frauen sind die Hauptakteure auf der Bühne des Geschäftslebens. Und wenn sie ein Unternehmen durch eine oder mehrere persönliche Fehlentscheidungen in die falsche Richtung führen, droht es unterzugehen. Obwohl meine Gebote für jedes Unternehmen in jedem Sta- dium seiner Entwicklung Gültigkeit haben, sind sie haupt- sächlich für Firmen und Firmenchefs gedacht, die bereits ei- nen gewissen Erfolg errungen haben. Tatsächlich besitzen die Gebote umso mehr Gültigkeit für Sie, je mehr Sie erreicht ha- ben. Wenn Sie ein großes oder kleines Unternehmen mit sehr guten Umsätzen und Gewinnen leiten, sollten Sie auf der Hut sein. In dieser Situation ist die Gefahr nämlich sehr groß, dass Sie eines meiner Gebote beherzigen und Ihnen alsbald das Scheitern droht. Meine Gebote für geschäftlichen Misserfolg sollen keines- falls bestimmte Personen an den Pranger stellen, obwohl man- 20 Einleitung che Einzelpersonen als Beispiele erwähnt werden. Auch stel- len sie keinen sensationellen Durchbruch in der Management- theorie dar. Sie sind einfach nur vernünftig. Zeigen Sie mir ein gescheitertes Unternehmen (gern auch eines, das mit den neuesten Wikinomics arbeitete), und ich gehe mit Ihnen fast jede Wette ein, dass seine Führung mehr als eines meiner Gebote befolgt hat. Jeder Schritt zum Miss­ erfolg zieht den nächsten nach sich, wenn er nicht bemerkt und rückgängig gemacht wird. Nehmen Sie also dieses kleine Buch als Warnung. Wenn Sie feststellen, dass Sie eines oder mehrere der aufgeführten Ge- bote befolgen, müssen Sie sich in Acht nehmen. Sie sind dann auf dem besten Weg zum Misserfolg und reißen Ihr Unterneh- men mit in den Abgrund. Das erste Gebot – ganz oben auf der Liste – Gehen Sie keine Risiken ein

Den größten Teil der Geschichte war der größte Teil der Menschheit auf Ri- »Wer nichts wagt, der sikovermeidung aus. Die Jäger und Samm- darf nicht hoffen.« ler machten vermutlich noch große Wan- Friedrich von Schiller derungen, aber sobald es durch die revolu- tionäre Erfindung des Ackerbaus möglich geworden war, sess- haft zu werden, ließen sich die meisten Menschen an einem bestimmten Ort nieder. Sie wollten leben, wie ihre Väter und Mütter und ihre Großväter und Großmütter schon gelebt hat- ten, und entfernten sich nie weit von ihren Dörfern. Und das mit gutem Grund. Es war eine gefährliche Welt dort draußen. Sie brauchen sich nur die alten Seekarten mit ihren unheilver- kündenden Gebieten anzusehen, die mit »Terra incognita« (»unbekanntes Territorium«) beschriftet sind und manchmal noch bedrohlichere Warnungen wie »Hier gibt es Drachen« enthalten. Wer sollte schon das Risiko eingehen, an einen sol- chen Ort zu segeln? Manche wagten es natürlich trotzdem. Aber die Mehrzahl der Menschen blieb lieber zu Hause. Es konnte viel passieren, wenn man Risiken einging, und die meisten waren wohl wirk- lich gefährlich. Bis heute ist ein Großteil der Welt in Schwarzafrika, Teilen des Nahen Ostens und Südostasiens immer noch durch den 22 Das erste Gebot risikoscheuen Wahlspruch geprägt: »Machen wir es, wie wir es immer getan haben, weil wir es immer so gemacht haben.« Der Kreislauf des Immergleichen ist von Generation zu Gene- ration ungebrochen, und das oft bei Familien und Gruppen, die in tiefster Armut leben. Amerika dagegen hatte von Anfang an viel mit Risikobereit- schaft zu tun. Von Kolumbus über Jamestown, der ersten bri- tischen Dauersiedlung in Nordamerika, bis zum Zweiten Kon- tinentalkongress, auf dem Thomas Jefferson seinen Entwurf der Unabhängigkeitserklärung verlas, war die Entwicklung dieses Landes von Risikobereitschaft geprägt. Wir sind die Nachkommen zäher, unverwüstlicher, risikobereiter Pioniere, die alles, auch ihr Leben, aufs Spiel setzten und fast unüber- windliche Hindernisse überwanden. Hector St. John de Crève- cœur schrieb im Jahr 1782: »Hier werden Individuen aller Na- tionen in eine neue Rasse verschmolzen, deren Anstrengun- gen und deren Nachkommen in der Welt große Veränderungen bewirken werden … Der Amerikaner ist ein neuer Mensch.« Mein eigener Urgroßvater Michael Keough war erst acht- zehn, als er im Jahr 1848 Irland verließ und ganz allein das Risiko auf sich nahm, die bitter bowl of tears (das bittere ­Becken der Tränen) zu überqueren, wie die Iren den Atlantik nannten. Die Schiffe waren überfüllt, rattenverseucht, schmut- zig und von Krankheiten heimgesucht. Und ihre Kapitäne kümmerten sich kaum um ihre menschliche Fracht. Leichen wurden auf hoher See über Bord geworfen oder bei der ersten Landung vom Schiff gebracht. Auf der Grosse Île vor Kanada sind Tausende von irischen Emigranten in namenlosen Grä- bern beerdigt. Nur die Sklaven aus Afrika kamen in einem noch schlimmeren Zustand in den Vereinigten Staaten an. Gehen Sie keine Risiken ein 23

Die Einwanderer, die die Überfahrt überlebten, mussten fast immer feststellen, dass sie keineswegs im »gelobten Land« an- gekommen waren, sondern von morgens bis abends hart zu schuften hatten. Der einzige Arbeitsplatz, den mein Urgroßva- ter fand, war in einem Steinbruch in Pittsfield, Massachusetts, wo er sechzehn Stunden am Tag Steine schleppen musste – fast wie ein Strafgefangener. Trotzdem brachte ihm die Placke- rei etwas Essen und eine gewisse Existenzsicherheit; und weil er bald heiratete und Kinder bekam, war er wahrscheinlich in Versuchung, sich in Pittsfield niederzulassen. Dies ist deshalb wahrscheinlich, weil die meisten Menschen nur noch ungern Risiken eingehen, sobald sie etwas erreicht haben, und wenn es noch so wenig ist. Diese Risikoscheu entspricht der menschlichen Natur. Ich habe etwas. Warum sollte ich es riskieren? Wer weiß, was sich auf der anderen Seite des Berges befindet? Geh nicht hin! Ich kann mir gut vorstellen, dass mein Urgroßvater in Pitts- field auch solche Bedenken hatte und Ähnliches auch von sei- nen Freunden zu hören bekam: »Bleib da. Du hast einen Job. Es ist ein anständiger Beruf, Steine zu schleppen. Da draußen gibt es Tausende, die überhaupt nichts haben!« Statt sich jedoch mit seiner soliden, wenn auch zermür- benden Existenz in Pittsfield zufriedenzugeben, ging Michael das Risiko ein, mit einem von Ochsen gezogenen Planwagen den halben Kontinent zu durchqueren, um in dem fernen Staat Iowa eine Farm zu gründen. Und ich bin froh, dass er es getan hat. Sein Sohn John, mein Großvater, erweiterte die Farm, wobei er Jahr für Jahr alles riskierte, weil seine Ernten durch Bliz- zards, Staubstürme und Heuschrecken bedroht waren. Ich UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Donald R. Keough Die 10 Gebote für geschäftlichen Misserfolg Vorwort von Warren Buffett

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 192 Seiten, 12,5 x 20,0 cm ISBN: 978-3-570-50106-1

Riemann

Erscheinungstermin: Februar 2009

Pflichtlektüre für alle Firmenlenker: Donald Keough, Ex-Coca-Cola-Chef und graue Eminenz des Topp-Business, gibt praxiserprobte Tipps, wie man ein Unternehmen mit Sicherheit ruiniert.

Wenn Donald Keough, der charismatische Ex-Coca-Cola-Chef, über Business-Strategien doziert, hängen illustre „Kollegen“ wie Warren Buffet und Bill Gates an seinen Lippen. Trotzdem ist er skeptisch genug, nicht an ein ultimatives Rezept für den Unternehmenserfolg zu glauben. Was er seinen Lesern aber mit absoluter Sicherheit an die Hand geben kann, ist die Anleitung, wie man verliert: praxiserprobte Fehler, mit denen es schon so manchem Manager gelang, sein Unternehmen zu ruinieren, illustriert an zahlreichen Fallgeschichten. In den „10 Geboten“ spricht er u.a. über Flexibilität, Unfehlbarkeit, Risiken, Bürokratie oder Zunkunftsängste. Keough führt seine Leser mit augenzwinkernder Lebensklugheit an die Klippen der Unternehmensführung bzw. zu den Fehlern, die man besser erkennen und vermeiden sollte, wenn man Erfolg haben und behalten möchte. Seine Regeln sind einfach zu verstehen, seine Sprache ist erfrischend wie Cherry Coke, so dass auch diejenigen Leser davon profitieren können, die zufällig nicht gerade einem Weltkonzern vorstehen. Denn die Mechanismen des Erfolgs ähneln sich auf allen Ebenen der Macht.

• Donald Keough ist einer der ganz großen, charismatischen Wirtschaftstycoons

• Messerscharfe Analyse, pointiert und knapp auf den Punkt gebracht