MUNICH POP. Der Maler Michael Langer Und Sein "Absurder
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MUNICH POP Der Maler Michael Langer und sein „absurder Realismus“ 1965–69 Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München vorgelegt von Luisa Nicolina Seipp aus München 2021 Erstgutachterin: Prof. Dr. Burcu Dogramaci Zweitgutachter: Prof. Dr. Andreas Kühne Tag der mündlichen Prüfung: 22.01.2020 Michael Langer in seinem Atelier in München-Schwabing, 1967. Abb. in: Keller 1968, S. 40 TEIL I.: TEXT 1. Einleitung 1.1. Utopien, Krawalle und Krautrock – Michael Langer, München und die 1960er Jahre.......................................................................................................................1 1.2. Forschungsüberblick..............................................................................................6 1.3. Fragestellung und Methodik................................................................................13 1.4. “What is Pop Art?” Definition und Eingrenzung von Pop-Art…...……………19 2. Das Frühwerk und die Suche nach der verloren gegangenen Figuration...22 2.1. L’art informel und ihr vermeintliches Freiheitsversprechen: Die Ausgangssituation................................................................................................23 2.2. Kunstpolitischer Protest und groteske Köpfe: Langers Wiederentdeckung der menschlichen Form..............................................................................................32 2.3. Targets und der Aufbruch zum Pop....................................................................47 3. Der „absurde Realismus“ (1965–69) – Im Spannungsfeld von American Pop und expressiver Malerei....................................................................................55 3.1. Munich Pop Boom!? Ein Intermezzo der Münchner Kunstgeschichte...............55 3.2. Sprechblasenbilder (1965–66) zwischen Comic-Strip und tradiertem Malgestus.............................................................................................................82 3.3. Von Bikinis, Soldaten und Fäusten. Motive und Stilmittel eines neuen Pop- Realismus.............................................................................................................97 3.4. „Expressionistisches Heimweh“ – Strategien der absurden Verzerrung und Deformation.......................................................................................................119 4. Der Sieg des Banalen – Der „absurde Realismus“ ein missglücktes Experiment?.....................................................................................................129 4.1. München um 1968 – Revolte und „Malverbot“................................................131 4.2. Langers Experimentalfilme 1969–72: Zwischen Illusion und Realität.............140 4.3. Die Retrospektive: Langers kunsttheoretische Texte als Spiegel seiner eigenen Malpraxis...........................................................................................................146 5. 50 Jahre später – Rückblick und Ausblick....................................................152 6. Anhang 6.1. Literatur- und Quellenverzeichnis.....................................................................159 6.2. Interviews..........................................................................................................173 6.3. Biografie des Künstlers.....................................................................................190 6.4. Ausstellungsverzeichnis....................................................................................191 6.5. Abbildungsverzeichnis......................................................................................200 TEIL II.: WERKVERZEICHNIS 1. Anmerkungen.................................................................................................1 2. Verzeichnis und Beschreibung der Gemälde von 1964–69........................5 Danksagung................................................................................................104 TEIL I.: TEXT 1. Einleitung 1.1. Utopien, Krawalle und Krautrock – Michael Langer, München und die 1960er Jahre Es gibt nur eine Stadt in Deutschland, der Hitler versprach, sie groß zu machen – und die es trotzdem geworden ist. Nur eine bundesdeutsche Großstadt, in der Nacht- schwärmer und Nachtlärmer massenweise von der Polizei geknüppelt wurden – und die sich dennoch als „Weltstadt mit Herz“ versteht. Nur eine Weltstadt, in der Leber- käs als delikat und Lederhosen als salonfähig gelten. [...] Nirgendwo sonst mischen sich Knödeldampf, Bierdunst und Weihrauch so innig mit dem Duft der großen Welt. Nirgendwo sonst fühlen sich Playboys und Professoren, Bayern und Preußen, Sozis und Spezis, Gamsjäger und Kulturkritiker, Dirndl-Matronen und Topless-Twens in gleichem Maße zu Hause wie in eben dieser Stadt.1 Das Magazin Der Spiegel widmet sich in seiner Septemberausgabe von 1964 der Stadt München als Hauptthema. Das hier beschriebene Spannungsfeld zwischen Tradition und Weltoffenheit lässt sich in der Kunstszene der bayerischen Metropole wiederfinden. Sie bildet das Umfeld des Malers Michael Langer, dessen Hauptwerk von 1965 bis 1969 entstanden ist und ebenfalls von einer spannungsreichen Gegensätzlichkeit geprägt ist. München und die 1960er Jahre – eine konfliktgeladene Dekade, die 1962 mit den „Schwabinger Krawallen“ eingeleitet wurde: Fünf jugendliche Straßenmusikanten, die am Abend des 21. Juni auf einer Parkbank Ecke Leopold- und Martiusstraße musizierten, wurden wegen Ruhestörung von einer Polizeistreife festgenommen. Das resultierte in massivem Protest und der Demolierung der angerückten Polizeiwagen, die erfolglos ver- suchten, die 19-jährigen Musiker abzuführen. Es war der Beginn einer fünftägigen Be- setzung der Leopoldstraße sowie gegenseitiger Provokationen und gewaltsamer Angriffe zwischen der Jugend und der überforderten Polizisten.2 Die von den Medien verbreiteten Bilder3 gaben der Leopoldstraße damals ihren berüchtigten Beinamen der „Wilden Mei- le“.4 Zwar werden die Münchner Ereignisse von 1962 laut dem Historiker Stefan Hemler ! 1 O. V.: O’zapft is, in: Der Spiegel, Nr. 39 (1964), S. 42–52, hier S. 42; www.spiegel.de/spiegel/print/d- 37797173.html. Alle URL wurden zuletzt am 15.10.2019 aufgerufen. 2 Vgl. Hemler 2006, S. 25–57, hier S. 32–42. 3 Z. B.: O. V.: Die große Studentenhatz in Schwabing, in: Die Zeit, 29.6.1962, S. 6. 4 Wolfram Kunkel, in: Beyer 2015, S. 10 (ALS). 1 nicht als unmittelbarer Auftakt – es waren schließlich eher Krawalle als groß organisierte Demonstrationen –, dennoch als Vorboten der Studentenrevolution von 1968 gesehen.5 Nur einen Kilometer vom Schauplatz der „Schwabinger Krawalle“ entfernt wurde zwei Jahre zuvor die Gaststätte Lohengrin in der Türkenstraße 50 zum Ort einer sich formie- renden Protestgruppe. 1960 schlossen sich dort, nicht unweit der Münchner Kunst- akademie, mehrere junge Künstler*innen zusammen – darunter der 30-jährige Michael Langer. Ihr Ziel war der Widerstand gegen die hierarchischen und konservativen Struk- turen in der Münchner Kunstpolitik. Es gelang den revoltierenden Kunstschaffenden, das autokratisch geführte Ausstellungsprogramm vom Haus der Kunst zu durchbrechen. Ab 1962 durften die jungen Progressiven in einem eigenen jährlichen Herbstsalon dort ihre Werke zeigen. Langer erhielt im Jahr der Krawalle 1962 den jährlich verliehenen Kunstpreis des Herbstsalons. Die heute von Modeketten, Fast-Food-Restaurants und Supermärkten dominierte Leo- poldstraße in Schwabing kann kaum widerspiegeln, welch revolutionärer Geist sich dort während der 1960er Jahre entwickelte. Die gesellschaftspolitischen Zukunftsentwürfe der jungen Generation, die sich gegen den Autoritarismus ihrer als spießig empfundenen Elterngeneration und die unbewältigte NS-Vergangenheit auflehnte, waren geprägt von Emanzipation und Autonomie.6 Dieses Gefühl der Selbstbestimmung kam besonders in der Beat- und Rock’n’Roll-Musik der 1960er Jahre zum Ausdruck. 1963 eröffneten in der Leopoldstraße die unter den Ju- gendlichen beliebten Tanzschuppen PN-Hit-House und Big Apple. In Letzterem zer- trümmerte am 8. November 1966 ein damals noch weitestgehend unbekannter James Marshall Hendrix seine Gitarre auf der Bühne.7 Wenige Monate zuvor brachten die Beatles im Circus Krone die jungen Münchner Zuschauer*innen zu absoluter Ekstase, wobei die Süddeutsche Zeitung noch recht verhalten auf den „Lärm-Export aus Liver- pool“8 reagiert. Im Blow up, einem 1967 eröffneten mehrgeschossigen „Beatschuppen“, dem Gebäude des heutigen Schauburg-Theaters am Elisabethplatz, traten – mittlerweile weltbekannte – Größen der Rock- und Beatmusik auf, unter anderem 1968 Pink Floyd.9 Die englischsprachigen Namen der in den 1960er Jahren in München gegründeten Tanz- und Musiklokale sowie die dort auftretenden Bands zeugen von dem Willen, sich den ! 5 Hemler 2006, S. 57. Vgl. zur westdeutschen Protestbewegung: Martin Löhnig/Mareike Preisner/Thomas Schlemmer (Hg.): Ordnung und Protest: eine gesamtdeutsche Protestgeschichte von 1949 bis heute, Tübingen 2015; Pfeiffer 2011; Kraushaar 1998. 6 Kraushaar 1998, S. 320. 7 Jürgen Hermann, in: Fricke 2018, Manuskript, S. 18 (ALS). 8 Claus Heinrich Meyer: Stakkato-Schreie, in: Süddeutsche Zeitung, 25.6.1966, S. 3 (BHS). 9 Hans Dollinger: München im 20. Jahrhundert. Eine Chronik der Stadt von 1900–2000, München 2001, S. 287. 2 internationalen Entwicklungen in der progressiven Musik- und Kulturszene anzuschlie- ßen. Die Mitglieder der Münchner Band Amon Düül – späterer Inbegriff des „Krautrock“10 – waren gleichzeitig Mitglieder einer Künstlerkommune in der Klopstockstraße.