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NEUeSTE ERWERBUNGEN schenkungen und dauerleihgaben Für die Sammlungen DES MUSEUMS VILLA STUCK collecting HISTORIES EINFÜHRUNG

2020 war ein glückliches Jahr für die Sammlungen des Museums Villa Stuck, die in den letzten Monaten durch Neuerwerbungen, Schenkungen und eine Dauerleihgabe vielfältig erweitert werden konnten. Wichtige Werke der Porträtmalerei, Pastelle, Plakate und Aquarelle sowie die ers- ten 13 Jahrgänge der politisch-satirischen Wochenzeitschrift Simplicissi- mus bereichern nun die größte öffentliche Sammlung der Werke Franz von Stucks und das Künstlerhaus, das an markanter Stelle zudem das „Coming Home“ eines Möbels feiern kann: an den Eingang des Künstler- ateliers kehrt ein Kabinett mit Darstellungen der zehn Lebensstufen im Stil der Spätrenaissance zurück. Fast alle Werke waren bislang unbekannt und werden hier erstmals vorgestellt und erläutert. Der Titel Collecting Histories ist eine Hommage an Francis Haskell (London 1928-2000 Oxford), der zu den bedeutendsten und originellsten Kunsthistorikern des 20. Jahrhunderts gehört. Aus seinem Besitz stam- men die Kinderporträts seiner in Kiew geborenen Mutter Vera Saitzoff und ihres Bruders Alexander, die Franz von Stuck 1913 malte. In seiner Publikation „Die Geschichte und ihre Bilder“ feiert Haskell jedes Kunst- werk als Bildzeugnis europäischer Kultur- und Geistesgeschichte sowie als Moment zeitgenössischen Erlebens. Das Künstlerhaus Villa Stuck ist ein kongenialer, authentischer Ort für beide Perspektiven. Unser besonderer Dank gilt den Mitgliedern des Vereins zur Förde- rung der Stiftung Villa Stuck e.V., deren Schenkungen in Zeiten der Dis- tanz ein Zeichen besonderer Verbundenheit bekunden und die Sammlun- gen dauerhaft bereichern.

Franz von Stuck, Alexander Zaitzoff (Detail), 1913, Öl auf Holz, Rechts unten signiert FRANZ / VON / STUCK, Museum Villa Stuck, Schenkung Mrs. Larissa Salmina Haskell

02 03 Speisesaal 3 4

Künstler- Boudoir Rauchsalon garten 6

2 9 Sünde Pastell

1 5

Altar 8 der Sünde Treppe

Empfangssalon Musiksalon

Alle Neuzugänge im Überblick Eingang Treppe 1 Faun und badende Nixen, um 1889 2 Satyr mit Nymphen und Kind, um 1889 3 Vera Zaitzoff, 1913 4 Alexander Zaitzoff, 1913 Vestibül 7 5 Simplicissimus. Eine satirische Zeitschrift, 1896-1944 6 Plakat der Münchener Jahresausstellung, 1889 7 Prinzregent Luitpold von Bayern, 1897 Ehemalige 8 Kabinettschrank mit den 10 Lebensstufen, vor 1900 Garderobe 9 Die Sünde (Pastell), nach 1905 Ismaringer Straße

Eingangsportal

Prinzregentenstraße

04 05 SATYR MIT NYMPHE UND KIND FAUN UND BADENDE NIXEN

Die außergewöhnlichen Zeichnungen stammen aus dem Frühwerk Stucks um 1889 – am Übergang vom und Mischwesen laden ein, ins Unbekannte vorzudringen, fremde Welten zu erforschen und zu entdecken: Zeichner zum Maler: selbstironisch posiert der junge Stuck in einem Blatt als stolzer Satyr mit Nymphen „das Tier im Menschen oder der Mensch im Tier, die monströse Natur“ (Frank Hildebrand). und Kind im antiken Zypressenhain, im anderen belauscht ein Faun neugierig Nymphen, die sich nackt Musiktipp: Paul Ben-Haim, „Pan“ für Sopran und Orchester, nach einem Text von Heinrich Lau- im Wasser tummeln. Die Blätter wurden unabhängig voneinander erworben und sind beide in einem bis- tensack, München 1931, erzählt von der erotischen Begegnung einer Frau mit dem griechischen Gott lang unbekannten Stil gezeichnet. Sie wirken zusammengehörig, tragen aber unterschiedliche Signatu- Pan. Ben-Haim wurde 1897 als Paul Frankenburger in München geboren, als junger Dirigent war er As- ren und markieren die Wende zu künstlerischem Selbstbewusstsein- und vermarktung. sistent von Bruno Walter und Hans Knappertsbusch an der Bayerischen Staatsoper, später Kapell- Stucks künstlerische Darstellung verbindet stets zeitgenössische Fragen der Wissenschaft und meister in Augsburg. Als Komponist wandelte er zunächst auf den Spuren von Vorbildern wie Gustav Philosophie mit einer humanen Perspektive auf das Universum und Gedanken um den Platz des Men- Mahler und Richard Strauss. Sinnlichkeit und Verführung bestimmt auch die Klangwelt der synfoni- schen darin. Wer sind wir? Woher kommen wir? Die wissenschaftliche Erkenntnis von Darwin zu den Ur- schen Dichtung „Pan“ 1931. 1933 emigrierte der Komponist nach Israel und wurde dort zum Begrün- sprüngen des Lebens, die Evolution und sexuelle Selektion bis zur Erforschung des Bewusstseins und der des modernen Musiklebens. des Universums gehören zu den Entdeckungen, die wie eine Lawine im 19. Jahrhundert die Welt verän- dert hatten; der Bedarf neuer Bilder war enorm. In Stucks Zeichnungen spiegelt sich die Sehnsucht des Menschen nach einem Leben in freiem Na- turzustand jenseits der Zivilisation, der notwendige Humor im Kampf der Geschlechter. Sphingen, Sirenen und Nymphen mutieren von antiken Sagengestalten zu modernen Femmes Fatales. Hybride Kreaturen

Franz von Stuck Satyr mit Nymphen und Kind um 1889 Aquarell, Tusche, Gouache, Bleistift und schwarze Kreide auf Karton. Verso mehrere Franz von Stuck Etiketten, u.a. Dörner Institut Faun und badende Nixen München um 1889 Rechts unten signiert Aquarell, Tusche, Gouache, FRANZ STUCK Bleistift und schwarze Kreide Museum Villa Stuck auf Karton PROVENIENZ: Rechts unten signiert Moderne Galerie Heinrich STUCK Thannhauser, München, Galerie Museum Villa Stuck de 3 Gratiën, Amsterdam Schenkung des Vereins zur Christie‘s, Amsterdam, 1998 Förderung der Stiftung Privatsammlung Niederlande Villa Stuck e.V.

06 07 VERA ZAITZOFF ALEXANDER ZAITZOFF

Aus dem Besitz des englischen Historikers Francis Haskell (London 1928-2000 Oxford) stammen die der Vergangenheit (1993), Maler und Auftraggeber – Kunst und Gesellschaft im italienischen Barock Kinderporträts seiner russischen Mutter Vera Zaitzoff (1903-1968) und ihres Bruders Alexander, die (1963), Die schwere Geburt des Kunstbuchs (1993) oder der Wandel der Kunst in Stil und Geschmack Franz von Stuck 1913 – wahrscheinlich nach Fotografien – malte. Haskells Mutter wurde 1903 in Kiew in (1990) sowie Das Ephemere Museum. Die alten Meister und der Aufstieg der Kunstausstellung (2000). eine sehr wohlhabende Handelsfamilie geboren, über die auch Alexander Solschenizyn in seinem kon- Die Kinderporträts sind eine Schenkung seiner ebenfalls russischen Ehefrau Larissa Salmina Haskell, trovers diskutierten Buch über die Juden in Russland, „Zweihundert Jahre zusammen“ (2001), berich- die als Kuratorin an der Eremitage in St. Petersburg tätig war und nach ihrer Heirat u.a. für das Ashmo- tet. Die Familie lebte in einem prächtigem Stadtpalais, bis sie zu Beginn der Revolution 1917/18 nach Pa- lean Museum in Oxford Kataloge zur Russischen Kunst publizierte. ris emigrierte. 1926 übersiedelte Vera nach England, wo sie den Tanzhistoriker Arnold Haskell Die Schenkung gelangt mit Hilfe von Sir Nicholas Penny (Direktor der National Gallery in Lon- (1903-1980) heiratete. Francis Haskell gehört zu den bedeutendsten und originellsten Historikern des 20. don, 2008-2015) in die Sammlung des Museums, der zusammen mit Haskell 1981 das Buch Taste and Jahrhunderts. 1967 erlangt er eine Professur für Kunstgeschichte in Oxford, die er bis 1995 bekleidete. the Antique: The Lure of Classical Sculpture 1500-1900 veröffentlichte. Gemeinsam haben sie die neo- Schlüsselwerke seines Fachs sind die Bücher Die Geschichte und ihre Bilder: Die Kunst und die Deutung klassizistische Villa Stuck besucht und sind erklärte Fans des Künstlerhauses und seiner Ausstattung.

Franz von Stuck Vera Zaitzoff (Mutter des englischen Franz von Stuck Historikers Francis Haskell) Alexander Zaitzoff 1913 1913 Öl auf Holz Öl auf Holz Rechts unten signiert Rechts unten signiert FRANZ / VON / STUCK FRANZ / VON / STUCK Museum Villa Stuck Museum Villa Stuck Schenkung Mrs. Larissa Schenkung Mrs. Larissa Salmina Haskell Salmina Haskell

08 09 SIMPLICISSIMUS

Der Simplicissimus ist die bis heute prominenteste deutsche politisch-satirische Wochenschrift. Ihr Jahrgänge) lebt der Simplicissimus unter Olaf Iversen wieder auf – in Gestaltung und Inhalt dem Vorbild Name steht für die antiklerikale, antifeudale und fundamentaldemokratische Auseinandersetzung mit nachempfunden, doch zeigt sich gerade durch die gewollte formale Nähe zum Vorbild, wie anders und der Innen- und Außenpolitik des Kaiserreichs und der Weimarer Republik ebenso wie für pointierte ungleich komplizierter nun die gesellschaftlichen Machtverhältnisse geworden sind. Alle weiteren, Mentalitätskritik am deutschen Normalbürger, den er als „Michel“ mit Zipfelmütze porträtiert. Für nach dem Jahr 1970 gestarteten Unternehmungen, den alten Zeitschriftenmantel mit modernen Inhal- literarische, historische und soziologische Fragestellungen im Kontext der beiden Weltkriege bietet ten zu beleben, müssen wohl als bedeutungslos gelten. die Zeitschrift ein unersetzliches Quellenmaterial. International hat sie als zeitgeschichtliches Zeugnis Zitiert nach: Dr. Hans Zimmermann, Herausgeber der Online-Edition des Simplicissimus, Gewicht wie kaum ein anderes deutsches Periodikum. 2004/2019, Klassik Stiftung Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Begründet am 1.4.1896 durch Albert Langen, wird die Zeitschrift bald ein Forum für die künstlerische und literarische Avantgarde ihrer Zeit. Es ist ein Glück für Langen und das gesamte Unternehmen, daß er Thomas Theodor Heine als ständigen Mitarbeiter gewinnen kann, der bis dahin als Dackelzeichner bei den Fliegenden Blättern engagiert war und der sich nun binnen Kurzem zu einem der führenden Karikaturisten Europas entwickelt (ihm verdankt sich auch die wohl erste Bertolt-Brecht-Karikatur der Epoche). Unter den ständigen Mitarbeitern finden sich bald die besten Zeichner Münchens, die dem Blatt meist bis zuletzt die Treue halten, dabei gut verdienen und sich einen Namen machen: Karl Arnold, Josef Benedikt Engl, , Ernst Heilemann, Thomas Theodor Heine, Bruno Paul, Ferdinand von Reznicek, Wilhelm Schulz, Eduard Thöny, . In späteren Jahren kommen Jeanne Mammen, Erich Schilling, Kurt Heiligenstaedt, Karl Sturtzkopf hinzu. Ihre Namen stehen für die künstlerische Qualität der Zeitschrift ebenso wie die zahllosen „freien“ Beiträger, die manchmal erst in späteren Jahren zu Berühmtheit kommen: unter vielen anderen sind zu nennen , Lovis Corinth, Josef Hegenbarth, Heinrich Kley, Käthe Kollwitz, Alfred Kubin, Walter Trier, A. Paul Weber, Heinrich Zille. Ursprünglich als kulturell-literarisch orientiertes Periodikum konzipiert, war der Simplicissimus zudem Forum für alle wichtigen Literaten seiner Epoche: , die Gebrüder Mann, , , Otto Julius Bierbaum, Jakob Wassermann, Richard Dehmel, , , Karl Kraus, Gustav Meyrink und viele mehr sind mit dem Namen der Zeitschrift durch Erstveröffentlichungen untrennbar verbunden. Das Verzeichnis der Beiträger liest sich als Kompendium der prominentesten Kulturschaffenden dieser Zeit, vermischt mit den Namen großer und kleiner Literaten, die heute vergessen sind. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs sieht die Redaktion sich in einem tiefen Zwiespalt: sie glaubt dem Vaterland „positive“ Haltung schuldig zu sein und unterzieht den Simplicissimus einer Verwandlung zu patriotischer Parteigängerschaft mit chauvinistischer Einfärbung (wie dies wohl bei vielen Zeitschriften in jener Zeit der Fall war). In der Weimarer Republik aber gelingt es der Zeitschrift bald, zu ihrer alten Qualität und Aufgabe zurückzufinden, vor allem im Kampf gegen den aufkommenden dumpfen Geist des Nationalsozialismus und des immer virulenter werdenden Antisemitismus. Die Re- daktion läßt sich auch von SA-Rollkommandos und der Straßenpolitik nicht schrecken und führt den Kampf mutig und erbittert fort, bis der Ungeist schließlich doch obsiegt: im April 1933 wird die Zeitschrift von den Nationalsozialisten „gleichgeschaltet“. Thomas Theodor Heine, geboren als der Jude David Theodor Heine, wird in rüdester Weise aus dem Mitarbeiterstab verdrängt, isoliert und ins Exil gezwungen, und mit ihm der linksliberale Chefredakteur . Die Zeitschrift ist von nun an als Chronist ihrer gesellschaftspolitischen Gegenwart ohne Wert: sie ist nurmehr Instrument SIMPLICISSIMUS. Eine satirische Zeitschrift. der Demagogie, und die politischen Karikaturen sinken auf ein erbärmliches Niveau. 1896–1944 All dies hält den Simplicissimus nicht lange über Wasser: im September 1944 geht er an München 13 gebundene Jahrgänge banalem Papiermangel zugrunde, er hat keine Gegner mehr, denen dieser Tod zum Triumph hätte (1896–1908) gereichen können. Museum Villa Stuck Schenkung des Vereins zur Thomas Theodor Heine Der vom Jahr 1946 datierende Neuversuch unter dem Titel Der Simpl (mit einem Teil der alten Förderung der Stiftung Mädchen und Teufel Mitarbeiter) wird 1950 wegen mangelnder Resonanz wieder abgebrochen. Von 1954 bis 1967 (12 Villa Stuck e.V. Bulldogge

10 11 PLAKAT DER MÜNCHENER mälde befindet sich auch der großformatige Ent- JAHRESAUSSTELLUNG VON wurf für das Ausstellungsplakat 1889 mit dem Titel Huldigung an die Malerei in den Sammlun- KUNSTWERKEN ALLER NATIONEN gen des Museums. Gemälde, Plakat- und Ent- IM KÖNIGLICHEN GLASPALAST wurf können nun in der Ausstellung erstmals zu- sammengeführt werden. Es scheint, als habe Stuck seinen Ausstel- Als besondere Entdeckung kann das bislang ein- lungserfolg mit dem Entwurf des Plakates auf zige bekannte Plakat Stucks für die Münchner festlichem Goldgrund ahnungsvoll vorbereitet. Jahresausstellung im Glaspalast 1889 gewertet Das Ausstellungsplakat zeigt die Allegorie der werden, bei der Franz von Stuck mit dem Wäch- Malerei in Gestalt einer jungen Frau mit Pinsel ter des Paradieses erstmals als Maler auftritt und Malpalette auf einem antiken Thron, der von und mit seiner ungewöhnlichen Interpretation Sphingen geschmückt wird. Ein geflügelter Ge- des Bildthemas eine Goldmedaille zweiter nius, zwei Fanfaren als Attribute der Fama tra- Klasse erringt. Der Wächter des Paradieses ist gend, huldigt ihr und überreicht ihr einen Lor- der erste bedeutende Beitrag Stucks zur symbo- beerkranz und einen Palmzweig, damit der Welt listischen Malerei in Europa. Neben dem Ge- den Ruhm der Malerei verkündend.

Franz von Stuck Wächter des Paradieses Oben: Unten: Lithographie 1889 Franz von Stuck Franz von Stuck, Rechts unten signiert Öl auf Leinwand Huldigung an die Malerei, auf brauner Malpappe Plakat der Münchener Jahres- FRANZ STUCK Rechts unten signiert Plakatentwurf, 1889 rechts unten signiert ausstellung von Kunstwerken Museum Villa Stuck (Schen- FRANZ STUCK Mischtechnik (schwarzer Stift, FRANZ STUCK Aller Nationen im Königlichen kung des Vereins zur Förderung Museum Villa Stuck Öl, Syntonos-Farben, gefirnist) Museum Villa Stuck Glaspalast, 1889 der Stiftung Villa Stuck e.V.)

12 13 PRINZREGENT LUITPOLD

Franz von Stuck schuf eine ganze Reihe von Porträts des Prinzregenten Luitpold (1821-1912). Die Schen- gung der Konturen auf die grundierte Leinwand. Das Gemälde stammt aus der Familie von Johann Wil- kung zeigt den 76-jährigen nicht in Uniform oder historischer Tracht als Herrscher mit der kostbaren Col- helm Spaeth, einem der wichtigsten Industriepioniere Nürnbergs im 19. Jahrhundert, Gründer der ers- lane und dem Ordenskreuz des wittelsbachischen Hubertusordens oder im Hermelinmantel wie bei Max ten bayerischen Maschinenfabrik nach amerikanischem Vorbild. Spaeth baute die erste deutsche Slevogt 1908, sondern in einem selten veristischen Altersporträt des Prinzregenten in zivil. Im Porträt Dampflokomotive – den „Adler“- der 1835 von Nürnberg nach Fürth fuhr und lieferte die Bauteile für das steht der Prinzregent in schwarzem Mantel mit schmalem, weiß blitzendem Kragen vor einem dunkel- englische Pendant von Robert Stephenson. Später folgten besondere Baggermaschinen, Wasserschne- grau monochromen Hintergrund, den das Wappen des Königreichs Bayern ziert. Wach und konzentriert cken, Ladekräne, Schleusen und Stauwehre u.a. für den Ludwig-Donau-Main-Kanal (1836-46), als Teil wirft der 76-jährige dem Betrachter einen Blick entgegen, der die Anstrengungen und Erfolge seiner Re- der schiffbaren Verbindung von der Nordsee bei Rotterdam zum Schwarzen Meer. gierungszeit offenbart, die geprägt war von wirtschaftlichem Wachstum und einer kulturellen Blüte Das Porträt wurde 1897 von der Urgroßmutter der Schenkerin Helene Hammerbacher bei der ohne Krieg. Mary und Franz von Stuck schufen in ihrem Fotoatelier in der Villa Stuck die Vorlage für das VII. internationalen Kunstausstellung im Münchner Glaspalast erworben. Es belegt die eng mit der Fir- Porträt, auf dem der Prinzregent – ganz anders als im finalen Gemälde – eine Uniform mit ausladenden mengeschichte verknüpfte Beziehung der Familie Spaeth zum Königshaus und Familienmitgliedern Epauletten aus goldenen Fransen trägt. Die Fotografie trägt Spuren von Durchpausungen zur Übertra- des Hauses Wittelsbach.

Mary oder Franz von Stuck Prinzregent Luitpold, um 1897 Gelatine-Entwicklungspapier Museum Villa Stuck

Huldigung der Münchner Künstler an Prinzregent Luitpold anlässlich der Einsetzung der Monumental- Kommission 1901 Öl auf Holz Unten mittig signiert FRANZ STUCK Museum Villa Stuck Franz von Stuck, Prinzregent Luitpold , von Bayern, 1897, Öl auf Leinwand im Originalrahmen, Rechts unten signiert, FRANZ STUCK, Schenkung des Vereins zur Museum Villa Stuck, »Im Gedenken an meine Urgroßmutter Helene Hammerbacher, Schenkung von Uta-Elisabeth Trott und ihrem Förderung der Stiftung Villa Mann Klaus-Rüdiger Trott, im März 2021« Stuck e. V. 2018

14 15 KABINETTSCHRANK MIT DEN 10 LEBENSSTUFEN

Ein wahres „Coming Home“ feiern wir im Künstlerhaus mit einem Möbel, das einst eine markante Stelle Stühle mit hohen Lehnen. Darüber hingen eine Ikone mit der Geburt Christi aus dem 16./17. Jahrhun- des Hauses einnahm: an den Eingang des Künstlerateliers kehrt ein Kabinett im Stil der Spätrenaissance dert im Stil der kretischen Malschule und ein Madonnenbildnis. mit Darstellungen der zehn Lebensstufen zurück. Das Kabinett ist kurz vor 1900 vermutlich in Süddeutschland oder Tirol entstanden und umfasst 10 Franz von Stucks Tochter Mary hatte das Kabinettschränkchen nach dem Tod ihres Vaters an Schubladen, die auf der Vorderseite mit gravierten Beintafeln geschmückt sind. Sie zeigen das Leben einen befreundeten Maler geschenkt, in dessen Familienbesitz es sich bislang befand. Nach knapp des Menschen in zehn Lebensstufen, angefangen von der Zahl „X.“ mit der Darstellung zweier Kinder 100 Jahren erstrahlt es nun an seinem ursprünglichen Aufstellungsort. Es steht in starkem Kontrast beim Spiel mit dem Reifen, bis zur Zahl „C.“ mit der Darstellung des Todes als Skelett. Ob und welcher zu Stucks Möbeln nach eigenem Entwurf, mit denen es ihm gelang, sein Haus in einem höchst eigen- Grafikzyklus dafür als Vorlage gedient hatte, ist bislang unbekannt. Die Titel der weiteren Lebensstu- willigen und neuartig antikisierenden Stil auszustatten. Das Kabinett ist Teil der vielfältigen Künst- fen sind XX. Ein Jüngling, XXX. Gnädige Frau, XL. Ein herrlich Matron, L. Voll Religion, LX. Gehts Alter lersammlung, mit der Stuck nicht nur Erfolg und Wohlstand, sondern vor allem seine in Museums- an, LXX. Ein Greis, LXXX. Immer weiß, XC. Der Kinder Spott, C. Füllt aus das Grab. kreisen anerkannte, künstlerische Kennerschaft bewies. Sie erschloss sich dem Atelierbesucher auf Möbel wie diese wurden in München von Kunsthändlern und Ausstattern wie etwa der inter- dem Weg vom Vestibül über das geschwungene Treppenhaus bis zum Eingang des Künstlerateliers. national agierenden Familie Lehmann Bernheimer in ihrem großen Palais am Lenbachplatz verkauft Vor der Wand, die auf die Ateliertür zuführt, befanden sich neben dem Kabinett auch zwei spanische und dienten als Salondekoration.

Kabinettschrank mit den 10 Lebensstufen im Stil der Spätrenaissance, Frontansicht, süddeutsch, vor 1900, Bein, Palisander, Ebenholz, Erste Schublade: Zehnte Schublade: Eiche u.a. Hölzer auf Tannenholz, Museum Villa Stuck, Schenkung des Vereins zur Förderung der Stiftung, Villa Stuck e.V. 10 Jahre - Ein Kind 100 Jahre - Füllt aus das Grab

16 17 DIE SÜNDE

Als bedeutende Dauerleihgabe bereichert eine bislang unbekannte Version einer Sünde in Pastell (nach 1905) die Sammlungen des Museums Villa Stuck – eine Provenienzrecherche machte es möglich, das markante Bild aus Privatbesitz nun in der Villa Stuck zu präsentieren. Die erste Fassung des Gemäldes Die Sünde, war das Skandalbild der 1. Ausstellung der Münchner 1893, die Stuck als einer Initiatoren mitbegründet hatte. Der Skandal machte Stuck nicht nur zum Shooting Star der Münchner Secession, sein Bild war auch der lang ersehnte Be- freiungsschlag der neuen Künstlergruppe der Secessionisten. Mit ihnen wird München DIE Kunst- metropole Deutschlands – und Vorbild für andere Secessionen in Wien, und Osteuropa mit einem machtvollen Aufbruch in die Moderne. Mit weiteren Fassungen der Sünde im selbst entworfenen Tempelrahmen deckte Stuck in der Folgezeit den Bedarf internationaler Museen und Sammler, insgesamt sind heute 13 Versionen bekannt. Die vorliegende Pastellversion des Bildes unterscheidet sich durch den zweidimensionalen Rahmen der Firma Oberndorfer in München, dessen Konstruktion und Bemalung die Architektur eines antiken Gie- bels markiert. Der Ausschnitt des Pastells konzentriert sich auf Kopf, Blick und den nackten Oberköper der Sünde und die fauchende Schlange, die Komposition und intensive Farbigkeit sind eng mit dem Ge- mälde auf dem Altar der Sünde der Villa Stuck verwandt und datieren aus ähnlicher Zeit. Das Pastell stammt aus dem Besitz des geistlichen Rats Leopold Schwarz (1897-1960). Für die Rettung vieler Kameraden im 1. Weltkrieg hatte der Kriegsfreiwillige aus der Hand Kaiser Wilhelm II. höchste Auszeichnungen erhalten. Nach den Erfahrungen von Krieg und Gefangenschaft war Schwarz Priester und 1929 Stadtprediger ins Günzburg geworden. Kardinal Faulhaber berief ihn 1935 an die Spitze des Verbands der katholischen Arbeiter und Arbeiterinnen in Bayern, in dieser Eigenschaft wurde er regelmäßig von der Gestapo überwacht und verhört. Schwarz gehörte zu einem Priesterkreis, der den Widerstand gegen die Nationalsozialisten im Klerus organisierte. Nach dem zweiten Weltkrieg gründete er das „Friedensdorf“ für Heimatvertriebene und wurde 1950 Männerseelsorger von Augsburg. (nach Ludwig Gschwind, Klerusblatt, 15.4.2011). Neben seiner publizistischen Tätigkeit in den Bereichen Theo- logie und Kunst, handelte Schwarz regelmäßig mit Kunstwerken, die er vorwiegend im Münchner Kunst- handel erwarb. Die Sünde verkaufte er 1959/60 an den Vater des jetzigen Besitzers. Wir danken der Dr. Vanessa Voigt für die hervorragende Zusammenarbeit bei der Erforschung der Provenienz des Bildes. Für weitere Hinweise auf die Herkunft des vorliegenden Bildes wären wir Ihnen dankbar.

Franz von Stuck Die Sünde nach 1905 Pastell auf Karton im Original- rahmen von Georg Oberndorfer Franz von Stuck nach Entwurf von Die Sünde, vor 1906 Franz von Stuck Öl auf Leinwand, im Original- Rechts oben signiert rahmen nach Entwurf von FRANZ / VON / STUCK Franz von Stuck Museum Villa Stuck Museum Villa Stuck Dauerleihgabe aus Privatbesitz

18 19 SIMPLICISSIMUS SIMPLICISSIMUS 9. JAHRGANG, NR. 48, 1904, TITELBLATT: OLAF GULBRANSON, DER BLINDE ZAR 6. JAHRGANG, NR. 44, 1901, TITELBLATT: BRUNO PAUL, AMERIKANISCHE POLITIK

20 21 SIMPLICISSIMUS IMPRESSUM 6. JAHRGANG, NR. 4, 1901, TITELBLATT: THOMAS THEODOR HEINE, MAX UND MORITZ SÄGEN AM STUHL DER MONARCHIE (FREI NACH WILHELM BUSCH)

COLLECTING HISTORIES Neueste Erwerbungen, Schenkungen und Dauerleihgaben für die Sammlungen des Museums Villa Stuck 23.3. ‑ 2.5.2021

Copyright: Museum Villa Stuck Kuratorin der Ausstellung, Texte: Margot Th. Brandlhuber Projektkoordination: Josepha Layer-Brich Gestaltung: Bureau Borsche Fotos: Nikolaus Steglich, Wolfgang Pulfer

Museum VILLA STUCK INFORMATIONEN ZU IHREM BESUCH Prinzregentenstr. 60 D-81675 München Bitte informieren Sie sich vorab auf unserer Web- www.villastuck.de site über die aktuell gültigen Regelungen zu Ihrem Besuch und die Hygienemaßnahmen vor Ort. Bus 100 MVG Museenlinie Tram 37 Friedensengel / Villa Stuck Der Einlass in das Museum Villa Stuck ist aus- U4 Prinzregentenplatz schließlich mit einem Online-Ticket möglich. Bitte U5 Max-Weber-Platz buchen Sie für Ihren Besuch ein Zeitticket in unserem Online-Shop.

#villastuck

Blog des Museums VILLA STUCK: www.villastuck-blog.de

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 11 – 18 Uhr Erster Freitag im Monat Abendöffnung bis 22 Uhr

Die historischen Räume der Villa Stuck sind eingeschränkt barrierefrei zugänglich. Kinder bis 18 Jahre haben freien Eintritt. Ein Museum der Stadt München

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