Von Dürrenmatt bis Robert Walser

Autor(en): Herdi, Fritz

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Nebelspalter : das Humor- und Satire-Magazin

Band (Jahr): 105 (1979)

Heft 40: Literatur-Nummer

PDF erstellt am: 10.10.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-622685

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http://www.e-periodica.ch Von Dürrenmatt bis Robert Walser Anekdotisches, gesammelt von Fritz Herdi

Friedrich Dürrenmatt: da war, in dem ich auftreten sität Freiburg nicht ausreichte, für den Sport. Als er den Autor «Ganz ungestraft kommt keiner sollte, bekam ich gerade ein schickte der Maturand den Auf- kurz nach dem Interview wieder davon, der sich der Presse mit Kind.» satz an Dürrenmatt, der ihm traf, stand dieser fassungslos einlässt. Ich ein gab Interview. antwortete: «Ich sehe keinen und betrübt vor der Kasse zum Einer Sie * Journalistin. wollte Grund, warum Ihre Lehrer den Stadion Letzigrund: «Ausver- meine Meinung über die neuste Friedrich Dürrenmatt wurde Aufsatz so schlecht bewertet ha- kauft.» Münch damals: «Wie Literatur wissen. Ich antwortete von einem Bekannten bestürmt, ben.» Ein Beschwerdeausschuss gerne hätte ich ihm mit meinem dass ausweichend, ich noch seinen Vortrag über Gott zu be- verfügte danach eine nochma- Presseausweis das sonntägliche keine Zeit sie gefunden hätte, zu suchen. lige Prüfung der Aufsatzarbeit. Vergnügen eines spannenden lesen, weil es mir schwerfalle, Dürrenmatt: «Ich komme Fussballmatches ermöglicht mich - abends mit der neusten unter der Bedingung, dass Sie * aber Max Frisch, als Literatur getarnt abzugeben, wenn ich Lichtbilder zeigen.» Nicht nur Max Frisch, auch Sportjournalist, das war mir den ganzen Tag selber neuste Friedrich Dürrenmatt ist Fuss- doch zu riskant.» Literatur produziert habe. Das * ballfreund. Dürrenmatt: «Im- schrieb die Dame nicht. Sie In Offenburg hatte ein Schü- mer, wenn die Grasshoppers * schrieb: .» Maturaufsatz über ein Zitat von Woche lang nicht schreiben.» darauf, dass er im Tessin lebt Dürrenmatt dazu herb: «Man Dürrenmatt zu schreiben hatte. Hierzu Literaturkenner Hugo und das Zürcher Muraltengut, fällt immer wieder herein. Man Der Satz: «Der Weltraumflug Leber: «Eine GC-Pechsträhne: die gute Stube des offiziellen nimmt Journalisten könnten an, hat nur dann einen Sinn, wenn es ist nicht auszudenken, was Zürich, seinen Namen von ei- sie schreiben, weil Journalisten wir die Erde entdecken und da- dies für Folgen für die zeitge- nem in Zürich assimilierten Tes- sind. Aber sie sind oft Journa- mit uns selber.» Mit seiner nössische Literatur haben könn- siner Geschlecht hat, in eben weil sie wz'c/tf listen, schreiben sechsseitigen Ergründung des te. Diese wochenlange Traurig- diesem Gebäude 1979 eine können. Man ist froh, wenn zwi- Zitats erntete der Schüler nur keit des Stückeerfinders, wenn Rede über den Dichter Alfred sehen dem Geschriebenen und ein «Mangelhaft». Weil damit GC, wenn ein Sonntagnachmit- Andersch hielt, sagte er: dem, was eine man sagte, ge- der Notendurchschnitt fürs tag, ein Samstagabend ihm den «Das Muraltengut (das habe wisse Ähnlichkeit festzustellen Medizinstudium an der Univer- Schreibnerv lähmen.» ich meinen Dorfgenossen aus ist.» dem Tessin schon erläutert) ist * * die gute Stube der Stadt Zürich; Der Inhaber eines Bestat- dementsprechend werden wir Frisch aus Basel, ville «sa tungsunternehmens an einer uns benehmen - wie immer an natale», also seiner Geburts- Party zu Friedrich Dürrenmatt: diesem Ort - höflich.» Stadt, sei Dürrenmatt im «Zu meiner Schande muss ich Théâtre de l'Atélier in Paris ein- gestehen, dass ich noch keines * getroffen, um die Proben für sei- Ihrer Theaterstücke gesehen Max Frisch über sein Metier: «Frank V.» nen zu überwachen. und kein Buch von Ihnen gele- «Verglichen mit den Publikums- So meldete seinerzeit «Le Figa- sen habe.» Vorstellungen gleicht der und Tag ro» berichtete weiter, Dür- «Ist doch ganz in Ordnung», eines Autors eher dem Arbeits- renmatt gebe seine Anweisun- erwidert Dürrenmatt, der nicht tag eines Arztes oder Ingenieurs gen jovial, zigarrenrauchend selten Makabre. «Ich habe mich als dem eines Schriftstellers. und très «avec un fort accent ja auch noch nie von Ihnen be- Meine Arbeit beginnt bâlois». Worauf ein Berner Re- morgens erdigen lassen.» und dann - solange der Mut daktor unter anderem registrier- reicht.» te: «Wenn die Basler Dürren- * matts Berndeutsch als werden.» beobachtet hat. Ich dagegen er- lebe nichts, sehe nichts - ich muss meine Sachen alle erfin- Friedrich Dürrenmatts Gat- den.» tin Lotti hatte sich als Schau- * Spielerin ausbilden lassen, spiel- Das ganze Jahr offen. te in Bern unter anderem eine Max Frisch gilt als eher • Das behagliche, komfortable schöne Rolle in «Der Mond ging distanzierter und abweisender Haus. BEL-ETAGEmit Balkon- freie Sicht auf See unter», auch eine kleine Rolle in Autor. Paul der zimmern, jUrfrüeb Münch, ihn und Berge. «Faust». Dann trat Dürrenmatt 1968 interviewte in Männedorf, Spezialitäten-Restaurant. in ihr Leben. Riess sie • Als Curt fand dann, dass Frisch im per- Grosser Parkplatz. 1963 interviewte, gestand sie, sönlichen Gespräch viel • Fitness- und Spielraum. dass ihr Gatte mehrmals eine menschlicher und zugänglicher Solarium. Bequeme Bus-Ver- Rolle für sie geschrieben hatte. wirke, als man gemeinhin an- bindung zum neuen Heilbad. Aber zum Spielen kam sie nie, nehme. Vor allem beeindruckte P. Graber, dir. denn: Telefon 082/2 21 21 Telex 74430 «Immer wenn das Stück ihn auch Frischs Begeisterung

Nebelspalter Nr. 40,1979 Ein wohlhabender Autor auf könnte. «Kronenhalle», «Ode- Rename die Frage, wie man in der on» und «Pfauen» gehörten zu Schweiz als Schriftsteller zu seinen Lieblingslokalen. In Nur für Männer! Reichtum komme: «Es gibt seinem Roman «Finnegans Wa- Einfacheres. Man ke» schreibt der die 87 o/o der befragten Männer wünschen sich ein Pflegemittel nach nichts Joyce, dem Rasieren, das nicht brennt und die Haut nicht reizt. schreibt vier Romane, ein Sach- Schweiz auch «Swindlerland» buch, zwei Gedichtbände, drei nannte, über das «Belle for Se- Profi, die neue, unvergleichbare Rötungen geschützt, sie wird straff, Theaterstücke, einen Krimi, xaloitez», das Sechseläuten, Crème-Emulsionspflege, entspricht geschmeidig und widerstandsfähig. diesem denn Profi brennt Sie ein eine (Philosophie des Alltags>, über «Milchbroke» statt Milch- Wunsch, Augenblicklich empfinden nicht auf der Haut und reizt nicht. Gefühl von Frische und Gepflegt- eine Autobiographie. Danach buck, über den säulilauen Wind Ob Sie sich nass oder trocken sein. beerbt man eine entfernte Ver- «good old Foehn», über den rasieren, Ihre Haut braucht Profi Profi bildet auf der Haut einen wandte, die einem zwei Millio- «homoplatts» statt Heimplatz mit dem pH-Wert 5,5 der gesunden unsichtbaren Schutzfilm, der nicht Haut. fettet und nicht klebt. Alle Rasier- nen Franken und ein Mehr- «Pfauen»), über «the silly Profi, nur hauchdünn aufgetragen, schaden, wie aufrasierte Haut, wer- familienhaus hinterlässt.» post» statt Sihlpost. Und schrieb dringt sichtbar schnell in die Haut den rasch beseitigt. Profi, in Droge- «mean fawthery easten appull- ein: sie wird vor Reizungen und rien, Apotheken, beim Coiffeur. * celery», statt «Min Vatter ischt Zürich hat nicht nur ein origi- en Appizäller». nal irisch eingerichtetes Pub- Restaurant, sondern auch öfter * den irischen Dichter James Otto Zinniker (Pseudonym: Erstlings in Vertragsverhand- tut, so tun gewisse Dichter alles Joyce beherbergt. Von 1915 bis Tobias Kupfernagel), teilte einst lungen stand. Der Verleger: für eine günstige Kritik.» 1919 wohnte er in Zürich in min- im Nebelspalter mit: «Mir müend eifach luege, das destens sechs verschiedenen Be- «Ich besuchte den Bauern- beidi usemöged.» * hausungen. Mit seinen schlech- dichter Alfred Huggenberger Wie das heute in der Praxis C.F.Meyer, gestorben 1898, ten Augen war er bei Professor im Sommer seines 81. Lebens- aussieht, schildert der gleiche bekam ein Romanmanuskript Alfred Vogt in Behandlung. In jahres in Gerlikon ob Frauen- Autor: «Mer möged beidi use. zur Beurteilung zugeschickt. den dreissiger Jahren stieg er feld. Der geistig und körperlich Min Verleger hät e Villa im Tes- Der Autor bat ihn im Begleit- mehrmals im Hotel Carlton- erstaunlich jugendfrisch geblie- sin, und ich han en Eizimmer- schreiben, dabei auch die Flüs- Elite ab, hatte unter anderem bene Mann, dem der Schalk aus wonig zZüri.» sigkeit des Stils zu berücksichti- Ärger mit dem Personal und den bauernschlauen Augen * gen. C.F.Meyer schickte den äusserte die Vermutung, die blitzte, erzählte von seinen Roman zurück mit der Bemer- Landesausstellung 1939 werde ersten, auf eigene Kosten ge- Emanuel Stickelberger, 1961 kung: «Ihr Stil ist flüssig, Ihr dem Betrieb «a diploma as the druckten Versen, über die ein verstorbener Basler Dichter, Buch überflüssig.» Gemeinste Kneipe» ausstellen. Neider ausgestreut hat, er habe war einerseits Mitglied des PS : So will's die Anekdote. In damit mindestens drei Ochsen baselstädtischen Kirchenrates, Wirklichkeit ist dem Dichter * verdichtet. Conrad Ferdinand Meyer ablehnend gegenüber. Grund: schmunzelnd bei.» beiden Funktionen liessen sich kam mit dem Zug abends in ei- Joyce sei Jude. Zu jenen, die sich kaum miteinander vereinbaren, ner deutschen Stadt an, ohne für ihn einsetzten, gehörte * reagierte Stickelberger uner- sich vorher um Unterkunft be- Komponist Othmar Schoeck, Falls Verlass auf ein deut- wartet: Er sei beim Nachdenken müht zu haben. In einem Hotel dessen Liedzyklus «Lebendig sches Literaturbrevier ist, wollte zum gleichen Schluss gekom- beim Bahnhof fragte er nach ei- begraben» mit 14 Texten von der Tessiner Autorennfahrer men und trete deshalb - aus nem Zimmer. Der Concierge- Gottfried Keller es Joyce ange- Clay Regazzoni vom Ertrag dem Kirchenrat aus. tan hatte. einer autobiographischen Serie ein Haus bauen lassen. Man * * empfahl ihm angeblich Max Nicht Friedrich und nicht Pe- Im Herbst 1940 arbeitete Frisch, der ursprünglich nicht ter, sondern Ulrich Dürrenmatt, Joyce erneut in Frankreich, Schriftsteller gewesen war, son- gestorben 1908, gründete und GABA musste sich einer Flüchtlings- dern Architekt. betreute die «Buchsizytig». Ei- diese Gazette gegen Husten, karawane anschliessen, um Regazzoni aber soll misstrau- ner behauptete, Heiserkeit isch haben: «Max wandere bei ihm sofort nach Südfrankreich zu entkom- abgewinkt jeweils und Katarrh men. Auf der Flucht drehte er in Frisch? Lieber nicht, der aufs WC. Worauf Dürrenmatt einer kleinen provençalischen schreibt ja awc/r!» trocken entgegnete: «De heit Stadt im Café das Radio an. Zu- nume Sorg, dass euers F nid fällig meldete sich Beromünster * gschyder wird als euere Gring.» und sagte Schoecks Zyklus «Le- Ein Zürcher Autor aus mei- bendig begraben» an. Diese nem Bekanntenkreis erzählt aus * Sendung hat Joyce geradezu der Zeit, da er mit seinem zu- Conrad Ferdinand Meyer, verzaubert. künftigen Verleger wegen seines aus feinem Haus und von vor- nehmer Gesinnung, machte sei- nen Weg als Dichter unbeirrt James Joyce über Zürich: durch das, was Kritiker sagten «Welch eine Stadt! Ein See und statt Autorost... und schrieben. Als sein Hund zwei Flüsse!» Er behauptete diverse Kunststücke aufführte, auch, Zürich sei so sauber, dass BEKOI'UR um zu einem Zipfel Wurst zu man eine auf der Bahnhofstras- kommen, sagte Meyer zu seiner se ausgeschüttete Minestra bei Ihrem Fachmann Schwester: «Siehst du, so wie ohne Löffel wieder aufessen unser Joli für eine Wurst alles

66 bedauerte: Alles besetzt. Meyer sende und Abertausende 15-Mann-Fussball von zeigte sich betrübt. Er komme Anekdoten gesammelt und ver- Pünktchen auf dem i Immer diese Dass ziemlich weit der Neuigkeiten: als von weg, aus 11 Spieler zuwenig sind, um öffentlicht. Aber ihn jemand Schweiz, sei der Schriftsteller auch einmal zu gewinnen, dürfte von der Presse zum 90. Geburts- Conrad Ferdinand Meyer und sich inzwischen herumgespro- tag nach einer Scarpi-Anekdote wäre schon sehr froh, wenn er... chen haben. 13er-Mannschaften fragte, kam er einigermassen in «Ach», staunte der Con- gehen wegen der Abergläubi- sehen nicht, aber 15 wäre prima! Verlegenheit. Im Augenblick cierge, «freut mich, Sie kennen- Wenn 30 Mann um einen Ball fiel ihm lediglich ein, dass er als zulernen. Moment, wir werden Ihrem Geschmack nicht ent- Neuzuzüger in Zürich einst ge- schon noch ein Bett für Sie fin- sprechen, so kommen Sie zu glaubt hatte, «Üetliberg hell» Vidal der Bahnhofstrasse 31 den. Übrigens stehen Ihre Bü- an sei in Zürich: vielleicht finden Sie eine Biersorte. eher in Leseraum unserem für dort einen Orientteppich, der Öff Gäste. Darf ich sie Ihnen zei- Ihrem Geschmack entspricht! * gen?» Robert Walser hatte für eine Er führte C. F. Meyer in den Vorlesung aus eigenen Werken sich unauffällig und unerkannt Leseraum und wies nicht un- Buch. Der Buchtitel: «Geld in Zürich zugesagt. Wander- zu den Zuhörern und applau- stolz auf die Bände von müsste man haben.» lustig machte er sich von Biel dierte am Schluss des Abends Meyers Konversationslexikon. * aus zu Fuss auf den Weg und kräftig mit. * tippelte vergnügt Richtung Ost- Der Schweizer Schriftsteller Schweiz. Er nahm's recht gemüt- Es gibt wohl nur drei, vier Alexander Castell pflegte zu sa- lieh. Und im aargauischen Mel- Verstopfung! Schweizer Autoren, die auf sich gen: «Wenn man über Literatur ligen wurde er noch von Kin- übertragen können, was Wil- und Kunst diskutieren will, dem aufgehalten, mit denen er liam Faulkner einst gesagt hat: muss man sich mit Bankdirekto- fröhlich spielte. Danach kaufte «Ich bin soweit, dass ich es mir ren und Advokaten unterhal- er ihnen mit seinen letzten Bat- leisten kann, nur noch bei ten. Denn die Dichter und zen Backwerk. Zürich erreichte schlechtem Wetter zu arbeiten.» Künstler reden immer nur von er, es war vorauszusehen, mit «Ich nehme immer Reguletts bei Geld.» Verspätung. Am Rednerpult, Darmträgheit. Die * * ursprünglich für ihn bestimmt, wirken mild und Nach Weihnachten lag in der stand ein ihm Unbekannter und zuverlässig.» Vitrine einer Zürcher Buch- N. O. Scarpi! Zahlreiche Bü- las stellvertretend aus Walsers Reguletts- Tabletten, in handlung einmal ein einziges eher hat er geschrieben, Tau- Werk vor. Walser selber setzte Apotheken und Drogerien.

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NEBELSPALTER Nr. 40.1979