Der Prozess des Aufkommens einer Rock- und Popszene in Eine empirische Studie zu den infrastrukturellen und ideologischen Rahmenbedingungen

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie

an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von Johanna Knopper

Am Institut für Musikwissenschaft Begutachter: Ao. Univ.-Prof. Dr. phil. Werner Jauk

Graz, 2008

1 INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG 4

2. DIE GRUNDVORAUSSETZUNGEN AUF ANGLOAMERIKANISCHER WIE NATIONALER EBENE 6

2.1. DIE MUSIKALISCHE ENTWICKLUNG DER POPMUSIK IN ÖSTERREICH 6 2.2. DIE ANGLOAMERIKANISCHE PRÄMISSE 11 2.3. FÜR DIE SZENE IN GRAZ RELEVANTE GENRES 16 2.3.1. ROCKMUSIK 17 2.3.2. FOLK -MUSIK 19 2.3.3. JAZZ 20 2.4. DIE STEIRISCHEN BANDS 21 2.4.1. DIE BANDS AUS FÜRSTENFELD 21 2.4.2. DIE BANDS IN UND AUS GRAZ 24 2.4.3. MAGIC UND TURNING POINT ALS DIE ERFOLGREICHSTEN BANDS DER FRÜHEN 70 ER JAHRE 28

3. METHODE 34

4. EINGLIEDERUNG DER PERSONEN 38

4.1. DER BEGINN DER SZENE IN GRAZ UND DIE DEFINITION DES MILIEUS 38 4.2. DER ERSTE KONTAKT MIT ROCKMUSIK 42 4.2.1. DAS RADIO 43 4.2.2. DIE SCHALLPLATTE 44 4.3. DIE ERSTEN BANDS : WO MAN SICH TRAF UND KENNENLERNTE 46

5. DAS NACHSPIELEN DER ANGLOAMERIKANISCHEN MUSIK AUF EINER AMATEURHAFTEN BASIS, DIE VORANGEGANGENEN ANTREIBENDEN MOTIVATIONEN UND DIE ERSTEN ERGEBNISSE. 49

5.1. DIE MUSIKALISCHE VORBILDUNG 49 5.2. DIE IMITATION DER ANGLOAMERIKANISCHEN MUSIK 50 5.3. DIE MOTIVATION 52 5.4 ROCK , FOLK UND JAZZ IM BEZUG AUF GRAZ 55 5.5. DIE ERSTEN SELBSTGESCHRIEBENEN SONGS 58

6. DAS INFRASTRUKTURELLE UMFELD UND DESSEN FÖRDERNDE PERSÖNLICHKEITEN UND INSTITUTIONEN 61

2 6.1. DER MUSIKALIENHÄNDLER 61 6.2. DIE ERSTE INVESTITION EINER BAND : DER PROBERAUM 63 6.3. RAUS AUS DEM KELLER : DER SCHRITT IN DIE ÖFFENTLICHKEIT 64 6.3.1. LOKALE ALS AUFTRITTSMÖGLICHKEIT 64 6.3.2. VERANSTALTUNGEN ALS AUFTRITTMÖGLICHKEIT 66 6.4. DIE VERFÜGBARKEIT UND HANDHABUNG DER AUFTRITTSTECHNIK 68 6.5. DAS PUBLIKUM 70

7. DAS EINWIRKEN DER IDEOLOGIEN AUS GROßBRITANNIEN UND DEN USA AUF DIE JUGENDLICHEN IN GRAZ UND DIE DARAUS RESULTIERENDEN VERÄNDERUNGEN DER GESELLSCHAFT 73

7.1. DAS ENTSTEHEN EINER JUGENDKULTUR 73 7.2. DIE VORBILDER UND IHRE WIRKUNG 82 7.3. DIE SPRACHE 85 7.4. SEX , DRUGS AND ROCK `N`R OLL IN GRAZ 87 7.5. DIE GRAZ -SPEZIFISCHE FORM DES PROTESTS UND SEINE HINTERGRÜNDE 90

8. DIE VERÄNDERUNG DER SZENE 96

8.1. GENERATIONSWECHSEL 98 8. 2. INDIVIDUALISIERUNG 99 8.3. DAS AUFKOMMEN DER DISKOS ALS TOD FÜR DIE LIVE -MUSIK 100 8.4. DIE ENTWICKLUNG VON DER SUBKULTUR ZUR POPKULTUR 100 8.5. DER KLEINE MARKT UND DIE INTERNATIONALE MUSIKINDUSTRIE 101 8.5.1. DIE PLATTENFIRMA 104 8.5.2. DER A&R MANN – ARTIST AND REPERTOIRE 106 8.5.3. DER MANAGER 107 8.5.4. DIE PRODUKTION 109 8.5.5. MARKETING - PROMOTION 113 8.5.6. DER VERTRIEB - PLATTENLÄDEN 117

9. DIE ENTWICKLUNG EINER EIGENSTÄNDIGEN FORM DER POPULÄREN MUSIK 120

10. RESÜMEE 123

11. DISKUSSION 128

12. LITERATURVERZEICHNIS 131

3 1. Einleitung

Als in den 60er Jahren in Liverpool aus der Jugend heraus der Beat entstanden war, war damit ein neues Genre geboren worden, das ganz Europa wie auch die USA beeinflussen sollte. In allen größeren Städten bildeten sich nach dem Vorbild in Liverpool kleine Szenen, um diese Musik zuerst nachzuspielen, und dann mit eigenen kulturellen Stilmitteln zu verbinden. Er- gebnis dieser „doppelten kulturellen Sozialisation“ (Jauk, 2005) war beispielsweise der Au- stropop.

Diese Arbeit baut auf der Annahme auf, dass auch in Graz eine Szene entstanden ist, die sich an den internationalen Vorbildern orientierte. Entscheidend dafür war nicht nur die Musik allein, sondern zusätzlich eine Reihe von infrastrukturellen, technischen und ideologischen Vorbedingungen. Grundvoraussetzungen für das Verständnis, sind neben den internationalen und auf Österreich bezogenen Rahmenbedingungen, Kenntnis über die verschiedenen Genres, die auf die Musik in Graz eingewirkt haben, und über die Namen der Bands und einzelner Musiker. Daher sollen alle diese Themenschwerpunkte eingangs besprochen werden. Die Daten dieser Arbeit wurden aus einer ausführlichen Literaturrecherche und Leitfaden- Interviews, geführt mit Musikern und Personen aus dem nahen Umfeld der Szene, gewonnen.

Eine zentrale These war, dass die Szene in Graz vorwiegend aus Grazern und Studenten aus dem Raum Fürstenfeld bestanden hat. Dieser wird im nächsten Kapitel behandelt, genauso wie die Milieus, in denen sich die Musiker bewegten und der Zugang zur Musik.

Das es eine „Nachspielphase“ (Larkey, 1993) gegeben hat, wie das in Wien der Fall war, ist die nächste These, der auf den Grund gegangen wird. Diese Nachspielphase kennzeichnet, den ersten Schritt in Richtung einer selbstständigen Jugendszene. Darüber hinaus werden die Motivationen für das vermutlich amateurhafte Nachspielen dargestellt.

Damit aus musikbegeisterten Jugendlichen eine Szene, bestehend aus vielen verschiedenen Bands, erwachsen kann, sind verschiedene infrastrukturelle Rahmenbedingungen notwendig. Die Anschaffung von Instrumenten, Proberäumen und die Möglichkeiten für erste Auftritte, sind die ersten Hürden, die eine Band, zu bestreiten hat (Frith, 1981). Wie sich dieses Umfeld in Graz gestaltet hat und wie es das Entstehen eines Szenelebens dadurch begünstigt hat, war ein wesentliches Thema bei den Interviews.

4 Im nächsten Kapitel wird auf die international übertragenen Ideologien eingegangen, die auf die Jugend in Graz eingewirkt haben. Die Annahme, dass die neu entstandene Jugendkultur, im Gegensatz zur Elternkultur, auch an Graz nicht spurlos vorbeigegangen ist, ist die Grund- annahme für dieses Kapitel.

Bands oder Musiker, die von ihrer Musik leben wollen, müssen über die Grenzen Österreichs hinweg erfolgreich sein. Der inländische Markt ist zu klein, um den Break-Even-Point zu ü- berschreiten (Huber, 2001). Aus diesem Grund unterliegt der österreichische Markt den Be- dingungen der internationalen Musikindustrie. Welche Auswirkungen das auf Graz hatte, wird im letzten Kapitel besprochen.

5 2. Die Grundvoraussetzungen auf angloamerikanischer wie nationaler Ebene

Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen vier verschiedene Themengebiete. Zuerst wird die mu- sikalische Situation der 60er und 70er Jahre in Österreich behandelt. Es wird auf die Frage eingegangen, wie die Popmusik in Österreich entstanden ist und welche medialen, techni- schen und angloamerikanischen Bedingungen diese Entwicklung begünstigt haben. Da Pop- und Rockmusik ein internationales Phänomen ist, das von Großbritannien und den USA aus- gehend ganz Europa beeinflusst hat, werden die verschiedenen Aspekte, die mit der Musik einhergehen dargestellt. Im Anschluss werden die verschiedenen Musikrichtungen beschrie- ben, die auf die Bands in Graz eingewirkt haben, um gleich darauf in die Empirie einzusteigen und die einzelnen Personen und Bands der Szene in Graz darzustellen. Kenntnis über diese Bereiche erscheint schon an dieser Stelle wichtig, weil in den nächsten Kapiteln direkter Be- zug zu der Musik, wie auch zu Graz genommen wird.

2.1. Die Musikalische Entwicklung der Popmusik in Österreich

In den 50ern und auch noch Anfang der 60er Jahre wurde die Österreichische Szene der popu- lären Musik dominiert von den Produkten aus den USA und Westdeutschland. Der Rock and Roll aus Amerika wurde allerdings nur von einer kleinen Gruppe im Untergrund gehört und hatte daher keine große Bedeutung für die österreichische Musik. Österreich war viel mehr geprägt von der deutschen Industrie, die ihrerseits stark von den amerikanischen Produkten beeinflusst war. In Deutschland entwickelten sich Cover-Versionen, in denen die englischen Texte ins Deutsche übersetzt wurden, wobei das rebellische Potential darin in der deutschen Version weggelassen wurde (Larkey, 1993, S.96). Das Endprodukt, das dann in Österreich ankam, war politisch entladener Schlager, zu dem im weiteren Verlauf auch Österreich mit Interpreten wie Fredy Quinn, Peter Alexander, Lolita und später Udo Jürgens einiges beitrug (Jauk, 1995, S. 312). Rock and Roll wurde hingegen in Österreich anfangs nur von einer klei- nen Gruppe konsumiert, vergleichbar mit der Bewegung der Halbstarken in Deutschland. Un- ter den Halbstarken sind nach Ferchhoff (1998, S. 222f) die Jugendlichen aus der Arbeiter- schicht zu verstehen, die zwar durch den wirtschaftliche Aufschwung schon eine gewisse Kaufkraft hatten, aber durch ihr Elternhaus in ihrer Schulausbildung und Berufswahl einge- schränkt und vorbelastet waren. Die Halbstarken sind vergleichbar mit den späteren Rockern, die ähnliche Stilmittel aufweisen, wie es das Motorrad und die Lederjacke waren. Während die späteren Rocker allerdings britische Wurzeln hatten, beziehen sich die Halbstarken in den

6 50er Jahren auf den amerikanischen Rock and Roll. Das Phänomen der Halbstarken, das in Deutschland durchaus zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führte, war in Österreich we- sentlich weniger radikal. Denn während Bill-Haley-Konzerte in Deutschland zu Aufruhr führ- ten, war das in Österreich nicht der Fall. Wie bereits erwähnt war die Gruppe, die damit in Verbindung zu bringen ist, nur eine kleine. Dennoch beschreibt Larkey (1993, S. 117) diesen Rock and Roll-Konsum als den ersten Schritt Österreichs in Richtung einer eigenständigen österreichischen Rock- und Popmusik. In den 60er Jahren, als die „Beatles“, die „Rolling Sto- nes“ und andere britische Bands über die Medien nach Österreich transportiert wurden, folgte auf diesen Konsum eine „Nachspielphase“ (Larkey, 2005, S. 105). In Österreich bildeten sich in den größeren Städten Bands, die sich autodidaktisch sowohl die Texte als auch die Instru- mente beibrachten um diese internationale Musik nachzuspielen. Eine besonders wichtige Persönlichkeit war damals schon Jack Grunsky mit seiner Gruppe „Milestones“, da sie den politisch geladenen Folk mit Vertretern wie Bob Dylan, Pete Seeger und Peter, Paul and Mary importierten. Damit legten sie den Grundstein für das spätere Vermischen zwischen Folk und Rock, das in Österreich eine große Bedeutung haben sollte. Vor allem die Beatles und die Rolling Stones aber waren es, die nicht nur in Österreich, sondern europaweit, Jugendliche dazu motivierten, sich zu Bands zusammen zu schließen, um ebenfalls Musik zu machen. In Österreich waren es vor allem die Gymnasien, die einen Rahmen dafür boten. Diese Nach- spielphase dauerte bis Mitte der 70er Jahre an, wo viele Gruppen existierten die entweder in- ternationale Hits nachspielten, oder eigene Songs komponierten, die aber kaum von den Hits ihrer Vorbilder abwichen (Pfeiler, 1995, S. 31). In diesem Zeitraum haben sich viele der ers- ten Gruppen schon wieder aufgelöst oder verändert, entweder in Form von neuen Musikern oder Änderungen des Repertoires.

Am Ende der Nachspielphase hatten sich zwei verschiedene Richtungen entwickelt. Einerseits ist eine professionelle Schlagerszene entstanden, zu der zum Beispiel die Bambies hinzuzu- zählen sind und andererseits eine Beatszene mit den verschiedenen britischen Einflüssen: den Beat aus Liverpool mit seinem Schwerpunkt auf der Gitarre, jenem aus Manchester, der vom Gesang dominiert wird und dem Rhythm and Blues-lastigen Beat aus London, geprägt von Alexis Korner und John Mayell (Jauk, 1995, S. 313). Nach Jahren des Amateurmusizierens wuchs neben dem Selbstvertrauen der Musiker und deren musikalischen Fertigkeiten der Druck seitens der internationalen Plattenfirmen mehr österreichische Aufnahmen zu produzie- ren. Einige Gruppen begannen damit, Eigenkompositionen zu spielen, und hatten damit be- reits ihr eigenes Publikum für sich gewonnen. Nachdem dieser Schritt getan war, beschreibt

7 Larkey (1993, S. 149) den nächsten der De-Anglicization, also der Entfernung vom reinen Nachahmen des Stils, der aus England und der USA importiert wurde, hin zu eigenständigen Musikrichtungen. Damit verbunden war die Vermischung von ausländischen mit inländischen Musiktraditionen und somit auch die Benutzung der eigenen Sprache, besser gesagt des Dia- lekts.

Jauk (2002, S. 81) bezeichnet die Entstehung des Austropop als das Ergebnis einer doppelten kulturellen Sozialisation. „Seine Genese vollzieht sich nach dem Modell der Verschmelzung ersehnter kultureller Ausdrucks- und Lebensformen mit den von Elternhaus und Schule getra- genen Haltungen – Musik ist ein zentrales Medium all dieser Haltungen.“ (Jauk, 2002, S. 81). Ein Prozess, der nicht nur in Österreich stattgefunden hat, sondern Teil jeder neuen Entwick- lung der Rockmusik ist. Genau auf dieselbe Art und Weise ist bereits in den 1950er Jahren aus der Sehnsucht nach der schwarzen Kultur, die weiße Country- und Westernmusik mit dem schwarzen Blues zum Rock`n`Roll verschmolzen. In den 60er Jahren war es die Irish übertragen über Skiffle und vereint mit dem Rock`n`Roll, woraus der Beat entstand. Auslöser war die Sehnsucht nach Freiheit, die im Rock`n`Roll vermittelt wurde. Der „Assimi- lationsprozess“ ergibt sich aus der Nachspielphase in der das Fremde imitiert wird, und der darauf folgenden Einbindung von regionalen Stilen (Jauk, 2005, S. 105).

In Österreich wurde dieser Prozess begünstigt durch die Entstehung des österreichischen Ju- gendsenders Ö 3, der eine Reaktion seitens des Österreichischen Rundfunks darauf war, dass die Jungendlichen zu ausländischen Radiosendern wie Radio Luxemburg abgewandert waren. Im Profil von Ö 3 war es vorgesehen, dass neben den internationalen Hits auch österreichi- sche Produktionen gespielt werden sollten. Man musste sich aber der Tatsache stellen, dass diese schlicht nicht vorhanden waren, obwohl die Rockmusik-Szene in „jenem durch die Eckpfeiler Blues und Heavy-Rock, Protestsong sowie Mainstream und Tanzmusik abgesteck- ten Terrain“ (Jauk, 1993, S. 314) existierte. Darüber hinaus hatte diese „selbstorganisierte Szene“ (Jauk, 1993, S. 314) auch in verschiedenen Clubs, Konzertessälen und Tanzsälen Möglichkeiten für Live-Auftritte und es fehlte vor allem an Produktionsmittel und dem not- wenigen „medialen Multiplikator“ (Jauk, 1993, S. 314). Der ORF reagierte auf diesen Mangel in erster Instanz mit der ersten ORF Produktion „Wie a Glock`n“, gesungen von Marianne Mendt (Jauk, 2002, S. 81). Das im Dialekt gesungene Lied gilt als der Beginn der Dialektwel- le, zu der auch schon steirische Formationen wie Magic und Joseppa und Musyl hinzuzuzäh- len sind (Weiss, 1995, S. 69). Mendts „Wie a Glock`n“ kann also als Beginn der Dialektwelle

8 angesehen werden, was aber nicht mit dem Beginn des Austropop verwechselt werden sollte. Der Grund dafür liegt darin, dass die Macher, Text Gerhard Bronner, Musik Hans Salomon, nicht Teil der eigenständigen Rockkultur waren, sondern der Elterngeneration angehörten. Gespielt wurde der Hit von der eigenen ORF Bigband (Jauk 1993, S. 316). Ö 3 beschäftigte sich nicht nur mit eigenen Produktionen, sondern ging mit Eva Maria Kaiser und ihrem Ta- lentwettbewerb, der Showchance, auch auf die Suche nach eigenständig entstandener Rock- musik und fand unter anderen Wolfgang Ambros (Jauk, 2002, S. 81). Sein Hit „Da Hofa“ war der erste Titel aus der amateurhaften „Rock-Generation“ (Jauk, 1993, S. 316) und kann als der Beginn des Austropop angesehen werden, da hier erstmals internationale Klänge mit dem traditionellen Wienerlied und dem Wiener Kabarett in Verbindung gebracht wurden. „Im rot- zigen Wiener Slang wird die makabre Geschichte eines Mordes in der Texttradition des – in barocker Manier – eher mit schwarzem Humor angereicherten Wienerliedes erzählt; die Doppelbödigkeit wird erst im Ausklang von der Ahnung zur Gewissheit.“ (Jauk, 1993, S. 317). Begünstigt wurden diese Entwicklungen aber nicht nur durch verschiedene Musiker, wie Wolfgang Ambros und Georg Danzer, sondern auch die Etablierung von Persönlichkeiten im Bereich des Managements wie Herbert Fechter, Karl Scheibmaier und der Produktion mit Vertretern wie Robert Ponger und Peter Müller. Nachdem der ORF anfangs seine Musiker selbst produziert hat, entstand bald eine kleine Studioszene, anfangs wohl aus dem Bestreben heraus, die eigene Musik und die der Freunde aufzunehmen und weniger um kommerziell erfolgreich zu werden. Daher gehörten diese Studios anfangs einem bestimmten Stil an und waren ideologisch besetzt. Obwohl diese billigeren Produktionsmöglichkeiten Musiker dazu animierten auch experimentell zu arbeiten, existierte keine Klein-Label-Szene, lediglich die Major Firmen hatten ihre Ableger in Österreich und vertrieben die internationale Musik (Jauk, 1993, S. 315). Aus diesem Grund und weil der österreichische Markt zu klein ist, um als Mu- siker nur von den Erlösen im eigenen Land leben zu können, unterliegt der Erfolg einer Szene den internationalen Produktionsbedingungen und den Medien. Und um dort bestehen zu kön- nen, braucht es in einem kleinen Land wie Österreich gute Beziehungen (meist kennen sich die Personen aus allen Bereichen, also Produktion, Medien, Musiker, untereinander), Glück und viel Durchhaltevermögen (Huber, 2001).

Auf diese Faktoren aufbauend ist der Austropop entstanden und somit die bislang bedeutends- te populäre Musik in Österreich. Ö 3 hat den Austropop nicht nur gefördert, sondern sowohl inhaltliche als auch musikalische Forderungen an die Musik gestellt. Der Text sollte mög- lichst in deutscher Sprache, noch besser in Umgangssprache, geschrieben sein und die Musik

9 einen typisch österreichischen Klang aufweisen. Hält man sich an diese Orientierungen, ist ein größerer Erfolg zu erwarten, als wenn man lediglich die internationalen Standards nach- ahmt. Für Jauk (1993, S. 314) liegt das vor allem daran, dass durch die Hinwendung zur eige- nen Tradition mehrere Schichten erreicht werden können. Dadurch, dass der Austropop näher beim Schlager beheimatet ist, musste sich das ältere Publikum nicht an die viel fremder klin- gende englische Rockmusik gewöhnen und vor allem ein junges Publikum kann darin Le- bensbilder finden. „Die Möglichkeit zur Identifizierung mit jenen in den Liedern aufgegriffe- nen Alltagsthemen führt zudem zur empfundenen Verbrüderung mit dem scheinbar nahen Star. Ambros, Cornelius, Fendrich und Ostbahn Kurti stellen diesen Typus abseits der entper- sonifizierten internationalen Stars dar.“ (Jauk, 1993, S. 314).

Woher der Begriff kommt, weiß allerdings niemand. Genauso wenig will sich jemand als Au- stropopper bezeichnen lassen. Das liegt vor allem daran, dass der Begriff an sich letztlich nur auf das Land Österreich hinweist. Chris Wemcken vorn Polygram dazu: „Ich wehre mich dagegen, einer Musikrichtung den Stempel aufzudrücken, der eine ethnische Qualifizierung darstellt.“ (zit.n. Fuchs, 1995, S.74). Auch die englische Bezeichnung für einen Stil, der mit der deutschen Sprache in Verbindung steht, wirft Fragen auf. Der Begriff selbst umfasst ein breites Band an verschiedensten musikalischen Stilrichtungen, die nicht einer einheitlichen Charakteristik zuzuordnen sind, weder was innermusikalische Merkmale wie den Klang an- geht noch die Herkunftsorte der Interpreten oder Komponisten. Ein Umstand, der, wenn es nach Walter Gröbchen (1995, S. 7) geht, eher einer „Farce“ ähnelt, vor allem deshalb weil man sämtliche verschiedene Musikrichtungen einem Begriff unterordnet, nur aufgrund der- selben Nationalität der Musiker. Er beschreibt das folgendermaßen: „Tatsache ist, daß sich seit Beginn der 70er Jahre alles, was heimische Künstler an musikalischem Output produzie- ren, die Bezeichnung Austropop gefallen lassen muß. Und das bei einer kreativen Bandbreite, wie sie weiter und vielfältiger nicht sein könnte. Die sentimentale Poesie eines Andrè Heller oder einer Erika Pluhar, der typische wienerische schwarze Humor eines Ludwig Hirsch, die grantelnde Originalität eines Wolfgang Ambros oder der kabarettistische Witz der EAV bil- den nur den engeren Kern einer fiktiven Austropop-Genealogie.“ (Fuchs, 1995, S. 75). Eine Möglichkeit diese Vereinheitlichung zu erklären, könnte die Orientierung zum Markt hin sein, der die Popkultur unterliegt und die es notwendig macht einer musikalischen Entwicklung ein Etikett zu verleihen. Mit diesem Etikett lässt sie sich schließlich besser einordnen und da- durch besser vermarkten (Fuchs, 1995, S. 75).

10 Trotz dieser Uneinigkeit über den Begriff teilt Larkey (1993) den Austropop, ab dem Zeit- punkt wo er schon besteht, in zwei Phasen ein. Die erste Phase, die zwischen 1971 und 1977/78 einzuordnen ist, war für die Beteiligten eine Phase des Lernens, in der die verschie- denen Musiker noch auf der Suche nach ihrem eigenen Stil waren und aus der Persönlichkei- ten wie Wolfgang Ambros, Georg Danzer, Wilfried Scheuz und andere hervorgegangen sind. Diese Lernphase war jedoch nicht nur für die Musiker selbst wichtig, sondern auch für Produ- zenten, speziell für Peter J. Müller, der zum Produzenten für Austropop schlechthin wurde. Die zweite Phase, die Ende der 70er Jahre begann, nennt Larkey die „Re-Ethnicization“ (1993, S. 173). Zu diesem Zeitpunkt versuchten die neu entstandenen Genres sich einen Platz in der etablierten Musikwelt zu erkämpfen. Damals war schon die Liedermacher Szene mit Ludwig Hirsch und Reinhard Fendrich entstanden, daneben existierten auch bereits die Thea- ter-Rock-Gruppen, wie die EAV und Hallucination Company. Zu nennen ist hier auch schon STS, die ihre größten Erfolge in den 80er Jahren feierten. Englisch wurde in Österreich zwar als die ursprüngliche Sprache des Pop wahrgenommen und wurde ein Teil ihrer akustischen und ästhetischen Struktur, aber sie verkörperte auch die Sprache des Kommerzes. Das liegt daran, dass Englisch die Sprache der internationalen Produktionsfirmen war, die den österrei- chischen Markt zwar überschwemmten, aber Österreichern keine Chance gab, selbst damit erfolgreich zu werden. So wurden österreichische Popgruppen, die internationale Hits cover- ten, als kommerziell betrachtet und waren meist wenig erfolgreich.

2.2. Die angloamerikanische Prämisse

Liverpool hatte zu seiner Hochzeit rund 400 Beatbands und von dort ausgehend erreichte die- se Welle alle Ecken und Enden Europas. Im Jahr 1966 gab es allein in Hannover cirka 200 Beatbands. Die Gruppe, die wohl hauptverantwortlich war für diese Welle der Begeisterung, waren die Beatles, deren Mitglieder allesamt aus dem Raum um Liverpool stammten. Sie hat- ten 1964 in England bereits ihren Höhepunkt erreicht, also zu einem Zeitpunkt, wo in Öster- reich nur ein kleiner Kreis überhaupt schon etwas von dieser Musikrichtung vernommen hat- te. Wo auch immer sich die Beatles blicken ließen, lösten sie einen Massenauflauf und hyste- risches Geschrei aus. Konsumartikel wurden in Massen produziert. Beatles- Hemden, Hüte, Hosen, Schmuck, Uhren, Bleistifte und nicht zuletzt Perücken, die mit einem Beatles Symbol versehen waren, fanden einen Absatz der bislang noch nicht einmal vorstellbar war. Aber nicht die Beatles allein waren der Beat, sie sind letztlich nur die populärsten Vertreter. Der Beat, das waren die unzähligen Bands in den verschiedensten Städten Europas, die ihren Vor-

11 bildern aus England nacheiferten. Das waren Jugendheime, in denen so genannte „Beat- Battles“ (Baacke, 1970, S. 33) stattfanden, deren Sieger einen Geldpreis erhielt oder vielleicht sogar einen begehrten Plattenvertrag. Das waren darüber hinaus „Beatkeller und Beatschup- pen“ (Baacke, 1970, S. 33) und nicht zuletzt Gasthäuser am Land, die ihren Umsatz mit dem Engagieren von Beatbands vergrößerten. Die Radiostationen reagierten, indem sie eigene Beatsendungen einführten, die eine besonders hohe Einschaltquote versprachen, und auch die Jugendzeitschriften widmeten sich vorwiegend dieser Musikrichtung (Baacke, 1970, S. 31f.).

Die Szene in Großbritannien wurde vor dem Beat noch von Instrumentalgruppen wie den Shadows, dem „geglättetem High-School-Rock`n`Roll eines Pat Boone“ (Ferchhoff, 1998, S. 239) und Twist beherrscht. Liverpool war immer schon etwas anders. Schon in den 50er Jah- ren gab es hier eine Musikszene mit nordamerikanischen Einflüssen, die Skiffle-Gruppen, aus denen später der Beat entstehen sollte (Ferchhoff, 1998, S. 239). Soziologisch betrachtet wa- ren die Voraussetzungen dafür folgende: Die Bevölkerung in Liverpool wuchs schneller als die notwendige Infrastruktur, woraus am Ende die Slums in der Vorstadt entstanden sind. Im Zuge der Wirtschaftskrise wurden darüber hinaus noch 100 000e Liverpooler arbeitslos und die Grundbedürfnisse der Menschen wie Wohnen und Arbeit konnten nicht mehr gedeckt werden. So mancher Jugendlicher reagiert darauf, indem er in die Kriminalität ausweicht oder „er sucht sich einen Schutzraum, der die Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse ver- spricht.“ (Baacke, 1970, S. 35). Solch ein Schutzraum kann einer der zahlreichen Beatkeller sein, die zu diesem Zeitpunkt entstanden waren. Die Musik entstand also in den Arbeitervier- teln der Stadt und war geprägt davon, dass die Jugend unzufrieden war mit ihrer Arbeit und ihrem Zuhause. Sie ist aus dem Untergrund heraus entstanden, mehr oder weniger in Kellern (Hoffmann, 1981, S. 79). Hier fanden die Jugendlichen was sie brauchten: „Wärme, Gebor- genheit und jene Solidarität, die von der Welt verweigert wurde.“ (Baacke, 1970, S. 35). Man traf sich in der Mittagspause und nach der Arbeit „um sich wenigstens vorübergehend von dem Außendruck zu entlasten.“ (Baacke, 1970, S. 36). Das Symptom Beat geht also weit über die Musik selbst hinaus und betrifft vielmehr die gesamte Lebensweise einer Generation, die auch bestimmte Wertvorstellungen mit einschließt. Somit war eine Musikpraxis entstanden, die von den Jugendlichen selbst organisiert und getragen worden ist, und das vorerst ohne den Einfluss von außen. Damit verbunden sind innermusikalisch gesehen neue Spielweisen, die von den Jugendlichen selbst erfunden wurden (Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 406).

12 Der Beat aus Liverpool, der aufgrund des Ursprungs in dem Industriegebiet am Mersey River auch Mersey Beat genannt wird, entstand durch das amateurhafte Nachspielen des Rock`n`Roll aus Amerika. Man besann sich dabei vor allem auf den ursprünglichen Rock`n`Roll, also auf jenen, der noch vor seiner Kommerzialisierung gespielt wurde. Die wichtigsten Elemente dabei waren für die Jugendlichen in Liverpool „die rhythmische Unmit- telbarkeit und die aggressive Direktheit des Musizierens“ (Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 49). Die Lautstärke und der Beat wurden von ihnen übernommen und so gut es ging nachge- spielt. Hinzu kam noch das Gruppensingen, wohl vor allem, damit sich die Stimmen unterein- ander stützen konnten, und eine Besetzung aus drei elektrischen Gitarren und einem Schlag- zeug, wie sie zum damaligen Zeitpunkt in England populär war. So wurde die Grundlage des Rock`n`Roll verwendet mit den drei Gitarren in Form von Rhythmus-, Melodie- und Bassgi- tarre und um eine eigene Form der musikalischen Begleitung und durch Zwischenspiele er- weitert. Daraus entstand die eigenständige Musikform des Beat, der seinen Namen, durch die besondere Betonung des zweiten und vierten Schlages erhielt und nicht wie in der europäi- schen Kunstmusik üblichen Betonung auf dem ersten und dritten Schlag (Wicke & Ziegenrü- cker, 1987, S. 50f).

Vor allem den Beatles mit ihrem durchstilisierten Erscheinungsbild ist es zu verdanken, dass diese Musik auch auf andere britische Städte und letztlich auf Städte in ganz Europa übergriff. Eine besondere Form des Beats entstand in London, da er hier auf eine Bluesszene stieß, was zu einer stark Rhythm & Blues-dominierten Spielform führte. Der Blues faszinierte vor allem dadurch, dass er rau und erdig war. Darüber hinaus war er genau das Gegenteil von dem, was die europäische Musiktradition vorschrieb, somit für eine protestierende Jugend ein passendes Ausdrucksmittel. Die wichtigsten Vertreter dieser eigenständigen Form des Beats waren an- fangs Alexis Korner mit seiner Gruppe „Blues Incorporate“ und John Mayall mit der Gruppe „Bluesbreaker“. Später sind daraus beispielsweise die „Rolling Stones“, die „Animals“ und „The Who“ hervorgegangen. Vor allem die Rolling Stones wurden mit ihrer aggressiveren, nervösen Musik und ihrem provokanten Auftreten und Aussehen der Gegenpol zu den Beatles (Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 50f). Die Folge: „Aus der englischen Beatmusik war eine internationale Erscheinung geworden, die weltweit Nachahmer fand, neue musikalische Ent- wicklungen auslöste und unter der amerikanischen Bezeichnung Rock Music von da an auch international verbreitet wurde.“ (Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 51). Ein Grund dafür, wa- rum sich diese Musik so verbreitete, war bestimmt, dass sie so einfach zu erlernen war. Jauk (2005) geht von zwei Gründen für diese enorme Verbreitung des Mersey Beats in England

13 wie international aus. „Zuerst die das Gruppenbewusstsein – somit den inneren Zusammen- halt und die Konzentration der Kraft nach außen – etablierende Zeitschrift Mersey-Beat, ge- gründet 1961 von Bill Harry, die der neuen Musik schließlich den Namen gab; und die reich- haltige und funktionierende Clubszene, die Auftritte und somit das Bekanntmachen von Grup- pen in unmediatisierter Rezeption ermöglichte.“ (Jauk, 2005, S. 365) Diese Clubs schafften den Raum um sich kennen zu lernen und zu treffen. Die Jugendlichen entzogen sich dem Ein- fluss der Erwachsenengeneration jedoch nicht nur in ihrer selbstständigen Art Musik zu betreiben, sondern darüber hinaus auch beim Verkauf der Musik. Erkennbar ist das am Mana- ger der Beatles, Brian Epstein, der zum Freundeskreis derselben gehörte. Damit ist erstmals eine von den Jugendlichen selbst organisierte Szene entstanden (Jauk, 2004, S. 365f). Ob es in Graz eine ähnliche selbstorganisierte Szene gegeben hat und wie diese genau ausgesehen hat, wird eine wesentliche Frage in dieser Arbeit sein.

Der Begriff der Jugend zog das erste Mal in den 60er Jahren, als Gegensatz zum unpolitischen Teenager der 50er Jahre, in die Soziologie ein. Der typische Teenager ist Teil der Arbeiter- klasse während sich die Jugend als solche gerade über die Auflösung der Klassen definiert. Ausgehend von einer vorwiegend studentischen Bewegung begann die Mittelschicht den Stil und die Wertvorstellungen der Jugendlichen aus der Unterschicht zu übernehmen. Der Protest gegen das etablierte System in politischer, wirtschaftlicher und sexueller Hinsicht, der damit einher ging beschränkte sich aber nicht nur auf die Studenten, sondern wurde Teil der ganzen Generation. Karl Mannheim sieht den Auslöser für dieses Entstehen einer neuen Generation in dem wirtschaftlichen Aufschwung in den 50er und 60er Jahren, der bewirkte, dass verstärkt höhere Bildung genutzt werden konnte und Vollbeschäftigung unter der Jugend herrschte. Die Erfahrungen, die die Jugend machte, hatte die Erwachsenengeneration nicht und daher spalte- te diese sich auch von ihr ab. Eine Erfahrung hatten sie alle gemacht: Egal wo sie sich beweg- ten, ihr Verständnis von Freizeit geprägt von Sex, Drugs and Rock `n` Roll wurde von der Polizei nirgends akzeptiert. Das allein reichte aber nicht für eine politische Gegenbewegung aus, sondern verursachte vielmehr das Gefühl machtlos zu sein, was am Ende dazu führte, dass die Klassen aufrechterhalten blieben (Frith, 1981). So fanden sich in den 70er Jahren alle wieder in ihren Klassen mit denselben Wertvorstellungen der vorhergehenden Jahrzehnte ein, mit dem Unterschied, „dass diese Normen und Wertvorstellungen diesmal mit einem neuen Konsumverhalten (insbesondere dem verstärkten Drogenkonsum), mit neuen Vorstellungen von persönlicher Freiheit (in erster Linie auf sexuellem Gebiet) und mit einer weit kritische- ren Einschätzung des etablierten «Systems» einhergingen.“ (Frith, 1981, S. 223). Eine Erfah-

14 rung hat die Jugend der 60er Jahre in Amerika allerdings gemacht, die sie miteinander ver- band und sie letztlich zu einer politischen Jugendbewegung machte: Die des Vietnamkriegs. Die Angst davor, eingezogen zu werden, führte nicht nur zu den vermehrten Drogenexzessen und dem Rockmusikkonsum, sondern auch zu echter Verzweiflung und machte sie politisch motiviert. Dadurch kann dieser Jugendkultur ein „Generations-Bewusstsein“ (Frith 1981, S. 223) zugesprochen werden. Gestärkt wurde das auch durch das Jahr 1968, wo man durch die Geschehnisse in Paris, Tschechien und mehr oder weniger überall in Europa und Amerika glaubte, man könne sich befreien, von gesellschaftlichen Zwängen und Institutionen. Die Ju- gend reagierte mit großer Begeisterung auf diese Ereignisse und auf der persönlichen Ebene haben sie das weitere Leben eines jeden auf irgendeine Art und Weise verändert. Ausgedrückt wurden diese Veränderungen in der Musik. „Die jungen Menschen erlebten in den 60er Jah- ren – insbesondere in bezug auf den Krieg und die Politik – einen immer schärferen Wider- spruch zwischen gesellschaftlichen und persönlichen Verpflichtungen, zwischen Freiheit und Verantwortung, und es war vor allem die Rockmusik, die sich mehr als jede andere Aus- drucksform mit diesen Problemen auseinandersetzte und sie anschaulich machte.“ (Frith, 1981, S. 224). Woran aber eine Jugendkultur am ersten Blick erkannt werden kann ist der Stil, über den sich die Gruppe definiert (Frith, 1981, S. 218f). Das CCCS (Centre For Contempora- ry Cultural Studies) beschäftigt sich eingehend mit der Zeichenhaftigkeit des Stils. Vorrangig in Form von außergewöhnlicher, oft sogar schockierender Kleidung, deren Elemente mit Be- deutungen besetzt sind, versucht eine Jugendkultur, hier wird der Begriff Subkultur verwen- det, ihr Missfallen an der gesellschaftlichen Ordnung auszudrücken (Hebdige, 1983). Dieser Stil steht aber immer in Verbindung mit der entsprechenden Musik. „Die Intensität der musi- kalischen Identität zeigt sich am deutlichsten bei einem Konzert: alle sind genauso angezogen wie der Star.“ (Frith, 1981, S. 246). Die Musik ist das Mittel, mit dem sich die Jugend am leichtesten ihren eigenen Raum schaffen kann, sei das auf der Straße, in der Bar oder zu Hau- se. Sie bietet aber auch die Möglichkeit sich auszudrücken, also die eigenen Ziele und Werte zu kommunizieren. „Für die ursprünglichen Hippies hatte die Musik vor allem die Funktion, ihre Opposition gegen das «Produktivitäts-Ethos» deutlich zu machen. Sie hatten eine klare Einstellung zum Kapitalismus und zum «guten Leben» (Frith, 1981, S. 253).

Wesentlich getragen wurde die Entwicklung der Pop- und Rockmusik von technischen Neue- rungen. Die Skiffle Musik, also jene Musikrichtung, aus der später der Beat hervorging, war bereits eine Musikrichtung, die von Amateuren getragen wurde. Unter den Musikern war es damals noch üblich, sich die Instrumente selbst zu bauen (Jauk, 2005, S. 110). Aber seit An-

15 fang des 20. Jahrhunderts hat die amerikanische Firma Gibson damit experimentiert, elekt- risch verstärkte Gitarren, und damit das zentrale Instrument der Popmusik, zu bauen und stell- te 1920 ihr erstes Exemplar vor. 1936 folgten die elektrische Hawaii-Gitarre und die elektri- sche spanische Gitarre, die beide mit einem elektromagnetischen Verstärker ausgerüstet wa- ren. Der Preis dieser handgefertigten Gitarren war allerdings groß und die Firma Gibson konnte sich vorerst vor allem im Bereich des Jazz etablieren. Leo Fender aber war es, der die Zeichen der Zeit wahrnahm und den großen Markt erkannte, der von den Kreisen der Country Musik und in weiterer Folge der Rockmusik ausging. Er begann damit seine Gitarren maschi- nell zu fertigen und passte sie an die Bedürfnisse an, die der Markt stellte. „Seine Industrie drückte die nicht artikulierten Sehnsüchte der Musiker aus, seine Instrumente hießen Broad- caster, Telecaster sowie Stratocaster; letzteres repräsentierte zudem in der Forma das Image der young generation.“ (Jauk, 2005, S. 357). Dieses Image spiegelte sich einerseits in ihrer neuartigen Form, als auch in ihrem Klangveralten wieder. Aus diesen Gründen und weil sie besonders widerstandsfähig war, wurde sie „zum Symbol für Rock n´ Roll.“ (Jauk, 2005, S. 357). Dadurch, dass sie günstig industriell hergestellt wurde, war die „kommerzielle Verfüg- barkeit“ (Jauk, 2005, S. 357) hoch und das förderte gemeinsam mit der einfachen Bespielbar- keit das amateurhafte Musizieren der Popmusik in Amerika. Das Amateurspielen des Beats in England entstand schon „in der Fusion mit der britischen Musikinstrumentenindustrie und den ästhetischen Anforderungen der Szene“ (Jauk, 2005, S. 357). Ein Beispiel dafür ist die Solid-Body-Guitar vor allem der Firma Gibson, die in Verbindung mit den Produkten der britischen Firma Marshall kennzeichnend für den Sound ist, der für die Szene in London ty- pisch ist. Auf diese Weise wurden sämtliche Entwicklungen des Beats von der britischen Mu- sikindustrie mit getragen (Jauk, 2005, S. 357).

2.3. Für die Szene in Graz relevante Genres

Der britische Beat wurde im vorangegangenen Kapitel ausführlich beschrieben. Für Graz wa- ren jedoch auch andere Genres relevant. Auf welche Art sie die Musikszene in Graz beein- flusst haben, wird zu einem späteren Zeitpunkt geklärt. An dieser Stelle ist es lediglich wich- tig, die verschiedenen Genres grundlegend zu beschreiben, da sie im weiteren Verlauf der Arbeit immer wieder angesprochen werden.

16 2.3.1. Rockmusik

Betrachtet man die Rockmusik musikalisch, so kommt sie vom amerikanischen Rock`n`Roll, der seinerseits eine Mischung aus dem Rhythm & Blues der Schwarzen und der Country & Western Musik der Weißen ist (Hoffmann, 1981, S. 14). Dieser Rock`n`Roll wurde nach Eng- land importiert, wiederum neu interpretiert und am Ende kam die Beatmusik heraus, die also die Geburt der Rockmusik ist. Auf die Beatmusik wurde schon am Beginn dieser Arbeit ein- gegangen und sie soll hier nur noch insofern erwähnt werden, als dass sie der Ausgangspunkt von Rockmusik ist, oder Rock vielmehr den Begriff Beat ablöste. Aufgekommen ist der Beg- riff in der USA Mitte der 60er Jahre, als eine Kurzform von Rock`n`Roll. Es sollte damit dar- auf hingewiesen werden, dass der Beat, der ja 1964 über die Beatles auch in den USA eine Welle der Begeisterung auslöste, seinen Ursprung im amerikanischen Rock`n`Roll hat, der aus den USA nach England importiert worden war. Den Begriff Rock genau zu definieren ist allerdings sehr schwierig, da er einerseits für alle Musikrichtungen, die sich auf irgendeine Art und Weise auf den Rock`n`Roll beziehen und auf der anderen Seite als authentischer Ge- genpol zur Popmusik verwendet wird. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Stilrichtungen und Spielweisen, die es unmöglich machen, den Begriff genau zu definieren. Wesentlich leichter ist das über den ästhetischen und soziologischen Zugang. Demnach ist Rockmusik „bestimmt durch die kollektive Identität von Texter, Komponist, Arrangeur und Interpret in der Rockgruppe.“ (Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 405). Nicht mehr nur der Komponist be- stimmt über den Sound, sondern diese Musik ist an eine Reihe von Personen und vor allem auch die technische Entwicklung gebunden, speziell die der Schallplatte. Besonders wichtig sind aber natürlich auch die Elektrische Gitarre und die dazugehörenden Lautsprecherboxen und Mikros. Mit diesen Utensilien wurde so lange experimentiert, bis man aus dem Miss- brauch, also die Gitarre so nahe an den Verstärker zu halten, dass eine Rückkoppelung ent- steht, ein Ausdrucksmittel entwickelte. Lärm wurde also Teil der Musik (Hoffmann, 1981, S. 82). Soziologisch betrachtet ist Rockmusik ein Teil der „Lebensweise und Kultur Jugendli- cher“ (Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 405), die darüber hinaus noch mit verschiedenen Me- dien, wie Druckgraphik, Fotografie, Film und Video verbunden ist. Musikalisch gesehen be- zieht sie sich zwar auf den Blues, lässt aber Vermischung mit sämtlichen anderen Musikgen- res zu, wie Folk und Jazz bis hin zur Klassik (Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 405f).

Dadurch, dass diese Musik nicht mehr nur auf reine Unterhaltung abzielte, sondern Teil einer Ideologie wurde, musste sich die Musikindustrie umstellen. Neben der Veränderung der Ar-

17 beit im Studio, weg von einer Musik, bei der die Melodie im Vordergrund steht, hin zu einem Sound, veränderte sich auch das Bild des Musikers. Es gab nicht mehr den Star, der abseits der Gesellschaft war, sondern man baute verschiedene Images auf. Die Beatles erhielten das Image der Arbeiterjugend und die Rolling Stones das Image der Großstadtrebellen. Was diese Musiker gemeinsam hatten, war, dass sie vom täglichen Leben sangen, „zum Beispiel von den Frustrationen einer Hausfrau (The Rolling Stones: »Mother`s Little Helper«), den Wünschen eines jungen Mannes (The Animals: »We`ve gotta get out of this place«), oder den Rechten eines Arbeiters (The Strawbs: »Part of the Union«).“ (Hoffmann, 1981, S. 78). Bis Mitte der 60er Jahre war die Rockmusik ausschließlich britisch, also Beat. Sie begann sich aber immer weiter zu internationalisieren und bald gab es neben dem britischen Rock, der sich vor allem auf den Klang der Musik konzentrierte, eine amerikanische Version. Hier kamen die Folk- Musik und damit der Protestsong auf, woraus einerseits der Folk Rock entstand und anderer- seits die politische Rockmusik des San Francisco Sounds. Die Jugend begann sich für Bürger- rechte zu interessieren, setzte sich für die Rechte der Unterdrückten ein und stellte den mate- rialistischen „American way of life“ in Frage (Hoffmann, 1981, S. 48). Aufgepuscht durch die Ermordung des gegen Rassismus einstehenden Kennedys kam es zum Aufruhr, der von den USA ausgehend ganz Europa erfasste. Die Jugendlichen machten sich auf um neue Werte und Ideale zu finden und zelebrierten das in den Rockfestivals unter dem Motto von Liebe, Frie- den und Musik. San Francisco wurde ab 1967 zur neuen Hauptstadt der Rockmusik und der Hippies mit ihren Love-Ins und Acid-Festivals. Hier entstand die Generation der Flower- Power, die in den folgenden Jahren die internationale Rockszene dominieren sollte. Die wei- ßen Jugendlichen, diesmal aus der Mittelschicht, lehnten sich gegen den „American way of life“ auf und begaben sich auf die Suche nach neuen Lebensformen. Sie waren gegen den Überfluss und zogen es daher vor, auf Ansehen, Wohlstand und Familie zu verzichten, um sich mit Rauschgift, Musik und freier Liebe zu beschäftigen und entwickelten sich damit zur Gegenkultur. Wichtigste Ausdrucksform war aber die Rockmusik. Viele Jugendliche ver- schwanden über Nacht aus ihrem Elternhaus, um in einer Musikkommune zu leben und be- kannte Musikgruppen wie Grateful Dead, The Jefferson Airplane, Moby Grape schlossen sich der Bewegung an, indem sie bei deren Veranstaltungen auftraten (Hoffmann, 1981, S. 132). Man war wie auch schon die Beatniks zuvor „gegen soziale Einordnung und gegen die vor- herrschenden bürgerlichen Werteordnungen des `blitzblanken Zivilisations-Amerika`.“ (Ferchhoff, 1998, S. 243). In den 70er Jahren gab es einen ersten Einschnitt, da die Rockmu- sik industrialisierter und professioneller wurde. Es kam zur Aufsplittung in verschiedenste Untergruppen wie Classic Rock, Art Rock, Hard Rock und viele mehr und dadurch zu einer

18 Entfernung von der „ursprünglichen sozialen Basis.“ (Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 409). Wer ein Star werden will, muss akzeptieren, dass er und seine Musik zur Ware werden. Erst mit dem Punk Rock kam wieder ein direkter Bezug zur Gesellschaft zustande, ausgelöst durch hohe Jugendarbeitslosigkeit und die damit verbundene pessimistische Einstellung zur Zu- kunft.

2.3.2. Folk-Musik

Mit der Folk-Musik ist nicht mehr die gemeint, sondern es geht um aktuelle Lie- der, die von Studenten und Intellektuellen zur Gitarre gesungen werden und „auf traditionel- lem Volksliedmaterial basieren können oder zumindest der angloamerikanischen Folklore nachempfunden sind.“ (Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 165). Pete Seeger und Woody Guth- rie haben schon Ende der 50er Jahre in ihren Folk-Liedern die kommerzialisierte Gesellschaft kritisiert (Hoffmann, 1981, S. 61). Sie vertraten die Ansicht, dass jede Volksmusik immer eine aktuelle Musik ist, die an jede neue Zeit angepasst wird, indem man neue Texte schreibt und waren damit Auslöser eines Folk-Revivals. Dieses Revival begann 1958, als junge Intel- lektuelle diese Ansicht für den Protest gegen den Vietnam Krieg verwendeten. „Bob Dylan […], Joan Baez […] und Tom Paxton […] artikulierten mit ihren Liedern eine ebenso persön- liche wie allgemeingültige Weltsicht, die Betroffenheit auslöste und einer ganzen Generation amerikanischer Jugendlicher ihre Stimme verlieh.“ (Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 166). Die Jugendlichen sahen keinen Sinn darin, in ein fremdes Land zu ziehen um dort einen Krieg zu führen, dessen Sache zweifelhaft ist. Diese Studentenbewegung suchte stattdessen andere Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten. Bob Dylan hat diese Stimmungen in seinen Songs ver- arbeitet und vor allem den Protest gegen diesen Krieg artikuliert. Mitte der 60er Jahre stieg Bob Dylan als erster auf die elektrische Gitarre um, woraus in weiterer Folge der Folk-Rock entstanden ist (vgl. Hoffmann, 1981, S. 62f). Bands wie The Byrds und Peter, Paul & Mary folgten ihm. Zur gleichen Zeit entstand auch in England ein Folk-Rock. Dieser entwickelte sich aber nicht von Folk nach Rock, sondern umgekehrt von der Rockmusik zum Folk. Das heißt, man nutzte das Instrumentarium des Rocks und dessen klangliche Möglichkeiten, um den Folk neu zu interpretieren. Auf der anderen Seite wurden die akustischen Instrumente in die Rockmusik aufgenommen und die Volksmusik auf den Rock übertragen. Die erste Band, die diese Möglichkeiten entdeckte, war „Fairport Convention“ 1968. Allerdings konnte auch der Folk-Rock mit seinen politischen wie sozialen Utopien nicht bestehen und verfiel nach

19 einem kurzen Aufflackern durch „Crosby, Stills and Nash“ Anfang der 70er Jahre dem inter- nationalen Musikgeschäft (vgl. Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 167).

2.3.3. Jazz

Neben Rock und Folk war der Jazz ein wesentliches Genre in der Grazer Szene. Historisch betrachtet ist der Jazz im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in den Südstaaten der USA ent- standen, als ein Ergebnis der Spannungen zwischen der schwarzen und weißen Bevölkerung Nordamerikas. New Orleans gilt als die Stadt in der erstmals die Töne eines Jazz zu verneh- men waren, verursacht wohl durch die multikulturelle Bevölkerung (Palmer, 1977, S. 45). Der Begriff selbst kommt aus dem afroamerikanischen Slang, wurde aber von der weißen Bevöl- kerung auf diese Musik übertragen. Jazz allgemein zu definieren scheint aufgrund seiner Viel- falt an Ausprägungen unmöglich, stattdessen bietet sich eine Definition nach ästhetischen Kriterien an. „Jazz wird definiert durch ein bestimmtes Verhältnis zur musikalischen Zeit, das in einer swing genannten rhythmisch-dynamischen Bewegungsform des Musizierens realisiert ist; durch sein Verhältnis zur musikalischen Form, die als prinzipiell offen aus dem dialekti- schen Widerspruch von Komposition und Improvisation heraus entwickelt wird; und schließ- lich durch das Verhältnis zum Vorgang des Musizierens selbst, das im Spannungsfeld zwi- schen Individualität und Kollektivität als Ausdruck von Spontaneität und Vitalität aufgefasst ist.“ (Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 232). Auf diesem Hintergrund sind unzählige Spiel- weisen des Jazz entstanden, vom einfachen New Orleans Jazz bis zum komplexen Modern Jazz und dem improvisierten Free Jazz. Ab Mitte der 60er Jahre entstand in den USA und in England eine Form des Jazz Rock, indem man versuchte, die rhythmischen und klanglichen Elemente in den Rock zu integrieren. Das Trio „Cream“ mit Ginger Baker, Jack Bruce und Eric Clapton waren aufgrund ihrer Improvisationstechniken für diese Entwicklung wegwei- send. Im Grunde wurde aber der Rock nur mit einigen Elementen des Jazz, wie Bläsersätze und klangliche wie rhythmische Elemente, angereichert; das, was den Jazz aber ausmacht, nämlich die freie Improvisation, wurde nicht mit übernommen. 1968 entstand in England die Gruppe „Colosseum“, „die mit einem auf instrumentalen Jazzphrasen basierenden und vom Saxophon geprägten Sound internationale Erfolge erzielte.“ (Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 241). Des Weiteren wäre die Gruppe „Blood, Sweat and Tears“ zu nennen, die mit ihren Blä- sersätzen zu Vorbildern einer ganzen Generation wurde, darunter unter anderen die Gruppe Chicago (vgl. Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 242).

20 2.4. Die steirischen Bands

An dieser Stelle werden die aus der Empirie gewonnenen Bands und einzelnen Musiker dar- gestellt. Diese Namen werden im Laufe der Arbeit immer wieder fallen und daher ist es wich- tig, sich schon früh mit diesen Details auseinander zu setzen.

Mit Graz und Fürstenfeld haben sich zwei Kleinszenen miteinander verbunden, die sich schon vorher, also im Laufe der 60er bis in die frühen 70er Jahre, in den beiden Gebieten unabhän- gig voneinander entwickelt hatten. Auf die genauen Hintergründe wird zu einem späteren Zeitpunkt näher eingegangen. Für zwei Befragte aus dem Fürstenfelder Raum hat es Anfang der 70er Jahre mehr Bands in Fürstenfeld gegeben als in Graz. „Es war kaum was irgendwie für uns wahrnehmbar in Graz, von der Szene her. Da waren wir schon im ganzen südlichen Burgenland und in der Oststeiermark bekannt. Es waren nur ein paar einzelne Musiker, die da hervorgestochen sind. Der Peter De- row zum Beispiel.“ (F4) Peter Derow ist nicht nur den Fürstenfeldern in guter Erinnerung, sonder auch den Grazer Musikern. „Dann hat es sich herauskristallisiert, der ist einmal sicher Musiker und da war für mich einer davon der Peter Derow, der war ein Wahnsinn. Der hat damals schon eine Leadgitarre gespielt, der hat ein Übertalent gehabt.“ (G5) Davon abgesehen gab es, wenn es nach der Ansicht des oben zitierten Befragten geht, in Graz nur ein paar Schülerbands, die aber nicht öffentlich waren, sondern „nur in ihren Zirkeln ge- spielt haben“ . (F4) Richtig losgegangen mit einer Szene ist es demnach erst etwas später mit Wilfried und Turning Point. Warum gerade in Fürstenfeld schon so früh eine vitale Musik- szene entstanden ist, kann in dieser Arbeit zwar nicht erklärt werden, jedoch erscheint es sinnvoll, die wichtigsten Bands und ihre Geschichte zuerst einmal getrennt von einander zu betrachten. Zumindest soweit es möglich ist, weil „die Szene war immer eine homogene Ge- schichte, die steirische Popszene.“ (G1)

2.4.1. Die Bands aus Fürstenfeld

In Fürstenfeld lag der Ursprung der Szene in dem Gymnasium, in dem sich sämtliche Musiker aus den Ortschaften rundherum, die später auch in Graz auftauchten, kennen lernten. Als Be- ginn kann man die Gründung zweier Bands betrachten. Sie spielten zwar zuerst noch Tanz-

21 musik, waren aber die ersten Jugendlichen abseits der Erwachsenenwelt, die sich zum Zweck des Musizierens zusammen schlossen. Das war Helmut Wagner mit seiner „Hill-Wagner- Band“ und die „FBI-Men“ unter der Leitung von Fred Lang, dessen große Vorbilder die „Spotniks“ und die „Shadows“ waren. Diese beiden Gruppen haben konkurriert, aber „das war eigentlich ja befruchtend“ (F4), also nicht eine Form von scharfen Fronten. Erkennbar auch daran, dass sich die Gruppen später miteinander vermischt haben und gemeinsam die Band „Time“ gründeten.

Fred Lang wurde von einigen Befragten als der „Urvater“ der Fürstenfelder Szene bezeichnet, weil er einige der Musiker, die bis heute noch in der Branche tätig sind, zur Musik hin geführt hat. Ein Befragter über Fred Lang: „Von dem aus hat alles angefangen kommt mir fast vor. Und aus dem ist ein Boris Bu- kowski, diese Leute, die jetzt auch schon 60 und mehr Jahre alt sind, die sind also von dem gefördert worden und sind rund um den halt irgendwie groß geworden.“ (F3) Er entwickelte sich in seiner Laufbahn zu einem Vertreter der Rolling Stones und spielte be- reits eine frühe Form des Punks, „noch bevor es Punkt eigentlich gab.“ (F1) Er hatte nach den FBI-Men noch die Band „Dirtles“ gemeinsam mit Helmut Röhrling, alias Schiffkowitz, Boris Bukowski und Erich Reinberger, die schon 35 Beatlesnummern, aber auch „The Who“, zusammen spielten. Sie waren gemeinsam mit der Gruppe Atlantis, die 1963 von Günter Ti- mischl, Joe Wagner, Harry Brunner und Erich Hirschmann gegründet wurde unter den Ersten, die internationale Rockmusik nachspielten. Die nächste Band Langs ist die bereits erwähnte Time. Der Rest der Gruppe formierte sich gemeinsam mit Josef Jandrisits neu und nannte sich fortan „Music Machine“, die sich noch zu einer der besten Popgruppen der Steiermark etab- lieren sollte. Natürlich gab es einige Umbesetzungen, auf die hier aber nicht weiter eingegan- gen werden soll. Sie spielten Cream, Jimi Hendrix und Beatles nach und erfreuten sich großer Beliebtheit (Hiti, 1995, S. 30). Aufgrund von musikalischen Differenzen verkleinerte sich die Gruppe von fünf auf drei Mitglieder und bestand so bis Ende der 70er Jahre. Zu dem Zeit- punkt entstand die Band Mashuun bestehend aus Franz Posch, Josef Jandrisits, Hans-Peter Wippel, Peter Szammer und dem Grazer Gert Steinbäcker. Interessant ist diese Band vor al- lem deshalb, weil sie als Musikerkommune mit dem Ziel nach Deutschland ging, dort be- rühmt zu werden. Das ist ihnen aber leider nicht gelungen und sie lösten sich Mitte der 70er Jahre auf (Hiti, 1994, S. 16).

22 Die Gruppe Hill-Wagner-Band ist rund um die zwei Wagner Brüder Helmut und Alfred, cirka im Jahr 1961, entstanden. Sie spielte zwar damals noch Schlager, aber eben auch schon Pop- musik. Die ursprüngliche Besetzung bestand neben den Wagner-Brüdern aus Boris Bukowski, Ludwig Hafner, Georg Pferschy und Erich Reinberger. Auch bei dieser Band standen Ände- rungen in der Besetzung an der Tagesordnung (Hiti, 1993, S. 20). Mit Ludwig Hafner war ein Saxophonist fixer Bestandteil der Truppe. Blasinstrumente waren zwar für den Beat unty- pisch, aber wie in vielen anderen Gruppen wurden vorhandene Ressourcen, in Form von Kenntnis eines Instruments, genutzt. Helmut Wagner hat 1961 bereits einen Bandwettbewerb organisiert, bei dem Gruppen aus Fürstenfeld, Güssing und Hartberg auftraten. Deren Finalis- ten waren sogar im Rundfunk zu hören (Hiti, 1993, S. 19).

In der Oststeiermark gab es darüber hinaus die Band „Rocking Stars“ und in Feldbach das Trio „Zeus“ unter der Führung von Kurt Keinrath.

Zumindest drei Gruppen übersiedelten nach Graz. Die Gruppe Music Machine sowie die Gruppe Opus haben ihren Ursprung in Fürstenfeld, genauso wie Magic. „Also die Magic Geschichte wanderte nach Graz her. Es wurde ein neuer Gitarrist gesucht, das war der Musenbichler und ein neuer Bassist, das war Erich Reinberger. Bukowski zuerst Schlagzeug und der Timischl war da noch dabei. Also wieder das Fürstenfelder Kretzl zusammen.“ (F4)

Auch andere Fürstenfelder Gruppen behielten ihre Besetzung mehr oder minder in Graz bei. Auf Magic wird später noch näher eingegangen. Für einen Befragten waren die wichtigsten Musiker jene von Magic. Bukowski, Timischl, Musenbichler und Andi Beit. Jandrisits wurde als der Star von Ilz und später in Fürstenfeld beschrieben, weil er ein besonders guter Gitarrist war.

23 2.4.2. Die Bands in und aus Graz

Wilfried stammt zwar eigentlich aus Bad Goisern, wird aber zur Grazer Szene dazu gezählt, weil er in Graz studierte. Er wird von einem Befragten sogar als ein Urgestein der Grazer Szene betrachtet, gemeinsam mit Jim Cogan und Alex Rehak. Er hat in zahlreichen Gruppen gespielt und ist mit Sicherheit einer der vielfältigsten Musiker, der bei sämtlichen neuen Mu- sikrichtungen mitmischte. Er spielte Mitte der 70er Jahre bei der Konzertband Moses und nachdem er ein Jahr in Frankreich verbracht hatte, war er als Sänger bei Hide and Seek vertre- ten. Daneben beschäftigte er sich aber immer mit seinen Soloprojekten, woraus 1972 die Sin- gle „Mary, oh Mary“ entstand, mit der er einen Nummer-1-Erfolg feierte. Darauf folgte ein Jahr später gleich der nächste Hit „Ziwui, Ziwui“. „Es haftet ihnen […] Innovatives an, als darin erstmals Dialekt, Jodelgesang und Rockmusik zusammengebracht wurden.“ (Hopp, 1983, S. 23). Dennoch wurde er mit diesen Hits immer mehr in das Genre der Volkstümlichen Musik eingeordnet, was genau das Gegenteil von dem war, was er erreichen wollte. Aus die- sem Grund änderte er sein Genre und versuchte sich in Folk- und Blues-Rock, was ihm aber misslang. 1977 wurde er Schauspieler am Theater an der Wien und etwas später Sänger bei der „Ersten Allgemeinen Verunsicherung“ (Hopp, 1983 S. 23f). Kurz darauf widmet er sich dem Discosound und mit den Singels „Middle of the Night“, „Johnnys Discothek“ und „Nights in the City“ gelingt ihm sein Solo-Comeback. Nach der letzten Single löst er sich aber wieder vom erfolgreichen Austropop-Produzenten Robert Ponger, weil ihm sein neues Image auch nicht gefiel. Er entschloss sich dazu nach Deutschland zu gehen. Dort entstand die LP „Ganz normal“, der Erfolg blieb aber aus und er suchte seine Rettung in Österreich. 1987 wurde er als österreichischer Kandidat Letzter beim Song Contest und widmete sich von da an wieder vermehrt Film und Theater (Gürmen, 1995, S. 62).

Die oben erwähnte Gruppe „Hide and Seek“ ist rund um Alex Rehak entstanden und war eine der ersten öffentlich auftretenden Bands. Sie spielte schon sehr früh Psychedelic Rock und gewann 1969 den ersten Grazer Bandwettbewerb. Ihre beste Platzierung in der Hitparade war immerhin die Nummer 5, weitere Erfolge blieben aber aus. 1

Für die musikalische Vielfalt in Graz spricht die Band „Big Band Zirkus Maximus“, deren Stil sich an die Band „Colosseum“ anlehnte. Sie hatten nur eigene Kompositionen im Pro- gramm.

1 http://www.links234.at/links234/austropop.htm 24 „Es waren sehr kreative Leute, gar nicht alles Österreicher und wir hatten damals schon Perkussion, was eher selten war, wir hatten einen Geiger, Sänger, Flöte, Gitar- re, Bass.“ (G2) Bei dieser Band spielte Heimo Knopper, der zuvor auch Mitglied bei der Kurzband Monster Moloch war. Es gab noch eine Band, die eine ähnliche Musikrichtung spielte, allerdings aus Jazzstudenten bestand und sich Messengers nannte. Ihre Musik erinnerte an Chicago, Blood, Sweat and Tears und ebenfalls Colosseum. „Die haben auch so Bläsersätze dabei gehabt, Posaune, Trompete. Vorher war die ei- ne Tanzkapelle, dann haben sie auf sieben Leute erweitert und irrsinnig gute Musik gemacht.“ (G6 Bandmitglieder waren beispielsweise Peter Jakeli auf der Posaune und Pete Wolf am Saxo- phon. „Wilfried and the Crazy Baby Band“ wurde erwähnt als eine Gruppe bestehend aus Wilfried Scheutz, Wolfgang Heus, Fritz Matzker, der auch bei „Mary Jane“ spielte, und vor allem auch verschiedenen internationalen Musikern. Der mittlerweile verstorbene Wolfgang Heus galt als der beste Gitarrist und am Schlagzeug nahm diese Position Fritz Matzker ein. „Einer der besten Gitarristen war der Heus Wolfgang, der war ein Wahnsinn. Dann der Zweite war der Fitz Matzker, die beide sind tot. Es tut mir leid aber beide sind tot. Und der hat Schlagzeug gespielt, die waren schon über dem Durchschnitt.“ (G5)

„Mephisto“ wurde als die Vorgruppe von den „Travellers“ beschrieben mit einer Besetzung bestehend aus Thomas Spitzer, Gert Steinbäcker als Sänger und Walter Sammerl. Diese Gruppe hatte viele verschiedene Besetzungen und wurde als Erste Allgemeine Verunsiche- rung berühmt. Wie weit aber die EAV letztlich der Grazer Szene zugeschrieben werden kann, bleibt fragwürdig. Denn Thomas Spitzer, der als Kopf der Band gilt, ist zwar Grazer, hat aber auch in Wien studiert. Walter Gröbchen sieht den Ursprung der EAV dennoch in der Steier- mark (1982, S. 42). In anderer Literatur kann man nachlesen, dass Spitzer seine Ideen in die Wiener Gruppe „Antipasta“ einbrachte und daraus die EAV entstanden ist (Leopold, 1988, S. 18). Nichts desto trotz waren immer Steirer mit von der Partie. Anfangs in Person von Wil- fried als Sänger und Schauspiellehrer, Günter Schönberger als Saxophonist und Akteur und Walter Hammerl als Manager. Nach der Premiere im Wiener Schauspielhaus übersiedelt die Gruppe sogar in die Steiermark, genauer gesagt nach Heiligenkreuz, 10 km außerhalb von Graz, um in einer Hippiekommune zu leben (Leopold, 1988, S. 70). Wilfried verließ die Band und 1979 folgte ihm Gert Steinbäcker als Frontsänger und auch die restlichen Mitglieder von „STS“ stiegen mit ein. Schiffkowitz als Bühnendarsteller und Timischl als Tontechniker. Am

25 zweiten Album „Café passé“ sind neben den Titeln, die von Thomas Spitzer geschrieben wurden auch zwei von Gert Steinbäcker enthalten. Er hat nämlich zu „Abara Kadabara“ und „“ die Musik geschrieben (Hiti, 1994, S. 20). Aufgenommen wurde sie darüber hinaus im Magic Sound Studio in Graz. 1983 verließ Gert Steinbäcker schließlich als letztes STS- Mitglied die EAV und konzentrierte sich gemeinsam mit seinen Kollegen auf STS (Leopold, 1988, S. 76). Klaus Eberhartinger wurde statt seiner Frontsänger und mit seiner Stimme erhält die EAV den Sound, der bis heute unverkennbar ist. Wem auch immer diese Band „gehört“, sie ist in ihrer Einzigartigkeit, Kabarett mit Rock zu verbinden, und vor allem auch mit ihrem kommerziellen Erfolg ohnehin eher eine Ausnahmeerscheinung.

Die Band „Street Walkers“ wurde erwähnt, weil sie im Pyjama auftrat und das „Scotch Quar- tett“, weil „dem ist der Ruf vorausgeeilt, dass sie bei einer Platte, die sie nachspielen, sogar die Kratzer mitspielen.“ (G4) In den 70er Jahren gab es außerdem die „Blue Tear“ und die „Coco Band“. Als einzige Band mit einem weiblichen Mitglied wurde Joseppa und Musyl genannt, die zuvor Pauli und Wir hießen. „Ein Freund ging nach Amerika, ist ein bekanntes Lied, das ist also dieses Peter- Rosegger-Thema, das hat die Joseppa gesungen. Die waren später dann ein Ehepaar, Joseppa und der Pauli. Sind das jetzt nicht mehr.“ (G2)

Der einzige zweite weibliche Name der fiel, war Ulli Podrepsek, die Sängerin war und im Folkbereich tätig.

Weitere Bands, die weder in Graz noch in Fürstenfeld einzuordnen sind, waren die „New Ac- tion“ aus Gleisdorf, außerdem die „Beburns“ aus Voitsberg, „Hard“ aus Fronleiten und die „Freak out“ in Knittelfeld. Aus der Südsteiermark kam die Gruppe „Mary Jane“ hinzu, die sich nach der Droge Marihuana benannte.

Für einige Interviewpartner war es schwer, sich noch an Bands zurück zu erinnern. Außerdem wurden während der Interviews hauptsächlich die Bands genannt, die über einen längeren Zeitraum aktiv waren und daher viele andere ausgelassen. Denn diese Bands entstanden alle zufällig und hatten meist nicht besonders langen Bestand. „Wir haben da die Band gehabt, weil wir Kumpel waren und haben gesagt, wie wenn ich jetzt zu dir und noch ein paar Freunden sag. Du singst weil du schaust super aus,

26 du spielst Schlagzeug, weil das passt dir gut, du spielst Bass, ich spiel Gitarre, viel- leicht kann einer noch Orgel spielen, magst es du spielen?“ (G5) Viele Bands, die nur sehr kurz als solche aufgetreten sind, waren Studentenbands, die sich nach Beenden der Studienzeit meist aufgelöst haben. Die Besetzung der verschiedenen Grup- pen änderte sich oft fast täglich, deshalb ist es sehr schwer, einen Überblick zu bewahren. „Die Musiker haben untereinander aber gewechselt, das heißt einige Bands haben dann unter anderem Namen, teilweise die gleichen Musiker weiter gemacht.“ (F1)

Wie schon zuvor kurz angesprochen, basierte diese Szene, obwohl sie weitläufig war, auf einer persönlichen Ebene. Agenturen aufzusuchen, um einen Musiker zu finden, war nicht üblich. Es gab immer jemanden, der einen Freund hatte, der jemanden kannte und zufällig etwas Gitarre spielen konnte, wenn es gerade notwendig war. „Der Sologitarrist wollte nicht solo spielen, der wollte Maler werden, Kunst. Den hab ich schon einmal müssen breitdrücken, damit er mir Sologitarre spielt.“ (G5) Gerade wenn es um den E-Bass geht, waren Musiker oft Mangelware. Aber in der Not musste einfach jemand umsteigen. „Bei Hide and Seek, wo auf einmal drei Gitarristen und ein Schlagzeuger waren und dann hat sich einer müssen entscheiden, dass er auf Bassgitarre übergeht und haben meine Kollegen gesagt, du bist der beste Sologitarrist von uns, du musst Bassgitarre spielen.“ (G3) Ähnlich ging es auch anderen in ihren Bands, denn vor allem Bass konnte anfangs niemand spielen, weil der E-Bass ganz neu war und den Kontrabass niemand beherrschte. „Ich hab zuerst Ziehharmonika gespielt und bin dann auf E-Bass gewechselt, weil das notwendig war. Und ich hab’s gern getan und die Burschen mit den Gitarren waren immer den Mädels ein bissel näher als irgendwelche anderen.“ (F4)

Laut Aussagen lief jeder Informationsaustausch über persönliche Gespräche, da man sich oh- nehin untereinander kannte. Die Band Turning Point aus Graz und die Band Magic aus Fürs- tenfeld wurden in den Interviews am Öftesten genannt. Daher werden sie hier an dieser Stelle etwas näher betrachtet.

27 2.4.3. Magic und Turning Point als die erfolgreichsten Bands der frühen 70er Jahre

Diese beiden Bands zählten in den frühen 70er Jahren zu den populärsten Bands der Steier- mark, hatten aber in ganz Österreich großen Erfolg. Magic, als ursprüngliche Fürstenfelder Band, die erst später nach Graz umgezogen ist, und Turning Point, als Grazer Band, wurden aufgrund der These ausgewählt, dass der Großteil der Bands und Musiker, aus gerade diesen beiden Städten kamen. Darüber hinaus waren sie in der Anfangszeit die vermutlich erfolg- reichsten Bands, was den Vergleich zusätzlich interessant macht.

Ein Befragter gab zwar an, dass die Leute untereinander nicht neidisch waren, sondern sich halfen. Laut einer anderen Aussage gab es aber ein Konkurrenzverhältnis zwischen der Magic und Turning Point. „Wir haben Kleinigkeiten zum Unterschied aufgebauscht. Wer ist besser und so und das war das Wichtigste. Im Nachhinein betrachtet haben die (Turning Point) einfach viele Sahen viel früher erkannt, was man tun müsste und das ärgert dann irgendwie.“ (F3) Wobei Magic die vermutlich erste Band aus Fürstenfeld war, die Nummer eins Hits in den Charts hatte und Turning Point, die erste Grazer Band war, die das erreichte. „Bei Magic gab’s auch Hitparaden, also Nummer 1 Hits, das war so Mitte der 70er Jahre. Oder auch bei Turning Point, vielleicht sogar noch öfter als bei uns.“ (F3)

2.4.3.1. Magic

Magic hieß in Fürstenfeld noch Magic 69, benannt nach dem Gründungsjahr 1969. Erst später zog die ganze Gruppe nach Graz, da einige Mitglieder beschlossen hatten, zu studieren. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Band schon einen großen Bekanntheitsgrad, vor allem in Südbur- genland und der Oststeiermark, erreicht. „Die waren sehr erfolgreich, die haben ganz Burgenland abgespielt und teilweise wenn Events waren haben sie natürlich auch da gespielt und die Magic sind eine Band gewesen, die auch überall so an die 500 oder mehr Leute gehabt haben.“ (G6)

Die ursprüngliche Besetzung bestand aus Peter Szammer am Schlagzeug, Gunter Silbert am Keyboard, Karl Peierl Gesang, Harry Brunner mit Bass und Gesang und Günter Timischl mit Gitarre und Gesang. Bereits nach einem Jahr verließen aber Karl Peierl und Gunter Silbert die

28 Gruppe und statt ihnen kamen Franz Posch als Gitarrist und Andreas Beit am Keyboard dazu. Mit dieser Formation enstand auch schon die erste Single in einem kleinen Tonstudio in Tirol. Die Platte enthielt auf der einen Seite den Song „Skybreak“ und auf der anderen „Life is only a game“. Etwas später verließ auch Szammer die Band und statt ihm stieß Boris Bukowski zur Gruppe, wodurch sie nicht nur einen Drummer, sondern auch gleich einen Manager dazu ge- wonnen hat. Es wurde fleißig geprobt und so hatten sie bald ein gutes Repertoire, das sie im- merhin schon vor einem Publikum mit bis zu 1000 Leuten präsentierten. Die Veranstaltungen, bei denen sie auftraten, haben sie meistens selbst organisiert und die Erlöse aus diesen Kon- zerten wurden gleich wieder in ein besseres Equipment investiert. 1974 übersiedelte Magic nach Graz, um zu studieren und ihre Chancen als Band zu erhöhen. Gitarrist und Bassist konnten und wollten da nicht mit und es kam zu erneuten Änderungen in der Besetzung. Ro- bert Musenbichler als Gitarrist und Erich Reinberger als Bassist. Darauf folgten zwei weitere Singles und eine kleine Österreichtournee, was zur Folge hatte, dass die Band bereits vom Rundfunk wahrgenommen und auch gespielt wurde (Hiti, 1993, S. 24f). Besonders großes Pech hatten sie mit ihrem Probenraum, dem so genannten Falkenkino, das sie mit Wilfried Scheuz teilten. Der Raum ist 1975 abgebrannt, wodurch die Band fast ihr ganzes Equipment verlor. Wilfried hatte mehr Glück, er hatte seine gesamte Anlage nach einem Auftritt noch im Auto. „Das ganze Equipment, unseres, ist also in Asche gelegt worden. damals hat’s dann von den Grazer Künstlern im Forum so eine Versteigerung gegeben zugunsten unserer Sachen, dass wir wieder weiter tun haben können. Also es ist ja fast nichts übrig ge- blieben.“ (F4)

Das nächste Probelokal war im Keller der Bäckervereinigung, in dem später auch das „Magic Sound Studio“ entstand. Magic begann wie alle anderen Bands auch mit englischen Titeln. Allerdings wurde von der Plattenfirma schon recht früh angeregt, deutsche Titel zu schreiben, da in Deutschland gerade die Deutsche Welle anging. Daher bestand die Langspielplatte, die 1975 aufgenommen wurde, ausschließlich aus selbst komponierten deutschen Titeln nach dem Vorbild von Udo Lindenberg, der mit deutschem Rock damals schon sehr erfolgreich war. Aber mit ihrer Annahmen, dass auch in Österreich deutsche Titel funktionieren würden, lagen sie falsch und die Gruppe konnte nicht mehr als einen Achtungserfolg von 3.000 verkauften Stück verbuchen (Hiti, 1993, S.28). Mit der Sprache wechselte auch der Sänger. Die Platten- firma wollte lieber den Schlagzeuger Boris Bukowski vor dem Mikrophon und so löste er Günter Timischl ab. Er sang damals auch schon den Titel Kokain, mit dem er später einen Hit

29 landete. Aufgrund des mäßigen Erfolges mit der deutschen Sprache war die nächste LP wie- der in Englisch. „79/80 haben wir unsere erste englische LP gehabt. Das war genau die Zeit, als alles andere deutsch geworden ist haben wir englisch gemacht. Leider Gottes genau zum falschen Punkt haben wir das gemacht. Grad wie das Deutsche in geworden ist sind wir englisch geworden. Das hat eigentlich überhaupt nichts mehr gebracht und dann hat sich auch die Gruppe aufgelöst.“ (F2) Dieses unglückliche Timing wurde dafür verantwortlich gemacht, dass die Band den großen Durchbruch nicht schaffte. Dennoch reichten ihre Hits bis an die österreichischen Grenzen und auch darüber hinaus bis Zagreb, Südtirol und München. Nachdem diese Grenzen erreicht waren, versuchte man über einen deutschen Manager, Frank Farian, vor allem in Deutschland einen höheren Bekanntheitsgrad zu erreichen, aber auch das gelang nicht.

Einige wichtige Stationen wurden im Verlaufe der Interviews genannt. Zum Beispiel hat Ma- gic mit Susi Quattro und Colosseum als Vorband eine Tour gemacht. Sie spielten im Zuge dieser Tour unter anderem in Wien und . „Da ist es schon finster geworden, da hat schon das Licht zum Wirken angefangen auf der Bühne und der Gutschi (Bukowski) hat dann das Kokain gesungen und Ich bin müde und wenn da dann so 5000 Feuerzeuge, das kann man also nicht beschreiben.“ (F4) Genannt wurde auch noch ein Auftritt in einem Lokal in München und ein anderer bei einem Festival am Lahberg, bei dem auch die ganze Wiener Szene vertreten war. Beim Bandwett- bewerb in Graz waren sie hingegen nicht mehr Teilnehmer, sondern die Showband. Wie be- reits erwähnt, hat sich die Gruppe in den 80er Jahren aufgelöst, was aber bis heute geblieben ist, ist das Magic Sound Studio. Mit den Produktionskosten von 270.000 Schilling für die ei- gene Platte wurde der Proberaum 1979/80 zum Studio umfunktioniert. „Wir haben gesagt jetzt fahren wir nicht mehr nach Frankfurt hinaus aufnehmen. Da bauen wir es selber weil die 270 000 Schilling was damals die Produktion gekostet hat für die Plattenfirma hat sie uns gezahlt und wir kaufen uns selber irgendwelche Gerä- te.“ (F2) So wurden ein 8-Spur-Gerät und ein Mischpult angeschafft und gleich die dritte Magic-LP aufgenommen.

30 2.4.3.2. Turning Point

Bevor man von Turning Point schreibt, müssen die Travellers erwähnt werden, die in ihrer Grundbesetzung aus Jim Cogan, Werner Zwirn und Max Rinder bestand und 1969 ins Leben gerufen wurden. Jim Cogan begann eigentlich als Solist mit einer 12-Saitigen Gitarre und einer Mundharmonika im Gestell. Streng nach dem Vorbild von Bob Dylan spielte er vor al- lem Folk, aber auch Country (Safer, 1999, S. 22). „Er hat so Nickelbrillen gehabt und einen roten Vollbart, rote Haare und war so die Verkörperung eines Westernhelden. Aufgetreten mit lederner Fransenjacke und hat al- so anfangs Folksongs ein bissel verrockt und dann hat er selber Lieder geschrieben.“ (G4) Kurzerhand überredete er seien Kumpel Werner Zwirn dazu, er solle doch eine Sologitarre dazu spielen. Später kam noch Max Rinder am Bass dazu und das Trio war komplett. Der Grund, warum sich die Band umbenannt hatte, war, dass es in München eine Band gab, die „Drei Travellers“ hieß und mit einer Klage drohte. Die erste Reaktion darauf war, dass sie einen runden Stempel über das Travellers malten und sich „The International Travellers“ nannten. Unter diesem Namen spielte man nun weiter und später benannte man sich „Turning Point“. Laut der Aussage eines Bandmitglieds war das die Reaktion auf die drohende Klage. „Die haben uns mit der Klage gedroht und dann haben wir nächtelang gehirnt, eh müde vom Studio, wie wir uns nennen können. Dann sind wir auf Turning Point ge- kommen über den John Mayall, der hat gerade eine Platte herausgebracht und ich hab den praktisch in Österreich populär gemacht.“ (G5) Doch nicht nur der Bandname veränderte sich im Laufe der Zeit, auch die Künstler gaben sich gegenseitig Künstlernamen. Der Name Jim Cogan ist schon öfter gefallen, vor allem auch deshalb, weil ihn unter seinem wirklichen Namen, Johann Köberl, niemand kennt. Dieser Name leitet sich von seinem Jugendidol James Dean ab, der angeblich auch Jimmy genannt wurde. Max Rinder wurde Mc Smileface getauft, weil „er hat wirklich immer gegrinst.“ (G4) und Werner Zwirn, der eher die spanische Linie vertrat, bekam den Namen Don Perez. Cirka 1970 ist Alex Rehak als Bassist dazu gestoßen, nachdem der bisherige Bassist, Max Rinder, zu spät vom Urlaub zurückgekommen war, obwohl sie ein Konzert geplant hatten. „Und der Manager ist ausgezuckt, hat den Alex gekannt und hat den Alex gefragt, ob er sich zutraut, dass er mit uns spielt, obwohl das eine ganz andere Musikrichtung war. Der Alex hat in, glaub ich 3 Tagen so im Groben und Ganzen das ganze Pro- gramm gestrebert.“ (G5)

31 Alex Rehak spielte von dort an den Bass, doch seine Karriere fing erst so richtig an, als er der Sänger der Gruppe wurde. Mit seiner unverwechselbaren Stimme verlieh er Tuning Point ei- nen eigenen Charakter, weil „niemand in ganz Österreich hat so gesungen wie er.“ (G5) Zwar gab ein Befragter an, die Gruppe wäre immer zu dritt geblieben, ein anderer Befragter erwähnte aber noch drei Musiker, die zumindest eine Zeit lang bei Turning Point gespielt ha- ben. „Franz Posch, ein Ausnahmegitarrist, Michael Millner, Komponist, Musikstudent, Pi- anist, mittlerweile gestorben, der Gustav Parl, ein Farmer aus Frohnleiten, mittler- weile auch verstorben.“ (F1)

Den Proberaum hatte Turning Point in Eggenberg. Genannt wurde er die „Bude“ und dieser Standort etablierte sich zum Treffpunkt aller Musiker. Auch Studenten aus England und Ame- rika gingen da schon aus und ein, wodurch die Bandmitglieder die Möglichkeit hatten ihre Englischkenntnisse zu verbessern (Safer, 1999, S. 23). Die Travellers waren dank ihres Ma- nagers, Fred Steinbrenner die Ersten, die einen Schallplattenvertrag bei CBS hatten und 1970 erschien schon die erste Platte „Leadbelly“, eine Countryplatte. „Unser Manager hat das damals eingefädelt über Plattenfirmen und horch dir meine Buben an. Die sind in unser ˛Keischerl' gekommen nach Eggenberg und die haben ge- sehen aha, die sind something special.“ (G5)

Die Musikrichtung veränderte sich aber im Laufe der Zeit. Am Beginn wurden die Stones nachgespielt. Auf der ersten Platte fand man Countrymusic, später ging man in Richtung Pop über, höchstens etwas gemischt mit Folk, wie beispielsweise beim bekannten Hit „Easy song“. Der Grund für diesen Genrewechsel liegt an ihren Aufnahmen bei Peter Müller in Wien. Entstanden ist hier die LP „Life ist going on“ und durch Produzenten, Tonmeister, Stu- diomusiker und was noch so im Laufe einer Produktion dazu kommt gingen sie „als Folkies hinein und kamen als Popper heraus.“ (Jim Cogan, Zit.n. Safer, 1999, S. 25). Turning Point hatte zumindest lokal begrenzt, will heißen in Österreich, Deutschland und der Schweiz schnell Erfolg. 50.000 Platten zu verkaufen war daher kein Einzelfall, nicht zuletzt dadurch, dass sie von Ö3 unterstützt wurden. Die größten Hits waren „Easy Song“, „Silver Wings“ und „Lady of my heart“. Durch den Erfolg hatte die Band an die 200 Auftritte im Jahr, weswegen alle ihre Berufe aufgaben und Profimusiker wurden. Trotz der Zuwendung zum Pop blieben für Jim Cogan immer Rhythm and Blues und Folk seine persönlich bevorzugten Musikrich- tungen, für die er in der Szene auch bekannt war.

32 „Wir waren auf einmal so eine Anlaufstelle für alle, die sich für Folk, Blues und also nicht für Beatmusik ausschließlich, interessierten. Das haben wir ja selber auch ge- hört, aber wir haben es nicht gespielt, sondern eben Folk-interessierter, oder Blues.“ (G5) Alex Rehak hingegen ordnete sich eher in der Beatschiene Richtung Small Faces ein. Ein be- sonderes Erlebnis war 1972 das British Rock Meeting, bei dem sie als Support Act vor Deep Purple und noch vielen anderen internationalen Bands vor 10.000 Leuten spielten. Aber auch der Auftritt beim Spotlight, der durch Herbert Fechter in die Wege geleitet wurde, galt als besonders bemerkenswert. Besonders aufgefallen ist, dass Turning Point in Wien eher auf Ablehnung stießen. „Das muss ich auch dazu sagen, Wien war mit den 2 Partien der härteste Boden. Also die haben uns abgelehnt draußen, ich weiß bis heute nicht, warum. Weil so gut waren sie auch wieder nicht, viele gute Leute aber, dass du so abgelehnt wirst, das hat uns wirklich über- rascht und auch gekränkt.“ (G5)

33 3. Methode

Ziel der Forschung war es also, explorieren, welche Faktoren zur Entstehung der Rock- und Popszene in Graz geführt haben. Um die Bedingungen einzugrenzen wurde eine Literaturre- cherche durchgeführt, deren Ergebnis ein Fehlen von Literatur speziell für Graz war. Die Gra- zer Szene an sich wurde noch nie behandelt, sondern es gibt nur verschiedene Artikel über einzelne Musiker oder Gruppen. Darüber hinaus existiert ausschließlich Literatur, die sich mit ganz Österreich, mit dem Schwerpunkt Wien, oder mit Beispielen in Deutschland beschäftigt. Teilweise konnte diese mit Graz in Verbindung gebracht werden, oder war zumindest bei der Suche nach Thesen und Fragestellungen hilfreich. Durch den Mangel an Literatur war bald klar, dass nur Interviews die Antworten zur Fragestellung liefern konnten. Fragebögen oder ähnliche Methoden konnten von vorn herein ausgeschlossen werden, während sich qualitative Interviews in Form eines persönlichen Einzelgespräches anboten. Um nicht zu weit vom Thema abzukommen und somit die Vergleichbarkeit der Interviews zu garantieren, wurde ein Leitfaden ausgearbeitet, der bei allen Interviews verwendet wurde. Der Leitfaden war in sechs Themenbereiche unterteilt, wobei die ersten aus leicht zu beantwortenden Fragen bestanden und erst im Verlaufe des Interviews „heiklere“ Fragen vorgesehen waren. Darauf wurde be- sonders großen Wert gelegt, da mit allgemeinen Fragen zu Beginn die Interviewpartner für gewöhnlich in einen Redefluss kommen, mit dem Leiter des Interviews vertraut werden und mögliche Störfaktoren, wie ein Tonbandgerät, vergessen werden. Somit wird es leichter, im späteren Verlauf des Interviews über intimere Themen zu sprechen. Die einzelnen Themen- gebiete bestanden aus einer oder mehreren offenen Fragen, die je nach Interviewverlauf durch weitere detaillierte Fragen ergänzt wurden. Bei der Formulierung der Fragen wurde darauf geachtet, dass keine Suggestivfragen gestellt werden, um nicht Gefahr zu laufen, die Antwor- ten der Befragten in eine bestimmte Richtung zu lenken. Obwohl die Anordnung der Fragen den oben beschriebenen Zweck verfolgte, wurde bei den Interviews nicht strikt die Reihenfol- ge eingehalten und die Formulierungen waren nicht wörtlich, aber sinngemäß gleich. Auf diese Weise sollte man einem Alltagsgespräch möglichst nahe kommen. Außerdem wurde unterschiedlich lang und intensiv auf verschiedene Teilbereiche des Leitfadens eingegangen. Um der These nachzugehen, dass ein Großteil der Musiker und des Umfelds der Szene aus Graz und dem Raum Fürstenfeld stammte, wurden sechs Personen aus Graz und vier aus dem Raum Fürstenfeld befragt. Dieser zahlenmäßige Unterschied ergibt sich durch die Annahme, dass weniger Personen aus dem Raum Fürstenfeld nach Graz gezogen sind, als es aktive Gra- zer in der Szene gab. Um einen möglichst umfassenden Blick auf die verschiedensten Berei-

34 che der Szene zu erhalten wurden, nicht nur Musiker befragt, sondern vor allem auch Perso- nen, die darüber hinaus noch andere Tätigkeiten im Hintergrund der Szene hatten. Dadurch konnte einerseits mehr über die Infrastruktur erfahren werden und andererseits der Blickwin- kel aus dem Hintergrund dargestellt werden. Aus diesen Gründen wurden mit folgenden Per- sonen Interviews durchgeführt, deren Namen zwar nicht genannt werden, deren Funktion aber kurz beschrieben werden soll.

Befragte aus Graz:

G1: Dieser Befragte war nach seiner Matura in einer der ersten Bands in Graz als Musiker tätig und hat sich bald auf den organisatorischen Bereich konzentriert. Er begleitete die Szene darüber hinaus als Berichterstatter.

G2: Dieser Befragte hat eine Lehre abgeschlossen und in den verschiedensten Bands gespielt. Er hat sich schon in sehr jungen Jahren für Rockmusik begeistert und sich später in Richtung Jazz entwickelt. Erst nach einer längeren musikalischen Pause fand er in Form eines eigenen Studios den Weg zurück in die Musikwelt.

G3: Ein Musiker, der nicht nur aufgrund seiner jahrelangen Tätigkeit als solcher interessant war, sondern auch weil er eine Lehrstelle im Musikalienhandel hatte.

G4: Ein Pädagoge, der sich weniger dem Rock sondern viel mehr der Folk-Musik widmete. Er stand dadurch zwar außerhalb der Rockszene, aber doch in Verbindung mit dieser. Vor allem deshalb, weil teilweise dieselben Lokalitäten besucht wurden und bei gleichen Veran- staltungen aufgetreten wurde.

G5: Dieser Befragte hat schon während seiner Lehrzeit damit begonnen Musik zu betreiben, gilt als ein Mitbegründer der Szene und war neben der Rock- und Popmusik auch im Bereich des Folks tätig.

G6: Ein Absolvent der pädagogischen Akademie, der sich aber nicht dem Unterrichten wid- mete, sondern stattdessen in verschiedensten Bands gespielt hat. Länger andauernder Erfolg blieb aber bei allen Bands aus und so widmete er sich dem Management einer Coverband und blieb der Szene damit und mit der Verteilung von Werbemitteln treu.

35

Befragte aus dem Raum Fürstenfeld:

Die Befragten aus dem Raum Fürstenfeld haben alle ein Gymnasium absolviert, ein Studium zumindest begonnen und in den meisten Fällen auch abgeschlossen.

F1: Dieser Befragte war schon ab 1968 in Graz und ist weniger als Beteiligter, sondern viel- mehr als Beobachter der Szene zu betrachten. War das anfangs noch passiv, also als Teil des Publikums, wurde er später zum Berichterstatter unter anderem auch über die Rock- und Popmusik.

F2: Dieser Musiker war ab cirka 1970 in Graz und fixer Bestandteil einer Band aus Fürsten- feld. Er war mit einem seiner Bandkollegen der Erste, der in Graz Produktionsmittel ange- schafft hat und damit vielen Freunden und Bekannten die Möglichkeit zu Aufnahmen gege- ben hat.

F3: Dieser Befragte war ab 1972 in Graz und nur sehr kurze Zeit selbst Musiker in einer Band. Er war stattdessen Tontechniker einer Band, was bedeutet er war für das Funktionieren und Reparieren des Equipments zuständig. Er bezeichnet sich selbst als Roadie, da er als Fan ständiger Begleiter der Band war und beim Transport und Auf- beziehungsweise Abbau des Equipments half.

F4: Dieser Befragte hat schon sehr früh in Bands in Fürstenfeld gespielt und hat später in Graz kurze Zeit in einer Grazer Band gespielt, um bald wieder einer Fürstenfelder Formation beizutreten.

Die Interviews wurden einzeln durchgeführt und dauerten zwischen 36 und 125 Minuten. Wo die Interviews stattfinden sollten, wurde den Befragten überlassen, unter der Annahme, dass sie sich einen Ort aussuchen würden, an dem sie sich selbst wohl fühlten. Daher fanden die Interviews sowohl am Arbeitsplatz, als auch in Stammlokalen und bei den Befragten zu Hau- se statt. Sie wurden mit Hilfe eines MP3-Players aufgenommen und wörtlich transkribiert. Im Anschluss wurden sie nach der Methode von Mayring (2003) kategorisiert und analysiert. Die in dieser Arbeit vorkommenden wörtlichen Zitate wurden hinsichtlich grammatikalischer Feh- ler verändert um sie lesbarer zu machen. Jedoch sind diese Veränderungen ausschließlich

36 grammatikalischer Natur und für die Analyse wichtige sprachliche Elemente, wie das plötzli- che Abbrechen von Sätzen, wurden belassen.

37 4. Eingliederung der Personen

Im ersten Schritt soll die Szene räumlich und zeitlich eingeordnet werden. Es wird der Frage nachgegangen, wann der Beginn einer Szene datiert werden kann und woher die Musiker der Studentenstadt Graz ursprünglich gekommen sind. Darüber hinaus soll die Hauptbeschäfti- gung ermittelt werden um eine Einteilung des Milieus vornehmen zu können. Im zweiten Schritt wird darauf aufbauend, sowohl auf den Zugang der Personen zueinander, als auch auf den Zugang zur Musik eingegangen.

4.1. Der Beginn der Szene in Graz und die Definition des Milieus

Wie Brödl (1995, S.21) berichtet, haben sich 1965 in Österreich die ersten Beatgruppen ge- gründet. Einzugrenzen, wann diese Entwicklung in der Steiermark einsetzte, erwies sich in den Interviews als relativ schwierig. Des Weiteren war die Frage nach der Herkunft der Musi- ker eine zentrale in den Interviews um der These nachzugehen, dass Fürstenfeld und Graz selbst den größten Beitrag geleistet haben. Nur eine befragte Person gab an, dass es sich nicht feststellen lässt woher die Musiker ursprünglich kamen, für die Meisten anderen war hingegen klar: „Graz und Fürstenfeld waren die wichtigsten Zentren, wo Musiker zusammen gekom- men sind.“ (F1) „Die Fürstenfelder Mafia, das waren diese Burschen, die eben aus Fürstenfeld, Stra- den, Feldbach kamen.“ (G4) In diesem Zusammenhang spielt wohl vor allem das Gymnasium in Fürstenfeld eine wesentli- che Rolle, in dem sämtliche Jugendliche aus der Umgebung zusammen fanden. Bis cirka 1968 waren nur Grazer in der Szene und erst danach mischten sich Studenten dazu, die hauptsäch- lich aus der Oststeiermark und teilweise auch aus dem Südburgenland kamen. Insofern zog von Fürstenfeld kommend schon eine ganze Szene nach Graz um. „Eine ganze vitale Szene entwickelt, die bis heute weiter wirkt, wo es bis heute einen Boris Bukowski gibt, bis heute die STS gibt, bis heute die Opus gibt, die kommen alle aus dem Raum Fürstenfeld und Umgebung.“ (F1) Die zugezogenen Studenten stießen wiederum auch schon auf eine vorhandene Szene. „Die Grazer Szene ursprünglich waren Grazer. Das hat sich dann zum Vermischen angefangen durch die Studenten aus dem Bereich Fürstenfeld. Die kommen alle (aus

38 dem Raum) zwischen Fürstenfeld und Graz, oder der Großteil, gute zwei Drittel wenn nicht drei Viertel.“ (G5) Es kamen aber nicht einfach nur Einzelpersonen nach Graz, sondern bereits bestehende For- mationen, die vorwiegend nach Graz übersiedelten um dort zu studierten und ihr Schaffen einfach in Graz weiterführten. „Als Jugendlicher war ich in Fürstenfeld und dort hat eigentlich die Welt, von der wir da reden für mich stattgefunden, weniger in Graz. Seit 72 bin ich in Graz, das also stark dominiert von den Leuten aus Fürstenfeld war.“ (F3)

Nur zwei Befragte weiteten die relevanten Regionen, aus denen Bands nach Graz stießen, auf die gesamte Steiermark aus und nur ein Befragter konnte nicht einschätzen, woher die Musi- ker kamen. „Eben aus der ganzen Steiermark, teilweise die Burgenländer. Es hat auch in Bruck irrsinnig viele Musiker gegeben. Fürstenfeld, viele Gruppen und in Voitsberg vor al- lem, da hat es auch eine Szene gegeben.“ (G6) So kam Ende der 70er Jahre die Band „Welcome“ aus der Region Aichfeld dazu, wo vor al- lem Robert Musenbichler besonders hervorsticht. Viele der Jazzakademiker kamen aus der Obersteiermark. „Die haben damals schon Jazzrock gespielt.“ (G5) In diesem Fall erscheint es sinnvoll, sich die Meinungen der Grazer und Fürstenfelder getrennt anzusehen. Alle sechs befragten Grazer sahen den Großteil der Szene als eine Verbindung aus Grazer und Fürsten- felder Musikern und nannten nur teilweise noch andere Ortschaften in Verbindung mit einzel- nen Personen oder Gruppen. Interessanter weise waren eher die Fürstenfelder diejenigen, die zwar von ihrer eigenen Szene in Fürstenfeld erzählten, aber auf die Frage, woher die Leute kamen, weniger deutliche Antworten gaben. Entweder nannten sie die ganze Steiermark oder konnten keine genaueren Angaben machen.

Auffallenderweise datierten einige befragte Fürstenfelder den Beginn einer Szene in Graz später, als den Beginn der eigenen Szene in Fürstenfeld. Demnach wäre die eigene Band in der Oststeiermark Mitte der 60er schon bekannt gewesen, während es in Graz noch kein Sze- neleben gab. Das entstand erst, nachdem die ersten Fürstenfelder Gruppen, wie Magic bereits in Graz waren und Turning Point wie Wilfried schon aktiv. „Wir sind in Graz einmal, das muss 1964 gewesen sein, einmal in der Thalia aufgetre- ten. Es war kaum etwas für uns wahrnehmbar in Graz, von der Szene. Es waren nur

39 ein paar einzelne Musiker, die da hervorgestochen sind, der Peter Derow zum Bei- spiel.“ (F4)

Befragte Grazer haben da zum Großteil ein anderes Bild. Sie sahen den Beginn der Grazer Szene Anfang der 60er Jahre, als die Beatles und die Stones schon von England nach ganz Europa herüber geschwappt waren und deren Fans schon erste Bands gegründet hatten. Daneben wurden schon einige andere Musikrichtungen gespielt. „Da waren schon die von der Musikakademie, die neben ihrem Studium schon eben als Hobby mit irgendwelchen Bands zusammen gespielt haben. Auch schon Südameri- kanisch, also das unglaublich. Und das war so Mitte der 60er Jahre.“ (G5) Demnach waren um 1968 herum schon einige Bands etabliert und hatten bereits ihren eigenen Fanstock. Wichtig ist auch die subjektive Definition darüber, ab wann man von einer Szene spricht. So spricht ein Befragter erst ab dem Zeitpunkt von einer Szene, zu dem sich Rock, Folk und Jazz miteinander vermischten und das war cirka ab 1970 der Fall. „Das ist nämlich die große Szene. Was das andere ja eigentlich nicht gewesen ist.“ (G3)

Obwohl es schon vorher Bands gab, die gespielt haben, wie auch zum Beispiel die Hide and Seek, von einer Szene ist hier aber noch nicht zu sprechen. Ein anderer Befragter datierte das Gründen der ersten Band in Graz erst mit 1969. Die Band hieß Vojo and More und er legte den Beginn der Grazer Szene auf Anfang 1970, als es auch schon Bands wie die International Travellers gab. Ein Befragter war der Meinung, dass das Grazer Szeneleben von den frühen 60ern bis cirka Mitte der 70er Jahre am stärksten war. Wie aus dieser Auflistung hervor geht, ist es sehr schwer einen Zeitpunkt als Beginn der Szene anzusetzen. Wie erkennbar wurde, liegt das vor allem an der Subjektivität der Aussagen. Jeder sieht den Beginn zu dem Zeit- punkt, an dem er selbst angefangen hat, oder zumindest ein älterer Freund. Auch das bedeu- tendste Szenetreiben sehen die Befragten in ihrer eigenen Schaffenszeit. Wie stark der persön- liche Werdegang die zeitliche Einordnung beeinflusst, zeigen die Aussagen zweier verschie- dener Grazer Musiker. „Weitaus vorher (vor 1968) ist das entstanden und hat sich über ´75, ´76 hingezogen. Das war dann die Szene, wo man sagen kann, dass viele Leute gleichzeitig zumindest da am Arbeiten waren. Seien es Maler, seien es Jazzer, seien es Rocker oder Kom- merzler.“ (G5)

40 „Ab 80 da könnt ich ein paar Sachen mehr erzählen, da ist ja auch mehr gewesen sag ich einmal. Da hab ich auch selber mehr Erlebnisse gehabt im Studio, weil ich da mehr Kontakt gehabt hab.“ (G2)

Fakt ist, dass es in Graz die ersten Bands, die damit begannen Rockmusik zu spielen, cirka ab 1967 gab. In Fürstenfeld wurden zwar schon Anfang der 60er Jahre Bands genannt, die länge- ren Bestand hatten. Jauk (1995) schreibt, dass sich die Bands nach einer Phase der Imitation der internationalen Stile in zwei verschiedene Richtungen entwickelt haben. Einerseits ist eine Schlagerszene entstanden und andererseits eine Beatszene. In Fürstenfeld haben Musiker oft schon Tanzmusik gespielt und diese Bands sind langsam auf die Rockmusik umgestiegen. Wann genau das war, geht aber aus den Aussagen nicht hervor. Wirklich von einer größeren Szene könnte man vielleicht ab dem Zeitpunkt sprechen, als die ersten Bands aus Fürstenfeld ihr Schaffen nach Graz verlegten und auch die Jazzbands dazu stießen. Das wäre dann cirka Anfang der 70er Jahre. Aus anderen Regionen kamen nur einzelne Musiker oder Gruppen.

Die Bildung der Beteiligten der Szene war unterschiedlich. Auf der einen Seite gab es Schü- ler, aus denen später Studenten wurden, und auf der anderen standen einige auch voll im Be- rufsleben. Nur ein Befragter meinte, dass es kaum Studenten gab, die aktiv Musik betrieben. „Mit den Studenten das war eigentlich immer mehr so abseits, klein wenig. An mir ist das vorbei gegangen.“ (G3) Dagegen steht die Aussage eines anderen Befragten, wonach es viele Studenten gab und „nur wenige wirklich voll im Beruf standen und nebenbei Musik gemacht haben.“ (F1) Oft ist das Studium neben der Musik gelaufen, um „ein Alibi, sagen wir einmal bei den Eltern zu haben“ (F2), während die Musik das Wichtigste war. Daher gab es auch einige Studienabbrecher und manche versuchten nur von der Musik allein zu leben. Denen ging es aber in vielen Fällen eher schlecht und das Motto war „von der Hand in den Mund leben, oder es geht sich gerade aus.“ (F4) Ein Befragter berichtet über einen mittlerweile bekannten Musiker, der harte Jahre hinter sich hat. „Wie ich zu ihm hin bin, da war’s eisig kalt und der hat nichts zum Heizen gehabt. In der Küche ist der gelegen in einem Bett und total zugedeckt. So hat er irgendwie über- lebt.“ (F4) Nur wenige konnten es sich leisten, sich nur auf die Musik zu konzentrieren. Gerade Studen- ten oder Musiker, die keine anderen Berufe hatten, suchten sich immer wieder Nebenjobs.

41 Das waren die üblichen Studentenjobs wie Kellnern, einige spielten aber auch in kommerziel- len Tanzpartien um Geld dazu zu verdienen, und das sowohl im Inland als auch im Ausland. „Was noch berühmt war - über den Sommer nach Kanada fahren und dort so alpen- ländische Musik spielen, ja und sich dumm und dämlich verdienen und damit die rest- lichen 9, 10 Monate in Österreich wieder über die Runden kommen.“ (F3) Demnach fuhr man lieber weit weg von zu Hause, wo einen niemand sehen konnte, wenn man sich dem Kommerz hingab. Andere, aber das war wohl eher die Ausnahme, nahmen auch gefährliche Jobs an, um sich das Leben als Musiker leisten zu können. „Ich habe gearbeitet in einem Röhrenwerk in Düsseldorf bei ´Mannesmann´. Ich mein, das waren tödliche Jobs, weil wenn du da einen Fehler gemacht hast, bist du ohne Fuß oder Hand heim gekommen.“ (G5) Interessanter weise waren es vor allem Pädagogen, die neben ihrem Hauptberuf Musik betrie- ben haben. Vorfinden konnte man aber auch andere Berufe wie Schriftenmaler, Bankbeamte und Schlosser.

4.2. Der erste Kontakt mit Rockmusik

Bevor man auf die Idee kommt, eine Band zu gründen, muss die Kenntnis über eine entspre- chende Musik gegeben sein. In diesem Fall ist das vor allem die aus Großbritannien kommen- de Beat- und Rockmusik. Larkey (1993, S. 23) zeigt in seinem Buch auf, dass in den 70er Jahren die Kenntnis der anglo- und afroamerikanischen Musik in Österreich relativ hoch war, wenn diese auch nicht bei der gesamten Bevölkerung gleich beliebt war. Er weist aber darauf hin, dass mit dieser Ausbreitung eine Entfernung aus dem ursprünglichen Kontext verbunden ist. Wird ein Musikstück das erste Mal vor einem neuen Publikum gehört, findet eine so ge- nannte „De-contextualization“ schon statt, sie wird also aus dem ursprünglichen Kontext ent- fernt und in einen neuen, dem Publikum entsprechenden, eingegliedert. Das hat zur Folge, dass die vorhandenen Soundstrukturen mit neuen Bedeutungen besetzt werden, die sich von Publikum zu Publikum unterscheiden. Nach Durant (zit.n. Larkey, 1993, S. 181) wird die Be- deutung von Musik nicht einfach in neue Gegenden importiert, sondern dort durch lokale, kulturelle Muster beeinflusst wiederhergestellt. Für Larkey ist genau das passiert, als die ame- rikanische und englische Musik nach Österreich gekommen sind, deren Inhalt wurde nicht verstanden, sondern deren musikalische Struktur dafür verwendet wurde, eigene Emotionen hinein zu interpretieren und die Songs mit eigenen Texten zu versehen. Jauk (1995, S. 312) spricht in diesem Zusammenhang von einer doppelten kulturellen Sozialisation, was bedeutet,

42 dass die noch fremde Musik in die neue Kultur eingebunden wird. In Österreich wie auch in Deutschland gab es kaum einen Bezug zu dem Rock`n`Roll oder dem Blues aus Amerika. Hier konnte man nicht darauf zurückgreifen, daher übernahm man gleich direkt den Beat aus England. Möglich gemacht wurde das durch die verschiedenen Medien, also das Fernsehen, die Schallplatte, aber vor allem auch das Radio. So war ab 1960 für die österreichische Jugend die Rock- und Popmusik zugänglich.

4.2.1. Das Radio

Die größte Bedeutung wird dem Radio zugesprochen, da eine gute Verfügbarkeit der Geräte vorhanden war und es daher die günstigste Möglichkeit für die Jugendlichen darstellte (Jauk, 1995, S. 312). Wenngleich eine gewisse Abhängigkeit vom Radiogerät der Eltern noch vor- handen war. „Sobald es Ö3 gab hab ich Ö3 gehört, zuvor eigentlich weniger, weil meine Eltern, außer Nachrichten nicht wirklich Musik über Radio gehört haben.“ (G2) Österreichische Radiosender für Jugendliche waren in den 60er Jahren keine vorhanden. Nur ein Befragter gab an, dass er das Regionalradio hörte, in dem Tanzmusik auf Bestellung ge- spielt wurde. Des Weiteren genannt wurde auch die Hitparade auf Ö2. Rockmusik zu hören war also zum damaligen Zeitpunkt über österreichische Sender noch nicht möglich. Daher wurden auf Kurzwelle zwei Radiosender entdeckt auf denen die Jugendlichen ihre Musik hö- ren konnten. Von allen Befragten wurde an dieser Stelle das Radio Luxemburg genannt und von einigen auch das Radio Ljubljana. „In Österreich war die Radi- Auswahl null. Bis wir dann so mit 12, 13, 14 drauf ge- kommen sind, dass es auf Kurzwelle viele, viele Sender gibt und dann haben wir natür- lich zum Suchen angefangen und da hat man dann gemerkt, dass es ja noch eine ande- re Musik auch gibt als die Gamsbartabteilung und dann sind wir auf Radio Luxem- burg gekommen.“ (G5) Auf diesem Sender gab es keine Programmchefs, sondern vielmehr Diskjockeys, die sämtli- che neueste Hits aus der amerikanischen und englischen Hitparade gespielt haben. Ein Be- fragter verglich das Programm auf Radio Luxemburg daher mit dem heutigen Internet. „Damals hab ich das erste Mal, ich kann mich erinnern, das war wow, das erste Mal Satisfaction von den Stones über Radio Luxemburg gehört.“ (F2)

43 Etwas später gab es auch schon deutsche Sender, die Beat im Programm hatten. Diese Hin- wendung der Jugend zu ausländischen Sendern war wohl der Grund für die Gründung des bei den Befragten als progressiv bezeichneten Senders Ö3 1967 (Jauk, 1995, S. 314). Erst da- durch, wurde es möglich, auch in Österreich Rockmusik über ein Medium zu hören. Besonde- re Bedeutung hatte die Sendung „Musicbox“. „Das war ganz wichtig Radio hören, jeden Tag. Eine Sendung war ganz wichtig, die hat Musicbox geheißen und das wurde dann immer besprochen. Das war also die Quelle von Neuigkeiten. Das war ein Jugendsender und dort wurde halt dieses, was wir unter progressiv verstanden haben, besprochen.“ (F3)

Für alle, die sich neben dem Rock auch für Folk interessierten, waren die Sendungen „Die Grüne Welle“, „Folk mit Jack“ und später der „Collins Folk Club“ im Programm vertreten. Das Fernsehen war noch wenig verbreitet und daher nur am Rande an der Verbreitung von Beat beteiligt. Erst mit der Fernsehsendung „Spotlight“ gewann es für die Jugendlichen an Bedeutung, vor allem deshalb, weil österreichische Bands vorgestellt und gespielt wurden. Hier konnte man sich also informieren. Davor waren es aber vor allem die verschiedenen Ju- gendzeitschriften, wie das „Bravo“, die gelesen wurden, um über das internationale, aktuelle Geschehen Bescheid zu wissen. Vor allem aber auch darüber, wann eine neue Platte auf den Markt kommt.

4.2.2. Die Schallplatte

Schallplatten wurden dann gekauft, sobald man genug Geld dazu hatte. Bei einigen war das schon früher möglich, da sie schon einen Lehrberuf ausübten und daher die Lehrlingsentschä- digung zur Verfügung hatten. „Ich hatte einen kleinen Koffer Plattenspieler und da hat es dann die ersten Singles von den Beatles gegeben und dann waren das die Small Faces.“ (G3)

Bei den Schülern reichte oft das Taschengeld nicht und die Verfügbarkeit von Plattenspielern war oft noch gar nicht gegeben. Dennoch gab es für die meisten die Möglichkeit, sich auf irgendeine Weise Platten anzuhören. So zum Beispiel bei Freunden. „Ich hatte keinen Plattenspieler, den hab ich erst 1970 oder so bekommen, dement- sprechend hab ich keine Schallplatten gehört.“ (F1)

44 Zu einem späteren Zeitpunkt fuhr derselbe Befragte jedoch sogar nach London, um sich Schallplatten zu kaufen „Ich bin jedes Jahr einmal nach England gefahren und da gab es in der Shaftesbury Avenue einen Schallplattenladen, wo man so ziemlich alles bekommen hat.“ (F1) Ein Befragter hatte nach einem Schüleraustausch Kontakte nach England und ließ sich die Platten von Freunden aus London schicken. Das blieb aber eher die Ausnahme und die meis- ten konnten sich nicht jede Schallplatte leisten, die sie gerne gehört hätten. Gebraucht wurden sie aber nicht nur zum Anhören, sondern oft wurden sie auch schon mit dem Ziel gekauft, die Titel selbst nachzuspielen. Konnte man sich die Platte also nicht kaufen, schuf die Musicbox in den Cafés Abhilfe. „Wir sind ins Kaffeehaus gegangen und haben in die Musicbox einen Schilling hinein- geworfen und die Mittelschüler haben den Text abgeschrieben und ich hab mir die Ak- kordwendungen, die Sachen gemerkt.“ (F4) Und abends fand man den Titel des Öfteren schon im Programm der Band vor.

In Graz wurden drei Schallplattenläden genannt. Das waren der „Salon Melodie“, der „Frie- be“, und die „Erste Grazer Schallplattenboutique“, die von Fred Steinbrenner und seiner Frau geleitet wurde. Diese hatten besonders gute Kontakte zu Plattenfirmen und daher immer die neuesten Platten. „Der hat immer die Besten Platten gehabt und zwar was jetzt und heute interessant war. Bob Dylan zum Beispiel, da hast nicht so kaufen können wie du eine Wurstsem- mel kaufst. Die hat es nicht gegeben, weil die hat keinen interessiert, weil die Chefleu- te vom Label - der hört sich das an und der sagt um Gottes willen, wem soll ich das verkaufen. Und der hat Connections gehabt zu den Vertretern von verschiedenen Plat- tenfirmen und einfach einen guten Riecher.“ (G5)

Ein Fürstenfelder nannte auch ein Schallplattengeschäft in Fürstenfeld, das vermutlich Regner hieß.

45 4.3. Die ersten Bands: Wo man sich traf und kennenlernte

Wie es dem Alter der Bandmitglieder entsprach, waren die höheren Schulen in vielen Fällen der Ort, an dem man sich kennen lernte und Bands gründete. Allerdings bestand die Szene nicht nur aus Schülern, sondern auch einigen Lehrlingen, die ihre Kontakte hauptsächlich über Lokale schlossen. Wichtig werden diese Lokale auch ab dem Zeitpunkt, zu dem sich Fürstenfelder mit Grazern zu „vermischen“ begannen. In Fürstenfeld selbst lernte man sich hauptsächlich in der Mittelschule kennen. Diese Szene war im weiteren Verlauf auch eine studentische Szene. Doch auch hier gab es ein Lokal, das Cafè Husar, in dem man sich traf und austauschte. „Wenn manche etablierte Musiker in das Café gekommen sind, dann war man ir- gendwie - hat man getuschelt, wenn man da noch Schüler war. Schau wer da gekom- men ist und so, also es gab so eine lokale Star Szene, schon auch in Fürstenfeld.“ (F3) Wichtig war für alle das gemeinsame Interesse an der Musik, dadurch lernte man sich kennen. So gab ein Fürstenfelder an, dass er die Leute über das Live-Spielen kennen lernte. „Da sieht einer eine Band, das ist lustig, also der spielt gut. Weil wir haben damals einen Gitarristen gesucht und dort war der Musenbichler in Knittelfeld. Da haben wir gehört, ja das dürfte ein guter Gitarrist sein. Dann haben wir ihn einmal eingeladen und dann hat er halt mitgespielt.“ (F2)

Graz hatte natürlich an Lokalen und Orten der Begegnung mehr zu bieten als Fürstenfeld. „Da waren ein paar so Schwerpunkte, das war der so genannte Starclub, dort hat man sich getroffen und da ist die Musik gespielt worden und die Grüne Spinne und also drei vier Lokale. Das Schlossbergcafè in der Sporgasse, dort war eine Musicbox, die halt bestückt war mit der Musik. Und dort hast dann die Leute getroffen, die einfach auch so die gleich Musik wollen und das waren die Kontakte.“ (G1) In Graz gab es vor allem in den frühen Jahren eine Trennung in Lokale für die Schüler und Lokale für die Arbeiter beziehungsweise Lehrlinge. So war, nach einem Befragten, in der Grünen Spinne und im Starclub die Blues- und Rock Szene anzutreffen, die zum Großteil aus Lehrlingen bestand. Diese Szene bewegte sich dann später Richtung „Jazzfreddy“, wo es zum Kontakt mit Musikern von der Jazzakademie kam. „Die Schüler haben natürlich andere Lokale gehabt als die Lehrlinge zum Beispiel, da ist es ein bisschen rauer umgegangen. (…) Die Schüler sind eben noch mit dem Anzug

46 gegangen und die anderen, also die Arbeiterabteilung und was halt die einfacheren Leute waren, da sind viele gleich von Haus aus auf die härtere Abteilung. (G5) Unter „härtere Abteilung“ fielen demnach Jeans, Lederjacke und Stiefel, ganz nach dem Vor- bild von Marlon Brando. Die Lokale waren zwar alle in der Innenstadt verteilt, aber man ging nur in das Lokal, das dem eigenem Outfit und der richtigen Musikrichtung entsprach und auf keinen Fall in ein gegensätzliches. Hier wird schon deutlich, in welchem Maß Jugendkulturen sich über ihre Kleidung definieren. Statt über die Sprache wird in einer Jugend- oder Subkul- tur, über Zeichen kommuniziert, die Teil ihres Stils sind, wie die Kleidung, die Musik und der Tanz. Im Kleidungsstil drückt sich das „`Normalsein` im Gegensatz zur `Abweichung` aus“ (Hebdige, 1983, S. 27). Wer sich also abseits der Norm kleidet, zieht die Aufmerksamkeit auf sich und will interpretiert werden. Der Stil der Subkulturen ist künstlich aufgesetzt und bela- den mit Codes, die zur Schau gestellt werden. Oft wirken diese Stilmittel für Außenstehende chaotisch, jedoch ist die Struktur innerhalb betrachtet sehr ordentlich strukturiert. Diese Ein- heitlichkeit verfolgt den Zweck, die mit der jeweiligen Gruppe verbundenen Werte zu artiku- lieren (vgl. Hebdige, 1983, S. 27f). „Das war die Innenstadt. Ob das jetzt Gamlitzer Weinstube war oder das Bohème, das böse Bohème, oder im Kitkat, das sie nachher zugesperrt haben, weil da waren schon zu viele Giftler drinnen. Oder weiter beim Kastner drüben die Tenne, das war alles zu Fuß zu gehen. Das war eh alles zusammen und ein bisschen weiter in der Belgiergas- se, da war ein Lokal, das war da für die Burlis, für die brave Abteilung, die mit dem großen Krawattenknopf und Anzug. Da waren drinnen Schüler, die eher braven. Wenn du jetzt ein Rocker warst oder was weiß ich, hast eigentlich keinen Bock gehabt, dass du dich da zwischen die Anzüge hineinsetzt.“ (G5) Ein Teil dieses Zentrums hat im Jahr 1972 vom Grazer Künstler Claus Schöner sogar einen Namen bekommen und heißt seither „Bermuda-Dreieck“. Eine Bezeichnung für die Anhäu- fung von vielen Bars und Lokalen, die mittlerweile von vielen Städten übernommen wurde. Das oben bereits genannte Bohème hatte den Ruf eines Lokals, in dem sich sämtliche Dro- gensüchtige trafen, während bei „der Haring“ alle möglichen verschiedenen Personenkreise anzutreffen waren. Mit „der Haring“ ist Harings Likörstube gemeint, in der man sich noch vor sieben Uhr dem heimischen Schnaps hingab, denn Begriffe wie Whisky und Scotch waren dort Fremdwörter. Neben den heimischen „Schnapsbrüdern“ saßen dort sämtliche Schriftstel- ler, Vertreter des Theaters wie Wolfgang Bauer und natürlich auch die Rockszene (vgl. Schmidt, 1996, S. 10f.).

47 Der Glockenspielkeller wurde als das Lokal bezeichnet, in dem sich die Kulturszene befand. Genannt wurden auch der Sorger und das Schlossbergcafe, das auch seine eigenen Kreise anzog. „Das war so ein Treffpunkt der Schulschwänzer, Möchtegern-Dichter, Musiker. Die Leute waren unheimlich kommunikativ.“ (G4)

Ein Treffpunkt und Ort, wo man sich kennen lernte abseits dieser Lokale waren die Heime der verschiedenen Parteien, also sowohl KPÖ, SPÖ, als auch ÖVP. Für soziale Kontakte sorgte aber auch die Erste Grazer Schallplattenboutique, wo man sich vor allem kennen lernte, weil man in diesem Laden die neuesten und besten Platten bekam, noch bevor man sie wo anders kaufen konnte. „Da haben sich die ganzen Musiker von der Steiermark getroffen. Ihre Platten dort gekauft, da hast dich hinein setzten können und alles durchhören. Die DJ`s waren alle dort, so hast du dich informieren können und dadurch haben wir uns kennen gelernt.“ (G5)

Den Beginn der Rock- und Popszene in Graz zu datieren ist relativ schwierig, die Mehrzahl der Aussagen deutet aber auf die Zeit um 1970 hin. Relativ klar hingegen ist, dass ein Grant der Musiker aus dem Raum Fürstenfeld zugewandert ist, oder aus Graz direkt stammte. Hier unterteilte sich die Szene in zwei verschiedene Milieus. Die Musiker aus Fürstenfeld waren Studenten; sie sind vorrangig zum Zweck des Studiums nach Graz übersiedelt. Die heimi- schen Grazer hingegen haben mehrheitlich einen Beruf gelernt oder hatten die pädagogische Akademie abgeschlossen. Zueinander gefunden haben die Schüler hauptsächlich im Gymna- sium. Die Grazer untereinander, aber auch später die Grazer mit den Fürstenfeldern haben sich meist in den verschiedenen Lokalen und bei Live-Veranstaltungen kennen gelernt. Vor allem über das Radio Luxemburg wurde von vielen Jugendlichen der erste Kontakt mit der internationalen Musik aufgenommen. In Österreich gab es erst viel später mit Ö 3 einen ju- gendorientierten Sender. Mittels der verschiedenen Jugendzeitschriften, wie Bravo, informier- te man sich über Neuigkeiten aus Großbritannien und wenn das Geld dazu reichte, und ein Abspielgerät vorhanden war, was nicht selbstverständlich war, wurden aktuelle Schallplatten gekauft. Oft nicht nur, um diese immer wieder anhören zu können, sondern schon mit dem Zweck die Musik nachzuspielen.

48 5. Das Nachspielen der angloamerikanischen Musik auf einer amateurhaften Basis, die vorangegangenen antreibenden Motivationen und die ersten Ergebnisse.

Die ersten Schritte sind getan. Man hat sich für die Musik begeistert und Altersgenossen ge- funden, die genauso empfinden. In der nächsten Phase entwickeln sich die Jugendlichen vom passiven Zuhörer zum aktiven Musiker. Nach Jauk (1995) ist der erste Schritt beim Entstehen von Popmusik das Nachspielen von Musik auf einer amateurhaften Basis. Erst nachdem man ausreichend geübt hat, können auch eigene Songs geschrieben werden. Das trifft auf die Sze- ne in Liverpool zu, aus der später der Beat hervorgegangen ist, genauso wie auf jene in Wien, woraus der Austropop entstanden ist. Aus diesem Grund liegt die Annahme nahe, dass auch in der Steiermark keine professionell ausgebildeten Musiker am Werk waren. Darüber hinaus soll die Motivation besprochen werden, die bewirkt hat, dass sich die Schüler und Lehrlinge mühsam das Gitarrespielen beigebracht haben.

5.1. Die musikalische Vorbildung

Eine Karriere in einer Band begann in den meisten Fällen eher zufällig und „durch Möchte- gern“ (F3) und nicht nach längerem Unterricht auf einem Instrument. Daraus geht schon her- vor, dass der Großteil der Musiker Autodidakten waren. „Autodidakten bis aufs Letzte. Auch die ganzen Schmähs, die es gegeben hat, hat man müssen mühsam erlernen. Und du kannst nur lernen wenn du hörst und schaust.“ (G5) Nur ein Interviewpartner wusste nicht, woher die Musiker ihre Instrumente kannten und konn- te daher keine Angaben machen. Ein Fürstenfelder Befragter war der Meinung, alle Fürsten- felder Musiker wären Autodidakten gewesen. Jedoch haben einige innerhalb der Familie be- gonnen Instrumente zu spielen. „Viele von ihnen haben als Kinder in der Familie irgendein Instrument erlernt, meis- tens Ziehharmonika, Blockflöte.“ (F1) Die Ziehharmonika zu erlernen war aber nicht nur in der Familie üblich, es gab durchaus ver- einzelt Unterricht. Daher war die Kenntnis von Noten teilweise vorhanden, aber aufgrund der mangelnden Literatur der bevorzugten Musik waren sie oft keine große Hilfe. Songbooks mit Rockmusik waren erst viel später vorhanden und auf ein gutes Gehör konnte man nicht ver- zichten. Auch ein zweiter Befragter hielt seinen klassischen Musikunterricht, den er ab dem 8. Lebensjahr hatte, nicht für besonders hilfreich, als er dann mit 16 in einer Band zu spielen begann.

49 „Das war aber furchtbar. Ich hab mich hingestellt und damals die erste Band, da hat der Jandrisits mitgespielt und der ist gekommen mit seiner Gitarre und da haben wir ein bisschen was probiert und der hat gesagt: Das ist in C und dann geht es in E, und ich hab gesagt: Was? Wie? Ich habe nur gewusst wie die Noten ausschauen und das hat ein Jahr gebraucht, bis ich gewusst hab, das ich frei spielen kann.“ (F2)

Musikunterricht wurde also vereinzelt schon genommen, besonders große Bedeutung wurde ihm aber nicht zugesprochen. Für die meisten zählte in der Rockmusik das passende Feeling zu dem noch ein paar Akkorde dazu kamen, die man ohnehin leicht erlernen konnte. Dadurch sind auch ohne große Vorbildung gute Musiker herangewachsen. „Dann gab es eben einige, die dann das was sie machten besonders gut konnten, dazu zähl ich vor allem die Sologitarristen, die dann mit unglaublichem Tempo und irrsin- nigen Läufen das Publikum staunen ließen.“ (F1)

5.2. Die Imitation der angloamerikanischen Musik

Das Nachspielen von Hits, vor allem aus dem Repertoire aus Großbritannien war einer der wesentlichen Faktoren für die Entstehung des Austropop in Österreich. Nachgespielt wurde auf einer amateurhaften Basis in den entsprechenden Lokalen weniger im Kontext eines Kon- zertes, sondern eher um die Möglichkeit des Tanzes zu bieten (Jauk, 1995, S. 313). Das war nicht nur in Österreich der Fall, sondern eine europaweite Entwicklung. In ganz Europa wurde cirka ab 1964, als die Rolling Stones und Beatles aufkamen, von jungen Musikern damit be- gonnen deren Titel nachzuspielen. In dieser Zeit konnten sich die Musiker das notwendige musikalische Können aneignen, um möglicherweise später einem professionellen Musikerda- sein nachgehen zu können. Aus dieser Phase heraus entstand sowohl eine professionelle Tanzmusikszene, wo die Bambies hinzuzuzählen sind und auf der anderen Seite eben der Au- stropop. So eine Phase hat es auch in Graz gegeben. In diesem Punkt waren sich die Befragten einig. Man versuchte die Vorbilder wie die Rolling Stones und Jimmy Hendrix nachzuahmen. „Das war einfach learning by doing. Die haben zwar Gitarre spielen können, irgend- wie, man kann es sich ja selber beibringen und haben dann einfach an sich selbst wei- ter gearbeitet. Die sind dann letzten Endes gute Musiker geworden. Musst ja nicht studieren deswegen.“ (G1)

50 Die zeitliche Einordnung war bei allen relativ ähnlich. Ein Befragter gab an, dass ab cirka 1966 Rock überall nachgespielt wurde. „Wo man sich mehr oder minder in jedem Kaff irgendwie zusammengefunden hat und gesagt hat, spielen wir Satisfaction nach oder so etwas.“ (F1) Andere datierten die Nachspielphase gegen Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre. Zu dieser Zeit war der größte Teil der Musik, die in Graz gespielt wurde, bestehend aus nachgespielten. Die Qualität variierte aber stark. „Im schlimmen Fall in sehr schlechten und im Ohr weh tuenden Kopien. Im guten Fall in Interpretationen, die durchaus dem Original ähnlich waren, aber ihren eigenen Reiz hatten.“ (F1)

Einige waren der Ansicht, dass in den 60er Jahren überhaupt nur nachgespielt wurde. Auch die ersten Schallplatten waren gut gecoverte Titel von internationalen Bands. In vielen Fällen waren das die Beatles. „Die erste Platte von den Magic hat Cadillac geheißen. Das war eine Nummer von ir- gendeiner englischen Band. Super gecovert, viel besser als das Original, aber trotz- dem halt nur ein Cover.“ (F3)

Als Grund, warum man nachspielte, wurden im Wesentlichen zwei Punkte genannt. Zum ei- nen gab es international sehr viel gute Musik und es war sehr schwer, selbst an diese Leistun- gen heran zu kommen. Der zweite Grund war der Wiedererkennungswert, der von den Bands ausgenützt wurde. Das Publikum kannte die internationale Musik und wenn eine Band diese nachspielt, wird sie sofort vom Publikum wieder erkannt und automatisch gemocht, während man fremde Lieder öfter hören muss bis man sie positiv aufnimmt. „Ganz am Beginn war das so, dass man bekannte Musikstücke nachgespielt hat, eben zu dem Berufe, dass man auch Geld verdienen kann und Leute gehen hin. So wie eine Musicbox spielt halt eine Band.“ (G2) Daher coverte man die weltbesten Hits und präsentierte sie dem Publikum, ohne den An- spruch auf dieselbe Qualität zu erheben. Wichtig war in dieser Phase, dass es dem Publikum gut gefällt und eine gute Stimmung entstand.

51 5.3. Die Motivation

Für viele war es die Musik, die zu diesem Zeitpunkt entstand, selbst, die den größten Anreiz bot ein Instrument zu erlernen und in einer Band zu spielen. In den 60er Jahren dominierte in Österreich vor allem der deutsche Schlager, neben italienischen Liedern und französischen Chansons den Markt. Elvis Presley war vor allem mit seinen langsamen Songs vertreten wie „It`s now or never.“ Erst langsam fand sich in der österreichischen Medienlandschaft die et- was schnellere amerikanische Popmusik wie Chuck Berry mit seinem Hit „Let`s twist again“ ein. Die erste österreichische Gruppe, die einen Nummer-1-Hit mit ihrer Popmusik hatte, wa- ren die „Bambis“ mit dem Lied „Melancholie“. (Pfeiler, 1995, S. 82). Das war aber nicht die Musik, die Jugendliche in Graz dazu begeisterte, selbst Musik zu machen. Eher im Gegenteil, diese Situation in der Hitparade in Österreich sorgte für den Frust, der die Euphorie umso größer werden ließ, als man den ersten Kontakt mit Beatles und Rolling Stones hatte und man versucht war, die Musik einfach so zu spielen „wie`s die Originale gemacht haben.“ (F4) Es gab ganz neue Musikrichtungen, die nur der Jugend gehörten. Und diese Musik sorgte plötz- lich für so große Begeisterung, dass man einfach nachspielen musste, was man im Radio hör- te. „Um 10 oder 11 in der Nacht hat es Sendungen gegeben, da sind die Superstars der Welt vorgestellt worden und da hab ich zum ersten Mal die Originalversion vom Dy- lan selber gehört. Nicht die `Wischi-Waschi`, `Blowing in the wind` von Peter Paul and Mary, sondern das Original und mich hat es elektrisiert.“ (G5) Sofort ging man daran, sich diese Platten zu kaufen und die Texte zu transkribieren, da Song- books zu dem Zeitpunkt noch nicht vorhanden waren. Einige hatten besondere Erlebnisse bei Konzerten oder durch den ersten Kontakt mit der Musik und begannen daraufhin zu spielen. „Ich war Schulaustausch, 63 in England und da war ja bei uns tote Hose, also in Graz. Grad gewusst, dass es die Beatles gibt, aber das war es und ich bin dann nach England gekommen und bei einer Familie dort gelandet und hab dort zufällig am ers- ten Abend eine Fernsehsendung gesehen und da waren dann alle Bands von den Sto- nes, Kinks, Who und das hat mich natürlich gleich umgehaut. Dieser ganze England- Aufenthalt hat mein weiteres Leben bestimmt.“ (G1) Zurück in Österreich wurde die vermutlich erste Band in Graz gegründet, die Rockmusik spielte, „Vojo and More“.

52 Die Jugend hatte endlich ihre eigene Musik und das Beste daran war, „dass die Generation vor uns, die uns halt immer erklärt hat, wie das Leben geht und wie man sich benehmen muss, so verlässlich schockiert war.“ (F1) Tatsächlich scheinen Bealtes, Rolling Stones und andere britische Bands mit ihrer Musik das Alltags– und Selbstbewusstsein der Jugendlichen wieder- zuspiegeln, wodurch sie sich mit dieser Musik identifizieren können. Es machte das Rockmu- sikspielen noch viel interessanter, denn „wenn du eine ordentlich übersteuerte Stratocaster nur einmal laut runterspielst, ist die Mehrheit der damalig erwachsenen Menschen zusammen gezuckt.“ (F1) Den Erwachsenen also auf die Nerven zu gehen schuf einen großen Anreiz Rockmusik zu machen.

Ein Befragter, der zum damaligen Zeitpunkt Lehrling war, meinte auch, dass man über die Musik eine Chance sah, aus dem Leben, das für einen Arbeiter vorbestimmt war, auszubre- chen. Denn für sie galt „wie der Vater möchte ich nicht enden.“ „Ich hab halt gesehen, das ist eine Chance, dass ich nicht verfalle in diesen Trott. Dass ich irgendwie heraus komm. Ich mein, natürlich hab ich das jetzt nicht von Haus aus geplant gehabt, aber wenn du eine Chance siehst, OK, probieren. Fürchten darfst du dich halt vor nichts.“ (G5) Er verglich das mit der „Dritten Welt“, wonach man sich aus der dortigen Situation nur be- freien kann, indem man Fußballer wird. Dadurch waren die Arbeiter, obwohl sie vielleicht weniger musikalische Ausbildung hatten, die größeren Kämpfer.

Die Motivation, ein Instrument virtuos zu beherrschen war eher im Hintergrund, vielmehr waren es die sozialen Aspekte, die im Vordergrund standen. Man wollte einer Gruppe ange- hören und das auch zeigen, indem man zum Beispiel die entsprechende Kleidung trug (Lar- key, 1993, S. 130). Einige Befragte sahen in der Musik sogar die Möglichkeit, sich von den durchschnittlichen Jugendlichen, die brav den Weg durch Studium oder Lehre gingen, abzu- grenzen. Für andere war es wiederum nur schön, vor Publikum zu stehen. Stand man auf der Bühne, hatte man plötzlich einen hohen Status und man wurde beliebt. „Von einer absoluten Null und wenn es nur so hoch war, hochgestanden.“ (G5) Diese Beliebtheit war bei vielen auch in Bezug auf die Frauen zu sehen. War man in einer Band und konnte man ein Instru- ment spielen, war man allein dadurch schon bei den Frauen beliebt. „Wenn ich einen Leonhard Cohen auf der Gitarre spielen konnte und dann Susan oder Merian gesungen hab und dort auch nur wieder die ersten fünf Zeilen von dem Lied,

53 weil dann hab ich den Text schon nicht mehr gekannt oder so. Aber das war egal, da- mit hat man gepunktet.“ (F3) Für einen Studenten hingegen war es einfach interessanter auf der Bühne zu stehen, als zu studieren. Und verdient hat diese Band zumindest ausreichend um zu überleben. Vor allem was man in den Medien so alles zu sehen bekam hatten eine große Wirkung auf die Jugendli- chen. Man sah die berühmten Bands und wollte dem Erfolg nacheifern, genauso reich und berühmt werden. „Weil man im Fernsehen die Bands gesehen hat. Hast die Beatles gesehen und den Film `Hard days night`, der erste Beatles Film, wie die Mädchen kreischen, aber die Band tangiert oben und das wollen wir auch machen.“ (G6) Ohne die entsprechenden Medien wäre die Musik schließlich auch nicht überall bekannt ge- worden. Man bekam auf der Bühne sogar das Gefühl, auch genauso gut spielen zu können wie die großen Bands aus England.

Was diese Generation von den vorhergehenden unterscheidet, war aber auch, dass sie erstmals wieder Zeit hatte, sich um Kunst überhaupt Gedanken zu machen und ihr wirklich aktiv nach- zugehen. Die Generationen davor hatten leider das „Pech“, durch Kriege und die darauf fol- genden Jahre des Wiederaufbaus mit grundlegenderen Dingen beschäftigt zu sein. Für einige Befragte ging das aktive Betreiben von Musik Hand in Hand mit der 68er Bewegung. Die allgemeine Aufbruchsstimmung, die „Pop-Rock-Auflehnung gegen die etablierte Welt“ (F1) entstand demnach gerade deshalb, weil die vorhergehenden Generationen sich nur auf das konzentrierten, was sie unbedingt tun mussten, und die Jugend wollte da nicht mehr mit ma- chen, sondern das Leben mit mehr Freiheit leben. Dadurch entstand ein persönlicher Bezug zu dieser Auflehnung, die dann in der Musik ihr Ausdrucksmittel fand. „Ich glaube, es war die erste Generation, die im Frieden aufgewachsen ist, die es satt hatte von den Eltern gegängelt zu werden und die revoltiert hat, weil sie nicht an dem Wiederaufbau teilnehmen wollte, sondern die Welt neu erfinden wollte. Dieses, wir sind anders, haben wir uns erkämpfen müssen und die Musik war eigentlich das wich- tigste Vehikel dazu.“ (F3) Spürbar war der Aufbruch aber nicht nur in der Musik, sondern auch in allen anderen Berei- chen wie der Literatur, der bildenden Kunst und im Theater. Diese Aufbruchstimmung fußte auf der finanziellen Möglichkeit, sich von den Eltern zu lösen und eine eigenständige Verhal- tensnorm zu entwickeln, was mit einem stärkeren Selbstbewusstsein einher geht, „als auch in den wachsenden sozialen und politischen Spannungen in Westeuropa und den USA wurzelte,

54 die in den sechziger Jahren nach dem wirtschaftlichen Boom der Nachkriegszeit durch die Frage nach dem sozialen Sinn der kapitalistischen Wohlstandsgesellschaft und den Perspekti- ven der Jugend in ihr ausgelöst wurden.“ (Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 51f.)

5.4 Rock, Folk und Jazz im Bezug auf Graz

Wie bereits oben erwähnt, war die Musik selbst die größte Motivation dazu, ein Instrument in die Hand zu nehmen und sich selbst mühsam beizubringen. Daher soll hier näher auf die ver- schiedenen Musikrichtungen eingegangen werden, die in der Steiermark gespielt wurden. An erster Stelle soll auf die Rockmusik Bezug genommen werden.

In der Steiermark hat sich diese Zuwendung zur Rockmusik bei manchen sofort und bei ande- ren erst langsam entwickelt. Vor allem die älteren Musiker hatten bereits in Tanzkapellen gespielt, bevor sie sich in Richtung Beat und Rock weiter entwickelten. Nach den Aussagen der Befragten gab es vorher auch keine anderen Musikrichtungen, also auch keine anderen Möglichkeiten, ein Instrument zu praktizieren. Erst mit dem Beat entstand eine Vielzahl von Musikrichtungen und eine Unterteilung in Kommerz und progressive Musik. Gespielt wurde immer beides, aber es entwickelte sich eine strikte Trennung zwischen den Tanzpartien, die kommerzielle, populäre Musik spielten und Coverpartien, die ein progressives Programm hatten. Zwischen diesen zwei Polen bestand kaum eine Verbindung. „Die klassischen Tanzgruppen waren politisch vollkommen unengagiert, haben sich auch mehrheitlich kaum lange Haare wachsen lassen und waren sehr angepasst. Da- von gab es unzählige.“ (F1) Außerdem waren sie auch klanglich nicht mit den Rockmusikern zu vergleichen. Genau zeit- lich einzuordnen, wann sich die Jugendlichen von der Tanzmusikszene entfernten und sich ausschließlich ihrer eigenen Musik, also der internationalen Beat- und Rockmusik widmeten, ist aber laut Aussagen der Befragten nicht möglich. Für einige war es darüber hinaus aus fi- nanziellen Gründen nicht möglich, sich nur auf die progressive Musik zu konzentrieren. „Wir waren eine Rockgruppe, Geld haben wir mit Tanzmusik gemacht.“ (G6). Larkey (1993, S. 35f) beschreibt den Prozess „the movement of meaning“. Demnach unterliegt populäre Musik immer einem symbolischen Kampf, sowohl de verschiedener Gruppen der populären Musik untereinander, als auch dem mit einer übergeordneten Klasse. In Österreich hat dieser symbo- lische Kampf im genannten Zeitraum zwischen dem Schlager und dem Avantgarde-Rock und -Beat stattgefunden. Später verlagerten sich diese symbolischen Kämpfe am österreichischen

55 Markt auf den Austropop mit neuen untergeordneten Gruppen als Gegenpol, die keinen Platz in diesem Bereich fanden. Neben diesen Tanz- und Coverpartien entwickelten sich innerhalb kürzester Zeit Bands in den unterschiedlichsten Genres bis hin zur Zirkuskapelle. Jede Musik- richtung, die neu war, wurde genutzt. „Alles, was damals irgendwie zu ergattern war, ist irgendwie verarbeitet worden. Jede Richtung, weil es hat für jede Richtung Fans gegeben, weil es war alles was auf den Markt gekommen ist neu.“ (G5)

Die englische Hitparade, was Bands wie die Spencer Davis Group, Procol Haver, Rolling Stones und die Kinks umfasste, war auf jeden Fall richtungweisend. Darüber hinaus wurde von manchen Bands Psychedelic-Rock 2 gespielt. „Das war halt so in der Hippiezeit. Der Toni Gruber ist aus einem Sarg gekommen und hat was weiß ich Rinderlungen ins Publikum geschmissen, was also später der Stephan Weber mit Drahdiwaberl gemacht hat.“ (G4)

Anklang fanden auch der amerikanische Kommerz, Manfred Mann, Deep Purple, die Beatles und Bob Divanur. Die vorherrschende Musikrichtung blieb jedoch Rhythm and Blues und vor allem die Rockmusik. Die Vorbilder waren in dieser Hinsicht die Rolling Stones, Jimmy Hendrix und Eric Clapton beziehungsweise Cream. Jauk weist die Hinwendung zu diesem Genre im Allgemeinen eher dem jüngeren Teil der Beteiligten zu. „Der wahrscheinlich jünge- re Teil der Musiker, der in den späten 60er Jahren seine Pubertät und Adoleszenz erlebte, ge- riet im Soge der an der Solidarität mit dem Schwarzen, Schwächeren orientierten Haltung der Londoner Rhythm & Blues Szene um 1960 in die Musikwelt des Blues, Rock und später des Heavy-Rock.“ (Jauk, 1995, S. 313).

Diese Generation ist auch beeinflusst durch den politischen Protestsong, der aus dem ameri- kanischen Folk entstanden war und aus dem in Österreich und Deutschland die intellektuelle Liedermacher-Szene hervorging. Der Folk war auch hierzulande ein fixer Bestandteil der Gruppen. Vor allem einige Grazer haben sich neben dem allgegenwärtigen Beat und Blues vorrangig noch zu Folk hingezogen gefühlt. Die Fürstenfelder haben dieses Genre nicht expli- zit erwähnt. Es ist aber doch offensichtlich, dass beispielsweise die Gruppe STS von Folk

2 Psychedelic-Rock: Ist eine zwischen 1966 und 1968 im Zusammenhang mit der Kultur der Hippies entstandene Form der Rockmusik. Steht im direkten Zusammenhang mit Drogen, da diese Form von Rock einerseits unter Drogeneinfluss entsteht und andererseits dazu gedacht ist, während dem Drogenkonsum gehört zu werden. (Wi- cke & Ziegenrücker, 1987, S. 377) 56 beeinflusst wurde. Neben jenen, für die Folk nur ein Einfluss war, gab es andere, die sich als „Folkies“ bezeichneten, also nur diesem Genre zugehörig waren. Aber auch diese waren ein Teil der Szene, insofern, als sie bei den Konzerten in der Pause auftreten konnten und so die Rockbands auf Tour begleiteten.

Jazz war in Graz zwar für manche eine ganz andere Welt, mit der man nicht viel anfangen konnte, weil „damals war da dies Freejazzgeschichte, das war mir einfach viel zu schräg“ (G4). Dass aber der Jazz in dieser Szene auch mitspielte, kann nicht abgestritten werden. Es gab beispielsweise ein Lokal, den „Jazzfreddy“, wo sich Musiker aus allen Genres trafen und schon sehr früh eine Mischung aus Jazz, Rock und Folk gespielt wurde. Zu erklären ist dieser Einfluss mit der Jazzakademie, die in Graz schon 1965 gegründet wurde, während diese in vielen anderen Städten noch fehlte. Dadurch kamen Studenten aus aller Welt nach Graz, um Jazz zu studieren. Es dauerte nicht lange und es wurde auch Jazzrock gespielt. In der Gruppe „Blizz Fritz“ spielten neben Amateuren Studenten der Jazzakademie Schlagzeug und Trompe- te. So waren die Jazzmusiker aktiver Teil der Szene. „Der Erich Bachträgel hat irrsinnig gern so Rocklied`ln gespielt, der war unter den Jazzern als Trasher bekannt, hat immer gern in Rockgruppen mitgespielt. Bei uns auch im Proberaum, ist er gekommen hat mitgespielt und dann haben wir Sessions gemacht.“ (G6) Dennoch konnte die Qualität der Musik gerade durch diese Einflüsse angehoben werden und so waren jene Gruppen besonders gut, die durch die Jazzabteilung der Hochschule beeinflusst wurden. „Die guten waren schon Jazz angehaucht ein bisschen, weil es gab ja die Jazzabtei- lung schon. Da gab’s schon Leute, die da studiert haben, zum Teil auch Ausländer, die in diesen Bands gespielt haben. Dann gab es schon Gruppen mit Bläsersätzen wie Chicago.“ (G2) In diesem Fall waren das eigene Bands, die aber weniger Rock`n`Roll und Blues spielten. An dieser Stelle muss die Gruppe „Messengers“ erwähnt werden, die sozusagen die Hausband des Lokals „Die Grüne Spinne“ war und ausschließlich aus Jazzstudenten bestand. Das Publi- kum war aber durchaus die Rockszene. Überhaupt gab es in Graz meist keine klare Untertei- lung der Musiker in ihre Genres. Zwar fühlte sich jeder irgendwo angehörig, aber trotzdem spielten sowohl Beatmusiker mit Folkmusikern zusammen und die wiederum mit Jazzmusi- kern. Vor allem die Folk-und-Blues-Anhänger waren offen für viele Musikrichtungen wäh- rend „wenn ich mir die Beatclub Sachen anschaue, ist der Bogen äußerst schmal.“ (G5) Die

57 Jazzmusiker hatten aufgrund ihres Studiums eine Sonderstellung und deshalb gab es auch solche, die eher auf die „Poptrotteln“ (G4) herunter geschaut haben, als mit ihnen gemeinsam zu musizieren.

5.5. Die ersten selbstgeschriebenen Songs

Unter Einfluss all dieser Musikrichtungen sind die ersten eigenen Songs entstanden. Die Nachspielphase hatte eine besonders große Bedeutung, weil nur durch viel Üben und hartes Training das nötige Können und die Kreativität, entstehen mit der man dann schließlich einen Schritt weiter, in Richtung eigener Kompositionen, gehen kann (Frith, 1981, S. 88). Erst nach dieser Zeit begannen alle Bands, die lange genug bestanden, eigene Titel zu komponieren. Dieser Zeitpunkt variierte zwar bei den Bands, aber ab cirka 1970 gab es schon eigene Musik. Oft hörten sich diese ersten „Gehversuche“ noch nicht überragend an. „Dann haben sie immer eigene Songs probiert. Bei den Meisten muss ich auch dazu- sagen, bei uns selber auch, ist das in die Hose gegangen. Der Song klingt vielleicht wenn du ihn allein daheim spielst, aber wenn du ihn dann mit noch 2 `Havara` spielst, ein jeder unperfekt - geht nicht mehr.“ (G5) Erst nach einiger Zeit und nachdem man Erfahrung gesammelt hatte, wurden die Titel auch wirklich gut. Die Texte waren anfangs meist in Englisch (darauf wird später noch näher ein- gegangen) und der Schaffensprozess durch die mangelhaften Sprachkenntnisse recht schwie- rig. „Irgendwer hat mit dem Wörterbuch einen Text zusammen geschustert und das ver- bessern lassen von einem, der Englisch kann. Dann haben wir das halt gesungen.“ (G6)

Die ersten Eigenkompositionen entstanden aus verschiedenen Gründen. Einerseits wollte man selber kreativ werden und vor allem auch zeigen, dass man dazu imstande ist, aus eigenem Antrieb gute Musik zu schreiben. Auf diese Weise versuchte man sich auf dieselbe Stufe wie die großen Vorbilder zu stellen. „Man wollte auch so jemand sein, so jemand Identifizierbarer, unabhängig von den anderen.“ (G2)

Für einige war es aber ganz einfach ein natürlicher Prozess. Wenn man spielt, entstehen eige- ne Ideen und die versucht man dann umzusetzen. Hinzu kam, dass Ö3 auf Sendung ging und

58 bald anfing Österreicher zu spielen. Hier sahen einige die Chance kommerziell erfolgreich zu werden. Das ging aber natürlich nicht mit nachgespielten Hits und man wurde sich darüber klar, dass man mit Covers nichts erreichen kann. So hat beispielsweise die Gruppe Turning Point die Titel von John Mayall nachgespielt, aber die Platteneinnahmen hatte natürlich das Original. „Wir haben praktisch für ihn die Platten verkauft, statt dass wir Trottel hergegangen wären und das selbst aufgenommen hätten.“ (G5) Später wurde das mit anderen Titeln auch gemacht. So fand man auf der A-Seite einen inter- nationalen Hit und auf der B-Seite die ersten Eigenkompositionen. Leider hat die B-Seite das Publikum anfangs wenig interessiert. Ganz im Gegenteil, die ersten selbstgeschriebenen Titel führten meist dazu, dass die Band Live-Publikum verlor. „Die wollten das nicht hören. Die sind am Samstagabend zur Band gekommen, um die besten amerikanischen Lieder zu hören, nachgespielt. Das war ihnen wesentlicher.“ (F3) Die Vorliebe für internationale Hits war demnach ein Grund für den Verlust von Live- Publikum, aber auch die Qualität der Musik konnte wohl anfangs noch nicht mit den interna- tionalen Standards mithalten. Die Titel, die aus Amerika und Großbritannien importiert wur- den, klangen stimmiger, während man in Österreich noch nicht genug Erfahrung mit dem Komponieren von Popmusik hatte. Nicht zutreffend war das für die Gruppe „Hide and Seek“. Sie hatte zwar schon sehr früh eigene Lieder, aber dadurch, dass sie den Bandwettbewerb gewonnen hatte, eine große Bekanntheit und auch ein entsprechend großes Publikum. Auch Turning Point hatte mit den eigenen Titeln sehr schnell Erfolg.

Ab cirka Mitte der 60er Jahre griffen die Jugendlichen in der Steiermark vermehrt zur Gitarre und begannen die internationalen Hits nachzuspielen. Was gespielt wurde, war hauptsächlich von der englischen Hitparade vorgegeben. Rolling Stones, Spencer Davis Group und Beatles waren richtungweisend. Im Laufe der Zeit floss zusätzlich zur Rockmusik der Folk mit ein und durch die Studenten der Jazzakademie im wohl geringern Maße auch diese Musikrich- tung. „Learning by doing“ (Larkey 1993) war das Motto beim Erlernen eines Instruments. Gitarre, Schlagzeug und E-Bass erlernte man nicht in der Musikschule, sondern man brachte es sich selbst bei, wodurch nur wenige die Notenschrift lesen konnten. Musikunterricht wurde zwar vereinzelt in Anspruch genommen, jedoch meist auf dem klassischen Akkordeon. Die größte Motivation zum Musizieren lag wohl in der neuartigen Rockmusik selbst und in der

59 Erkenntnis, dass Musiker bessere Chancen bei Frauen haben. Vor allem Lehrlinge sahen daneben die Möglichkeit aus ihrem vorbestimmten Leben als Arbeiter auszubrechen.

60 6. Das infrastrukturelle Umfeld und dessen fördernde Persönlichkeiten und Institutio- nen

Ein paar Musiker, die ähnliche Musik spielen, machen noch keine Szene aus. Diese Musiker wollen schließlich Bands gründen, auftreten und möglichst bekannt werden. Dazu braucht es ein infrastrukturelles Umfeld, das die Entwicklung stützt Ob das in Form von großzügigen Verwandten ist, die ihren Keller als Proberaum zur Verfügung stellen, oder Wirte, bei denen die Amateure auftreten dürfen. Dieses Umfeld wird in diesem Kapitel behandelt.

6.1. Der Musikalienhändler

Mit dem Kauf eines Instruments beginnt jede Karriere eines Musikers. In diesem Zusammen- hang ist es wichtig, die Bedingungen der 60er und 70er Jahre mit zu bedenken. Damals war es wie bereits zuvor besprochen nicht üblich, dass die Eltern ihre Kinder in eine Musikschule schickten und ihnen ein Instrument kauften, wie das heute durchwegs der Fall ist. Im Gegen- teil, die Jugendlichen mussten sich ihr Equipment selbst organisieren, denn die Elterngenera- tion war von Stromgitarren wenig begeistert und die Verfügbarkeit von Instrumenten be- schränkte sich maximal auf eine Ziehharmonika. Die Unterstützung durch die Eltern war eher eine Ausnahme. „Meine Eltern haben investiert in den 16jährigen Jüngling, ich glaub das waren 3 000 Schilling für einen Verstärker. Und irgendwie durch Tauschen, (…) hab ich dann ei- nen schlechteren Verstärker gekriegt, dafür eine Gitarre dazu.“ (F3)

Im genannten Zeitraum gab es in Graz drei Musikhäuser: Steinberger Stamberg und Nedwed. Besonders zur Sprache kamen aber nur die zwei Letzteren. Im Musikhaus Stamberg dominier- ten vor allem die Fender-Gitarren, während man bei Nedwed schon die begehrten Gibson- Gitarren vorfand. Diese Gitarren musste man sich von der Lehrlingsentschädigung ersparen oder wenn man Glück hatte, erhielt man die Möglichkeit einer zinsfreien Ratenzahlung, was vor allem im Musikhaus Nedwed üblich war. „Das war damals das Musikhaus Nedwed, das halt bereit war, solchen jungen Musi- kern was zu geben, obwohl die nichts gehabt haben.“ (G1)

Bei der Besitzerin des Geschäfts, die von den Befragten liebevoll Frau Hertha genannt wurde, konnte man sich, wenn man bekannt war und gemocht wurde, seine Gitarre holen und sie erst

61 später in Raten abzahlen. Für manche war das die einzige Möglichkeit, überhaupt zu einem Instrument zu kommen. „Wir waren alle ihre Buben und das ist einmal eine Atmosphäre, die einmal something special ist und dann hast halt geraunzt und dann hast du sie mit deiner Lehrlingsent- schädigung oder mit dem bisschen Geld, das du von den Eltern gekriegt hast, wenn du Schule gegangen bist, hast halt angezahlt und noch ein bisschen die Oma abgesackelt oder den Opa und so abgestottert, dass du dir überhaupt was kaufen hast können.“ (G5) Ein Befragter verwies auch darauf, dass man, war man besonders beliebt, auch als Minderjäh- riger auf die Bürgschaft der Eltern verzichten konnte, um ein Instrument auf Raten zu be- kommen. Ein Befragter hatte diesen Sonderstatus erlangt, indem er mit seiner Band beim Bandwettbewerb gewonnen hatte. Natürlich hat auch die Geschäftsbesitzerin ihren Nutzen daraus gezogen. „Die Hertha, haben wir immer gesagt, die war so, die hat die Musiker irgendwie auch geliebt. Natürlich hat sie gut verdient daran indem sie dann halt diese Instrumente so- zusagen auf Ratenzahlung den Schülern, den Musikern gegeben hat.“ (F2)

Frith (1981, S. 89) schreibt, dass Rockmusik abhängig ist von Läden, die Instrumente Second Hand verkaufen, oder Kredite ermöglichen. Oft wird jemand als Schlagzeuger in einer Band aufgenommen, nicht weil er etwa so talentiert ist, sondern deshalb, weil er ganz einfach in Besitz eines Schlagzeuges ist. Die Verfügbarkeit von Musikinstrumenten ist daher immer ein wesentlicher Faktor, wenn es um die Entstehung von Bands geht. Und was heute schon als selbstverständlich gilt, war damals noch Voraussetzung, überhaupt Musik machen zu können. Für den Anfang war man aber auch noch recht genügsam. Vor allem im Bereich der Folk- Musik reichten schon eine Holzgitarre, ein Verstärker und dazupassende Mikrophone. An- sonsten war Sparen angesagt und man lernte zum Beispiel, wie man eine Gitarre so bespannt, dass man die Saiten öfters stückeln kann. Hat man sich seine Gitarre schon erspart, folgt so- fort der nächste Schritt und damit neue Bedürfnisse, die gedeckt werden müssen. Gemeint sind damit Proberäume, Lieferwagen für den Transport oder ähnliches (Frith, 1981 S. 89). Larkey (1993, S. 42) beschreibt das ähnlich, indem er die Beschaffung des nötigen Equip- ments als den größten Aufwand ansieht. Sind diese Ausgaben erst einmal getan, eröffnet sich auch schon das nächste Problem, das mit weiteren Investitionen verbunden ist, nämlich, einen Proberaum zu finden.

62 6.2. Die erste Investition einer Band: Der Proberaum

In Wien lagen die Preise für Apartments oder Lofts, die meist nur mit kaputter Einrichtung und Neonlampen ausgerüstet waren, zwischen 1.000 und 5.000 Schilling. Die Bands mussten für diese Kosten meist selbst aufkommen und da lag als Möglichkeit, diese Kosten zu mini- mieren, nahe, die Proberäume mit anderen Gruppen zu teilen. Ein Problem, das hier noch da- zu kommt, ist das der Lärmbelästigung, denn ab 22 Uhr darf keine laute Musik mehr gemacht werden (Larkey, 1993, S. 42). Diese dürfte in der Alten Poststraße in Graz besonders groß gewesen sein, denn diese Straße konnte sich zur „Musicroad“ etablieren, in der allein fünf Bands ihre Proberäume hatten und ein Hippietreffpunkt entstand. Dort, wie in sämtlichen an- deren Straßen auch, wurde in muffigen Kellern oder Garagen geprobt. Bands, die ebenerdige Räumlichkeiten besaßen wurden von anderen neidisch betrachtet. Das ist auch kein Wunder, denn wenn man Auftritte hatte, musste man schließlich das ganze Equipment zu den Auftrit- ten mitnehmen und es war natürlich wesentlich angenehmer, wenn man keine Stiegen zu be- wältigen hatte. „Die Messengers zum Beispiel waren unter der Konditorei Reinbrecht in Eggenberg drunter im Keller und wir haben schon ein Glück gehabt, dass wir schon über dem Keller waren. Wir haben ein kleines Häusl gemietet gehabt 500 Meter weiter ums Eck in der Blümlstraße.“ (G5) Diese Räumlichkeiten waren nicht besonders teuer und konnten selbst gemietet werden, meis- tens mit den Einnahmen durch das Live-Spielen oder die mit Hilfe der Lehrlingsentschädi- gung. Eine Band wurde Nutznießer eines Abbruchshauses in der Korösistraße, also von einem Gebäude, für das niemand mehr eine Verwendung hatte. Wer besonderes Glück hatte, konnte großzügige Verwandte bezirzen und sie dazu bringen, unbenützte Räume zur Verfügung zu stellen. „Irgendjemand hat irgendeinen Elternteil oder Großelternteil gehabt, der gesagt hat, O.K., bei mir könnt ihr proben. Dann hast den Keller ausgepolstert mit so Eierscha- len, also diese Verpackungen, damit er ein bisschen abgedichtet ist und dann hast halt geprobt.“ (G1)

Besonders zu erwähnen ist hier wiederum die KPÖ, die der Gruppe „Hide and Seek“ eine Baracke billig vermietete. Aber auch Pfarren haben das ihrige dazu beigetragen. Beispielswei- se konnte man den Keller der Vinzenzkirche stundenweise für die Proben mieten. Das hatte wiederum den Nachteil, dass man alle Instrumente mitnehmen musste. Im Allgemeinen war

63 es am Land leichter als in der Stadt. Beispielsweise gab es in Fürstenfeld ein Jugendheim, das gratis benutzt werden durfte.

6.3. Raus aus dem Keller: Der Schritt in die Öffentlichkeit

Das ganze Proben hat keinen Sinn, wenn man keine Möglichkeit hat, vor Publikum zu präsen- tieren, was man kann. In Wien boten Bälle und Tanzveranstaltungen und verschiedene Veran- staltungen, gesponsert von der Kirche oder politischen Organisationen, Raum für diesen Schritt. Für Bands interessant waren aber vor allem verschiedene Lokale.

6.3.1. Lokale als Auftrittsmöglichkeit

Eine besonders große Bedeutung wird in diesem Zusammenhang den Lokalen zugesprochen, da sie den Musikern und Bands als erstes die Möglichkeit boten, vor Publikum aufzutreten. In Wien war das vor allem der Folkclub Atlantis, der 1968 gegründet wurde. Der Club etablierte sich zum Treffpunkt aller alternativen Musiker, die sich von der kommerziellen Musikkultur abgrenzen wollten. Das Atlantis bot all jenen die Möglichkeit öffentlich aufzutreten und so machten bekannte Vertreter des Austropop wie Wolfgang Ambros dort ihre ersten Gehversu- che (Pfeiler, 1995, S. 50f). Auch in der Steiermark spielten verschiedene Lokale, aber auch Gasthäuser, in denen die Bands immer wieder die Möglichkeit hatten aufzutreten, eine we- sentliche Rolle. In Graz waren das Lokale wie die Grüne Spinne und der Starclub. Am Land, und vor allem in der Oststeiermark und im südlichen Burgenland, gab es in den verschiedenen Dörfern und Städten Kultursäle und Wirtshäuser, die den Jugendlichen immer wieder die Tü- ren öffneten. „Dann gab es eine Schiene, das war die Stärkste, dass Wirte, Wirtshäuser am Land haben meistens einen großen Saal gehabt. Und da gab es den Gasthof Gerstl in Egels- dorf, das war ein großer Rohbau, der ist nie verputzt gewesen und (…) da war der Deal so: Die Band tritt dort auf, kriegt den Saal gratis, kassiert die Eintrittskarten und der Wirt macht das Geschäft mit den Getränken und vielleicht auch mit Essen.“ (F1) Das war im Zeitraum von cirka 1968 bis in die späten 70er Jahre. Wie bereits aus dieser Aus- sage hervorgeht, waren Gagen nicht an der Tagesordnung. Viele Bands mussten sich mit gra- tis Getränken und etwas zu essen begnügen.

64 Des Weiteren wurden das Gasthaus Messner-Melchart und das Gasthaus Schindler in Pinka- feld im Südburgenland erwähnt, in dem immer wieder oststeirische Events stattfanden. Viele der Befragten aus Fürstenfeld waren der Meinung, dass es in Graz Mitte der 60er Jahre weni- ger Möglichkeiten gab aufzutreten, als in der Oststeiermark und im Südburgenland. Für die Grazer spielten damals noch die Heime der verschiedenen Parteien, also sowohl SPÖ, ÖVP und besonders auch KPÖ als Aufführungsorte eine wichtige Rolle. Auch im Volkshaus spiel- ten wöchentlich Bands. „Wir haben gehabt am Glockenspielplatz, da hat es im ersten Stock (…) da war ein ÖVP Heim, wo wir jeden Sonntag gespielt haben, mit Hide and Seek. (…) Und das ist aber wie eine Prozession vom Proberaum. Von der Keplerbrücke sind alle Fans von uns zu Fuß, weil die Verstärker haben ja Rollen gehabt und alles andere haben wir ge- tragen, zu Fuß (…) dort hin gegangen. (…). Und am Samstag haben wir immer unten im KPÖ-Heim gespielt.“ (G3) Nur ein Befragter schließt die ÖVP, als eine Partei, die Räumlichkeiten zur Verfügung stellte, aus, da sie eher konservativ waren, während die KPÖ die Jugend für sich zu gewinnen suchte. Veranstaltungen Sonntagnachmittag sind keine Erscheinung, die es nur in Graz gegeben hat. Die „Bambis“ haben schon in den späten 50er Jahren in ihrem eigenen Lokal, der Tenne, Teenager Partys veranstaltet, die ebenfalls sonntags am Nachmittag stattgefunden haben. Sie hatten damit sehr großen Erfolg, da sie eine Sonntagsbeschäftigung zu einer Tageszeit anbo- ten, zu der auch Minderjährige daran teilhaben konnten. Hier fanden sich auch die bereits beschriebenen Halbstarken ein (Larkey, 1993, S. 108).

Einen besonderen Stellenwert vor allem auch in Verbindung mit den Musikern der Jazzaka- demie nahmen das Theatercafè und der Jazzfreddy ein. In beiden Lokalen stand ein Klavier und im Jazzfreddy auch ein Schlagzeug. Hier traf man sich zu so genannten Sessions 3 „Im Jazzfreddy war ein Flügel und in der anderen Ecke ein Schlagzeug und da haben wir dauernd so Sessions gespielt, oft die ganze Nacht durch, mit dem Bachträgel und wie die ganzen Pianisten geheißen haben und ein paar Saxophonisten, die haben ein- fach dazugetudelt und wir haben Bob Dylan, also eine Mischung zwischen Folk, Rock, Jazz gespielt.“ (G5)

3 Session ist die Kurzform für Jam Session: Das zwanglose Zusammenkommen von interessierten Musikern, um (…) ohne festgelegte Besetzung, ohne Arrangements, sozusagen auf Zuruf improvisieren zu können. (Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 231) 65 Ähnliches spielte sich auch bei der Kabarettistin Lore Kariner ab, die in der Gartengasse den Girardi-Keller führte. Die Besitzerin selbst hat sich mit dem Klavier begleitet und dazu ge- sungen.

Das Orpheum war anfangs noch nicht für Bands offen, zumal es noch ein Kino war. Erst spä- ter, als daraus das so genannten Haus der Jugend wurde, entstand auch hier ein Veranstal- tungsraum. Dieser war zwar dürftig ausgestattet bot aber dennoch Raum für Veranstaltungen.

6.3.2. Veranstaltungen als Auftrittmöglichkeit

Neben diesen Lokalen gab es die Möglichkeit bei verschiedensten Veranstaltungen aufzutre- ten. Zum einen wurden Bands für verschiedene Jugendveranstaltungen engagiert wie bei- spielsweise Veranstaltungen der Kleinen Zeitung oder der Neuen Zeit. Zum anderen haben immer wieder Bands, oder einzelne Personen Konzerte und ähnliches organisiert, was immer mit einem gewissen Risiko verbunden war. In diesem Zusammenhang fiel der Name Vojo Radkovic. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht internationale Acts für Graz zu gewinnen, aber auch verschiedene Shows zu organisieren, bei denen die regionalen Bands auftreten konnten.

Universitäre Veranstaltungen waren eine weitere Sparte. Heimo Steps hat beispielsweise im Münzgrabenheim immer wieder Konzerte organisiert, bei denen sich Jazz und andere Musik- richtungen trafen. Im katholischen Studentenzentrum Lechgasse wurden Lesungen veranstal- tet, bei denen Live-Musik geboten wurde und die Räumlichkeiten der Mensa wurden im Rah- men der Mensa Obscura genutzt. Hier spielten mehrere Bands und dazwischen gab es weitere Programmpunkte wie Kriegsfilme.

Das Wort „Woodstock“ wurde zwei Mal für Veranstaltungen an verschiedenen Orten ver- wendet. Vor allen bei den Befragten aus der Ost-Steiermark wurde der Csaterberg im Südbur- genland in diesem Zusammenhang genannt. „Am Csaterberg in den Weinbergen oben gibt es ein Gasthaus mit einem riesigen Saal und dort ist es immer rund gegangen. Das war das Woodstock von Südburgenland, ich mein also, nicht wirklich, aber da hat es schon 6.700 Leute gegeben bei Veranstaltun- gen, also da war schon was los.“ (F4) Einige erinnerten sich an ein Schloss in Poppendorf bei Feldbach, in dem 1969 ein Popfestival stattfand, das als das „steirische Woodstock“ bezeichnet wurde. Es dauerte drei Tage lang und

66 es traten Bands wie Hide and Seek und Magic vor bis zu 3 000 Leuten auf. Am Programm standen daneben noch Vertreter der Wiener Szene wie Wolfgang Ambros, mit denen man einen Streit provozierte. „Da gab’s durchaus einen Konflikt, die haben fluchtartig das Gelände verlassen, die Steiermark verlassen, könnten wir sagen. Irgendeine Streiterei halt und so irgend et- was Unsinniges.“ (F3)

Nur wenige Veranstalter wagten ein Event im Kammersaal und im Stephaniensaal. Diese wa- ren damals schon sehr teuer und damit nur für größere Veranstaltungen wie den Bandwettbe- werb geeignet, auf den an dieser Stelle etwas näher eingegangen werden soll. Darüber wer als erster in Graz einen Bandwettbewerb veranstaltet hat teilen sich die Meinungen. Die meisten, sind der Meinung, den Bandwettbewerb hätte von Beginn an Vojo Radkovic organisiert. Ein Befragter wusste aber, dass Helmut Gugl so etwas schon in den 60er Jahren veranstaltet hat und ein anderer Befragter war der Ansicht, dass Frau Nedwed, Besitzerin des gleichnamigen Musikgeschäfts, als Erste mit einem Event wie diesem angefangen hat. Vielleicht besteht aber auch ein Zusammenhang darin, dass Helmut Gugel das Musikhaus Nedwed für sich als Spon- sor gewonnen hatte. „Der Herr Gugl war der Erste, der Bandwettbewerbe gemacht hat, so Ende der 60er Jahre. (…) Wir, die Bands, haben dann einen Pokal bekommen und er das Geld. Der hat 1.000 Leute im Saal gehabt, die Preise hat er sich vom Musikhaus Nedwed Spon- soren lassen, die Werbung hat er auch sponsern lassen und den Eintritt hat er ge- habt.“ (G6) Bei diesem Bewerb waren bereits Grazer und Fürstenfelder Bands vertreten. „Wir (Magic) haben da auch mitgespielt und haben keine Chance gehabt gegen da- mals die Hide and Seek. Das war so eine Grazer Partie und so ein wenig mafiös, war das irgendwie, also diese Bewertung. Wir sind dann nur Zweiter geworden, weil als erstes natürlich eine Grazer Partie war.“ (F2) Sicher ist, dass seit Anfang der 70er Jahre bis heute Vojo Radkovic diese steirischen Band- wettbewerbe professionell organisiert. Angefangen hat er im Haus der Jugend, dem heutigen Orpheum. Zum damaligen Zeitpunkt wurden in den verschiedensten Ortschaften kleinere Vorausscheidungen mit allen Bands, die antreten wollten, durchgeführt. Erst die Gewinner dieser Vorausscheidungen durften in Graz bei der großen Schlussveranstaltung teilnehmen. Die Gründe dafür, dass sich zahlreiche Möglichkeiten ergaben, live aufzutreten, waren viel- schichtig. Entscheidend war aber auf jeden Fall das große Interesse des Publikums.

67 6.4. Die Verfügbarkeit und Handhabung der Auftrittstechnik

Mit den ersten Auftritten musste sich auch die Technik steigern und das anfangs meist in Form von besseren Verstärkern. Finanzielle Mittel waren immer knapp bemessen und daher griff man sogar auf Selbstbausätze zurück, mit denen man den Verstärker selbst zusammen bauen konnte. Dabei blieb es auch nicht. Was man konnte, wurde selbst zusammen gebaut. Kabel löten stand an der Tagesordnung und auch Gestänge der Lichtanlage waren Marke Ei- genbau, da kaufen zu teuer gewesen wäre. Oft wurde handwerkliches Geschick auch deshalb notwendig, weil man einige Dinge in Österreich nicht kaufen konnte. Ein Befragter wollte zum Beispiel eine Mundharmonika mit Gestell haben, wie sein großes Idol Bob Dylan. „In meiner Grenzenlosen Unschuld geh ich zur Tante Hertha ins Musikhaus Nedwed, lege das Plattencover hin und sag ich hätt gern die Mundharmonika. Sagt sie, Bursche wo soll ich denn die hernehmen? Und das Gestell? Ja das kannst dir eh selber ma- chen.“ (G5) Und so war es dann auch, ein Freund baute ihm das Gestell und er musste mit einer kleineren Mundharmonika vorlieb nehmen.

Was die Verstärkung angeht, legte man auf die klangliche Qualität anfangs noch keinen be- sonders großen Wert. Darauf Rücksicht zu nehmen begann man erst Mitte der 70er Jahre. Die Grundausstattung bestand aus einem Verstärker mit nur 5 Eingängen und dazu kam noch ein Echolett für die Halleffekte und die Gesangsanlage. Manche Bands konnten sich immerhin über einen der begehrten Marshall-Verstärker freuen und Mischpulte konnten erst im Laufe der Zeit angeschafft werden. Auch die Monitortechnik war damals noch ein Fremdwort. Die Technik wurde durchwegs selbst bedient, was laut eigenen Angaben noch nicht besonders schwierig war. „Wir haben damals viel Technik selber gemacht. Das war noch nicht gang und gebe, dass du eine Crew hast, wir haben auch keine Roadies gehabt. Wir haben selber auf- gebaut, abgebaut, Licht eingestellt, Ton eingestellt und das war erst später dann, dass wir ein Mischpult im Front Off hatten.“ (G3) Nur die Gruppe Magic hatte etwas mehr Glück, da sie einen Tontechniker für sich gewinnen konnten. „Der Karl Posch hat damals Elektrotechnik mit Tontechnik kombiniert studiert und war halt auch ein Fan und der hat das alles geschmissen in unglaublicher Art und Weise.“ (F4)

68 Als problematisch wurde weniger die Bedienung der Technik angesehen, sondern vielmehr der Transport des gesamten Equipments. „Wenn man sich mit der Technik beschäftigt, kann man es von selbst, das Hauptprob- lem war eher, man musste das ja alles transportieren. Es hatten ja nicht alle einen PKW, zu dem Zeitpunkt haben halt zwei, drei Leute ein Auto gehabt, da musste man zum Teil zwei Mal fahren.“ (G2)

Einige wenige Bands, die es im Laufe ihrer Karriere zu Hits brachten, konnten sich ein be- achtliches Equipment aufbauen, das aus den führenden Marken Echolett, Vox oder Marshall bestand. Genannt wurden beispielsweise eine Orange-Gesangsanlage und ein Mischpult und dazu gehörte selbstverständlich ein Bus für den Transport. Finanziert wurde das gesamte E- quipment durch die Einnahmen beim Live-Spielen und durch Schallplattenaufnahmen. „Dadurch, dass wir viel live gespielt haben und wir haben ja hauptsächlich mit Ma- gic, im Burgenland gespielt, wo wir dann am Wochenende zwischen 700 und 1000 Leute gehabt haben und das war natürlich vom Verdienen her gar nicht so schlecht.“ (F2) Reich wurde man deshalb noch lange nicht. Denn das Equipment und die Instrumente waren sehr teuer und was man verdiente wurde gleich wieder investiert. Ein Befragter meinte auch, dass man sich mit der Technik gegenseitig half, indem man sie sich von anderen ausborgte. „Wenn du aufgebaut hast und du hast gespielt in einer Stunde und das hat nicht funk- tioniert, dann hast du dich auf das Moped gesetzt und bist zu einem Kumpel gefahren und geh borg mir das.“ (G5) Ein zweiter Interviewpartner sah das allerdings nicht ganz so unproblematisch. Bei einer Großveranstaltung waren zwei Grazer Bands als Vorgruppen vertreten, die mit ihren eigenen Anlagen spielen mussten. Die eine hatte aber keine entsprechende Gesangsanlage. „Dann mussten wir mit der anderen Grazer Gruppe reden, die wollten das aber nicht, dass wir über ihre Gesangsanlage spielen. Weil das hatten wir ja nicht, da hat jeder seinen Verstärker gehabt, aber den Gesang hätte man ja nicht gehört und dann haben wir uns doch geeinigt und wir durften dann über die Anlage der Grazer spielen, die eh Freunde waren unter Anführungszeichen.“ (G2)

Gekauft wurde das technische Equipment genau so wie die Instrumente vorwiegend im Mu- sikhaus Nedwed. Ein Befragter gab auch das Musikhaus Steinberger an, dieser stellt aber eine Ausnahme dar, weil er in diesem Geschäft als Lehrling angestellt war.

69 6.5. Das Publikum

Der Live-Auftritt an sich ist nicht nur eine gute Marketing Strategie für die Bands, sondern erfreute sich in den 60er und 70er Jahren besonders großer Beliebtheit beim Publikum. Mit dem Besuch eines Konzertes war einerseits die Entfernung aus dem Elternhaus, als auch das Treffen von Freunden verbunden. Außerdem gab es damals noch nicht die vielen verschiede- nen Möglichkeiten sich zu beschäftigen, wie das heute ist. Vor allem den Fernseher fand man noch lange nicht in jedem Wohnzimmer. „Die Fangruppen waren schon sehr stark für die heimischen Bands. Diese Lokale wa- ren immer voll, weil es keine Alternative gegeben hat. Keine Videos und keine TV- Sendungen und gar nichts und dadurch hat man das Gefühl gehabt, du bist auch ein Popstar.“ (G1) Die heimischen Bands hatten auch deshalb große Fankreise, da ausländische Bands für Öster- reich und speziell auch für Graz zu teuer waren. Österreich galt als zu klein, um dort wirklich große Bands spielen zu lassen. Deren Hits wurden stattdessen von den heimischen Bands ge- spielt und auf diese Weise kamen diese wiederum zu ihren Fans. Man hörte also die meiste Live-Musik von den Bands aus der eigenen Umgebung. „Live-Musik hat einen höheren Stellenwert gehabt als heute, nämlich nicht nur die großen Bands, sondern wirklich Live-Musik. Dass man gesagt hat, zwanzig Uhr im Gasthaus Rieger spielen die Rocking Stars und da gehen wir hin und wir haben dort die Hauptmusik gehört.“ (F1) Die Musiker hatten also einen großen Bekanntheitsgrad und obwohl es außer ein paar Plaka- ten keine Werbung gab, funktionierte der Informationsaustausch auf persönlicher Ebene und „es sind bis zu 1000 Leute gekommen.“ (G6) „Die Hütte war voll, weil du hast gesagt, da spielt ein Gitarrist von der Band, weißt eh und der andere war der Schlagzeuger von dort und die haben sich vielleicht einmal für eine Gruppe zusammen getan. Weil die Leute gewusst haben, der hat dort gespielt, da gehen wir hin.“ (G2)

Ein gutes Geschäft waren die Bands für die Wirte allemal und das war auch der Hauptgrund dafür, dass sie die Möglichkeit zu Auftritten gaben. Junge Lokalbesitzer hatten aber durchaus Interesse an der Musik und viele ältere, etablierte Wirte machten es ihnen aufgrund dessen schwer. Den so genannten „Platzhirschen“ gefiel es überhaupt nicht, dass sie ihre Gäste an solche verrufene Lokale verloren.

70 „Das da auf einmal die Jugend, die bei ihnen mit dem Anzug gesessen ist auf einmal mit Jean und Hippie-Bekleidung in so schmutzige, verrauchte Lokale sitzt, das war oft sehr böse.“ (G5) Ein Befragter meinte auch, dass man nur in den Lokalen auftreten konnte, wo sich die Wirte für die Musik interessierten. Das Publikum, das sich in diesen Lokalen einfand, war ein sehr junges. Nur ein Fürstenfelder Befragter gab an, dass die eigene Band ein Publikum von einem Altersrahmen von 12 bis 40 gehabt hätte. Im Schnitt war es aber jung und die Beliebtheit mancher Gruppen ging sogar so weit, dass sie ihre eigenen Groupies hatten. Das wiederum gab den Interpreten, wie auch schon aus dem Zitat oben hervor geht das Gefühl ein richtiger Popstar zu sein.

Das war aber nicht von Beginn an so, denn als die Rockmusik aufkam und diese auch nachge- spielt wurde, musste sich auch das Publikum erst einmal an den neuen Klang gewöhnen, be- vor es richtig begeistert war. Es aber nach dem soziokulturellen Umfeld einordnen zu können, scheint eher unmöglich zu sein. Lediglich ein Befragter aus Fürstenfeld beschrieb das Publi- kum als ein eher studentisches, alle anderen fassten es wesentlich weiter und schlossen auch Schüler, Lehrlinge und Arbeiter mit ein. „Extrem gemischt, das war ein sehr junges Publikum, eindeutig, das kann man sagen und das ist durch sämtliche Schichten gegangen, also es war sehr demokratisch.“ (F1) Am ehesten ist eine Einteilung durch das Geschlecht möglich. So fühlten sich Frauen eher von der sanfteren Folkmusik angezogen, und die Männer vom Rhythm and Blues. Das eine schloss das andere aber niemals aus. „Die Denker und die ruhigen Typen, also nicht die, Gas geben und so, die haben sich entschieden meistens nachher für die Richtung Leonhard Cohen, Bob Dylan und Do- novan, Joan Baez.“ (G5)

Das infrastrukturelle Umfeld hat das Aufkommen der Rockmusik in Graz in Form von ein- heimischen Bands begünstigt. Allen voran das Musikhaus Nedwed, mit der gleichnamigen Besitzerin, die den mitunter sehr jungen Musikern Instrumente und das Equipment zur Verfü- gung stellte. Mit zinsfreien Raten konnten die Schulden wieder langsam getilgt werden. Die Bedeutung dieser Unterstützung ist nicht zu unterschätzen, da die Jugendlichen nur selten von ihren Eltern unterstützt wurden und daher das Geld, um ein Instrument zu kaufen und damit musizieren zu können, nicht gehabt hätten. Die Beschaffung von Proberäumlichkeiten stellte hingegen ein kleineres Problem dar, da man sich günstige Keller und Abbruchshäuser mieten

71 konnte. Die politischen Parteien wie auch die Kirche haben darüber hinaus Räumlichkeiten billig angeboten. Diese Parteien halfen auch beim ersten Schritt in die Öffentlichkeit, indem sie ihre Säle für Konzerte und Veranstaltungen zur Verfügung stellten. Am Land waren es meist Gasthäuser und in der Stadt verschiedene Bars, wie die „Grüne Spinne“ und der „Star- club“, die Bands Auftrittsmöglichkeiten boten. Die Lokalbesitzer stellten ihren Raum gerne zur Verfügung, da ihnen damit ein gutes Geschäft mit dem Publikum garantiert war. Diese Lokale und Veranstaltungen waren stets gut besucht, anfangs vor allem deshalb, weil die Bands die internationalen Hits nachspielten, und die internationalen Bands im kleinen Öster- reich nicht auftraten. Daher war das Publikum zwar Fan der Musik aus dem Ausland, aber der heimischen Musiker.

72 7. Das Einwirken der Ideologien aus Großbritannien und den USA auf die Jugendlichen in Graz und die daraus resultierenden Veränderungen der Gesellschaft

Die gerade beschriebene, selbstorganisierte Szene ist Ergebnis der Entwicklung einer Jugend- kultur, die sich im Gegensatz zur Elterngeneration gebildet hat. Verantwortlich dafür sind eine Reihe von Entwicklungen, wie es der wirtschaftliche Aufschwung und die vermehrte Freizeit der Jugend sind. Erfahrungen, die die Elterngeneration nicht gemacht hatte. Eine Fol- ge davon war, dass die Jugend ihre eigene Musikrichtung, den Beat, entwickelte (Frith, 1981). Diese Gegenhaltung wurde aber nicht nur über die Musik deutlich gemacht, sondern im hohen Maße durch die Entwicklung eines eigenen Stils, der die Werte und Einstellungen der Jugend- lichen widerspiegeln sollte (Hebdige, 1983). Über die Medien wurde diese neu entstandene Jugendkultur in alle Ecken und Winkel Europas, also auch nach Graz, übertragen. Das zentra- le Ziel in diesem Kapitel wird es also sein, festzustellen, ob jener Stil in Graz übernommen wurde, welche Stilmittel übertragen wurden und welche Ideologie dahinter stand.

7.1. Das Entstehen einer Jugendkultur

Die 50er Jahre waren aus Sicht der Elterngeneration geprägt von der Rückbesinnung auf die Wertvorstellungen, die es vor dem Krieg gab, wie Korrektheit, Ordnung, Sauberkeit und An- stand (Farian, 2001, S. 47). Aus diesem Blickwinkel war der Nationalsozialismus ein Aus- bruch dessen, was man jetzt durch das Wiedererlangen der alten Tugenden unter Zaum zu halten versuchte. Auf diesem Hintergrund waren Äußerlichkeiten wie angemessene Kleidung und Frisuren besonders wichtig. Mit dem wirtschaftlichem Aufschwung und der darauf fol- genden Konsumwelle wurden allerdings nicht nur die allseits beliebten Konsumgüter aus dem Ausland importiert, sondern vermehrt auch neue Kleidungsstile, Geschlechterrollen und nicht zuletzt die gerade erst entstandene Musik. Diese Sehnsucht nach der fremden Kultur und de- ren Lebensformen führte zur Verschmelzung des Fremden mit der im Elternhaus vermittelten Kultur. Diesen Prozess nennt Jauk (2002, S .81) die „doppelte kulturelle Sozialisation“ . Ein Modell, das nicht nur für Österreich gültig ist, sondern auch für die USA, wo schon in den 50er Jahren Country bzw. Western und der schwarze Blues zum Rock `n` Roll verschmolzen sind und in England, wo in den 60er Jahren der Rock `n` Roll mit dem Irish-Folk in Form des Skiffle zum Beat verschmolzen ist. In Österreich war der Austropop Endprodukt der doppel- ten kulturellen Sozialisation, der bereits zuvor neu integrierte Rockmusik mit dem Wienerlied verbindet.

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Als die Elterngeneration erkannte, dass sie diese neuen Trends, die sich mit ihren Vorstellun- gen der Korrektheit, der Sauberkeit und der Anständigkeit nicht vereinen ließen, nicht aufhal- ten konnten, waren Konflikte und Verbote die natürliche Folge (Farian, 2001, S. 44). Anfangs war aber die Gruppe der Jugendlichen noch überschaubar und die Konflikte im kleinen Rah- men. Zwar gab es in Deutschland die bereits beschriebenen Halbstarken. Es war aber nur eine kleine Minderheit von 5 – 10 Prozent der Jugendlichen, die sich in diesen Cliquen befand und deren Vorbilder vor allem die Filme und die Musik aus Amerika waren. Beispiele sind Elvis Presley mit „Rhythmus hinter Gittern“, Bill Haley mit „Außer Rand und Band“, James Dean und Marlon Brando. Die Mehrheit der Teenager war seitens der Eltern positiv besetzt, aber nicht wegen ihrer Werte, sondern viel mehr, weil ihre neue Kaufkraft entdeckt wurde und ausgenutzt werden konnte. Die Musik von Elvis Presley wurde bald als Schlager akzeptiert und die gesamte Jugendkultur von der Musik über Filme, Zeitschriften, Klubs bis zu eigenen Wörterbüchern der Teenager-Sprache wurde vermarktet. Auch die Star-Kultur, mit Produk- ten, die sich auf die einzelnen Stars bezogen, entwickelte sich in dieser Zeit und erreichte mit den Beatles ihren ersten Höhepunkt. Es war also eine Jugendkultur entstanden, die sich nicht für politische Belange interessierte, sondern sich amüsieren und konsumieren wollte. Das ging bis in die 60er Jahre so weiter, aber dann gelangten Bilder amerikanischer Hippies in die Me- dien und lösten eine Welle des Aufbruchs aus. Die Jugend löste sich von ihrer Funktion des Konsumenten und rebellierte (Farian, 2001, S. 48f). „Es war damals Lebensgefühl pur, Aufbruch, es kam ja dann 68, aber das Ganze hat sich dann in diesen Jahren davor ja schon vorbereitet. Sexuelle Revolution, Jugend- kultur hat sich gebildet, das gab es vorher nicht.“ (F4)

Für diese hier beschriebene Jugendkultur ist laut Frith (1981, S. 59f) zumindest in der An- fangszeit der Begriff der Gegenkultur zutreffender und er vergleicht dieses Phänomen mit der späteren Subkultur der Punks. Dieser Begriff soll an dieser Stelle näher beleuchtet werden. Die Ansätze ihn zu erklären sind verschiedene. Einerseits das Subkultur-Modell von Schwendter und andererseits die Studien des CCCS (Farian, 2001, S. 59).

Schwendter unterteilt die Subkultur in zwei verschiedene Formen. Die Teilkultur, die sich in der Mittelschicht findet und so Teil der dominanten Kultur ist und die Gegenkultur, die sich gegen die dominante Kultur stellt. So ist die Teilkultur keine Kultur, die aus der Jugend her- aus entsteht, sondern nur die Kultur für die Jugend, die stark in der herrschenden Kultur integ-

74 riert ist. Neuerungen, die von der Jugend selbst kommen, werden aufgegriffen und zur Mode gemacht wodurch das Konfliktpotential, das darin steckt, kompensiert wird. Das Mitmischen der Erwachsenen in dieser Kultur der Mode und des Konsums führt zu einer größeren Integra- tion und sie wird zur „dominanten Teilkultur unserer Gesellschaft“ . (Farian, 2001, S.59) Die Gegenkultur wird noch einmal in zwei Typen unterteilt, die progressiven Subkulturen und die regressiven Subkulturen.

Regressive Subkulturen: Ihre Normen und Institutionen dienen ihnen dazu, einen Zustand in der Gesellschaft wiederherzustellen, der nicht mehr in ihr vertreten ist. Daher können sie nicht Avantgarde werden, sondern ausschließlich Elite. Sie wollen nicht das gesamte „Wertord- nungssystem“ verändern, sondern nur „ einen Austausch der Nutznießer des Standards.“ (zit.n. Farian, 2001, S. 60) erreichen und äußern ihre Feindseligkeit nicht gegen die Obrigkeit direkt, sondern übertragen sie auf Ersatzobjekte und gehören dem „Kleinbürgertum und Lum- penproletariat“ an (zit.n. Farian, 2001, S. 60).

Progressive Subkulturen: Wollen mit Hilfe ihrer Normen und Institutionen den derzeitigen Stand der Gesellschaft verändern und weiter vorantreiben und damit „das gesamtgesellschaft- liche Wertordnungssystem umgestalten.“ (zit.n. Farian, 2001, S. 60). Ihre Feindschaft ist di- rekt gegen die Obrigkeit gerichtet und sie stammen meist aus dem Proletariat.

Des Weiteren interessierte sich Schwendter vermehrt für die progressiven Subkulturen, die wiederum in zwei Typen unterteilt werden können. Erstens die rationalistischen Subkulturen, die großen Wert legen auf „Analysen, Praxis zur kompakten Majorität und zu unfreiwilligen Subkulturen hin, Selbstbestimmun, konkrete Arbeit an technologischen Möglichkeiten: insbe- sondere politische Subkulturen, Studenten- und Intellektuellengruppen, politisierte ethnische Minderheiten, Randgruppenarbeiter“ (zit.n. Farian, 2001, S. 60). Weiters die emotionellen Subkulturen, die großen Wert legen auf „individuelle Freiheit, Entwicklung des individuellen Bewusstseins, allgemeine Futurologie: insbesondere Gammler, Hippies, Beatniks, Provos, Bohème, esoterische Gruppen, mit Vorbehalten die Rocker “ (zit.n. Farian, 2001, S. 60).

Schon 1964 wurde das CCCS, Centre For Contemporary Cultural Studies in Birmingham ge- gründet, wo man sich erstmals mit den Jugendkulturen, die nach dem 2. Weltkrieg entstanden sind auseinander setzte. Im Mittelpunkt ihres Forschungsinteresses standen die Milieus, aus denen die Jugendlichen stammten, und sie kamen mit diesem Ansatz zu ähnlichen Schlüssen

75 wie Schwendter. Sie entwickelten zwei verschiedene Typen, die Subkultur der Arbeiterklasse und die Gegenkultur der Mittelschicht. Über die Definition der Begriffe hinaus sind vor allem die Subkulturen der Arbeiterklasse im Zentrum der Forschungen des CCCS.

Gegenkulturen der Mittelschicht: Diese orientieren sich weniger an einer Gruppe, sondern sind individualistischer, daher entstehen auch keine festen Subkulturen, sondern sie werden „zu einem diffusen gegenkulturellen Milieu.“ (zit.n. Farian, 2001, S. 60). Sie haben nicht so eine strenge Trennung in freie Zeit und Zeit in der sie etwas bestimmten nachgehen müssen, wie der Arbeit, sondern versuchen vielmehr eigene Lebenskonzepte zu finden, die sich von denen der übergeordneten Kultur unterscheiden. Beispiele dafür sind die Entwicklung einer neuen Form des Familienlebens und der Arbeit bis hin zur „Nicht-Karrieren“ (Farian, 2001, S. 60). Damit verbunden sind verschiedene Versuche, die Arbeit mit der Freizeit zu verbin- den, das soziale System auszunützen oder auch einen niedrigen Lebensstandard zu akzeptie- ren und von dem Müll der normalen Bürger zu leben. Hier spielen auch die Beihilfen für Stu- denten eine wesentliche Rolle, da sie es dem Studenten erlauben, sich eine Zeit lang von dem kommerziellen Schaffen des normalen Arbeitslebens zu entfernen. Sie erfüllen eine wichtige Funktion in der Gesellschaft, da sie neue gesellschaftliche Formen entwickeln und austesten können. Vor allem, wenn es um den Stil und die Kleidung geht, sind so Geschmacksverände- rungen möglich, die Warenhausketten aufgrund ihrer eigenen mangelnden Flexibilität nicht einleiten könnten. Erst wenn diese Trends schon vorhanden sind, werden sie von den Konzer- nen wahrgenommen und vermarktet.

Die Subkultur der Arbeiterklasse: Ihr Leben ist stark zweigeteilt. Auf der einen Seite unterlie- gen sie den „Stamm-Institutionen“ (Clarke, zit.n. Farian, 2001, S. 62) wie der Familie, Schule oder Arbeit und auf der anderen Seite haben sie ihre arbeitsfreie Zeit, also Freizeit, die sie in ihren Peer-Group-Verbänden verbringen. Es gibt als eine strikte Trennung zwischen Freizeit und Arbeitszeit. So kann die Arbeiter-Jugend in ihrer Freizeit aufleben, wenn sie nicht mehr unter der Kontrolle der Erwachsenen steht. Strukturiert ist sie durch das arbeitsfreie Wochen- ende, wobei sie sich ihre Freizeitaktivitäten aus ihrer Umwelt heraus suchen. Das kann die Straße, der Fußballplatz, bis Kino, eine Disko oder ein Pub sein. Allerdings sind diese Phasen in so einer Arbeiter-Subkultur für den Jugendlichen meist kurzfristig, da der Arbeitsbetrieb eine „disziplinierende Wirkung auf die Jugendlichen hat“ (Clarke, zit.n. Farian, 2001, S. 62) und auf jedes ausladende Wochenende eine dadurch noch anstrengendere Woche folgt (vgl. Farian, 2001, S. 59f).

76

Hebdige beschreibt die Subkultur als eine Gruppe von Jugendlichen, die Kritik an der vor- herrschenden Gruppe üben. Sie formulieren diese aber nicht direkt über die Sprache, sondern mit Hilfe eines Stils, wie der Kleidung, den sie selbst erfinden, auf der „Ebene der Zeichen“ (Hebdige, 1983, S. 4). Begünstigt wurde diese Entstehung von Jugendkulturen durch ver- schiedene Faktoren. Der Markt erkannte die neue Kaufkraft der Arbeiterjugend und versuchte sie auszuschöpfen. Darüber hinaus veränderte sich das Schulsystem, wodurch ein Generati- onsbewusstsein entstand, das die Jugend zu einer Einheit im Gegensatz zu den Eltern werden ließ. Dabei werden aber die Klassen nicht gänzlich aufgelöst, sondern vielmehr der Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit mit dem bestehenden Bedürfnis der Jugend verbunden, sich weiterhin über die von den Eltern vermittelte Kultur identifizieren zu können. Diese Allianz lässt sich, wie Cohen in seinen Studien zeigt, im Stil der entsprechenden Subkultur wieder finden. Die Medien spielen in zweifacher Art eine wesentliche Funktion in der Entstehung von Sub- kultur. So „übernehmen die Medien immer mehr die Verantwortung für a) Schaffung der Grundlage, auf der Gruppen und Klassen sich ein Bild des Lebens, der Bedeutungen, Prakti- ken und Werte anderer Gruppen und Klassen machen, b) Schaffung der Vorstellungen, Sym- bolisierungen und Ideen, mit der die gesellschaftliche Totalität dieser separaten Bruchstücke zu einem begreifbaren Ganzen gemacht wird.“ (Hebdige, 1983, S. 23). Die Medien vermitteln Erfahrungen, die sowohl die vorherrschende Kultur, als auch die Subkultur beeinflussen. In den Subkulturen werden durch die Medien Bilder anderer Gruppen und auch die Bilder der eigenen Gruppe wahrgenommen. Sie reagieren also auch darauf, wie sie von Außenstehenden definiert werden. Diese übermittelten Bilder werden in die Subkultur mit eingebunden, wo- durch Gemeinsamkeiten sowohl mit der elterlichen Arbeiterkultur, als auch mit der vorherr- schenden Kultur entstehen. Ist eine Subkultur entstanden, reagiert die Presse wiederum auf verschiedene Art und Weise. Einerseits gibt sie sich als schockiert, auf der anderen Seite er- weckt vor allem der neu entdeckte Stil, in Form von Kleidung, Musik, Tanz oder ähnlichem, ihre Aufmerksamkeit. Im nächsten Schritt nehmen die Polizei wie die Presse abnormes Ver- halten wie Vandalismus und Schlägereien wahr. Am Ende kommt es dadurch zu einer Verbreitung des Stils und damit zur Abschwächung desselben als subkulturelle Form. Es wird damit begonnen, sie in einen „Bezugsrahmen“ (Hebdige, 1983, S. 24) zu bringen und in die Gesellschaft einzugliedern, bis der anfangs schockierende Stil als durchschnittlich und normal angesehen wird. Letzten Endes wird jeder neu entdeckte Stil zur Mode, genauso wie jeder neue Klang in der Musik. Die Subkultur verändert sich aber nicht nur, weil sie zur Ware wird,

77 sondern auch durch ihre „ideologische Vereinnahmung“ (Hebdige, 1983, S. 26). Das ge- schieht entweder dadurch, dass „der andere verniedlicht, eingebürgert oder gezähmt“ (Heb- dige, 1983, S. 26) wird oder indem man ihn als Exoten abstempelt, der weder bedeutend ist, noch verstanden werden kann (vgl. Hebdige, 1983).

Ein Beispiel für eine Subkultur sind die Rocker, die oft Schulabbrecher waren und deshalb keine gute Berufsausbildung hatten. Dadurch mussten sie meist als Hilfsarbeiter ihr Geld ver- dienen. Die Weltanschauungen waren bodenständig und nicht abstrakt. Was zählte, war die Männlichkeit, Robustheit und Direktheit im Kontakt mit anderen (Farian, 2001, S. 64). Kon- flikte wurden oft gewalttätig gelöst. Kennzeichen waren lange Haare, aber streng nach hinten gekämmt, Tätowierungen und schwere Stiefel, die bei Schlägereien zum Einsatz kamen. Ihre Drogen waren Zigaretten und Alkohol, vor allem in Form von Bier, während andere Drogen wie Marihuana als unmännlich angesehen wurden (Farian, 2001, S. 66). Die Musik der Ro- cker war der frühe Rock`n`Roll von Buddy Holly, Gene Vincent, Chuck Berry, Bill Haley, aber auch der frühe Elvis. Die Musik war vor allem zum Zweck des Tanzes wichtig, führte aber auch zu Aggressionen (Farian, 2001, S. 68).

Ein weiteres Beispiel sind die Hippies, die zum Großteil aus der Mittelschicht kamen und sich freiwillig in die Armut begaben. Im Zentrum ihrer Ideologie stand der Mensch, der wieder zu seiner Natur zurückkehren sollte, statt sich den kapitalistischen Schaffensprozessen unterzu- ordnen (Farian, 2001, S. 65). Im Gegensatz zu den Rockern wurde von den Hippies alles an Drogen genommen, was verfügbar war, um das Bewusstsein zu erweitern. Darunter waren LSD, Marihuana und Pilze (Farian, 2001, S. 67). Ihre Musikrichtung war der Heavy Rock wie ihn zum Beispiel Cream, Led Zeppelin, Jimi Hendrix und Frank Zappa spielten. Sie hörten diese Musik weniger um dazu zu tanzen, sondern betrachteten sie als Nahrung für den Geist. Ihre Konzerte waren geprägt von außermusikalischen Elementen wie Lichtanlagen, Dias und Filmausschnitten (Farian, 2001, 69).

In Graz bildete sich in den 60er und 70er Jahren genauso die erste Jugendkultur, die sich an den internationalen Vorbildern orientierte. Die berühmte 68er Generation gab es in Graz erst in den 70er Jahren. Aber natürlich entstand das alles nicht von heute auf morgen, sondern diese Stimmung entwickelte sich schon in den Jahren davor. Die Beatgeneration in den 60er Jahren war noch brav und ordentlich gekleidet. Nach Peter Wicke (1990) wurden die Beatles hierzulande von der Autorität nicht als Bedrohung angesehen, wie das in Großbritannien der

78 Fall war. Diese Bedrohung ging erst von den Hippies aus, mit denen in Graz bunte Gewänder, bemalte T-Shirts und ähnliches einzogen. „Dann ist die Beatgeneration gekommen. Die haben Aufsehen erregt mit ihren Pilz- kopferln, da waren ja nicht nur die Bealtes, die so etwas gehabt haben, sondern alle anderen auch und aber ein Anzügerl und da haben sich dann die älteren Herrschaften gedacht, na gut so schlimm ist es auch nicht, hat eh ein nettes Gewand an und dann ist irgendwann der Knackspunkt gekommen, wie die Hippie-Partie losgestartet ist. Also, haben alle den nackten Horror gehabt, ein Volk aus Bauern und Beamten, für die war das der nackte Schrecken.“ (G5) Wie Hebdige (1983) beschreibt, gibt es zum „Normalen“ den Gegenpol des „Abnormalen“ . Es stehen Natürlichkeit, Angepasstheit und Unauffälligkeit der Zeichenhaftigkeit eines be- wusst gewählten Stils gegenüber. Scheinbar waren die Zeichen der Beatgeneration noch nahe genug an der Normalität, sodass deren Codes von der Elterngeneration nicht wahrgenommen wurden und daher dieselbe noch nicht schockiert war. Die Hippies mit Jeans, bunten T-Shirts und langen Haaren wurden hingegen als klar „abnorm“ eingestuft. Es war bis zu diesem Zeit- punkt noch nicht selbstverständlich, dass die Jugendlichen sich anders kleideten, als es die Erwachsenen taten. Im Gegenteil, „dass man Mode hat, für Jugendliche, die die Jugendlichen selbst sich ausdenken, das ist glaub ich auch damals irgendwie entstanden.“ (F3) Und natür- lich waren damit unweigerlich auch Konflikte verbunden. Laut Hebdige (1983) ist es vor al- lem der Stil, der zu den größten Konflikten führt, indem einfache Gegenstände oder stilisti- sche Merkmale von verschiedenen Personen unterschiedlich gedeutet und aufgenommen wer- den. Gerade mit Hilfe der Stilmittel wollen Jugendliche Kritik an der vorherrschenden Gesell- schaft üben. Neben der Mode für die Jugendlichen ist auch die Musik für die Jugendlichen entstanden, die auch von ihnen selbst gespielt wurde. Vor diesen Jahren waren es ausschließ- lich die Erwachsenen, die in Bands gespielt haben. eine Entwicklung, die sich in den USA schon zur Zeit des Rock `n` Roll in den 50er Jahren vollzogen hatte (Frith, 1981, 234). Diese Bands der Erwachsenen wurden jetzt von jenen der Jugendlichen verdrängt, die sich von der Musik der Erwachsen abgrenzen wollten und ihren eigenen Vorlieben nachgingen. „Der Bruch, der eigentlich passiert ist damals war der, dass nur die Alten früher Mu- sik gemacht haben, also die Erwachsenen unter Anführungszeichen und die (Wagner Brüder) waren damals 17, 18 und haben einfach begonnen auch mit elektrisch ver- stärkten Instrumenten zu spielen.“ (F4) Die größten Konflikte gab es allerdings wegen der langen Haare, die sich die heranwachsen- den Männer wachsen ließen. Die Definition dessen, was zu lang ist, entspricht aber nicht den

79 heutigen Vorstellungen. Eine Länge, wie sie die Beatles trugen, reichte schon aus, um die Elterngeneration in Erregung zu versetzen. „Eine Frisur, die einen Pagen ähnlichen Schnitt gehabt hat war schon aufregend.“ (F4) Der „magische Punkt“ war bereits erreicht, wenn die Haare auf den Ohren auflagen. Auch Jeans waren anfangs für die etablierte Welt anstößig. Hat man sich dann auch noch einen Keil eingenäht, wie es zur damaligen Zeit modern war, war das für die Eltern eine Katastrophe. Während aber Jeans recht bald akzeptiert wurden, konnten sich die Erwachsenen an lange Haare nicht so schnell gewöhnen. „Jeans waren sehr bald salonfähig. Also wir haben noch in der Mittelschule teilweise Jeansverbot gehabt, das war also 60 – 68, aber die Jean ist relativ schnell akzeptiert worden. Nicht akzeptiert wurden lange Haare lange Zeit. Das wichtigste Outfit gleich am Beginn, waren lange Haare. Eine Band mit kurzen Haaren, das war megaout.“ (F1) Auch eine Frau, die es wagte, einen Minirock zu tragen, musste mit Konflikten rechnen. „Ich bin mit meiner Puppi damals gegangen durch die Herrengasse. Eine jede zweite Frau hat die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen und geschimpft.“ (G5)

In dieser Zeit wurde sehr viel diskutiert über alles, was gerade aktuell war. Über Indianer, Mao, die Liebe und nicht zuletzt natürlich über die Beatles und die Stones. Vor allem was die letzten zwei Punkte angeht, gab es große Diskrepanzen. Für den Einen waren die Beatles zu kommerziell und er hörte lieber die Stones, während sich der Andere eher zu den Beatles zu- gehörig fühlte. Obwohl es des Öfteren so schien, als gäbe es da extrem verhärtete Fronten, hörten doch einige auch beide Gruppen. Wichtig war in erster Linie, einen Standpunkt zu ver- treten und den Kommerz, oft in Form von Schlagermusik, zu hassen. „Ich bin ja aufgewachsen mit dem Rock`n`Roll und es hat mich schon immer gestört, wenn ich das Nachgemachte dann das Verwasserte von Deutschland gehört habe. Also Elvis-Nummern von Peter Kraus oder so, da hat es mir damals schon die Schuhe aus- gezogen.“ (G5) Der wurde von diesen Musikern auch nicht praktiziert und wenn es aus finanziellen Gründen doch notwendig war, dann meist nur weit weg von zu Hause und den Freunden, also im Aus- land. Zuhause musste die Musik hingegen ganz anders sein. Sie musste laut sein und auf kei- nen Fall so wie die, die man im österreichischen Rundfunk hören konnte. Trotz dieser großen Lautstärke und für damalige Ohren wohl eher schräge Form der Musik, war die Rockmusik eher eine Möglichkeit um Aggressionen zu katalysieren, als diese aufzubauen.

80 „Ich könnte nicht sagen, dass das damals eine sehr gewalttätige Gesellschaft war. Auf jedem Feuerwehrfest in Markt Hartmannsdorf ist mehr gerauft worden als bei einem Popkonzert. Weil natürlich sich auf den klassischen Festen Aggressionen eher gestaut haben, weil da hat man sich ja benehmen müssen. Bei den Rockkonzerten konntest du dir das Hemd vom Leib reißen, herumschmeißen, brüllen, mitschreien, es war eh so laut, dass das niemand gehört hat.“ (F1)

Wer damals die entsprechende Musik spielte, wurde von den anderen Jugendlichen verehrt. Es war also keine Seltenheit, dass Schüler mit dem Moped 50 Kilometer oder mehr fuhren um beispielsweise die Band Magic zu hören, wenn sie „Lost Angeles“ spielten. Oder um zu hö- ren, wie Robert Musenbichler die Allman Brothers und deren 20-minütiges Gitarrensolo von „You don`t love me“ nachspielte. „Wenn ein Pepsch Jandrisits, der war der Music Machine-Gitarrist, der hat ein Ket- tenhemd angehabt, so ein Ritterhemd, das war das Wichtigste überhaupt, dass der ein Kettenhemd an hat und wenn der Jimmy Hendrix gespielt hat oder Sergant Peppers Lonley Heart Clubs Band auf der Gitarre intoniert hat, dann war das die Welt für mich.“ (F3) Die Musik hatte man 24 Stunden am Tag im Kopf und alles andere war völlige Nebensache. Vielleicht auch deswegen, weil mit der Musik eine gewisse Freiheit verbunden war. „Wir waren sehr bescheiden was das Essen betroffen hat aber wir waren absolut fa- natisch für die Musik, die wir gespielt haben. Es war irgendwie jedem wurscht, was sonst passiert.“ (G5) Nicht allerdings, wenn es um die Bühnenshow ging. Die war ein wesentlicher Bestandteil der Auftritte und die Bands hatten hier untereinander immer den größten Konkurrenzkampf. „Irgendwie einen Hut aufzusetzen, der spektakulär ist, auf dem viele Spiegeln drauf sind und dann diesen Hut anzustrahlen war schon Aufregung genug.“ (F3) Man scheute auch nicht vor Glitzeranzügen zurück und eine Band ging sogar so weit, dass der Gitarrist trainieren musste, während seines Solos mit der Gitarre in der Hand eine Rolle rück- wärts zu machen. Larkey (1993, S. 109) sieht verstärkte Bühnenshows und Entertainment als eine Notwendigkeit an, der die Bands unterliegen, um gegenüber einer einfachen Musicbox, die für einen Lokalbesitzer natürlich wesentlich günstiger ist, bestehen zu können. Dadurch wurden die Interpreten immer mehr zum Entertainer, als dass sie noch ernste Musiker gewe- sen wären.

81 Neben der Gestaltung der Auftritte wurden auch viele andere Kleinigkeiten sehr wichtig ge- nommen, vor allem dann, wenn es um personelle Veränderungen in einer Band ging. Der Wechsel Boris Bukowskis von der Music Machine zu Magic war ein wichtiges Ereignis, das für die Jugendlichen in ihrer Welt besonders große Bedeutung hatte. „Das war das Wichtigste und das musste jeder wissen und das wurde besprochen. Ich weiß nicht, Jugendkultur halt.“ (F3)

Aber auch andere Trends der Zeit wurden in Graz praktiziert. So war beispielsweise junges Heiraten modern, die Aussichten auf eine erfolgreiche Ehe allerdings eher gering. Modern waren auch so genannte Happenings. 4 Jemand stieg am Hauptplatz in einen Mistkübel und das war schon ein Happening. „Der Bauer im Jazzfreddy zu nächtlicher Stunde und mit genügend Alkohol hat er sich ausgezogen und das war ein Happening.“ (F3) Die Rede ist von Wolfgang Bauer, der vor allem durch das Theater bekannt ist. Wer es sich über den Sommer leisten konnte, verreiste per Autostop um die weite, große Welt zu entde- cken. Man fuhr nach Paris und London und übte sich dort als Straßenmusiker. „Ich hab Straßen gesungen in Paris 1968 bis November hinein und auf denselben Plätzen wo ich dort gespielt hab, hat ein Jahr vorher der Rod Stuard gesungen.“ (G5)

Österreich war aber im Großen und Ganzen ein relativ geschützter Bereich. Man hat zwar die internationalen Entwicklungen mitgemacht, aber nur wenige haben ein extremes Hippieleben mit all seinen Fassetten mitgemacht. „Wie immer in Österreich. Es war nicht Fisch es war nicht Fleisch. Es war middle of the road. Wobei ich sag, dass die gemäßigtere Abteilung sicher in der Mehrzahl war. Es waren nicht weiß Gott wie viele, die jetzt da wirklich das extrem so gelebt haben, wie der Jim Morrison oder Jimi Hendrix, die dann auch früh in den Rock`n´Roll- Himmel eingegangen sind.“ (G5)

7.2. Die Vorbilder und ihre Wirkung

Man wollte sich innerhalb dieser Jugendkultur von den Erwachsenen abgrenzen und war da- her auf der Suche nach Vorbildern. Schließlich waren sie ein wesentlicher Grund, mit dem

4 Happening: Aktionen, die aus optischen, musikalischen und theatralischen Elementen bestehen und von einem Künstler inszeniert oder improvisiert werden. Die Zuschauer werden mit eingebunden (Ragué Arias, S. 98, S. 120) 82 Spielen von Musik anzufangen. In Deutschland war es die allgegenwärtige Besatzungsmacht Amerika, die sowohl Konsumgüter, als auch Ideologien importierte (Andersen, 1998, S. 21f) Österreich war von dieser Form der Besatzung nicht mehr betroffen und fand somit seine Vorbilder erst etwas später in Großbritannien. „Beatles oder Stones. Ich glaube nicht, dass da andere Interviewpartnern was anderes sagen werden.“ (G4) Jeder Musiker hatte seine eigenen Vorbilder. Über diese konnte man sich definieren und sei- nen Standpunkt vertreten, zeigen, welchen Stil man vertritt. „Es hat gewisse Feindschaften gegeben, dahingehend über den Stil, ob man den mag oder nicht. Man muss halt irgendeinen Standpunkt vertreten.“ (F2)

Sogar in Fürstenfeld gab es schon eine Aufteilung in Beatles- und Stones- Anhänger. So war Fred Lang ein Vertreter der Rolling Stones, da er gerne provozierte. Ein Befragter beschreibt den Unterschied in einem anderen Gesichtspunkt. „Die Stones waren erdiger als die Bealtes. Die haben von Haus aus mit Rhythm and Blues angefangen. Die Beatles haben gespielt perfekt, aufgenommen perfekt, das Beste was es damals gegeben hat und die Stones haben einfach Rock`n`Roll gespielt, aber mit der Stimme vom Mick Jagger, aber mit ihrer Art und Ausdruck. Die Schwarze Sze- ne, also das hat ihnen gefallen, aber sie haben es neu interpretiert.“ (G5) Diesem Befragten nach waren in Graz die besseren Gitarristen in diesem Bereich anzutreffen. Die Gruppe Dirtles hatte hingegen an die 35 Beatles-Nummern im Programm, außerdem ein paar Titel der britischen Rockband The Who und Manfred Mann, der den ersten südafrikani- schen Rock`n`Roll spielte. Sie titulierten sich demnach eher als die „Beatlesfraktion“ (Rein- berger), ausgedrückt auch durch Fotos, in denen sie die Beatles nachstellten.

Ein anderer Musiker der Gruppe Magic gab an, dass er sich immer eher zu den Rolling Stones hingezogen fühlte. Das heißt, es gab keine verhärteten Fronten und man konnte trotz unter- schiedlichen Stils gemeinsam in einer Band spielen. Als weitere Beatband wurden die „Small Faces“ genannt, die Vertreter des Heavy-Beats sind, der durch seinen psychedelischen Sound, erzeugt von verzerrten Orgeln und das Phasing 5, definiert werden kann (Jauk, 2005, S. 369). Frank Zappa wurde ein Vorbild Anfang der 70er, an dem sich die Gruppe Freak out orientier- te. Frank Zappa an sich wurde von den Erwachsenen negativ besetzt, galt als unanständige Gruppe und wurde vor allem deswegen zum Vorbild der Jugend. Eine weitere amerikanische

5 Phasing: Akustische Gesetze werden genutzt um psychische Wahrnehmung schwebender Klänge zu erzeugen (Jauk, 2005, S. 369). 83 Gruppe, die Vorbildwirkung hatte, waren die „Crosby, Stills and Nash“, die vor allem in Ver- bindung mit der STS gebracht wird und eine Rockmusik mit Elementen des Folk spielten.

Weitere internationale Vorbilder waren die englischen Rockbands wie Deep Purple, Status Quo und Cream und die amerikanische Rockband Grateful Dead. Als einzige deutsche Grup- pe wurde Amon Düül genannt, die als eine experimentelle Rockgruppe bekannt ist, die den Begriff Krautrock erfunden hat. 6 Jack Grunsky, war der einzige Österreicher, der als Vorbild genannt wurde. Wobei er eigentlich Austro-Kanadier ist, da er zwar in Österreich geboren, allerdings in Kanada aufgewachsen ist und erst später wieder nach Österreich zurückkehrte. 7 Er konnte mit seiner Folk-Band Jack`s Angels sowohl nationalen, als auch internationalen Erfolg feiern und leitete aufgrund dieser Popularität im ORF die Radio Show „Folk Club“ (Larkey, 1993, S. 50). Somit war er das einzige Vorbild, das auch in direkter Verbindung mit der Szene, oder zumindest einem Teil davon, stand. „Jack`s Angels hat mich so wahnsinnig beeinflusst, dass ich dem Jack Grunsky, dem Chef dieser Band, geschrieben hab, ich möchte seine Texte haben und innerhalb von 14 Tagen hab ich ein Kuvert bekommen und da sind sämtliche Texte drinnen gewesen und mit Handschrift waren die Akkorde drüber.“ (G4) So lernte man sich kennen und Jack Grunsky wurde zum direkten Förderer für einzelne Musi- ker. Der Kontakt besteht noch bis heute. Die internationale Musik war natürlich in englischer Sprache, die man nur soweit verstand, um zu erkennen, dass in den Texten viele Dinge ange- sprochen wurden, die zuvor tabu waren. Für die Jugend, die noch eine katholische Erziehung genossen hatte, war das besonders imponierend und interessant. Vor allem wohl deshalb, weil die Eltern genau Gegenteiliges vermitteln wollten. „Was mir imponiert hat, wenn eine Band wie die Rolling Stones Simpathy for the devil singt. Ich hab einen katholischen Hintergrund in meiner Erziehung und auf einmal finde ich etwas, wo der Leibhaftige durch dieses Böse – das ist das Gegenbild von dem, was die Eltern von einem wollten.“ (F3)

Gleichzeitig mit der Rockmusik wurden die Hollywood Filme populär und hatten mit ihren Darstellern auch Vorbildwirkung. Beispiele dafür sind Marlon Brando und James Dean. „Die Jugend wurde immer unzufrieden und dann waren halt die Helden da. Marlon Brando der Wilde auf der Musik oder James Dean und die ganzen Hollywood-

6 http://www.germanrock.de/a/amon_duel_2/ 7 http://de.wikipedia.org/wiki/Jack_Grunsky 84 Schmachtfetzen, die alle entstanden sind, mit den Superstars von Marilyn Monroe bis James Dean.“ (G5) Was man da so sah, bewirkte, dass jeder reich und berühmt werden wollte. Man glaubte mit Hilfe der Musik ans schnelle Geld zu kommen. Darüber hinaus wurde den Jugendlichen auch die Möglichkeit gegeben, sich als Anhänger einer bestimmten Sparte zu positionieren weil „man auch verglichen werden kann ein bisschen, wenn man so ähnlichen Stil spielt, wo man steht, was nicht uninteressant ist, so Art Kollektiv da zu haben.“ (G2)

Aber nicht nur das. Die gesamten Trends der Zeit, wie lange Haare, die Kleidung, die Le- bensweise im Grunde die Überlieferung der gesamten Jugendkultur, ging von diesen Vorbil- dern aus. Nicht zu vergessen natürlich die Musik, die gespielt wurde. Die Folge war, dass „man lange Haare getragen hat oder die Kleidung, oder auch die Lebensweise natür- lich. Sex Drugs Rock`n`Roll.“ (G4)

Warum sie alle aus Amerika und England kamen und nur wenige aus Deutschland und schon gar niemand aus Österreich, wird von einigen Befragten mit dem Krieg erklärt, der verloren wurde. Damit wären wir auch schon beim nächsten wichtigen Thema, das direkt damit in Ver- bindung steht: die Sprache, in der gesungen wurde.

7.3. Die Sprache

In den 60er Jahren waren alle Volkslieder, die von den Eltern gesungen wurden, bei den Ju- gendlichen verpönt und vorbelastet durch den Nationalsozialismus. Daher wollte man weg vom deutschen Sprachraum und fand England und auch dessen Volkslieder. „Meine Volkslie- der waren Bob Dylan Lieder, nicht die Lieder die meine Mutter gesungen hat.“ (F3) Die Rockmusik kam also aus England und blieb in Graz auch lange Zeit englisch, das beinhaltet am Beginn der 70er Jahre auch die eigenen Kompositionen. „Also ich war von Haus aus von Rock`n`Roll beeinflusst, mich hat das Deutsch nicht einmal von der Weitern interessiert. Ich bin gar nie auf die Idee gekommen, dass ich irgendwas Deutsch singen könnte, weil für mich ist Rock´n`Roll englisch. Du kannst mir nicht erzählen, dass du Rock`n`Roll in Deutsch singen kannst. Dann bist Peter Kraus.“ (G5) Und obwohl Englisch eine Fremdsprache ist, ist es leichter einen akzeptablen englischen Text zu schreiben als einen guten deutschen.

85 „In Englisch wenn es eh nicht verständlich ist was man singt, dann ist es schon wurscht was ich in Englisch sing. Bei Deutsch wird des dann halt heikel, da stehe ich sozusagen verifizierbar auf der Bühne.“ (G2)

Erst Udo Lindenberg faszinierte mit seinen guten deutschen Texten und so war Mitte der 70er Jahre Magic die erste Gruppe, die es außerhalb der Dialektwelle mit deutschen Titeln ver- suchte. Das ging auch von der Plattenfirma aus, die den beginnenden Trend in Deutschland erkannte und der Meinung war, das würde auch in Österreich funktionieren. Dem war aber nicht so und die deutsche LP „Ich bin müde“ mit Boris Bukowski als Sänger, blieb relativ erfolglos. „Das ist vollkommen in die Hose gegangen würd ich sagen, oder wir waren zu früh dran. Erst dann in den 80er Jahren, als ein Fendrich oder die STS auf Deutsch gesun- gen haben, da ist das irgendwie akzeptiert worden. Rock und deutsche Sprache. Oder vielleicht haben wir das auch nicht wirklich geschickt gemacht.“ (F3)

Wilfried Scheutz begann schon sehr früh im steirischen Dialekt zu singen, blieb damit aber allein und ging auch bald wieder ins Englische über. Durch den Dialekt wurde er in die volks- tümliche Schiene eingeordnet, was er als Rockmusiker überhaupt nicht erreichen wollte.

Interessant an dieser Entwicklung war vor allem, dass niemand richtig gut Englisch konnte. Wurden englische Titel nachgespielt, wurden unverstandene Passagen lautmalerisch aufge- schrieben, um sie dann so nachzusingen. Wo man sich damit auch nicht mehr weiterhelfen konnte und der Text gar nicht wiedergegeben werden konnte, wurden diese Teile durch be- deutungslose Silben ersetzt. „Passagen, die man nicht verstanden hat, hat man durch lautmalerisches we we we ersetzt, es konnte sowieso niemand englisch, war egal. Und dann war das so laut und irgendwie hat auch keinen interessiert, ob das jetzt ein echter Text ist.“ (F3)

Deutscher Rock wurde erst viel später, zu Zeiten des Austropop, akzeptiert. Der Schwerpunkt des Austropop lag zwar in Wien, aber auch die Steiermark hat mit STS, EAV und anderen einiges dazu beigetragen. „Der Rock war hauptsächlich damals in Englisch. Dann beim Austropop, das war a- ber nicht Rock, das hat geheißen Austropop. Also der Pop war später dann Deutsch.“ (G6)

86 Folk wurde auch als eine Musikrichtung genannt, die von vorn herein in Deutsch gesungen wurde.

7.4. Sex, Drugs and Rock`n`Roll in Graz

Für die Hippies, die sich von allem Materiellen trennen und Beruf mit Freizeit verbinden wollten, waren Drogen von Anfang an ein willkommenes Mittel zum Protest. Die Wirkung der Drogen ermöglichte es ihnen noch leichter Grenzen zu überschreiten und handelte es sich um Cannabis 8, förderte es zusätzlich ein friedliches Zusammenleben. Denn die Gemeinschaft stand im Vordergrund und im Gegensatz zur individuellen Karriere (Röske, 2004, S. 13). Die- se Entwicklung aus den USA griff auch auf Deutschland über, wo anfangs Cannabis und LSD konsumiert wurden. Das war für viele der Einstieg in eine Drogenkarriere, worauf dann He- roin und damit ein Anstieg der Drogentoten folgte. Denn mit den Drogen selbst war auch der Wunsch nach der Bewusstseinserweiterung, die durch die Einnahme der Drogen entstehen sollte und sich positiv auf die Kunst auswirken sollte, mit überliefert worden (Röske, 2004, S. 14). Manche Rockmusiker waren der fixen Überzeugung, dass man die Drogen bräuchte, um die bessere Musik zu machen. Nicht wenige sind aufgrund dieser Einstellung untergegangen. So wurde von einem Musiker berichtet, den es besonders schwer getroffen hat. „Der hat eine Mikon Kamera verkauft, (…) weil der hat das Geld gebraucht um in der Nähe von München einen Entzug zu machen. Der aber nicht viel geholfen hat, der ist dann irgendwann verstorben.“ (G4)

Drogen waren also in Graz durchaus vorhanden, auch wenn sich nicht jeder damit abgegeben hat. „Das hat Sex, Bier und Rock´n´Roll bei uns damals geheißen. Drogen, das war, in der Szene war ich eigentlich nie. Da kann ich gar nichts sagen. Das war nicht meins, mei- ne Droge war eben die Musik.“ (G3) Von den meisten Befragten wurden die Drogen aber als in der Rockszene einfach vorhanden dargestellt, nur wenige waren der Ansicht, dass es eine eigene Drogenszene gab. Daher war Haschisch 9 rauchen so normal, dass man eher als abnormal galt, wenn man nicht rauchte.

8 Cannabis: Cannabis indica ist die Bezeichnung für den Hanf, aus dem Marihuana und Haschisch produzierte werden. (Klein, 1980) 9 Haschisch: Wird aus indischem Hanf gewonnen, genauso wie Marihuana, hat aber eine wesentlich stärkere Wirkung. Haschisch wir meist geraucht und erzeugt psychische Abhängigkeit. (Klein, 1980, S. 108) 87 „Drogen waren immer da. Die waren in den 50er Jahren da in Form von Diesel, also Alkohol und das war in den 60er Jahren Haschisch und wer nicht Haschisch geraucht hat war ein Trottel in meinen Augen.“ (G5) Bei einigen aus der Szene blieb es aber nicht nur bei Haschisch, sondern man ging auch noch weiter bis hin zu LSD 10 und Heroin. „Dann ist die LSD-Zeit gekommen. Das war dann ein Zeit lang ganz böse, weil da sind viele abgestürzt und das ist die Hölle die Droge, das ist wirklich die Hölle.“ (G5) Vor allem das Bohème war ein Lokal, das bekannt für den Drogenkonsum der Besucher war. Das Publikum, das man hier antraf, war dadurch oft aggressiv und mitunter auch gefährlich. War man aber Musiker und sah man entsprechend aus, wurde man dort akzeptiert, auch ohne selbst Drogen einzunehmen. „Die Leute waren sehr aggressiv auch, weil die haben ja, ich denke mal immer das Gefühl gehabt, man hat was gegen sie. Auch wenn man einfach nur ein Bier trinken wollte, war es schön gefährlich. Also wenn man da Musiker war, war es noch ein biss- chen günstiger, weil da war man irgendwie einer von ihnen. Langes Haar, macht eine wilde Musik und das kann man noch akzeptieren.“ (G2) Die Drogen wurden teilweise sogar selbst eingeführt. „Die Jungs haben das zum Teil selber mit herauf gebracht von der Türkei oder von Afghanistan und da haben wir uns zusammengesetzt, das war klass, das war wirklich klass.“ (G5) Der Zugang zu Rauschgift war also recht einfach, was mitunter ein Grund dafür war, dass sehr viele Drogen konsumiert wurden. Ein mindestens genauso wesentlicher Punkt war der, dass man damals noch relativ unaufgeklärt und schlecht informiert war. Oft wusste man gar nicht, welche Drogen man gerade einnimmt, und selbst wenn man es gewusst hätte, die spe- zielle Wirkungsweise war genauso unbekannt. „Die Leute sind damals auch gestorben daran. Aber wir waren noch ziemlich unbe- darft, dumm, frisch, also niemand hat uns gewarnt davor.“ (F3)

Sexuelle Revolution?

Die Ideologie der Rockmusik im Bezug auf Sex stellte sich gegen die Institution der Ehe und gegen die Liebe. Die drei wesentlichen Begriffe für guten Sex waren „Spontaneität, Aus-

10 LSD: Ist ein Halluzinogen, also ein Stoff, der die Sinneseindrücke verändert und Sinnestäuschungen hervor- ruft. Schon sehr kleine Mengen zeigen Wirkung und daher ist die Gefahr einer Überdosis groß. (Klein, 1980, S. 134) 88 drucksfreiheit und (…) Aufrichtigkeit“ (Frith, 1981, S. 277). Bestandteil dieser Ideologie war die sexuelle Gleichberechtigung von Mann und Frau. Begünstigt wurde diese Wertvorstellung vom steigenden Wohlstand der Studenten, der sie unabhängig und mobil machte. Vor allem aber die Erfindung der Pille machte es Frauen möglich ihre Sexualität abseits der Familien- planung auszuleben. Sex wurde zum Teil der Freizeitbeschäftigungen, abseits jedes ideologi- schen Bezugs zur Liebe und letztendlich zu einer Form des Konsums. Zu einer Gleichberech- tigung der Geschlechter ist es allerdings nicht gekommen. Vielmehr wurde der Frau weiterhin die Rolle des Objekts der Begierde der Männer auferlegt und persönlicher Ausdruck durch die Sexualität wurde lediglich den Männern zugesprochen (Frith, 1981, S. 276f). Soweit die Situ- ation international betrachtet, aber wurde die „Freie Liebe“ auch in Graz gelebt? Gerade bei dieser Frage teilten sich die Meinungen sehr extrem. Für einige Befragte ist zwar viel über Sex diskutiert worden, aber dabei ist es auch schon geblieben. „Aber nur diskutiert. Es war nicht so, wie es die Leute heute gern sehen täten, oder die dir glauben machen wollen, dass das so eine Sex-Zeit war. Das stimmt überhaupt nicht. Schon gar nicht da bei uns. Das war eher witzig und vorsichtig und so. Also heute würde man sagen brav.“ (G5) Demnach war es höchstens für diese Musiker eine „Sex-Zeit“, die sehr viel unterwegs waren, doch im eigenen Freundeskreis, „könnte ich nicht sagen, dass da eine Sexmaschine dabei war“. (G5) So waren zwar die äußeren Merkmale wie lange Haare und Hippiekleidung vor- handen, aber die Werte und Einstellungen, die man von den Eltern lange Zeit eingebläut be- kommen hatte, konnten nicht so schnell völlig abgelegt werden. Für einige Befragte fand hin- gegen eine sexuelle Revolution statt. „Mit den Rolling Stones ist Sex ein total impliziter Bestandteil der Texte geworden, der Gesten auf der Bühne und würde ich auch sagen, der außerkonzertanten Beschäf- tigung des Publikums. Wenn die Witterung es zuließ bist du draußen neben ein paar duzend anderen in der Wiese herumgekugelt und hast halt so viel Sex gemacht, wie du gerade konntest.“ (F1) Am Land waren auch Groupies vertreten, die alle Bandmitglieder umwarben und für solche Gelegenheiten waren die Bandbusse mit Matratzen ausgestattet. Spielte man also in einer Band, hatte man auch bei den Frauen ein leichtes Spiel. „Ich als kleiner Havara hätte nie so viel schöne Frauen gehabt, große, wenn ich nicht Musik gemacht hätte. Das muss man ganz normal sehen.“ (G3)

89 Ein Grund für diesen plötzlichen Sinneswandel war die Erfindung der Antibabypille, die die Sorge vor Schwangerschaften nahm. Dadurch hat sich vor allem für die Frauen einiges verän- dert, die auch mehr und mehr damit begannen, ihr Sexualleben umzugestalten. „Die Frauen waren damals auch offener. Ich hab einige Mädchen gekannt, die keinen Hehl daraus gemacht haben, die das offen gemacht haben, dass sie einmal mit dem und einmal mit dem gegangen sind.“ (G6)

Vor allem die sexuelle Befreiung war ein Teil des Kulturbruchs, der im Jahr 1968 seinen Hö- hepunkt hatte, als Ausdrucksform oder Protest galten nach den Befragten aber weder Sex noch Drogen. Allerdings war der Protest Jugendlicher gegen die Elterngeneration mit all ihren Werten in vielen Ländern, wie England, Frankreich, Deutschland nicht zu überhören oder zu übersehen.

7.5. Die Graz-spezifische Form des Protests und seine Hintergründe

Sichtbaren Protest im Sinne eines Aufstandes gab es in Graz kaum, oder zumindest geht das aus den Interviews in der Form nicht hervor. Vielmehr könnte man es vielleicht als Provoka- tion bezeichnen, wenn sich Musiker an öffentlichen Orten trafen, um dort eine ihrer Sessions abzuhalten. Obwohl das voranginge Ziel darin bestand, Lärm zu machen, aufzufallen und den Leuten auf die Nerven zu gehen. „Es reichte eine Trommel zu besitzen, oder so etwas Ähnliches wie eine Trommel und man findet sich irgendwann am Hauptplatz ein und jemand hat eine Gitarre und je- mand hat eine Mundharmonika und wir haben den Hauptplatz von Hartberg terrori- siert.“ (F3)

Im Vergleich zu Deutschland war der Protest also eher harmlos. Der größte Gewaltakt lag darin die damalige Industriehalle, heutige Messe, zu zerstören. Darüber hinaus gab es Verbin- dungen zur Wiener Szene mit der man gemeinsam gegen die Zerstörung der so genannten „Arena“ kämpfte. Die Arena war ein alter Auslands-Schlachthof, den einige Bands ab 1970 dazu nutzten um verschiedene Konzerte abzuhalten. 1976 sollte dieser allerdings abgerissen werden, um den Platz für eine Textilkette frei zu machen. Die Jugendlichen reagierten darauf, indem sie das Gelände drei Monate lang besetzten. Es kam zum Konflikt mit den Behörden, der aber weitgehend friedlich verlief.

90 „Wir sind ja auch hin gefahren von der Oststeiermark nach Wien um die Arena zu be- setzten. Und wie es halt so in Österreich zugeht. Die Polizei hat zwar gesagt, sie müs- sen da hart durchgreifen, aber sie haben es nie wirklich gemacht. Die Autorität hat zugewartet bis uns fad geworden ist.“ (F3) Die „Arena“ wurde schließlich abgerissen und den Jugendlichen ein anderer Teil des Gelän- des, der Inlands-Schlachthof, zugesprochen. Viele der protestierenden Jugendlichen wollten dieses neue Gelände aber nicht akzeptieren und sahen die Benutzung als Verrat an. Im Juli 1977 konnte man sich einig werden und seither ist in diesem Gelände die „Arena“ unterge- bracht und dient bis heute als Veranstaltungsort. 11

Wieder in Verbindung mit Wien setzte sich die Szene politisch gegen Raketenbewaffnung, Abfangjäger und ähnliches ein. Es wurde ein Friedenszug organisiert, der von Wien aus durch ganz Österreich zog, an dem auch Grazer Musiker teilnahmen. „Da waren akustische Musiker und da waren Rockmusiker und Weltmusiker und alle. Und die haben immer wieder in Landeshauptstädten meistens irgendwelche Konzerte gehabt. Da hat der Wilfried natürlich mitgemacht bei dieser Sache.“ (G4) Die Proteste in gewalttätiger Form hielten sich also in Grenzen und können nicht mit den Verhältnissen, wie sie in Paris, London und teilweise auch in Deutschland anzutreffen waren, verglichen werden. „Also Österreich zähle ich eigentlich nicht dazu, das war ein Scherz irgendwie. Ich war im 68er Jahr in Paris und wenn du das gesehen hast und im 69er Jahr war ich in Düsseldorf, wenn du dort dabei warst. Braves liebes Alpenland und das muss man ehrlich sagen. War auch nicht von Vorteil die Drescherei, weil das waren ja richtige Straßenkämpfe.“ (G5) Während die Jugend in Düsseldorf sich also Blauhelme und Schlagstöcke kaufte und damit auf die Polizei losging, beließ man es in Österreich bei weniger schwerwiegenden Provokati- onen.

Man kleidete sich anders, als die meisten anderen, man ging in eigene Lokale, spielte eine, für damalige Ohren, schreckliche Musik, die nur aus Gitarrengequietsche und unmöglichem Ge- sang bestand. So zumindest die Ansicht der Erwachsenengeneration. Aber was wollte man den Menschen, die einen aufgrund der Optik sofort identifizierten, eigentlich sagen?

11 http://de.wikipedia.org/wiki/Arena_(Wien) 91 Zuerst wollte man mit all diesen Mitteln einen Protest zum Ausdruck bringen, jedoch ging dieser recht bald in Mainstream über. So schrumpfte der Protest zu äußeren Kennzeichen wie Jeans, langen Haaren, Bart und ähnlichem. „Es war eine absolute Gegenbewegung, die aber offensichtlich dadurch das, frag mich nicht warum sich das angestaut hat, aber durch dieses ungeheuer aufgestaute Potenzial an Komponisten, so schnell gebrauchsfähig und mainstreamig wurde, dass der Protest ziemlich schnell in den Hintergrund getreten ist“ (F1) Meist war man sich dieser Gegenbewegung einfach auch gar nicht bewusst. Man tat, was man glaubte tun zu müssen, ohne weiter über die Hintergründe nachzudenken. Das Bewusstsein darüber entstand erst im Nachhinein, wenn man darüber reflektierte. So drückte man zwar Protest aus, aber erkannt wurde er als solcher erst viel später. Im Grunde wollte man gegen eine „Eintopfmäßigkeit“ (F3) ankämpfen und sich nicht irgendwelchen Vorgaben unterord- nen und vor allem auch eines zeigen: „Wir haben den Anschluss gefunden, an der Rest der Welt.“ (F1)

Einigen Befragten ging es darum, sich gegen die Elterngeneration aufzulehnen und allgemei- ne Unzufriedenheit auszudrücken. Die ältere Generation wollte die Jugend unterdrücken, in- dem zum Bespiel Professoren ihre Schüler zum Friseur schickten, wenn die Haare auch nur etwas zu lang waren. Das ist kein Wunder, wenn man weiß, dass man in Österreichs Schulen immer noch Lehrer fand, die ohne einen Hehl daraus zu machen Hitler und das Dritte Reich propagierten (Dolezal, 2003, S. 95). Und dieser Druck, der dadurch erzeugt wurde, forderte Gegendruck. Allerdings hatte nicht jeder einen direkten Bezug zu dieser Auflehnung und für einige war ihr Erscheinungsbild nie ein Ausdrucksmittel, sondern von Anfang an nur eine Mode-Erscheinung. „Das weiß ich nicht, dass man da was ausdrücken wollte, das war einfach Mode. Ob das jetzt eine Glockenhose war oder irgendwelche andere Hosen. Wie man halt als junger glaubt, dass man gut ankommt.“ (F2) Man wollte das eigene Lebensgefühl demonstrieren, das vorwiegend darin bestand, dass man nur für den Spaß lebte und eigentlich nie richtig erwachsen werden wollte; frei nach dem Motto „Was kostet die Welt“. Dagegen hatte die Jugend keine Ambitionen, am Wiederaufbau teilzunehmen. „Was die Eltern gehabt haben, das brave nach dem Krieg. Ein jeder hat müssen auf- bauen und das Image, das man gebraucht hat und das hat den Jungen überhaupt nicht getaugt.“ (G5)

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Oft ist es jedoch so, dass der Künstler selbst eigentlich keine höhere Absicht hat mit dem, was er macht, sondern es ganz einfach tut, weil er es gerne tut. „Wir persönlich wollten nichts ausdrücken. Wir wollten einfach gern spielen, alles, was uns eingefallen ist haben wir gespielt und so wie es gekommen ist, ist es gekom- men.“ (G6)

Das heißt, der Künstler wollte mit seiner Musik eigentlich nichts ausdrücken, erst der Rezi- pient hat dann etwas hinein interpretiert. Dazu passt auch die Ansicht vieler Musiker, wonach andere Gruppen etwas ausdrücken wollten, während die eigene Band dieses Ziel eigentlich nicht verfolgte. Für Larkey (1993, S. 36f) war das eine Form von „Movement of meaning“ in Verbindung mit Authentizität. Demnach wird Authentizität erst vom konsumierenden Publi- kum verliehen und nicht schon vom Künstler selbst. Er beschreibt das am Beispiel des Hits von Wolfgang Ambros „Da Hofa“, dessen Text von Prokopetz und die Melodie von Ambros selbst ist. Die Idee dazu entstand aber zu einem Zeitpunkt, als beide betrunken waren, also bestimmt ohne tieferen Sinn, aus reiner Belustigung. Erst das Publikum interpretierte in das Lied eine politische Bedeutung und soziale Kritik hinein, während die Schaffer des Liedes über diese Interpretationen zuerst einmal erstaunt waren.

Ob es nun ein Protest war oder nicht, ob bewusst oder unbewusst, auf jeden Fall hatte das Verhalten und das Erscheinungsbild für die damaligen Jugendlichen, die in dieser Rockszene waren, Folgen, und diese sollen nun erläutert werden. Augenscheinlich waren die Konflikte mit der Elterngeneration. In der Straßenbahn und am Arbeitsplatz wurde gestänkert und es gab sogar Lokalverbote. „Es hat Lokale gegeben, wie den Sorger Sporgasse, der hat eine Zeit lang langhaarige Leute nicht hinein gelassen.“ (G6) Ein Befragter berichtete sogar von einem Lokal, in dem seine Band zwar auftreten durfte, aber wenn sie als Gäste hinein gehen wollten, wurde ihnen das aufgrund ihres Äußeren ver- wehrt. Die Empfindungen darüber, wie stark diese Konflikte waren, gingen bei den einzelnen Befragten allerdings auseinander. Für die einen gab es zwar Vorurteile gegenüber den „Lang- haarigen“, die jedoch keine Auswirkungen hatten, für andere erschien es fast gefährlich, sich so auf den Straßen frei zu bewegen.

93 „Ich bin auch beschimpft worden auf der Straße, das war halt so. Da haben sie halt gesagt du, wenn der Hitler noch wäre, dann wärst du schon in einem Konzentrations- lager. Wenn der Hitler noch wäre, dann könntest mir das gar nicht mehr sagen.“ (G3)

Vor allem am Land war die Akzeptanz noch geringer als in der Stadt und man musste zumin- dest mit verbalen Angriffen rechnen. Aussagen wie „jetzt gehen wir den Buben einmal die Haare schneiden“ (G3) waren also keine Seltenheit.

Beim Bundesheer gab es unterschiedliche Erfahrungen. Ein Befragter, der cirka 1965 antreten musste, verbindet die Zeit beim Bundesheer mit sehr negativen Erinnerungen. „Unter lauter braven, geschorenen Jünglingen war ich der Einzige, der mit Jean, Cowboy-Stiefeln angetreten ist und das war ein Fehler.“ (G5) Der auch Folgen haben sollte. So erhielt er strenge Bestrafungen für Kleinigkeiten und musste am Ende noch einige Strafwochen länger im Dienst verweilen. Selbst unzählige Nächte im Gefängnis musste er ertragen. „Die anderen gehen ist Wirtshaus du kannst in Häf`n gehen. Gürtel abgeben und die Schuhbänder, weil du zu spät gekommen bist um Beispiel, solche Geschichten.“ (G5) Ein anderer Befragter hatte allerdings aufgrund dessen, dass er bei einer bekannten Fürsten- felder Band spielte, gewisse Vorteile. Die Band war zum damaligen Zeitpunkt schon so etab- liert, dass ihn die Offiziere wieder erkannten und ihn besser behandelten als seine Kameraden. Interessanterweise geschah das in derselben Kaserne, wie der oben beschriebene Fall. „Ich bin nicht so geschliffen worden wie manche und man hat mich nicht so hinunter gedrückt. Ich bin dort normal behandelt worden. Eher jovial freundschaftlich.“ (G F4)

Im Allgemeinen galt aber: Wer Rockmusik spielte, war von der Gesellschaft ausgeschlossen, also ein Teil einer Gegenbewegung, weil „die etablierte Welt“ hat diese Jugendlichen gehasst. „Wenn du diese Musik gespielt hast warst irgendwie schon außen. Die Eltern haben dich gehasst, die Wirten und die Etablierten haben dich gehasst, die feine Gesellschaft sowieso.“ (G5)

Die Jugendlichen ließen sich auf der anderen Seite durch nichts aufhalten. Die Musiker in der Szene waren mitunter sehr jung, nahmen aber auch als Minderjährige, teilweise waren sie erst

94 14 Jahre alt, an sämtlichen Konzerten ihrer Band teil. Eher wurden sie von ihren Eltern dort hin begleitet, oder sie schlichen sich heimlich aus dem Haus. „Es gab in den Gasthäusern, wo solche Sachen stattgefunden haben auch eine Abtei- lung, wo es nicht so laut war und da haben sie halt gewartet bis ich fertig war mit mei- nem Ding. Dann haben sie mich wieder nach Hause gebracht.“ (F3) So entstand für viele Minderjährige wohl ein relativ geschützter Rahmen. Wer sich außerhalb so eines Rahmens aufhielt kam schon auch des Öfteren mit der Polizei in Konflikt und für die Jugendlichen entstand „ein ewiger Kampf gegen die Gesetzte.“ (G5). Die Elterngeneration brauchte etwas Zeit um sich an die neue Jugend zu gewöhnen. Das meint sowohl die Mode, als auch die Art von Musik. Denn übersteuerte Gitarren und Sänger, die keine klassische Singstimme haben, waren von den älteren Leuten verhasst und wurden längere Zeit nicht ak- zeptiert. Bis es aber so weit war, haben den meisten diese Konflikte nichts ausgemacht, da man unter den Jugendlichen einen großen Fankreis hatte. „Wir haben ganz genau gewusst, die Leute hassen unsere Musik, und sie hassen das Outfit und sie hassen die langen Haare. Da hat keiner sonderlich nachgedacht, weil wir haben so einen großen Fankreis gehabt. Ob das dem Deppen da gefallt war uns eigentlich wurscht.“ (G5)

In der Steiermark entstand genau wie im restlichen Europa mit der Rockmusik die erste Ju- gendkultur. Gekennzeichnet war sie durch die Kleidung und die Musik, die sich beide erst- mals von den Produkten der Erwachsenen unterschieden. Übernommen wurden diese Neue- rungen von den musikalischen Vorbildern, vorwiegend aus den USA und Großbritannien, aber auch den Hollywoodfilmen mit Stars wie Marlon Brando und James Dean. Die jungen Männer begannen damit sich lange Haare wachsen zu lassen, Jeans und bunte Gewänder zu tragen und bedienten sich damit der „Zeichen“ (Hebdige, 1983), die zuvor schon international geprägt worden waren. Konflikte mit der Erwachsenengeneration waren vorprogrammiert, hielten sich aber meist in den Grenzen verbaler Kämpfe und Lokalverboten. Gewalttätige Auseinandersetzungen gab es nicht. Viele Befragte waren sich zum damaligen Zeitpunkt noch nicht dessen bewusst, dass sie mit ihrem Verhalten protestierten und verfolgten damals nicht das Ziel, mit ihrem Verhalten etwas auszudrücken. Aus verschiedenen Antworten geht aber hervor, dass eine Gegenbewegung stattgefunden hat, die versucht hat gegen die Eltern zu rebellieren. Das Vergnügen stand im Vordergrund und man stellte sich damit gegen die Elterngeneration, die durch Krieg, Wieder- aufbau und Arbeit, das Freizeitleben hinter sich gelassen hatte.

95 8. Die Veränderung der Szene

Mittlerweile befinden wir uns im Graz der 70er Jahre und die Musiker, die noch während ih- rer Schul- bzw. Lehrzeit oder auch noch im Studium ihre Bands gegründet hatten, kommen langsam in eine Phase, in der sie sich für einen Weg entscheiden müssen. Das ist nur ein Fak- tor, durch den sich die Szene im Lauf der Zeit verändert hat. Ein weiterer ist, dass die Szene wesentlich professioneller und erfolgsorientierter geworden ist. Verfolgt man das Ziel kom- merziell erfolgreich zu werden, begibt man sich automatisch in die Räder der internationalen Musikproduktion. Dazu aber erst im Verlauf des Kapitels. Zuvor soll auf die entscheidende Frage eingegangen werden, was die Musiker und Bands mit ihrer Tätigkeit als Musiker errei- chen wollten.

Angefangen haben alle nur aus dem Spaß heraus, sich mit Freunden zu treffen und die Musik zu spielen, die man gern hörte. So sind auch die ersten Bands entstanden. Egal ob neben der Schule beziehungsweise dem Studium oder der Arbeit. Dabei war alles dem Zufall überlassen und niemand plante, was als nächstes kommen würde. Für die meisten blieb es auch dabei. „Man führte mehr oder weniger ein Doppelleben. Hier ist man ja am nächsten Tag ir- gendwie wieder in die Lehrwerkstatt gegangen und man hat halt das ganze Biederle- ben wieder gehabt hauptsächlich.“ (G2) Daher war die Band für die Meisten eine Beschäftigung, die neben dem Hauptberuf ausgeübt wurde und nur manche, wie die Gruppe Mudlucks, verfolgten ihr Ziel dermaßen intensiv, um auch Entbehrungen in Kauf zu nehmen. „Da gab’s eine Grazer Band, die einmal Österreich verlassen hat, nach Schweden rauf ist, dort irgendwo in Kellern auch gewohnt hat. Die wollten nur Musik machen. Die sind einmal zurückgekommen und waren wirkliche Profis.“ (G2)

Vielen war aber das Risiko, den Beruf aufzugeben und alles aufs Spiel zu setzen, zu groß und „neben den Schuhen daherzuspazieren zeitweise und nicht wissen wie der nächste Tag aus- schaut“ (F4) war nicht für jeden das Richtige. So hätte ein Befragter auch bei größerem Er- folg sein Studium auf jeden Fall beendet. Bei anderen kamen die Familien dazwischen und damit eine gewisse Verantwortung. „Dann kamen wir schon in ein Alter wo man vielleicht schon eine Familie gründete, eine fixe Beziehung hat. Da gehen natürlich die Wege schon unterschiedliche Richtun-

96 gen und bis zu dem Zeitpunkt hat’s also nicht professionell geklappt, muss man sagen OK, dann war’s das eben nicht, machen wir was anderes.“ (G2) Der Wunsch professionell zu werden und von der Musik leben zu können war allerdings für alle vorhanden und besteht teilweise noch bis heute. „So im Geheimen möchte ich immer noch Rockstar sein und wenn ich allein bin zu Hause und niemand hört zu, dann bin ich ein Rockstar.“ (F3) Jeder wollte wie seine Vorbilder reich und berühmt werden, im Mittelpunkt stehen und man- che hatten auch das nötige Durchhaltevermögen und haben es nach einigen harten Jahren auch wirklich geschafft. Das trifft beinahe auf alle Musiker zu, die auch heute noch im Geschäft sind. „STS scheint mir ein Paradebeispiel zu sein. Die haben ihre harten Jahre alle gehabt, 10 Jahre, vielleicht noch mehr um für das akzeptiert zu werden, was sie machen.“ (F3) Neben der STS werden auch immer die EAV, Boris Bukowski und Opus genannt, aber auch hier gibt es Einschränkungen, „weil bei Opus und EAV sind auch viele schon weggegangen, die davon nicht leben haben können, obwohl EAV 10fach Tripleplatin hat.“ (G6) Neben die- sen Paradebeispielen, wie erfolgreich man werden kann, gab es aber auch andere, die hart darum gekämpft haben zu überleben, es aber dann doch nicht geschafft haben. Es gehört doch auch immer etwas Glück dazu. „Von meinem 18. Lebensjahr weg, seitdem bin ich beruflich mit der Musik verbandet. Und Halbheiten gehen nicht entweder konsequent, da musst natürlich auch das Glück haben, dass du damit auch leben kannst.“ (G3) Schließlich können in Österreich nur die Bands von ihrer Musik leben, die den größten kom- merziellen Erfolg haben. Einzelne Musiker müssen meist Kompromisse dahingehend einge- hen, welche Musikrichtungen sie bereit sind zu spielen neben ihren persönlichen Projekten. Ein Befragter fasste den Begriff des Rockstars etwas weiter, indem er alles, was an Freiheit gewonnen wurde, als Errungenschaft der ganzen Generation betrachtet. „Meine Version von Rockstar ist, dass ich mir erwirtschaftet hab, dass ich mir nie die Haare schneiden hab müssen, obwohl ich ein Universitätsprofessor geworden bin. Das hat was mit Hartnäckigkeit zu tun, was mit soziale Strafen in Kauf nehmen, mit Zusatzaufwand zu tun um akzeptiert zu werden.“ (F3) Daneben gibt es noch einen Weg, der Musik auf irgendeine Art und Weise treu zu bleiben. Larkey (1993, S. 44) spricht hier von „Fall-back occupations and professions“, also Berufen in der Musikindustrie, ohne selbst aktiv zu bleiben. Beispiele dafür sind die Roadies, die für viele Bands als Techniker arbeiteten und später auch teilweise in diesem Bereich geblieben

97 sind. Das umfasst aber auch ehemalige Musiker, die in den Medienbereich gewechselt sind oder jene, die Studios gegründet haben. In Graz wäre hier auf jeden Fall Andi Beit zu nennen, der lange bei der erfolgreichen Band Magic spielte und bis heute noch sein Magic Sound Stu- dio betreibt. Aber auch Alex Rehak, der lange Zeit bei Turning Point gespielt hat und heute als Produzent tätig ist, wäre hier einzuordnen. Wer sich schon einmal dafür entschieden hatte, den sicheren Weg zu gehen und einen „normalen“ Beruf gewählt hatte, konnte auch nicht mehr so leicht zurück, sondern stand vielmehr „auf der anderen Seite“ (F4). Man konnte also nicht erst dann wieder seinen bürgerlichen Job aufgeben und in eine Band zurückkehren, wenn sich bereits Erfolg abzeichnete. Auch wenn man es später wieder wollte, weil „Mir hätt`s schon getaugt, ja das wär schön gewesen.“ (F4) (Die Rede ist hier davon, wieder bei der STS zu spielen.) Unter folgenden Gesichtspunkten kam es zu einer Veränderung der Sze- ne.

8.1. Generationswechsel

Das betrifft jene Musiker, die es vorzogen ihr Studium zu vollenden und in das „normale“ Berufsleben einzusteigen. Für die Meisten war damit ein Verlassen der Band verbunden. „Es war so, dass die Meisten nach einer gewissen Zeit überhaupt mit der Musik wie- der aufgehört haben. Die haben fertig studiert oder die Schule fertig gemacht und sind in den Job gegangen und aus.“ (G5) Damit aber aus einer Szene auch erfolgreiche Musiker und Bands hervorgehen können, muss diese über eine längere Dauer bestehen als nur eine Generation. Er führte weiter an, dass als Profis erfolgreich und somit auch über mehrere Generationen im Musikgeschäft tätig aber nur 5 Prozent der Beteiligten waren. Ähnlich beschreibt das auch ein anderer Befragter, indem er sagt, dass so eine Szene immer ein Kommen und Gehen von verschiedenen Musikern ist. „Es hängt immer so davon ab, wie viele aktuell sind, oder wie viele sich damit be- schäftigen und wie viele das Glück haben, dass sie vorn mitmischen können.“ (G3) Auch Familienpläne spielen immer eine tragende Rolle. „Du heiratest, kriegst Kinder du musst dich um das sorgen. Wann willst du denn sonst ein Leben aufbauen, wenn du eine Familie haben willst?“ (G5)

So hat sich die Szene laut den Angaben eines Befragten bis in die 80er und 90er Jahre immer neu formiert, aber nie ganz aufgelöst. Er beschreibt das am Beispiel von Wilfried, der immer

98 wieder in den verschiedensten Formationen tätig war und der EAV, die einem ständigen Wechsel von Musikern unterlegen ist, aber nie wirklich aufgehört hat aktiv zu sein.

8. 2. Individualisierung

„Die einen sind etwas geworden und die anderen sind verschwunden.“ (G4) könnte eine Kurzbeschreibung dessen sein, was mit Individualisierung gemeint ist. Die Szene bestand also nur aus einer Gruppe gleich Gesinnter, in der aber jeder seinem eigenen Geschäft nachgeht. Dadurch kam es laut Aussagen Ende der 70er zu einer Individualisierung. Es gab die ersten Erfolge und wer diese nicht feiern konnte, verschwand von der Bildfläche und damit wurde der „Eigenbetrieb“ geringer. „Es hat aber weder die Not sie zusammen geschweißt noch der Erfolg sie getrennt. Je mehr jemand auf eigenen Beinen stehen konnte, desto mehr hat er es getan.“ (F1) In Österreich kam es zu einem kommerziellen Durchbruch der eigenen Musiker und entweder man wurde Profimusiker oder ging in andere Berufe. Als ein weiterer Grund dafür, warum sich die Szene auflöste, wurde angegeben, dass sie immer größer und unüberschaubarer wur- de. Diese Entwicklungen werden mit dem Aufkommen des Austropops in Verbindung ge- bracht. Die Szene ist sozusagen explodiert, es gab sehr vieles nebeneinander und man verlor dadurch den Überblick. Im Zuge dieser Austropop-Welle verlegten einige ihre musikalische Tätigkeit an andere Orte, und da wohl vor allem nach Wien. „Damals haben wir ja eigentlich gehadert damit, dass wir nicht in Wien waren, weil man das Gefühl gehabt hat, man muss in Wien sein.“ (F4) Denn alles, was man brauchte, vom ORF bis zu den Verlagen und Jugendzeitungen, war in Wien. Wer also erfolgreich sein wollte, musste nach Wien. „Ich kenne keinen einzigen erfolg- reichen Musiker, der in Graz geblieben ist.“ (F1)

Beim Versuch, diese Entwicklungen zeitlich einzuordnen entstand, dasselbe Problem wie beim Versuch, den Beginn der Szene zu datieren, nämlich das Problem der individuellen Kar- riere, wie man aus dem unteren Beispiel deutlich erkennen kann. „Es gab schon einen Zeitpunkt wo wenig los war, wo ein paar vielleicht schon gewusst haben wohin sie wollen, sie sind dann vielleicht auch weg gegangen, das sind dann die, die nach Deutschland gegangen sind, ein paar sind nach Wien gegangen.“ (G2) Datiert wurde diese Entwicklung mit dem Zeitpunkt von cirka 1970 bis 1980, wobei dieser Befragte genau während dieses Zeitraumes nicht aktiv war, sondern nur davor und danach. Ein zweiter sieht die Entwicklung genau das umgekehrt.

99 „Seit den 80er Jahren kann ich nicht mitreden, aber in den 60ern, 70ern sicher nicht, weil da war einfach zu viel. Die besten Musiker die je da bei uns gespielt haben waren aus diesen Jahren.“ (G5)

8.3. Das Aufkommen der Diskos als Tod für die Live-Musik

Ein weiter Punkt, der die Szene in Graz veränderte, war, dass sich die Lokalitäten veränder- ten. Die Gasthäuser, in denen Live-Bands die Möglichkeit hatten aufzutreten, wurden von den Diskos abgelöst. In den Diskos wiederum hatten sie keinen Platz, da Diskjockeys aufgrund der niedrigeren Kosten bevorzugt wurden. „Ende der 70er ist das mehr forciert worden mit den Diskotheken, Anfang der 80er noch mehr, Ende der 80er immer mehr. Dann war es so, dass die Bands nicht direkt mehr gespielt haben fürs Publikum, die Bands waren nur mehr in der Disko eine Ein- lage, wie eine Mitternachtsshow. Damit die Leute einen Gag haben, ist dann halt um 12 bis halb eins noch einmal eine Band aufgetreten.“ (G6) Auch hier unterliegt Österreich der internationalen Entwicklung der Diskowelle, die Ende der 70er Jahre losgetreten wurde. Als österreichische Vertreter gelten Ganymed mit ihrem Hit „It takes me higher“, Godie Ens mit „Gilla“, aber auch Wilfried schlug mit „Nights in the City“ diese Richtung ein (Pfeiler, 1995, S. 75).

8.4. Die Entwicklung von der Subkultur zur Popkultur

Mitte der 70er Jahre veränderte sich die Szene insofern, als sie industrialisierter und professi- oneller wurde. Es war alles keine Form der Gegenkultur mehr, sondern gliederte sich in die kommerzielle und allgemein akzeptierte Popkultur ein. „Als wir dann geglaubt haben so Mitte der 70er Jahre, so jetzt haben wir diesen Sound, der uns gefällt, sind die Punker gekommen und haben genau wieder ein Ge- genmodell entwickelt wie es klingen muss.“ (F3) Die Punks übernahmen sozusagen die „rockige Art“, während der Rock selbst zum Main- stream mutierte. Die Art Musik war nicht mehr anstößig oder schräg klingend. Diese Funktion übernahm der Punk. Ein Prozess, den jede Subkultur durchläuft. Sie besteht nur so lange, bis die Musik für alle zugängliche Strukturen entwickelt. Dann wird sie von einer anderen Sub- kultur ersetzt, mit ihrer eigenen Musik und ihrem Stil (Hebdige, 1983, S. 21). Nichts desto

100 trotz hatte es die nachkommende Generation schon etwas leichter und profitierte von der Freiheit, die ihre Vorgänger gewonnen hatten.

Zusammengefasst bedeutet das, wer der Musik weiter treu bleiben wollte musste sich weiter- entwickeln. Will man von Musik leben, reicht es nicht, nur in den regionalen Lokalen aufzu- treten, sondern man war dazu gezwungen, sich den kommerziellen Rahmenbedingungen der Musikproduktion zu ergeben. Daher scheint eine Beschreibung dieser Rahmenbedingungen in Bezug auf Graz sinnvoll.

8.5. Der kleine Markt und die internationale Musikindustrie

Damit sich eine neue Szene entwickeln kann, ist die Motivation von Musikern alleine noch nicht ausreichend. Eine Reihe von infrastrukturellen Faktoren sind zusätzlich notwendig. So braucht es Lokale und Veranstalter, Personen, die sich um die Technik kümmern und nicht zuletzt die Musikindustrie (Jauk, 1995, S 314). Diese Industrie besteht aus wenigen Leuten, die Entscheidungsträger sind und den internationalen Markt dominieren (Huber, 2001, S. 29). Die Vereinigten Staaten konnten sich zum Trendsetter im kulturellen Bereich etablieren und herrschten mit diesen Trends über ganz Europa. Zurück geführt werden kann das auf eine Veränderung der Machtverhältnisse durch den 2. Weltkrieg. Alles Amerikanische wurde zum Vorbild für die gesamte westliche Welt. Ob Coca Cola, Kaugummi, Micky Mouse Hefte oder die Küche, was aus Amerika kam, wurde für gut befunden (Andersen,1998, S. 23). Für viele war Amerika das freie, junge, moderne Land, dem es nachzueifern galt. Die europäischen Kulturgüter wurden als veraltet angesehen, vor allem auch durch die immer noch bestehende starke Bindung an religiöse Grundsätze. Daher wurde die europäische Kunstindustrie und damit auch die Musikindustrie nach dem amerikanischen Modell organisiert. Dabei ist der Markt immer der bestimmende Faktor, sowohl wenn es um die Produktion, als auch die Dist- ribution von Musik geht (Rutten, 1994, S. 31). Paul Rutten (1994, S. 37) unterscheidet vier verschiedene Arten von Ländern, die mit ihrer eigenen Musik verschiedene Funktionen im globalen Musikmarkt haben.

1. Länder mit einem großen Tonträgermarkt, einem großen Anteil lokaler Musik innerhalb dieses Marktes, und einem hohen Stellenwert hinsichtlich der lokalen Klänge am internationa- len Markt. Hier sind die Vereinigten Staaten und Großbritannien einzuordnen.

101 2. Länder mit einem großen Tonträgermarkt, einem großen Anteil lokaler Musik innerhalb dieses Marktes, aber einem relativ niedrigen Stellenwertes hinsichtlich der lokalen Klänge am internationalen Markt. Hier sind Japan und Frankreich einzuordnen.

3. Länder mit einem kleinen Tonträgermarkt, einem großen Anteil lokaler Musik innerhalb dieses Marktes und einem niedrigen Stellenwert hinsichtlich der lokalen Klänge am internati- onalen Markt. Hier sind Italien und Brasilien einzuordnen.

4. Länder mit einem kleinen Tonträgermarkt, einem kleinen Anteil lokaler Musik innerhalb dieses Marktes und einem niedrigen Stellenwert hinsichtlich der lokalen Klänge am internati- onalen Markt. Hier sind die Niederlande und Norwegen einzuordnen.

Sehr viele Länder der Welt können in Typ vier eingeteilt, werden genauso wie auch Öster- reich, denn Österreich hat einen kleinen Musikmarkt, der stark von Deutschland abhängig ist und von dort aus mehr nebenbei mitbearbeitet wird. Ein Grund dafür ist, dass der Break-even- Point, also der Punkt, an dem die Produktionskosten einer Schallplatte gedeckt sind und somit Gewinn erzielt werden kann, schwer bis kaum erreichbar ist. Vor allem, weil die Kosten für Aufzeichnung und Marketing enorm groß sind, währende der Markt sehr klein ist (Rutten 1994, S. 39). In Deutschland ist diese Situation eine andere, da der Markt wesentlich größer ist (Winkler, 1989, S. ). Die Länder des Typ eins, also Amerika und Großbritannien, sind die Trendsetter im internationalen Musikmarkt, deren Major Firmen in allen Ländern eine Au- ßenstelle haben. Das sind Sony Music, die frühere CBS Records, Warner Music, EMI, BMG und Polygram. Die wichtigste Aufgabe dieser Geschäftsstellen ist es, die international vorge- gebe Musik zu vertreiben. Dennoch haben sie auch ihren eigenen A&R-Mann (siehe S. 105), der lokale Produkte herausbringen kann, aber unter dem Druck, die Kosten wieder hereinbe- kommen zu müssen. Das ist in einem Land, das nur einen kleinen Musikmarkt aufweist, aber schwer. Man könnte den Markt natürlich vergrößern, indem man mit anderen A&R-Männern in anderen Ländern Kontakt aufnimmt, damit die Produkte auch dort vertrieben werden. Aber auch das funktioniert meist nicht, da natürlich auch diese Manager sich vorrangig auf ihre eigenen Produkte konzentrieren. Mit der Unterstützung der Major-Fimren in den Trendsetter- ländern kann auch nicht gerechnet werden, da, wenn die Musik zu sehr den eigenen Produkti- onen ähnelt, darauf hingewiesen wird, dass man solche Produktionen selber hat, wenn aber die Musik anders klingt, muss man mit der Reaktion rechnen, dass der Markt dafür nicht vor- handen ist. Das ist ein Kreislauf, der es dem A&R-Mann schwer macht, den eigenen Markt

102 angemessen zu fördern. Aufgrund dessen sind auch die Strukturen einer Musikindustrie eines Landes mit kleinem Markt anders, und kaum vergleichbar mit denen größerer Länder (Rutten, 1994, S. 40). Hier ist die Szene mit ihrem Geflecht aus Musikern, Journalisten und Leuten von Plattenfirmen von Bedeutung (Huber, 2001, S. 29). Sie kennen sich alle untereinander und die Aufgabe, vor allem der letzten beiden ist es, zwischen den Musikern und der Musik- industrie zu agieren. Das ist ihnen oft dadurch möglich, dass sie aus der Oberschicht kom- mend die entsprechenden Leute kennen - und wer diese Beziehungen nicht ausnützt, hat keine Chance, jemals ans Ziel zu gelangen. Eine Infrastruktur, die diese Verkettungen ermöglicht, findet man in Österreich ausnahmslos in den größeren Städten. Nur hier kommen junge Leute zusammen, beispielsweise um zu studieren, und finden ein entsprechendes kulturelles Ange- bot vor, wodurch sie zum Publikum oder Musiker werden können. In kleineren Ortschaften Konzerte zu veranstalten bleibt wenigen großen Stars vorbehalten. Österreich hat aber den- noch eine Sonderstellung, die es auch in dieser globalisierten Welt noch möglich macht, er- folgreicher Musiker zu werden. Damit ist die kulturelle wie sprachliche Nähe zu Deutschland, also immerhin zum drittgrößten Markt weltweit, gemeint. Michael Huber zeigt in seiner Ar- beit „Hubert von Goisern und die Musikindustrie“ (2001), welche Verkettungen von Glücks- und Zufällen in einem kleinen Land dazu führen, dass ein Popstar wie Hubert von Goisern hervorgehen kann. Nachdem Hubert von Goisern von sämtlichen Plattenfirmen abgelehnt worden war, fand er den A&R-Mann Peter Rosinak von BMG Ariola, der von seinen Ideen begeistert war. Obwohl ihn dessen Chef, Stefan Friedberg, bereits abgelehnt hatte, nahm er Hubert von Goisern unter seine Fittiche. Friedberg verhinderte diese Vereinbarung nicht, da Rosinak kurz vor seiner Pension stand und er ihm auf diesem Weg noch einen Gefallen tun wollte. Den nächsten Glückstreffer fand er mit dem Manager Hage Heine, der einen Platten- vertrag aushandelte, bei dem der Künstler anfangs zwar selbst nichts verdienen konnte, aber im Falle eines größeren Erfolges sehrwohl. Im nächsten Abschnitt soll das internationale Sys- tem mit den Entwicklungen in Graz in Verbindung gebracht werden.

103 8.5.1. Die Plattenfirma

Die Rockmusik hat sich anfangs abseits der Musikindustrie entwickelt, sobald sie sich aber etablieren konnte, wurde sie von den Produktionsfirmen einverleibt und unterliegt seitdem den Bedingungen einer Ware (Frith, 1981, S. 85). Frith (1981, S. 89) spricht von drei Zutaten, die erfolgreiche Rockmusik ausmachen. Die erste ist das Talent, in diesem Fall sind das die Musiker selbst. Die anderen beiden, Management und Plattenfirma, sollen in diesem Kapitel besprochen werden. Laut Frith ist die Plattenfirma der wichtigste Faktor und daher soll sie an dieser Stelle mit Graz in Verbindung gebracht werden. Kurz gesagt schließt die Plattenfirma mit einem Musiker einen Vertrag ab, bezahlt die Produktionskosten und übergibt dem Musi- ker einen Anteil aus dem Erlös der verkauften Platten. Sie sind aber mit diesem Vertrag nicht nur einfache Verleger, sondern haben sämtliche Besitzrechte am fertigen Produkt und bestimmen daher „welche Musik benutzt, wie sie produziert und wann sie veröffentlicht wird.“ (Frith 1981, S. 89). Sie stellen den wesentlichsten Bestandteil der Musikwirtschaft dar, da sie „Musikverlagswesen, Musikproduktion wie auch Tonträgerherstellung und – verwertung integrativ zusammenführen.“ (Göke, 2002, S. 48). Die einflussreichsten darunter sind BMG, Universal Music, EMI-Music, Warner Music und Sony Music und sie haben einen Marktanteil von cirka 80 % (Göke, 2002, S. 49). In Österreich sind diese sogar noch etwas größer. Daneben existieren verschiedene kleinere Labels, die Independent Labels, die meist nur regional aktiv und nur schwer überschaubar sind. Die großen Plattenfirmen versuchen in erster Linie bestehende Trends aufzugreifen, um damit einen sicheren Hit landen zu können, während es an den Independents liegt, in noch unbekannte Nischen vorzudringen (Huber, 2001, S. 40). Sie sind es also, die neue Trends entdecken. Ist das aber erst einmal geschehen, kommen meist die großen Firmen und kaufen alles auf, was Erfolg versprechend ist. Ziel ver- folgen sie aber alle dasselbe. Sie versuchen nach den Prinzipien der Massenproduktion mög- lichst viele Platten zu verkaufen. Diese Platten sollen aber nach Möglichkeit nicht allzu lang die Bedürfnisse des Hörers decken, sondern nach einigen Wochen von einer Neuerscheinung ersetzt werden können. Können die Firmen mit einer Gruppe damit einen guten Profit erzie- len, werden es neue Gruppen schwerer haben aufgenommen zu werden, sinkt der Profit, wird es für andere Gruppen leichter werden. Das machen sie vor allem deshalb, weil nur 10 % der veröffentlichen Singles erfolgreich werden und 60 % der veröffentlichten Singles gar nicht erst gespielt werden. Womit man also schon gute Erfahrungen hat, wird auch weiter gearbeitet und was ähnlich klingt, bekommt auch noch eher eine Chance als etwas Neues. Bands werden nur dann einen Vertrag erhalten, wenn sie in ein schon bewährtes Schema hinein passen, um

104 das Risiko zu minimieren (Huber, 2001, S. 42). Graz hatte hinsichtlich der Labels eine beson- ders schwere Stellung. Sie waren nämlich in Graz nicht vorhanden. Zwar meinten manche der Befragten es hätte vielleicht kleine Labels gegeben, einen Namen konnte aber nur eine Person nennen. Das war das Magic Sound Records in Verbindung mit dem gleichnamigen Studio. Allerdings wurde auch hier angefügt, dass dieses Label keine große Bedeutung hatte. „Wir haben zwar das Magic Sound Records gehabt, wo wir irgendwelche kleinen, es haben ja alle möglichen Leute so Singles gemacht. Wolfgang Kois oder der Paul Mu- syl zum Beispiel hat dann auch viel gemacht. Aber die Meisten sind dann vertrieben worden über Wiener Labels, also Atom, das ist die Amadeo.“ (F2)

Diese Abwesenheit einer Klein-Label-Szene ist aber nicht verwunderlich, wenn man weiß, dass selbst in Wien eine solche nicht existent war (Jauk, 1995, S. 315). Zu erklären ist dieser Umstand dadurch, dass Österreich nie die Funktion eines Landes erreichen konnte, dass seine eigene Musik nach außen verkauft, sondern sich eher als ein Land darstellt, dass die ausländi- sche Musik in Österreich verkauft. Eine Ausnahme stellt der deutschsprachige Raum dar, in dem Österreich eine Nische gefunden hat, die eigenen Produkte zu vermarkten. So waren auch die Wiener Labels nicht eigenständig, sondern viel mehr Ableger von deutschen und englischen Firmen, die es bis in die 60er Jahre verweigerten, österreichische Produkte unter Vertrag zu nehmen (Larkey, 1993, S. 134f). Genannt wurden die Ariola, BMG, Sony und Emi. Das Wichtigste vor allem in Verbindung mit dem Austropop war das Label Atom, die ehemalige Amadeo. „Das Plattenlabel war eigentlich Atom, da waren Leute, die hatten wirkliche Produ- zenten, die haben Leute gesucht. Die sind durch Österreich gefahren, Talent Scout würde man heute sagen.“ (G4)

Die Travellers wurden über CBS vertrieben, die aber kein eigenes Studio hatten, sondern im Konzerthauskeller aufnahmen. „Wir sind zum überglücklichen Zufall über das Spielen und über einen Vertreter von irgendeiner Plattenfirma zum damaligen CBS, das heute das Sony ist, gekommen. Und das war damals auch schon das Beste, weil alle Superstars waren auf CBS, mit Aus- nahme der EMI.“ (G5) Zufälle wie diese, sind in Österreich Voraussetzung, um erfolgreich zu werden. Huber (2001) beschreibt am Beispiel von Hubert von Goisern, dass er durch verschiedenste Zufälle und Bekannte zum Erfolg gekommen ist. Für steirische Musiker gilt es auf jeden Fall den Umweg

105 über Wien zu nehmen, bevor sie in den weitaus größeren Markt Deutschlands schielen konn- ten.

8.5.2. Der A&R Mann – Artist and Repertoire

Die erste wesentliche Aufgabe dieser Mittlerpersonen ist das Anwerben neuer Musiker und daher verbringen sie viel Zeit, damit sich unbekannte Bands anzuhören. Je mehr erfolgreiche Musiker eine Firma unter Vertrag hat, umso leichter kann sie einen möglichen Verlust durch einen Flop hinnehmen. Dennoch will man diesen nach Möglichkeit vermeiden, was mit Hilfe eines ersten Gesprächs, in dem die Einstellung und die Ziele des Musikers abgefragt werden, erreicht werden soll (Huber, 2001, S.49). Er entscheidet des Weiteren, welche Musik unter dem Namen eines Labels herausgebracht wird, welche Künstler behalten werden und von wem man sich verabschieden wird. Und das macht er anhand bestimmten Kriterien. Es gibt Firmen, die für jede Musikrichtung offen sind, andere versuchen sich ein Image aufzubauen und vertreten daher nur bestimmte Musikrichtungen. Was aber besonders wesentlich ist: Im- mer zu wissen, für wen man die entsprechende Musik produziert (Frith, 1981, S. 90f). Daher wird ein Musiker oder eine Band nur dann von einer Plattenfirma produziert, wenn eine Ziel- gruppe für die Musikrichtung definiert werden kann und sie somit in vorhandene Marktstruk- turen passt. Mittlerweile ist das sehr schwierig, weil sich eine große Fülle an verschiedenen Märkten entwickelt hat und das Publikum am jeweiligen Markt Spezialist ist. In den 60er und 70er Jahren war das noch wesentlich einfacher. Zum damaligen Zeitpunkt gab es noch eine Gliederung in Musik für Junge und Musik für Alte und die Musikrichtungen, die es für die jeweiligen Personengruppen gab, waren noch überschaubarer. Um diese Funktionen erfüllen zu können, müssen A&R-Männer immer Bescheid wissen darüber, was bereits aktuell war, gerade aktuell ist und idealerweise, welcher Trend als nächstes folgen wird. Er hört sich ein Demo-Band 30 Sekunden lang an und muss schon wissen, ob dieser Titel erfolgreich werden kann oder nicht. Wichtig ist also das nötige Gespür zu haben. Damit er das kann, muss er der Szene nahe sein, also annähernd gleich alt sein wie das Zielpublikum, wissen was dieses Pub- likum will und gute Kontakte haben. Diese Fähigkeiten kann man nicht erlernen, die hat man oder hat man nicht. Negus hat Faktoren herausgearbeitet, die für die Entscheidung für oder gegen ein Produkt von Bedeutung sind.

1. the live stage performance 2. the originality and quality of the songs or material

106 3. the recorded performance and voice 4. their appearance and image 5. their level of personal commitment, enthusiasm and motivation 6. the achievements of the act so far. (zit.n. Huber, 2001, S. 45)

Eine besondere Bedeutung seitens der Band wird der Fähigkeit, gute Live-Auftritte zu ma- chen, zugesprochen. Wer live gut ankommt, dem hört man das auch auf der Platte an. Daher ist das Auftreten eines Musikers, das er gegenüber dem A&R-Mann an den Tag legt, oft ent- scheidend (Huber, 2001, S. 53f). Einen solchen A&R-Mann überhaupt erst einmal nach Graz zu bringen erwies sich als besonders schwierig und funktionierte nur über die richtigen Kon- takte.

8.5.3. Der Manager

Als Schnittstelle zwischen A&R-Mann und Musiker fungiert üblicherweise der Manager. Er bietet oft die einzige Möglichkeit, überhaupt einmal bei einer Plattenfirma angehört zu wer- den, indem er seine Kontakte spielen lässt. Seine erste Funktion ist, die Musiker bekannt zu machen. Hat er das erreicht, ist er für die Überwachung der Verträge und sämtlicher finanziel- ler Dinge zuständig. Bei einer Band zählt zusätzlich die Betreuung der Gruppe zu seinen Auf- gaben und das vor allem auch in der Hinsicht, dass Streits geschlichtet werden und „daß sie, wie es die Plattenfirmen oft nennen, `vernünftig` sind.“ (Frith, 1981, S. 95). Er soll die Band zum richtigen Zeitpunkt auf Tournee und ins Studio schicken und für ihre musikalische wie auch persönliche Entwicklung sorgen. Manager kümmern sich aber auch um private Probleme und werden zum Ansprechpartner in jeder Hinsicht. Im Wesentlichen sind aber „Verhand- lungsgeschick und Medienarbeit […] die Eigenschaften, die den guten Manager auszeich- nen.“ (Huber, 2001, S. 48). Mit diesen Mitteln soll er anfangs dafür sorgen, dass die Musiker bekannt werden. Sind sie erst einmal zu Berühmtheiten herangewachsen, kümmert er sich um finanzielle Angelegenheiten und soll seine Stars vor Ausbeutung schützen (Frith, 1981, S. 96). Für junge Musiker kann es dennoch von Vorteil sein, das Management für den Anfang selbst zu übernehmen, um die verschiedensten Abläufe kennen zu lernen und zu verstehen (Huber, 2001, S. 48). In Graz gab es schon bald Persönlichkeiten, die sich, meist selbst, die Bezeichnung Manager gaben. „Manager gab es schon sehr früh. Die meisten waren irgendwelche fröhlichen Trun- kenbolde, oder aber eben auch sehr umtriebige Typen.“ (F1)

107 Die Aufgaben dieser Manager waren umfassend. Sie sollten der Band dazu verhelfen, Auftrit- te zu haben, Plattenverträge abschließen und außerdem Ö3 davon überzeugen, dass sie diese Platten dann auch spielen. Einzig die Public Relation war zum damaligen Zeitpunkt noch kein fixer Bestandteil des Managements, das hat es noch überhaupt nicht gegeben. Als Manager betitelt wurde Helmut Gugel, der Hide and Seek managen wollte. Nach einem Befragten hat er für sie einen Auftritt im Eisenerz organisiert, wurde aber nicht als ständiger Manager be- zeichnet. Der Name der am öftesten fiel war Fred Steinbrenner, der mit seiner Frau die „Erste Grazer Schallplattenboutique“ führte. Er war der äußerst erfolgreiche Manager von Turning Point, auch zu Zeiten, als sie sich noch The Travellers nannten. Kurz hat er auch bei Hide and Seek das Management geleitet, als die erste Platte von Hide and Seek aufgenommen wurde. Er wurde durchwegs auch als guter Manager bezeichnet, der Turning Point zum österreichi- schen Erfolg führte. „Das war einfach ein unternehmerischer Typ verstehst und in Österreich war er si- cher einer der besseren die es gegeben hat überhaupt und sonst wären wir auch nie da draußen gelandet.“ (G5) „Der war sehr erfolgreich. Der hat die in ganz Österreich hoch gebracht. Sie haben sehr viel gespielt und sehr viele Leute sind damals gekommen.“ (G6) Der große Erfolg wird ihm aus zwei Gründen zugesprochen. Zum einen war er ein Unterneh- mertyp, dem die Musik gut gefiel und der seiner Tätigkeit aus eigener Überzeugung nachging. Außerdem hatte er durch seinen eigenen Schallplattenladen gute Kontakte zu Plattenfirmen, die er für seine Band ausnützen konnte. „Er hat ein bisschen von der Prange schon gekannt, die Hintergrundleute, die du sonst als Normalsterblicher oder als Musiker nicht kennen lernst. Du kannst 1000 Jahre in dem Gasthaus da unten spielen und deswegen wird sich keiner von einer Plattenfirma dort hin verfrachten.“ (G5) Für ihn war das Managen der Band der Hauptberuf, in dem er sämtliche organisatorische Be- reiche abdeckte. Beispielsweise stellte er einen Bus zur Verfügung und trieb Sponsoren auf. Er half der Gruppe aber auch dabei, trotz ihrer Äußerlichkeiten akzeptiert zu werden. „Von der Optik her war der Steinbrenner akzeptabel für jedermann da in Österreich. Angefangen hat er mit Nadelstreif, nur so feinem Köfferl und Nadelstreif. Also der hat gesagt wir sind seine Buben, wenn die geschimpft haben. Der hat uns immer in Schutz genommen und das war auch der Grund warum wir, als wir im Geschäft waren, auch nicht mehr so viel mitgekriegt haben davon, was auf der bösen Seite passiert. Weil

108 normalerweise gehört da immer auch die böse Seite dazu nicht nur die Sonnenseite, die eh alle etwas geworden sind, sondern auch die Loser-Seite.“ (G5)

Allerdings hatten nicht gerade alle Bands Interesse daran, so einen Manager in Anspruch zu nehmen. Diese hatten dann eher den Eindruck, dass die Manager die Band nur ausnehmen wollten, statt ihr wirklich eine große Hilfe zu sein. „Das waren alles so selbsternannte Manager, die, so haben wir das wahrgenommen, von denen man sich fürchten musste, weil die haben eigentlich nur ausgesaugt.“ (F3 Außerdem befürchteten sie dadurch nicht mehr alle künstlerischen Entscheidungen selbst tref- fen zu können und zu sehr dem Mainstream zu verfallen. „Wir haben Angst gehabt, dass wir dann, heute würde man sagen, zur Boygroup ver- kommen und nicht mehr das tun können, was man glaubt tun zu müssen.“ (F3 Daher und auch aus Kostengründen organisierten sich die meisten Bands selbst. Bei Magic beispielsweise übernahm Boris Bukowski diese Funktion. Er organisierte sowohl Auftritte, sowie er zu Plattenfirmen in Wien und München fuhr, um Plattenverträge abzuschließen. „Der Bukowski, das war der Manager und Spieler gleichzeitig. Der hat schon ein Doktorat von der Universität gehabt. Das war unser Jusdoktor, der muss das ja wis- sen, wie man Verträge macht und wie das alles geht ja und den haben wir auch akzep- tiert.“ (F3

8.5.4. Die Produktion

Aus dem Zusammenkommen von Manager und A&R-Mann sollte idealerweise ein Platten- vertrag entstehen und darauf folgend die Produktion. „Unter Musikproduktion soll die künst- lerische Produktion von Tonträgeraufnahmen, das heißt der Prozess der Herstellung der Mu- sikaufnahme und dessen Speicherung auf einem Masterband, verstanden werden. Bei der Mu- sikproduktion kommen alle am Prozess der musikalischen Aufnahme beteiligten in einem Auf- nahmestudio zusammen und erarbeiten gemeinsam ein musikalisches Produkt.“ (Göke, 2002, S. 52). Das umfasst den Komponisten, Textdichter, Interpreten, Produzenten, Arrangeure und das technische Personal. Negus (zit.n. Huber, 2001, S. 59) beschreibt den Ablauf wie folgt. Eine Plattenfirma nimmt einen Musiker bei sich auf und investiert vorerst einmal in die Pro- duktion und verpflichtet sich, dem Künstler einen Prozentsatz der Einnahmen der Platte zu bezahlen, sobald die Ausgaben für die Produktion gedeckt sind. Oft wird den Musikern ein Kredit gewährt, den sie zurückzahlen müssen, wenn sie mit ihrem Produkt erfolgreich sind. In

109 diesem Fall muss der Firma für die Dauer des Vertrages eine bestimmte Anzahl an Tonträgern überlassen werden. Für gewöhnlich dauert so ein Vertrag 5 – 7 Jahre mit einer Rücktrittsklau- sel alle 12 – 18 Monate, mit der es der Firma ermöglicht wird, auch schon früher aus dem Vertrag auszusteigen. Das Honorar wird anfangs festgelegt und erhöht sich in den meisten Verträgen im Laufe der Zeit. Auf diese Weise sind die Plattenfirmen finanziell an den Künst- ler gebunden und daher motiviert, für den Künstler zu arbeiten. Sehen sie keinen Erfolg be- freien sie den Künstler vom Vertrag und sparen sich ihr Geld. Larkey (1993) sieht das etwas anders, vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass in Österreich anders gearbeitet wird. Seinen Angaben nach muss ein Künstler erst einmal eine Probezeit absolvieren, in der er zu- erst nur einen kurzfristigen Vertrag erhält. Die Firma will erst einmal abtesten, ob das Produkt angenommen wird und kalkuliert daher vorsichtig. Erst danach wird entschieden, ob der Mu- siker weiter unterstützt wird und eine LP aufgenommen wird. Das gibt sowohl der Firma als auch dem Künstler die Möglichkeit, sich darüber im Klaren zu werden, ob man überhaupt eine längere Bindung eingehen will. Es liegt vor allem wieder am Manager, den bestmögli- chen Vertrag heraus zu verhandeln und ein besonderes Augenmerk auf das Kleingedruckte zu legen, beziehungsweise den Vertrag juristisch untersuchen zu lassen. Ist der Vertrag abge- schlossen, führt der nächst Schritt direkt ins Studio, wo ein Produzent bereits darauf wartet, die ersten Titel einzuspielen. Ist das geschehen, werden diese zur Plattenfirma geschickt. Ent- sprechen sie den Erwartungen, werden die restlichen Titel aufgenommen, ist das nicht der Fall, wird meist ein anderer Produzent gesucht. Schließlich ist er dafür verantwortlich, wie das „in Frage kommende Material arrangiert und ausgeschmückt werden soll.“ (Frith, 1981, S. 100). Das Produkt, das am Ende heraus kommt, entspricht aber meist nicht mehr dem, was die Musiker anfangs komponiert und präsentiert haben. Daher kommt es oft zu einem Verlust der Identifikation mit den eigenen Songs. In den 70er Jahren war es sogar oft noch so, dass eigens Studiomusiker für die Produktion der LPs herangezogen wurden und die Bandmitglie- der ersetzten. Ohne die Musiker einzubinden werden die Titel gemischt und geschnitten und das Endprodukt ist nicht mehr das Produkt, dass am Demoband zu hören ist. Der Produzent ist nämlich in erster Linie der Plattenfirma verpflichtet und soll kommerziell verwertbare Musik schaffen und nicht die Ideen des Musikers bewahren, trotz der Tatsache, dass der ihn am Ende bezahlen muss. Die Produzenten haben im Wesentlichen die Aufgabe, den Sound so zu ges- talten, dass er beim Publikum ankommt, denn erst beim Rezipienten wird über Erfolg und Misserfolg entschieden. Die Produzenten behalten sich als einzige die Fähigkeit vor, in der Lage zu sein, einen Sound zu gestalten, was aber etwas kurzsichtig ist. Denn jede Musik hat auch schon vor der Produktion einen Sound. Das Verhältnis zwischen Musiker und Produzen-

110 ten gestaltet sich aus diesem Konflikt heraus zwiespältig, wodurch einige Musiker dazu über- gegangen sind, sich selbst zu produzieren. Ein weiterer Grund, warum sich manche Musiker lieber selbst produzieren, ist, dass Produzenten eher konservativ handeln nach einem Schema, das bereits erprobt ist. Ihre Aufgabe ist es, in diesem riskanten Geschäft eine gewisse Vorher- sehbarkeit zu schaffen, was am leichtesten funktioniert, wenn man sich nicht weit vom derzei- tigen Musikgeschehen entfernt und die Musiker in eine bestehende Schranke einordnet. Daher ist das fertige Produkt oft weit von dem entfernt, was sich der Musiker vorgestellt hatte - was bei den Musikern zu Unzufriedenheit führt. Will man etwas Neues ausprobieren, bleibt einem, wie bei Hubert von Goisern, oft keine andere Chance als sich von der Plattenfirma zu entfer- nen und eigene Wege zu gehen (Huber, 2001, S. 62f). Das war wohl mit ein Grund dafür, dass in Graz die ersten Studios entstanden sind. Hier fehlte es genauso wie im restlichen Österreich weniger „an der Möglichkeit zum Live-Act, als vielmehr am medialen Multiplikator und am dafür notwendigen Tonträger.“ (Jauk, 1995, S. 314). Daher entwickelte sich in Wien, neben dem Studio des ORF, eine kleine Studioszene. Diese verfolgte anfangs weniger ein kommer- zielles Ziel, sondern vielmehr das Grundbedürfnis, die eigene Musik und die der Freunde auf- zunehmen (Jauk, 1995, S. 315).

Unter dieser Motivation sind auch in Graz die ersten, noch primitiven, Tonaufnahmen ge- macht worden. An Studios fehlte es in der Anfangszeit bis Ende der 70er Jahre allerdings noch. Daher kauften sich einige Bands einfache Tonbandgeräte, wie einen 2-Spur Revox oder einen so genannten „Stuzzi“. „Damals war eine ganz berühmte, gehört auch in die 60er Jahre, ein ganz berühmtes Tonbandgerät, das war noch mit den Spulen. Das hat später im Musikjargon Schnür- senkel geheißen, weil die Spulen mit den Bändern waren. Und da hat es eines gege- ben, das hat Stuzzi geheißen, da kann man mitschneiden, also keine Rede noch von Stereo oder was, weil die ersten Singles waren alle in Mono.“ (G5)

Die ersten Tonbandaufnahmen hatten zwei Funktionen. Einerseits sollten Demos aufgenom- men werden, um sie dann an Plattenfirmen zu schicken. Andererseits nahm man die eigenen Konzerte auf, um sie im Nachhinein anhören zu können und sich gegenseitig ein Feedback zu geben. Die ersten Erfahrungen damit, sich selbst zu hören, waren für die meisten Bands eher negativ, weil man seine eigene Leistung vorher meist überschätzt hatte. Das hatte aber auch den positiven Nebeneffekt, dass durch diese Kritik auch eine Verbesserung der Qualität der Musik möglich wurde.

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Eine wesentliche Rolle wird dem Kinobesitzer in Hartberg zugesprochen, weil er sich ein Hobby daraus machte, die Bands aus der Gegend aufzunehmen. Er hatte ein Zwei-Spur Gerät und nahm damit Gruppen wie Magic auf. Damit war er der Produzent der ersten Tondoku- mente dieser Gruppe und auch vieler anderer. Er ging sogar noch weiter und spielte diese Lieder vor Filmbeginn in seinem Kino und sorgte damit auch für die Verbreitung der Musik.

Richtige Schallplattenaufnahmen waren aber sehr teuer und nur wenige Bands bestanden lang genug um es zu einer Singleplatte zu schafften. „Tonaufnahmen waren damals unendlich schwieriger. Um halbwegs eine Aufnahme zustande zu kriegen brauchte man ein Mehrspurgerät, damals war Rovox ein Schei- terprodukt, unglaublich populär, sehr teuer für damalige Zeiten und (…) es waren halt simpelste Aufnahmen ungeheuer teuer. Und es gab einige wenige Bands, die in dieser Zeit, also in den späten 60er ganz Anfang 70er Jahren es zu einer Single gebracht ha- ben.“ (F1 Es herrschte auch die Meinung, das es sehr schwer war, Schallplatten zu machen und die ös- terreichischen Tonstudios anfangs noch nicht in der Lage waren, mit dem internationalen Sound mit zu halten. „Dann kommt die Schallplatte fix fertig zurück, dann ist man vollkommen enttäuscht, als erstes, weil es das nicht festhalten kann, was die Band glaubt, was sie zusammen bringt, weil es diese Atmosphäre, die man erlebt, wenn man einen Live Auftritt hat - Tonstudios konnten das damals nicht, oder österreichische Tonstudios konnten das nicht festhalten.“ (F3

Erst im Zuge der Austropop-Welle hatten einheimische Bands größere Chancen, Schallplat- tenproduktionen zu erreichen, da gezielt österreichische Bands produziert wurden und darun- ter auch Steirer. Das Zentrum war aber Wien. Besonders hervorgehoben wurde das Studio Sound Mill von Peter Müller in Wien, das bald sämtliche Austropop Produktionen durchführ- te, darunter auch steirische, wie die erste LP von Turning Point. „Der Peter Müller hat seine Produktionen damals auf zwei alten Revox Maschinen gemacht. Zweispurige Vox und ich hab es selbst gesehen, mit einer Rasierklinge also [hat er] die Bänder geschnitten und zusammen gepickt. Und wenn man sich die Auf- nahmen heute anhört, die sind gut, also diese erste Turning Point LP, da war was drauf.“ (G4)

112 Der Grund dafür war wohl, dass er sich viel schneller als alle anderen die neuen Techniken und Methoden des Aufnehmens aneignete. 1971 wurde Müller zum Produzenten von Amadeo Schallplatten, die später an Polygram weiterverkauft wurde (Larkey, 1993, S. 153). In Graz gab es zum gleichen Zeitpunkt verschiedene Versuche, mit wenig Mittel Aufnahmekapazitä- ten zu schaffen, die aber erfolglos blieben. Das lange Zeit einzige Tonstudio, das es in Graz gab, war das des ORF. Jedoch musste man besondere Beziehungen dazu haben, um diese Ressourcen nutzen zu können. „Meine ersten Studio Erfahrungen waren beim Paul und bei der Joseppa, weil die ha- ben guten Draht gehabt zum ORF Steiermark und da haben wir im alten Studio in Graz St. Peter (…), ein paar hundert Meter weiter ist dann das Reischl Studio gebaut worden, (…) dort haben wir dann also Zwei-Spur Aufnahmen gemacht. Ich weiß nicht, die haben das irgendwie finanziert, wir haben es nicht zahlen müssen.“ (F4)

Also mussten die Bands mehrheitlich nach Wien oder München fahren, um überhaupt Auf- nahmen machen zu können.

Das erste Studio, das sich als professionell etablieren sollte, war das Magic Sound Studio. Dieses wurde Ende der 70er Jahre von Andreas Beit und Boris Bukowski von der Gruppe Magic ins Leben gerufen. Aus dem Proberaum in der Schönaugasse wurde ein Studio, das bis heute besteht, allerdings an einem anderen Ort. Die Finanzierung erfolgte mit Hilfe der Pro- duktionskosten, die sie für ihre eigene Platte erhielten. Statt dieses Geld bei einem anderen Studio, das die Platte produziert hätte, auszugeben, nutzten sie es und kauften wertvolle Auf- nahmegeräte. Von da an produzierten sie ihre Platten selbst. Bald kamen auch Einnahmen für Werbespots und Einnahmen durch Produktionen für Bekannte dazu. Das Studio bestand aus einem Mischpult, das man in München oder England, darüber teilen sich die Meinungen, ge- kauft hatte und einem 8-Spurgerät. Außerdem fand man dort schon zum damaligen Zeitpunkt eine Kabine für das Schlagzeug und getrennte Aufnahmeräume. 1980 kam dann noch das Studio von Heimo Knopper dazu.

8.5.5. Marketing - Promotion

Um die Platte bekannt zu machen, müssen verschiedene Bereiche abgedeckt werden. Das ist die Presse, von der Tageszeitung bis zur Studentenzeitung, und noch wesentlicher sind Radio und Fernsehen. Meist werden Platten und Informationsmaterial an die verantwortlichen Me-

113 dienleute geschickt. Für die Meisten gilt das so genannte „airplay“ in Sendungen des Rund- funks als wichtigste Methode, die Produkten, bekannt zu machen, allerdings kann das aber von den Plattenfirmen selbst kaum gesteuert werden. Denn während es in Amerika unabhän- gige Promoter gibt, die für die Plattenfirmen arbeiten und deren Produkte bei den Radiostati- onen anpreisen, die sie dann oft spielen, ohne sie zuvor angehört zu haben, muss eine Platte den europäischen Radiomachern zusagen. Außerdem wird auch der Gestaltung des Plattenco- vers eine große Bedeutung zugesprochen, weil viele Kunden ohne fixe Vorstellungen in einen Plattenladen gehen und sich erst dann eine Platte aussuchen (Huber, 2001, S.67).

8.5.5.1. Der Live-Auftritt

Zwar ist das Betreiben von Popmusik immer mit mehr verbunden als nur Musik zu machen, es gilt ein Image aufzubauen, einen Stil zu vertreten und gut aufzutreten, vielen Musikern ist es dennoch zuwider, sich promoten zu lassen. Das ist nur ein Grund dafür, warum Live Auf- tritte besonders wichtig sind. Musik, die man nur über ein Abspielgerät hört, bleibt unpersön- lich und die Interpreten sind austauschbar. Steht man aber auf der Bühne, kann sich das Pub- likum mit den Musikern identifizieren, und das Live-Erlebnis an sich wird als größer empfun- den, als sich lediglich eine LP anzuhören. Die erste Möglichkeit, mit dem Publikum in Kom- munikation zu treten, ist der Auftritt als Support Act, Vorgruppe, bei einer größeren Band. Daher ist ein wesentlicher Faktor, der einen Musiker zu einem guten Popmusiker macht, der, eine gute Live-Präsenz zu haben, also in der Lage zu sein, mit dem Publikum zu kommunizie- ren (Huber, 2001, S. 72f). Die Wichtigkeit der Live-Acts im Graz der 60er und 70er Jahre wurde bereits besprochen.

8.5.5.2. Die Presse

„Jede Plattenfirma hat ihr eigenes Publicity-Büro, dessen Aufgabe darin besteht, die Acts und die Veröffentlichungen der Firma in die Medien zu bringen; dabei gilt das Interesse in erster Linie der Presse.“ (Frith, 1981, S. 106). Die Presseagenten versuchen die Presse zu kontrol- lieren, indem sie Infotexte zu den Platten hinzufügen, die von der Presse verwendet werden sollen. Oft begeben sich die beiden Parteien in ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis, das dar- in besteht, dass auf eine gute Rezension Werbeschaltungen der Plattenfirma in dem Magazin folgen. Dennoch kann nicht von einer „Kontrolle der Plattenfirmen über Zeitschriften durch das Instrument der Werbeaufträge“ (Frith zit.n. Huber, 2001, S. 76) gesprochen werden, denn

114 es bleibt für die Zeitschriften immer die höchste Priorität, sich an dem Geschmack der Leser zu orientieren. Das Wichtigste für die Promotion-Leute ist es, gute Beziehungen zu haben, sie sind damit ein Teil der „Star-Making-Machinery“ (Frith, 1981), die aus die aus einem Ge- flecht von Beziehungen besteht und aus der am Ende ein Star hervorgehen soll. Im Grunde wollen sich die Beteiligten nicht im Weg stehen. Daher scheint es bei einigen Zeitschriften so zu sein, dass sie sich nur mit guten Produkten beschäftigen, was dazu führt, dass eine Platte, die angepriesen wird, schon als hochwertig angesehen werden kann. Diese Verhältnisse tref- fen auf große Popmusik-Magazine zu, die sich größtenteils mit der internationalen Musik be- schäftigen. Regional betrachtet ist die Presselandschaft eher klein gehalten und beschränkt sich auf die Tages- und Wochenzeitungen und wenige Musikzeitschriften und Fanzines (Hu- ber, 2001, S. 76f).

8.5.5.3. Radio und TV

Kurz gesagt, und darin sind sich alle einig, ins Radio muss jeder, der erfolgreich werden will. Allerdings sollte das Airplay nicht überbewertet werden. Es gibt Künstler, die wurden im Ra- dio auf- und abgespielt, aber kaum jemand hat die Platten gekauft. Ein Beispiel dafür ist Andy Baum mit seinem „Slow Down“. Andere wurden vom Radio lange Zeit erfolgreich ignoriert und sind trotzdem zu ihrem Erfolg gekommen. Ein Beispiel dafür ist Hubert von Goisern, der von Ö 3 erst gespielt wurde, als er schon berühmt war. Zu einem Popstar wurde aber auch er erst über Ö 3. Gerade in Österreich hat das Radio eine große Macht. Der Programmchef ent- scheidet schließlich, was gespielt wird und somit auch darüber, was in die Öffentlichkeit ge- rät. Das führt dazu, dass viele Plattenfirmen Musik produzieren, von der sie wissen, dass sie in das Ö 3-Schema hineinpasst und daher auch gespielt wird und Huber kommt zu dem Schluss: „Daß das Radio im System der `Star-Making-Machinery` eine Rolle spielt ist keine Überraschung. Daß jedoch Kooperation und Kommunikation kaum vorhanden sind und sich stattdessen die Radiomacher zur Entscheidungs-Instanz aufschwingen, das hat wohl weniger mit Ökonomie und Rationalität zu tun als mit Willkür“ . (Huber, 2001, S. 82).

Auf die Frage, wer alles über die Grazer Szene berichtet hat, wurden meistens zuerst die Zei- tungen genannt. „Berichtet haben alle Zeitungen. Da hat es ja damals noch die Neue Zeit gegeben, die Tagespost, Kleine Zeitung, Krone war noch nicht so aktuell da.“ (G3)

115 Hervorgestochen sind aber zwei Zeitungen, die über die Grazer Szene berichtet haben. Das waren die Kleine Zeitung mit dem Redakteur Frido Hütter und die Neue Zeit, deren Bericht- erstatter Vojo Radkovic war. Er wurde 1972 Redakteur und war mit der jugendorientierten Neuen Zeit der Erste, der über Popmusik berichtete. Von vielen wurde er als die wichtigste Person in diesem Zusammenhang bezeichnet. Bei der Kleinen Zeitung teilten sich die Mei- nungen wieder etwas. Der ursprünglich aus Fürstenfeld kommende Frido Hütter hat aktiv über die Grazer Szene berichtet, obwohl manche dieser Zeitung keine große Bedeutung zuspra- chen. „Die Neue Zeit hat irgendwie mehr poppiger berichtet als die Kleine Zeitung, das war immer das Kirchenblatt. Damals war zwar der Frido Hütter Musikredakteur aber die Musik war ja nicht so akzeptiert und die Neue Zeit war damals ein SPÖ-Blatt und si- cher fortschrittlicher.“ (F2) Ein anderer Befragter sprach davon, dass die Presse in den 70er Jahren bis zu den 80er Jahren sehr interessiert an der Musik und der Szene an sich war. Daher wurden sämtliche Konzerte im Vorhinein angekündigt und später kritisiert. Aber irgendwann war das dann plötzlich vor- bei. „Angeblich hat es sogar einen Ukas vom Fritz Csoklich gegeben, dass die Grazer Sze- ne nicht so berichtenswert ist. Dann haben sie gesagt euch kündigen wir es nicht an. Wenn sie es nicht angekündigt haben, sind keine Leute gekommen und dann haben sie gesagt es ist nichts los. Das war nicht wirklich günstig.“ (G4) Das war aber natürlich nur regional beschränkt und über die steirischen Grenzen hinaus war es deutlich schwerer zu erreichen, dass über Bands und Veranstaltungen berichtet wurde. „Hütter hat einiges geschrieben in der Kleinen Zeitung, bei den anderen Bundeslän- der Zeitungen oder in Wien haben wir uns halt immer sehr schwer getan. Es gibt aber eine ganze Menge. Wir sind natürlich gerannt auch wie die Verrückten, wenn wir ir- gendwas herausgebracht haben. Dann haben wir halt versucht die Medien darauf aufmerksam zu machen.“ (F4)

Als Berichterstatter wurde von den Musikern, die österreichweit bekannt wurden, auch der Rennbahnexpress, als eine Pop- und Jugendzeitung genannt.

Der ORF, vor allem auch regional betrachtet, war nicht wirklich interessiert. Erst später, als Ö 3 kam und Eva-Maria Kaiser ihre Show Chance startete, gab es ein österreichisches Radio, das zum einen die Musik spielte und zum anderen auch Musiker suchte. Denn als Ö 3 auf

116 Sendung ging, konnte der Sender nur ausländische Musik spielen, da progressive österreichi- sche Musik noch nicht vorhanden war (Jauk, 1995, S. 314). Der 1968 vom Generalintendan- ten Gerd Bacher beschlossene „Schnulzenerlaß“, womit das Verbot von Schlagermusik vor- wiegend vom Deutschen Nachbarn kommend gemeint war, machte es notwendig, nach Alter- nativen zu suchen. Von da an sollte internationale Popmusik gespielt werden, aber auch für heimische Künstler sollten sich die Chancen erhöhen (Frey, 1988, S. 173). Um diese Talente aber überhaupt erst einmal zu finden, wurde die Show Chance ins Leben gerufen, als eine Sendung, um österreichische Talente zu fördern. Die Vorausscheidungen für die große Ab- schlussshow fanden in den Bundesländern statt und so natürlich auch in Graz. Eva Maria Kai- ser hatte dabei eine Vormachtstellung, weil nur die Musik gefördert wurde, die ihr gefiel. Da- her galt für die Grazer Bands sich bei ihr beliebt zu machen. Ö3 hatte also bei der Entstehung des Austropop einen hohen Stellenwert, aber auch eine selektierende Funktion. Die Texte sollten zwar nach Möglichkeit in österreichischer Sprache sein, sozial kritisch, aber nicht zu provokant, die Musik sollte nicht klingen wie ein Schlager, aber trotzdem etwas Österreichi- sches aufweisen und nicht gleich klingen wie der englische Beat. Da die Texte der kritischen Liedermacher als zu anspruchsvoll galten, hatten diese keine Chance, von Ö 3 wahrgenom- men zu werden (Ottawa, 2000, S. 26) Diese Kriterien könnten aufgestellt worden sein, um sich an die Hörgewohnheiten des älteren Publikums anzupassen wollte. Dieses hatte sich noch nicht an den internationalen Sound gewöhnt, sollte aber auch erreicht werden. Ein anderer Grund könnte sein, dass man die Nähe zwischen Publikum und Star schaffen wollte, die durch deutsche Texte leichter herzustellen ist. So kann es, vor allem beim sehr jungen Publikum, zur Identifikation mit den österreichischen Stars kommen, während die internationalen zu weit weg sind um sich damit zu identifizieren (Jauk, 1995, S. 314). Bei Ö 3 gespielt zu werden war also immer schon sehr wichtig, das allein reicht aber noch nicht aus. Ein Beispiel dafür ist Andy Baum mit seinem Titel „Slow Down“, der zwar bei Ö 3 rauf und runter gespielt worden ist, aber trotzdem kein Hit in Form von hohen Verkaufszahlen wurde. Es ist also wichtig Kon- takte zum internationalen Markt aufzubauen (Ottawa, 2000, S. 28). Steirer hatten es doppelt schwer. Für sie war es oft schon ein Hürde, überhaupt nach Wien zu kommen, da es laut den Aussagen von Befragten eine starke Orientierung auf das Zentrum Wien hin gab. Und Graz selbst fehlte es an einem eigenen Medium wie es Ö 3 war.

8.5.6. Der Vertrieb - Plattenläden

117 Das letzte Glied in der Kette sind die Plattenläden. Bis zu diesem Schritt sind die Kunden über die Platte schon informiert, haben sie gehört und wenn sie ihnen gefällt werden sie in einen Laden gehen und die Platte kaufen oder ein Konzert des Musikers besuchen. Die Schall- platte hat gegenüber dem Konzert gewisse Vorteile. Eine Platte kostet nicht mehr als ein Ti- cket für ein Konzert, man erspart sich aber den mit einem Konzert verbunden Zeitaufwand und den finanziellen Aufwand durch die Anreise. Darüber hinaus kann man sich die Schall- platte natürlich immer wieder anhören. Bei kleinen Plattenläden entscheidet für gewöhnlich der Besitzer darüber, welche Platten angeboten werden. Daher haben auch kleinere Labels die Möglichkeit, ihre Produkte anpreisen zu lassen. Darüber hinaus sind diese Läden meist spezi- alisierter und man kann fundierte Information zur jeweiligen Musik erhalten. Dennoch haben kleine Läden im Vergleich zu den großen einen geringen Umsatz und müssen um ihr Überle- ben kämpfen. Das wirkt sich auch auf die kleinen Labels aus, die zwar dort ihre Produkte ver- kaufen können, aber durch eine erschwerte Anlieferung der weit verstreut liegenden Platten- läden ist das oft nicht besonders rentabel. Die großen Ketten hingegen interessieren sich oft nicht für alternative Produkte oder können sie über Eigenimport billiger beziehen. Große La- bels haben diese Probleme nicht. Sie haben ihr eigenes Vertriebssystem, mit dem sie eine gro- ße Menge an Produkten verteilen, was das Ganze natürlich günstiger macht. Will man also groß heraus kommen, braucht man schon allein deshalb ein großes Label. Zwar gibt es auch Stars, die über Independent-Labels 12 vertrieben worden sind, diese sind aber meist nur inner- halb ihres bestimmten Genres oder der Subkultur Stars und kommen über ihren speziellen Fankreis nicht hinaus. In Österreich sind „Extraplatte“ und „Hoanzl“ die wichtigsten Schall- plattenvertriebe. Sie arbeiten nicht nur innerhalb der Major-Strukturen, sondern „sind so et- was wie Sammelstellen der Kleinen, ohne die die unabhängige österreichische Musikszene nicht so gut dastünde.“ (Huber, 2001, S. 93). Denn gerade am Vertrieb scheitern viele kleine- re Labels. Sind Künstler aber bei einer großen Plattenfirma unter Vertrag, können sie damit rechnen, dass das Vertriebssystem funktioniert (Huber, 2001, S. 92f). Nachdem die steiri- schen Bands alle bei Ablegern der Major Labels waren, sollte der Vertrieb ihre geringste Sor- ge gewesen sein. Prinzipiell verdienen Musiker bei den Majors mehr, weil die kleinen Labels aufgrund der geringeren Investitionskapazitäten weniger Vorschüsse zahlen können und auch die Bewerbung nur eingeschränkt möglich ist. Aus diesen Gründen kann meist nur eine gerin- gere Stückzahl verkauft werden. Aber, „Ästhetisch betrachtet stehen die Indies für Innovati- on, Avantgarde, Extravaganz, Voraussetzungsreichtum, authentische Gehalte, Intensität,

12 Independent Labels, kurz „Indies“: kleine Plattenfirmen, die von den großen Markt bestimmenden Plattenfir- men unabhängig sind. Sie fördern vor allem Gruppen, die musikalisch von der Norm abweichen, oder aus ande- ren Gründen von den großen Firmen abgelehnt werden (Wicke & Ziegenrücker, 1987, S. 229). 118 Komplexität und Glaubwürdigkeit, während die Produkte der Majors tendenziell risikolos, durchschaubar, seicht, verwässert, klischeeverhaftet und verlogen sind.“ (Ullmaier, 1999, S. 43). Daher hat der Musiker bei der Produktion wesentlich mehr Mitspracherecht, als bei ei- nem Major.

119 9. Die Entwicklung einer eigenständigen Form der populären Musik

Nachdem die Grazer Bands sämtliche Schritte von den Beginnen der selbst organisierten Kleinszene bis zu den ersten Gehversuchen in den globalen Marktstrukturen gegangen sind, soll an dieser Stelle ein Blick auf die Musik gerichtet werden, die dabei entstanden ist. „Ich glaube, dass aus der Steiermark sehr wichtige Impulse gekommen sind. Ich mei- ne, Opus ist nicht tot zu schweigen. Turning Point hat fast international was gerissen, von STS und Verunsicherung brauchen wir nicht reden.“ (F4) Dennoch wollen die meisten Befragten den Grazer Bands keine eigenständige Musik zuspre- chen. Erst nach längerem Überlegen kamen verschiedene Musiker und Bands zur Sprache, die ihren eigenen Stil entwickelt haben. Des Öfteren wurde Wilfried Scheutz genannt, der schon in den 70er Jahren mit seinem Titel „Ziuwi Ziwui“ eine frühe Form des Alpenrock spielte und somit als Mitbegründer der Dialektwelle zu betrachten ist. Er blieb aber mit diesem Genre zu diesem Zeitpunkt noch eine Ausnahmeerscheinung. „Ziwui Ziwui, wo du die Leadgitarre hörst, das ist der Heus Wolfgang. Das hat es ja vorher nicht gegeben, weil 20 Jahre später ist ja erst der Hubert von Goisern mit sei- ner Musik gekommen. Das hat der Wilfried schon in den 70er Jahren gemacht.“ (G5) Er war es auch, der mit dieser Vermischung aus Rock mit Volksmusik den großen Durch- bruch hatte. Gruppen, die damals schon wichtige Impulse über die österreichischen Grenzen hinaus gesetzt haben, waren neben der bereits genannten Turning Point, als österreichische Popband, Magic, weil sie einen „schönen Mainstreamrock“ gespielt haben, Opus als die Gruppe mit dem größten kommerziellen Erfolg und vor allem die EAV. „Der wichtigste Einfluss ist von der EAV ausgegangen, die ganz Deutschland gelehrt haben, wie lustig politisches Kabarett sein kann, was für eine tolle Rockmusik man da- zu spielen kann.“ (F1)

STS wurde zwar als Unikat bezeichnet, man sprach ihnen aber größtenteils keinen eigenen Musikstil zu, da sie durch die Beatles und Crosby, Stills Nash and Young beeinflusst waren, wie man aus ihrer Musik unschwer heraushören kann. „Die STS beziehen sich in ihrer Klanglichkeit und in ihren Chören auf die Beatles und auf Crosby, Stills and Nash und auf keine einzige Steirerband. Die haben nur durch diesen ersten Titel, nämlich das Fürstenfeld, der ja als Parodie gedacht war, haben sie dieses Steirerhütl draufgekriegt.“ (F1)

120 STS wurde auch mit dem Austropop in Verbindung gebracht. Demnach wurden sie von Ö3 gefördert, weil sie ähnlich klangen wie der Wiener Austropop, nur eben im steirischen Dia- lekt. „Ich glaub nicht, dass es einen steirischen Austropop gibt. Obwohl die schon steirisch gesungen haben, die Werger und die STS, aber das ist so ähnlich wie das Wiener Lied eigentlich.“ (G6) Lediglich ein Befragter sprach STS zu, eine eigenständige Musik entwickelt zu haben, die lediglich Einflüsse aus dem Ausland hat und dadurch hervorsticht, wie sie diese in die öster- reichische Musik einbauen. „Das ist eine Weiterentwicklung von österreichischer Musik, in irgendeiner Form mit Einflüssen von vielen anderen Ländern, aber die Art und Weise wie man die Deutsche Sprache verwendet und so.“ (F3) Demnach ist es ein „Blending“ von den verschiedensten Vorbildern, die darin verarbeitet wurden, aber „es war auch etwas österreichisches dabei.“ (F3)

Laut den Angaben der Befragten hat sich möglicherweise eine eigenständige Musik entwi- ckelt, die aber nie wirklich an die Oberfläche gedrungen ist. Des Öfteren blieb auch ganz ein- fach der Erfolg aus, wodurch man heute keine Kenntnis mehr darüber hat. Erfolgreich wurde der „Erzherzog Johann Blues“ als erste steirische Musikrichtung, die bewusst auf die Szene in der Steiermark hinweisen sollte. Er wurde zwar erst 1986 ins Leben gerufen, aber die Initiato- ren dieser Musik stammen aus der Szene der 60er und 70er Jahre.

Es gab auch den Vergleich mit Wien, wonach die Steirer eher den Richtungen Blues und Rock and Roll zugetan waren, während in Wien die Musiker zum einen intellektueller waren und zum anderen eine höhere musikalische Bildung gehabt haben. Sie hatten schon Unterricht in Musikschulen und auf der Musikakademie und waren nicht ausschließlich Autodidakten. Demnach spielten die Steirer härtere Musik als die Wiener, weil „ein Liedermacher ist ja nichts hartes.“ (G2) Als Ausnahme wurde hier Magic genannt, die als „Weichzeichner“ eher mit dem Wiener Austropop vergleichbar sind. „Eine Großstadt Wien ist einfach ein anderes Ambiente um da einzuatmen, als in Graz oder in der Steiermark und deswegen gibt’s schon diese Unterschiede.“ (G2) Ein anderer Befragter war der Ansicht, dass in Graz die traditionelle Musik nicht mit gewach- sen ist mit der Popmusik, beziehungsweise, dass eine traditionelle Musik, wie sie die Wiener hatten, fehlte.

121 „Diese Stärke, die die Wiener haben, in ihrem Wienerlied, witzigerweise ist das auch gleichzeitig gespielt worden, das ist nicht auf die Seite geschoben worden, nur weil jetzt Beatzeit war, sondern das ist mit gewachsen, witzigerweise.“ (G5 Das „Raunzate“ , das man im Wiener Austropop heraushören kann, das gibt es in der Musik aus der Steiermark nicht.

Als Grund dafür, warum eine Entwicklung wie der Beat und die Rockmusik in Österreich nicht stattfand, wurde von einem Befragten auf die Amerikanisierung hingewiesen. Diese war nicht nur davon geprägt, dass alles Amerikanische als gut befunden wurde, sondern auch da- von, dass alles Österreichische als schlecht empfunden wurde und negativ besetzt war. Dieses Entfernen von der eigenen Kultur war eine Folge des Nationalsozialismus. Es war wichtiger und interessanter, Bob Dylan nachzusingen und zur eigenen Volksmusik zu machen, als die eigenen Volkslieder zu singen. „Ein Auto in den Vereinigten Staaten zu haben über die Route 66 zu fahren, obwohl ich nicht wusste, was das ist. Ja aber das war im Kopf irgendwie viel interessanter, als mit einem Auto von Fürstenfeld nach Hamburg zu fahren.“ (F3) Neben dieser Orientierung zum Amerikanischen hin wurde auch der Verlust von Intelligenz durch den Krieg als ein Grund genannt, warum neue Musik nicht in Österreich entstand, son- dern in Amerika und Großbritannien. „Die Intelligenz, die wir verloren haben, hauptsächlich jüdische intelligente Leute, aber auch Leute, denen es zu eng geworden ist, die dann ausgewandert sind, hat dazu geführt, dass nach wie vor wissenschaftliche Zentren nicht in Europa, sondern in den Vereinigten Staaten sind, zum Beispiel und das hat auch etwas mit der Kunstszene zu tun gehabt.“ (F3) Das und der Umstand, dass die Elterngeneration keine Zeit dazu hatte sich mit Musik und ähnlichem zu beschäftigen, sondern vorerst einmal mit dem Wiederaufbau ausgelastet war.

122 10. Resümee

Auf die eingangs beschriebenen internationalen Vorbedingungen und im Vergleich mit den Entwicklungen der Musikszene in Wien konnten verschiedene Thesen aufgebaut werden. Auf die verschiedenen Teilbereiche soll an dieser Stelle noch einmal zusammenfassend eingegan- gen werden.

Die These, dass ein Großteil der Musiker aus dem Raum Fürstenfeld und aus Graz gekommen sind, kann als bestätigt angesehen werden. Bei den meisten Befragten herrschte Einigkeit dar- über, nur zwei Befragte weiteten ihre Aussagen auf die ganze Steiermark aus. Warum gerade in Fürstenfeld, das bleibt offen. Einen wesentlichen Beitrag dürfte aber das Gymnasium ge- leistet haben, in dem sich sämtliche Schüler aus der Umgebung kennen lernten. Aus diesem Grund war die Szene in Fürstenfeld immer geprägt von Schülern und späteren Studenten. In Graz war die Szene von vorn herein vielschichtiger. Hier waren es neben den Studenten, über- raschend viele Pädagogen und vor allem auch Lehrlinge, die Bands gründeten. In Graz spiel- ten daher auch die Lokale eine wesentliche Funktion als Orte der Begegnung und des Ken- nenlernens. War man der Szene zugehörig ging man in die Grüne Spinne, den Starclub, das Cafè Schlossberg, die Gamlitzer Weinstube und in Harings Likörstube. Hier verbanden sich nicht nur die Grazer mit den Fürstenfelder Musikern, sondern diese auch mit den Leuten vom Theater und selbsternannten Dichtern.

Jauk (1995) beschreibt, dass der Entstehung von Popmusik eine Nachspielphase vorangeht, in der die Amateurmusiker üben, indem sie ihre bevorzugte Musikrichtung nachspielen. Larkey (1993) beschreibt einen ähnlichen Prozess in Bezug auf die Szene in Wien. Es konnte davon ausgegangen werden, dass auch in der Steiermark eine solche Phase stattgefunden hat. Vor allem das Radio Luxemburg wurde von vielen Jugendlichen als ein Sender entdeckt, der sehr früh den neu entstanden Beat aus Großbritannien spielte. Einen österreichischen, jungendori- entierten Radiosender gab es hingegen erst viel später, in Form von Ö 3. Die technische Ver- fügbarkeit von Radiogeräten war gut und nach diesem Kontakt mit der ersten selbst aus der Jugend heraus entstandenen und nicht nur von den Erwachsenen für die Jugend produzierten Musik (Jauk, 2005), begannen tatsächlich viele Jugendliche in der Steiermark damit Bands zu gründen und auf amateurhafter Basis internationale Musik nachzuspielen. Hauptsächlich war die Musik selbst die Motivation dazu, dennoch gab es auch hierzulande in der Arbeiterschicht einen Frust gegenüber den bereits vorbestimmten Lehrberufen, denen man nachgehen musste.

123 Vereinzelt bestand die Hoffnung, man könne dem mit Hilfe der Musik entkommen. Den Be- ginn dieser Phase genau zu datieren, ist aufgrund der unterschiedlichen Aussagen der Befrag- ten schwierig, er lässt sich aber auf einen Zeitraum zwischen Mitte der 60er Jahre bis Anfang der 70er Jahre eingrenzen. Es wurde zwar hauptsächlich die Rockmusik aus Großbritannien und später der USA gespielt, aber es gab auch Musiker, die sich dem Folk widmeten und ver- einzelt Verbindungen zum Jazz, vor allem aufgrund der Jazzakademie.

Die eigene Motivation Musik zu betreiben, ist allein nicht ausreichend. Jauk (1993) beschreibt in Zusammenhang mit dem Austropop in Wien die „selbstorganisierte Szene“, die aus einer Reihe von Bars, Clubs und ähnlichem, wo junge Bands auftreten konnten, besteht. Daneben sieht Frith (1981) das größte Problem darin, an Instrumente heran zu kommen und daher ist Rockmusik abhängig davon, dass es Geschäfte gibt, die Second Hand Instrumente verkaufen, oder die Möglichkeit zur Ratenzahlung geben. Hat man sein Instrument erst einmal, wartet schon das nächste Problem, das darin besteht, sich einen Proberaum zu organisieren (Larkey, 1993).

Eine besondere Stellung nahm in Graz die Besitzerin des Musikhauses Nedwed ein, indem sie selbst Minderjährigen, Instrumente auf zinsfreie Ratenzahlung verkaufte. Vorraussetzung war wohl vermutlich, dass man ihr sympathisch war und ein wenig Überzeugungskraft hatte. Zwar machte sie mit den Jugendlichen ein gutes Geschäft, viele hätten aber ohne ihre Unterstützung gar nie die Möglichkeit gehabt mit dem Spielen eines Instruments anzufangen. Die nächste Grundvoraussetzung sind Proberäume. Diese schienen kein besonders großes Problem zu sein, da es genug lehrstehende Keller gab, die man relativ günstig mieten konnte. Hier kommt die Politik mit ins Spiel, da vor allem die KPÖ solche Räumlichkeiten günstig zu Verfügung stellte. Viel schwerer war der Transport vom Proberaum zum Auftritt. Noch lange nicht jeder hatte ein Auto, außerdem braucht so eine Anlage Platz. Die Musiker mussten oft mehrmals fahren um ihr Equipment unterzubringen. Lagen die Auftritte nicht weit weg vom Proberaum, waren Fans zur Stelle um beim Tragen zu helfen. Fangruppen hatten diese Bands schon relativ große, denn nachgespielt wurde die aus England kommende Rockmusik und genau das wollte das junge Publikum hören. Live-Auftritte der Originale kamen im kleinen Österreich nicht zustande und die Abendbeschäftigung der Ju- gend war es, sich die regionalen Bands anzuhören. Wobei für den Informationsaustausch kei- ne große Promotion nötig war. Es gab höchstens ein paar Plakate, die Haupinformation wurde durch Mundpropaganda überliefert. Der zuvor international dominierende Rock and Roll ist an Österreich mehr oder weniger vorbeigegangen. Der Beat aus England aber wurde von den

124 heimischen Bands auf und ab gespielt. Austragungsort waren Lokale, Gasthäuser und die Ju- gendzentren der verschiedenen Parteien. Hier konnten die meisten Bands ihre ersten Auftritte absolvieren. In Graz waren das vor allem die Grüne Spinne und der Starclub. Eine Sonder- form sind das Theatercafe und der Jazzfreddy, wo sich vor allem einzelne Musiker trafen und gemeinsam Sessions spielten. Der Jazzfreddy ist bei der Verbindung der verschiedenen Mu- sikrichtungen wichtig, weil hier die Leute von der Jazzakademie mit den Rock- Amateurmusikern zusammen kamen. Am Land waren es in den ersten Jahren die Gasthäuser, die ihren Raum für Live-Acts zur Verfügung stellten. Die Motivation dahinter lag vor allem darin, dass den Wirten damit ein gutes Geschäft gesichert war. Live-Musik erfreute sich gro- ßer Beliebtheit, wodurch die Gasthäuser gut besucht waren, die Band erhielt ohnehin keine Gage, höchstens die Eintritte, wenn es welche gab, und gratis Getränke und Essen. Genannt wurden das Gasthaus Gerstl in Egelsdorf, das Gasthaus Messner-Melchart und der Gasthof Schindler in Pinkafeld. Vereinzelt begannen selbsternannte Manager oder Bands damit Ver- anstaltungen zu organisieren, bei denen sie selbst und befreundete Bands auftreten konnten.

Letztlich war die Rockmusik Teil einer Jugendkultur, die sich im Gegensatz zu den Erwach- senen stellte. Auf internationaler Ebene war dieses Generationsbewusstsein aufgrund der gu- ten Wirtschaftslage und damit verbundenen niedrigen Arbeitslosigkeit und guten Bildungs- möglichkeiten entstanden. Die in den Kriegszeiten aufgewachsene Elterngeneration hatte sol- che Erfahrungen nicht gemacht (Frith, 1981). Die Jugend entwickelte ihre eigenen Wertvor- stellungen frei nach dem Motto Sex, Drugs and Rock `n` Roll, und drückte das durch ihren Stil, in Form von Rockmusik und Kleidung, aus (Hebdige, 1983). Ihre Rebellion gegen ge- sellschaftliche Zwänge führte international zu gravierenden Konflikten. Nach Graz gelangte diese Jugendkultur über die verschiedenen Medien, das Radio, die Schallplatte aber auch den Film. Durch diese lernte man hier die Persönlichkeiten kennen, die zu Vorbildern erhoben wurden. Von den Befragten wurden am öftesten die Beatles und die Stones genannt. Vieles wurde hier vermutlich ohne tiefe, ideologische Hintergründe, sondern als Mode übernommen. Man trug lange Haare, Jeans, bunte Kleidung aber wollte man damit etwas ausdrücken? Jeder von Jugend entwickelter Stil wird zur Mode, sobald er vermarktet wird. Neben dieser Ent- wicklung zur Ware, kommt es auch dazu, dass der Stil, der zuvor als anstößig gegolten hat, von der überordneten Kultur ideologisch vereinnahmt wird und daher als harmlos betrachtet (Hebdige, 1983). Sicherlich wollte man gegen die Eltern rebellieren, wie das in der Pubertät typisch ist. Eines Protests in dem Sinn war man sich aber oft nicht bewusst und man trug die Kleidung und die Haare auf diese Weise um einer Gruppe anzugehören. Einige Persönlichkei-

125 ten haben sich möglicherweise auch wirklich etwas dabei gedacht, der Großteil wollte aber vermutlich nur modern sein. Wahrscheinlich wollte man nicht wie die Hippie-Vorbilder in der USA allem Materiellen entsagen um zurück zur Natur zu kehren, aber irgendeine Freiheit hat man bestimmt gesucht, das macht schließlich jeder Jugendliche. In den Antworten der Befrag- ten kam die Sprache vor allem auf den Wiederaufbau, von dem sich die Jugendlichen befreien wollten. Man wollte nicht mehr am aufgezwungenen Image der Eltern teilhaben und sich nicht vorschreiben lassen, wie man beispielsweise seine Haare trägt. Diese Gegenhaltung führte zu Konflikten, die aber ohne gewalttätige Auseinandersetzungen ausgetragen wurden. Sie beschränkte sich auf verbale Attacken und Lokalverbote. Gelegentlich schickte ein Lehrer seinen langhaarigen Schüler zum Friseur und so mancher Teenager hat seine Jean ausgezo- gen, bevor er nach Hause gegangen ist. Auf der anderen Seite wurden Minderjährige Band- mitglieder von ihren Eltern zu den Auftritten begleitet und auf diese Weise mehr oder weniger unterstützt. Vielleicht wussten sie aber auch nur, dass sie ihre Sprösslinge nicht aufhalten konnten und sorgten deshalb für einen geschützten Rahmen. Auch eine sexuelle Revolution dürfte eher in der Hinsicht stattgefunden haben, als dass man begann offener über diese Dinge zu sprechen, obwohl natürlich die Erfindung der Anti-Babypille auch in der Steiermark nicht ganz unbemerkt geblieben sein dürfte. Gerade dieses Thema ist stark subjektiv. Vor allem die Interviewpartner, die damals schon in einer fixen Beziehung waren, haben die Zeit nicht als die große „Sexzeit“ angesehen. Andere berichten von Matratzen in Bussen und Love-Ins bei Konzerten. Dass Drogen konsumiert wurden, ist hingegen ziemlich wahrscheinlich. Angefan- gen bei Marihuana bis hin zu LSD und Heroin war alles in Graz vorzufinden. Manche belie- ßen es bei Marihuana, andere glaubten die bessere Musik machen zu können, wenn sie LSD nehmen. Drogen waren Teil der Zeit und Teil der Szene mit dem Lokal Boheme als Haupt- umschlagplatz. Leider hat der übermäßige und naive Konsum seine Opfer gefordert, darunter auch herausragende Musiker.

Irgendwann, es dürfte gegen Ende der 70er Jahre gewesen sein, hat sich die Szene verändert. Die Musiker wurden langsam erwachsen und waren immer mehr dazu gezwungen Entschei- dungen zu treffen. Nur wenige waren dazu bereit ein Leben voller Entbehrungen hinzuneh- men und das Risiko eines Profimusikers einzugehen. Ein abgeschlossenes Studium und Fami- lienwünsche drangen in den Vordergrund und viele sind von der Bildfläche verschwunden. Der Wunsch Rockstar zu werden, war dennoch bei allen vorhanden. Die meisten derer, die lang genug durchgehalten haben, wurden auch irgendwann erfolgreich. Andere haben den großen Durchbruch jedoch nie geschafft und mussten sich nach langem Kampf meist wenig

126 interessanten Berufen widmen. Nur vereinzelt konnten man sich in der Musikbranche als Pro- duzenten oder ähnliches halten und nur wenige Bands haben bis heute Bestand. Dazu zählen die Formation STS und Thomas Spitzer mit seiner EAV, die beide bis heute bekannt und er- folgreich sind. Sie haben es im Zuge der Austropop-Welle geschafft, also zum bislang einzi- gen richtigen Zeitpunkt für Popmusiker in Österreich, sich eine Art Kultstatus zu erarbeiten.

Wollte man als Band oder Musiker erfolgreich werden, musste man sich den globalen Mu- sikmarkt stellen. In dieser Hinsicht hat Graz der Hauptstadt Wien einen klaren Nachteil. Nicht nur, dass es in Graz keine Plattenfirmen gibt, es gibt auch keine großen Rundfunkstationen wie Ö3 und die einzige Musikzeitschrift Österreichs, der Rennbahnexpress, hat seinen Sitz in der Hauptstadt. Laut den Aussagen der Befragten, war es als steirische Band schwer, in einem dieser Medien unterzukommen. Obwohl Eva-Maria Kaiser nach der Einführung von Ö 3 be- wusst auf die Suche nach Talenten gegangen ist und diese über Ö 3 gefördert wurden, wird dieser Aktion von den Befragten eine Konzentration auf Wien unterstellt. Laut einigen Aus- sagen haderte man damit, nicht in Wien zu sein und mancher schaffte dem Abhilfe indem er sein Schaffen nach Wien verlegte. Durch das Studio von Andreas Beit wurde aber zumindest die Möglichkeit zur Aufnahme gegeben, die von vielen Musikern und Bands der Region ge- nutzt wurde. Michael Huber zeigt in seiner Arbeit „Hubert von Goisern und die Musikindust- rie“ schon wie viel Glück und wohl auch Beziehungen ein Musiker haben muss, damit er als Österreicher in den Rädern der Musikproduktion bestehen kann. Ein Beispiel dafür ist der Manager von Turning Point, Fred Steinbrenner. Er hatte durch seinen Schallplattenladen die richtigen Kontakte zu den Plattenfirmen und konnte darauf aufbauend einen A&R-Mann da- von überzeugen sich seine „Burschen“ anzuhören. Wäre Ö3 nicht gerade offen für deutschen Rock gewesen, hätte es die STS womöglich mit ihrem Konzept auch schwer gehabt. Magic hatte einige Jahre zuvor keine Chance mit ihrem weichen, deutschen Rock. Mit dem Austro- pop und der Möglichkeit Kapital aus seinem Schaffen zu schlagen wurde die Szene kommer- zialisierter, aber nicht unbedingt im negativen Sinn. Wer eine Möglichkeit sah seine Musik zu vermarkten, tat es. Die sich ständig wiederholende Entwicklung von der Subkultur zum Main- stream vollzog sich und es kamen junge Musiker nach, die sämtliche Konzepte der „alten“ über Board warfen und das ganze dann Punk nannten.

127 11. Diskussion

Ziel der Arbeit war es, den Entstehungsprozess einer Grazer Rock- und Popszene herauszuar- beiten. Das Fehlen von Literatur forderte die Durchführung von Leitfaden-Interviews heraus. Mit dieser Methode war es möglich, sich einen Überblick über die beteiligten der Szene, den Entwicklungsprozess, die interne Struktur und die ideologischen Voraussetzungen zu erhal- ten. Die Auswahl der Interviewpartner erfolgte nach deren verschiedenen Tätigkeiten in der Szene. Es wurde besonderer Wert darauf gelegt nicht nur reine Musiker zu befragen, sondern Personen, die darüber hinaus verschiedene Bereiche der internen Organisation abdeckten. Die verschiedensten Aufgaben der Interviewpartner wurden im Kapitel Methode kurz beschrie- ben. An dieser Stelle soll dargestellt werden ob und wie sich diese Zuständigkeiten in den Interviews wieder gespiegelt haben.

Befragte aus Graz:

G1: Als Vertreter des organisatorischen Bereiches und Berichterstatter, konnten vor allem die Motivationen für solche Tätigkeiten am Rande der Szene ermittelt werden. Wider Erwarten waren die übrigen Informationen vergleichsweise unspezifisch.

G2: Dieser Interviewpartner brachte den Blickwinkel in seinen Antworten weniger auf den technischen Bereich, wie das aufgrund des Besitzes eines Studios anfangs angenommen wur- de, sondern vielmehr auf die Einflüsse des Jazz auf die Szene und das soziale Verhalten der Beteiligten untereinander.

G3: Dieser Befragte, der vor allem Aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit im Musikalienhan- del ausgewählt worden war, ging mit seinen Antworten wider Erwarten weniger auf diesen Bereich ein, als das andere Interviewpartner gemacht haben.

G4: Die Funktion des aufgrund der Orientierung am Folk halb außenstehenden Befragten wurde erfüllt. Seine Antworten waren vor allem durch die Verbindung des Folks mit der Rockszene und den guten Überblick über dieselbe, wertvoll.

128 G5: Dieser Befragte erfüllte seine Funktion als eine Persönlichkeit, die von Anfang an in der Szene dabei war und sämtliche Stationen, vom Hobbymusiker zum Hitparadenstürmer durch- laufen hat. Diese Erfahrungen wurden in seinen Antworten gut wiedergegeben.

G6: Aufgrund seiner Vielfältigkeit ließ dieser Befragte einen Blick auf die Sonnen- und Schattenseiten des Wunsches nach einer professionellen Musikerkarriere zu, wie das schon im Vorhinein vom Interviewer erwartet wurde.

Befragte aus dem Raum Fürstenfeld:

F1: Die Annahmen, dass dieser Berichterstatter einen guten Überblick über die Szene geben konnte, kann als bestätigt angenommen werden. Seine Aussagen waren vermutlich durch sei- ne Tätigkeit schon stark interpretierend.

F2: Die produzierende Tätigkeit des Befragten wurde von ihm ausführlich beschrieben, eben- so wie die Entstehungsgeschichte des Aufbaus von Produktionsmittel in Graz.

F3: Wie angenommen waren seine Aussagen relativ nüchtern und sachlich, da dieser Befragte sich schon vor langer Zeit von der Musikszene getrennt hat und in dieser, vor allem als Ton- techniker, oder wie er sich selbst bezeichnet, als Roadie aktiv war. Er lieferte eine schon stark reflektierende Sicht von mittlerweile gänzlich außerhalb.

F4: Dieser Befragte wurde vor allem dazu ausgewählt, die Geschichte von Fürstenfeld aufzu- arbeiten und da er von Anfang an mit dabei war, erfüllte diese Funktion auch. Darüber hinaus konnte er Informationen über die Verbindung mit Graz liefern.

Wie ersichtlich ist, war die Auswahl der Interviewpartner größtenteils erfolgreich. Obwohl jedoch versucht wurde, aus verschiedenen Gruppen und Teilbereichen der Szene Personen zu befragen, kann nicht garantiert werden, dass jeder Bereich des sozialen Gefüges hundertpro- zentig abgedeckt wurde. Darüber hinaus muss darauf hingewiesen werden, dass die Inter- views stark geprägt waren von der Zeit, die zwischen den besprochenen Geschehnissen und der Gegenwart steht. Dieses methodische Problem konnte naturgemäß nicht ausgeschaltet werden und die Ergebnisse hätten vermutlich bei derselben Untersuchung vor 30 Jahren etwas anders ausgesehen. In den Antworten der befragten Personen liegt dadurch vermutlich teil-

129 weise schon ihre interpretierende Sicht auf die vergangenen Geschehnisse, sie erzählen über ihre Erinnerungen von der Zeit. Diese weißt Lücken auf, vor allem wenn es um die genaue zeitliche Einordnung geht und um Namen verschiedener Bands und Personen. Gerade in die- sen zwei Punkten kann daher nicht von der Vollständigkeit der Daten ausgegangen werden.

Darüber hinaus muss bedacht werden, dass jeder Mensch seine Person unbewusst sozial posi- tioniert und die Position, in der er sich selber sehen will, die Aussagen beeinflussen können. Es wurde aber durch die Methode des Tiefeninterviews, kurz gesagt mit allgemeinen Themen zu beginnen und im Laufe des Interviews immer persönlicher zu werden, versucht, diese Bar- riere abzubauen. Außerdem wurden gerade deshalb mehrere Personen gewählt, die sich nicht, oder nicht mehr über ihre Tätigkeit als Musiker definieren.

Die Qualität der Interviews variierte, durch verschiedene Faktoren. Zum einen hat der Inter- viewleiter im Laufe der Interviews seine Kompetenz ausgebaut, da zuvor nur wenig Erfah- rung mit solchen Situationen gesammelt werden konnten. Auch ist diese Qualität abhängig von der spontanen Sympathie zwischen Interviewleiter und Befragten. Von der Universität kommend musste der Interviewleiter bei den Befragungen der Interviewpartner ohne höheren Schulabschluss, sich teilweise mit dem Vorurteil konfrontiert sehen, man habe durch das un- terschiedliche Milieu wenig Verständnis für Rockmusik und eine entsprechende Lebensweise. Gestärkt wurde dieses Vorurteil sicherlich auch durch eine weibliche Interviewleiterin im Kontakt mit ausschließlich männlichen Befragten und dem zusätzlich hohen Altersunter- schied. Durch das Freistellen der Ortswahl für das Interview, anpassen an dessen Gegebenhei- ten und im weitesten Sinn auch der Sprache, wurde versucht, im Gespräch und durch „unge- zwungenes“ Verhalten zu vermitteln, dass auch eine Studentin Rockmusik hört und bevorzu- gen kann, genauso wie Parallelen im Freizeitverhalten bestehen.

Die Frage, ob ein eigenständiger Grazer Rock oder Pop entstanden ist oder nicht, konnte nicht ausreichend beantwortet werden, da hierzu eine musikwissenschaftliche Analyse notwendig gewesen wäre, die aber den Rahmen der Diplomarbeit gesprengt hätte.

130 12. Literaturverzeichnis

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