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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE

SWR2 Tandem Der charmante Grantler

Hubert von Goisern wird 65

Sendung: Freitag, 17. November 2017, 19.20 Uhr Redaktion: Bettina Stender Autorin: Christiane Rebmann Sprecher: Peter Binder

Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

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Manuskript

O-Ton

Jetzt bin ich da ein wenig entspannter und seh das nicht als meine zentrale Aufgabe, die zu erneuern oder - wie manche Leute sagen - zu plündern. Sondern ich schöpfe auch aus der Tradition des Blues, des Jazz, des Rock sowieso auch und stehe da glaub ich auch in einer Tradition von Liedermachen, die nicht unbedingt alles aus dem alpinen Raum kommen.

1. Song: Hiatamadl / Aufgeigen statt niadaschiessen

Mit dem Lied „Hiatamadl“ wurde Hubert von Goisern bekannt. Seit der oberösterreichische Musiker Ende der 80er Jahre die Band Alpinkatzen gründete, hat er die alpine Musik auch unter den jüngeren, nicht volksmusikaffinen Generationen populär gemacht. Er mischt Rock-, Blues-, Jazz-, Reggae-, Punk- sowie diverse Weltmusikelemente mit den traditionellen Stilarten seiner Heimat. Und er hat bewiesen, dass Jodler gut zu Soulgesang passen und diatonisches Akkordeon zur Rockgitarre, wenn man das denn intelligent kombiniert. Dabei setzt er auf den Austausch mit Kollegen aus anderen Kulturregionen. Mit seinen aufsässigen Texten eckt der politisch aktive Musiker gern an. Er hat auch als Filmmusiker, Schauspieler und Designer gearbeitet.

Hubert von Goisern kam am 17. November 1952 im oberösterreichischen Goisern unter dem Namen Hubert Achleitner zu Welt. Mit fünf beschloss er, Dirigent zu werden. Mit 12 begann er, in der heimischen Blaskapelle Trompete zu spielen. Mit 19 flog er dort raus.

O-Ton

Inzwischen gab es schon mehrere Versuche mich zurück zu angeln. aber ich hab die Zeit nicht dazu. Aber es war eine schöne Geste

Das waren die langen Haare?

Ja, die langen Haare und da waren viele Sachen- ich hatte die größte Feder am Hut, wir hatten ja so schöne erste Weltkrieguniformen und mit schönen Hüten und riesigen Straußenfedern drauf. Und der Kapellmeister hatte eigentlich den Anspruch auf die größte Feder, aber ich habe es irgendwie geschafft, dass die größte Feder auf meinem Hut gelandet ist und das hat ihn zum Beispiel sehr gewurmt. Wir haben dann zum Schluss gestritten. und ich habe ihm das Götz Zitat an den Kopf geworfen weil er einfach daneben lag und das schon den ganzen Tag und das hat ihm dann nicht geschmeckt, dann hat er mich rausgeworfen. Das versteh ich natürlich, es hätte seine Autorität untergraben, wenn er mich weiter geduldet hätte, obwohl ich ihm solche Sachen gesagt hab.

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2. Song: Suach dir an andern / UundOder

In den folgenden acht Jahren lebte von Goisern in Südafrika, Kanada und auf den Philippinen und arbeitete unter anderem als Chemielaborant. Von überall nahm er neue musikalische Fertigkeiten mit, lernte beispielsweise Flamencogitarre und Nasenflöte spielen. Zurück in Wien, studierte er experimentelle Musik und Elektroakustik an der Musikhochschule. Er gründete die Band Alpinkatzen, die 1992 mit dem Album „Aufgeigen stått niederschiassen“ die Aufmerksamkeit der deutschsprachigen Radiosender auf sich zog und in der neu geschaffenen Rubrik Alpenrock reüssierte. Mit den Repertoires dieses und des folgenden Album „Omunduntn“ ging die Band auf Tour und fand auch im Ausland großen Anklang.

3. Song: Kuahmelcher / Österreich von oben und unten

Durch seine wachsende Popularität wurde man auch in anderen Kunstbereichen auf ihn aufmerksam. So wurde von Goisern Mitte der 90er Jahre als Schauspieler für den Fernsehfilm „Hölleisengretl“ engagiert, in dem er neben Martina Gedeck auftrat.

Außerdem entwarf er gemeinsam mit einem Designer eine Modekollektion. Es machte ihm eine Zeitlang Spaß, aber weiterführen möchte er diese Aktivität nicht.

O-Ton

Ja, das liegt eine Zeit zurück. Auch dazu gibt es immer wieder ein paar Ideen, wo ich mir denk, ja, dann such ich was, was es nicht gibt und denk mir, soll ich jetzt mit jemandem reden, dass man es so macht, wie ich es haben will. Aber das ist ja auch eine Frage der Energie und der Zeit. wo ich dann Prioritäten setzen muss, ist es mir das jetzt wert? Und gerade die Modewelt, ich habe da ja zwei, dreimal hineingeschnuppert und hatte damals noch einen kongenialen Partner, der jetzt leider verstorben ist, Klaus Höller, mit dem hatte sich‘s aushalten lassen, obwohl er aus diesem Betrieb kam, selber ein Enfant terrible und ein schwarzes Schaf war. Aber im Großen und Ganzen ist das eine Welt, also das ist jetzt nicht meine, das ist mir zu absurd, was da abläuft und die Eitelkeiten, die da herrschen. Das ist nicht meins.

4. Song: Damals / Schlafes Bruder

1995 komponierte Hubert von Goisern den Soundtrack zu Joseph Vilsmeiers Film “Schlafes Bruder“. In den folgenden Jahren begann er seine Zusammenarbeit mit dem Tibetischen Institut für darstellende Künste TIPA. Er traf den Dalai Lama und reiste durch , um sich von den katastrophalen Lebensbedingungen der Tibeter einen Eindruck zu verschaffen. Seine Impressionen fasste er 1998 auf dem Album „Inexil“ zusammen.

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5. Song: Akupema / Inexil

In dieser Phase begleitete er die Schimpansenforscherin Jane Goodall in den Gombe National Park in Ostafrika – nicht nur, weil ihn die Primatenforschung schon lange interessiert hatte,

O-Ton

Paläontologie ist etwas, was mich lange Zeit und als junger Mann sehr fasziniert hat, weil ich einfach wissen wollte, wie wir da gelandet sind, wo wir jetzt sind.

Eine interessante Ergänzung zu Jane Goodall zu fahren und Schimpansen zu erleben im Wald, wo ich mir dachte, naja gar so weit sind wir nicht wirklich gekommen, seit wir aus dem Walt heraussen sind und von den Bäumen herunten.

„Uns verbindet die Ehrfurcht vor der Schöpfung, der Glaube an das Wunderbare im Leben und das Wissen, dass wir unerschöpfliche geistige und menschliche Ressourcen haben, die wir aber kreativ und behutsam einsetzen sollten. Fatalismus ist uns beiden fremd“, lobte er die 1934 geborene britische Wissenschaftlerin. Er produzierte einen Dokumentarfilm über ihre Arbeit und veröffentlichte 1998 den Soundtrack „Gombe“.

6. Song: Afrika / Gombe

Zur Jahrtausendwende wandte er sich wieder der heimischen Musik zu und nahm die Alben „Trad“ und „Fön“ auf, die mehrfach ausgezeichnet wurden. Dadurch wurde der oft als sperrig wahrgenommene Musiker in der Öffentlichkeit präsenter und auch prominenter. Das Interesse an der Privatperson Hubert von Goisern wuchs. Doch Interna aus seinem Leben ausplaudern, das ist nicht so sein Ding. Zwar erzählte er, dass er froh sei, dass seine dritte Frau Verständnis für seine Rastlosigkeit habe. Aber über die persönlichen Bezüge in seinen Songtexten gibt er nur ungern Auskunft – Er hat dafür eine plausible Begründung.

O-Ton

Ich mag überhaupt nicht meine persönlichen Auslöser für die Lieder preisgeben. Weil ich andere Leute nicht kompromittieren möchte und sie nicht in diese Situation bringen, dass sie dann gefragt werden, und wie geht’s dir dabei, wenn du dieses Lied hörst. In den meisten Fällen sind es auch mehrere Ereignisse, mehrere Begegnungen, die sich zu einem Lebensgefühl verdichten und dann als Lied herauskommen und betrifft jetzt nicht unbedingt nur eine Person.

Wenn er auf der Bühne steht, ist es ihm allerdings wichtig, dass er seine Lieder an eine bestimmte Person richten kann.

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O-Ton

Das hängt dann von meiner persönlichen Stimmung ab, für wen ich das eine oder andere Lied jedes Mal singe, aber es gibt jedes Mal wenn ich es singe, gibt es konkrete Menschen, für die es gemeint ist in dem Moment. aber das ist einfach mein persönlicher Zugang zum Musizieren, dass ich das nicht einfach in den luftleeren oder menschenleeren Raum hinaussinge, oder für eine anonyme Person kann ich das auch nicht singen, da könnte ich das nie so beseelen.

7. Song: Stoansteirisch / Trad

Sein Privatleben ist ihm heilig. Deshalb hielt sich der groß gewachsene, dunkelhaarige Musiker auch bedeckt, als ich ihn nach den Hörgewohnheiten seiner beiden Kinder Nico und Laura fragte, die damals noch zuhause wohnten.

O-Ton

Das mag ich nicht sagen, weil das ist ihre Welt und auch wenn man jetzt hier in Stuttgart sind und es unwahrscheinlich ist, dass gemeinsame Bekannte das hören und lesen, aber ich mag sie da nicht outen, das müssen sie selber machen.

Sie tragen das ja auch nicht vor sich her und sagen komm mal, hör mal, kennst du das schon? Sondern das ist ihre Welt, und ich respektier das so, und wenn man dann als Erwachsener eindringen möchte und nachfragt und was hörst du denn und was findest du denn spannend, dann zucken sie zuerst einmal zusammen, weil sie vielleicht damit rechnen, dass man sagt, so ein Blödsinn, und den hörst du dir an. Das höre ich so en passant ein bissert aus den Zimmern raus. Aber grundsätzlich läuft bei uns keine Hintergrundmusik zuhause, sondern wir hören lieber den Vögeln im Garten zu und den Stimmen des Windes und uns selber, als dass wir da so einen akustischen Hintergrund, einen künstlichen brauchen.

Einen Eindruck von seiner Einstellung zur Familie und zur Kindererziehung bekommt man allerdings, wenn man ihn nach seinem Lieblingsbuch fragt.

O-Ton

Eins der grandiosesten Bücher, die ich je gelesen hab ist „Der Plan von der Abschaffung der Dunkelheit“ von Peter Hoeg, also jemand, der Kinder hat und sich für das Schicksal und die Gedanken der Kinder interessiert, kann ich das nur ans Herz legen.

Was hast du daraus gelernt?

Das Wichtigste, was mir da hängen geblieben ist, das ist diese Frage, wie erzieht man ein Kind, kann man ein Kind, soll man ein Kind überhaupt erziehen, welche Art von Vorbild mag man sein? Mag man überhaupt ein Vorbild sein? Ich bin überhaupt

6 ein Typ, der jetzt nicht gerne jemandem anderen sagt, nicht einmal ein Kind, was es zu tun und lassen hat. Aber wenn man‘s nicht macht, andere machen es dauernd. Und dann hat man das Gefühl, ja wenn es die anderen machen, ist es vielleicht das kleinere Übel, wenn ich es auch mache, gerade wenn es die eigenen Kinder sind. Aber diesen Reflex unterdrücke ich eigentlich schon, und dieses Buch ist ein sehr sehr berührendes, wahrscheinlich auch nicht zuletzt, weil es sehr viele autobiographische Züge des Peter Hoeg hat.

8. Song: Fön / Fön

2007 packte den Musiker, der neben anderen Instrumenten Gitarre, Ziehharmonika, Trompete, Flügelhorn und Klavier beherrscht, wieder das Fernweh. Und es sollte ihn gut zwei Jahre im Griff halten. Unter anderem um als offizieller Botschafter für als Kulturhauptstadt 2009 zu werben, brach er gemeinsam mit seiner Band auf einem umgebauten Frachtschiff zu einer Fluss-Tournee von Linz bis zum Schwarzen Meer und von dort an die Nordsee auf. In den Häfen, in denen er vor Anker ging, ließ er Musiker aus den jeweiligen Ländern zusteigen, und man spielte gemeinsam ein Konzert.

O-Ton

Ich wollte diesen Gedanken eines gemeinsamen Europas, gerade weil wir so unterschiedlich sind, zelebrieren und das jetzt nicht nivellieren in irgendeine gemeinsame Schunkelharmonie.

Musik vereint auch verfeindete Parteien, das hatte er erkannt, als er rund zehn Jahre zuvor in Tibet und auch in Afrika unterwegs gewesen war.

O-Ton

Als ich am Tanganikasee war und Jane Goodall, die Schimpansenforscherin, besucht habe und im Zuge dessen auch über die Flüchtlingsdramen dann Bescheid wusste, die sich dort abgespielt haben. In der Nähe von Kigoma waren verschiedene Flüchtlingslager mit 1 Mio Flüchtlinge. Und ich habe die dann besucht und wollte wissen, wie die Menschen leben.

Um diese musikalische Friedensaktion umsetzen zu können, hatte er das Schiff mit Wohn- und Konzertmöglichkeiten ausstatten lassen.

O-Ton

Das Herzstück ist die Konzertbarge, ein großes Eisengefährt ohne eigenen Antrieb, wo wir sowas wie ein Dorf hineingebaut haben. Wir haben eine hydraulische Bühne hineingebaut, weil wir ja mit den Aufbauten unter den Brücken durchfahren müssen, d.h. wir müssen sie auf und niederfahren können. Wir haben eine Wohnlandschaft

7 mit Containern und sowas wie einen Dorfplatz, eine Küche, eine Kantine, ja, alles, was man braucht. Es ist ein schwimmendes Dorf. Und ich hab mir immer gedacht, als wir unterwegs waren, dass jedes Schiff, dem wir begegnet sind, und da waren schon auch schöne Schiffe, auch so Kreuzfahrtschiffe und so weiter dabei. Wir waren

Die Familie musste zuhause bleiben. Die heimischen Berge passten auch nicht aufs Schiff. Dafür aber ein paar größere Pflanzen.

O-Ton

Ich hatte Bäume mitgenommen von zuhause. Ich hab einen Apfelbaum mitgenommen, eine Esche war noch dabei, einen Gingko hatten wir auch dabei.

Einsam fühlte er sich jedenfalls nicht – mit den 26 Menschen, die permanent an Bord waren und den zahlreichen Gästen kam man leicht auf 40 Personen. Man war also ständig mit einer ziemlich großen Reisegemeinschaft unterwegs. Die Stimmung hielt sich auf einem erstaunlich harmonischen Niveau.

O-Ton

Es gab niemanden, der auf dem Schiff einen Koller ausgefahren hätte. Das war kein so enger Raum, wie man sich das vorstellt. Die Konzertbarge allein war 75 Meter lang, 12 Meter breit. Also, da gibt’s auch verschiedene Decks und auch das Dach, es gab immer für jemanden der sich zurückziehen wollte einen Platz, wo er allein sein konnte. Dann gab es noch das Schubschiff und ein paar andere Plätze, wo man allein oder auch zu zweit oder in Gruppen. Wir hatten ein schwimmendes Studio. Wir konnten, wenn die Bühne eingefahren war, jederzeit proben mit dem ganzen Equipment, mit der ganzen PA. Wir konnten aufnehmen. Also, es gab genug zu tun, es gab auch ständig Gäste, und wir waren jetzt nicht auf hoher See, wo du einfach nur aufs Wasser schauen oder in den Himmel schauen kannst. Sondern es zog ganz Europa an uns vorbei, und das in einem Schneckentempo noch dazu. Wir fuhren 15 kmh durchschnittliche Geschwindigkeit und haben trotz dieser Langsamkeit oder vielleicht gerade deshalb 12.000 km zurückgelegt insgesamt.

Von den Gastmusikern war der österreichische Künstler höchst beeindruckt.

O-Ton

Also am Balkan, da gibt es Musiker, eigentlich jeder Musiker ist mir technisch überlegen, den ich da getroffen habe. Beängstigend einfach. Da spielen noch auf jeder Hochzeit Leute, wo du sagst die Besten der Besten. Aber das sind Dorfmusiker.

Und ich habe mich dann sehr gefreut, dass ausgerechnet Rambo Amadeus aus Serbien zu mir gesagt hat, weißt du, wir kennen den Westen und Mitteleuropa als

8 eine Gesellschaft, die sehr effizient funktioniert, wo Sachen umgesetzt werden, wo man anpackt. Und dann kommst du daher, und das ist das erste Projekt, von dem ich erfahr, das Herz hat.

9. Song: Herschaun / S nix.

„Herschaun“ aus dem Album „S Nix“, das 2008 entstand. Die Toureindrücke wurden auf den DVDs „Goisern goes East“ und „Goisern goes West“ sowie dem Live Album „Haut und Haar“ festgehalten.

Nachdem er die Jahre zuvor auf dem riesigen Bühnenschiff mit wechselnden, aber immer großen Musikerbesetzungen gespielt hatte, stellte sich Hubert von Goisern für sein intimeres Album „EntwederUndOder“ 2011 ein kleineres Team zusammen.

O-Ton

Ich hatte eine große Band, wir waren zu neunt auf der Bühne. Es waren sehr sehr viele Gäste eigentlich dauernd an Bord, die haben sich abgewechselt, standen auch mit uns auf der Bühne. Das war nur möglich, indem ich mich ganz zurücknehme und allen einen Platz gebe, sodass sie sich als Teil des Projektes empfunden haben und nicht als Aufputz von etwas, wo ganz groß von Goisern drüber steht. Aber nach diesen Jahren Zurücknahme hatte ich große Sehnsucht, wieder etwas Persönliches zu machen, auch eine kleinere Band mit einem transparenteren Sound, der aber jetzt obwohl er abgespeckt ist und nicht mehr so orchestral und so groß klingt und dennoch glaube ich oder gerade deshalb mehr Punch entwickeln kann als mit einem Orchester.

Der Titel weist schon auf eine gewisse Humorlastigkeit in den Texten hin. Ein sehr schönes Beispiel ist der Song „Heidi, halt mi“, der Assoziationen zu gewissen

O-Ton

Dann finde ich das jetzt ganz schlimm, dass dir die Nummer so gefällt, dann frage ich mich, wie bist du sozialisiert musikalisch. ((lacht)) Muss ich da jetzt Pionierarbeit leisten?

Das ist ein Spiel mit diesem Berg und Alb und Heidi Klischee, aber nicht ein ablehnendes oder verarschendes, sondern es ist einfach Teil unserer Welt, das sind die Klischees, die sind auch Teil unserer Tradition.

10. Song: Heidi halt mi / EntwederUndOder

Die Tradition pflegt er nach wie vor, aber dabei konzentriert er sich nicht mehr so sehr auf die alpinen Elemente wie in früheren Zeiten, erklärt er. „EntwederUndOder“ enthält Ska, Jazz- und Blueselemente. Schließlich ist er auch von Musikern wie der

9 britischen Blueslegende Alexis Korner geprägt. Der hatte ihn in den 70er Jahren sehr beeindruckt.

O-Ton

Die ersten Sachen, die ich da gehört habe, wo ich dachte, ja, man kann auch wenn man weiß ist, einen Blues spielen. Man muss nicht als Baumwollpflücker gearbeitet haben, um zu verstehen, worum es da geht.

Wie gut er selbst es versteht, beweist er in seinem Beziehungsschlamassel-Song „I versteh di net“.

O-Ton

Es kommt aus einer Verzweiflung heraus, wo ich einfach hilflos bin der Situation gegenüber, die ich überhaupt nicht mag. Aber ich kann jetzt auch nicht nachgeben und sagen, okay ich mach, was du willst. Wenn ich’s nicht versteh, versteh ich’s nicht. Es endet ja mit einer Anrufung an ein paar Heilige, sie mögen mir doch zu Hilfe kommen und das für mich regeln. Meine Lieblingsheilige ist die Heilige Rita. Sie ist dafür zuständig, dass sie das Unmögliche möglich macht und – ja, besser geht’s nicht.

Das klingt, als seien die beiden ständig in Kontakt.

O-Ton

Wir haben nicht viel Kontakt. Ich ruf sie nur an, wenn ich verzweifelt bin, und ich mag sie jetzt auch gar nicht näher kennenlernen, vielleicht würde ich mich verlieben in sie.

Im Notfall gibt es ja auch noch ein paar männliche Heilige, an die man sich wenden kann.

O-Ton

Alle diese Heiligen stehen für irgendwas. Ich kenne jetzt von keinem männlichen Heiligen, der für die Möglichmachung des Unmöglichen zuständig ist. Der Erzengel Raffael, den hab ich da mit hineingenommen, weil er unter anderem auch für Schädelweh, für Kopfweh zuständig ist, das plagt mich immer wieder, wo ich denke, das ist ganz gut, wenn man da jemanden hat, haha, und sagt „hau mir mal kurz hinten drauf, damit es weg ist.“ Die anderen kann man auch googeln. Das ist immer ganz interessant, wofür oder wogegen es alles Heilige gibt. Es geht schon auch ins Absurde hinein. Das ist vielleicht auch gut, sonst würde man‘s zu ernst nehmen und wieder eine neue Religion gründen.

11. Song: I versteh di nit (4 - Ende)

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So bedächtig und gründlich überlegend, wie er im Interview spricht, arbeitet er auch an seinen Songs.

O-Ton

Bevor ich die ersten Töne gespielt habe und oder auf dem Papier geschrieben für dieses Album, habe ich ein Jahr lang nur darüber nachgedacht, im Sitzen, im Stehen, im Gehen, im Reisen. Man kann sich natürlich Hals über Kopf hineinstürzen, das hab ich früher auch gemacht und habe dann auch sehr viele Irrwege beschritten, weil ich mir vorher noch nicht klar war, was ich jetzt will. Ich möchte nicht sagen, dass ich jetzt effizienter geworden bin, aber ich bin gelassener oder auch kompromissloser geworden.

Mag sein, dass er kompromissloser in seiner Arbeit geworden ist. Aber in der österreichischen Gesellschaft ist er inzwischen anerkannt.

O-Ton

Ich glaube, ich genieße ein gewisses Ansehen bei vielen Leuten, ob‘s die meisten sind, könnte ich jetzt gar nicht sagen. Man lebt ja in einem sozialen Umfeld, das mehr oder weniger auf der gleichen Schwingung ist. Ich kenn zwar auch viele Leute, die anders denken und mit denen ich jetzt nicht d‘accord gehe. Aber früher gab‘s mehr Leute, die sich getraut haben, mich zu kritisieren. Die sind inzwischen entweder ausgestorben, ((lacht)) aber ich gehe eher davon aus, dass sie sich jetzt nicht mehr so trauen.

In den letzten Jahren fand der 65jährige endlich auch die Gelegenheit, Zeit in seiner modern und energieeffizient designten Villa am Rande von zu genießen.

O-Ton

Wenn ich aus dem Studio rausschaue, dann ist es grün, grün, grün, grün, grün, grün. Dann sind in der Ferne ein paar Häuser und in weiter Ferne ist die Festung von Salzburg. Mein Fenster ist gegen Norden gerichtet, weil ich habe das Gebäude bauen lassen und entworfen und ich wollte kein direktes Sonnenlicht, d.h. es kommt nur am späten Nachmittag die Sonne. Dann habe ich einen herrlichen Sonnenuntergang, wenn es nicht wolkenverhangen ist. Und ansonsten peitscht manchmal der Regen an die große Fensterfront. Ich mag‘s eigentlich, wenns schlechtes Wetter hat, wenn ich im Studio bin. Wenn es gutes Wetter hat, habe ich das Gefühl, ich bin am falschen Ort, ich sollte lieber draußen auf der Wiese sein oder auf dem Berg.

Die Nähe zu den Bergen ist ihm wichtig, schließlich ist er im Gebirge aufgewachsen.

12. Song: Snowdown / Federn

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Mit der Stadt Salzburg, über deren Spießigkeit er früher geschimpft hatte, hat er sich ausgesöhnt.

O-Ton

Es liegt super zentral, hat einen kleinen schnuckeligen Flughafen, der mich verwöhnt, sodass wenn ich dann in große Flughäfen komm wie München oder Frankfurt, dann denk ich, wer baut so einen Scheiß hin, wo man einfach Stunden um Stunden Zeit verliert und viel unnötigen Schnickschnack, den man zum Wegfliegen und Ankommen gar nicht braucht. Aber wie gesagt, da bin ich verwöhnt.

Ich bin im Reinen, ich habe lange gehadert mit dieser Bürgerlichkeit, die die Stadt ausstrahlt, aber es ist eine wunderschöne Stadt. Ich bin gleich in den Bergen, Salzburg hat großartige, auch noch immer versteckte von Touristen noch nicht entdeckte Winkel.

Zum Beispiel?

Das sag ich jetzt hier sicher nicht, haha, ich bin froh, dass ich da meine Ruhe habe und nicht irgendwer auftaucht und plötzlich dreistimmig Edelweiß singt. Inzwischen habe ich mich versöhnt. Ich fühl mich jetzt auch als Teil dieser Stadt, kenne eine Handvoll großartiger Menschen, die dort wohnen und arbeiten. Ich habe ja das große Glück, dass ich die Welt in meine vier Wände hereinhole. Bei Produktionen ist es gefüllt oder auch zwischendurch, und ich bekomm Besuch von vielen Leuten.

13. Song: Heast as nit / Derweil

Mit seinen politischen Kommentaren hat sich Hubert von Goisern lange Zeit unbeliebt gemacht. Vor allem mit den Rechten legte er sich an. Und er wehrte sich dagegen, dass sie seine Musik missbrauchten. Nachdem die FPÖ 2006 sein Lied „Heast es net“ für ihren Wahlkampf verwendet hatte, untersagte er deren Parteichef Heinz- Christian Strache die Verwendung seiner Lieder mit den Worten: „Ich stehe für eine offene, tolerante Gesellschaft, für den Abbau der Ängste vor dem Fremden und Neuen, und nicht das Schüren derselben. Ich stehe dafür, den Veränderungen ins Auge zu schauen und nach vorne zu blicken, nicht für den Versuch, die Zeit aufzuhalten oder gar zurück zu drehen.“

Er ist lieber für die österreichischen Grünen aktiv, unterstützte sie auch im letzten Wahlkampf. Und er verbreitet seine Ansichten nach wie vor in seiner Musik. Zum Beispiel im Song „Brenna tuats guat“.

14. Song: Brenna tuats guat / EntwederUndOder

O-Ton

Da geht’s einfach um dieses Unverständnis, das ich habe gegenüber einer Welt, die Ressourcen verbrennt und Geld hortet. Wo ich eben sage, das Geld wird gut

12 brennen, aber die Ressourcen würden wir zu was anderem brauchen, als sie zu Treibstoff zu verarbeiten, wenn man sie doch essen könnte. Wir leben in einer Welt, wo viele Leute verhungern alltäglich und wo Weizen, Mais und Rüben zu Treibstoff verarbeitet werden. Das ist einfach absurd. Da geht es nicht um einzelne Personen, sondern um ein Lebensgefühl, das ich da besinge.

Das war SWR2 Tandem mit einem Portrait zum 65. Geburtstag des österreichischen Musikers Hubert von Goisern, von und mit Christiane Rebmann.

Unser Podcast- und Newsletter-Angebot und die Liste der gespielten Musiktitel finden Sie im Internet unter SWR2.de/Tandem.

15. Song: Brenna tuats guat / EntwederUndOder