Hubert Von Goisern Musiker Und Produzent Im Gespräch Mit Jürgen Barto

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Hubert Von Goisern Musiker Und Produzent Im Gespräch Mit Jürgen Barto BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks http://www.br-online.de/alpha/forum/vor9807/19980706.shtml Sendung vom 6.7.1998, 20.15 Uhr Hubert von Goisern Musiker und Produzent im Gespräch mit Jürgen Barto Barto: Willkommen bei Alpha-Forum. Unser heutiger Gast ist Musiker, Komponist, Texter, Schauspieler und Reisender in vielerlei Hinsicht. Es ist Hubert von Goisern. Hubert v. Goisern: Hallo. Barto: Wir duzen uns privat, und deshalb machen wir das heute in der Sendung auch so. Ich habe die Geschichte in Erinnerung, daß es Hubert von Goisern, die "Alpinkatzen" und all das nicht gegeben hätte, wenn nicht dein Großvater an einem bestimmten Tag, an einem bestimmten Ort zur Kreide gegriffen hätte. Wie war das damals? Hubert v. Goisern: Mein Großvater war mit seiner Familie, also mit meiner Mutter, meiner Großmutter und meiner Tante, aus dem Sudetenland geflüchtet und kam auf dieser Flucht nach Salzburg. Sie kamen dort in einem Waggon an, in dem sie alle ihr Habe hatten. Auf diesem Waggon war mit Kreide "Wien" geschrieben, das war der Bestimmungsort, dorthin ist dieser Flüchtlingszug geschickt worden. Mein Großvater wußte, daß Wien zerbombt war und dort nicht unbedingt rosige Zeiten auf sie warten würden. Weil er von Beruf Schuster war, hat er sich in Salzburg auf dem Bahnhof umgehört, wo es denn eventuell für ihn einen Job geben könnte. Ein freundlicher Herr hat ihm dann gesagt, Goisern wäre etwas für ihn, dort gäbe es eine Schustertradition. Barto: Das ist eine alte Tradition, die Goiserer sind ja auch ganz bekannte Schuhe. Hubert v. Goisern: Ja, ganz genau. Daraufhin hat er sich einen Schwamm besorgt, hat auf seinem Waggon das Wort "Wien" ausgelöscht und "Goisern" draufgeschrieben. Und wie Beamte eben so sind - sie machen das, was draufsteht -, und der Waggon fuhr nach Goisern. So wurde ich zu einem Goiserer. Ansonsten wäre ich vielleicht zu einem ... Barto: ... vermutlich zu einem Hubert von Wien geworden. Ich glaube, daß es nicht so gekommen wäre, weil damit das ... Hubert v. Goisern: Da wäre dann etwas anderes daraus geworden, oder vielleicht auch nicht. Barto: Ich kenne ja Goisern ein bißchen. Es ist eingezwängt in ein ziemlich enges Tal, die Traun fließt durch, der "Predigtstuhl" ist dort, und am anderen Ende des Tales liegt der Hallstätter See. Inwieweit prägt einen so eine Landschaft? Hubert v. Goisern: Mir ist das nie als eine solche geographische Enge erschienen. Von der Mentalität her war das schon eher der Fall. Aber ich habe mich dort in meiner Kindheit sehr wohlgefühlt. Ich fühle mich auch sehr privilegiert, an so einem Platz aufgewachsen zu sein. Ich mußte dann allerdings so mit 21, 22 Jahren weggehen, ich wollte einfach mehr von der Welt wissen als das, was mir die Leute erzählt haben. Und dazu war es eben notwendig zu verreisen. Barto: Gehen wir noch kurz einen kleinen Schritt zurück. Du hast ja schon in Goisern angefangen, Musik zu machen. Du warst dort in einer Blaskapelle. Hubert v. Goisern: Ja, das waren meine ersten musikalischen Schritte. Ich wollte, soweit ich mich zurückerinnern kann, immer schon Musiker werden. Meine Eltern haben das nicht unbedingt für erstrebenswert gehalten und auch nichts dazu beigetragen, daß ich die Möglichkeit einer musikalischen Ausbildung erfahren hätte. Als ich dann ungefähr zwölf Jahre alt war, bin ich von selbst zu unserer Blaskapelle gegangen und habe gesagt, daß ich gerne Trompete lernen möchte. Daraufhin hat man mir ein Instrument zur Verfügung gestellt und einen Lehrer zugewiesen: Das hat alles nichts gekostet. Ich bin daher dieser blasmusikalischen Tradition zu großem Dank verpflichtet, wenngleich die Blasmusiker mich dann auch hinausgeworfen haben. Barto: Da steht in deiner Biographie zum ersten Mal das Wort Rebellion: "Er rebellierte gegen diese Enge und auch gegen diese Musiktradition, die dort vermittelt wurde." Hubert v. Goisern: Ja, ich habe vor allem gegen die Autorität rebelliert, denn so mit 18, 19 Jahren habe ich angefangen, Autorität nicht mehr zu akzeptieren, wenn sie sich nur darauf berufen hat, Autorität zu sein: weil das der Dirigent ist, darum hat er das Sagen, darum hat er immer recht. Oder weil er älter ist, oder weil er Lehrer ist. Das habe ich von da an nicht mehr akzeptiert. Ich habe argumentiert und wollte Argumente dafür hören, warum etwas so zu sein hat. Barto: Wir halten dabei einmal fest: Dein erstes Instrument war nicht die Ziehharmonika, die steirisch-diatonische, sondern die Trompete. Hubert v. Goisern: Richtig, das war die Trompete. Dann kam die Gitarre dazu, die ich am Gymnasium und in der Musikschule erlernt habe: klassische Gitarre. Ich habe mir aber dann schon bald eine elektrische Gitarre gekauft, weil mir das andere einfach zu leise war und ich, seitdem ich ungefähr zehn Jahre alt war, auch schon mit ganz anderer Musik konfrontiert gewesen war. Das war Musik, die aus dem Radio kam und anders war als das, was die Leute bei mir daheim so gehört haben. Es war die Musik der "Beatles", es waren die "Stones", "Manfred Mann", "The Who" und diese ganzen Geschichten, und da habe ich einfach gespürt, das ist etwas, was mich fasziniert. Hubert v. Goisern: Ich habe am Anfang schon gesagt, "Reisender in vielerlei Hinsicht". Diese ersten sieben Jahre, die du gereist bist, waren tatsächlich Jahre des Reisens. Wie muß man sich das denn vorstellen? Man muß ja schlafen, man muß essen, man muß trinken, man muß irgendwo übernachten: Hast du gleichzeitig Geld verdient, oder wie war das, denn sieben Jahre sind ja eine lange Zeit? Die meisten Leute haben drei Wochen Urlaub im Jahr, in denen sie verreisen. Hubert v. Goisern: Ja, aber sie machen Urlaub, sie sind Touristen. Ich wollte aber immer an einen Ort reisen, um dort zu leben. Ich habe mir dann einen Job gesucht und mit den Leuten gearbeitet. Ich glaube, das ist die beste Art und Weise, wie man ein anderes Land, eine andere Kultur kennenlernen kann, wenn man in diesem Land mit den Leuten zusammen etwas macht, sie nicht nur begafft und sich fühlt, als würde man in einen Film gehen und sich dort eine andere Kultur "reinziehen". Barto: Diese Phase wurde in allen Unterlagen, die wir über dich gefunden haben, immer nur kurz erwähnt: Er war einfach sieben Jahre unterwegs. Aber das muß doch gerade in jungen Jahren etwas gewesen sein, das einen dann auch sehr prägt. Hubert v. Goisern: Ja, mich hat es immer geprägt, wenn ich die Chance hatte, Abenteuer zu erleben oder neue Menschen und neue Kulturen zu treffen. Das gibt einem immer auch die Möglichkeit, einen Blick zurück auf die eigene Tradition zu werfen – von außen sozusagen – und das in Frage zu stellen, was man bisher getan und für unumstößlich gehalten hat. Barto: Du hast in der Zeit auch musikalisch gearbeitet? Hubert v. Goisern: Nein. In den ersten vier Jahren meiner Reise habe ich so gut wie überhaupt nicht musikalisch gearbeitet. Als ich von zu Hause wegging, mußte ich meine Trompete abgeben, weil sie ja der Blaskapelle gehörte. Bei der Gitarre habe ich die Saiten entspannt, das Griffbrett ein bißchen eingeölt und sie fein säuberlich verschlossen. Ich hatte einfach das Gefühl, das war`s jetzt mit der Musik. Ich hatte in meinem musikalischen Bedürfnis zu Hause überall nur Gegner gehabt. Barto: Das hat sich später dann ja auch fortgesetzt. Hubert v. Goisern: Ja, meine Eltern waren dagegen, daß ich Musik mache. Auch meine damalige Frau war dagegen - für sie war es sehr bedrohlich gewesen, sie hatte selbst keinen Zugang zur Musik. Da habe ich mir dann eben gedacht, wenn ich sowieso alle Menschen damit unglücklich mache, warum soll ich es dann noch weiterhin praktizieren? Ich wußte damals noch nicht, wie wichtig die Musik für mich war. Barto: In meinen Unterlagen habe ich gefunden, daß dieser Umgang mit fremden Musikkulturen unter Umständen die Quelle dafür gewesen wäre, was du dann hinterher gemacht hast. Hubert v. Goisern: Das war schon so. Vor allem als ich dann nach Toronto in Kanada ging, war für mich klar, daß ich Musiker werden mußte. Ich habe also mit 27 Jahren beschlossen, daß ich es machen muß. Ich hatte mir bis dahin einreden lassen, daß das nichts wäre, aber da dachte ich mir dann, daß ich nun alt genug sei, um das auf meine eigene Kappe nehmen zu können. Vorausgegangen war noch die Scheidung von meiner Frau, und so habe ich mich dann auch wirklich unabhängig gefühlt und mir gedacht, daß mir jetzt einfach niemand mehr dreinreden kann: "Jetzt mache ich das einfach." Ich habe dann angefangen, mich wieder mit Musik zu beschäftigen und bin in alles hineingekrochen, was für mich neu, spannend oder unvertraut war und nach Abenteuer aussah. Barto: Irgendwo ist da also schon die Quelle zu suchen, oder verstehe ich das falsch? Hubert v. Goisern: Das ist schon so. Barto: Dieser Beschluß ist mit 27 Jahren gefaßt worden. Das heißt, das war in einem Alter, in dem viele ihre Karriere im Popsektor schon wieder beenden – du hast da gerade einmal angefangen. Hubert v. Goisern: Ich empfinde mich ja immer noch nicht als Popmusiker. Ich mag diese Art der Musik, und ich denke mir, das hat auch ein Stück mit meiner Tradition, mit meiner musikalischen Tradition zu tun. Aber ich empfinde mich eben als Musiker, als einen, der sich mit Hilfe der Musik ausdrückt, das ist meine Sprache. Popmusik ist nur ein kleines Segment davon. Barto: Das war ja auch nur ein Vergleich, weil es doch so etwas wie diese Boy- Bands gibt, bei denen mit 27 Jahren die Karriere in der Regel auch wirklich beendet ist. Du bist dann 1982 nach Wien gegangen. Und dort beginnt die Geschichte, die wir teilweise oder weitgehend kennen: Das waren die "Alpinkatzen" Teil 1, die Zusammenarbeit mit dem Staribacher. Dabei gab es dann die erste Platte, die "Alpinlawine".
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