Hvg 14-19 Hubert
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14 THE RED BULLETIN PORTRÄT LINZ EUROPA TOUR 2007 LINZ EUROPA TOUR 2007 PORTRÄT THE RED BULLETIN 15 DIE HUBERT VON GOISERNDie Lebensgeschichte eines Mannes, der sich gerade anschickt, die Donau stromabwärts zu reisen, um mit seiner Musik Menschen und Kulturen miteinander bekannt zu machen. STORYText: Christian Seiler Foto: Manfred Klimek in Politiker wollte dieser Mann ganisation der Linz Tour musste warten, nie werden, auch kein Manager, sorry. Huberts Manager wünschte das aus- kein Diplomat, nicht einmal geschaltete Künstlerhandy zum Teufel. Der Schauspieler. Er hat sich mit Beginn der Proben wanderte einen Tag nach einer Karriere als Musiker be- hinten. Dafür klärten sich ein paar Nebel im gnügt, die ihm zwar Spurenelemente der Kopf des Künstlers, und ein paar Ungenau- gerade genannten Fähigkeiten abverlangt igkeiten fielen von ihm ab wie abgeschnit- hat, doch noch nie musste Hubert Achleit- tene Federn. ner, der sich Anfang der neunziger Jahre * als „von Goisern“ in unsere Wahrnehmung Hubert von Goisern hat eine große Vergan- eingeschleust hat, so viel auf einmal sein: genheit. Er ist als Musiker eine Legende, als E von allem alles. Entertainer, der die alte, innerösterreichi- Er brauchte also schleunigst einen kühlen sche Volksmusik ans Stromnetz angeschlos- Kopf. sen hat und damit zuerst ein kleines, dann Hubert reagierte strategisch: Er ließ sich ein respektables, dann ein nicht mehr zu die Haare schneiden. übersehendes Publikum elektrisierte. Goi- Weg mit den Zotteln, praktisch denken, serns „Hiatamadl“ schlug den Bogen von drei Monate auf dem Schiff machen dich der E-Gitarre zum Bierzelt (und zurück), sonst mir nichts, dir nichts zum Rasta, un- söhnte Regionalfunk und Pop-Radio mit- freiwillig! einander aus und schoss seinen Urheber Außerdem riss sich der Mann aus Goisern plötzlich und mit Höchstgeschwindigkeit geschwind einmal einen Tag aus dem Ter- an die Spitze eines Trends, der „Neue Volks- minkalender, um fischen zu gehen. Die Or- musik“ hieß. So trat Goisern ins nationale 16 THETHE RED BULLETINBULLETIN PORTRÄT LINZ EUROPA TOUR 2007 LINZ EUROPA TOUR 2007 PORTRÄT THE RED BULLETIN 17 des Hubert von Goisern genauso wie der Ka- non der österreichischen Popmusik. or knapp zwei Jahren, im Herbst 2005, brachte Hubert von Goisern den Stein ins Rol- len. Die Idee war reif, jetzt musste sie bloß noch umge- setzt werden. Sein Grundsatzpapier für die große Reise stromabwärts wurde formuliert: „Ein Schiff fährt nach Osten. Der Lauf der Donau 1987. Der blut- weist ihm den Weg. Das Schiff legt in Linz ab, um am junge Hubert: Schwarzen Meer Anker zu werfen. Doch ist nicht, wie mit Flamenco- so o� , der Weg das Ziel, sondern der Rückweg. gitarre in Kanada V Die Donau ist 2.845 Kilometer lang. Zehn Länder haben Zugang zu ihrem Ufer. Die Donau, Dunărea, Dunav, Duna reiht an ihren Ufern Sprachen auf und 1991. Aufbruch mit den Geschichten, Geschichte und Geheimnisse, Helligkeit Ur-Alpinkatzen: viele und Dunkles, verschiedene Sorten Stolz, Herzschläge, Kilometer auf langen Rhythmen, Melodien. Straßen, das Publikum Hubert von Goisern macht ein Schiff fl ott, um diesen musste langsam über- zeugt werden – bis das Melodien neue hinzuzufügen: seine. Er selbst spricht „Hiatamadl“ auftauchte eine Sprache, die in Deutschland so gut verstanden wird wie in Ungarn, Moldawien und der Ukraine: die Sprache von Takt und Pause, von Harmonie und Disso- nanz, von namenloser Freude und vibrierender Trauer. 1996. Hubert mit Er unternimmt diese Expedition jedoch, damit er der legendären neue Sprachen lernt: sieht, wovon er vielleicht einmal 1994. Export original- Primatenforscherin gehört hat; hört, wovon er nichts wusste. Er kann das. österreichischer Jane Goodall: ein Seine Augen sind off en, ob er jetzt den tansanischen Monat im tansani- 1994. Hubert mit der Stromvolksmusik: Urwald durchwandert, auf den Loser bei Altaussee die Alpinkatzen auf schen Dschungel „Alpinen Sabine“: steigt oder in der Salzburger Innenstadt einen Park- Abstecher in New York rausch hafter Erfolg platz sucht: kein Ort, unter dem keine Geschichte in vollen Sälen wohnt oder ein Gefühl, aus dem ein Jodler entstehen könnte, ein Seufzen oder eine Melodie. Goisern wird einen Fluss erkunden, an dessen Ufern Menschen leben, die Brücken bauen, und Menschen, Bewusstsein ein: elektrisch, tanzend, mit Lämmer vor gar nicht langer Zeit noch ge- Der junge Achleitner spielt mit einer ge- rück, wurde für zweieinhalb Jahre nach Ka- gen. Er gründete mit dem Gitarristen Wolf- die vor kurzer Zeit Brücken gesprengt haben. Er wird einem großen Rumms. weidet. Die Wurst ist würzig, dazu ein liehenen Trompete in der Blasmusik. Der nada verschlagen, wo er in Toronto Musik gang Staribacher – dem „Wolfgang aus Menschen treff en, die im Jahr zum Leben so wenig * Salzweckerl, ein kaltes Bier, das Quellwas- Arbeitersohn mochte das beseelte Mpa-Mpa studierte, und fand sich schließlich auf Wien“, im Gegensatz zu dessen neuem Kol- brauchen wie andere, ein paar Kilometer stromauf- Angst hat der Mann nicht, dazu ist sein Herz ser hat das Etikett von der Flasche abgelöst. in den Bässen, weil es so selbstverständlich den Philippinen wieder, die insofern eine legen, dem „Hubert von Goisern“ – die „Al- wärts, für einen Tag. Goisern wird forschen und sam- zu groß. Aber weil er klug ist, hat er Respekt. „,Nervös‘ ist das falsche Wort“, sagt Goi- war wie die Neigung der Dachgiebel oder die Schlüsselrolle in der Biografi e Goiserns spie- pinkatzen“. meln, sprechen und singen, er wird gescheiter werden Vor ihm liegt die Expedition. Mit dem Schiff sern. „Ich bin gespannt. Ich bin so gespannt, Beschindelung der Bauernhäuser. Dass die- len, als er dort die Volksmusik wiederent- Damit hatte Hubert seine Reise endgültig und sich verwirren lassen, und er wird sein Publikum die Donau hinunter, anlegen an dreiundzwan- wie ein Mensch gespannt sein kann.“ ser Grundgroove einmal eine Basis für seine deckte, diesmal aus einer um 180 Grad ver- angetreten. Die „Alpinkatzen“ absolvierten auf diese Expedition mitnehmen: er wird, was er erlebt, zig Häfen, musizieren mit der eigenen Gefolg- höchstpersönliche Karriere abgeben würde, kehrten Perspektive. erste Auftritte, wenn auch oft vor sehr über- dokumentieren, lachend und weinend, in seinen Wor- schaft und den neuen Freunden, den Lokal- ubert war im Bad Goisern der kam Hubert nicht in den Sinn – er musste Er hatte vier Monate mit Einheimischen matadoren, die jeweils für zwei, drei Konzerte fünfziger Jahre aufgewach- erst ein paar Ausfl üge in die Welt hinaus in einer Pfahlbausiedlung verbracht, ohne zur Belegschaft am Schiff stoßen. Wie viele sen, in der „Idylle schlecht- machen, um die Qualität des Eigenen er- Strom, ohne Radio, als ihm das Leichte, das „ER STELLTE SICH BAD GOISERN VOR, Zuschauer in den Häfen? Goisern weiß es hin“, wie er sagt. Die Men- kennen zu können. Bis dahin spielte er Wal- Lebendige an der Musik aufzufallen begann, nicht genau, er weiß nur, es werden sehr, schen ließen die Haustüren zer und Märsche, wie Walzer und Märsche die von den Filipinos zum Tagesausklang OHNE STROM, OHNE RADIO. sehr viele sein. Wie viele Probleme? Genau. unversperrt. In den Autos steckten die gespielt werden mussten. Während viele angestimmt wurde. Er stellte sich Bad Goi- SO WOLLTE ER VOLKSMUSIK MACHEN.“ Jetzt noch einmal durchatmen über den Schlüssel im Schloss. Das Böse, so Hubert, Gleichaltrige die Volksmusik als Trägerme- sern vor, ohne Strom, ohne Radio. Er stellte schaubarem Publikum, sie machten viele ten, seinen Liedern, seinem Tagebuch, seinen Skizzen, Dächern von Bad Goisern. Draußen, vor dem hat immer nur durch den Fernseher ins Land dium einer konservativen, von der Nazizeit sich das Leichte vor, das Lebendige, das die Kilometer, auf denen sie Lehrgeld bezahlten seinen Briefen nach Hause und, natürlich, in Konzer- kleinen Haus am Ortsausgang, füllt eine hineingeschaut. Ein paar Häuser weiter beschädigten Heimatideologie verteufelten, oberösterreichische Volksmusik einmal be- und vor allem ihren eigenen Durchhaltewil- ten vom Deck seines Schiff es. kalte Quelle den Steintrog, in dem das Bier wohnte übrigens Jörg Haider, der zweite empfand Hubert von Goisern die Bürger- sessen haben musste, und er beschloss, sich len stärkten. Der Wolfgang aus Wien verab- Flußabwärts sammelt er. Wenn das Schiff Richtung gerade kühlt. Ein Mofa knattert. Goisern Goiserer, der landesweit bekannt werden musik als „völlig unpolitisch“. Den program- danach zu sehnen. schiedete sich irgendwann, der Hubert aus Schwarzmeerdelta ablegt, wird es in ein Labor verwan- erkennt am Sound des Zweitakters, dass es H sollte, aber die beiden lernten sich zufällig mierten Krach mit den Alten fi ng er sich erst An dieser Stelle fi el die Entscheidung, Goisern machte weiter, stellte eine neue delt. Wo immer er anlegen mag, nimmt Goisern Musi- die Nachbarsbäuerin ist, die ihm die frische nicht kennen, und später, als sie sich auf ein, als denen die Haare des Jungspatzen zu Volksmusik von damals zu einer neuen An- Band zusammen und nahm 1992 das Album kanten an Bord, die mit ihm spielen, proben, streiten, Lammwurst versprochen hat. Eine ruhige sehr verschiedenen Wegen ihre jeweilige lang wurden. wendung zu verhelfen. Zurück in Goisern, „Aufgeigen stått niederschiassen“ auf, Er- die auf dem mit Musikinstrumenten übersäten Deck Minute auf der Terrasse, der Blick schweift Berühmtheit abgeholt hatten, ignorierten Hubert verließ Goisern. Er siedelte sich ließ sich Hubert von seinem Großvater das öff nungsnummer: „Koa Hiatamadl“. des fl iegenden Goiserers eine neue Sprache entstehen FOTOS: BLANKO MUSIK (4) FOTO: MICHAEL NEUGEBAUER hinüber zur Schafweide. Dort haben die sie einander, so laut es ging. vier Jahre lang in Südafrika an, kehrte zu- Wichtigste auf der Ziehharmonika beibrin- Damit änderte sich alles, die Biographie lassen: Die Lingua franca der Donaumusiken. 18 THE RED BULLETIN PORTRÄTP O R T R Ä T LINZ EUROPAEUROPA TOUR 2007 LINZ EUROPA TOUR 2007 PORTRÄT THE RED BULLETIN 19 teressiert. Er klammert sich an nix. Wenn’s logie von zu Hause –, so beseelt arbeitete er so ist, wie’s ist, nimmt er’s an. Natürlich, daran, immer neue Grenzen zu überschrei- sagte er, sollen wir mit den alten Liedern ten.