Der Ackermann Zeitschrift der Ackermann-Gemeinde F B 20027

67. Jahrgang | München April - Juni 2016 | Heft 2

Dialog hatTitel Tradition

25 Jahre Hermans Allen Dialog in historischer Pessimisten Iglau & Brünn Auftritt zum Trotz

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www.ackermann-gemeinde.de Inhalt

Foto: ag In dieser Ausgabe:

3 25 Jahre Brünner Symposien

Der Brünner Ober- 5 Landesausstellung zu Kaiser Karl IV. bürgermeister Petr Vokřál im historischen 6 Kulturminister Herman in Nürnberg Rathaussaal zur Eröff- nung des 25. Brünner 8 Allen Pessimisten zum Trotz Symposiums: 10 Ort der Begegnung: Schönau/Šanov

„Wohin steuert die europäische Zivilisation, zu welchen 11 Leipziger Katholikentag im Rückblick Visionen, zu welcher Zukunft, und wie fest sind die Werte, auf denen wir unser europäisches Selbstbewusstsein und 12 Zukunft einer kirchlichen Schule auch das europäische Zusammengehörigkeitsgefühl bau- en. Denn der ursprüngliche Sinn der europäischen Inte- 13 Flüchtlinge und ihre Geschichten gration ist das friedliche Zusammenleben vieler oft histo- risch verfeindeter Nationen auf der Grundlage der christli- 14 Aktuelles chen Humanität, Demokratie und Freiheit. (...) Unsere Stadt (...) war seit jeher ein Ort, an dem Men- 16 Literatur schen dreier Kulturen nebeneinander gelebt hatten – Tschechen, Deutsche und Juden. Es wurden bei der ge- 19 Aus unserer Gemeinschaft waltsamen Abschiebung unschuldige Menschen zum Opfer der Vergeltung für die nazistischen Verbrechen, 26 Familiennachrichten meistens Frauen, Kinder und alte Menschen. Das Verfeh- len mancher von ihnen war nur, dass sie deutsch spra- 28 Termine chen. (...) Es ist jedoch die Aufgabe der modernen Welt (...), den eigenen Schatten zu überschreiten und die Ver- gangenheit in ihrer Komplexität zu reflektieren. (...) Die Leitung der Stadt, inspiriert durch manche Brünner Der Ackermann - Zeitschrift der Ackermann- Persönlichkeiten aus Kultur und Politik, hat daher das Gemeinde München, 67. Jahrgang, Heft 2-2016; Jahr 2015 als Jahr der Versöhnung ausgerufen. (...) Die Hg.: Ackermann-Gemeinde e.V. Autoren dieses Projekts ermöglichten den heutigen Brün- Redaktion: M. Dörr (verantwortlich), Msgr. D. Olbrich, nern, aller Opfer zu gedenken – tschechischer Wider- Dr. O. Pustejovsky, D. Schroth, A. Toscano del Banner. standskämpfer, Juden, Roma, zum ersten Mal aber auch Für das Familienbuch: M. Klieber. der deutschsprachigen Bewohner von Brünn. (...) Daher Heßstraße 24, 80799 München, entsteht das Festival MEETING BRNO, das alljährlich im Postfach 340161, 80098 München; Mai die dramatischen Ereignisse vom Frühling und Som- Tel. (089) 27 29 42-0, Fax (089) 27 29 42-40; mer 1945, mitsamt der traditionellen Wallfahrt der Versöh- E-Mail: [email protected]; nung, in Erinnerung ruft. (...) Internet: www.ackermann-gemeinde.de; Wir (...) sind ‚in der Mitte Europas‘ zusammengekom- Kontakt zur Redaktion (Artikel, Fotos, Leserbriefe): men, damit wir sprechen, diskutieren, streiten und die [email protected]. Kontoverbindungen: LIGA Bank eG München, Grenzen des stereotypen Denkens überschreiten. Aber Luisenstr. 18, 80333 München, vor allem, damit wir nicht schweigen. Denn die Stille ist BIC GENODEF1M05. Vorbote der apokalyptischen Reiter.“ Ackermann-Gemeinde e.V. München: IBAN DE94 7509 0300 0002 1417 44; Sozialwerk der Ackermann-Gemeinde e.V.: IBAN DE05 7509 0300 0002 1222 00; Stiftung Ackermann-Gemeinde: IBAN DE79 7509 0300 5502 3461 09. Titelbild: Feiern in Brünn/Brno 25 Jahre Dialog in der Mitte Europas (v.l.): Botschafter Dr. Alexander Grubmayr, Als Manuskript gedruckt. Für gezeichnete Aufsätze Minister Daniel Herman, AG-Bundesvorsitzender Martin trägt der/die Verfasser/in die Verantwortung. Der Kastler, Botschafter Tomáš Podivínský, Oberbürgermeis- Bezugspreis wird mit dem Mitgliedsbeitrag ter Petr Vokřál, Botschafter Dr. Arndt von Loringhoven, abgegolten. Erscheinungsweise: 4 x im Jahr. SBB-Vorsitzender Dr. Matěj Spurný, Dr. Tomáš Kafka Redaktionsschluss für Heft 3-2016: 19.08.2016 und Msgr. Anton Otte (Foto: ag). Beilage

2 | Der Ackermann 2-2016 Titelbericht

Die Verantwortlichen des Symposiums im historischen Rat- haussaal der Stadt (v.l.).: M. Kastler (Ackermann-Gemeinde), P. Vokřál (Stadt Brünn). Dr. M. Spurný (Bernard-Bolzano- Gesellschaft; Foto: ag)

Weiter aktuell

Jubiläumssymposium fragt nach kultureller Vielfalt

Am Palmsonntags-Wochenende fei- Freytag von Loringhoven, den öster- Spiegel unserer Gesellschaften“. erten die deutsche Ackermann- reichischen Botschafter in Tschechien Dann folgte ein „Perspektivwechsel: Gemeinde und die tschechische Ber- Dr. Alexander Grubmayr, den tsche- Flucht, Aufnahme und Integration als nard Bolzano Gesellschaft 25 Jahre chischen Kulturminister und Vorsit- Erfahrung“, und zum Schluss suchte Dialog in Iglau/Jihlava und Brünn/ zenden der Sdružení Ackermann- man Antworten auf die Herausforde- Brno. Damit kann die Reihe „Dialog in Gemeinde Daniel Herman, den Eh- rungen: „Wer löst die aktuelle Flücht- der Mitte Europas“ auf ein einzigarti- renvorsitzenden der Ackermann- lingskrise? Aktiv auf lokaler Ebene ge Tradition und Konstanz verweisen. Gemeinde Dr. Walter Rzepka, den und Hoffen auf Europa?“ Im diesem Jahr ging es der Frage Gründungsdirektor des deutsch- Moderiert vom Prager Journalisten nach „Wie viel Vielfalt vertragen un- tschechischen Zukunftsfonds und Luboš Palata bezogen im ersten Pa- sere Gesellschaften? Der Umgang tschechischen Nationalkoordinator nel die islamische Theologin Hamideh mit Flüchtlingen in historischer und der Visegrád-Staaten Dr. Tomáš Kaf- Mohagheghi aus Paderborn, der europäischer Perspektive“. Fast 300 ka. In allen Grußworten wurde die tschechische Kulturminister Daniel Interessenten und Referenten aus Bedeutung des deutsch-tsche- Herman, der österreichische Theolo- Deutschland und Tschechien, aber chischen Dialogs und sein Beitrag für ge Prof. Dr. Paul Zulehner und der in auch aus Österreich, Polen und der die demokratische Entwicklung in Warschau tätige Journalist Slowakei kamen in die Hauptstadt Tschechien gewürdigt. Als zusätzlich Krzeminski Position. Mohagheghi hält Mährens – Teilnehmerrekord! wegweisend wurde die Verlegung des ein „christlich-islamisches Europa“ für Der Bundesvorsitzende der Acker- Symposiums nach Brünn vor 10 Jah- möglich, auch aufgrund vieler Ge- mann-Gemeinde Martin Kastler be- ren gewertet, mit der der europäische meinsamkeiten, auf die man bauen grüßte für die Veranstalter eine Reihe Gedanke stärker ins Zentrum gerückt könne. Unterschiede müssten im Dia- von Ehrengästen: den Botschafter sei. log und in Begegnungen aufgezeigt der Tschechischen Republik in Das Hauptthema des Brünner Sym- werden. Herman sprach sich für den Deutschland Tomáš Podivínský, den posiums wurde in drei Arbeitseinhei- Brückenbau zwischen den Religionen deutschen Botschafter in der Tsche- ten behandelt: Zunächst ging es um „auf Basis der uns verbindenden Din- chischen Republik Dr. Arndt Freiherr „Die Reaktionen auf Zuwanderung als > Seite 4

Der Ackermann 2-2016 | 3 Titelbericht

> von Seite 3 Flüchtlingskrise? Aktiv auf lokaler vollzogen eine Novellierung der Bau- ge“ aus. Für Zulehner sind zurzeit zu Ebene und Hoffen auf Europa?“ Dazu ordnung, um Menschen unterzubrin- viele Emotionen im Spiel: Ärger mit äußerten sich, moderiert vom BR- gen“. Auf die Unterstützung und Hil- Hass als Folge, Zuversicht und – da- Journalisten Sebastian Kraft, der Wie- fen in den Herkunftsländern seitens zwischen – rationale Sorge. Für die ner SPÖ-Abgeordnete Omar Al Rawi, der Tschechischen Republik verwies aktuelle Diskussion empfahl er Soli- der frühere Ministerpräsident von Dr. Urubek, aber auch auf viele Aktivi- darität und (Gott)Vertrauen. Krze- Sachsen-Anhalt Dr. Christoph Berg- täten in Tschechien selbst, um eine minski sieht ein „Europa, das sehr ner MdB, Dr. Tomáš Urubek vom mögliche höhere Anzahl von Flücht- ungleichzeitig ist“ und „Leute, die im lingen aufzunehmen. Vášáryová be- 21. bzw. 19. Jahrhundert leben“. Sein richtete über die Migrantenpolitik in Rat lautete, christliche, islamische der Slowakei und Dr. Šabatová in sowie Werte der Aufklärung in Ein- Tschechien. Dr. Bergner formulierte klang zu bringen. abschließend konkrete Vorschläge: In der zweiten Arbeitseinheit stan- „Hilfe, so rationell wie möglich. Unter- den persönliche Erfahrungen mit scheidung, auch wenn sie oft schwie- Flucht, Aufnahme und Integration im rig ist, zwischen Schutz- und Nicht- Mittelpunkt. Dazu äußerten sich unter Schutzbedürftigen. Aufnahme und der Moderation des Prager Histori- Integration so, dass die Leute mög- kers Ondřej Matějka der Ehrenvorsit- Erfahrungen auf dem Podium: lichst rasch Bestandteil unserer Ge- zende der Ackermann-Gemeinde und Hassan Ali Djan (li.) und sellschaft werden. Akzeptierung un- Dr. Walter Rzepka, die Journalistin Dr. Walter Rzepka (Foto: ag) terschiedlicher Kulturen – und vor Ludmila Rakušanová, der Historiker allem: Vertrauen schaffen!“ Dr. Konstantinos Tsivos und der aus Tschechischen Innenministerium, die Afghanistan stammende Elektroinstal- Brünner Bürgerrechtlerin Dr. Anna Markus Bauer /ag lateur und Buchautor Hassan Ali Šabatová und die slowakische Abge- Djan, der heute in München lebt. ordnete Magdaléna Vášáryová. Al Im dritten Schritt ging es schließlich Rawi berichtete vom Pragmatismus um die Frage „Wer löst die aktuelle der aufnehmenden Kommunen: „Wir

Essay-Wettbewerb Versöhnungsbilanz Der Europäische Essaywettbewerb ist Im Rahmen eines Rundgesprächs auf ein fester Bestandteil der Brünner dem Brünner Symposium blickten Symposien. Bereits zum 6. Mal wurde Organisatoren und Teilnehmer auf dieser zu dem Thema der Konferenz das 2015 von der Stadt ausgerufene ausgeschrieben. Anna Jordanová aus Jahr der Versöhnung, das an die Er- Lelekovice errang den ersten Platz, eignisse in Brünn/Brno im Zweiten auf Platz 2 landete Daniel Gottal aus Weltkrieg und danach erinnern und zu Erding, auf dem dritten Platz Philipp deren Aufarbeitung beitragen sollte Ulrich Abele aus München. Ein Son- (s. auch Zitat S. 2). derpreis ging an den Slowaken Ri- Höhepunkt waren die Deklaration Die Köpfe hinter dem Jahr der Ver- chard Guniš. Die Beiträge wurden in des Stadtrates sowie die Wallfahrt der söhnung (v.l.): Dr. K. Tučková, Brünn/Brno vorgetragen und disku- Versöhnung zum 70. Jahrestag des Moderator T. Lindner, J. Ostrčilík, tiert. ag „Brünner Todesmarsches“, darin wa- P. Kalousek (Foto: ag). ren sich die Podiumsgäste einig. „Am bewegendsten war, als wir beim Ver- Ostrčilík bei. „Alle wussten, dass es söhnungsmarsch in Brünn ankamen – eine deutsche Gemeinde gab. In der die Masse an Menschen und das Schule und zuhause wurde aber dar- Läuten der Kirchenglocken“, schilder- über nicht gesprochen. Daraus er- te die Brünner Schriftstellerin Dr. Ka- wuchs das Engagement in der Kom- teřina Tučková, die den Todesmarsch munalpolitik“, blickte Stadtrat Petr mit ihrem Roman „Die Vertreibung der Kalousek zurück. „Nun hat sich die Gerta Schnirch“ aufgearbeitet hat. Stadt Brünn zu dieser historischen V.l.: Dr. M. Spurný und M. Kastler mit den Preisträgern des Wettbe- „Das war etwas, das man nicht ver- Verantwortung bekannt“, brachte es werbs Anna Jordanová, Daniel Gottal gessen kann“, pflichtete der Initiator Ostrčilík auf den Punkt. und Richard Guniš (Foto: ag). dieses Gedenkmarsches Jaroslav Markus Bauer/ag

4 | Der Ackermann 2-2016 Aus dem Bundesvorstand

Historisch Freundschaftlich

70-Jahr-Feier in Nürnberg Das Jubiläumsjahr zu „70 Jahre Ackermann-Gemeinde“ findet am 22. Oktober in Nürnberg seinen Ab- schluss und Höhepunkt. Um 14.00 Uhr feiert Weihbischof Dr. Reinhard Hauke und Bischof Dr. Tomáš Holub (Foto: ag) Dr. Rzepka, M. Dörr und D. Schroth in der Frauenkirche am Hauptmarkt begrüßen OB Vokřál (r.; Foto: ag) einen Gottesdienst. Bei dem anschließenden Festakt im histori- Erstmals besuchte in diesem Jahr mit Die Stadt Brünn/Brno entwickelt sich schen Rathaussaal sprechen unter Kulturminister Daniel Herman ein offi- immer mehr zum Zentrum des anderem Bundesminister Christian zieller Vertreter der tschechischen deutsch-tschechischen Dialogs über Schmidt MdB und Tschechiens Minis- Regierung den Sudetendeutschen Fragen der Vergangenheit und der ter Daniel Herman. Es ergeht herzli- Tag. Zweifelsohne ein historisches Gegenwart. Dabei knüpft sie selbst- che Einladung. ag Ereignis und ein „weiteres wichtiges bewusst an ihre eigene multikulturelle Zeichen gegenüber den ehemaligen Geschichte an. Mitte Mai besuchte Mitbürgern“, wie AG Bundesvorsitzen- nun Brünns Oberbürgermeister Petr Ausschreibung der Martin Kastler betonte. Mit Her- Vokřál begleitet von einer großen man kam zudem ein echter „Acker- Delegation München. Ein Besuch in Am 21. Oktober (16.00-21.30h) mann“, ist er doch zugleich Vor- der Bundesgeschäftstelle der Acker- und 22. Oktober 2016 (9.00-12.00h) sitzender der Sdružení Ackermann- mann-Gemeinde durfte auf dem Pro- findet im PresseClub Nürnberg die Gemeinde in Prag. Seine Rede am gramm natürlich nicht fehlen. Themen Pfingstsonntag (s. S. 6/7) wurde mit des freundschaftlichen Dialogs waren Hauptversammlung der stehenden Ovationen bedacht. das nächstjährige Brünner Symposi- Ackermann-Gemeinde ag um und das neue Festival „Meeting mit Neuwahlen Brno“, das in Anknüpfung an das Jahr der Versöhnung fortan immer im Mai statt. Die Delegierten werden stattfinden wird. Neben kulturellen entsprechend der Wahl- und Angeboten und Diskussionen wird Abstimmungsordnung eingeladen. dabei mit der Wallfahrt der Versöh- nung an den Brünner Todesmarsch Die Hauptversammlung ist für erinnert. ag Mitglieder öffentlich.

Karl IV. verbindet - Ausstellung in Prag und Nürnberg Am Pfingstsamstag wurde in Prag die erste tschechisch-bayerische Landesaus- stellung eröffnet. Sie widmet sich Karl IV. aus Anlass des 700. Geburtstages des römischen Kaisers und böhmischen Königs. In Prag wird die Schau mit über 150 Kunstwerken, Urkunden und anderen kulturhistorischen Zeugnissen bis zum 25. September in der Wallenstein-Reithalle zu sehen sein. An der feierlichen Eröffnung mit den Ministerpräsidenten Tschechiens und Bayerns, Bohuslav So- botka und Horst Seehofer, waren die deutsche und tschechische Ackermann- Gemeinde durch ihre Vorsitzenden Martin Kastler und Kulturminister Daniel Her- man vertreten. Ab 20. Oktober, pünktlich zur 70-Jahr-Feier der Ackermann- Gemeinde am 22. Oktober, wird die gemeinsame Landesausstellung im Germa- nischen Nationalmuseum in Nürnberg gezeigt. Die Ausstellungsstädte Prag und Nürnberg, die beide durch Karl IV. geprägt wurden, stehen beispielhaft für die historischen und aktuellen Beziehungen zwischen Bayern und Tschechien. ag

Der Ackermann 2-2016 | 5 Zur Diskussion

Eine Premiere: Erstmals steht ein tschechischer Minister bei einem Sudeten- deutschen Tag auf der Bühne; Daniel Herman bei seiner Rede am 15. Mai 2016 in Nürnberg. (Fotos: ag)

„Ohne den einen kommt der andere nicht aus“

Auszüge aus der bedeutenden Re- es möglich, dass die kulturelle und dem Versuch entstanden, sich aus de von Kulturminister Daniel Her- gesellschaftliche Szene derartige Ta- der Verantwortung für das Werk un- man auf dem Sudetendeutschen ten, für die wir uns heute noch schä- serer Väter herauszulügen, die stets Tag 2016 in Nürnberg: men, tolerierte? Und können wir uns um ein friedliches Zusammenleben dessen sicher sein, dass solche men- bemüht waren. Dieses Prinzip wurde Liebe Landsleute, es ist für mich eine schenverachtenden Ideen heute nicht durch die Überzeugung verstärkt, dass Ehre als erstes Regierungsmitglied der mehr lebendig sind? man den freien Menschen auf seine Tschechischen Republik sie bei ihrem Ich bin davon überzeugt, dass so- Ethnizität oder auf eine Rasse redu- alljährlichen Treffen begrüßen zu dür- lange wir versuchen zu verstehen, zieren kann. Deshalb müssen wir fen. solange wir Scham empfinden kön- jedes Mal auf der Hut sein, wenn ei- In diesem Jahr sind bereits 70 Jahre nen und solange es jemanden gibt, nem Menschen die Möglichkeit der vergangen, seit der Zeit, in der Ihre an den wir Worte mit der Bitte um freien Wahl entzogen wird und er au- Eltern, Großeltern und noch viele von Vergebung richten können, die Hoff- tomatisch irgendeiner Gruppe zuge- Ihnen gezwungenermaßen ihre Hei- nung besteht, dass die Wunden der ordnet wird. mat verlassen mussten, in der unsere Vergangenheit zumindest teilweise Ich möchte mich deshalb an dieser Vorfahren über Jahrhunderte gemein- verheilen. Und dass wir an das an- Stelle als Politiker den Worten des sam ihre Wurzeln hatten. Tschechen, knüpfen können, was die Beziehun- Bedauerns anschließen, die nach Deutsche, Juden, Polen, Roma und gen zwischen unseren Ländern ver- dem Fall des Eisernen Vorhangs im Angehörige anderer Völker haben stärkt, dass wir nämlich Menschen Jahre 1990 von unserem damaligen Seite an Seite die Identität Böhmens, sind, die geschaffen wurden, um mit Präsidenten Václav Havel ausgespro- Mährens und Schlesiens gebildet, anderen Beziehungen in gegenseiti- chen wurden. Havel sagte damals, dort, wo viele von Ihnen ihr Zuhause ger Achtung und im gegenseitigen dass die Vertreibung der Deutschen hatten. Die tragischen Ereignisse des Vertrauen aufzubauen. aus den böhmischen Ländern eine 20. Jahrhunderts haben diese Bin- Das gefährliche Prinzip, das diese unmoralische Tat gewesen sei, die dungen verletzt, zerrissen und einige furchtbaren Taten ermöglichte, wurde nicht durch das Verlangen nach Ge- definitiv zerstört. (…) auf der Fiktion der Kollektivschuld auf rechtigkeit, sondern durch den Drang Wie ist es überhaupt möglich, dass Basis der ethnischen Herkunft aufge- nach Rache geleitet wurde. Auf ähnli- so viel Leid geschehen konnte? Nach baut. (…) Dieses gefährliche Prinzip che Weise wurde auch die Entschul- welchen Regeln und Prinzipien war ist aus Hass entstanden. Es ist aus digungsgeste des ehemaligen tsche-

6 | Der Ackermann 2-2016 Zur Diskussion

chischen Premiers Jiří Paroubek ge- nachbarten Bayern und Österreich aktiv dazu beigetragen, dass die genüber den sudetendeutschen Anti- auf dem Anwesen der Krumauer Trennung zwischen unseren Völkern faschisten zum Ausdruck gebracht Schwarzenbergs gegründet wurde, überwunden wird und ein neues Mit- (...). Im Jahre 2013 sprach in Mün- habe ich zum ersten Mal die Spuren einander entsteht. An vielen Orten ist chen Tschechiens Premier Petr des deutsch-tschechischen Zusam- Vertrauen gewachsen, sind Freund- Nečas vor dem bayerischen Landtag. menlebens in den böhmischen Län- schaften entstanden. Staatliche und In seiner Rede drückte er sein Bedau- dern mit all ihren Licht- und Schatten- kirchliche Ehrungen sowie Ehrenbür- ern über die Vertreibung der Nach- seiten verfolgen können. Wie viele gerschaften in Städten und Gemein- kriegszeit und die Aussiedlung der verlassene Bauten und Ruinen habe den für viele aus Ihren Reihen zeigen, Sudetendeutschen aus der damaligen ich entdeckt. Und wie viele verlasse- dass Sie bei uns willkommen sind und Tschechoslowakei aus. Er zeigte da- ne Gärten mit alten Bäumen, die mit wir uns mit ihnen verbunden fühlen. bei, wie sehr wir uns für das Ver- ihren vertrockneten, durchwachsenen Wir leben in einem gemeinsamen ständnis der eigenen Identität gegen- Ästen ein Fragezeichen in den Him- Europäischen Haus, das wir auf den seitig brauchen. Kurz: ohne den einen mel zu schreiben schienen mit der Prinzipien der Verantwortung und kommt der andere nicht aus. (…) Frage: „Warum?“ (…) An der Quelle, Freiheit des Einzelnen zu erbauen Heute, ein Vierteljahrhundert nach die bei der Tussetkapelle entspringt versuchen, aber auch auf der Über- dem Fall der Berliner Mauer und des und an dem Friedhof der Gemeinde zeugung, dass lediglich die Versöh- Eisernen Vorhangs, der Europa vom Böhmisch Röhren habe ich teilweise nung einen festen Grundstein für un- Baltikum bis zur Adria teilte, kann ich Antworten finden können. Gerade hier sere gemeinsame Zusammenarbeit als tschechischer Politiker vor Ihnen habe ich die Möglichkeit gehabt, zahl- legen kann. (…) stehen, des Landes also, das einst reichen Böhmerwäldlern zu begeg- Wir dürfen jedoch unsere Chance unsere gemeinsame Heimat gewesen nen, mit denen ich viel gesprochen nicht vergeuden. Wir müssen versu- ist und Sie als liebe Landsleute an- habe. Gesprochen haben wir über die chen, stetig an unserem gemeinsa- sprechen. Zeit vor, während und nach dem men Europäischen Haus weiterzu- Für mich persönlich ist dies ein be- Krieg. (…) Damit hatte ich die Mög- bauen, das uns unsere Vorfahren sonderer Moment. Ich stamme näm- lichkeit an ihrem Leiden, aber auch an überlassen haben und wir müssen lich einer Familie ab, die von den ihrer Hoffnung auf Versöhnung teilzu- bereit sein, es gegen jeden zu vertei- grauenhaften Geschehnissen des 20. haben. Auch aus diesem Grund bin digen, der versucht, erneut Hass und Jahrhunderts stark getroffen wurde. ich Mitglied der Bürgervereinigung Angst zu säen. Einige meiner Verwandten haben die Sdružení Ackermann Gemeinde ge- Das Vermächtnis unseres gemein- so genannte „Endlösung“ der Juden- worden und bin bereits zum zweiten samen Königs und Kaisers Karls IV. frage nicht überlebt. Diejenigen, die Mal ihr Vorsitzender in Tschechien. (…) verpflichtet uns hierzu. Möge uns wie durch ein Wunder überlebten, (...) Gott in diesem Bestreben helfen. wurden durch eine neue, diesmal rote Ich nehme die Worte des Bedau- Diktatur stark getroffen. erns über Verbrechen an, die von Auf der Grundlage meiner eigenen einigen ihrer Vorfahren verübt wur- Erfahrungen und der meiner Familie den. Zugleich bedauere ich zutiefst, weiß ich nur allzu gut, dass man Men- was vor sieben Jahrzehnten von eini- schen nicht einfach auf ihre politi- gen unserer Vorfahren begangen schen, ethnischen, oder religiösen wurde und dass dadurch unser Jahr- Zugehörigkeiten reduzieren kann. Es hunderte langes Zusammenleben gibt weder „die Deutschen“ noch „die verletzt wurde. (…) Tschechen“. Es sind konkrete Men- Ich möchte diese Gelegenheit auch schen mit eigener Verantwortung, die nutzen, um Ihnen für die Erneuerung sich für ihr Leben und ihre Taten und Instandhaltung unseres gemein- rechtfertigen müssen. (…) samen Kulturerbes in Böhmen, Mäh- Meine Kindheit und Jugend ver- ren und Österreichisch Schlesien zu brachte ich im Böhmerwald in einem danken. (…) Ein großes Vergelt´s ehemaligen Holzhauerdorf Namens Gott dafür! Ich danke ihnen auch für Guthausen, das zwischen dem Tus- den positiven Beitrag, den sie als Brü- setberg und dem Berg Kubani liegt. ckenbauer zwischen unseren beiden Dort haben meine Eltern 1965 ein Völkern bei der Belebung und Ver- verlassenes Haus gekauft. Das Haus besserung der tschechisch-bayeri- war, wie man früher sagte, ein schen Beziehungen geleistet haben Herzliches Wiedersehen in Nürn- „Überbleibsel der Deutschen“. Und und immer noch leisten. berg: Daniel Herman mit der ehemali- genau in diesem Dorf, das vor 200 Viele von Ihnen haben seit der gen stellvertretenden AG-Bundes- Jahren von Holzfällern aus dem be- Wende, und zum Teil schon zuvor, vorsitzenden Marie-Anne Steffke (l.)

Der Ackermann 2-2016 | 7 Standpunkt

Anstoßen auf 10 Jahre Dialog beim Symposium in Iglau/Jihlava. Allen Pessimisten Links stehen mit Dr. Jarsoalv Šabata und Franz Olbert zwei Persönlichkeiten, die den Dialog zum Trotz wesentlich mitgeprägt haben. (Foto: ag)

meinsames Ziel zum Wohle aller Menschen in Europa zu verwirklichen. Diese europäische Thematik hat sich nach dem Umzug des Symposi- ums von Iglau nach Brünn/Brno ver- festigt. Mancher mag freilich heute daran zweifeln, ob Europa-Themen 25 Jahre Dialog in Iglau noch von politischer Relevanz sind. und Brünn machen Mut Die europäische Idee steckt ja leider in einer schweren Krise. Immer mehr Staaten betreiben eine egoistische Wie war das doch damals vor 25 Jah- pathie auf den anderen zu hören. nationale Politik, und treten sogar ren? Die kommunistische Diktatur war Dass das auch tatsächlich gelungen demokratische Grundwerte mit Fü- zusammengebrochen und eine neue ist und dazu beigetragen hat, die ßen. Haben Symposien in dieser Situ- Ära der Freiheit hatte soeben begon- tschechisch-deutschen Beziehungen ation irgendeine Chance, etwas zu nen - auch im Verhältnis von Tsche- auf neue Fundamente zu stellen, hat verändern? Vielleicht doch! Wie war chen und Deutschen. Vier Jahrzehnte Präsident Václav Havel zum 10- das doch damals, als die festgefahre- lang hatten sie sprachlos nebenein- jährigen Jubiläum der Symposien in nen tschechisch-deutschen Bezie- ander gelebt und sich an feste Stand- einer Grußbotschaft bestätigt: „Die hungen allen Pessimisten zum Trotz punkte geklammert: Jede Seite hatte Iglauer Konferenzen haben geholfen, durch Iglauer Symposien für einen ihr nationales Geschichtsbild und re- diese neuen Fundamente unserer Neuaufbau vorbereitet werden konn- duzierte ihr politisches Handeln dar- Beziehung zu formulieren. Unter an- ten? Damals haben wir der tsche- auf, stereotyp dieselben, als unver- derem auch durch die völlig offene chisch-deutschen Nachbarschaft ei- zichtbar bewerteten Rechtsansprüche Diskussion schmerzhafter Fragen aus nen Dienst erwiesen. Heute haben zu artikulieren. Und jetzt bot sich auf der Vergangenheit. Ohne diese Of- wir – Tschechen und Deutsche zu- einmal die Chance, nicht nur überein- fenheit wäre es auch auf politischer sammen mit Slowaken, Polen, Un- ander zu reden, sondern miteinander Ebene nicht möglich gewesen, die garn und Österreichern – gemeinsam einen Dialog zu führen! Das hat die entscheidenden Meilensteine unserer die Aufgabe, Europa und den Europä- Ackermann-Gemeinde unter ihrem Vergangenheit und Zukunft mit klaren ern einen Dienst zu erweisen, indem damaligen Bundesvorsitzenden Her- Worten in der ,Deutsch-Tschechi- wir Probleme diskutieren, die den bert Werner sofort erkannt. General- schen Erklärung über die gegenseiti- Menschen in Europa Sorgen machen, sekretär Franz Olbert und der Geistli- gen Beziehungen und deren künftige und zur Lösung dieser Probleme auf- che Beirat Msgr. Anton Otte suchten Entwicklung´ vom Jahr 1997 zu be- bauend auf unserer mitteleuropäi- und fanden einen Dialogpartner in der nennen.“ scher Erfahrung Ideen entwickeln und Bernard-Bolzano-Gesellschaft. Dort Auf dieser Grundlage begannen wir in die politische Meinungsbildung ein- dachten Männer wie Jaroslav Šabata, dann ab der Jahrtausendwende, nach bringen. Dabei müssen wir, um glaub- Jiří Gruša, Petr Pithart und Petr Prou- einem künftigen gemeinsamen Weg würdig zu bleiben, immer auch darauf za ähnlich. Und so kam es im April Ausschau zu halten. So führte das achten, nicht selbst in den Sog jener 1992 zu einem ersten Symposium in Symposium des Jahres 2000 den europafeindlichen zentrifugalen Kräfte Iglau/Jihlava. Damit war jener Dialog Titel „Deutsche und Tschechen in zu geraten. eröffnet, der nun schon ein Viertel- Europa“ und noch spezifischer hieß Wenn wir uns all das vor Augen jahrhundert andauert. es 2003: „Deutsche und Tschechen – führen, so kann uns die Geschichte An seinem Anfang ging es um die Mitverantwortung für die Mitte Euro- der Iglauer und Brünner Symposien Spannungen im deutsch-tsche- pas“. War es früher darum gegangen, durchaus Mut machen, im Vorfeld der chischen, genauer: sudetendeutsch- dass Deutsche und Tschechen sich Politik Einfluss zu nehmen. Tun wir tschechischen Verhältnis. Dabei war um die Lösung von Problemen be- das wie in den vergangenen 25 Jah- den Veranstaltern daran gelegen, mühten, die sie miteinander hatten, ren so auch in Zukunft! kein Thema auszuklammern und nie- so wurde nun signalisiert: Wir arbei- manden auszugrenzen. Aber jeder ten zusammen, um ein höheres ge- Dr. Walter Rzepka Teilnehmer sollte bereit sein, mit Em- AG-Bundesvorsitzender (1998-2004)

8 | Der Ackermann 2-2016 Nachbarschaft

Vorurteile abbauen! Diskussion über Roma und Sinti in Deutschland und Tschechien

Auf dem Podium in Nürnberg (v.l.): T. Kolompár, Dr. E. Habel, N. Hergert, T. Vavrová, R. Daniel (Foto: ag)

Nicht alltägliche Aspekte in der zent. Mit für alle offene Angebote will die Integration in Deutschland – aber deutsch-tschechischen Nachbar- die Caritas die Gruppen zusammen- nicht auf Kosten unserer eigenen schaft beleuchtete die Junge Aktion führen: Gemeinwesenarbeit für Kin- Identität als Sinti.“ Im Lion-Project der Ackermann-Gemeinde beim Su- der und Jugendliche in einem Kinder- werden Sinti- und Romajugendliche detendeutschen Tag. Sie bot in Ko- garten, bei der Hausaufgabenbetreu- wie auch deutsche Kinder und Ju- operation mit der tschechischen Ver- ung sowie offene Jugendarbeit. gendliche beteiligt, aber auch Ange- einigung Antikomplex eine Podiums- Die Situation in seiner Heimatregion hörige weiterer Ethnien. Beispielhaft diskussion zum Thema „Roma in Schluckenau wie auch in Prag, wo er nennt er Hörspiele, Literatur und Film- Deutschland und Tschechien. Mythen seit 2010 bei der Polizei tätig ist, kann projekte, in die sie eingebunden sind. – Vorurteile – Realitäten“ an. Modera- Tomáš Kolompár, Angehöriger der Ro- Auf das Projekt von Antikomplex torin Natscha Hergert, Bundesspre- ma-Minderheit, beurteilen. Während über Sinti und Roma in Deutschland cherin der Jungen Aktion, wies auf die er für Prag eher eine Assimilierung und der Tschechischen Republik für Ausstellung „Wege der Diskriminie- feststellt, sieht es in seiner Heimat Schüler aus beiden Ländern ging die rung – Geschichte der Roma und Sinti anders aus. Er selbst wurde „normal Direktorin von Antikomplex, Terezie in Tschechien und Deutschland vor integriert ohne Vorurteile“, ist aber Vavrová, ein. Da Antikomplex in der und nach dem Zweiten Weltkrieg“ hin. überzeugt: „Vorurteile wird es bei der Vergangenheit viele deutsch-tsche- Sie war bereits beim deutsch- tschechischen Bevölkerung immer chische Projekte durchgeführt hat, tschechischen Bundestreffen der Acker- geben“. gestaltete man mit der Jungen Aktion mann-Gemeinde in Budweis/České „In Deutschland ist die Situation der Ackermann-Gemeinde auch die- Budějovice zu sehen und nun auch in anders als in Tschechien oder in Süd- ses binational. So konnten Möglich- Nürnberg. osteuropa“, erklärte René G. Daniel keiten der Begegnung und des Ge- Die Gesamtzahl von ca. 300.000 vom Verband Deutscher Sinti und sprächs mit der Roma-Minderheit Sinti und Roma in der Tschechischen Roma in Bayern. In Deutschland le- geschaffen werden, damit sich die Republik nannte Dr. Eva Habel vom ben bereits seit 600 Jahren deutsche Schüler eine eigene Meinung bilden Caritaszentrum „Ambrela“ in Schlu- Sinti, und im 18. Jahrhundert kamen können. „Die tschechische Gesell- ckenau/Šluknov, davon würden ca. die Roma nach Deutschland. Verfol- schaft hat Angst vor allen möglichen 100.000 „am Rande der Gesellschaft“ gung und Traumatisierung im Dritten fremden Menschen – das ist das leben. In Schluckenau seien etwa die Reich prägten die nächsten Generati- größte Problem“, brachte es die Anti- Hälfte der Sinti und Roma auf Unter- onen. Doch in Deutschland gilt heute komplex-Direktorin auf den Punkt. stützung angewiesen; die Arbeitslo- der Status einer anerkannten Minder- senquote bei Roma betrage 66 Pro- heit, so Daniel. „Wir bejahen generell Markus Bauer/ag

Gedenken an NS-Opfer Pfarrer Lang

Im nordböhmischen Dittersbach/Dětřichov spielte sich am 30. Mai 1941 eine Tragödie ab. An diesem Tag wurde der Dorfpfarrer Augustin Lang, 1869 in Bad Kreuznach geboren, von fanatischen Anhän- gern des Nationalsozialismus erschlagen. Zum 75. Jahrestag dieses Ereignisses feierte Pfarrer Vit Au- dy in der St.-Anna-Kirche von Dittersbach ein Gedenkgottesdienst für das Opfer des NS-Terrors. Bür- germeister Daniel Kopecký begrüßte die 70 Anwesenden, die zum großen Teil aus Deutschland ka- men. Der Messe folgte ein Vortrag von Monika Filová über Leben und Wirken von Pfarrer Lang. An- schließend wurde ein großer Blumenstrauß auf sein Grab gelegt (Foto). Im Gemeindehaus konnte auch eine Ausstellung mit Dokumenten zur Geschichte der Gemeinde und über die Ereignisse von 1941 besucht werden. Stanislav Beran/ag

Der Ackermann 2-2016 | 9 Nachbarschaft

Tomáš Ignác Fénix (l.) und Robert Thomas Zahrl vor ihren Obstbäumen (Foto: T. Fénix)

Ort der Begegnung: Schönau/Šanov nad Jevišovsko Südmähren wie früher

Südmähren hat eine lange Geschich- zu gestalten und wieder neu blühen zeichnet dafür. Denn die Früchte un- te hinter sich. Und diese Geschichte zu lassen. serer Arbeit, sei es das geerntete hat eine reiche Kultur wachsen las- Darum haben wir, Tomáš Ignác Obst, die renovierten Bauernhöfe sen. Selbstverständlich gehören aber Fénix und Robert Thomas Zahrl, die oder die geschaffenen Arbeitsplätze, auch Schicksalsschläge zu dieser wie Ärmel hochgekrempelt und es uns zur sind prächtig. Vielleicht überzeugen zu jeder anderen. Deren Überwin- Aufgabe gemacht den „Obstgarten sie sogar andere davon, an der Um- dung lässt für gewöhnlich die Kultur Wiens“ aus seinem DORN!röschen- setzung der Werte, welche die Bau- wachsen, denn es ist der Fleiß und schlaf zu wecken. Konkreter gesagt, steine der Kultur sind, mitzuarbeiten. Einfallsreichtum der Bevölkerung, haben wir begonnen eine biologisch welcher sie ausmacht. geführte Obst-Landwirtschaft aufzu- Robert Thomas Zahrl und Das 20. Jahrhundert war, so lässt bauen. Daneben, dass wir damit das Tomáš Ignác Fénix sich sagen, ein Jahrhundert voller Landschaftsbild pflegen, zeigen wir, Schicksalsschläge, welche die Regi- dass es möglich ist, hier erfolgreich on zweifelsohne tief geprägt haben. nachhaltig und sozial zu arbeiten. Die Nun lässt sich lange ausführen, was Überwindung der tschechisch- in dieser Zeit alles an Leid geschehen österreichischen Staatsgrenze durch Die Bioprodukte der beiden Obstbauern ist, zerstört wurde und verloren ging. den gemeinsamen Betrieb mit regel- werden unter der Marke „OCHSEN“ Die Reflektion darüber ist wichtig zur mäßigen Lieferfahrten nach Wien und vertrieben. Fénix und Zahrl verstehen Bewusstseinsbildung und ein erster Umgebung ist am Ende eine der ein- den Namen als eine Brücke zwischen Schritt zur Heilung der Wunden. Aber fachsten. Die Überwindung der un- der Erinnerung an die Geschichte des neben dem andauernden Diskurs sichtbaren Grenzen in den eigenen Ortes - der Ortsteil, wo sie sich nieder- über die Geschichte dürfen wir nicht Köpfen und denen unserer Mitmen- gelassen haben, hieß nach einem Teil vergessen, dass es wir sind, die ge- schen zeigt sich als wesentlich größe- des gräflichen Gutshof Ochsenstall - fragt sind, die zeitgenössische Kultur re Herausforderung. So ist es schwer und dem oft belächelten Idealismus der zu überzeugen, dass überhaupt Sinn beiden. Sie berichten, dass viele noch in einer Mission liegt, die nicht in ers- immer denken, sie seien Irre, was auf ter Linie der eigenen Person dient tschechisch gern als „Ochsen“ um- und oft genug unbequem ist. Eben schrieben wird. Die Reihe „Orte der Begegnung“ stellt das ist die Krise der heutigen Kultur, seit Heft 1-2014 Ortschaften und Ereig- die es zu überwinden gilt. Der ehe- Weitere Informationen im Internet unter: nisse vor, die bezeugen, wo und wie mals am eisernen Vorhang und im- www.ochsen.cz deutsch-tschechische Nachbarschaft mer inmitten Europas gelegene Land- ganz konkret gelebt wird. streifen ist in unseren Augen ausge-

10 | Der Ackermann 2-2016 Kirche und Gesellschaft

Leipzig mit AG-Akzent

Ende Mai lockte unter dem Motto „Seht, da ist der Mensch!“ der 100. Katholikentag mehrere Zehntausend Menschen nach Leipzig. Eine Videobotschaft von Papst Franziskus in deutscher Sprache, der feierliche Abschlussgottesdienst auf dem Augustusplatz mit Kardinal Reinhard Marx sowie die zahlreichen Zahlreiche Zuhörer kamen in Leipzig zum prominent Diskussionen und Gespräche zu besetzten Podium der AG (Foto: ag) Fragen des Glaubens und der Gesellschaft an den Ständen, in den Straßen und auf den Plätzen werden Diskussion im Anschluss an den Film ker Dr. Christoph Bergner MdB. Füle von Leipzig in Erinnerung bleiben. begrüßen. sieht auf EU-Ebene weniger den Dia- In das vielfältige Programm brachte „Sind wir schon oder noch Euro- log als Problem, sondern eher dessen sich auch die Ackermann-Gemeinde päer?“. Diese aktuelle Frage stellte jeweilige Interpretation in den Län- aktiv ein. So thematisierte sie mit das AG-Podium im Festsaal des dern. Er fordert, die Diskussion über einem Dokumentarfilm von Klaus Neuen Rathauses. Hierzu diskutierten Werte in den Fokus zu nehmen. Laut Wölfle das Thema Menschenhandel in einem Podium mit Martin Kastler, Kastler braucht es wieder ein stärke- und Zwangsprostitution. Neben dem der polnischen EU-Abgeordnete res Miteinander. Auch kleinere Län- Filmemacher vom Bayerischen Gräfin Róza Thun, dem niederländi- der müssten mitgenommen und dürf- Rundfunk konnte der Moderator sche Erzbischof Adrianus van Luyn, ten nicht überstimmt werden. Hier sei Martin Panten auch die Stuttgarter der tschechische Ex-EU-Kommissar insbesondere Berlin in der Pflicht. Sozialarbeiterin Sabine Constabel zur Štefan Füle und der deutsche Politi- ag

Treffpunkt Gespräch Gottesdienst

Ministerpräsident Tillich, Bundesmi- Übervoll war der Saal als Miloslav Vlk „Heile meine Wunden“. Diese Bitte nister Gröhe, Ex-Bundestagspräsi- in einem biographischen Gespräch stand im Mittelpunkt eines von der AG dent Thierse, Bischof Ipolt und Weih- unter der Moderation von Rainer Kar- mitgetragenen Versöhnungsgottes- bischof Hauke - sie und zahllose wei- litschek seinen Weg vom Fensterput- dienstes mit Weihbischof Dr. Rein- tere prominente und nicht-prominente zer zum Kardinal schilderte. Ein hard Hauke, dem Prager Kardinal Katholikentagsteilnehmer nutzten den Schwerpunkt seiner Erzählungen wa- Miloslav Vlk und zahlreichen deut- Stand auf der Kirchenmeile, um über ren dabei die Kontakte in die DDR, schen und tschechischen Konzele- die Geschichte und das aktuelle Wir- die für die verfolgte Kirche der Tsche- branten. Die Musikgruppe „KapŘí“ ken des Verbandes ins Gespräch zu choslowakei von Bedeutung waren. aus Nordböhmen umrahmte die Mes- kommen. Deutsche und tschechische, Aber auch auf die „Westkontakte“ und se mit tschechischen Liedern. Hauke junge und alte „Ackermänner“ und seinen Einsatz für die deutsch-tsche- ermutigte dazu, die Wunden zu zei- „Ackerfrauen“ machten den Stand zu chische Versöhnung nach der Wende gen und bei der Heilung auf Gott zu einem lebendigen Treffpunkt. ging er in der Oper Leipzig ein. vertrauen.

Der Ackermann 2-2016 | 11 Sozialwerk

Lehrerin mit Schüler- gruppe an der kirchlichen Fachmit- telschule der Pilsener Diözese. (Foto: Církevní SŠ Plzeň)

Umzug in eine erfolgreiche Zukunft

Kirchliche Fachmittelschule dankt für Unterstützung

Sozialwerk. Es ist inzwischen Traditi- sphäre, die christliche Grundorientie- Grundschulklassen wurde problemlos on, dass der Hauptzelebrant des Pon- rung und die freundlichen Beziehun- ausgeschöpft. tifikalamtes beim Sudetendeutschen gen zwischen Lehrern und Schülern. Nun stehen die Vorbereitung der Tag den Zweck der Kollekte be- Da die Schule abgelegen und mit Lehrpläne sowie der Umzug der Fach- stimmt. Der Regensburger Bischof öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht mittelschule bevor. Die finanzielle Dr. Rudolf Voderholzer, diesjähriger erreichbar war, nahmen die Schüler- Unterstützung von 5.000 EUR kommt Hauptzelebrant, und der neue Bischof zahlen stetig ab. So hat sich das Bis- hier genau zur rechten Zeit, so dass von Pilsen, Msgr. Tomáš Holub, wa- tum Pilsen als Träger der Schule zu- am 1. September mit dem neuen ren sich darin einig, die Kollekte der sammen mit der Schulleitung für den Schuljahr auch der neue Schulsitz kirchlichen Fachmittelschule in Spálené Umzug der Schule in die westböhmi- feierlich eröffnet werden kann. Poříčí/Brennporitschen zu widmen. Sie sche Bischofsstadt entschieden. Die Den Dank an die Spender über- erbrachte das erfreuliche Ergebnis Stadt Pilsen unterstützt dies und stellt brachte bereits der emeritierte Pilse- von 4.011,76 Euro. Das Sozialwerk der Schule ein hochwertiges Gebäude ner Bischof František Radkovský in der Ackermann-Gemeinde e.V., dem in angenehmer Umgebung im Pilse- Nürnberg bei seinem Grußwort am die Unterstützung kirchlicher Schulen ner Stadtviertel Slovany zur Verfügung. Ende des Gottesdienstes auf dem ein besonderes Anliegen ist, rundet Der Umzug nach Pilsen hat auch Sudetendeutschen Tag. Diesem schlie- auf. So können insgesamt 5.000 Euro günstige Auswirkungen auf die Errich- ßen sich in einem Schreiben die nach Pilsen überwiesen werden. tung der neuen kirchlichen Grund- Schulleitung, Lehrkräfte, Schülerin- Diese kirchliche Fachmittelschule schule, die in dieser Region noch nen und Schüler an: „All das kann hat seit mehr als zwei Jahrzehnten fehlte und jetzt das Bildungsnetz der Dank Ihrer großzügigen Unterstüt- ihren Sitz in einer Kleinstadt im Bezirk kirchlichen Schuleinrichtungen in der zung leichter verwirklicht werden. Pilsen-Süd. Unterrichtet wird in den Diözese vervollständigt. Beide Schu- Dafür danken wir herzlich“. Fachrichtungen Ökologie, Umwelt- len werden nun zusammen in dem schutz, Sozialpflege und Pflegediens- neuen Gebäude ihren Sitz und eine Marie Zettlová te. Ihre Arbeit wurde von der Tsche- gemeinsame Verwaltung haben. chischen Schulinspektion bereits Schon jetzt zeigt sich, dass das mehrfach ausgezeichnet. Einzigartig Interesse an den neu angebotenen Weitere ist das strukturierte Praktikumssystem Bildungseinrichtungen beträchtlich ist. Informationen der Schule, das qualifiziert auf den Für das kommende Schuljahr haben zur Arbeit der Arbeitsmarkt vorbereitet. Sie gehört sich für beide Fachrichtungen bereits kirchlichen Schule im Inter- zu den wenigen Schulen der Region, 140 Schülerinnen und Schüler ange- net unter: deren Absolventen nicht von Arbeits- meldet, was eine Verdoppelung des losigkeit betroffen sind. Besonders bisherigen Interesses bedeutet. Auch www.cisplzen.cz geschätzt werden die familiäre Atmo- die Aufnahmekapazität der 1. bis 6.

12 | Der Ackermann 2-2016 Junge Aktion

Menschen sehen, Geschichten hören, Verständnis schaffen Flüchtlinge erzählen ihre Geschichten beim Leipziger Katholikentag

Intensive Ge- Junge Aktion. Unter dieser Über- spräche gab schrift konnten die Besucher des Ka- es bei den tholikentages an zwei Nachmittagen Angeboten der zu einer Veranstaltungsreihe der Jun- Jungen Aktion beim Katholi- gen Aktion kommen, bei der Geflüch- kentag in Leip- tete, die in Leipzig und Halle Zuflucht zig (Foto: ja) gefunden haben, zu Wort kamen. Der Gedanke, die Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, Fragen möglich zu machen, zu Austausch und damit zu gegenseitigem Ver- ständnis beizutragen, kam bei den Besuchern des Katholikentags sehr gut an – so gut, dass der Raum im schönen Ambiente der Oper Leipzig in jeder Runde wegen Überfüllung geschlossen werden musste. Aber auch die Flüchtlinge aus Libyen, Sy- rien, Tunesien, Iran und Afghanistan schätzten dieses Angebot. Sie erzähl- ten vom Ankommen und ihren Erfah- Links bis Rechts. Wann ist es Abseits? rungen in Deutschland, aber auch von der Situation in ihrer Heimat und Junge Aktion. Über die traditionelle Dozenten Thomas Eibel und der Flucht nach Europa. Osterwoche deutscher, tschechi- Oswald von der Universität Passau Die Junge Aktion dankt allen, die scher und slowakischer Jugendli- spürten wir den Gründen von politi- dazu beigetragen haben, dass die che vom 23. bis 28. März im Kloster schem Extremismus nach. Mit einem Veranstaltung ein voller Erfolg wurde. Niederaltaich berichtet ein erstma- Planspiel beschäftigten wir uns weiter Ein besonderer Dank gilt den Erzäh- liger Teilnehmer: mit dem Thema. Darüber hinaus run- lern, die sich bereit erklärt haben, ihre Politische Weiterbildung – langweilige dete eine Filmvorführung das Pro- Geschichten mit völlig Fremden zu Vorträge. Ostern – christliche Feierta- gramm ab, und selbstverständlich teilen. Es war eine herzliche Begeg- ge im Kreise der Familie. Familienfest nahmen wir an der Osterliturgie teil. nung, so dass alle auf ein Wiederse- gegen Langeweile: ein schlechter Und am letzten Abend noch Ge- hen hoffen. Tausch? spräche in diversen Sprachen, groß- Natascha Hergert Zur Einführung in Niederaltaich wur- artige oder bewusst lustige Tanzeinla- den Äußerungen der Jungen Alterna- gen und einen unermüdlichen Rudi, tive für Deutschland, der Jugendorga- der sich mit dem Akkordeon die Seele nisation der AfD, zitiert - abgekürzt aus dem Leib polkerte. Danke dafür. tatsächlich ebenfalls JA! - , später gab Zum Schluss fragte ich mich, wer Wie war es damals – es Kennenlernspiele. Mit der SPD- denn diese Fremden seien? Freunde! und wie ist es heute? Bundestagsabgeordneten Marianne Und Freunde sieht man lieber kom- Schieder diskutierten wir über Extre- men als gehen. Jubire. Beim Frühlings-Plasto 2016 mismus und die Folgen und Chancen Christoph Putz beschäftigten sich 24 Kinder mit von Zuwanderung. Unter Leitung der „Sitten und Gebräuchen im Wandel der Zeit“. Diskutiert wurde über Bräu- che und Sitten und ihre Veränderun- gen. Jeder konnte seine Meinung und Erfahrungen einbringen. Mit Diakon Fabian Boungard wurde ein schön gestalteter Kindergottesdienst gefei- Im Kennenlernspiel stellt sich Der Diskussion über König Hannes vor, … die Ursachen und ert. Natürlich durften auch Arbeitskrei- Auswirkungen von se und viel Spaß in der Gruppe nicht Extremismus stellte zu kurz kommen. … nachdem wir die sich die Abgeordnete Hannes Burger Junge Alternative der AfD Marianne Schieder „vorgestellt“ haben. (2. v.l.; Foto: ja)

Der Ackermann 2-2016 | 13 Aktuelles

Generalsekretär Přibyl

Neuer Generalsekretär der Tschechi- schen Bischofskonferenz wird P. Sta- nislav Přibyl. Der bisherige Leit- meritzer Generalvikar tritt im Oktober 2016 die Nachfolge von Msgr. Dr. Tomáš Holub, dem neuen Bischof von Pilsen/Plzeň, an. Přibyl wurde 1996 zum Priester geweiht, wirkte am Heiligen Berg in Přibram und 2004- 2008 als Direktor der Prager Diöze- sancaritas. Seit 2009 war er General- vikar im nordböhmische Bistum. Msgr. Dieter Olbrich gratulierte ihm für die Ackermann-Gemeinde und Segenswünsche für Bischof Holub brachte seine Freude auf die weitere Zusammenarbeit in neuer Funktion zum Ausdruck. ag Es war eine Premiere für Pilsen/ vor. Auch zahlreiche Gäste aus Plzeň. Zum ersten Mal wurde in der Deutschland waren zu diesem bedeu- Trauer um Mons. Kučera dortigen St.-Bartholomäus-Kathedrale tenden Ereignis angereist. Unter ih- mit Monsignore Dr. Tomáš Holub ein nen eine große Delegation der Acker- Am 24. Februar 2016 starb im Alter Bischof geweiht. Der erste Bischof mann-Gemeinde mit Vertretern aus von 83 Jahren Msgr. Pavel Kučera, der 1993 gegründeten westböhmi- Regensburg, Freiburg, Würzburg und langjähriger Seelsorger für die tsche- schen Diözese, František Radkovský, München. Bei der anschließenden chischen Gläubigen in Deutschland. wechselte damals bereits als Prager Begegnung überbrachte der AG- Seit 1964 lebte er im Exil, wurde dort Weihbischof nach Pilsen. Die Bi- Bundesvorsitzende Martin Kastler die zum Priester geweiht und wirkte für schofsweihe nahm der Prager Erzbi- Glück- und Segenswünsche und es seine Landsleute u.a. im Lager Zirn- schof Dominik Kardinal Duka gemein- kam zu einer freundschaftlichen Be- dorf. 2006 kehrt er in seine Heimat sam mit dem Regensburger Partner- gegnung mit Bischof Holub. zurück und wurde ins Prager Domka- bischof Dr. Rudolf Voderholzer und ag pitel berufen. Ruhe in Frieden! Holubs Amtsvorgänger Radkovský

Seligsprechung steht an Erinnerung

Als „Engel von Dachau“ und te. Sie macht erfinderisch, macht in- Pünktlich zur Seligsprechung von „ der Deutschen“ nerlich frei und froh!“ Seine Liebe zu Pater Engelmar Unzeitig wird die wird Pater Engelmar Unzeitig oft be- Gott und zum Nächsten war der tra- Ackermann-Gemeinde gemeinsam zeichnet. Der 1911 in Greifendorf/ gende Grund seiner Bereitschaft, so- mit der Sdružení Ackermann-Gemein- Hradec nad Svitavou im Schön- gar im KZ sich derer anzunehmen, de und der Tschechischen Christli- hengstgau geborene Marianhiller Mis- die sich schwerer taten als er, Gottes chen Akademie im Würzburger Rat- sionar wird am 24. September in fürsorgliche Hand in allem zu sehen, haus erstmals die neue Ausstellung Würzburg seliggesprochen. und trotz der Härte des Lagerlebens zum sudetendeutschen christlichen Er war 30 Jahre alt, tätig als Seel- auch weiterhin an Gottes Güte zu Widerstand gegen den Nationalsozia- sorger im südböhmischen Glöckel- glauben. Als in den Baracken der lismus präsentieren. Neben Unzeitig berg/Zvonkova, als er verhaftet wur- Russen Flecktyphus ausbrach und werden dort weitere 10 Lebensbilder de. Er setzte sich für verfolgte Juden niemand mehr willens war, dort die von Glaubenszeugen vorgestellt. Sie ein und predigte Gehorsam gegen- Pflege zu übernehmen, meldet sich knüpft an die sog. Paroubek-Geste über Gott und nicht gegenüber weltli- Pater Engelmar freiwillig – wohl wis- von 2005 an, mit der vor allem der cher Macht. Dies machte ihm die Na- send, dass dies auch für ihn der si- sozialdemokratische und kommunisti- zis zum Gegner. Nach sechs Wochen chere Tod sein würde. Mit 34 starb er sche Widerstand von Sudetendeut- Untersuchungshaft in Linz an der Do- als Märtyrer der Nächstenliebe. schen in der NS-Zeit gewürdigt wur- nau wurde Pater Engelmar ins KZ Die Eröffnung des Seligsprechungs- de. Die Schirmherrschaft über die Dachau gebracht. Vier Jahre in der prozesses fand am 26. Juli 1991 in Ausstellung haben der Prager Erzbi- Hölle von Dachau folgten, vier Jahre Würzburg statt. Papst Benedikt XVI. schof Kardinal Dominik Duka und auf dem Weg zur Heiligkeit. verlieh dem Pater 2009 den heroi- Tschechiens Premier Bohuslav So- In einem seiner letzten Briefe schen Tugendgrad und erklärte ihn botka übernommen. Weitere Präsen- schrieb er: „Liebe verdoppelt die Kräf- als „verehrungswürdig“. ag tationen der Ausstellung folgen. ag

14 | Der Ackermann 2-2016 Aktuelles

Gratulation Kurzmeldungen

Ehre, wem Ehre gebührt. Zu einer Weg aus Brannenburg Feierstunde in Wiesbaden lud die Das Sudetendeutsche Priesterwerk Hessische Landesregierung anläss- verkauft das Haus St. Johann in Bran- lich des 80. Geburtstags von Rudolf nenburg. Dies haben die Mitglieder im Friedrich ein. Friedrich, drei Jahrzehn- April einstimmig entschieden. Trotz te im Hessischen Parlament, war 10 steigender Gästezahlen sei es nicht Jahre Landesbeauftragter für Heimat- möglich gewesen, das Haus kosten- vertriebene und Spätaussiedler. Als deckend zu betreiben, heißt es in Landesvorsitzender prägte er über einer Meldung. Es sei eine „schmerz- Staatsminister Stefan Grüttner (r.) viele Jahre auch das Wirken der liche Entscheidung“, so der Vorsitzen- gratulierte Rudolf Friedrich (Foto: Ackermann-Gemeinde in Hessen, die de Msgr. Karl Wuchterl. Doch habe Staatskanzlei Hessen). ihm auch herzlich gratulierte. ag der Verein gerade durch den Verkauf des Hauses eine neue Chance, weiter Kirchen-Tram zu bestehen. „Das Priesterwerk ist ja nicht gegründet worden, um das Haus Bereits zum achten Mal fand im Juni zu betreiben, sondern das Haus sollte in Tschechien die Nacht der Kirchen den Vereinszwecken dienen, die wei- statt. Sie hat sich zu einem wichtigen ter und umfassender sind.“ Mit einem kulturellen Ereignis des Landes entwi- neuen Sitz wird der Verein auch in ckelt. Allein in der Erzdiözese Prag Zukunft aktiv sein und an der Seelsor- waren es rund 130.000 Menschen, ge an den Sudetendeutschen mitwir- die die Einlandung zum Besuch eines ken sowie zu Exerzitien und deutsch- der 317 geöffneten Gotteshäuser an- tschechischen Priestertreffen einla- nahmen. Premiere in diesem Jahr den. hatte eine fahrende Kirche in Prag. In einer umgebauten Tram auf der be- Christen und Muslime liebten Linie 22 gab es die Möglich- Der seit gut 15 Jahren beim Zentral- keit, Persönlichkeiten aus Kirche und komitee der deutschen Katholiken Kultur, wie Weihbischof Václav Malý, (ZdK) bestehende Gesprächskreis zu treffen, mit ihnen ins Gespräch zu „Christen und Muslime“ hat die Erklä- kommen und gemeinsam zu beten. rung „Keine Gewalt im Namen Gottes! Die Straßenbahn platze aus allen Christen und Muslime als Anwälte für Nähten. Auch Minister Daniel Herman den Frieden“ vorgestellt. Die Erklä- nutze das außergewöhnliche Ange- rung unterstreicht das Friedenspoten- Rudolf Mayer-Freiwaldau † bot. ag tial der Religionen. Sie spricht sich entschieden gegen den Missbrauch Als Student war er zur Ackermann- Gesucht der Religionen und gegen die Legiti- Gemeinde gestoßen, hatte die Wies- mation von Gewalt im „Namen Got- Tagungen mitgestaltet und zur Zeit- Für eine Ausstellung, in der Beispiele tes“ durch radikale Fundamentalisten schrift „Der Neue Ackermann“ beige- deutsch-tschechischer Freundschaf- und Extremisten aus. Gemeinsam tragen. Obwohl Volkswirt, stand sein ten gezeigt werden sollen, sucht Anti- zeigen sie auf, dass sowohl Christen- ganzes Leben im Zeichen künstleri- komplex Interviewpartner. Thema ist tum als auch Islam für Gerechtigkeit, scher Tätigkeit: Er schuf ungezählte „Unter einem Dach“, es soll also um das Wohl der Gemeinschaft, für die Bilder, die auf vielen Ausstellungen Häuser oder Orte gehen, die in den Schöpfung und den Frieden eintreten. hierzulande, in Österreich und in Vierzigern von ihren deutschen Be- Italien zu sehen waren und den Be- wohnern verlassen wurden, nun von Im Dialog mit den Verbänden trachter zur Auseinandersetzung Tschechen oder anderen Menschen „Gemeinsam Kirche sein“, so lautet herausfordern. 20 Bändchen Lyrik bewohnt werden und so der Anstoß das Wort der deutschen Bischöfe zur sind Dokumente seines Ringens um für eine Freundschaft wurden. Erneuerung der Pastoral. Es stand im Antworten auf die Fragen menschli- Wenn Ihnen dieses Schicksal be- Mittelpunkt einer Begegnung der Pas- cher Existenz. Immer auf der Suche kannt ist und Sie Ihre Geschichte ger- toralkommission mit Verbandsvertre- nach dem letzten Grund hat er drei ne teilen möchten, oder Sie jemanden tern. Für die Ackermann-Gemeinde Relieftafeln geschaffen mit den The- kennen, dessen Freundschaft so ent- nahmen Mitte Mai am Verbändetag in men: Christgeburt, Kreuzigung (s.o.), standen ist, dann melden Sie sich Frankfurt der stellvertretende Bundes- Auferstehung. Sie erinnern jetzt in bitte bei [email protected] oder vorsitzende Herwig Steinitz und Bun- der Bundesgeschäftsstelle an diesen unter +420 221 979 212. desgeschäftsführer Matthias Dörr teil. Künstler aus unserer Mitte. ag

Der Ackermann 2-2016 | 15 Literatur

Pflege eines Geschichtsmythos

Das seit einigen Jahren in Geiß-Nidda Kyrillo-Methodianischen Missionie- untergebrachte Kirchengeschichts- rung bis zur Vertreibung der Deut- Institut unter der heutigen Leitung von schen 1945/46: Geschichte, Mytholo- Prof. Rudolf Grulich stellt das Buch gie, Nationalismus, Tschechen und von Helmut Gehrmann mit folgender Sudetendeutsche, Persönlichkeiten Ankündigung vor: „Ein neues Buch werden in einem weit ausladenden unseres Instituts ist nicht nur für jeden Darstellungsrahmen behandelt: Dabei Sudetendeutschen, sondern auch für werden Altbekanntes, oft bereits an- jeden Europäer von Interesse“. derweitig gründlich Erforschtes mit Doch dieses Buch von 520 Seiten deutlich erkennbarer ‚pädagogischer‘ hier vorzustellen ist gar nicht einfach, Absicht in schwerfälliger Zitierweise vor allem, da es eine komplizierte (in sämtlichen Anmerkungen wird Thematik aus der Feder eines in der jeweils auch der Verlag zitiert) und Schweiz tätigen katholischen Pries- immer wieder ungenau, ja unrichtig ters aus der Trierer Diözese mit ost- angeführten Literaturangaben (z.B. preußischer Familienherkunft behan- S. 159, Anm. 232: Kamil Krofta - delt und laut Institutswerbung die Dis- Verwechslung von Titel und Verlag) sertation an der zwei Fakultäten um- ausführlich ausgebreitet: I. Politische Helmut Gehrmann: Tschechischer nati- fassenden Pallotiner-Hochschule in Religion als Instrument der Machtaus- onaler Mythos als politische Religion Vallendar darstellt. Pfarrer Dr. Gehr- übung; II. Elemente des tschechi- und Rückwirkung auf das Glaubensle- mann kann – nach entsprechender schen Nationalmythos; III. Umsetzung ben in den böhmischen Ländern 1848- Lektüre seines veröffentlichten, sehr mythisch geprägter Politik in der ers- 1948, hg. vom Institut für Kirchenge- umfangreichen Briefes an den Trierer ten und zweiten Republik; IV. Konse- schichte von Böhmen-Mähren-Schle- Bischof Ackermann und seine Weihbi- quenzen der Nationalisierung für das sien e.V., Gerhard Hess Verlag, Bad schöfe (Kreisanzeiger vom 23. Febru- Glaubensleben; V. Die Vertreibung Schussenried 2016, 520 S. ar 2016; hier zitiert nach http:// 1945/1946 – hier werden vorwiegend (= Archiv für Kirchengeschichte von www.kath.net/news/54136 am 11.04. Erfahrungsberichte vertriebener deut- Böhmen-Mähren-Schlesien - Neue Fol- 2016) – als eher konservativ-enga- scher Geistlicher abgedruckt. Diese ge XVII), ISBN 978-3-87336-550-6, gierter Priester angesehen werden, bedürften aber einer systematischen € 29,80. der mit seiner Veröffentlichung eine und wissenschaftskritischen Aufarbei- „christliche Botschaft der Versöh- tung. Die in den vergangenen rund 25 nung“ (S.16) übermitteln will. Der gute Jahren seit der politischen „Wende“ Wille verdient Respekt – doch ist dies von deutscher, tschechischer und noch nicht das angemessene Kriteri- slowakischer Seite vorgelegten For- um für wissenschaftliche Arbeit. schungen – zu nennen wären hier So hat der Verfasser mit immensem unter anderem Hoensch, Hans Lem- Fleiß eine große Fülle meist älterer berg, Seibt, Luft, Kořalka, Křen, Fran- Literatur durchgearbeitet. Der wissen- zen, Eckert, Sláma, Pešek – sind schaftliche Anspruch wird leider durch weitgehend unberücksichtigt geblie- zum Teil längst überholte historische ben, zur Vertreibung fehlen die Doku- Urteile, offenkundige Voreingenom- mentationen von Heißig/Paleczek menheiten des Verfassers, eine sowie Arburg/Staněk/Dvořák völlig. durchwegs unübliche Zitierweise in Zusammenfassend ist zu sagen: den Anmerkungen und im Literatur- Trotz des prinzipiell interessanten verzeichnis, Hunderte von Schreib- Problemansatzes führt diese Arbeit in fehlern, falsch gesetzte tschechische der Erforschung der so komplexen diakritische Zeichen, auch Falschzita- Geistes-, Kirchen- und Politik- te (z.B. bei Kamil Krofta) und eine Geschichte der Böhmischen Länder insgesamt offenkundig eher ober- (und der Slowakei) nicht weiter. flächlich erfolgte Lektorierung prinzi- piell geschmälert. Dr. Otfrid Pustejovsky Fünf Großkapitel mit insgesamt 124 (nicht bezifferten) Unterkapiteln um- fassen eine rund 1300jährige Religi- ons- und Geistesgeschichte von der

16 | Der Ackermann 2-2016 Literatur

Mit Gottvertrauen und Mut

Im Anschluss an seine online- Deutlich zeigt Zulehner auf, dass gestützte Umfrage zu den großen Ängste in der Gesellschaft sehr ver- Fluchtbewegungen hat der Theologe breitet sind. Gefährlich sind dabei die Paul M. Zulehner ein Buch veröffent- diffusen Ängste, sie lähmen die Men- licht, in dem er die Ergebnisse dieser schen. Umfrage diskutiert und dabei viele Und er wird sehr deutlich, wenn er Äußerungen der Teilnehmer wieder- bemerkt, dass es befremdlich ist, gibt. wenn behauptet wird, jemand könne Am Ende des Buches ist der Frage- ein guter Christ sein, ohne sich für bogen abgedruckt, der mit der Ein- Flüchtlinge einzusetzen. schätzung der eigenen Gefühle be- Das Buch bietet eine gute Gelegen- züglich der Herausforderung durch heit, die verschiedenen Haltungen zu die Flüchtlinge, die nach Europa kom- den Flüchtlingen zu studieren und men, beginnt. Die Befragten sollen Wege zu sehen, die Herausforderung benennen, welches Gefühl bei ihnen durch die Flüchtlinge mit Augenmaß am stärksten ist: Ärger, Sorge, Zuver- anzugehen. sicht. Die Antworten zu den weiteren Fragen werden in Relation zu der Dorothea Schroth grundsätzlichen Einschätzung ge- setzt. Paul M. Zulehner: Entängstigt euch! Die Flüchtlinge und das christliche Abend- land, Patmos Verlag Ostfildern, 2. aktu- alisierte und erweiterte Auflage 2016, 176 Seiten, ISBN 978-3-8436-0760-5, € 12,99. Schöner, rauer Böhmerwald

„Eine sehr schöne, aber auch eine Ovčáčková ist es gelungen, höchst sehr raue Landschaft“, so charakteri- interessante Persönlichkeiten als siert ein Philosoph zu Beginn des Zeugen für ihren Film zu gewinnen. Films den Böhmerwald und nimmt Alte Fotos kommen zum Vorschein damit die Ausrichtung des Films vor- und dokumentieren fast schmerzlich weg: „Es gibt hier einfach tiefe Kon- die willentlich zerstörte, untergegan- traste – viel Licht und auch viel Schat- gene Welt der deutschsprachigen ten.“ Dies ist auch in den Schicksalen Böhmerwälder Dörfer. Man bekommt des Böhmerwalds eingeschrieben, einen Eindruck davon, wie der Riss um die es Ovčáčková vor allem geht. durch die national aufgehetzte Gesell- Poetische, philosophische Beobach- schaft ging – entweder Deutsch oder tungen auf der einen und auf der an- Tschechisch, und doch: beides unzu- deren Seite sachliches, historisch länglich. Denn – wie Bolzano schrieb fundiertes Wissen der interviewten – man ist ein Böhme. Egal ob deut- tschechischen und deutschen Per- scher oder tschechischer Zunge. sönlichkeiten, sinnvoll unterbrochen Der Ausblick lässt Hoffnung zu: Es durch passende Zitate aus der schö- kommen Menschen, die sich bewusst nen Literatur (Stifter, Urzidil, Kloster- dafür entscheiden, ein einfaches Le- mann, Josef Váchal), untermalt mit ben im Böhmerwald zu führen. Sie sanfter Musik von Bach, Vivaldi u.a., füllen die Landschaft wieder mit Le- machen den Film zu einem Kunst- ben – anders wie einst und doch: Sie werk, das weit über das bloße Doku- geben der Landschaft wieder eine mentarische hinausreicht; es ist ein Seele. Lenka Ovčáčková: Tiefe Kontraste / Film, den man genussvoll ob der Hluboké kontrasty, Dokumentarfilm Form und interessiert ob des Inhalts Dr. Kateřina Kovačková deutsch/tschechisch, 79 Min., ROGEON- verfolgt. Verlag München, ISBN 978-3-94318- 626-0, € 10,00.

Der Ackermann 2-2016 | 17 Literatur

Analyse eines Archetyps

Mit berechtigtem Unbehagen, das man einer vaterlosen Generation, zuweilen an intellektuelle Überheb- einer Generation, die ihre Väter nicht lichkeit grenzt, beobachten viele Men- im Krieg, sondern in der Passivität schen in dem noch jungen Staatenge- von Minderwertigkeitskomplexen und bilde Europa den Drang nach natio- Rückzug in die Opferrolle verloren naler Souveränität, den Willen nach hat. Es ist eine Generation, die weder Abschottung und die Hoffnung auf im Persönlichen noch im Kollektiven autoritäre Machtstrukturen gerade bei erfahren hat, was es heißt, verantwor- den Nachbarn derjenigen Länder, in tungsvoll und selbstbewusst zu leben, denen viele noch die Auswirkungen und jetzt in übertriebenem Männlich- restriktiver Systeme am eigenen Leib keitsgebaren ein Ventil sucht für an- zu spüren bekommen haben. Ein gestaute Aggressionen und dem Wil- Vierteljahrhundert nach dem Fall des len nach Selbstbehauptung. Rudis Eisernen Vorhangs, der bezeichnen- zeichnet den sukzessiven Abstieg derweise als „friedliche“ oder „sam- Vandams, der als Polizist die samte- tene“ Revolution in die Geschichte ne Revolution in Prag hautnah erlebt eingegangen ist, deuten wir Deut- hat, über die Suspendierung vom schen mit dem Zeigefinger auf Un- Dienst auf Grund von Gewaltmiss- garn oder Polen, oft ohne uns die brauch, Alkoholexzessen und Straßen- Jaroslav Rudiš: Nationalstraße. Roman. Ursachen dieser Entwicklungen vor schlägereien. In drastischen Bildern Aus dem Tschechischen von Eva Pro- Augen zu führen. schildert er den tristen Alltag im Plat- fousová, Luchterhand München 2016, Der junge tschechische Schriftstel- tenbau und in den Vorstadtkneipen 160 Seiten, ISBN 978-3-630-87442-5, ler Jaroslav Rudis, Jahrgang 1972, von Prag, wo Vandam mehr und mehr € 14,99. zählt zu denjenigen Euroskeptikern, in den rechten Sumpf abrutscht: „Ich die sich den Glauben an das Haus bin ein Römer. Kein Nazi. Warum Europa bewahrt haben, dabei aber sollte man in Europa nicht mit dem stets den Finger direkt in die Wunde römischen Gruß grüßen dürfen, legen: „Ich weiß, was läuft. Ich spüre, Mann? Ganz Europa ist auf den Rö- wie unser Europa wackelt.“ Der 44- mern gebaut. Ich bin Europäer. Ihr jährige Schriftsteller, Drehbuchautor etwa nicht? Heil dem Volk! Heil Euro- und Dramatiker hatte die Siegfried- pa! Neger raus. Zigos raus. Unseldt-Gastprofessur an der Hum- Sozialschmarotzer raus. Schwuchteln boldt-Universität Berlin inne, zwei raus. Böhmen den Tschechen.“ seiner Bücher wurden verfilmt, darun- Jaroslav Rudis’ neuer Roman sollte ter sein wohl bekanntestes „Der Him- Schullektüre werden. Wer ihn liest, mel unter Berlin“. Er zählt heute zu wird mit Erschrecken feststellen, dass den wichtigsten literarischen Stimmen sein Vandam ein Archetyp ist, der Tschechiens, ist „einer der interes- beileibe nicht auf Osteuropa be- santesten Autoren seiner Breiten, weil schränkt bleibt. Man sieht vielleicht er die Entwicklungen mitlebt, ein Ohr den Splitter im Auge des Nachbarn, für die Historie hat“, so Dirk Schümer aber der Balken im eigenen Auge von der Frankfurter Allgemeinen Zei- bleibt allzu oft verborgen. tung. Rudis’ kürzlich auf Deutsch erschie- Dr. Christian Geltinger nener Roman „Nationalstraße“ ist der fiktive Monolog von Vandam. Es ist die schonungslose Analyse eines Archetyps, wie er vermutlich zahlreich zu finden ist, die Persönlichkeitsstudie des klassischen Verlierers der Wende von 1989. Es ist die Geschichte eines Menschen, dessen Welt komplett aus den Fugen geraten ist, der sich durch den Bruch in seinem Leben seiner Kindheit beraubt sieht. Es ist der Ro-

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Flucht und Migration Herkunft und Heimat

AG Bamberg. Die junge Schriftstelle- Gomringer führte in die frühe Ge- rin und Ingeborg-Bachmann-Preis- schichte der Bamberger Symphoniker trägerin 2015 Nora-Eugenie Gomrin- zurück, die bis in das Gräflich Nostitz- ger stellte im Literarischen Café der sche Nationaltheater in Prag reicht, Ackermann-Gemeinde Bamberg ihre wo Mozart am 29. Oktober 1787 die Arbeit als Direktorin des Internationa- Uraufführung seines „Don Giovanni“ len Künstlerhauses „Villa Concordia“ dirigierte. Das Haus hieß später u.a. in Bamberg und ihr neuestes Buch Neues Deutsches Theater. Hier diri- über die Bamberger Symphoniker vor, gierte Gustav Mahler 1908 die Urauf- das sie gemeinsam mit dem Fotogra- führung seiner 7. Symphonie. Nach fen Andreas Herzau herausgebracht der deutschen Besetzung der Tsche- AG Augsburg. In zwei Veranstaltun- hat. Beide hatten zwei Jahre lang das choslowakei wurde das Orchester gen hat sich die AG mit der Flücht- Orchester auf Reisen und bei Konzer- des Theaters aufgelöst und in Rei- lingsthematik auseinander gesetzt. ten begleiten können. chenberg/Liberec als Sudetendeut- Im November 2015 beim Diözesan- Gomringer gewährte interessante sche Philharmonie neu zusammenge- tag machte Erich Pohl (Foto) mit sei- Einblicke in die Geschichte: Mehrere stellt. Kurze Zeit später wurde es wie- nem Vortrag „Migration weltweit - die Orchestermusiker waren auch Mitglie- der nach Prag verlegt als Deutsches gegenwärtige Situation in den USA der der Bamberger AG-Ortsgruppe, Philharmonisches Orchester, 1940 und Europa“ bewusst, dass nicht nur Ensembles der Symphoniker wirkten übernahm Keilberth die Lei- an den Grenzen Europas verfolgte bei Weihnachts- und Nepomukfeiern tung. Menschen stehen, die vor Krieg, Zer- auf der Oberen Brücke mit. Es wurde Vertreibung und Flucht führten 1945 störung und aus Angst um Leib und an den Organisator und Posaunisten einige Musiker nach Bamberg, wo Leben fliehen, oder Hunger und Ar- Otto S. Rosin erinnert, und daran, dass sich in kurzer Zeit ein neuer Klangkör- mut entkommen wollen. Selbst die sich die Ackermann-Gemeinde durch per bildete, das Bamberger Tonkünst- Weltmacht USA versucht durch den damaligen Bundesvorsitzenden lerorchester. Am 20. März 1946 gab Grenzzäune, Überwachung und Ab- Hans Schütz MdB Anfang der 1960er es ein Gründungskonzert. Wenige wehr, Menschen aus den Armuts- und Jahre um die Weiterexistenz des Jahre später wurde es umbenannt in Krisenregionen jenseits ihrer Süd- Orchesters verdient gemacht hat: Bamberger Symphoniker. Joseph grenze von ihrem Land fern zu halten. Schütz hatte eine substantielle Förde- Keilberth leitete als Chefdirigent das Obwohl dies nicht auf Dauer gelingen rung durch die Bundesregierung er- Orchester von 1950 bis 1968 in 636 wird, geschieht weltweit zu wenig, um wirkt. Zum Dank gaben die Bamber- Konzerten. Gomringer verstand es, das Auseinanderklaffen von Armut ger Symphoniker beim Bundestreffen mit ihren Texten die Verbindung zwi- und Reichtum aufzuhalten. Die Glo- der Ackermann-Gemeinde 1961 in schen Musik, den ausführenden Mu- balisierung hat diese Schere weiter Würzburg ein kostenloses Konzert im sikern und der böhmischen Heimat geöffnet. Mehr als 60 Millionen Men- Kaisersaal der Residenz. herzustellen. Franz Kubin schen sind auf der Flucht. Vertieft wurde dieses Thema im März 2016 mit Dr. Otfrid Pustejovskys Volkskultur in Südtirol Vortrag „Wiederholt sich die Ge- AG Bamberg. Die Akademie in Brixen schichte? Flucht und Vertreibung titel beschäftigte sich in diesem Jahr mit 1945/46 - Vertreibung weltweit, be- „Lebendiger Volkskultur“ und stellte in sonders im vorderen Orient“. Er ver- Referaten u.a. Bräuche zur Weihnachts- mittelte die politische Situation, die zeit in Südtirol oder die Volksheilkunde Mentalität im arabischen Raum und bei einem Besuch des 400 Jahre alte Ursachen der Auseinandersetzungen Pharmazie-Museum in Brixen vor. Es und Kriege. Abgerundet wurden diese gab einen Ausflug zur romanischen Kir- Ausführungen von Wolfgang Friedel, che St. Prokulus in Naturns mit den äl- dem Beauftragten der Caritas der testen Wandmalereien im gesamten Diözese Augsburg für Flüchtlinge bei deutschsprachigen Raum. Hier findet uns und vor Ort, mit erschütternden sich mit der berühmten Darstellung des Berichten und Bildern von Reisen in Patrons der Kirche, des Bischofs Proku- Flüchtlingslager im arabischen Raum lus aus Verona auf einer Schaukel, und in Kriegs- und Krisengebiete. Der hl. Prokulus auf der Schaukel 1200 Jahre alte Volkskultur. Alfred Müller (Foto: F. Kubin) Ingeborg Regenfus

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Die katholische Kirche unter dem Kommunismus Traditionelle Waldhoftagung stellt sich der Vergangenheit

AG Freiburg. Hauptthema der dies- den aufgeführten Namen verhindert Priester und Ordensleute wurden ver- jährigen Waldhof-Tagung mit fast 50 gleichzeitig auch eine objektive Sicht haftet, gefoltert und nach jahrelangen Teilnehmern war die Situation der auf die Geschehnisse. Schauprozessen inhaftiert. Nach katholischen Kirche im kommunisti- Abschließend stellte Matějka das 1950 war der Großteil des kirchlichen schen System der ČSSR. Zentrum zur Bürgerbildung in Brünn/ Lebens zum Schweigen gebracht. Die In seiner Begrüßung stellte der Diö- Brno vor, das nach den Grundsätzen unabhängige Kirche hatte aufgehört zesanvorsitzende Erich Pohl die Aktu- für politische Bildung des Beutelsba- zu existieren. Mitarbeiter der Ordinari- alität der Thematik in den Vorder- cher Konsens (1976) arbeitet: Indokt- ate und Bistümer wurden vom Staat grund und betonte die Wichtigkeit, die rinationsverbot, Kontroversität und eingesetzt. Vergangenheit aufzuarbeiten. Beson- Orientierung anhand fester Grundla- Es waren für die gesamte Tsche- ders begrüßte er Vertreter aus der gen. Hierdurch soll vor allem Demo- choslowakei nur sechs Bischöfe und Partnerdiözese Pilsen/Plzeň, Zeitzeu- kratie gesichert werden. zwei staatlich überwachte Priesterse- gen und die Referenten aus der minare vorgesehen. Sog. „Friedens- Tschechischen Republik, die sich als priester“ waren staatlich gestützte Angehörige der jungen und mittleren und anerkannte Priester, die nicht Generation mit dem schwierigen The- selten auch Mitarbeiter der Stasi wa- ma der jüngsten Vergangenheit kri- ren. Diese Tatsache machte die Situ- tisch und auf wissenschaftlich fundier- ation der Gläubigen unerträglich, so ter Basis auseinandersetzen. dass sich die Untergrundkirche in der Ondřej Matějka, seit 2014 stellver- ČSSR entwickelte. Es entstand eine tretender Direktor des wissenschaft- geheime Weihelinie, Geheimstudien lichen und politisch unabhängigen In- wurden von Felix Maria Davídek stitutes zur Erforschung der totalitären (1921-1988) organisiert. Die Gemein- Regime, hatte als Thema: „Zwischen Petr Blažek und Roland Stindl schaft um Davídek spendete anfangs bei der Scheckübergabe an Abrechnung und Aufarbeitung der das Diözesanjugendzentrum Pilsen noch geheime Weihen in der ČSSR. kommunistischen Vergangenheit in (Foto: AG Freiburg). Das Theologiestudium erfolgte privat der Tschechischen Republik.“ Er legte im Geheimen neben dem Zivilberuf. die Schwierigkeiten im Hinblick auf Beim Sonntagsgottedienst betonte Da die Situation der Untergrundkir- den Umgang mit den vorhandenen Pater Deogratias Maruhukiro aus Bu- che in der ČSSR immer gefährlicher Unterlagen dar. Während sich bei der rundi in seiner Predigt die Parallelen wurde, suchte man nach Wegen, Abrechnung das Hauptaugenmerk seiner Lebensgeschichte zur Ge- Weihen im Ausland durchzuführen, in vorwiegend auf der Verdrängung des schichte der Heimatvertriebenen und der DDR, da hier die katholische Kir- Bösen mit Konzentration auf die Ver- Flüchtlinge. Als Kinder Gottes sind wir che nicht so unter Beobachtung antwortlichen, hier Parteimitglieder, alle eine Familie und können daher stand. In Magdeburg, Görlitz, Erfurt/ Mitarbeiter der Staatssicherheit sowie nie Waisenkinder werden, da wir in Leipzig und Berlin kam es zu gehei- offizielle und inoffizielle Mitarbeiter Gott immer eine Heimat und Familie men Weihen. Unter den Bischöfen, konzentriert, geht es in der Aufarbei- haben werden. Ein weiterer Höhe- die geheim Priester weihten finden tung im Sinne der Vergangenheitsbe- punkt war die Übergabe des Spen- sich bekannte Namen, wie z.B. Fried- wältigung um eine Auseinander- denschecks in Höhe von 5.000 Euro rich Maria Heinrich Rintelen, Gerhard setzung mit der Vergangenheit. Diese an Vertreter des Diözesanjugendzent- Schaffran, Kardinal Alfred Bengsch Art der Vergangenheitsbewältigung rums Pilsen für die Teilnahme von und Kardinal Joachim Meisner. hat individuelle und kollektive Bedeu- Jugendlichen am diesjährigen Weltju- In der Retrospektive gebührt Bi- tung zur objektiven Bewältigung und gendtag in Krakau. schöfen und Weihekandidaten, sowie Erforschung der Diktatur, die schluss- In ihrem Referat „Geheime Weihen Priestern der Untergrundkirche – ob endlich dem Schutz der Demokratie in der DDR – Kommunistisches Re- auf deutscher oder tschechischer dient. Erschwert wird eine objektive gime und die Katholische Kirche in Seite – der Respekt aller. Sie haben Aufarbeitung durch den laxen Um- der Tschechoslowakei nach 1948“ für den Erhalt des Glaubens Gefah- gang mit dem 1991 verabschiedeten sprach Eva Vybiralová über die Re- ren auf sich genommen, die mit Ge- Lustrationsgesetz, das die Einsicht- pressalien des Regimes. Die Katholi- fängnis, Folter, Zwangsarbeit und nahme der Akten regelt, jedoch sehr sche Kirche wurde verfolgt und verbo- sogar auch Tod einhergingen. liberal umgesetzt wird: de facto kann ten, das katholische Schulwesen wur- jeder jeden anzeigen und jeder alles de aufgelöst, ebenso die griechisch- Gabi Stanzel sehen. Das öffentliche Interesse an katholische Kirche in der Slowakei.

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Flüchtlinge und Literatur im Mittelpunkt

AG Mainz. Die deutsch-tschechi- dete Sorgen könnten kraftvolle Ener- seien immer einzelne Menschen oder schen Beziehungen haben in letzter gien für zukunftsfähige Bemühungen kleinere Gruppen, die kämen, eine Zeit stark gelitten, an manchen Stel- freisetzen. Angst vor Unbekanntem Flüchtlingswelle wie in Deutschland len sind sie zerrissen. Das Problem sollte man auf keinen Fall haben – gebe es nicht. liegt im aufgeheizten Kontext mit der dafür Neugierde! Von ihrer täglichen Arbeit berichtete Flüchtlingskrise. Das hat auch die Pater Dr. Jan Larisch, Präsident der Marion Kostial vom Franziskushaus Ackermann-Gemeinde der Diözese Caritas im Bistum Ostrau, informierte der Caritas in Bensheim. Sie ist für Mainz zu spüren bekommen. Schüler anschließend über „Einwanderung in 1.100 ehrenamtliche Helfer, die des Bischöflichen Gymnasiums in die tschechische Republik als Aufga- Flüchtlinge betreuen, zuständig. Die Ostrau/Ostrava regten an, auf der be der Caritas“. In Tschechien seien Ostrauer hatten Gelegenheit, im Fran- Heppenheim-Tagung der AG Mainz vier Prozent der Einwohner Fremde, ziskushaus an einem Deutschkurs für und der Partner-Diözese Ostrau am in Prag seien es 33 Prozent, die Hälf- Syrer, Äthiopier, Afghanen, Iraker und 16. und 17. April 2016 das Thema te aller Fremden lebe in der Mitte Eritreer teilzunehmen. „Integration von Flüchtlingen heute“ Böhmens. Nicht alle wollen tschechi- Im zweiten Teil der Tagung infor- zu behandeln. Die jungen Menschen sche Staatsbürger werden. Ein Teil mierten die Deutschlehrerin Viera gingen davon aus, dass die tschechi- der Ausländer käme aus wirtschaftli- Ságlová und der Schulseelsorger sche Regierung ihre ablehnende Hal- chen Gründen, ein Teil suche Asyl, Pater Vojtěch Janšta über den tung zur Aufnahme von Flüchtlingen ein Teil Schutz für eine begrenzte Fremdsprachenunterricht sowie den nicht durchhalten werde und dann Zeit. Die Flüchtlinge kämen an erster Religions– und Ethikunterricht des auch in Mähren Flüchtlinge um Unter- Stelle aus der Ukraine, Syrien, Kuba, Bischöflichen Gymnasiums in Ostrau. kunft und Asyl ansuchen würden. Russland, Armenien und Kasachstan. Der dritte Teil der Tagung widmete „Wie können wir als christliche Schule Ein heikles Thema in der katholischen sich der Literatur. Dr. Milan Tvrdík, dann helfen?“, fragten sie. „Wir wür- Kirche sei: Solle sie nur Christen hel- Professor für Germanistik an der Pra- den gerne wissen, wie ihr die Frem- fen oder allen in Not Geratenen? Es ger Karls-Universität stellte die vor den aufnehmt“. 100 Jahren verstorbene Marie von Im Einführungsreferat schilderte Ebner-Eschenbach als „große Realis- Gerold Schmiedbach, Vorsitzender tin der deutschsprachigen Literatur“ der Mainzer AG, Zusammenhänge und „Verteidigerin echter christlicher und Aufgaben. Von Zuversicht bis Werte“ vor. Wut gegenüber Flüchtlingen reichten Im zweiten Literatur-Vortrag sprach die Reaktionen in Deutschland, von Dr. Václav Maidl, im Kulturforum der hilfsbereiter Solidarität bis Hass. Hin- Österreichischen Botschaft in Prag ter der abwehrenden Haltung lägen unter anderem zuständig für das Vor- diffuse Ängste, die in rationale Be- trags- und Bildungswesen, über sorgnis zu wandeln sind. Wer in sich „Literatur aus dem Böhmerwald“ und selbst ruht, eigene Haltung, festen Deutschunterricht für Flüchtlinge bei stellte verschiedene Strömungen und Glauben habe, könne dem Unbe- der Caritas, die Ostrauer Schüler politische Konstellationen in der Zeit kannten souverän begegnen. Begrün- waren dabei (Foto: G. Schmiedbach). von 1848 bis 1952 vor. Diese beiden Vorträge waren nicht zuletzt Beispiele für Brückenschläge von Deutschen zu Tschechen und Worms eine „Stadt der Religionen“ von Tschechen zu Deutschen. Die AG Mainz. Bei einem Ausflug nach Worms konnten die Teilnehmer der diesjährigen Partnerschaft zwischen der Diözese Heppenheimtagung (s.o.) der Frage nach dem Zusammenleben verschiedener Reli- Ostrau mit der Mainzer AG nehme, gionen in Deutschland nachgehen. Hier hat das Miteinander von Religionen und wie sie praktiziert wird, einen uner- Glaubensrichtungen eine lange Tradition, berichtete Gerold Schmiedbach. In setzlichen Platz besonders im Speyer, Worms und Mainz, wo die katholische Kirche im Mittelalter ihre drei klas- deutsch-mährischen Miteinander ein sischen Kaiserdome errichtet hatte, habe das Judentum eines der wichtigsten – so das Urteil aus dem Mund der Zentren seiner Gelehrsamkeit gehabt. Dieses Miteinander der Religionen werde tschechischen Teilnehmer. noch immer in Worms gelebt. Auch die Muslime würden heute sehr aktiv am Wormser Leben teilnehmen. Sechs große muslimische Gemeinden finde man. Gerold Schmiedbach Heute gebe es mit allen religiösen Gruppen einen regen Dialog – auch für Tschechen eine Ermunterung, ihr Land in mehreren Farben erstrahlen zu lassen. Gerold Schmiedbach

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Lange Tradition zwischen Böhmen und Sachsen

AG Nordost / AG Südost. Das Ge- Zittaus im Zusammenhang mit Karl Am Sonntag informierte Steffen denkjahr für Kaiser Karl IV. nahmen IV., so auch über das „Große Zittauer Neumann, Korrespondent der Säch- die AG Nord-Ost und Süd-Ost zum Fastentuch“ von 1472, eine in Europa sischen Zeitung in Aussig/Ústí n. L. Anlass, um mehr über die lange Ver- einmalige Bilderbibel. über „Sachsen und Böhmen heute“. bindung zwischen Böhmen und Sach- Im Kurort Oybin ließ Karl IV. die Er verwies darauf, dass die Zusam- sen zu erfahren. Vom 8. bis 10. April Burg auf dem Felsen ausbauen und menarbeit mit dem Freistaat Sachsen 2016 trafen sich über 70 Teilnehmer stiftete 1369 ein Cölestiner-Kloster. ähnlich gut wie mit dem Freistaat im Bischof Benno Haus in Schmoch- Bayern gelänge. Sehr intensiv hätten titz. sich die Euroregionen eingebracht. Über „Mitteleuropa als Einheit unter Prag schaue nach Deutschland und Karl IV.“ sprach der Historiker für Sachsen sei Tschechien der zweit- Dr. Thomas Krzenck aus Leipzig. Er größte Handelspartner. erinnerte daran, dass unter diesem Am Samstag kam Bischof Wolfgang Kaiser Prag zum geistigen Mittelpunkt Ipolt von Görlitz und feierte mit den Europas wurde. Mit Recht hieß es in Teilnehmern die Eucharistie. Danach seiner Zeit: „wer Böhmen hat, hat stellte er die Lage des Bistums Görlitz Europa“. 1348 gründete Karl die Uni- im Dreiländereck als Chance und versität Prag. Unter seiner Regierung Herausforderung vor. Es sei zwar das war „Mitteleuropa“ eine Einheit. kleinste deutsche Bistum, nehme Über „einige Aspekte aus 600 Jah- aber eine wichtige Brückenfunktion ren Nachbarschaft“ referierte der His- zwischen Polen und Deutschland ein. toriker Dr. Lars-Arne Dannenberg von Vieles geschehe in der durch die Nei- der TU Dresden. Von der Gründung ße geteilten Stadt gemeinsam, so die des Erzbistums Magdeburg und den Fronleichnamsprozession. Inzwischen Bistümern Naumburg, Merseburg und wohnten viele katholische polnische Meißen unter Kaiser Otto I. im Jahr Bestaunt: das Fastentuch in Zittau Christen auf der deutschen Seite der 968 über die Hussitenkriege und die (Foto: ag) Neiße. Die Sonntagsmesse feierte Exulanten der „Herrnhuter Gemeinde“ der Geistliche Beirat Pfarrer Heinrich von Graf Zinzendorf bis hin zu Bestre- Es spricht vieles dafür, dass sich Karl Bohaboj. bungen, nach den Weltkriegen die IV. auf der Burg Oybin einen Alters- Bereits jetzt haben sich alle den Lausitz an die Tschechoslowakei an- wohnsitz schaffen wollte. Im Abend- Termin der nächste Begegnung in zugliedern, reichte die Palette seiner programm stellte Irmgard Barenberg Schmochtitz vom 19. bis 21. Mai 2017 Ausführungen. den Prager jüdischen Schriftsteller vorgemerkt. Auf einer Exkursion nach Zittau und Leo Perutz (1882-1957) vorgestellt. auf den Oybin erfuhren wir von Bei diesem literarischen Abend wurde Christian Buck Dr. Volker Dudek in der Hl.-Kreuz- aus seinem Buch „Nachts unter der Kirche viel über die Stadtgeschichte steinernen Brücke“ gelesen.

Begegnungskonzert in Pilsen

AG Regensburg. „Auch wenn ein beschwingtes Konzert zu geben. schon alle Grenzanlagen abgebaut Kapellmeister Otto Pritscher dirigierte sind, so bleibt doch die Sprachgrenze bayerische und böhmische Blasmu- zwischen uns bestehen. Doch Musik sik, während die jungen Sänger unter kann auch diese Grenze überwinden“, der Leitung von Jakub Šedivý mit so der emeritierte Bischof von Pilsen modernen Chansons glänzten. Der Msgr. František Radkovský beim lang anhaltende Schlussapplaus bes- deutsch-tschechischen Begegnungs- tätigte die Intention der Fahrt, mit Mu- Vorsitzender Leonhard Fuchs, Schul- konzert in Pilsen/Plzeň. sik „Brücken zu bauen und Grenzen direktor Daniel Petříček und Bischof Mit der „Stattkapelle Neufahrn“ war zu überwinden“. František Radkovský (hintere Reihe, die Ackermann-Gemeinde angereist, Leonhard Fuchs v.r.) mit der Stattkapelle Neufahrn um zusammen mit dem Schulchor und dem Schulchor des Kirchlichen des Kirchlichen Gymnasiums Pilsen Gymnasiums Pilsen (Foto: L. Fuchs).

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Grenzen damals und heute † Johannes Schmidt

AG Regensburg. Die fünfte „Habs- bis zu Kaiser Karl IV. zurück, da sich 1953 war Johannes Schmidt der bergtagung“ der Ackermann-Gemein- etwa ab dem 15. Jahrhundert die Ackermann-Gemeinde beigetre- de Regensburg vereinte Deutsche Grenzen verfestigten und markiert ten. Er setzte sich besonders für und Tschechen, die sich in der grenz- wurden. Balk verwies auf den ersten die Integration jugendlicher Hei- überschreitenden Begegnung enga- großen Grenzvertrag zwischen Bay- matvertriebener ein, leitete in gieren. „Grenzerfahrungen“ lautete ern und Böhmen aus dem Jahr 1764, Neutraubling bei Regensburg diesmal das Thema, dargestellt am dem erst in der zweiten Hälfte des 19. das Lehrlingsheim St. Gunther früheren Eisernen Vorhang zwischen Jahrhunderts ein neuer folgte. Balk und arbeitete u.a. im Vorstand Deutschland und Tschechien sowie beschrieb die letzten 100 Jahre: In- des Sozialwerks der Acker- an den angesichts der aktuellen tensivierung des Grenzschutzes, mann-Gemeinde mit. Flüchtlingsthematik neu entstehenden „kleiner Grenzverkehr“, Aufhebung Er initiierte die Partnerschaft Grenzen. der Grenze nach dem Münchner Ab- zwischen den Pfarreien St. Mi- Leonhard Fuchs, der Vorsitzende kommen, Grenzdurchgangslager für chael, Neutraubling und Corpus der Regensburger AG, begrüßte gut Vertriebene aus dem Sudetenland, Christi, Graslitz/Kraslice, seinem 30 Personen aus verschiedenen Re- Blockbildung im Kalten Krieg und Ei- Geburtsort. Auch die Aufstellung gionen des Bistums Pilsen/Plzeň serner Vorhang, Schleuser, Stark- einer Figur des Seligen Hrozna- sowie aus Ostbayern. Ursprünglich stromzaun und Eisenbahnsperren, ta, Schutzpatron der Diözese als „Motivation für den Führungskreis gelungene und gescheiterte, auch Pilsen/Plzeň, in St. Michael war der Regensburger Ackermann- tödliche Fluchtversuche bis hin zum ihm ein großes Anliegen. Gemeinde für deutsch-tschechische Fall des Eisernen Vorhangs und dem Die Ackermann-Gemeinde ver- Partnerschaftsprojekte“ gedacht, ist Schengen-Abkommen. Mit „Wieder- liert mit Johannes Schmidt einen die Veranstaltung inzwischen eine kehr von Grenzzäunen im Herbst freundlichen, gutmütigen und Informationstagung über aktuelle oder 2015“ umschrieb Balk die jüngste gläubigen Menschen, der jeder- auch typische Ackermann-Themen. Entwicklung. Er nannte Push- zeit bereit war, sich für andere Und da trifft das Thema „Grenz- Faktoren (Krieg, Verfolgung usw.) und einzusetzen. Er war Antreiber erfahrungen“ zugleich Vergangenheit Pull-Faktoren (Anziehungskraft be- und forderte sein werbendes und Gegenwart. stimmter Länder), wobei Deutschland Engagement auch von uns. Der Referent, Erster Polizeihaupt- bei den Pull-Faktoren an erster Stelle Wir werden ihn stets in guter kommissar Reinhold Balk von der steht. Der Polizist ging auch auf das Erinnerung halten. Bundespolizeiinspektion Nürnberg, „Schleusen“ ein. Für ihn ist die Prob- hat die Realität am Eisernen Vorhang lematik nur durch Frieden und Leonhard Fuchs bis zur Öffnung 1989/90 live erlebt, Wohlstand in den Herkunftsländern beobachtet aber auch aktuell in Pas- zu lösen. „Aber das ist illusorisch“, sau die Entwicklung in Sachen Flücht- endete Balk wenig hoffnungsvoll. linge. In seinem Vortrag über die Grenze und Grenzgeschichte zwi- Markus Bauer schen Bayern und Böhmen ging er

Quadratisch, praktisch, gut

AG Würzburg. Zur Jubiläumsfeier „60 Jahre Wiederaufstellung der St.-Nepomuk-Statue auf der Alten Mainbrücke in Würzburg“ 2016 hat die Ackermann-Gemeinde Würzburg eine Festschrift herausgegeben. Autoren sind neben dem Würzburger Bischof Dr. Friedhelm Hofmann und dem Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt Pfr. Klaus Oehrlein über die Spuren früherer Nepomuk-Verehrung in Franken und Hans-Peter Dörr speziell zur Nepomuk-Tradition in Würzburg. Die 76 Seiten starke Festschrift erhalten Sie bei der Ackermann-Gemeinde Würzburg oder kann auf der Homepage www.ackermann-gemeinde.bistum-wuerzburg.de heruntergeladen werden. ag

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Kurzmeldungen aus Würzburg Auch Nicht-Vertriebene in Pfr. Oehrlein neuer Geistlicher Beirat Verantwortung einbinden! Bischof Friedhelm Hofmann hat Pfar- rer Klaus Oehrlein mit Wirkung zum AG Würzburg. Dem Thema „Unsere bendige und versöhnte Nachbar- 1. Mai 2016 als Geistlichen Beirat der Aufgaben und Herausforderungen – schaft zwischen Deutschen, Tsche- Ackermann-Gemeinde Würzburg bes- heute und morgen“ widmete sich der chen und Slowaken sowie der Einsatz tätigt. Die Einführung fand im Rah- Diözesantag der Ackermann-Gemein- für das Zusammenwachsen Euro- men des Festgottesdienstes zur St.- de Würzburg. Diözesanvorsitzender pas“, aber auch die Wahrnehmung Nepomuk-Feier statt. ag Hans-Peter Dörr verwies in seiner des Verbandes mit Themen wie Einführung auf die Auftakt-Festver- Nachbarschaft, Heimat, Europa, Nati- Wahlen des Diözesanvorstands anstaltung am 13. Januar in Philipps- onalität und Katholisch – und ganz Bei den Wahlen, erstmals als reine dorf/Filipov und Rumburg/Rumburg, aktuell Flucht und Vertreibung. Briefwahl durchgeführt, wurde Hans- bei der auch die Würzburger AG mit Als einen „wichtigen Dialogpartner Peter Dörr als 1. Vorsitzender bestä- einer Delegation vertreten war. mit einem tiefen christlichen Funda- tigt, ebenso die Stellvertreter Martina Den Gründungstag der Ackermann- ment“ würdigte der Landtagsabgeord- Bachmann und Joachim Neumann. Gemeinde, den 13. Januar 1946 in nete Volker Halbleib, vertriebenenpo- Weitere Vorstandsmitglieder sind München, rief der stv. Bundesvorsit- litischer Sprecher der SPD-Landtags- Christa Ullmann, Reinhilde Geißler, zende Martin Panten ebenso in Erin- fraktion, die Ackermann-Gemeinde. Peter Wesselowsky, Dr. Horst Hübel, nerung wie den jährlich am gleichen Ebenso verwies er auf eigene Vertrie- Iva Slancová, Helene Zwick-Schestak Tag gefeierten Erscheinungstag der benenwurzeln. Er warf zu Beginn sei- und Winfried Gerber. Delegierte zur Muttergottes in Philippsdorf. Panten nes Vortrags einen Blick auf heraus- Hauptversammlung sind Christa Ull- erinnerte u.a. an die federführend von ragende sudetendeutsche Sozialde- mann und Peter Wesselowsky, Er- Adolf Ullmann gestalteten Partner- mokraten wie Wenzel Jaksch oder satzdelegierte Reinhilde Geißler und schaften und Begegnungen. Für die Albrecht Schläger und stellte auch Joachim Neumann. Markus Bauer Zukunft gelte es, die organisatorische fest: „Wer sich nicht mit der Ge- und inhaltliche Verantwortung für die schichte der Vertreibung und der Zeitzeugen und Versöhnung Ackermann-Gemeinde an die Gene- wechselvollen deutsch-tschechischen Dramatisch waren die Erzählungen ration zu übergeben, die nicht mehr und deutsch-slowakischen Geschich- einer damals 10-Jährigen über einen die Vertreibung und ihre direkten Fol- te auseinandersetzt, kennt die weite- Todesmarsch von Iglau/Jihlava in das gen selbst miterleben musste. Ferner ren Schritte für ein gemeinsames Eu- Lager Stangen beim Zeitzeugen- sei es nötig, auch Personen ohne ropa nicht“. gespräch im Würzburger Dompfarr- böhmische, mährische oder schlesi- Markus Bauer heim: Bilder von toten Kindern am schen Wurzeln anzusprechen. Zentral Straßenrand kann man nicht verges- seien das „Engagement für eine le- sen. Hans-Peter Dörr wies in seinem Schlusswort auf die neuen Zeichen der Versöhnung hin und verlas die „Deklaration zur Versöhnung und ei- Ein Zeichen der Aussöhnung ner gemeinsamen Zukunft“ des Brün- ner Stadtrats von 2015. Im Gottes- AG Würzburg. Mit der Nepomuk- trachtete Dr. Jaroslav Šebek aus dienst zuvor sagte Pfarrer Adam Poss- Feier und dem anschließenden Lichter- Prag vom Institut für Geschichte der mayer, Diözesan-Aussiedler- und Ver- schwimmen ist am 7. Mai im Bistum tschechischen Akademie der Wissen- triebenen-Seelsorger: „Versöhnung ist Würzburg die Renovabis-Pfingst- schaften in einem Vortrag. möglich, wenn beide einen Schritt auf aktion 2016 unter dem Motto „Jung, einander zugehen.“ dynamisch, chancenlos? – Jugendli- Christian Ammon (POW) Hans-Peter Dörr che im Osten Europas brauchen Per- spektiven!“ gestartet worden. Zugleich Kreuzweg zum Käppele wurde das Jubiläum „60 Jahre Wie- Am Schmerzhaften Freitag führte deraufstellung der Sankt-Nepomuk- Diözesan-Aussiedler- und Vertriebe- Statue auf der Alten Mainbrücke“ be- nenseelsorger Pfr. Adam Possmayer gangen. Dem Gottesdienst im Neu- rund 80 Gläubige über die Stationen münster mit Msgr. Henzl, Ge- zum Würzburger Käppele. In der An- neralvikar der Diözese Budweis/ dacht verdeutlichte Wallfahrtsseelsor- České Budějovice, folgte die Lich- ger Pfr. Josef Treutlein, was Barmher- terprozession zur Nepomuk-Statue. zigkeit und Achtsamkeit für jeden ein- Den Wandel in der Verehrung des Andacht an der Nepomuk-Statue auf zelnen in seinem nächsten Umfeld Heiligen über die Jahrhunderte be- der Alten Mainbrücke (Foto: POW) bedeuten kann. Reinhilde Geißler

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In Vorfreude auf Aussig

Institutum Bohemicum. In Nürnberg trafen sich im Frühjahr Freunde der Collo- quia Ustensia, der Sommerakademie in Aussig/Ústí n.L. Ein Höhepunkt war in St. Jakob die Besichtigung des ältesten erhaltenen Flügelaltars Süddeutsch- lands, der um 1360/1370 – wohl auf Geheiß von Kaiser Karl IV. – entstand. Da der Altar wegen der Fastenzeit geschlossen war, konnte man auf der Rückseite des rechten Altarflügels das nachträglich herausgekratzte Gesicht des Kaisers sehen. Die Legende erzählt, Kaiser Karl habe selbst sein Gesicht entfernen las- sen, weil er sich wegen des später von ihm selbst zugelassenen Juden- Pogroms in Nürnberg schuldig gefühlt habe. Der Besichtigung des Altars folgte eine Heilige Messe in der St.-Elisabeth-Kírche. Gemeinsam sangen die 35 Teil- nehmer tschechische Volkslieder, die sie beim Kurs in Aussig gelernt hatten. Der Altar Karls IV. mit dem Der deutsche Koordinator Christoph Lippert zeigte Fotos der Sommerakademie herausgekratzten Gesicht auf der Kreuzigungstafel 2015, und man erfuhr einiges über das diesjährige Programm. (Foto: Ch. Lippert) Christoph Lippert

Europa vor dem Scheitern oder Vorbild für die Welt?

JAG. Am Wochenende um den 1. Mai wusstsein dafür jedoch zurückgegan- trafen sich im Kloster Rohr in Nieder- gen. Kritisch äußerte sich Teltschik zu bayern 110 Teilnehmer des 23. Roh- den europakritischen Tönen europäi- rer Forums zum Thema „Europa vor scher Politiker, die die Flüchtlingskri- dem Scheitern oder Vorbild für die se zum Anlass nähmen, wieder Zäu- Welt? Die aktuelle Flüchtlingssituation ne zu errichten und die Freizügigkeit als Herausforderung für Europa“. Das in Frage zu stellen. Auch der Umgang Einführungsreferat hielt Matthias Gra- Europas mit Russland sei aus seiner ner aus Burg in Sachsen-Anhalt. Als Sicht nicht zielführend: Sicherheit in ehemaliger Landtagsabgeordneter Europa sei nur mit Russland möglich. analysierte er am Beispiel seines Abschließend ging der Moraltheolo- Bundeslandes den Aufstieg der AfD, gen Dr. Albert-Peter Rethmann der ihr Verhältnis zu Europa und vor al- Frage nach: „Ist Europa Vorbild oder lem die Flüchtlingsdebatte. Symbol prekärer Humanität?“ Er erin- Der Osteuropahistoriker Prof. Dr. Ulf nerte an die aufrüttelnden Worte von Brunnbauer von der Universität Re- Prof. Teltschik bannte mit seinem Papst Franziskus, die Moral Europas gensburg stellte mit Blick auf die Fra- Vortrag die Teilnehmerinnen und ertrinke mit den Flüchtlingen im Mittel- ge der Tagung fest, Europa sei auf Teilnehmer des Rohrer Forums. meer. Rethmann sah es als wichtig dem Weg von einer Föderation zu an, in der öffentlichen Diskussion klar einem Bundesstaat steckengeblieben. Position zu beziehen und die Mei- Brunnbauer definierte populistische nungsführerschaft nicht den populisti- Parteien als derzeitige Feinde der EU schen Strömungen zu überlassen. wie die Le-Pen-Partei Frankreichs, Durch kritisches Hinterfragen von die AfD oder in Österreich die FPÖ, Positionen wie „Wir werden von aber auch europafeindliche Regierun- Flüchtlingen überfremdet“ kann infra- gen in Ungarn oder Polen. ge gestellt werden, wie es kommen Thematischer Höhepunkt war die kann, dass weniger als ein Prozent Rede von Prof. Dr. Horst Teltschik, Flüchtlinge die EU überfremden soll. früherer außenpolitischer Chefberater Haben wir Europäer so wenig Selbst- Kohls, zum Thema „Europa – Unsere vertrauen? Herausforderung als Wertegemein- Den Abschluss bildeten ein von den schaft und seine Rolle als globale und Der Tanz in den Mai: Kindern mitgestalteter Gottesdienst zivile Friedensmacht“. Aus der Erfah- im Kloster Rohr mit dem Altabt des Klosters Rohr Gre- rung zweier Weltkriege könne die EU traditionell in der Aula gor Zippel OSB und der feierliche als Erfolgsgeschichte ersten Ranges (Fotos: ag) Tanz in den Mai. gesehen werden. Leider sei das Be- Michael Schuch

Der Ackermann 2-2016 | 25 Familiennachrichten

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Bundesebene Limburg Würzburg

03. 07. 70 Jahre Sudetendeutsche 17.09.-01.10. 80. Begegnungsfahrt 09.07. Kiliani-Wallfahrt, Würzburg, Neu- Wallfahrt nach Altötting nach Südtirol münsterkirche 31.07.-07.08. Deutsch-Tschechische 22.07., 18.30 Uhr, Gottesdienst mit Pfr. Kulturwoche „Rohrer Sommer“, Mainz Oehrlein, Euerfeld, Bruder-Klaus- Kloster Rohr Kapelle 14.-27.08. XXV. Colloquia Ustensia - 10.09., 15.00 Uhr Vortrag Dr. Jozo 16.-28.09. Ausstellung „Christlicher Sommerakademie 2016, Aussig/ Džambo „Kaiser Franz-Josef im sudetendeutscher Widerstand“, Ústí nad Labem Spiegel der Karikaturen“, Darmstadt, Würzburg, Rathaus 12.-13.09. Konferenz der Diözese Leit- St. Fidelis 19.09. Vortrag zu P. Engelmar Unzeitig, meritz „150 Jahre Philippsdorf“, Würzburg, Burkardushaus Krásná Lípa/Schönlinde München 24.09., 14.00 Uhr, Seligsprechung von P. Engelmar Unzeitig, Würzburg, Augsburg 09.07., 17.00 Uhr Primizgottesdienst mit Dom Neupriester H. Philipp Werner. Mün- 24.07. Kulturwallfahrt nach Maria Stein- chen, St. Nepomuk (Asamkirche) Junge Aktion und bach 10.09. Kulturwanderung Jugendbildungsreferat September Kulturfahrt nach Regens- 19.09., 19.00 Uhr Vortrag Prof. Dr. Ste- burg fan Samerski „Clemens Fürst von 19.-31.07. Internationale Jugendbegeg- Metternich (1773-1859)“ nung mit Aktion West-Ost in Kreisau Bamberg 20.-22.09. Wiestagung des ehemaligen anschl. Weltjugendtag in Krakau Hochschulrings (PL) 04.09. 71. Vertriebenenwallfahrt nach Juli Řehlovice-Cup Vierzehnheiligen, Nürnberg 14.-21.08. 17. Deutsch-tschechische 10.30 Uhr Pontifikalamt mit Erz- Kinder- und Jugendbegegnung bischof em. Dr. Rudolf Zollitsch 10.09. Vortrag Ursula Flegel „Plasto Fantasto“ in Haidmühle/ „Höhepunkte bei Studienfahrten“ Bayerischer Wald Freiburg 13.09., 19.00 Uhr „JAG meets AG und 08.-14.08.2016 Deutsch-tschechische JA“, Literaturhaus Nürnberg Spurensuche 21.09. Vortrag „Flucht und Trauma“, Karlsruhe, Dekanatszentrum Passau Sdružení Ackermann-Gemeinde 30.09.-02.10. Seminar „Erinnern - Auf- arbeiten - Versöhnen“ mit 24.09. Studien- und Begegnungsfahrt 24.-25.09. Ökumenische Studienreise Dr. Astrid Feistel „Grenzenlos wandern“, mit Diözese nach Nürnberg mit der Deutsch- Regensburg sprachigen Katholischen und der Fulda Evangelischen Gemeinde in Prag Regensburg 10.09. Herbsttagung in Fulda 24.09. Studien- und Begegnungsfahrt „Grenzenlos wandern“, mit Diözese Passau

Seit 70 Jahren kommen die Sudetendeutschen zur Muttergottes nach Altötting mit ihren Sorgen, ihren Bitten und ihrem Dank. Feiern Sie mit:

Sonntag, 3. Juli 2016 „Heimat im Glauben“ 70 Jahre Sudetendeutsche Wallfahrt Altötting

10.00 Uhr Wallfahrtsgottedienst in der Basilika St. Anna mit Weihbischof Dr. Reinhard Hauke, Erfurt 14.00 Uhr Marienfeier mit Totengedenken in St. Konrad, anschl. Prozession zur Gnadenkapelle mit Pilgersegen

Herzliche Einladung! Weitere Veranstaltungen und nähere Infos in Ihrer Diözesanstelle