SELBSTBILDNISSE IM ANGESICHT DER BEDROHUNG DURCH DEN NATIONALSOZIALISMUS Reaktionen Diffamierter Künstler Auf Die Nationalsozialistische Kulturpolitik
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SELBSTBILDNISSE IM ANGESICHT DER BEDROHUNG DURCH DEN NATIONALSOZIALISMUS Reaktionen diffamierter Künstler auf die nationalsozialistische Kulturpolitik Inaugural-Dissertation Zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie An der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Philosophisch-Historische Fakultät Kunsthistorisches Institut vorgelegt von Kristina Hoge M. A. Korngasse 17 69221 Dossenheim Referent: Prof. Dr. Dietrich Schubert 2 Inhaltsverzeichnis BAND 1: TEXTBAND I. Einleitung 5 1. Forschungsstand 5 2. Gegenstand und Methode der Untersuchung 7 II. Thematische Einführung 12 1. Das Selbstporträt als Bildthema 12 2. Zur Kulturpolitik des Nationalsozialismus 14 2.1 Prolog in Thüringen 14 2.2 Mittel der Diffamierung 15 2.3 Wen trifft die Diffamierung? 20 2.4 Die Position Hitlers 23 2.5 Reaktion der Diffamierten 25 III. Malerei 27 1. Künstler der inneren Emigration 27 1.1 Auswahlkriterien 27 1.1.1 Otto Dix 28 1.1.2 Curt Querner 41 1.1.3 Otto Nagel 46 1.1.4 Käthe Kollwitz 51 1.1.5 Karl Hofer 55 1.1.6 Erich Heckel 61 1.1.7 Wilhelm Schnarrenberger 66 1.1.8 Willi Müller-Hufschmid 71 1.1.9 Wilhelm Geyer 75 2. Künstler zwischen Anpassung und Verfemung 79 2.1 Auswahlkriterien 79 2.1.1 Conrad Felixmüller 80 2.1.2 Carlo Mense 86 2.1.3 Christian Schad 89 2.1.4 Rudolf Schlichter 91 2.1.5 Franz Radziwill 99 3. Künstler der äußeren Emigration 106 3.1 Auswahlkriterien 106 3.1.1 Max Beckmann 107 3.1.2 George Grosz 121 3.1.3 Reinhold Nägele 130 3 4. Jüdische Künstler in der äußeren Emigration 135 4.1 Auswahlkriterien 135 4.1.1 Max Liebermann 137 4.1.2 Felix Nussbaum 142 4.1.3 Gert Wollheim 148 4.1.4 Jankel Adler 153 4.1.5 Ludwig Meidner 156 4.1.6 Rudolf Levy 162 4.1.7 Peter Weiss 166 4.1.8 Leo Maillet 171 5. Einzelreaktionen 175 5.1 Auswahlkriterien 175 5.2 Konsekutives Selbstbildnisverhalten 176 5.2.1 Oskar Kokoschka 176 5.2.2 Paul Klee 180 5.2.3 Anton Räderscheidt 183 5.2.4 Ernst Barlach 187 5.2.5 Georg Scholz 190 5.2.6 Jeanne Mammen 193 5.2.7 Georg Muche 195 5.2.8 Max Lingner 198 5.3 Vergleichendes Selbstbildnisverhalten 201 5.3.1 Hans Grundig 201 5.3.2 Karl Hubbuch 205 5.3.3 Hannah Höch 210 5.3.4 Max Pechstein 215 5.3.5 Richard Ziegler 220 5.3.6 Heinz Battke 223 5.3.7 Kurt Günther 226 5.3.8 Helen Ernst 229 IV. Plastik 234 1. Vorbemerkung zur Situation in der Plastik ab 1933 234 2. Unabhängig arbeitende Plastiker 238 2.1 Auswahlkriterien 238 2.1.1 Joachim Karsch 238 2.1.2 Fritz Cremer 243 2.1.3 Renée Sintenis 247 2.1.4 Eugen Hoffmann 252 2.1.5 Otto Pankok 255 2.1.6 Ernesto de Fiori 261 2.1.7 Gerhard Marcks 264 2.1.8 Georg Ehrlich 271 2.1.9 Käthe Kollwitz 273 2.1.10 Max Beckmann 276 4 3. Plastiker zwischen Anpassung und Verfemung 280 3.1 Auswahlkriterien 280 3.1.1 Fritz Koelle 280 3.1.2 Georg Kolbe 284 3.1.3 Bernhard Hoetger 289 V. Ergebnisse 297 1. Resümee 297 2. Vergleichende Analyse 300 3. Schlußbetrachtung 303 Index 308 Abkürzungen 311 Quellen- und Literaturverzeichnis 313 Verzeichnis und Nachweis der Abbildungen Abbildungen 5 I. Einleitung "Jeder hat seine Gründe: für den einen ist die Kunst eine Flucht, für den anderen, ein Mittel etwas zu erobern." Jean-Paul Sartre 1. Forschungsstand Populär aufbereiteten Medienereignissen wie dem Spielberg-Film Schindlers Liste, der Debatte über das Buch von Daniel Jonah Goldhagen1, der Frage nach dem Verbleib des Nazigolds und der Verstrickung der Schweiz oder der umstrittenen Ausstellung Verbrechen der Wehrmacht ist es zu verdanken, daß eine Beschäftigung mit nationalsozialistischem Unrecht [ für die Begriffe nationalsozialistisch und Nationalsozialismus wird im folgenden die Abkürzung NS verwendet] und insbesondere mit dem Holocaust heute so aktuell ist wie kaum je zuvor. Im Zuge des allgemein wiedererwachten Interesses fanden auch im Bereich der Kunsthistorie neue Recherchen zur NS-Kulturpolitik statt. Rainer Zimmermanns engagiertes Werk Expressiver Realismus. Die Kunst einer verschollenen Generation wurde überarbeitet und neu ediert (1994). In ähnlicher Richtung verweist der von Rudolf Jessewitsch herausgegebene umfangreiche Katalog der Sammlung Gerhard Schneider (1999) auf Künstler, die Verfemt - Vergessen - Wiederentdeckt wurden. Christoph Zuschlag legte eine gründlich recherchierte Materialsammlung zum Thema Ausstellungsstrategien in Nazi-Deutschland vor (1995) 2. Verschiedentlich war man bemüht, einzelne seit der NS-Verfemung in Vergessenheit geratene Künstler wieder zu größerem Bewußtsein zu bringen, so etwa Felix Nussbaum, 1 D. J. Goldhagen, Hitler’s willing executioners, New York 1996. Zur Debatte um Goldhagens Thesen vgl. J. Heil/ R. Erb (Hrsg.), Geschichtswissenschaft und Öffentlichkeit. Der Streit um Daniel Goldhagen, Frankfurt 1998. 2 R. Zimmermann, Expressiver Realismus. Malerei einer verschollenen Generation, überarbeitete Neuausgabe, München 21994; Verfemt - Vergessen - Wiederentdeckt. Kunst expressiver Gegenständlichkeit aus der Sammlung Gerhard Schneider, hrsg. von R. 6 dem man in seiner Heimatstadt Osnabrück ein Museum zueignete3. Nicht zuletzt sind aufschlußreiche Ergebnisse für die Forschung zu erwarten aus der von Andreas Hüneke begonnenen Analyse der im Victoria & Albert Museum in London entdeckten sogenannten ‘Fischer Liste’ (oder Londoner Inventar), die das komplette NS Beschlagnahme-Inventar darstellt und 16558 seit 1937 als 'entartet' gebrandmarkte Kunstwerke benennt.4. In verschiedenen Monographien sind Schicksale einzelner Künstler während der NS-Zeit, teilweise unter Heranziehung von Selbstbildnissen aus dem relevanten Zeitraum, dokumentiert. Eine breit angelegte Untersuchung, die nicht ein einzelnes Künstlerschicksal isoliert, sondern sich in überblicksartiger Weise auf das Empfinden von Künstlern im NS-Deutschland konzentriert und deren Reaktionsweisen im Angesicht der Bedrohung durch NS- Verfemungsaktionen differenziert beleuchtet sowie Vergleichsmöglichkeiten anbietet oder kontrastierende Phänomene aufzeigt, hat es seit den zu großen Teilen überholten Publikationen von Diether Schmidt (1968), E. Frommhold (1968) und Werner Haftmann (1986) nicht mehr gegeben5. Schmidt hatte in seiner Publikation Ich war - ich bin - ich werde sein, in der Selbstdarstellungen deutscher Künstler seit der Jahrhundertwende vorgestellt und kurz kommentiert werden, mit dem Kapitel über die Jahre 1933 - 1945 angedeutet, was anderen Autoren noch nicht aufgefallen war: Das Selbstbildnis ist in den Jahren der NS- Unterdrückung eine häufig vertretene Kunstgattung, und stellt das geeignete Sujet dar für eine Untersuchung, die sich auf das Verhalten und Befinden der von den Repressionen der NS-Kulturpolitik betroffenen Künstler konzentriert. Jessewitsch/ G. Schneider, Köln 1999, C. Zuschlag, "Entartete Kunst". Ausstellungsstrategien im Nazi-Deutschland, Worms 1995. 3 Vgl. die Publikation des Kulturgeschichtlichen Museum Osnabrück, Felix Nussbaum. Verfemte Kunst. Exilkunst. Widerstandskunst, Bramsche ³1995. 4 Zur Auffindung der Liste und ersten Ergebnissen M. v. Lüttichau, in: P.-K. Schuster 51998 sowie A. Hüneke, in: Blume/ Scholz 1999, S. 265ff.; eine Dokumentationsstelle zur ‘Entarteten Kunst’ im Zentralarchiv der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz in Berlin ist im Aufbau begriffen (vgl. Aufruf im Anhang der Publikation von Blume/ Scholz). 5 D. Schmidt, "Ich war - ich bin - ich werde sein". Selbstbildnisse deutscher Künstler des 20. Jahrhunderts, Berlin 1968; E. Frommhold, Kunst im Widerstand. Malerei, Graphik, Plastik 1922 bis 1945, Dresden/ Frankfurt 1968; W. Haftmann, Verfemte Kunst. Künstler der inneren und äußeren Emigration in der Zeit des Nationalsozialismus, Köln 1986. Die im Text angesprochene Lücke fand auch O. Peters, der in seiner Abhandlung, Neue Sachlichkeit und Nationalsozialismus. Affirmation und Kritik 1931 - 1947, Berlin 1998 ab S. 53 anhand von ausgewählten Selbstporträts die Eigenwahrnehmung von Künstlern vor und während des NS untersucht. Er beschränkt seine Darstellung jedoch auf den Bereich der Neuen Sachlichkeit. 7 2. Gegenstand und Methode der Untersuchung Der Aspekt der Selbstporträts im Angesicht der Bedrohung durch den Nationalsozialismus, für den, wie oben dargelegt, Schmidts Materialsammlung eine zentrale, aber keinesfalls erschöpfende Grundlage bildet, wurde zum Ausgangspunkt der folgenden Ausführungen. Ziel ist es, Selbstporträts aus der Zeitspanne von Ende der zwanziger / Anfang der dreißiger Jahre bis zum Ausklang und Nachwirken des Zweiten Weltkrieges gegen 1945/46 vorzustellen und ihren Entstehungshintergrund zu beleuchten. Für die genannte Zeitspanne wird anhand der chronologischen Besprechung von Selbstdarstellungen ausgewählter Künstler - aus den Bereichen Malerei und Plastik -, die von der NS-Verfolgung betroffen waren, die Reaktion und Auseinandersetzung mit dem durch den NS-Staat ausgeübten Druck untersucht werden. Auf das engste verwoben damit ist das Thema der politischen Standpunkte der Künstler im NS, das in kunstgeschichtlichen Abhandlungen bis in die Gegenwart hinein gerne als ‘Tabuthema’ ausgeklammert wurde6. Da Kunstwerke erst aus dem sozialen und ideengeschichtlichen Kontext sowie aus den äußeren Lebensumständen verständlich werden, wird die Darstellung und Deutung der Selbstbildnisse eingebettet in einen biographischen Abriß mit den wichtigsten Lebensdaten des betreffenden Zeitabschnitts. Schon Friedrich Nietzsche verwies auf die Wichtigkeit der Beachtung der Entstehungszusammenhänge von Kunst und betonte den Unterschied zwischen einer Kunst, die aus dem Überfluß und der Bejahung der Welt erwächst, und der, die aus dem Mangel und dem Leiden an der Welt entsteht7. Ein Einblick in die damalige Gefühlslage der Künstler ist zur angemessenen