Stummfilmklassiker Im Filmhaus
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MANTRAP Großbritannien 1929, 100 Min., DCP, restaurierte Fassung, FSK: k.A., engl. ZT, Regie: Arthur Robison, mit: Lars Hanson, Lya de Putti, Carl Harbord, Warwick Ward u.a. Dublin 1917, zur Zeit des irischen Unabhängigkeitskampfes. Bei dem Überraschungsangriff der Polizei auf das Hauptquartier einer aufständi- schen Gruppe erschießt der irische Patriot Francis McPhillipp versehent- lich den Polizeichef. Daraufhin muss dieser untertauchen. Sein Nachfolger in der Gruppe soll Gypo werden, der sich auch mit Francis‘ hübscher Freundin Katie befreundet. Bevor sich der Gejagte nach Amerika ein- schifft, will er Katie überzeugen, mit ihm zu gehen. Als Gypo sieht, wie sich die beiden inniglich umarmen, kocht in ihm die Eifersucht hoch. Er verrät Francis für den Judaslohn von 20 Pfund … Nach der Vorlage des Romans „The Informer“ von Liam O’Flaherty verfilmte der deutsche Regisseur Arthur Robison eine Geschichte um Schuld und Sühne aus dem irischen Kampf gegen die britische Fremd- herrschaft. Unter Mitwirkung von im deutschen Stummfilm geschulten Kameramännern und Set-Designern entstand ein stimmungsvoller und faszinierender Thriller, der dem ungleich bekannteren Remake von John Ford aus dem Jahr 1935, das mit vier Oscars ausgezeichnet wurde, keineswegs nachsteht. So., 28.1. um 18 Uhr ~ 2 ~ USA 1926, 112 Min., 35 mm (Courtesy of Photoplay Productions © 1982 Photoplay Productions), restaurierte Fassung, FSK: k.A., engl. ZT, Regie: Clarence Brown, mit: Greta Garbo, John Gilbert, Lars Hanson, Barbara Kent u. a. Der Militärka- dett Leo von Harden lernt auf einem Hei- maturlaub die betö- rende aber verheira- tete Gräfin Felicitas von Rhaden kennen und beginnt ein Lie- besverhältnis mit ihr. Als Felicitas’ Mann das Paar in flagranti ertappt, kommt es zum Duell, vorgeb- lich wegen eines Streits am Spiel- tisch. Beim Schuss- wechsel tötet Leo den Grafen. Um Gras über die Sache wachsen zu lassen, geht er in die Kolonien. Als Leo zurückkehrt, ist Felicitas mit seinem Jugendfreund Ulrich verheiratet, der von der Liebe der beiden nichts ahnt. In dem außergewöhnlichen Melodram um Liebe und Leidenschaft, Treue und Freundschaft umgibt Greta Garbo von Anfang an eine Aura aus Licht, auch – und erst recht – im Schatten. Als ihr Partner John Gilbert im dunklen Garten ein Streichholz entzündet, um ihr Feuer zu geben, wird die Flamme zum erotischen Fanal, hervorgerufen durch eine Glühbirne in Gilberts geöffneter Hand. In Nahaufnahmen wie diesen, durchgesetzt und entwickelt von Greta Garbos ständigem Kameramann William Daniels, der in ihrem ersten gemeinsamen Film „die Göttliche“ überhaupt erst erschaffen hatte, modelliert das Licht viel stärker als das mimetische Spiel alle Gefühlsregungen auf dem makellos strahlenden Gesicht des weiblichen Stars. The presentation of “Flesh and the Devil” by arrangement with Photoplay Productions. So., 25.2. um 18 Uhr ~ 3 ~ Deutschland 1921, 90 Min., 35 mm, restaurierte und viragierte Fassung, FSK: k.A., Regie: Valy Arnheim, mit: Valy Arnheim, Marga Lindt, John Rappeprt, Victor Colani u.a. „Die Blitzzentrale“ ist ein packend inszenierter Sensationsfilm und das Überbleibsel einer einst populären, aber heute fast völlig vergessenen Kinokultur. Die Geschichte kreist um die Erfindung eines phantastischen Appara- tes, mit dessen Hilfe die elektrische Kraft von Blitzen nutzbar gemacht werden soll. Eine Revolution in der Energieversorgung der Welt steht bevor. Im Auftrag eines großen Industrieunternehmens soll eine ebenso mondäne wie skrupellose Agentin die Pläne des genialen Erfinders stehlen. Sie setzt alle Mittel einer schönen Frau ein, doch kommt ihr der clevere Detektiv Harry Hill in die Quere. Beide liefern sich einen Kampf um Leben und Tod. Das alles ist flott, modern und auch charmant, mit visuellem Einfallsreichtum und schönen Tricks inszeniert. „Die Blitzzentrale“ erscheint mit ihrer Mischung aus Agentengeschichte, Science Fiction und Jungenphantasie wie ein früher Verwandter der James Bond- Reihe: Ein Spektakel mit rasanten Verfolgungsjagden, gewagten Stunts, Geheimverstecken und explodierenden Maschinen, mit Verkleidungskünstlern und gefährlichen Frauen. Daß dabei mit der Energieversorgung ein damals wie heute brandaktuelles und viel disku- tiertes Thema im Hintergrund steht, erhöht noch den Reiz der Geschichte. Freilich ergründet der Film nicht die letzten Fragen der menschlichen Existenz, sondern er zelebriert die Kultur der populären Unterhaltung und bietet Kost für die Augen und die Sinne. Auch 85 Jahre nach der Premiere birgt die einzige erhaltene und vom Bundesarchiv-Filmarchiv (Berlin) restaurierte, wunderbar eingefärbte Fassung von „Die Blitzzentrale“ zu allererst ein sinnliches Erlebnis. Philipp Stiasny So., 25.3. um 18 Uhr ~ 4 ~ USA 1926, 86 Min., 35 mm (Preserved by the Library of Congress), restaurierte Fas- sung, FSK: k.A., engl. ZT, Regie: Victor Fleming, mit: Clara Bow, Ernest Torrence, Percy Marmont, Eugene Pallette u.a. Der Hinterwäldler Joe Easter sucht in der großen Stadt jenseits der Grenze Abwechslung zur rauhen Wildnis Kanadas. Dort verguckt er sich in die quirlige Maniküre Alverna, die er als Ehefrau zurück in seinen Heimatort Mantrap nimmt. Die Ankunft des gestreßten New Yorker Scheidungsanwalts Ralph Prescott, der den Avancen seiner Klientinnen durch einen echten Männerurlaub entrinnen möchte, bringt jedoch die Idylle ins Wanken: Die lebenslustige Alverna, die sich zunehmend in der Abgeschiedenheit langweilt, beginnt mit dem Anwalt zu firten … Hauptdarstellerin Clara Bow verkörperte in den 1920er Jahren zusammen mit Louise Brooks und Colleen Moore den „Flapper“: junge Mädchen mit kurzem Haarschnitt und kurzen Röcken, die sich über gesellschaftliche Konventionen hinwegsetzten. Das „It-Girl“ des Jazz Age, die Verkörperung des modernen Zeitgeistes von sexueller Freizügigkeit und Selbstverwirklichung, zeigt, dass ihre Freiheit auch die des Mannes sein kann, dass die sexuelle Energie der Frau keine Bedrohung der Männlichkeit sein muss, vielmehr ihre Erfüllung. Mit ihren 21 Jahren hatte Bow bereits 30 Filme gedreht. „Mantrap“ war nicht nur ihr Durchbruch in Hollywood, sondern auch, wie sie später für ihre Söhne auf einem Stapel Produktionsfotos notierte, „The best silence film I ever made.“ Regisseur Victor Fleming, Allround-Genie, der vom Western zu „Vom Winde verweht“ und zum „Zauberer von Oz“ zeigte, dass er praktisch alles konnte, dreht die muffig-moralische Erzählung von Sinclair Lewis in seinem Film um: Nicht die Maniküre Alverna ist die eigentliche Männerfalle, vielmehr die männlichen Vorurteile und liebgewordenen Traditionen. So., 29.4. um 18 Uhr ~ 5 ~ USA 1928, 83 Min., 35 mm (Preserved by the Library of Congress), FSK: k.A., engl. ZT, Regie: King Vidor, mit: Marion Davies, William Haines, Dell Henderson, Paul Ralli und Gastauftritten von Charles Chaplin, Douglas Fairbanks, John Gilbert, William S. Hart, Norma Talmadge, Louella Parsons u.a. Peggy Pepper aus Geor- gia ist zum Star geboren. Da- her reist sie mit ihrem Vater Oldfish nach Hollywood. Die Comet Studios nehmen das kesse Country-Girl unter Ver- trag, aber ihre Qualitäten als Tragödin sind dort nicht ge- rade gefragt. Sie spielt in billi- gen kleinen Slapstick-Komö- dien, wo sie an der Seite des jungen Komödianten Billy Boone Erfolge erzielt. Schließlich wird Peggy doch noch entdeckt. Im „High Arts Studio“, wo „große Film- kunst“ gemacht wird, avan- ciert sie als „Patricia Pepoire“ zum Star in seichten Melo- dramen. Allerdings gerät sie jetzt in Gefahr, jede Boden- haftung zu verlieren; ihre Starallüren werden allen bald unerträglich … „Show People“ ist eine glänzende Satire auf die so genannte Traumfab- rik, auf die Welt des Show Business. King Vidor trifft die Atmosphäre der Gol- denen Zwanziger in Hollywood und transportiert in seiner Mischung aus Fik- tion und Authentizität eine gehörige Portion Selbstironie und sehr unterhalt- same Medienkritik. Die Traumfabrik wird mit allen Licht- und Schattenseiten vorgeführt: der Aufstieg und Fall eines Stars (inspiriert von Gloria Swansons Karriere), das vielgliedrige Produktionswesen, die Fließbandarbeit, die Lust und Launen der Verantwortlichen, die Korrumpierbarkeit. Marion Davies glänzt in der Hauptrolle und kann nach dem im selben Jahr entstandenen „The Patsy“ abermals mit King Vidor ihr Talent entfalten. Sa., 19.5. um 18 Uhr ~ 6 ~ Deutschland 1926, 90 Min., 35 mm, restaurierte Fassung, FSK: k.A., Regie: Hanns Schwarz, mit: Ossi Oswalda, Max Hansen, Georg Alexander, Vivian Gibson u.a. Eine turbulente Komödie mit der großartigen Ossi Oswalda, die in der Rolle eines Varietéstars beinahe vor Energie platzt. Sie liebt einen erfolglosen Zahnarzt, der aber auf Wunsch seines reichen Onkels ein Mädchen aus der Provinz heiraten soll. Die daraus resultierenden Verwirrungen bie- ten Ossi Oswalda Gelegenheit für ihre berühmten Temperamentsaus- brüche, für Ver- steckspiele in Män- nerkleidung, Komik und Anarchie. „Flottes Tempo, atemberaubende Spannung und zwerchfellerschütt- ernde Situationen. Messer blitzen, Re- volver krachen, es regnet Küsse und hagelt Ohrfeigen“, bilanziert die Tägliche Rundschau (5.9.1926). Dass der Film so gut ankam, hatte auch mit Oswaldas hochkarätigen Kollegen zu tun, die in den Jahren danach in die erste Reihe der deutschen Filmkünstler aufstiegen – den Regisseuren Hanns Schwarz und Wilhelm Thiele (hier: Drehbuchautor) sowie dem Schlagersänger Max Hansen. Sie alle drückten der musikalischen Komödie der frühen Tonfilmzeit ihren Stempel auf. Und alle drei mussten 1933 aus Deutschland emigrieren. „Die Kleine vom Varieté“ war überdies der letzte Film des 1927 gestorbenen Produzenten Paul Davidson, einem Pionier des deut- schen Film- und Kinowesens, Lubitsch-Förderer und ehemaligen Ufa- Direktor. So., 24.6. um 20 Uhr ~ 7 ~ FLESH AND THE DEVIL ~ 8 ~ .