SUBstitut Produktions GbR Rykestr. 35 10405 Tel. 343 900 54 www.toomuchfuture.de

Pressetext

IN GRENZEN FREI Fotografie, Mode, Underground in der DDR 1979-89

Kunstgewerbemuseum Berlin - Staatliche Museen zu Be r l i n 4. Juli bis 13. September 2009 IN GRENZEN FREI ist die erste Bestandsaufnahme einer subkulturellen Modebewegung in der DDR. Anhand von Fotografien, Modellen, Videos, Dia-Projektionen und Publikationen wird diese Bestandsaufnahme im Kontext der offiziellen DDR-Mode präsentiert. Im internationalen Maßstab ist dies eine Geschichte der Mode in Zeiten der Diktatur.

Die Dissidenz der Mode-Subkultur in der DDR bezog sich sicher in erster Linie auf die Modepolitik von “HO” und “KONSUM”. Diese beiden staatlichen Handelsketten produzierten “Mode nach Plan”. Das Angebot an Textilien für die eigene Bevölkerung zeichnete sich meist durch billige Stoffe, billige Verarbeitung und durch einen billigen “Chic” aus. Die DDR-Konfektion funktionierte in Stückzahlen, nicht aber über Kategorien wie Qualität. Der Mentalität einer textilen Massenfertigung durch eine an Quantität ausgerichteten Textilindustrie, entsprach es, dass die Entwürfe der Mode- und Textilgestalter nach ihrer Umsetzung meist nicht wieder zuerkennen waren und nach nicht selten zehn staatlichen Entscheidungsebenen auch nichts mehr mit den Bedürfnissen der Käufer zu tun hatten.

Eine Subkultur lässt sich am besten darstellen, wenn man sie in ein Verhältnis zu der etablierten Kultur stellt, von der sie sich abzusetzen sucht. Das ist im Falle der Modewelt DDR ein anspruchsvolles Unterfangen. Die Ausstellung setzt eine Subkultur in Szene, welche die DDR- Jugendmode der HO nicht zur Kenntnis nahm. Im Umkehrschluss ist die offizielle DDR-Mode als Ganzes jedoch nicht einfach an einem Mangel an Rohstoffen, Kreativität und Sinnlichkeit festzumachen. Innerhalb ihrer Grenzen, etwa im Umfeld der Modezeitschrift Sibylle, gab es durchaus Tendenzen, dem Einheitslook Individualität entgegenzusetzen. In diesen Tendenzen lag eine Schnittstelle zur Underground-Modeszene. Eine ganz direkte Verbindung bestand darin, dass die Modesubkultur von bekannten Fotografen inszeniert, begleitet und dokumentiert wurde. Einige dieser Fotografen arbeiteten für die Sibylle und waren somit Teil des DDR-Modebetriebs wie auch Chronisten einer alternativ agierenden Szene.

IN GRENZEN FREI setzt das Portrait einer Mode-Subkultur in Beziehung zur offiziellen Mode-Kultur. Die Ausstellung ist aber zugleich ein Portrait vieler Fotografinnen und Fotografen, welche beide Mode- Welten ins Bild setzten. Die Vielschichtigkeit dieser Fotografie ist einmalig. Ausgestellt werden unter anderem Fotografien von Tina Bara, Hartmut Beil, Sibylle Bergemann, Michael Biedowicz, Harald Hauswald, Jürgen Hohmuth, , Werner Mahler, Sven Marquardt, , Helga Paris, Robert Paris und Frieda von Wild.

„New York ist dort, wo wir sind!“, so drückte es damals eine der jungen Underground- Designerinnen aus. Die DDR war für sie nur noch bedingt existent bzw. Realität. Die Mode-Subkultur nahm sich die Freiheit bevor diese durch den Fall der Mauer manifest wurde. Das Design der Underground-Modeszene widersprach den ästhetischen Standards einer sozialistischen Massenproduktion und griff die Idee des Unikats auf. Die so entstandene Mode entzog sich der praktischen Anwendbarkeit auf den DDR-Alltag. Dem Pathos der Macht und ihrer Parolen setzten junge Menschen das Pathos der Romantik oder die ironische Umwidmung sozialistischer Symbole zu Dekorations- und Modeaccessoires entgegen. Die Mode-Subkultur und deren provozierende Inszenierungen gaben der Jugend eine Individualität und Sinnlichkeit zurück, die den Einheitslook der Jugendmodekaufhäuser ad absurdum führte. Verschiedene Gruppen wie chic, charmant und dauerhaft (ccd), Allerleirauh, Omelette Surprise, stattgespräch, Larifari oder anstandslos kreierten eine Mode, die von ihrem individuellen Lebensstil nicht zu trennen war und präsentierten ihre Kollektionen in eigener Regie und in unabhängigen organisatorischen Strukturen.

Der kreative Kern der Szene bestand beinahe ausschließlich aus Frauen. Es gab wohl kaum eine Jugendszene, die derart von Frauen initiiert wurde. Dies setzt die Performance und Underground- Modeszene wesentlich von anderen Jugendszenen in der DDR ab.

Auf den politischen Akt der Selbstbestimmung und Eigeninitiative folgten, als logische Konsequenz, die Verbote aufzutreten, Verhinderungsbemühungen sowie spätere Vereinnahmungsstrategien durch die Staatssicherheit. Die Staatssicherheit sah sich mit einer Gegenkultur konfrontiert, die dem aufrechten FDJ-ler eine Sinnlichkeit entgegensetzte, mit der die Funktionäre nicht umzugehen wussten, und die sie deshalb massiv beargwöhnten.

Mode in der DDR war, wie andere Ereignisfelder auch, nie frei von einer politischen Dimension. Underground- und offizielles Design, beide Modewelten waren Parallelwelten, deren Kollektionen aus demselben Bedürfnis nach Individualität im DDR-Kollektiv entstanden. Bewegten sich die einen in Grenzen frei, so testeten die anderen die Grenzen eines kaputten Systems. IMPRESSUM

IN GRENZEN FREI Fotografie, Mode, Underground in der DDR 1979-89

04.07. - 13.09.2009 Vernissage: 03.07.2009

Kunstgewerbemuseum / Staatliche Museen zu Berlin Kulturforum Potsdamer Platz Matthäikirchplatz 4/6 10758 Berlin Tel. 266 290 2 [email protected]

Produktion SUBstitut Rykestr. 35 10405 Berlin Tel. 343 900 54 www.toomuchfuture.de

Projektleitung Michael Boehlke

Ausstellungs-Kuratorium Michael Boehlke Henryk Gericke Grit Seymour Frieda von Wild

Text SUBstitut / Henryk Gericke unter Verwendung von SIBYLLE - Modefotografie aus drei Jahrzehnten DDR, Hg. Dorothea Melis, Schwarzkopf & Schwarzkopf 1998

Die Ausstellung wird gefördert durch die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Kunstgewerbemuseum - Staatliche Museen zu Berlin Frieda von Wild

1962 in Berlin (Ost) geboren 1968-1978 Polytechnischen Oberschule „Tamara Bunke“, Berlin-Mitte 1977-1978 Förderkurs Malerei/Grafik an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee 1980 Abschluss einer Schriftsetzerlehre (Akzidenzsatz) 1980-1982 Galeriebetreuung bei Josefine E. von Krepl 1982-1988 Assistenz bei der Fotografin Sibylle Bergemann 1984 Abschluss einer Fotografenlehre bei Sibylle Bergemann und der DEFA 1984-1990 künstlerische Mitarbeit und Mitbegründerin der Modeperformance- projekte „c, c, d“, daran anschließend „Allerleirauh“ div. Jobs als Fotografin, Modell, Kleindarstellerin 1988 Übersiedlung von Berlin-Ost nach Zürich (Schweiz), anschließend nach Berlin-West 1989 8-monatiges Praktikum bei der Strickmodedesignerin Claudia Skoda 1990 „Allerleirauh“ fährt als Bestandteil des von Christoph Tannert und Maurice Najmann organisierten Kunstspektakels unter dem Titel „L´autre Allemagne hors le murs“ in die Gran Halle de la Vilette nach Paris „In Foto-In Ferro“, Fotoausstellung gemeinsam mit Stahlskulpturen von Achim Tischer 1991 Gruppenausstellung junger Ex-DDR Fotografen im Rahmen des Fotofestivals „encontros da imagem“ in Braga (Portugal), Organisation Prof. 1991-1993 „Scherengitter – Strick & Galerie“ gemeinsam mit Eva Sämann. Designermode und Galerie, ausgestellte Künstler waren u.a.: Sibylle Bergemann, Ute Mahler, Andres Kilger, Harald Hauswald, Christoph Husemann 1992 die Kollektionen der jungen Ex-DDR Fotografen werden im „Centro de Fotografia Isla de Tenerife“ ausgestellt 1994 Geburt einer Tochter 1995 Zusammenarbeit mit Silvia Schneider – Schmuckobjekte und Katia Dathe – Modedesign unter dem Label „Karl Faktor Group“ 1996-1998 Kollektionspräsentationen in div. Showrooms und auf Modemessen in Paris seither div. Ausstellungen, Präsentationen, Veranstaltungen und Modeevents im gesamten Bundesgebiet

GRIT SEYMOUR

1966 in Halle/Saale geboren, lebt in Berlin 1972 -1980 POS “Frohe Zukunft”, Halle/S 1980 -1884 EOS “August Herrmann Francke”, Halle/S 1984 Lehre Kleidungsfacharbeiter, VHB Exquisit Berlin 1983 - 1988 Fotomodel und Mannequin, Modeinstitut der DDR und Volkshandelsbetrieb Exquisit 1985 - 1986 Studium Modedesign, Kunsthochschule Weißensee Berlin, 1986 Exmatrikulation aus politischen Gründen 1986 - 1987 Zwangsarbeit als Näherin im VEB Jugendmode Mühlhausen 1988 Übersiedlung nach West Berlin 1988 - 1994 Fotomodel und Mannequin, Berlin, Hamburg, Paris, Mailand 1988 - 1991 Studium Modedesign, Hochschule der Künste Berlin/West 1991 - 1992 Studium Fashion Design, Central Saint Martins, London/BA 1992 - 1994 Studium Womenswear Fashion, Royal College of Art, London/Master of Art 1994 - 1996 Designer für Max Mara Spa, Italy: Start-up der Linie MM by Max Mara + Design der Linie Max Mara. 1996 - 1999 Max Mara, Italy: Design Konsultant, Design der Linien Marella and Max & Co. classics. 1996 - 1997 Donna Karan, New York: Senior Designer, Start-up der Donna Karan Signature Linie 1997 - 1999 Daniel Hechter, Paris: Künstlerischer Direktor, Kreativ Direktion der DOB Linie 2001 - 2007 Grit Seymour Designstudio, Mailand/Berlin: Kreativ-Direktion/Consulting für pret-a- porter Kollektionen und Accessories, Projekte/Klienten: - Kreativ Direktion fuer Eres, Chanel Gruppe, Paris 2002 - Five Foxes, Tokyo, 2001- 2007 - Krizia, Milan, 2003 - RedGreen, Denmark, 2005 2003 - 2007 eigenes Mode Label: t-a-p-e by grit+jerszy seymour 2006 - 2012 Universität der Künste, Berlin Professor für Mode Design

Bücher: ‘Xtreme Fashion’ by Courtney Smith+Sean Topham, Prestel Verlag , Munich, London, New York, 2005 "TAPE-An Excursion Through the World of Adhesive Tapes" by Kerstin Retta, Gestalten Verlag, Berlin, 2005

Ausstellungen: Tape’- permanent collection of the Museé d’Art Moderne Grand-Duc Jean, Luxembourg, 2005 ‘Tape’, Palais de Tokyo, Paris 2003. ‘Tape versus Crazy Horse’, Paris 2003‘Tape 2’ Officina Stendhal, Milan 2004 ‘Tape @ Young+German, Designmai Berlin 2005 + TDB, Tokyo 2005 ‘Tape/M Publication/Andreas Murkudis event, Berlin, 2005 ‘Tape – Made to measure’ gallery Jochum and Tissy, Berlin 2006 ‘Tape – Made to measure’ gallery Yamamoto, Brussels 2006

Auszeichnungen: IWS Design Award, Germany in 1991 Onward Kashiyama International Design Award, Tokyo 1993 IWS International Design Award, International in 1994 Henryk Gericke

1964 in Berlin (Ost) geboren, lebt in Berlin 1981-83 Lehre als Buchbinder 1983-86 Arbeit als Drucker im Progress-Filmverleih 1986-89 Arbeit im Büro für kunstbezogene Architektur 1990 Mitbegründer und Gesellschafter des Druckhaus Galrev 1992 Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Druckhaus Galrev 1993 Austritt als Gesellschafter aus dem Druckhaus Galrev, seitdem freischaffender Autor ab 1984 als Autor und Herausgeber unabhängiger Editionen, Beiträge in selbstverlegten Zeitschriften („Ariadnefabrik“, „Verwendung“, „Anschlag“, „Liane“ etc.)

1985-87 „Caligo“ (drei Nummern, gemeinsam mit dem Maler Ronald Lippok) 1987 „Autodafé“ (Eigenverlag) 1988 „Braegen“ (Eigenverlag) 1990 „LeiLei“ (Ursuspress 16, Grafiken von Ronald Lippok) 1995 „pied beauty / Gescheckte Schönheit“ (Gedichte von Gerard Manley Hopkins, Übertragungen gemeinsam mit Stefan Döring, Gerhard Falkner und Andreas Koziol - Edition qwert zui opü) 1996 „autoreverse“ (Gedichte, Edition qwert zui opü) 1996 „autoreverse“ (Lp mit elektronischer Musik aus Berlin, gemeinsam herausgegeben mit Bernd Jestram) 1996 „Würgemale“ (Texte der Stranglers, gemeinsam herausgegeben mit der Galerie Weisser Elefant, Übertragungen gemeinsam mit Andreas Koziol, Bert Papenfuß, Grafiken von MK Kähne und Ronald Lippok) 1997 „etwas mit einem auftrag“ (edition seiten) 1999 Beitrag in „Wir wollen immer artig sein, Punk in der DDR“ (Schwarzkopf) 2000 „Soundtrack zum Exodus“ (Text zur DDR-Ausreisewelle 1984, Irland Almanach, Unrast Verlag) 2001 „was ich hörte, was ich sah, was ich dachte, was dann geschah“ (edition seiten) 2003 „eine kommentierte auswahl ungeschriebener gesetze“ (Ludewig Verlag, München) 2003 Produktion der Veranstaltungsreihe „Entartete Jugend – Jugend- und Subkultur in Zeiten der Diktatur“ 2004 Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste Berlin Podiumsteilnehmer am Punk!Kongress in Kassel 2005 Kurator der Berliner Ausstellung „ostPUNK! / too much future“ 2006 Autor und Dramaturg des Kinodokumentarfilms „ostPUNK! / too much future“ 2007-08 Kurator Ausstellung „too much future“ in Dresden, Halle, Gronau zahlreiche Artikel und Beiträge zum Thema Subkultur in der DDR 2007 „Echoverse“ (Gedichte von Edvard de Vere, Übertragungen Verlag München) Michael Boehlke

1964 in Berlin (Ost) geboren, lebt in Berlin 1970-1980 Polytechnische Oberschule 1980-1982 Lehre Facharbeiter für Anlagentechnik 1984-1985 Nationale Volksarmee 1985-1989 selbständig Regieassistent Deutsches Theater Berlin Bühnenbildassistent Staatsoper Berlin Bühnenbildassistent Theater im Palast der Republik 1990-1994 Betreiber Musikgeschäft „Om-Sound“ 1994-1996 Ausbildung Masseur und medizinischer Bademeister 1997-1998 Ausbildung Physiotherapeut 1998-2002 medizinische Weiterbildungen Sportphysiotherapie Operationsvermeidende Orthopädie funktionelle Bewegungslehre 2003-2005 Projektleitung und Kurator Ausstellung „ostPUNK! / too much future“ in Berlin 2005 Herausgeber und Mitautor Katalog „ostPUNK! / too much future“ 2006 Regie und Autor des Dokumentarfilms „ostPUNK! / too much future“ 2007-2008 Projektleitung und Kurator Ausstellung „too much future“ in Dresden, Halle, Gronau

1980-1983 Sänger der Ostberliner Punkband „Planlos“ Mitorganisator von illegalen Punkkonzerten in der DDR 1985 Gründer und Schlagzeuger der Band „Fatale“ 1985-1989 aktiv in „Offener Arbeit“, „Kriegsdienstverweigerer“

Beratung und Mitarbeit an Produktionen zum Thema Punk in der DDR: „Wir wollen immer artig sein“ (H. Havemeister, R. Galenza) „Auch im Osten trägt man Westen“ (G. Furian) Filmproduktion „Störung Ost“ Arte-Themenabend „Rockgeschichte Deutschland“ Internetseite „Jugendopposition DDR“

Seit 2003 Initiator der umfassenden Initiative „ostPUNK! / too much future“ Podiumsteilnehmer an diversen Veranstaltungen zur Subkultur in der DDR