DIE ZUKUNFT DER GLOBALEN GÜTER IN DER WISSENSGESELLSCHAFT Auf der Suche nach einer nachhaltigen Politik zum Schutz des geistigen Eigentums

Dokumentation einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung am 8. November 2002

Hrsg. von der Heinrich-Böll-Stiftung Zuletzt erschienen als Dokumentationen zum Thema „Wem gehört das Wissen?“ DIGITALES URHEBERRECHT – Zwischen ‚Information Sharing‘ und ‚Information Control‘ – Spielräume für das öffentliche Interesse an Wissen? Dokumentation einer Tagung im April 2002 in . Thema war das Verhältnis zwischen privatwirtschaftlichen Verwertungsinteressen und den Interessen der Öffentlichkeit, in der Sprache des Internets: der „public domain“. Die Diskussionsbeiträge, Überlegungen und An- regungen sind in drei Kapitel gegliedert: Geistiges Eigentum in der Wissensgesellschaft, Ur- heberrecht und Wissenschaft, Urheberrecht und Kultur. (Dokumentation Nr. 22)

SAVE PRIVACY – Grenzverschiebungen im digitalen Zeitalter Dokumentation einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung im Juni 2002. In Zusammenar- beit mit Netzwerk Neue Medien, Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. und der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst. Thema war die Frage, ob wir bereit sind, Privatsphäre und Anonymität dagegen einzutau- schen, daß man uns als Kunden die Wünsche von den Augen abliest oder unser Wissen und Können in Qualitäts- und Wissensmanagementsystemen erst richtig würdigen kann. (Dokumentation Nr. 25)

Dokumentationen der Heinrich-Böll-Stiftung, Nr. 26 DIE ZUKUNFT DER GLOBALEN GÜTER IN DER WISSENSGESELLSCHAFT. Auf der Su- che nach einer nachhaltigen Politik zum Schutz des geistigen Eigentums Dokumentation einer Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung am 8. November 2002 in Berlin Herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung 1. Auflage, Juni 2003  bei der Heinrich-Böll-Stiftung Alle Rechte vorbehalten

Die vorliegenden Beiträge müssen nicht die Meinung der Herausgeberin wiedergeben.

Bestelladresse: Heinrich-Böll-Stiftung, Hackesche Höfe, Rosenthaler Str. 40/41, 10178 Berlin, Tel. 030-285340, Fax 030-28534109, E-mail: [email protected] Internet: www.boell.de

2 Inhalt

Ralf Fücks 5 Vorwort

Andreas Poltermann 7 Global Commons. Einführung in Idee und Absicht der Konferenz

Brian Kahin 14 What’s Wrong with the Development of Intellectual Property Policy? 21 Auszüge aus der Diskussion

Martin Kretschmer 23 Copying the Digital Millennium Copyright Act: European struggles with information control Auszüge aus der Diskussion 35

Bernd Lutterbeck 37 Stifling Innovation – the Case of Software Patents 48 Auszüge aus der Diskussion

Daniel Alexander 51 Integrating Intellectual Property Rights and Development Policy

Rainer Kuhlen 66 Bausteine zur Entwicklung einer Wissensökologie – Plädoyer für eine nachhaltige Sicht auf den UN-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) Auszüge aus der Diskussion 98

Auf der Suche nach einer nachhaltigen Politik zum Schutz des geistigen Eigentums. 102 Eine Paneldiskussion

3 4 Ralf Fücks Vorwort

„Wem gehört das Wissen?“ Das ist eine Frage, die uns als Stiftung bereits seit geraumer Zeit beschäftigt. Wir haben im Jahr 2000 begonnen mit einer Tagung in Kooperation mit dem „Netzwerk Neue Medien“. Themen waren damals vor allem die Diskussionen um Digital Rights und um die Patentierung von Software. Im folgenden Jahr veranstalteten wir als bishe- rigen Höhepunkt im Themenfeld Wissenspolitik den Kongress „Gut zu Wissen – Links zur Wissensgesellschaft“ an der Berliner Humboldt-Universität, der ein breites Spektrum an neu- en Fragen behandelte, die mit dem Übergang zur Wissensgesellschaft verbunden sind. Dazu gehörte auch ein Panel zur Frage „Wem gehört das Wissen?“. Das gleichnamige Buch kann ich sehr empfehlen als Überblick über die zentralen politischen Kontroversen und Konflikte, die mit dem Thema Wissensgesellschaft verbunden sind. Im April 2002 folgte die Tagung „Digitales Urheberrecht – Zwischen ‚Information Sharing‘ und ‚Information Control‘“, in deren Zentrum die Auseinandersetzung mit dem Referenten- entwurf zur deutschen Urheberrechtsnovelle stand. Es gelang uns damals, das neu formierte Verbraucherministerium für verschiedene Fragen in diesem Kontext zu interessieren. Dazu gehörte vor allem das Recht auf Privatkopie, das entwertet wird, wenn Kopierschutzmaßnah- men die Kopie für den privaten und nichtkommerziellen Gebrauch verhindern und ihre Um- gehung verboten wird. Ein zweites Konfliktthema war damals die Kennzeichnungspflicht für Kopierschutzmaßnahmen. Mit der Forderung nach einer solchen Kennzeichnungspflicht hat sich das Verbraucherschutzministerium damals durchsetzen können, nicht jedoch mit seinen Einwänden gegen das Umgehungsverbot für Kopierschutzmaßnahmen. Für uns ist die Verknüpfung von Verbraucherschutz, digitalen Rechten und Wissen als öf- fentliches Gut ein zukunftsträchtiger Ansatz, der neue politische Allianzen eröffnet. Es ist ei- ne spezifische Eigenschaft von geistigen Werken, dass sie unendlich reproduzierbar sind, wie schon Walter Benjamin erkannt hat. Das Internet hat diese Möglichkeit noch um ein Vielfa- ches sowohl beschleunigt als auch erweitert. Zwischen diesen neuen technischen Möglichkei- ten und der Warenform von Wissensprodukten, die als privates Eigentum verwertet werden, besteht ein latenter Konflikt, der im öffentlichen Interesse geregelt werden muss. Dazu bietet der neue rot-grüne Koalitionsvertrag einige interessante Ausblicke. Er schreibt nämlich dem Verbraucherschutzministerium eine Querschnittsfunktion zu, und ein erklärter Schwerpunkt auf diesem Feld soll der Verbraucherschutz in der Informations- und Dienstleistungsgesell- schaft sein. Über den Konflikt über das Urheberrecht hinaus stehen eine ganze Reihe von wichtigen Ge- setzgebungsverfahren zu umstrittenen Fragen der Wissenspolitik an. Dazu gehören vor allem die Biopatentrichtlinie der Europäischen Kommission und die EU-Initiative zur Softwarepa- tentierung. Wir hoffen, dass diese Themen trotz ihrer Komplexität die ihnen gebührende öf- fentliche Aufmerksamkeit finden werden. Hier fallen Schlüsselentscheidungen für die Zu- kunft der Wissensgesellschaft. Auch der Punkt der Koalitionsvereinbarung, der dem Thema Nachhaltigkeit als globale Her- ausforderung gewidmet ist, ist für unsere Tagung heute bedeutsam und wird im Titel unserer Konferenz angesprochen. Die Bundesregierung will sich an den anstehenden Verhandlungen 5 im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) unter den Leitlinien des Fairen Handels und der Erhaltung der globalen Güter beteiligen. Das ist zumindest eine interessante und viel ver- sprechende Absichtserklärung für das drittgrößte Industrieland unserer Erde. Dazu gehört auch eine Revision des TRIPs-Abkommens, das die Frage der intellektuellen Eigentumsrechte einseitig zu Gunsten der wissensbasierten transnationalen Konzerne regelt. Mit diesen Ab- sichtserklärungen greift der Koalitionsvertrag neue gesellschaftliche Initiativen auf, die Verbraucherinteressen und das Interesse an der Erhaltung und Pflege öffentlicher Güter kop- peln. Die Avantgarde auf diesem Gebiet bilden vor allem diverse Gruppierungen zum Verbraucherschutz in den USA, z.B. die Consumer Union, das Consumer Project on Tech- nology, die Electronic Frontiers Foundation oder das Electronic Privacy Information Center. Wie so oft sind in den USA bereits Trends erkennbar, die künftig auch nach Europa über- schwappen werden. Zum Schluss ein kurzer Ausblick auf die weiteren Planungen der Stiftung zum Themenkreis Wissensgesellschaft und Wissenspolitik: Im Zentrum unserer Arbeit im Jahr 2003 werden Projekte zur Vorbereitung und kritischen Begleitung des World Summit on Information So- ciety stehen, der in zwei Etappen 2003 in Genf und 2005 in Tunis stattfinden wird. Wir be- greifen es als unsere Aufgabe, mit dafür zu sorgen, dass diese UN-Konferenz von einer regen öffentlichen Information und Diskussion begleitet wird und dass es zivilgesellschaftliche In- tervention schon im Vorfeld dieser Konferenz gibt in dem Sinne, dass nicht nur die Experten und die ökonomisch Interessierten die Themen bestimmen, sondern auch die Zivilgesell- schaft ein entscheidendes Wort mit zu reden hat.

Ralf Fücks ist Mitglied des Vorstandes der Heinrich-Böll-Stiftung.

6 Andreas Poltermann Global Commons – Einführung in Idee und Absicht der Konferenz

Im Deutschen wird zur Zeit der Regierungsentwurf zum neuen Urheberrechtsge- setz beraten, das die entsprechende EU-Richtlinie umsetzen soll. Neben einigen notwendigen Anpassungen an die veränderten Bedingungen der digitalen Umwelt sind hier voraussichtlich auch umstrittene Paragraphen enthalten, die einseitig auf die Förderung von Informations- märkten und die Kommodifizierung geistiger Erzeugnisse setzen. Das geplante Gesetz soll den rechtlichen Rahmen für Kontrollsysteme wie das Digital Rights Management schaffen, die Umgehung von Kopierschutzsystemen verbieten und bisher als „fair use“ erlaubte Nut- zungsformen wie die Kopie für den privaten nichtkommerziellen Gebrauch be- oder verhin- dern. Gefährdet wird dadurch eine Praxis, auf der zu guten Teilen die kulturelle Tradierung und die Entfaltung von Innovation und Kreativität beruhen. Die EU-Richtlinie orientiert sich weitgehend am US amerikanischen Digital Millenium Copy- right Act (DMCA) von 1998. Sie läuft damit Gefahr, auch die nicht intendierten Nebenfolgen eines rigiden Kontroll- und Verwertungsregimes zu befördern, die sich in den USA bereits abzuzeichnen beginnen. Das neue Copyrightregime nämlich droht - durch seine Ausrichtung an Informationsmärkten und privaten Verwertungsinteressen den Bestand öffentlich zugänglicher Informationen (Commons) zu verkleinern - das Innovationssystem der Wissensgesellschaft zu schwächen. In den USA und Europa werden die Probleme rigider Copyright- und ausgeweiteter Patentre- gime seit Jahren kontrovers debattiert. Dabei geht es nicht allein um Vor- oder Nachteile für einzelne Interessengruppen – nicht um den Streit zwischen Verlagen und Wissenschaft, oder zwischen der IT Industrie, die auf digitale Kontrollsysteme setzt, und Content-Industrie, die gegenwärtig am liebsten beides will: Pauschalvergütung auf Kopien und Rechtekontrolle. Und es geht auch nicht um den Streit zwischen Content-Industrie und den KünstlerInnen, die e- her am System der Pauschalvergütung festhalten wollen oder ganz neue Modelle der Direkt- vermarktung1 entwickeln. Es geht vielmehr um die Frage, ob das Ziel von Regelungen zum Schutz des geistigen Eigen- tums tatsächlich nur der effektiv kontrollierte Eigentumsschutz und das effiziente Funktio- nieren von Märkten ist oder ob solche Schutzregelungen der Umsetzung sozialer und wirt- schaftlicher Menschenrechte dienen sollen. Die Auseinandersetzung findet also statt zwischen dem neoliberalen marktradikalen Diskurs: „je mehr privates Eigentum desto besser“ und dem menschenrechtlichen Diskurs sozialer und wirtschaftlicher Entwicklungsbedürfnisse.

1 Vgl. den interessanten Beitrag, den die US-Sängerin Janis Jan für das Performing Songwriter Magazi- ne geschrieben hat: „The Internet Debacle – An Alternative View“. (www.janisjan.com/article-internet debacle.html) 7 Schutz der informationellen Umwelt gegen eine Art zweite Landnahme In den letzten Jahren hat diese Auseinandersetzung Kontur gewonnen durch das Entstehen einer Bewegung, die sich für den Erhalt und den Ausbau der Gemeingüter, englisch: der Commons einsetzt. Diese Bewegung macht das Interesse an kollektiven nationalen oder glo- balen Ressourcen gegen die private wie gegen die staatliche Ausplünderung geltend und ver- ortet sich entsprechend zwischen Marktaffirmation und Staatsvertrauen. Sie wendet sich da- gegen, dass proprietäre Grenzziehungen den Bereich bisher frei zugänglicher Informations- Ressourcen verkleinern und kontrollieren und damit eine wesentliche Ressource für kultu- relle, soziale und wirtschaftliche Innovation verbrauchen. Aus ihrer Sicht sind rigide Systeme zum Schutz des geistigen Eigentums eine Form von Plünderung öffentlicher Ressourcen. Man kann diesen Gedanken auch so fassen: Ohne Schutz der informationellen Umwelt sind rigide Schutzsysteme für geistiges Eigentum eine Form von Piraterie – Piraterie freilich im Sinne eines schwachen Rechtsbegriffs – denn einen effektiven Rechtsschutz gibt es für die Commons noch nicht. Die Umkehr des Piraterievorwurfs mag überspitzt erscheinen. Der Vorwurf läßt sich aber durchaus plausibel machen: nämlich am Unterschied zwischen der urheberrechtlichen Re- gulierungs- und Kontrolldichte vor Digitalisierung und Internet und der neuen Qualität von Regulierung und Kontrolle seit Durchsetzung der neuen digitalen Technologien. Unter den Bedingungen des alten Urheberrechts gab es einen kleinen Teil von Nutzungsfor- men, die reguliert wurden: vor allem das Publizieren. Und innerhalb dieses regulierten Nut- zungsbereichs gab es wieder einen kleineren Bereich von Nutzungsformen etwa für For- schung, Wissenschaft oder Lehre oder für den privaten Bereich, die als „fair use“ oder „Schranke“ von der strikten Regulierung ausgenommen wurden. Zu den grundsätzlich „li- zensierten“ Nutzungen gehören das Zitieren, das Ziehen privater Kopien etc. Darüber hinaus aber gab es ein breites Feld von Nutzungsformen, die in keiner Weise reguliert wurden und deshalb auch nicht als „fair use“ oder „Schranken“ besonders bestimmt und ausgenommen werden mußten: einen Text lesen, ihn anderen zum Lesen weitergeben, ihn verkaufen, seine Ideen aufgreifen und weiterentwickeln – das ganze Feld kultureller Tradierung, von Kreativi- tät und Innovation. Denn Tradition „lebt“, wenn sie fortlaufend aufgegriffen und modifiziert wird und Neues hervorbringt. Unter Bedingungen des digitalen Urheberrechts, so wie es sich die Inhaber der Nutzungs- rechte, d.h. in der Regel nicht die Urheber selbst, sondern die Content- und IT-Industrie, vor- stellen, wird jede Nutzung zu einer Kopie und gilt damit prinzipiell als regulierbar. Das ganze Feld der bisher unregulierten Nutzungsformen droht verloren zu gehen. Besser gesagt: Es wird privat angeeignet und geht den Commons verloren. James Boyle hat diesen Vorgang deshalb zu Recht mit der historischen Erfahrung der Landnahme im 17. und 18. Jahrhundert verglichen und als „second enclosure“ beschrieben, als neue Form der privaten Aneignung der Commons.1

1 James Boyle: „The Second Enclosure Movement and the Construction of the Public Domain“, Vortrag gehalten auf der Duke-Konferenz über die Public Domain, Nov.10/11 01.(www.law.duke.edu/pd/papers.html#history); Vgl. auch den grundlegenden Artikel von James Boy- le: „A Politics of Intellectual Property: Environmentalism For the Net?“ (www.law.duke.edu/boylesite/intprop.htm#N_1) 8 Die aktuellen politischen Auseinandersetzungen um das digitale Urheberrecht konzentrieren sich weitgehend auf die Verteidigung von „fair use“ und „Schranken“. Wissenschaft und Bib- liotheken zum Beispiel machen mobil für den Erhalt und Ausbau von „Schranken“. Eine Kampagne „Rettet die Privatkopie“ sammelt Unterschriften für den effektiven Erhalt der Möglichkeit zur erlaubnisfreien Kopie für den nicht-kommerziellen privaten Gebrauch. Diese Aktionen sind notwendig, und die Heinrich-Böll-Stiftung beteiligt sich an ihnen. Im Grunde aber ist die Perspektive auf die Sicherung oder den Ausbau von „Schranken“ und „fair use“ verengt. Sie lenkt ab von der historischen Tragweite der vor unseren Augen stattfindenden Privatisierung.1

Kampagne: Rettet die Privatkopie Online-Initiative für Verbraucherrechte: www.privatkopie.net Ein Zusammenschluss zahlreicher Vereine, Verbände, Initiativen, Politiker und Netzaktivis- ten ruft jetzt zu einer Unterschriftenaktion zur Rettung der "Privatkopie" auf. Hintergrund ist ein Gesetzesentwurf zur Novellierung des Urheberrechts, der die Möglichkeiten von Rechte- inhabern auf Kosten der Verbraucher deutlich ausweiten soll. In der „analogen“ Welt steht jedem im begrenzten Umfang das Recht zur privaten Vervielfäl- tigung offen. „Im digitalen Raum soll dieses elementare Zugeständnis an die Interessen der Allgemeinheit nach den Plänen der Bundesregierung de facto ausgehebelt werden. Die Rech- te der Verwertungs- und Medienindustrie will das Justizministerium aus Angst vor der Macht der Manager in Hollywood oder Gütersloh dagegen sanktionieren“, warnt die Initiative. „Die Rechteinhaber sollen sich sogar der Durchsetzung der Verbraucherrechte ganz entzie- hen können, indem sie Werke auf vertraglicher Grundlage mit gesonderten Lizenzen zu- gänglich machen. Auch bei Dateien, die On-Demand zum Abruf in digitalen Netzen bereit- gehalten werden, sollen die Schrankenrechte der Nutzer nicht gelten. Damit würden alle In- halte, die im Streaming-Verfahren angeboten werden, dem alleinigen Verwertungsrecht der Industrie ohne Ausnahmen unterstellt“, so die Initiatoren weiter und verlangen: „Wir fordern daher einen fairen Interessensausgleich beim Copyright! Die Privatkopie darf auch im Reich der Bits und Bytes nicht sterben!“ Der Gesetzesentwurf aus dem Justizministerium dehnt die Erlaubnis zur Vervielfältigung für den privaten Gebrauch zwar auf „beliebige Träger“ aus, also auch auf digitale Medienformate. Gleichzeitig stellt er Kopierschutzmechanismen unter den Schutz des Rechts. "Wer zum pri- vaten Gebrauch selbst Hand an die Kopierschutztechniken legt, laviert damit in einer juristi- schen Grauzone. Denn einen Anspruch zur Durchsetzung des Rechts auf die Privatkopie hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen." Damit, so die Befürchtung der Initiatoren, „gäbe es zwar das Recht auf die Privatkopie - es würde in den digitalen Medien allerdings leer laufen! Es wäre nicht durchsetzbar, da die Ko- pierschutzmassnahmen der Industrie durch das Gesetz unter rechtlichen Schutz gestellt wer- den.“

1 Vgl. David Bollier, Silent Theft. The Private Plunder of our Common Wealth. Londo:Routledge,2002. Vgl. www.bollier.org

9 Diese grundsätzliche Ebene hat in den USA eine von Dutzenden liberaler Ökonomie- und Ju- ra-Professoren unterstützte Verfassungsklage gegen den Sonny-Bono Copyright Extension Act (1998) erreicht. Die Klage richtet sich gegen die um 20 Jahre verlängerten Copyright- Ansprüche auch für bereits existierende Werke. Allein schon die Tatsache, dass der Supreme Court die Klage zugelassen hat, ist als wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Politisierung der „zweiten Landnahme“ zu sehen. Das Argument lautet, dass ein Copyright-Anspruch ein zeitlich begrenztes Nutzungsmonopol gewähren solle, dass er aber nicht unendlich minus ein Jahr währen dürfe. Die Verhandlung fand Mitte Oktober 2002 statt. Dort brachte Justice Sandra Day O’Connor ihre Verwunderung über ein auf den Kopf gestelltes Copyright zum Ausdruck: „It is hard to understand,“ meinte sie, „if the overall purpose of the Copyright Clause is to encourage creative work, how some retroactive extension could possibly do that. One wonders what was in the minds of the Congress.“1 Diese Kritik kann auch dem Entwurf der Bundesregierung zum „Urheberrecht in der Infor- mationsgesellschaft“ nicht erspart bleiben. Dasselbe gilt für den Fall, dass die Bundesregie- rung in der Frage der Patentierung von Software ihre bisherige Ablehnung aufgibt und sich die Position der EU-Kommission „Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen“ vom Februar 2002 zu eigen macht. Dafür gibt es Anzeichen.2

Dokumentation der Auseinandersetzung auf der Website des Fördervereins für eine Freie In- formationelle Infrastruktur (FFII). Ähnlich wie die Aktion Privatkopie hat der Förderverein eine Unterschriftenaktion initiiert und einen Gegenentwurf zum EU-Kommissionsvorschlag vorgelegt.

Erstaunlich ist, dass sowohl Proponenten wie Opponenten der Softwarepatentierung und des digitalen Urheberrechts das Argument der Erhaltung und Förderung der Innovationskraft kleiner und mittlerer Unternehmen bemühen. Die EU Kommission sieht diese durch die neuen Rechtsregime gestärkt und beruft sich hierzu auf Erfahrungen in den USA; die Kritiker behaupten das gerade Gegenteil und berufen sich hierzu unter anderem auf prominente Pa- tentbefürworter wie Wolfgang Tauchert, Leiter der Softwarepatent-Abteilung im Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA), der auf einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung betonte, dass die Patentierbarkeit von Software kleinen und mittleren Unternehmen eher schadet.3

1 An Uphill Battle in Copyright Case, New York Times October 14, 2002. NYT Autor Amy Harmon ist skeptisch, ob die grundsätzliche Bedeutung dieser Verfassungsklage in den USA wegen des hohen Abstraktionsgrads der Angelegenheit erkannt werde. „As the copyright debate moves to topics whether entertainment companies can control what consumers record on digital television sets and what they can send over the Internet – the subject of proposed legislation to be taken up in coming months – the subject may become less abstract.“ 2 Vgl. Peter Mühlbauer, „Befehl aus Brüssel?. Das Versteckspiel der Politik um Softwarepatente“, Tele- polis 18.07.02; ders., „Bundesregierung fördert und verletzt Logikpatente gleichzeitig. Unterschriften- aktion fordert jetzt Klarheit“, Telepolis 11.09.02. 3 Wolfgang Tauchert, Beitrag zur Diskussion „Softwarepatente – Motor oder Bremse für die Innovati- on?“, in: Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Wem gehört das Wissen? Geistiges Eigentum in Zeiten des In- ternet. Beiträge einer Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung am 20./21.10.2000 in Berlin. In Zusammen- arbeit mit dem Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII e.V.) und dem Netzwerk Neue Medien, Berlin, Heinrich-Böll-Stiftung: 33-38 und 52-92. (=Dokumentationen der Heinrich-Böll- Stiftung 9). 10 Wissensökonomie Es scheint, dass wir neue ökonomische Theorien brauchen, die uns erklären, wie Eigentums- schutz (im Fall von geistigem Eigentum) und staatliche Subventionierung von Investitionen (im Fall von Patenten) in der neu entstehenden Wissensökonomie ineinander greifen können und wo Innovationshindernisse zu beobachten oder zu befürchten sind. Für diese Fragen scheint die neoinstitutionalistische New Growth Theory, vertreten von Ökonomen wie Paul Romer oder Nobelpreisträger Douglas North, ein besonders interessanter Ansatz zu sein. Ihre These lautet, dass wirtschaftliches Wachstum durch die wachsenden Erträge generiert wird, die mit der Produktion neuen Wissens verbunden sind. Entscheidendes Argument: Wissen hat eine andere Eigentumsstruktur als andere ökonomische Güter, es ist ein nicht-rivales Gut und kann nur begrenzt anderen vorenthalten werden. Die daraus resultierenden volkswirt- schaftlichen spillover-Effekte übertreffen entsprechend die privat anzueignenden Erträge aus vorangegangenen Investitionen um ein vielfaches. Das Problem ist nun, dass diese positiven volkswirtschaftlichen Effekte sich nicht allein über Märkte steuern lassen. Umfassend distri- buiertes Wissen führt wegen des geringen Aufwands für die Vervielfachung zu sinkenden Preisen. Diese jedoch signalisieren den Wissensproduzenten, dass die Produktion des ent- sprechenden Guts besser zu drosseln ist, bis die Preise wieder steigen. Auch der andere Weg einer Sicherung hoher Erträge durch strikte Urheberrechts- und Patentregime führt zu Prob- lemen: er behindert nämlich die Technologieentwicklung: Der Markt setzt falsche Signale. „But in the case of knowledge, markets may not send the right price signals. The social bene- fits and the private costs of new knowledge creation diverge. Because additional use of know- ledge has zero marginal cost, once the knowledge is created, any positive price for knowledge is too high. Because knowledge isn’t fully excludable, entrepreneurs get paid less than the so- cial value of their knowledge, and they don’t have sufficient incentives to distribute it widely or invest in creating more.”1 Der Versuch, durch rigide Urheberrechts- und Patentregime die privaten Erträge zu steigern, löst das Problem der Fehlsteuerung durch den Markt nicht. „The traditional solution to dealing with spillovers, granting strong property rights for the fru- its of an invention, may also have negative consequences. Letting someone have a patent on the blinking cursor or an iterative looping in a computer program, would likely stifle the de- velopment of technology (Nelson and Romer 1996). As a result no simple market arrange- ment will result in the optimum incentives for both the discovery of new knowledge and, at the same time, its most efficient allocation throughout the economy.”2 Was wir offensichtlich brauchen, ist eine Politische Ökonomie der Wissensgüter, die die insti- tutionellen Arrangements für die neue Wissensökonomie überprüft und neue entwickelt. Zu diesen institutionellen Arrangements gehören das Patent- und Urheberrecht, aber auch öf- fentliche Bildung und Wissenschaft.

1 Joseph Cortright, New Growth Theory, Technology and Learning. A Practitioners Guide. Reviews of E- conomic Development Literature and Practice, No.4, Portland 2001(S.7) – ein Bericht, der sich im We- sentlichen auf die Arbeiten des Stanford Ökonomen Paul Romer stützt. 2 Ebd. 11 Neue institutionelle Arrangements – Differenzierung der Schutzsysteme für Wissen Für das Urheberrecht hat zum Beispiel Richard Stallman eine Anpassung an die wissensöko- nomischen Erfordernisse durch die Differenzierung des Urheberschutzes vorgeschlagen. Das Prinzip der Einheitlichkeit für alle Werkarten sei durch besondere Regelungen für Noten und Software ohnehin aufgeweicht. So unterscheidet er zwischen funktionalen Werken und sol- chen, die Meinungen oder einen ästhetischen Gehalt ausdrücken. In die erste Kategorie gehö- ren Werke, die geschrieben werden, um eine Aufgabe zu erledigen, wie Software, aber auch Enzyklopädien und Wörterbücher. Da Aufgaben sich wandeln, müssen auch die Werkzeuge angepasst, verbessert und fortgeschrieben werden. Eine Modifikationsfreiheit müsse hier also gewährleistet werden. Von der Verbesserung einer Meinungsäußerung, eines Romans oder eines Gemäldes zu sprechen, mache dagegen keinen Sinn. "Man kann einen Ersatz für einen C-Compiler schrei- ben, nicht aber für Gone with the Wind," hat er im Sommer 2002 in Berlin auf einer Konfe- renz formuliert. Während er für funktionale Werke das Urheberrecht abgeschafft sehen möchte, zielt er bei allen anderen auf einen Kompromiss. Auch hier haben die Freiheitsrechte Priorität. Nur wenn diese Werke ohne besonderen Anreiz nicht produziert würden, müsse das Gesetz solche Anreize schaffen.

Global Commons – Maßstab zur kritischen Beurteilung von TRIPS Wahrscheinlich werden wir in diese Richtung einer Differenzierung zwischen den Commons, die von vornherein frei und öffentlich zugänglich sind, der „public domain“ als Bereich des mit öffentlichen Mitteln finanzierten und öffentlichen Eigentums und den rechtlich- institutionellen Anreizen für die private Produktion von Wissen weiter nachdenken müssen. Im Feld der geistigen Schöpfungen und Erfindungen brauchen wir einen Begriff der Global Commons, von dem aus die rechtlichen und handelspolitischen Arrangements der Wissens- gesellschaft im globalen Maßstab beurteilt und weiter entwickelt werden können. Die Wis- sensgesellschaft ist nur im Singular als globale Wissensgesellschaft vorstellbar. In Deutschland hat die vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission Globalisie- rung der Weltwirtschaft - Herausforderungen und Antworten ihren Endbericht 2002 vorgelegt. Ausgehend von Überlegungen der UN-Menschenrechtskommission stellt der Bericht fest, dass das weltweite Regime zum Schutz des geistigen Eigentums in Konflikt gerate zu den Menschenrechten auf Teilhabe am wissenschaftlichen Fortschritt, auf Gesundheit, Ernährung und Selbstbestimmung und deshalb überprüft werden sollte. Konkret wird gefordert, dass die Bereitstellung von Wissen als ein globales öffentliches Gut anzusehen sei und von hier aus das TRIPS-Abkommen der WTO über die handelsbezogenen Aspekte der Rechte des geisti- gen Eigentums und die EU-Richtlinie 98/44 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (sog. Biopatent-Richtlinie) einer Revision zu unterziehen seien. Sehr kritisch beurteilt der Bericht die Tendenz, durch die Ausweitung der Schutzsysteme für geistiges Ei- gentum Bildung und Forschung und damit Wissen als öffentliches Gut immer weiter zurück- zudrängen. Und er zieht in Zweifel, dass der bei den Verhandlungen zu TRIPS in Aussicht gestellte Technologietransfer von den Ländern des Nordens (die 97 Prozent aller Patente hal- ten) in die Länder des Südens wirklich zustande kommen wird.

12 In der Tat stellt Artikel 27.1 des TRIPS-Abkommens fest, dass die Länder des Südens auch dann Patentschutz gewähren müssen, wenn die zu schützenden Erzeugnisse gar nicht im Land hergestellt werden, sondern lediglich importiert werden. Damit zeichnet sich die Gefahr ab, dass die Länder des Südens weitgehend von den Zentren aus bedient werden. Sie selbst haben keine Möglichkeit, die Ausübung von patentierten Innovationen vor Ort und damit die Voraussetzung für den Technologietransfer einzufordern. Bei solcher Kritik ist freilich auch zu berücksichtigen, dass die Länder des Südens nach lan- gem Zögern der globalen Standardisierung des Schutzsystems für geistige Erzeugnisse als Tauschgeschäft für die Öffnung der Märkte des Nordens für Agrar- und Textilprodukte zuge- stimmt haben und dass sie im transparenten Streitschlichtungsverfahren der World Trade Organisation auch einen Schutz vor einseitigen US-Handelssanktionen sehen.1 Dass die Länder des Nordens den armen Ländern und den Schwellenländern im Sinne glo- baler Verantwortung für die Global Commons entgegenkommen, kann aber auch wieder nicht behauptet werden. Verlängerte Übergangsfristen für die Implementierung des Patent- schutzes wie z.B. für pharmazeutische Produkte sind kein Entgegenkommen, sondern wer- den mit den verlängerten Übergangsfristen für die zugestandenen Marktöffnungsmaßnah- men für Agrar- und Textilprodukte aus dem Süden verrechnet. Die Übergangsfrist bis zur vollständigen Durchsetzung eines globalen Systems zum Schutz des geistigen Eigentums wird also in Form nicht-realisierter Exporterlöse von den Ländern des Südens teuer erkauft. Um so mehr gilt es, diese Frist politisch auch zu nutzen. Das ist der Ansatzpunkt des Final Report der Commission on Intellectual Property, der im Sep- tember 2002 veröffentlicht wurde und der auf unserer Konferenz vorgestellt werden soll. Er plädiert dafür, die Übergangsfrist für Neuverhandlungen zu nutzen und überall dort, wo das Schutzregime nicht der Umsetzung der wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte dient, auf einen Schutz geistigen Eigentums ganz zu verzichten. Auch hier also der Gedanke, dass das institutionelle Arrangement einer Wissensökonomie der Global Commons ein differen- ziertes System zum Schutz des geistigen Eigentums erforderlich macht. Im Lichte dieser Überlegungen und der bereits geleisteten gewichtigen Vorarbeiten will sich unsere Konferenz auf die Suche nach einer nachhaltigen Politik zum Schutz des geistigen Ei- gentums machen: nach neuen differenzierten Schutzsystemen, die der Umsetzung der Men- schenrechte dienen und die Global Commons nicht plündern. Zugleich ist diese Konferenz Auftakt einer Reihe von Projekten und Konferenzen, mit denen sich die Heinrich-Böll- Stiftung am Prozess des UN World Summit on Information Society beteiligen und für eine Poli- tik zugunsten einer nachhaltigen Wissensgesellschaft werben wird.2

Dr. Andreas Poltermann ist Referent für Bildung und Wissenschaft in der Heinrich-Böll-Stiftung.

1 Vgl. Carlos Correa, Implementing the TRIPS Agreement. General Context and Implications for De- veloping Countries, Penang 1998; ders., Intellectual Property Rights, the WTO and Developing Count- ries. The TRIPS Agreement and Policy Options, ZED-Books, London 2000. 2 Siehe Charter of Civil Rights for Sustainable Knowledge Societies unter boell@WSIS auf der website www.worldsummit2003.org.

13 Brian Kahin What’s Wrong with the Development of Intellectual Property Policy?

Intellectual property policy has become the central policy problem of our time. It defines the flow of information and knowledge throughout the economy. It shapes the processes of innovation and competition. It allocates power among competing producers, intermediaries, and consum- ers. It nurtures and inhibits creativity. It mediates between incumbents and new entrants – be- tween past and future. Any change in policy creates winners and losers. I feel a bit uncomfortable talking about “intellectual property”, because the term means too much, and it adds to the complexity and confusion. People are fascinated with the idea of in- tellectual property, perhaps rightly so, but discussions about “intellectual property” rather than about patents or about copyright, are too likely to be superficial or misleading. Indeed, there are many other forms of intellectual property besides patents and copyright: trademarks, data- base rights (in Europe), trade secrets, geographic indications, rights of publicity, sui generis regimes that product such things as plant varieties, semiconductor masks, domains, and boat hulls. Of course, academics can argue for hours about whether some of these things are truly “intellectual property” in the proper sense of the term, whatever that may be. So one of the threshold problems in addressing intellectual property policy is that it means too many things. Offences against intellectual property vary greatly in character and degree. Piracy – deliberate, exploitative mass copying – is easily understood and condemned. On the other hand, intellectual property infringement can be completely inadvertent, and when inadvertent infringement becomes commonplace, we need to question the whether the system is working properly. The two long-lived and highly evolved regimes, patent and copyright, differ fundamentally from each other in purpose, principle, and operation. In fact, in Europe, patents are consid- ered “industrial property”, a term that is uncommon in the U.S. In Europe, copyright is con- sidered a natural right of individual authors, and the very heart of intellectual property. Differ- ent values at stake: copyright concerns human expression and cultural tradition; patents con- cern technical subject matter. Everybody has opinions about copyright, especially as it is af- fected by information technology; the patent system is of interest primarily to specialists. Copyright appears to be troublesome because it rests on a hazy standard of ”substantial simi- larity”, whereas the claims that delimit patents look precise. However, the formal claims that set the boundaries of patents are often much vaguer, less determinate, and more subject to question than they first appear to be. Information technology has challenged some of the principal distinctions in copyright law – the difference between copying and performing, between private and public, between publish- ers and carriers…. The scope of patentable subject matter has expanded to cover a vernacular technology, software, that tens of millions are able to create. leading the system into a crisis over quality. Computer software has challenged the traditional differences between copyright and patent. Not only can both be asserted in the same product, but contract and trade secret can be used as well. Software publishers are trying to move their product to the Web so that they also maintain control at a technological level.

14 The digital economy has created many challenges for intellectual property. The most obvious challenge is to copyright, but the challenge to patent law is deep and far-reaching. In the digital world, economic value moves fluidly across distances, jurisdictions, and bounda- ries of every sort. Content can be replicated perfectly and endlessly. Intellectual property can be spirited across borders to unprotected or unreachable jurisdictions. Everyone, not just pro- ducers and intermediaries, is empowered by technology in new, hard-to-assess ways. Con- sumers enjoy general-purpose technology that in power and functionally differs little from that of producers and intermediaries. This volatile environment has made intellectual property producers fearful. But intellectual property interests have turned their fear to advantage. They have claimed special status as a central source of value in the knowledge economy. And they have made a case for expanded protection by articulating their fears. Through the simple arguments, they have achieved a multifaceted “strengthening” of protection that may go well beyond responding to specific problems. From an entrepreneurial perspective, information technology, in particular the Internet and the World Wide Web, has opened up a vast prospect of new business opportunities – although no doubt not as vast as people thought three years. An expanded strategic space with room for lots of differentiated business models looks very enticing for entrepreneurs and investors. However, from their perspective of policymakers, too much is happening. Traditional policy domains are converging. It is not clear how traditional legal and regulatory principles should be applied. There is danger that premature regulation will not only prejudge the evolution of new businesses but that a willingness to intervene will inhibit private investment generally because of added uncertainty of government intervention. Indeed, there is good reason to be sceptical of the ability of legislatures to understand and respond to the subtleties of a digitally enabled knowledge economy. Legislators lack the resources – time, money, and expertise – to address complex problems in volatile environments. The Clinton administration in the U.S. developed a series of principles on global electronic that cautioned against government inter- vention and against assumption that old legal and regulatory regimes should be extended to cover new environments. Unfortunately, this principle was not applied to intellectual property. After the dot com bust, you might think that the environment has become less volatile, and that the need for paying attention to intellectual property policy might be less. But on the copyright side, the continuing growth of broadband connections keeps increasing the ease and scope of file-sharing. On the patent side, the bust has resulted in the transfer of tens of thou- sands of patents from business start-ups to licensing firms with no business other than ex- tracting revenue from patents. The real action in intellectual property takes place out of public view. Unlike public regulatory regimes, intellectual property laws work by enabling private regulation. For example, each patent is in itself a regulatory mechanism, a law that the owner can enforce against the world however she wishes. The owner can keep the invention to herself or cut deals with potential users of the technology or file against infringers. Only the beginning and end of intellectual property regimes are public. Patents are granted and copyrights are registered at the front end and lawsuits are file and prosecuted at the back end. The public sees only the tip of iceberg. We get glimpses of how much licensing is going 15 on because some businesses break out licensing income in financial reporting. For example, IBM reports that its licensing income more than doubled from 1996 to 2000, from $.8 billion to $1.7 billion, but we don’t know how much of this volume involves real technology transfer (where the buyer seeks useful technology on the open market) or how much is in settlement of legal claims against inadvertent infringers that developed the technology on their own. Without information on licensing, we have little evidence to tell us how the system is working. Testimony as to personal experience doesn’t prove anything, nor do panels where someone says the system is working and someone else says, no, it isn’t. Stakeholder experience is im- portant, but it needs to be based on proper surveys. Unlike more conventional forms of regu- lation, there is no neutral body of accumulating expertise, no ongoing institutional focus on how well the system is working. There is an argument, usually made by lawyers, that claims that intellectual property policy should be developed through litigation. There are advantages to litigation in that judges have to make decisions for one side or another, so presumptively the result will not be the kind of unprincipled sausage-making that you sometimes get in legislation. In a lawsuit, you have two motivated parties willing to expend resources to develop the issues, a smart judge, and the possibility of many smart judges on appeal. However, litigation doesn’t prove anything about how the system as whole is working, because it focuses on particular intellectual property under particular circumstances. Only rarely does a case provide an opportunity for a court to make a determination that affects basic policy on competition and innovation, such as the famous U.S. Supreme Court case, Universal Studios v. Sony, which held that videocassette recorders were legal because they had substantial non- infringing uses. Or the recent State Street case, which allowed patents on methods of doing business, essentially permitting the first company to come up with a new business model or concept, such as frequent flyer miles, to enjoy a 20-year head start on the competition. There are other problems with relying on litigation. Full decisions on a record are relatively rare. Only around 75 patent cases go to a full trial each year in the United States. So, it sounds like patent litigation is not such a big problem. Ah, but some 1700 patent lawsuits are filed each year. And how many notice letters claiming infringement are sent? Nobody knows, per- haps hundreds of thousands, perhaps millions. The real reason so few cases end up in litiga- tion is the cost. Here are the figures for 2001. For lawsuits where the amount in controversy is under $1 million, the average cost is $499,000. That’s for each side. In other words, at this level, the average costs will more than eat up the average amount in controversy, since that will be less than the upper limit of $1 million. Copyright cases are less costly but still expen- sive. So that the cases that actually go to trial are likely to be a very small, skewed sample of the total disputes over patent and copyright infringement, because most conflict stops short of full litigation. In fact, the vast majority stops short of filing suit. There are important things about intellectual property that we can learn from lawsuits, and from lawyers, even though the evidence is anecdotal. We can learn about ways intellectual property is being used and, in some cases, get a sense of serious problems. Hearings recently held by the Federal Trade Commission and the Department of Justice in California present a vivid picture of how uncertainty and high transaction costs surrounding patents can jeopard-

16 ize investments, especially in small companies, and invite hold-up, ambush, and extortion – costly business problems that are rarely addressed in legal scholarship. Policymakers understand the fundamental arguments for intellectual property – that inven- tion and creativity is subject to free-riding and will be underproduced if not protected by law. It is harder for them to understand how this principle is limited, that you can’t create eco- nomic value ad infinitum by just generating “stronger” intellectual property laws. Unfortu- nately, few politicians will argue for “weaker” intellectual property laws, even if that is what is needed. In the U.S., intellectual property policy is naturally reflects U.S. strategic interests. The copy- right industry is the nation’s biggest exporter. With manufacturing and many labor functions (including software programming) now outsourced, patent portfolios provide an important means for ensuring economic control across space and time. In the U.S., arguments have been made for copyright term extension and database protection as needed to keep up with Europe. Arguments are made in Europe for expanded patent protection for software as a means for catching up with the U.S. There is perhaps a natural tendency for intellectual property leaders to believe that the rest of the world or the rest of the industry should emulate them. This is more than simple narcis- sism, there is an economic advantage to being the first mover in policy just as there is in busi- ness. This depends on remaining ahead of the pack, although it does depend on the rest of the pack running after you, rather than deciding to go off in another direction. But changes of direction are rare. The scope and level of intellectual property protection keeps growing, usually with the U.S. in the lead, and as long as everybody believes that leaders are right, the leaders have an advantage. Even if the leaders are wrong, they may still win if that get followers to think they are right. Consider software patents, which appear to be widely despised by people who actually create software. The winners at the firm level are the large computer companies that were the first to pursue portfolios of software patents. U.S. computer companies pushed the limits of the pat- ent system first in the U.S., then in Europe and elsewhere to develop large portfolios and effi- cient procedures for generating new patents. At the same time, the high density of such pat- ents in the U.S. functions as a barrier against competitors from other countries who are not prepared to navigate in a patent-intensive environment. Furthermore, the expertise for exploit- ing software patents and for managing the risk and uncertainty they pose, especially in the critical U.S. market, has become a source of advantage for U.S. law firms, which they will en- joy for the foreseeable future. The push for harmonization, not only of intellectual property laws but all laws that affect or are affected by international commerce, effectively discourages both experimentation and ap- proaches to national and regional policy. Both Europe and the U.S. pushed for raising stan- dards of intellectual property protection in TRIPs (the Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property, which has been incorporated in the WTO charter) and then in 1996 WIPO Copyright Treaty, which led to the Digital Millenium Copyright Act and the push for similar rules in Europe. Europe has been particularly susceptible to the case for harmonization because of the regional case for integrated market. The European Commission is pushing for harmonization in the 17 form of a European Community Patent to reducing the high costs inherent in Europe’s multi- ple patent systems, an obvious disadvantage relative to the U.S. But as with harmonization in other areas, there is a risk of lock-in to whatever the standard develops. Once there is an inter- national standard enforced by treaty, the inertia is immense, and it is very difficult for any country to legislate against it, however good the reasons for doing so might be. This problem of lock-in at the international level is particularly severe for intellectual property. Protection keeps “racheting up” – because, once granted, rights are rarely taken away. Not only is that politically difficult but it may also be prohibitively expensive, because that may constitute a taking of private property which requires compensation. The general political problem is simple, fundamental, and familiar. Policy gets made by the interests most directly affected, especially those with the most resources at stake, and best able to organize to political effect. The consumer interest is, by contrast, dispersed and diluted. This principle operates at several levels. Large multinational companies are very aware that policy decisions, whether local, national, or foreign, will have an effect on the way they and their competitors do business. They hire people inside and outside the company to make sure their interests are protected – not just to monitor what the legislature is doing but to under- stand long-term or distant developments that may trigger legislative or regulatory action in the future. By contrast, consumer interests are diffuse, and consumer organizations seldom have re- sources to do more than react to crises as they arise. Consumer groups often have difficulty in responding to changing technologies and market conditions, which often leave them fighting old battles or formulating naïve positions based on bygone circumstances. As a result, they have lost battles – and credibility. Like companies, consumer organizations can hire lawyers and other experts, but conveying the understanding they bring to complex issues to a dispersed, preoccupied constituency is very difficult. Motivating grass roots action on complex problems is especially difficult because it requires not only understanding the nature of the threat but an ability to articulate an intel- ligent and politically effective response. Once motivated, consumer groups can be effective at brute force bombardment, but they lack the ability to manoeuvre in tight political quarters where it may be necessary to turn and compromise on short notice. Although brute grassroots force can be very effective in influencing intellectual property, it may still not be as effective as sophisticated lobbying that speaks to jobs, exports, and eco- nomic significance. With no empirical data or analytic framework, intellectual property policy suffers from rhetoric of personal testimonials, ritual invocations of the value of the innovation and creativity, imaginative scenario building, and bare-knuckle politics. In this chaotic environment, words are very important. Easy concepts like “piracy” crowd out the hard concepts like “inadvertent infringement.” “Stronger” and “Strengthen” are used all the time. No politician is going to suggest “weaker” intellectual property protection. Of course, “stronger” can refer to many different things: extending the term of protection, expanding the scope of protectable subject matter, increased penalties, facilitating enforcement, expediting litigation, or enhancing the quality of patents. You can have your choice.

18 The political configuration of intellectual property issues keeps changing along with technol- ogy and market conditions. Some policy issues are still struggles between producers and us- ers, but third-party interests increasingly enter into policy debate. In copyright, this has worked to the advantage of consumers who have found allies in those eager to sell equipment and Internet services. Copyright owners initially succeeded in persuading Clinton Administra- tion officials that Internet intermediaries should be liable for the infringements of their cus- tomers. Had this standard been enacted, the rapid rollout of the Internet and the Web would drastically slowed. Today, computer manufacturers are fighting against a proposed law that computers have built-in rights management devices. The political dynamics of patents are quite different. There the principal intermediaries are the patent professionals that benefit from expanding the scope and throughput of the system. Patent policy is disproportionately driven by the needs and interests of the pharmaceutical in- dustry since it is on of the few industries where patents are clearly important. It was the prin- cipal advocate of the one-size-fits-all ideology of TRIPs. Future innovators are not represented in either patent or copyright policy. Even present inno- vators do not have the luxury of participating in political processes unless they are large and well-established. The public domain has also been largely unrepresented, but at least our thinking about the public domain has evolved and become more sophisticated. As a consequence, constituencies are forming around the more concrete interests related to the public domain, or, as we now recognize it, the global commons. The communities of interest around open standards and open source software are potentially important forces. Standards communities have not been politically oriented in the past, but we see a politically energized and potentially powerful po- litical force in the open source community – at least in Europe where it has take a strong posi- tion against software patents. The success of the Internet and the World Wide Web provide a new perspective on intellectual property. These two standards-based non-proprietary platforms were not only runaway suc- cesses in themselves, they spawned an unprecedented outpouring of related innovation, pro- prietary and non-proprietary. This would not have happened with anything like the speed it did had the platforms been proprietary and subject to licensing. The success of open source software and the recent patent policy decisions of the World Wide Web Consortium raise hope that the commons at the heart of the Internet will not only perse- vere but expand. On the other hand, there are concerns that principal proprietary infrastructure owner, Micro- soft, will rebound from the antitrust litigation with new efforts expand its hegemony over the desktop –this time using patents as part of its strategy. The European Commission’s proposed directive of software patents may offer the company an invaluable tool to instil “fear, uncer- tainty, and doubt” about open source alternatives. We now also see a flowering of private regulation under copyright. Contracts and technologi- cal controls are being used in creative new ways to assert control over content and services under customized terms and conditions – and to tailor private “intellectual property” regimes that can expand and reshape the default rules of public copyright.

19 Software publishers use shrink-wrap or click-on “contracts of adhesion” to dictate non- negotiable terms. Some courts have accepted this practice at least in some circumstances, and the Uniform Computer Information Transactions Act, adopted in two U.S. states, would fully validate it. Technological measures are employed to manage access and use, and these meas- ures are now themselves protected by the Digital Millennium Copyright Act and similar laws. So contract and/or technology may make it possible to leverage a copyright-protected platform with great confidence. The DeCSS case shows that this may well disadvantage open source development, which has no means for engaging the content industry –as Microsoft is able to do. It’s true that “intellectual property” is increasingly important in the economy, but that does not mean that more is better. It means that it is more important than ever that we understand what is happening in the real world, that we do policy well, and that we get the laws right. To make sure we are getting value from intellectual property systems that is greater than the private and social costs, we need a deeper, fact-based understanding of how intellectual prop- erty works. It means understanding not just the law, but the practical application of the law and what that means for innovation, competition, and access. It means understanding the balances inherent in intellectual property, whether explicit or implicit – between producers and users, between first-generation and second-generation inventors, between property rights and free competition, between invention and integration, and between lawyers and program- mers. It means calibrating the balance in an open and public process.

Prof. Brian Kahin, Director, Center for Information Policy, College of Information Studies, Univer- sity of Maryland, USA

20 Auszüge aus der Diskussion

Publikum: Glauben Sie, dass politische Regulierungsversuche – also Gesetze – allgemein wir- kungs- und sinnlos sind? Wenn man sich die Fortentwicklung beispielsweise von Napster zu peer-to-peer-Börsen vor Augen hält, scheinen doch Regulierungsversuche in einer Branche, die sich technologisch derart schnell entwickelt, grundsätzlich verfehlt. Regierungen kommen mit dem Regulieren nicht mehr hinterher. Brian Kahin: Ich denke, es gibt einige Bereiche, wie das Off-Shore-Problem, wo Gesetze wirk- sam sein können. Wir werden ein Internet bekommen – und das hat auch mit dem Kampf gegen den Terror und dem Bemühen um Sicherheit zu tun – bei dem es keine Off-Shore- Alternativen mehr geben wird. Das Internet wird sehr viel mehr der Rechenschaftspflicht un- terliegen als bisher. Content-Anbieter werden schließlich in der Lage sein, Daten, die von Dritten vertrieben werden, kontrollieren zu können, IP-Nummern ausfindig zu machen und somit die Identität der Leute festzustellen mittels Internet Service Providern. Rainer Kuhlen (Universität Konstanz): Können Sie bitte die Entwicklungen im Bereich des Digital Rights Managements etwas näher beschreiben. Hier werden ja technologisch Kontroll- funktionen sehr viel umfassender wahrgenommen als Gesetze dies könnten. Brian Kahin: Die Aussichten dafür sind, denke ich, auch nicht so gut. Mit der Interactive Mul- timedia Association habe ich einige frühe Projekte betreut, die sich mit Rights Management befassten. Anfang der 90er Jahre dachten wir, dass Information Stück für Stück verkauft wer- den könnte. Doch wir haben lernen müssen, dass die Konsumenten kein Preissystem wollen, das sich jeweils an der Nutzung orientiert (usage based pricing). Rainer Kuhlen: In Deutschland geht die Politik dagegen von der Technik aus. Sie glaubt, dass die Digital Rights Management Technik, die Intertrust und die Bertelsmann-Tochter Digital World Services entwickelt haben, tatsächlich auch einsetzbar sind und nun für den Copyright- Schutz angewendet werden sollten. Ramesh Jaura (Interpress Services): Wie denken Sie könnte sich der UN-World Summit on Informations Society auf die Informationspolitik auswirken? Wie steht die gegenwärtige US- Regierung zu dieser Konferenz? Brian Kahin: Die gegenwärtige US-Regierung hat keine übergreifende Sicht auf die Informa- tionspolitik, wie das noch bei der Clinton-Regierung zu beobachten war. Sie ist aber an Breit- bandverkabelung und an Digital Government interessiert und möchte sehr gern dem ICT- Sektor aus der Depression helfen. Was den Summit betrifft, so bin sehr von der strategischen Herangehensweise einiger zivil- gesellschaftlichen Gruppen und Einrichtungen beeindruckt, eine Lösung für die Problematik der globalen Allmende zu entwickeln, die dann politisch umgesetzt werden könnte. Die Tatsache, dass wir über eine globale Allmende (Commons) reden, ist – wie ich finde – schon ein großer Fortschritt im Vergleich zur Idee der Public Domain. Das Entscheidende, worauf ich in meinem Referat hingewiesen habe, ist der ökonomische Stellenwert der Allmende. Die meisten Leute, die sich mit der Allmende beschäftigen, konzentrieren sich zu oft nur auf Gleichheits- und Zugangsfragen. Das gilt erst recht, wo sie sich auf Verteidigung der Public Domain beschränken. 21 Ramesh Jaura: Am Anfang wurde die Vorbereitung des UN-Summit von der ITU (Internatio- nal Telecommunication Union) monopolisiert. Das hat sich erst im letzten Jahr geändert, als sich die UNESCO eingeschaltet hat und mit CRIS eine Gruppe irischer und britischer Aka- demiker und NGOs ein internationales Netzwerk aufgebaut hat. Dennoch gibt es bis heute kein großes Bewusstsein darüber, wie wichtig diese Konferenz der Vereinten Nationen ist. Immer noch dominiert die kommerzielle und technische Warte, während die Informations- politik und gesellschaftspolitische Bedeutung der Wissensgesellschaft ausgeblendet werden. Gut, dass die Heinrich-Böll-Stiftung letzteres als strategisches Thema aufgenommen hat. Jeanette Hofmann (Wissenschaftszentrum Berlin): Ich finde Ihren Hinweis, dass Patente ho- he volkswirtschaftliche wie auch betriebswirtschaftliche Kosten verursachen, sehr interessiert. Ich frage mich nur: Warum stehen Wirtschaftsverbände oder die Informationstechnologie- Industrie nicht selbst auf, um die negativen Effekte von Patenten deutlicher auszusprechen? Wenn die Kosten steigen, die aus Rechten über geistiges Eigentum entstehen, sollte dann nicht die Industrie, die von diesen Kosten betroffen ist, ein besseres System entwickeln, oder wenigstens Interesse an einem System haben, das eine bessere Balance zwischen geschütz- tem und gemeinfreiem Wissen schafft? Brian Kahin: Wenn Unternehmen auf ein Problem mit Geistigem Eigentum stoßen, geben sie dieses an ihre Patent-Rechtsanwälte. Die Perspektive der Unternehmen, ihre Stimme in diesem Bereich, wird also von Rechtsanwälten „gefiltert“. Wirtschaftsleute betrachten geisti- ges Eigentum (und besonders Patente) ganz anders als Rechtsanwälte. Das Problem ist in Eu- ropa sogar größer als in den USA. In den USA gibt es Gelegenheiten, an denen Rechtsanwäl- te und Wirtschaftsleute zusammen kommen: die National Academies. Aber es gibt keine Tra- dition, dass Rechtsanwälte und Wirtschaftsleute zusammen arbeiten, wie das in Telekomu- minkations- oder Wettbewerbspolitik üblich. In diesem Zusammenhang muss aber auch die Federal Trade Commission genannt werden, die sich nicht nur für die Schnittstelle zwischen Patent- und Wettbewerbspolitik interessiert, sondern auch dafür, ob etwas mit dem Patentsys- tem falsch läuft. Publikum: Ich kann kaum glauben, dass die Musikindustrie überhaupt daran interessiert ist, irgend etwas Geistiges zu schützen. Geht diese Debatte wirklich um geistiges Eigentum der KünsterInnen oder geht es eigentlich um die Kontrolle von Vertriebskanälen? Brian Kahin: Ich würde sagen, es geht um die Kontrolle von Vertriebskanälen. In der Musik- industrie können nur sehr wenige der Interpreten ihren Lebensunterhalt mit der Massen- verbreitung dieser Produkte verdienen. Die große Mehrheit der Interpreten verdient ihr Geld dadurch, dass sie Konzerte geben. In gewisser Weise kann dies als Konflikt gesehen werden zwischen Geistigem Eigentum und Humankapital. Das Humankapital wird auf Konzerten verkauft und das Geistige Eigentum wird durch das Vertriebssystem vermarktet, das nicht für den Interpreten arbeitet, der den Wert schafft.

(Alle Diskussionszusammenfassungen dieser Dokumentation stammen von Andreas Poltermann.)

22 Martin Kretschmer Copying the Digital Millennium Copyright Act: European struggles with information control

Europe is rushing into the trap of digital copyright laid by the Digital Millennium Copyright Act (DMCA), at the very moment when an increasingly restless public is probing the rationale of American copyright law. In the US Supreme Court appeal in Eldred v Ashcroft (15 January 2003)1, the majority judges hinted that repeated extensions of copyright law may have been unwise, even if they could not challenge the powers of Congress. Justice Breyer argued in a blistering dissent that copyright statutes may “seriously, and unjustifiably, restrict the dis- semination of speech” while not providing any decisive incentives to the creator. In 2003, digital copyright will finally arrive in Europe with the much delayed implementation of the Directive “on the harmonisation of certain aspects of copyright and related rights in the Information Society” (2001/29/EC). Europe is about to follow the Digital Millennium Copy- right Act of 1998 in ratifying the 1996 Internet treaties of the World Intellectual Property Or- ganization (WIPO).2 According to some of the imminent provisions, selling all region DVD players will become illegal; copying lines of electronic literature for parody or criticism can be prevented by contractual terms of the right owner; librarians will have to monitor what is be- ing copied on their premises; and participating in P2P networks may land you in prison (UK draft implementation). The legislative strategy of these draconian copyright interventions was conceived in the early 1990s, before the introduction of Netscape’s Navigator in 1994, the browser that turned the Internet almost overnight into a mass communication and electronic commerce medium. In 1994, about 1 million computers were directly connected to the Internet (so-called Internet hosts, the most widely accepted measure of Internet adoption). The 2002 World Telecommu- nication Development Report identifies about 140 million Internet hosts, rising daily. Unau- thorised copying accounts for a significant part of the traffic from these hosts, with trade or- ganisations reporting apocalyptic figures. According to IFPI, the global lobby organisation of the music industry, one in three songs in circulation is pirated (www.ifpi.org); for the software producers, the Business Software Alliance claims annual losses in the region of $23 billion in Europe alone (www.bsa.org).

1 Eldred v. Ashcroft Attorney General, 537 U.S. (2003) S.Ct. 01-618, challenging the constitutionality of the 1998 Sonny Bono Copyright Extension Act, extending the term by 20 years to 70 years post mortem auctoris, and 95 years for “works for hire”. The court held by a seven to two majority that the Act was constitutional. 2 DMCA: Pub. L. No. 105-304, 112 Stat.2860 (1998), relevant provisions codified at 17 U.S.C. sec. 1201- 04. WIPO Internet Treaties: World Intellectual Property Organisation Copyright Treaty (1996); World Intellectual Property Organisation Performances and Phonograms Treaty (1996). 23 Internet host computers v. Legal intervention dates

If digital material can be manipulated into ever new shapes of untraceable origin, if every local copy becomes a master of global reach, is it not indisputable that we need a radical shake-up of copyright laws? The legislative proposals of the digital copyright agenda focus on “the in- dustry’s right to say NO in the on-line environment” (as the president of a multinational rec- ord company told me about their lobbying efforts during the 1990s). Following the WIPO Internet Treaties of 1996, a combination of three legal measures hope to achieve this: extend- ing exclusive rights (as opposed to entitlements to remuneration), privileging technological locks (securing these rights), and targeting copyright users (as opposed to commercial com- petitors). In this article, it is argued that this legislative strategy is fundamentally ill-conceived, and bound to fail. Rather than demanding the right to say NO, right owners should have focused on rewards from an inevitable YES. A small royalty percentage on content traffic revenues generated for Internet Service Providers (ISPs) and telecommunications firms would have been the obvious legal innovation. The resources of existing copyright law should have been targeted at unauthorised commercial exploitation by competitors. It is predicted that the fail- ure of the digital agenda to secure widely acceptable and enforceable exclusivity to content owners will prove a turning point in the history of copyright. In the near future, investor and 24 creator rights will be treated as separate issues, with the next generation of copyright laws re- jecting the current premise of information control.

A whiff of desperation In some ways, the imminent new European copyright laws are already an act of desperation. In countries where the norms of the digital agenda have been in force for some years, they have not succeeded in stemming the tide of digital copying (e.g. United States). Globally, there are very few successful business models for the on-line distribution of copyright materials. Ex- ceptions include proprietary financial and legal information services (e.g. Bloomberg; Reuters; Lexis-Nexis, Westlaw relying on continuous updates often in real time), academic publishers (with a small and highly profitable customer base and often unsatisfactory terms of access), Internet radio stations (which in some jurisdictions have been able to take advantage of blan- ket non-exclusive licences), and pornography. Mass market consumer offerings, such as the Napster phenomenon in 2000, were driven back underground. Short of turning the Internet into an Intranet of licensed content servers (a solution proving unsustainable in China), copy- ing appears here to stay. In the conclusion of his recommendations, Enrico Boselli, the rapporteur (Berichterstatter) of the second reading of the Information Society Directive in the wrote memorably (14 December 2000): “In the last three years, the information society has evolved in the direction of ever-more advanced solutions which could scarcely have been imagined in 1997, the year in which the Commission’s proposal for a directive was drawn up... It is, there- fore, desirable that the directive be adopted as rapidly as possible, since if not it may become prematurely outdated.” Boselli’s argument sounds like a stand for legislative caution. If the evolution of technology and consumer behaviour is still dynamic, regulatory intervention may need to be cautious, reaching out for a new normative consensus. Instead, the European Parliament recommended a rapid implementation of the Information Society Directive, with a transposition date into na- tional law set for 22 December 2002 (18 months after its adoption by the European Council). In the face of still vigorous disagreement, major national drafters such as the UK Copyright Directorate, and the German Justizministerium had to admit that there was “no prospect” of meeting the date – even though they had adopted the legislative route of lowest resistance, fo- cusing on minimal amendments to existing copyright laws. Indeed the transposition date just passed.

The Digital Agenda: where did it come from? An international policy process that results in norms that threaten to be “prematurely out- dated” before their implementation cannot count as an unqualified success. Why did the digi- tal agenda take the shape it did? The first mass market digital carrier was the music CD launched in 1983. Software fell under copyright law with the US Software Protection Act 1980 which strongly influenced the EC Software Directive of 1991 (91/250/EC). During the 1980s, some software vendors began to experiment with copy protection technologies, but soon even

25 Microsoft abandoned such measures. Widest distribution of software seemed the most prom- ising route to commercial adoption (and thus revenues). A Green Paper by the European Commission of 1988 (“Copyright and the challenge of tech- nology”) usefully reflects the debate at the time. Bernhard Posner, then head of the copyright unit, summed up the Commission’s approach: “Creative artists, industrialists and consumers alike share common needs and interests. One cannot live without the other. As the pace of technological innovation quickens, copyright will in future serve the interests of right holders best by generating new resources of remuneration and by stimulating interest in and demand for products, rather than by acting as a restrictive or prohibitive instrument.”1 Despite these premises, the Green Paper is one of the first policy documents advocating a technological lock as the general counter-measure to digital copying. For example, a binding legal instrument is proposed “requiring the introduction ... of regimes making the possession of digital audio tape commercial duplicating equipment dependent upon a licence to be deliv- ered by a public authority and the maintenance of a register in respect of licensed equipment”, backed by sanctions under criminal law. A life experiment for this policy was the US Audio Home Recording Act 1992 that required a serial copy management system in all digital audio recording devices (DAT), allowing only first generation copies. Additionally, technologies whose “primary purpose” was to circumvent copy restrictions were prohibited. As an early implementation of the digital agenda, the law proved a failure. Music studios routinely circumvented the copy management system. Con- sumers simply refused to upgrade their homes to DAT equipment, instead retaining unre- stricted cheap analogue tape recorders or increasingly experimenting on the personal com- puter (PC) with audio compression techniques, such as the MP3 standard. Right holder circles soon came to view the general purpose PC linked to the Internet as dupli- cating equipment that would respond to closely circumscribed, industry issued copy man- agement systems -- repeating the DAT strategy of creating a closed circuit of licensed content. The earlier approach of stimulating demand was abandoned: If the only legitimate content available is copy protected, people will eventually be prepared to pay for it. Transgressors will live to regret their actions as criminals. The proposals of the Clinton/Gore task force on the National Information Infrastructure (1994-5)2 accepted this right holder blueprint for a global regime of digital copyright, rejecting the compulsory licenses of cable re-transmissions models in favour of an exclusive right, cov- ering Internet transmission. Criminal sanctions were devised against the importation, manu- facture, distribution of circumvention devices, as well as against the provision of circumven- tion services and the removal of copyright management information. This was later reflected in the language of the WIPO Internet Treaties (1996), requiring contracting states to provide “adequate legal protection and effective legal remedies” against circumvention technologies.

1 Bernhard Posner, Purposes and scope of the Green Paper on Copyright and the Challenge of Techno- logy, pp. 2-8 in F. Gotzen (ed.) (1989), Copyright and the European Community: The Green Paper on Copyright and the challenge of new technology, Brussels: Story Scientia, at 8. 2 Report of Working Group on Intellectual Property (chaired by Bruce Lehman) of Information Infrastructure Task Force, Intellectual Property Rights and the National Information Infrastructure (Sept 1995): the NII White Paper. 26 Some memorable digital copyright provisions Digital copyright protects the technology that protects the law that was to protect creative ma- terial in the first place. According to section 1201 of the Digital Millennium Copyright Act 1998 (DCMA, the US implementation of the WIPO Treaties) wilful circumvention of copy- protection measures to gain access or copy can be punished on first offence with a fine of $500,000 or a five year prison sentence, raising on second offence to $one m or up to ten years in prison. The first DCMA anti-circumvention cases have been played out in court, deal- ing for example with the publication of the DeCSS code decrypting DVD movies (Universal City Studios v. Corley 2001) or a Russian program circumventing copy protection on Adobe’s electronic book software, a criminal case (United Stated v. Elcom Ltd. 2002). The European Information Society Directive explains under Recital (48) that devices or activi- ties “which have a commercially significant purpose or use” should not be deemed to be “primarily designed“ to enable or facilitate circumvention. Only the latter member states must prevent under Article 6(2). Thus the general purpose PC should remain on the European market. European criminal sanctions are generally set lower. The UK draft (s.296ZB) provides for a fine and/or up to two years prison if circumvention affects “prejudicially” the right owner’s interests. The German draft (§108b) provides for a fine, or up to three years impris- onment if circumvention takes place for commercial gain. The WIPO Internet Treaties of 1996 expressly permit the development of “new copyright ex- ceptions and limitations that are appropriate to the digital environment” (Agreed Statement to Article 10). “Fair use” exceptions generally allow certain user activities without the right owner’s consent. Under the WIPO Treaties existing exceptions, such as the German Schranke of “illustration for teaching and scientific research” (§52a), or the UK “fair dealing” defence of “criticism or review ” (section 30), can be carried forward into the digital environment if they conform to a so-called three-step-test in that they are confined to (1) special cases, which (2) do not conflict with a normal exploitation of the work, and (3) do not unreasonably prejudice the legitimate interest of the authors (Article 10, paragraph (1)). However, with digital right man- agement technology almost every exploitation can be normally licensed, and any unauthorised copy for teaching, research or review may be against the economic interests of the right holder.1 Thus the scope of possible exceptions is very narrow. Additionally, it is not clear how the user can take advantages of exceptions if the copyright material is already technologically locked. The European Information Society Directive forgoes straight away the already limited oppor- tunity to explore new user rights in the digital environment. It prescribes an exhaustive list of 20 possible exceptions, member states of the may introduce or maintain. No

1 The three-step-test is taken from Article 9(2) of the Berne Convention where it defines permitted ex- ceptions to the reproduction right only. The compulsory licence available under Article 11bis(2) (com- munication to the public, including by broadcasting) of the Berne convention would not appear to pass the WIPO hurdle. The compulsory licence available under Article 13(1) (reproduction of musical works in sound recordings) seems inconsistent even on Berne’s own terms. Indeed the European Parliament in its unsuccessful amendments to the Information Society Directive tried to narrow the three-step-test even further. For good analyses, see Thomas Heide (1999), The Berne Three-Step Test and the Propo- sed Copyright Directive, European Intellectual Property Review: 105-109; Bernt Hugenholtz (2000), Why the Copyright Directive is Unimportant, and Possibly Invalid, European Intellectual Property Re- view: 499-505. 27 new exceptions can be introduced nationally, if the information society should develop unex- pected services! Only one exception is mandatory: temporary reproductions as “integral and essential” part of a technological process (Article 5(1)). This covers so-called “cache” copies which Internet hosts make in the process of transmission or PCs in the process of accessing web sites. Thus Internet Service Providers do not have to acquire licences for the material ac- cessed through their services. If copy protection technologies prevent users from exercising their statutory freedoms, say if no non-encrypted version of a scientific journal article is available on the market, the Directive allows member states to overrule copy protection through appropriate measures (recital 52) -- provided the encryption is not part of an on-demand service (Article 5(5)). There is no “fair use” for copy protected on-demand services, full stop. When a person who thinks she should benefit from a copyright exception, is unable to access a work, she “may issue a notice of complaint to the Secretary of State” who may issue such directions “to the copyright owner as appear to the Secretary of State to be requisite or expedient” (proposed new section XXX of the UK draft implementation). The German draft includes a similar provision for specific benefits available to social, charitable and educational institutions (§95a). In practice, it can be predicted that nobody will use this cumbersome procedure. Users will simply take advantage of unauthorised copies, technically turning into pirates. Under §53 of the German draft, digital private copies for domestic non-commercial use will remain permitted. Existing UK law is more favourable to the music industry, an important ex- porter, and does not have such a general exception. The German draft does not explain how private copying, for example of a CD or DVD, should take place where the work is copy pro- tected. Exclusive rights protected by a technological lock can override these general user free- doms. However, copyright owners will be required to clearly label copy protected products, perhaps facilitating informed market choices by consumers. The UK draft amendments include a particularly draconian provision which is not required by the Directive. According to the proposed new section 107(3A), a person communicating a work to the public without consent of the copyright owner, commits an offence if the owner’s interests are affected “prejudicially”. This would appear to cover private individuals participat- ing in P2P file-sharing networks because large numbers will have access to unauthorised cop- ies stored on domestic PC hard discs, affecting the right owner’s ability to sell legitimate cop- ies. Again, the sanction can be “imprisonment for a term not exceeding two years or a fine, or both”. KaZaa users be warned.

A legitimacy gap has opened Copyright law always has limited the amount of control right owners can exercise via the con- cept of exclusive rights. First, right holders have never been able to prevent access to the works they own. In the phrase coined by US scholar Jessica Litman in an early polemic against the digital agenda, there is no “exclusive right to read” (1994).1 Similarly, under traditional copyright provisions (such as the “first sale” doctrine, or the “exhaustion of right” concept), right owners often can

1 Jessica Litman, The Exclusive Right to Read (1994), 13 Cardozo Arts & Ent. L.J. 29 28 not prescribe what a user can do with the copy of a work after sale. The user may bin a bad book, pass on a good CD, or re-sell a piece of merchandise. In many countries, there are com- pulsory licences for radio broadcasts and cable re-transmission of copyright works. Secondly, certain user freedoms are explicitly endorsed by copyright laws, such as copying for the purpose of criticism or review, copying for the purpose of scientific enquiry or personal study, copying for the purpose of reporting news. For example, the US has a flexible multi- purpose concept of “fair use” covering activities that can be undertaken without the consent of the copyright owner; the UK has some closely circumscribed “fair dealing” defences; relies on the strange concept of Schranken (literally “barriers”) to owner controls. Thirdly, under all copyright laws, protected works eventually fall into the public domain. This may take a long time for works written by young creators, such as Stravinsky’s Sacre du Prin- temps of 1913 that will stay in copyright until 2041, 70 years after the composer’s death. But eventually, every product in the creative domain can be copied, adapted and distributed by anybody who cares to effect such circulation, leading to significantly cheaper prices for com- peting copies of classic works. The digital agenda blatantly attacks this trade off. Recital (3) of the Information Society Direc- tive acknowledges fundamental principles of law, “especially of property, including intellectual property, and freedom of expression and the public interest”. However, in the text of the Di- rective, the principles of freedom of expression and public interest (which underpin the tradi- tional copyright exceptions) are largely handed over to the right owner. Under the digital agenda of exclusive rights, research of material made available via on-demand services can be contractually prevented by the right owner (Article 6(4)). This amounts to the possibility of a perpetual copyright. If the argument in this article is right, this outcome will not happen in practice, either because right owners will make more acceptable licences available, or because copyright user will simply ignore the licensing terms. This however begs the question whether a provision that turns fundamentally desirable engagement with cultural materials into pirate activity can be acceptable law. In the second half of this article, some principles will be introduced that should guide the de- velopment of the next generation of copyright laws.

Creators and Investors: an unholy alliance Property claims can be defined negatively as rights to exclude. Access to property becomes conditional on the discretionary decision of the owner. Property entails the right to say NO. It is widely accepted in economic theory that property rights are justified if they prevent a so- called “tragedy of the commons”.1 For example, fish stocks held in common are liable to de- plete because there is no individual owner who has an incentive in their preservation. From a public interest perspective, property rights should not be more far-reaching than needed to achieve this purpose. In the case of intellectual property, in particular, they should not en- croach on others’ “freedom of expression” more than is necessary to incentivise creative ex- pression in the first place.2 A second family of property justifications comes from John Locke’s

1 The phrase stems from G. Hardin (1968), The Tragedy of the Commons, Science 162, pp. 1243-1248. 2 For a widely cited incentive analysis, see W. Landes & R. Posner (1989), An Economic Analysis of Co- pyright Law, 18 Journal of Legal Studies, pp. 325-366. 29 notion of men’s “natural” entitlement to the fruit of labour, and from the Hegelian notion of rights as the expression of personality.1 The form and scope of acceptable rights under these premises is somewhat elusive. In particular, it is not clear how far other people’s expression can be justifiably limited by “natural” property claims. In a typical response to the seminal Commission Green Paper of 1988 “Copyright and the challenge of technology”, Margret Möller, a civil servant in the German Ministry of Justice (Ministerialrätin im Bundesministerium der Justiz), attacks the concept of copyright as a bal- ance of property and user interest. Among other things, the Commission evaluated the effect home-taping had on the audio-visual industry – as any serious policy maker should. The Green Paper argues in favour of preserving private copying exceptions off-set by a compensa- tory levy scheme, a new rental right (introduced with the 1992 Rental Directive, 92/100/EC) plus a technological copy lock on digital audio equipment. But according to the author lobby, this already was far too permissive. Möller: “(The Commission) reflects on the admittedly high rate of home taping of protected works (97%) and on the damage to the rightowners. Insofar, the Commission is of the opin- ion that home taping off-air even benefits the rightowners because they become popular by it and are more in demand. The Commission then speculates on how often privately copied phonograms or videograms are used for listening or viewing. Needless to say that all these re- flections are more or less irrelevant from the point of view of author’s rights.”2 A trade-off between the audio-visual industry, consumer electronics and consumer interests may be appropriate under the Anglo-American copyright approach but not under the Euro- pean concept of the author’s intrinsic personal and economic links to her work. In the notori- ous phrase of Prof. Schricker, then director of the influential Max-Planck-Institute for Intellec- tual Property in Munich, by engaging in economic evaluation, the 1988 Green Paper shows “un droit d’auteur sans auteur”, author’s rights without authors. Thus the absolutist concep- tion of author rights ties in with the exclusive rights demanded by the digital agenda. The rhetoric of property rights contributes little to determining the appropriate scope of copy- right. It glosses over fundamental differences of interest at the heart of claims to the fruits of creative endeavour. I shall now unbundle the concepts of creator and investor which have formed an unholy alliance in modern copyright law. The argument is presented from prem- ises which attempt to capture widely held views in modern societies. Then conclusions are drawn on principles for a reform of copyright law.

Thesis 1: There is no unified category of right owners, covering creators (authors) and inves- tors (producers). Creators have four main interests: to see their work widely reproduced and distributed to receive credit for it to earn a financial reward relative to the commercial value of the work

1 John Locke (1690), Second Treatise of Government, chapter five; G. W. F. Hegel (1818-1831), Vorle- sungen über Rechtsphilosophie. 2 Margret Möller, Author’s Right or Copyright, pp. 9-20 in Gotzen (note 1 above), at 18. 30 to be able to engage creatively with other works (in adaptation, comment, sampling etc).

Regarding the structure of author rights, this leads to three conclusions: The creator has little to gain from exclusivity (it prevents widest distribution; it pre- vents access to other works; it does not ensure financial reward) The creator has little to gain from transferability (under normal contractual practices, particularly in the media, the creator will be bought out in a one-off commercial trans- action) The creator has a lot to gain from the so-called droit moral (a kind of creative trade mark, ensuring identification of origin).1 In the past, these wishes could only be met under considerable economic inefficiencies (mainly caused by the costs of administrating rights). Digital technology offers new possibili- ties of tracing use and rewarding the creator. Transforming collecting societies into regulatory bodies answering to society at large (not only right owners) may be the best way forward.2

Thesis 2: Investors want exclusive and transferable property rights, to extract maximum re- turns from their investments. Exclusive rights, however, come at a cost to society.

Useful works become more expensive than they would have been (this is a direct con- sumer loss). Works become available for creative engagements only on the terms of the right holder (this is a loss of cultural diversity, innovation and critique). Automatic returns from a backcatalogue of works subsidise existing large right hold- ers, creating an entry barrier to the creative industries (this is an anti-competitive ef- fect). Regarding the structure of copyright as property right, this leads to one conclusion: Investors should be granted exclusive terms of protection only as a response to market failure: i.e. where without the incentive of exclusivity, a work in the “useful arts” would not be produced at all. The normal exploitation cycle of cultural products suggests that a short exclusive term would be sufficient. If the first statutory copyright, the English Act of Anne of 1709/10, granted a

1 The droit moral was introduced with the Rome revisions (1928) of the Berne Convention (1886), the cornerstone of the international copyright regime: Article 6bis provides for the right to claim first authorship of a work (paternity right) and the right to object to any distortion, mutilation or other modi- fication which would be prejudicial to the honour or reputation of the author (integrity right). The droit moral is distinct from copyright as an economic property right in that it cannot be transferred or wai- ved, reflecting a somewhat mysterious Hegelian bond between author and work. 2 I have argued this point in detail in M. Kretschmer (2002), The Failure of Property Rules in Collective Administration: Rethinking copyright societies as regulatory instruments, European Intellectual Pro- perty Review 24/3: pp.126-137. 31 term of 14 years (renewable once), the faster dissemination and exploitation environment of digital technologies would suggest an even shorter term.

Star creators Many creators have demanded control over their artistic output which, they say, can only be ensured through exclusive rights. In commercial practice, however, artistic control is only available to a few star creators whose bargaining power is sufficient to benefit from the trans- ferability and exclusivity of rights. The interests of star creators are thus similar to investor in- terests. They benefit disproportionally from the current copyright system: Figures provided in the 1996 UK Monopolies and Mergers Commission Report on the British Performing Right Society PRS show that 80% of author members earned less than £1000 from performance royalties for 1993 distributed in 1994; and that 10% of authors received 90% of the total distribution. Similarly, GEMA’s yearbook 1996/7 shows that 5% of members received 60% of the total distribution. I have calculated that in Germany and the UK between 500 and 1500 composers can live substantially of copyright royalties. There are indications that such winner-take-all markets are prevalent in most cultural industries. For the US, Tebbel has claimed in a 1976 study that only 300 self-employed writers can live of the copyright sys- tem.1 For 90% of authors, the copyright system does not provide a sufficient reward. The crea- tive base of a modern society is supported by other means. Early in their careers, many creators wish to become known by all available means, including being copied without permission. Piracy is welcome if source credits are given. Once creators have become famous, they typically perform a U-turn. Their monetary interests suddenly can compete with investors, aligning both in their defence of exclusive rights. “Take a stand for creativity. Take a stand for copyright.” implored a petition to the European Parliament signed by 400 recording artists in 1999. “We make our living through our music. The music that we create touches the lives of millions of people all over the world. Our creativity and our success depend on strong copyright protection. We now need your help.”2 This dubious harmony of interests remains the official industry line in its piracy campaign: “Ultimately, if creators do not get paid, you will not get music” (John Kennedy, President and Chief Operating Officer, Universal Music International, Letter to the Financial Times, 23 January 2003).

1 J. Tebbel (1976), The Book Business in the US, in The Modern World: Reactions Vol.3 2 Petition “Artists Unite for Strong Copyright”, led by Jean Michel Jarre with the assistance of IFPI (19 January 1999), signed by among others Boyzone, the Corrs, Robbie Williams, Tom Jones, Eros Rama- zotti, Mstisalav Rostropovich, Barbara Hendricks, Die Fantastischen Vier, Aqua and Roxette. 32 UK Performing Right Society (PRS) Lorenz curve: author members distribution 19941

Future gazing By advancing the proprietary conception of copyright to its limits, the digital agenda is leading to a re-examination of the premises of copyright. We are at the end of a period of expansion, stretching back to the Act of Anne, the author laws of the French revolution, and the great in- tellectual property conventions of the late 19th century. In his dissent in Eldred v Ashcroft, Supreme Court judge Breyer follows an analysis by a group of economist, including five Nobel laureates, suggesting that a copyright term of life plus 70 years provides 99.99% of the value of protection in perpetuity; i.e. virtually perpetual copy- right economically speaking.2 Summing up his constitutional analysis of the 1998 Sonny Bono Act extending the US copyright term by 20 years, Breyer concludes: “This statute will cause serious expression-related harm. It will likely restrict traditional dissemination of copy- righted works. It will likely inhibit new forms of dissemination through the use of new tech- nology. It threatens to interfere with efforts to preserve our Nation’s historical and cultural heritage and efforts to use that heritage, say, to educate our Nation’s children. It is easy to un- derstand how the statute might benefit the private financial interests of corporations or heirs

1 Performing Rights, UK Monopolies and Mergers Commission, HMSO Cm 3147 (1996). 2 Amici Curiae brief of George A. Akerlof, Kenneth J. Arrow, Timothy F. Bresnahan, James M. Bucha- nan, Ronald H. Coase, Linda R. Cohen, Milton Friedman, Jerry R. Green, Robert W. Hahn, Thomas W. Hazlett, C. Scott Hemphill, Robert E. Litan, Roger G. Noll, Richard Schmalensee, Steven Shavell, Hal R. Varian, and Richard J. Zeckhauser (20 May 2002). 33 who own existing copyrights. But I cannot find any constitutionally legitimate, copyright- related way in which the statute will benefit the public.”1 Within a generation, I predict that Judge Breyer’s views will have become the new orthodoxy; and the laws of the digital agenda a temporary aberration. Copyright laws will change, so as to be unrecognisable. There will be short burst of exclusivity, encouraging fast exploitation, fol- lowed by a remuneration right for the life time of the creator. Criminal law will retreat to the traditional domain of unauthorised or deceptive commercial exploitation. As we reflect, digital copyright at the turn of the millennium will have marked the end of an era.

Copy control symbol for CDs (IFPI)

Optional logo informing consumers that a CD incorporates technology to control copying (September 2002)

Dr. Martin Kretschmer, Reader in Intellectual Property; Joint Director, Centre for Intellectual Prop- erty Policy & Management, Bournemouth University (www.cippm.org.uk), Visiting Professorial Fel- low, Queen Mary Intellectual Property Research Institute, University of London

1 537 U.S. (2003); Breyer, J., dissenting, at 26. 34 Auszüge aus der Diskussion

Ursula Holtgrebe (TU Chemnitz): Es gibt beim digitalen Rechtemanagement gerade in der Musikindustrie einen Punkt, der mir ökonomisch rätselhaft ist. Können Sie mir erklären, wa- rum die Industrie glaubt, für die einzelne Nutzung irgendeines Musikstücks eine kleine Ge- bühr beziehen und damit Geld verdienen zu können. Martin Kretschmer: Das ist eine Frage des Preises. Bei den Pilotprojekten und auch mit Mu- sicNet und PressPlay wird dieselbe Preisstruktur angewendet wie für CDs im Laden plus Te- lefonkosten. Deswegen wird dieses Modell nicht angenommen. Wir wissen nicht, was wäre, wenn die Preisstruktur anders aussähe. Ich z.B. wäre ja gerne bereit, kleine Summen zu zah- len, wenn ich dafür ein Stück bekommen könnte, das ich sonst mit viel Mühe bei einem Ver- sand oder einer Bibliothek aufzutreiben müßte. Rainer Kuhlen: Ich kann dazu einige Erfahrungen mit Studenten in Konstanz beitragen: Man bezahlt als Student für MusicNet oder PressPlay 9,50$ pro Monat für 300 Streams und 20 Downloads und eine bestimmte Anzahl Burns (Brennen). Das ist durchaus ein attraktives Angebot, allerdings nur für Studenten, weil für sie die Telekommunikationskosten wegfallen. Wenn die Kosten dafür runtergehen, ist das ein gängiges Geschäftsmodell. Das ist eine Mischform zwischen dem, was Sie als individuelle Abrechnung ansprechen, und der Pau- schalierung. Diese Mischform, die natürlich auch wieder individuell abgerechnet werden muss, scheint momentan das einzige attraktive Geschäftsmodell zu sein. Jeanette Hofmann: Soll man sich die neue Gestalt der Verwertungsgesellschaften, die du vor- schlägst, als eine nationale Lösung vorstellen? Die Informationsökonomie tendiert ja zu glo- baler Integration. Was bedeutet das für Verwertungsgesellschaften? Martin Kretschmer: Praktikabel ist es erstens nur, wenn man die existierenden nationalen Strukturen verwendet, weil die schon seit 100 Jahren Mikrozahlungen organisieren. Zweitens gibt es die Initiative, dass jedes Werk einen eigenen Code erhält (so etwas wie einen Domain- Namen), den man nur über eine Stelle bekommen kann. Dieser Code folgt dann dem Werk durch alle seine Transmutationen und bei jeder Multiplikation. Dieses System könnte inter- national organisiert werden. Schließlich müßte auf nationaler und subnationaler Ebene ge- klärt werden, wie Vertrieb und Sampling funktionieren sollen. Denn eine Gefahr der globalen Integration besteht darin, dass sie den Großverkehr bevorzug: die Stars bekommen viel und die Underground-MusikerInnen bekommen wenig, weil die in einer Lücke gespielt werden, wo die Sampler gar nicht hinkommen. Annette Mühlberg (Ver.di Bundesvorstand): Sie haben von der Rolle der Investoren, der In- terpreten und der Verwertungsgesellschaften gesprochen. Welche strategischen Möglichkei- ten gibt es für die Verwertungsgesellschaften, welche für die Interpreten und die Investoren? Martin Kretschmer: Ich glaube, eine der Hauptstrategien der Rechteinhaber ist das Forum- Shifting. Die wählen sich das Forum, bei dem sie die von ihnen gewünschten Resultate krie- gen. Wenn es in einem Gremium nicht geht, geht man ins andere. Von TRIPS zu bilateralen Vereinbarungen, von dort zum Europäischen Parlament. Die Öffentlichkeit kann nicht jeden Wechsel des Forums kritisch begleiten. Dieses Forum-Shifting ist eine sehr fein ausgearbeite-

35 te Strategie, weil man das Forum wählt, bei dem der geringste Widerstand und die geringste Öffentlichkeit zu erwarten ist, um die neuesten Rechte auszuhandeln. Publikum: Wenn Sie von Strategien reden, wie beurteilen Sie die neue Art von Prince, mit diesem Thema umzugehen. Hat das Zukunft? Martin Kretschmer: Der Markt wird sich nicht grundlegend ändern. Als kreativer Schöpfer brauchen Sie einen Vermittler, um auf den Markt zu kommen. Diesen Vermittler wird es immer geben. Und wenn der Vermittler Wert hinzugibt, wird er Rechte beanspruchen. Daran ist nichts auszusetzen, weil das grundlegende wirtschaftliche Prinzipien sind. Eigentumsrech- te sind effizient, wenn sie sorgfältig konstruiert sind. Im Falle des Urheberrechts wären kurze Schutzfristen angebracht, die sich an Produktzyklen orientieren. Es wird nicht so sein, dass alle Autoren sich plötzlich Gehör verschaffen können und ihre Produkte übers Internet er- folgreich vertreiben. Das wird es die Ausnahme bleiben. Sabine Curio-McNeal: In England habe ich gerade eine Limited Liability Partnership entdeckt, eine Organisationsform, die Ihre Idee der neuen Verwertungsgesellschaft, der Collective So- ciety ausgesprochen gut umsetzen würde. Die Kunden, also die Endverbraucher als Stakehol- der, werden das ganze Spiel mit hineingenommen. Wenn neben den Schöpfern und den Ka- pitalgebern die Kunden mit einbezogen werden in die Organisationsform, wäre eine neue ö- konomische Möglichkeit gegeben. Wir haben in London etliche Gruppen, die sich mit dem Potential dieser neuen Organisationsform auseinander setzen.

36 Bernd Lutterbeck Stifling Innovation – the Case of Software Patents

1. Drug patents before the firing squad The Technical University of Berlin announces… richly rewarded through patents. With these words my university, the Technical University of Berlin, has announced its new patent policy last winter. The Technical University proudly announces what is known as the common ra- tionale of patents: The more patents the better for the institution, for the researchers, for the students, for the public good this institution is build for – education. Thus the best patent pol- icy would be to enlarge the patent portfolio of any given institution. It is also a common con- viction that patents will increase the market share in given markets. And of course firms do what they are build for: Maximize their profits. The conclusion is obvious: Patents need to be granted by the law, so that inventors can enjoy the fruits of their labor. And copycats should be punished. However, there is a dark side of patents.

The dark side of patents “Without intellectual property protections a modern economy could not function” “Patents successfully generate inventions while inhibiting their use.” Examples: Aids-generica for use in poor countries like South Africa, Brazil, India and China. McMillan 2002, p 104, p 34. The prime examples are patents on pharmaceutical drugs, especially AIDS-drugs.11 In India, the government decided not to grant patents in food and drugs, so many manufacturers sell copies of drugs patented by U.S or European firms. So the price per pill for a spezial drug against infections was 25 cents in India and 10 Dollar in the U.S. South Africa passed a law in 1997 to make Aids drugs affordable through a compulsory license. The government estimated that this could reduce prices for Aids drugs by between 50 to 90 percents. (McMillan 2002, p 35, 36) In 1997 39 drug companies brought a suit to overturn the South African law, but the pressure of a broad coalition of NGO´s and public health experts finally succeeded in their opposition. “The suit turned into a public relations desaster for the companies.” So is was dropped in 2001. Not to mention the political message of this struggle. To quote the economist John McMillan on his recent book on markets: “By withdrawing their court action, the drug com- panies could, for public health reasons, override patents.” (p 38) The lesson from the South African case is easy to understand: In some cases it might even the better economic solution not to grant patents. The question is wether and to what extend the experiences in the Aids case are transferable to the world of computers and software. And do we speak about poor countries alone? Remember the discussion on anthrax after September

1 The European Commission has cleared a plan to boost developing countries' access to key medicines. It adopted a draft Council regulation enabling exporters to deliver essential medicines at reduced prices to poor countries, while making sure the goods are not diverted back to the EU. See Sharon Spiteri: Plans to boost medicine access in poorer countries. EU Observer, 31.10.2002, http://www.euoberver.com. 37 11th. A German company was patent holder for anthrax drugs and near monopolist on the American market. It was too expensive a drug for the millions of fellow Americans which might be infected by anthrax. We need to have a compulsary license argued the American government. Given this argument as convincing which lesson can we learn from this case? The latter case is just as easy to understand than the former: In some cases it might be better not to distinct between rich and poor countries. Apparently the question is whether granting patents is a proper solution for mankind at a whole. And the political lesson is: If a leading nation of thus many patent holders handles foreign patents pretty cool as it did one could learn that granting patents is also about political inter- ests and political influence. That means: The rules of the game are not casted in stone. They can be changed. I believe that this argument hold for computers and software markets as well. I hope to convince you but I have to go back a long way.

The economic rationale of patents: Patents are restraints on trade Scope of Industrial Property “Industrial property shall be understood in the broadest sense and shall apply not only to in- dustry and commerce proper, but likewise to agricultural and extractive industries and to all manufactured or natural products, for example, wines, grain, tobacco leaf, fruit, cattle, miner- als, mineral waters, beer, flowers, and flour.” (Art.1 Paris Convention for the Protection of In- dustrial Property as of March 20, 1883) In the end of the 19th century the then industrialized nations decided to establish a system of treaties covering all activities mankind is producing with their intellect. They established trea- ties for what we now call innovation. If one looks to the basic rules for industrial property from 1883 one can easily see that nearly everything of some value in the world is put under the umbrella of the basic treaty for patents.1 The world of innovation is not complete without mentioning the innovations coming out of books which were created by certain authors. A second treaty on literary property was con- cluded in 1886. One should mention that this second treaty was not too important for many nations, especially not for an emerging young nation on the other side of the Atlantic: the United States of America. The U.S. were then a net importer of literary and artistic works, mostly from England. In her recent study on «Intellectual property and economic develop- ment» Zorina Khan summarizes 19th century American politics:

1 Article 1 (Establishment of the Union; Scope of Industrial Property) (1) The countries to which this Convention applies constitute a Union for the protection of industrial property. (2) The protection of industrial property has as its object patents, utility models, industrial designs, trademarks, service marks, trade names, indications of source or appellations of origin, and the repression of unfair competition. (3) Industrial property shall be understood in the broadest sense and shall apply not only to industry and commerce proper, but likewise to agricultural and extractive industries and to all manufactured or natural products, for example, wines, grain, tobacco leaf, fruit, cattle, minerals, mineral waters, beer, flowers, and flour. (4) Patents shall include the various kinds of industrial patents recognized by the laws of the countries of the Union, such as patents of importation, patents of improvement, patents and certificates of addition, etc. 38 “(The American) statutes explicitly authorized Americans to take free advantage of the cultural output of other countries. As a result, it was alleged that American publishers “indiscrimi- nately reprinted books by foreign authors without even the pretense of acknowledgement.” The tendency to reprint foreign works was encouraged by the existence of tariffs on imported books that ranged as high as 25 percent. …despite the lobbying of numerous authors and ce- lebrities on both sides of the Atlantic, the American copyright statutes did not allow for copy- right protection of foreign works for fully one century. As a result, the nineteenth century of- fers a colourful episode in the annals of intellectual property, as American publishers and producers freely pirated foreign literature, art, and drama.” (Khan 2002, p 39/40) At any rate in 1883 and 1886 the bipolar structure of the intellectual property system came into existence, a system consisting of three elements: - Industrial property for inventions - Intellectual property for literary and artistic creations - Free competition Inside this system the nation states of the world enacted their specific statutes. By and large this structure is governing the way the world of today is handling its innovation. A handling in the logic of the 19th century: A thing is either in the scope of patents or in the world of copy- rights. Tertium non datur!

Modalities and premises of the dominant legal paradigm The relationship between the elements follows a clear principle of rule and exception: The basic rule is free competition. In market driven economies production of any kind is subject to free competition. Imitation is desired from a consumer’s point of view. For imita- tion leads to more products to lower prices. The one who is first on the market has competi- tive advantages; she can use the lead-time in order to promote the best marketing strategies for the product. And she can set standards for the life circle of the product. Certainly the best example for this principle is Microsoft: The firm leads its competitors because of standard set- ting. Patents are an exeption from the principle of competition: They give hard protection on hard conditions for a short period of time. Patents are state granted monopolies. Copyrights themselves are an exception from patent law. They also limit competition and grant a monopoly. But this monopoly gives soft protection on soft conditions for a long period of time. (Reichmann 1992) It is extremely important to understand the default rule of this structure: The forgotten default rule Default rule Free trade and free competition are the default rules. Patents and copyrights are the exeptions. You have to decide for the exeption 39 Burden of proof The burden of proof is generally on the state who awards the patent. The burden of proof is generally on the patent holder. You are not allowed to decide for the exeptions if you cannot prove their economic effiency. To give you an example: Some browsers set cookies without user´s decision. The decision for the browser is preinstalled. It is the default rule of the system. If you do not like to use cookies you must take a special action. Many users would not decide for this alternative, because they do not know the default rule. The privacy-friendly alternative is a browser with the opposite default rule. Then special action is needed to set cookies. Therefore the decisive question is: Are softwarepatents economicly justified and thus legally legitimized? Like many others at least from academia I have serious doughts to give an af- firmative answer. But I would like to give a slightly more sophisticated thesis instead: The pat- ent law comes under pressure from the direction of copyright law. One looks for solutions in- side the patent law, if firms believe that copyright protection is not sufficient. And in the same moment one eyes up to the copyright law, if the patent procedures are to strict. To give you a more concrete idea about what is going on in the world of intellectual property today imagine a bath tub or even a paddling pool: Our bipolar structure is swashing like the water in a bath tub. From one side to the other. The water is permanently swashing, but the consistence stays alike. And people who are in the tub know each other from their youth, no problem to plash around. After all the reason for swashing is obvious: Our structure is logically closed. There is no third position, at least in principle: Tertium non datur! In reality the people in the tube mostly are a certain kind of lawyers. Jessica Litman, one of the leading experts in the U.S., calls them “a peculiarly myopic breed of human being” (2001, p 22). If myopia would be the problem we shall have a closer look to software.

The digital dilemma To foster innovation is the main challenge for today’s policy makers. The question is whether and how far software patents and copyrights on software contribute to innovations. Software is certainly the core of the knowledge societies. The ability to develop, distribute and sell software is the crucial moment of the competitiveness of whole economies and regions. However, this ability gives power to enterprises and states to structure all the societies innova- tion. It gives them – hard and soft – power to decide on content. Therefore we have to look for both: Economic incentives to develop the infrastructure and political incentives for legitimiz- ing this sort of content regulation.

40 The dual character of software • Programs are texts. • Programs are machines which behave. • The design process of software is incremental and cumulative. Programs are virtual machines whose medium of construction is text. However, even after some 10 years of discussion it is far from clear to define what software is like. Decision-makers of all kind and every level are facing a principal dilemma: Whatever they decide it might be wrong. (for the following Manifesto 1994, pp 2315) Programs are texts, like traditional literary works and any other book. Programs behave, like any other machine. Texts do not. “Programs have a dual character because they are textual works created specifically to bring about some set of behaviors. You probably buy a book be- cause of its artistic expression. You buy and use software like MS Word to fulfill a task. You buy behavior. Like a car, which brings you from one point to the other. Text and behavior are independent in the sense that a functionally indistinguishable imitation can be written by a programmer who has never seen the text of the original program.” (p 2315/6) “The industrial designs embodied in programs are typically incremental in character.” Soft- ware development is cumulative, is a mixture out of new and old elements. Computer scien- tists characterize this process as evolutionary. All together are programs viewed as “virtual machines whose medium of construction is text”. (p 2324) The dilemma for the design of our legal order is obvious: Software is a machine which behaves. That nature precludes copyright protection. The innova- tion is incremental and cumulative. That nature precludes patent protection. Evolutionary software development and the criterion of novelty seems to be a contradiction. Because soft- ware is an extremely valuable artifact for nearly everything national, regional and international legislators decided some twenty years ago to establish a legal regime for software. They de- cided that software is a literary work under protection of copyright law and that software as such is not patentable. Notwithstanding the wording, notwithstanding the opinion of at least the American academic community, courts in the U.S. and Europe have not hesitated to grant patents for software and so called business methods. American jurists call his situation black letter law: Principles of law which are generaly accepted and not disputed at all. 1968 the New York Times summarized the state of the art in the U.S.: “Software is unpatent- able.” (Jones 1968) The same newspaper summarized the state of the art in 2000 almost ironicaly: “Once a province of a nuts-and-bolts world, patents are now being applied to thoughts and ideas in cyberspace. It is a ridiculous phenomenon, and it will kill e-commerce.” (Gleick 2000) What has happend since then? What has happened in the last 30 years? What kind of explana- tions can we give about the discrepancy of the law in the books and the law in action?

41 The battle over the instutional eco system (J. Benkler) Patents - the economic rationale What mainstream-economists teach? A patent is a legally sanctioned restraint on trade. Rechtlich gesprochen: Eine Wettbew- erbsbeschränkung, die Wettbewerb herstellen soll. A patent is, litterally, a license to overcharge. Weil der Schöpfer mehr verlangen kann, als der Markt hergeben würde, steigen seine Anreize für innovative Tätigkeiten – in der Theorie. (McMillan 2002, p 106) Firms must do what they are built for: Maximize their profits. They must and they will look for profits out of patents. A clear expression of the situation of firms is given in an advertise- ment of the Swiss patent attorneys: Patent protection is equals with market share. Managing of intellectual property is going to become the core strategic ability of companies. For example IBM as the greatest patent holder 1 Billion Dollar from Patent and license reve- nues alone. That is more then one ninth of the net profits. To qote two well-known American economists: Sometimes patents are the most efficient means to get protected market shares and to defend them. (Rivette/Klein 2000 according to Pfeiffer 2002 …ripe for growth and moneymaking

If you look at these figures it becomes clear that companies try to develop their intellectual set- ting into a strategic source for moneymaking. Even a German company like SAP, which strongly argues against the rationale of softwarepatents holds now some 20 software patents. Otherwise, they argue, they could not compete on the American market. I just gave you an in- sight into the world of individual actors. For them it is not doubtful at all: Our legal order must grant patents. The more patents the more innovation for the society. However, the insight of political economy is slightly different. Remember the default rule: The political economy must look for evidence that softwarepatents do increase the innovation of the society at a whole, they must justify a state monopoly. Interestingly enough, the history of the last 200 years of property rights, especially patents shows that there never has existed a consent between the experts in this field. At no time we

42 can find any proven evidence that patents are necessary. Even the founder of the modern pat- ent law and the modern patent institutions, Thomas Jefferson, argues against patents.

Thomas Jefferson was not only… among the framers of the U.S. constitution. “The Congress shall have Power . . . to promote the Progress of Science and useful Arts, …” U. S. Constitution, art. I, § 8, cl. 8 von 1787. TJ was also first commissioner of patents in the world “TJ, the architect of the U.S. patent system, was at first doubtful about the whole idea of awarding patents. A strong supporter of free markets; he saw this government-sanctioned monopoly as a public embarrassment and resisted including it in the Constitution. Ultimately he agreed (to) the patent exception.” (Pooley 2001) TJ was after all among the framers of the U.S. Constitution; he was among the creators of the first U.S. patent law and first president of the American patent office. And one should know that TJ was also a well-known inventor. “Thomas Jefferson might be surprised at what has become of his work (…) A strong supporter of free markets, he saw this government-sanctioned monopoly as a public embarrassment and resisted including it in the Constitution. Ultimately he agreed that the patent exception was worthwhile, but purely as an economic bargain with the government. The inventor would get a period of exclusivity (originally ten years), and in return the public would get disclosure of the most cutting edge technology. The invention would eventually enter the public domain and in the meantime would presumably inspire other useful advancements.” (Pooley 2001) TJ was certainly not as important as one of the greatest inventors of American history: Benja- min Franklin. He writes in his autobiography: The man who invented the lightning conduc- tor…was not only a great inventor… – but also a sceptic about patents! …”but I declin'd it from a principle which has ever weighed with me on such occasions, viz. That, as we enjoy great advantages from the inventions of others, we should be glad of an op- portunity to serve others by any invention of ours; and this we should do freely and gener- ously.” (Franklin 1793) “I wrote and published a pamphlet, entitled ‘An Account of the newinvented Pennsylvania Fireplaces’; wherein their Construction and Manner of Operation is particularly explained; their Advantages above every other Method of warming Rooms demonstrated. (…) This pam- phlet had a good effect. Gov'r. Thomas was so pleas'd with the construction of this stove, as described in it, that he offered to give me a patent for the sole vending of them for a term of years; but I declin'd it from a principle which has ever weighed with me on such occasions, viz., That, as we enjoy great advantages from the inventions of others, we should be glad of an opportunity to serve others by any invention of ours; and this we should do freely and gener- ously.” (Franklin 1793) Some two hundred years later Fritz Machlup, an American-Austrian economist, gave a report on the history of patents to the U.S.Congress. (Machlup 1958) At this time Fritz Machlup was among the leading economists of the world and, by the way, one of first theorists of the com- ing information society. Reading this report for me was an enlightenment, like falling Manna 43 from the heaven. In the history of patents has never been a consent whether these monopolies are necessary and economicaly efficient. No “empirical evidence is available to decide (…) con- flicts of (various) theories.” And that is not all. The majority of economists (Volkswirte) have rejected these monopolies as a proper solution for innovation: Patents are stifling. The con- gress of German economists argued in 1863 that patents stifle common welfare. Nearly every single argument pro and against patents has been raised already in the 19th century. Nothing new since the 1870 s. And even today there is no empirical evidence that patents foster inno- vation in the software market. Thus Machlup could sum up in his report:

Patents as a means for nation-building “If we did not have a patent system, it would be irresponsible…to recommend instituting one. But since we have had a patent system for a long time, it would be irresponsible, on the basis of our present knowledge, to recommend abolishing it.” (Machlup 1958) “If one does not know whether a system as a whole is good or bad, the safest policy conclusion is to muddle through .... If we did not have a patent system, it would be irresponsible... to recom- mend instituting one. But since we have had a patent system for a long time, it would be irre- sponsible, on the basis of our present knowledge, to recommend abolishing it. No empirical evidence, no proven argument, no proven economic efficiency. Why then estab- lished the leading states of the 19th century this system of intellectual property. Since 1873 the wind has changed. „Finally it was «a victory of jurists and protectionists against economists” (Machlup 1958) Since 1873, the wind has changed noticeably. It was not anymore political correct to ask eco- nomic questions. It was wartime, Germany was constituting its nation state, and it was a time of economic depression. The real parties of the game were not the populations of Germany and France, but the political interests who fighted for and against free competition and free trade. Around 1873 the former succeeded: Patents as a means for nation building. It was, as Machlup notes, a “victory of jurists and protectionists against economists”. (Machlup 1958 sub D.) This victory was complete: It is ongoing in 2002.

Lessons for European Ip-Policy The legal system for patents has been established to promote nationalism. It was a means of nation building in the 19th century. In this sense the rationale of patents was not the promo- tion of innovation. European politicians should learn this lesson, if they want to alter the cur- rent legal system for patents. Especially they should have in mind the summary of Fritz Machlup in his report. We can change the whole system, may be we even should do it for eco- nomic reasons. But abandoning a certain system is extremely dangerous if we can not stand on alternative institutional arrangements. Thus the best political solution would be to start principal changes of the whole system and change certain components who might improve the ability to innovation at the same time. Both, political visions and pragmatism are needed. As an academic I would make two specific suggestions:

44 Future patent policy must strike an appropriate balance between patent law, copyright law and above all constitutional law. Overlooking this relationship endangers improper economic management of the core of the future information society. “Source code privilege”: The use of the source code of computer programs must be granted a privileged status under patent law. The creation, offering, marketing, possession, or introduction of the source code of a computer program in its various forms must be exempt from patent protection (source code privilege). The openess of source code is a prerequisite for modern concepts of data protection as well. So patent policy today could be, astonishing enough, a newly emerging policy for the democratization of modern societies.

Open Source Software and Data Protection

§ 3 Documentation of Procedures All procedures shall be documented.

§ 5 Description of procedures Programs shall be documented in source code in principle. Subordinate legislation towards “The Regularity of Automatic Processing of Personal Data as of April 2nd, 2001” in the Bundesland Schleswig-Holstein I would like to quote Yochai Benkler, a legal scolar from New York University. He summa- rizes in his article on the “Battle over the institutional Ecosystem” what American politicians should have in mind. European and German politicians as well as I like to add: „As economic policy, letting yesterday’s winners dictate the terms of tomorrow’s economic competition is disastrous. As social policy, missing an opportunity to enrich our freedom and enhance our justice while maintaining or even enhancing our productivity is unforgivable.“ (Benkler 2001, p 90) Gouchoism is the answer! …”gouchoism(us)” might give the political answer for this crucial problem of softwarepatents. …but tell me – what again was the question? Well then. We have learned that we are in the midst of a battle. Dear fellow Germans! Wasn’t it unforgivable, to end this lecture with such military wording. Ending a lecture must be more humorous and must give us relief, must it not? Well done, Bernd. I have found in two new books on intellectual property this story on “Grouchismus”. For this myopic breed I men- tioned before it would be certainly an interesting question whether the authors have stolen the idea from each other. “In 1946, Groucho Marx received a letter from the legal department of Warner Brothers stu- dios. The letter warned Marx that his next film project, A Night in Casablanca, might encroach on the Warners’ rights to their 1942 film Casablanca. The letter prompted a reply from Marx that ridiculed many of the operational principles of rights protection in the film industry. «I had no idea that the city of Casablanca belonged exclusively to you. What about Warner Broth- ers? Professionally we were brothers long before you were.” Then Marx pondered how the filmgoing audience could possibly confuse the Marx brothers production with the widely suc-

45 cessful Warner Brothers production. American filmgoers, Marx argued, could probably dis- tinguish between Casablanca star Ingrid Bergman and his blond brother Harpo Marx. “I don’t know whether I could tell (the difference)”, Marx added, “but I certainly would like to try”. (Vaidhyanathan 2001, p 1 , McMillan 2002, p 117) Whilst we are fighting for the new institutional arrangement, “grouchoismus” (McMillan 2002, p 117) might be helpful to go on to the bitter end of all these fights on intellectual prop- erty.

Prof. Bernd Lutterbeck is specialist for informatics related law at Berlin Technical University.

References

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47 Auszüge aus der Diskussion

Brian Kahin: Wir besitzen viele empirische Daten darüber, dass verschiedene Industriezweige bestimmte Muster unterschiedlich bewerten. Nur in der pharmazeutischen und chemischen Industrie werden Muster klar begrüßt. Gopal Dabade: Ich bin ein Arzt aus Indien und arbeite seit zwei Jahren zusammen mit der BUKO Pharma Kampagne in Deutschland. In den nächsten 5-10 Jahren werden wir sehr viel mehr AIDS-Patienten bekommen und es wäre schrecklich, wenn diese Patienten wegen des Patentregimes und der hohen Preise von den AIDS-Medikamenten ausgeschlossen würden. Bernd Lutterbeck: Es gibt eine Gewissheit im Umgang mit diesem Thema. Wenn die Interes- sen von Menschen groß genug sind, ist es möglich, das System zu ändern. Dafür sind die AIDS-Pharmazeutika ein gutes Beispiel. Politisch geht Indien voran, die Dinge anders zu strukturieren. Man muss dann überlegen, welche Änderungen Bestand haben werden und was an dem System schließlich noch übrig bleibt. Denken Sie an Anthrax. Es waren Ameri- kaner, die selbstverständlich bereit waren, das Patentsystem außer Kraft zu setzen, weil es ein höheres Gut (der Schutz der amerikanischen Bevölkerung) auf dem Spiel stand. Dieses Bei- spiel kann man im Kopf behalten und sehen wie man weiter kommt auf dem Weg. Rainer Kuhlen: Das AIDS-Beispiel wird ja immer angeführt für einen gewissen temporären Erfolg, dass man Erleichterung in der Patentnutzung erzielt hat. Auf einer Tagung hat mal darauf hingewiesen, dass der Umsatz mit Medikamenten in der 3.Welt noch nicht mal ein Prozent des gesamten Umsatzes bei Medikamenten darstellt. Das Nachgeben im AIDS-Bereich war deshalb möglich, weil man vorher die Möglichkeit von Re-Importen auszuschlie´ßen versucht hat. Das ist nicht aus humanitären Gründen geschehen. Wir befas- sen uns auf dieser Tagung mit dem Begriff des Public Good. Hat es je in der Patentliteratur einen Versuch gegeben, das Patent an ein öffentliches Interesse zurück zu binden? Könnte man eine Liste derjenigen Erfindungen aufstellen, die prinzipiell nicht patentierfähig sind? Dazu könnten in der heutigen Zeit dann auch Erfindungen zur Bekämpfung von AIDS gehö- ren. Bernd Lutterbeck: Ich wüsste nicht, dass es so einen Versuch gegeben hätte. Man sollte aber bei der Argumentation mit Copyright anfangen. Die Idee von Copyright im Jahre 1709 war: „an Act for the encouragement of learning“. Die amerikanische Gesellschaft und die anderen durch die Aufklärung Beeinflussten waren zu dieser Zeit der Meinung, dass das ganze nur Sinn habe, wenn man die Bereitschaft der Gesellschaft zu lernen fördert. Einen anderen Grund für das Copyright gab es nicht. Die Logik des Copyright-Prinzips war: alles ist frei und man lässt das Copyright nur für einen bestimmten Zeitraum zu (ca.10 Jahre). Im übrigen soll die Gesellschaft das sofort nutzen, um zu lernen und zu Innovationen zu kommen. Dies war im 18. und für große Teile des 19.Jh.s völlig klar. Dieses Prinzip gibt es heute nicht mehr. Wenn sie das Windows Betriebssystem kaufen sollten, dann würde das Copyright 70 Jahre gültig, es ist aber absurd, dass so etwas bei den heutigen Innovationszyklen 70 Jahre schutz- fähig ist. Rainer Kuhlen: Es ist mir bewusst, dass das Copyright ursprünglich nur die Ausnahme und alles sonst offen war. Mir ging es darum, dass man aus öffentlichem Interesse bestimmte Objekte aus der Patentierungsmöglichkeit heraus nimmt, wie man auch in anderen Berei- 48 chen so etwas wie Zwangslizensierungen vornimmt, um zu erzwingen, dass etwas genutzt werden kann. Bernd Lutterbeck: Die Zwangslizenz ist ein häufig diskutiertes Beispiel. Aber bezogen auf un- seren Bereich: Software und Computer, also die Wissensgesellschaft, ist es nach meiner Kenntnis bisher von niemandem wirklich ausgeführt worden. Publikum: Man könnte sich hier auf den Gedanken des Artikel 14 Absatz 3 „Eigentum ver- pflichtet“ stützen, und damit wäre das durchaus zu bejahen. Bernd Lutterbeck: Ich glaube auch, dass man das könnte. Die Frage ist natürlich, ob man für diese charmante Auslegung des Grundgesetzes genug Anhänger findet. Das glaube ich im Augenblick nicht. Ich nenne ihnen das Beispiel des verhüllten Reichstags. Ich dachte, wir, das Volk, besitzen den Reichstag und gestatten Christo und Jean Claude, ihn zu verhüllen. Es kam zum Streit, weil eine kleine Firma ein Foto gemacht und dies als Postkarte verkauft hat- te. Und in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom Februar muss man nun entnehmen, dass der Reichstag gar nicht uns gehört, sondern Christo. Und somit ist der Firma das Verkaufen der Postkarte verboten worden. Jeanette Hofmann: Kann man sich denn einen Investitionsschutz für die pharmazeutische Industrie vorstellen außerhalb des Patentrechts? Dabei kann man ja bedenken, dass die Ent- wicklung und Einführung von Medikamenten heute inzwischen viele Millionen Euro kostet. Irgendwie müssen die Investitionen dieser Unternehmen ja geschützt werden, weil sonst kei- ne Produkte entstehen, von denen man profitieren kann. Bernd Lutterbeck: Ja, das kann man sich vorstellen. Sie haben Recht: man muss vorsichtig sein mit dem Generalisieren. Die Pharmaunternehmen investieren sehr viel und ihre Investi- tionen sollen geschützt werden. Gleichzeitig muss aber den armen Nationen ermöglicht wer- den, an Lebensnotwendiges heran zu kommen. Das heißt, man muss das Patentsystem in seiner Striktheit auflösen und nach Interessenregulierungen suchen. Jeanette Hofmann: Ich würde meine Frage gerne noch spezifizieren. Zwangslizensierungen sind ja eben erwähnt worden. Das aber setzt voraus, dass das Patentsystem so bestehen bleibt. Nehmen wir mal an, es setzt sich tatsächlich die Auffassung durch, dass Patente auch öko- nomisch mehr schaden als nutzen. Was wäre denn ein Investitionsschutz außerhalb des Pa- tentrechts? Bernd Lutterbeck: Da würde ich lieber Patentanwälte fragen. Aber im Urheberbereich habe ich über einige Punkte nachgedacht. Man kann die Fristen für die Urheberrechte dramatisch reduzieren: von jetzt 70 Jahren im Bereich Software (z.B. bei Microsoftprodukten) auf zwei Jahre. Wenn Microsoft bessere Ideen hat als andere, soll Microsoft zwei Jahre davon profitie- ren. Nach zwei Jahren geht das in die Public Domain über und sie müssen die Schnittstellen veröffentlichen usw. Das würde meiner Meinung nach sehr viel Innovation in diese Branche hineinbringen. Genau darüber wird zur Zeit auch vor dem Supreme Court der USA gestrit- ten. Auch im Patentbereich könnte man feststellen, dass Patente für viele Bereiche sich gar nicht lohnen, weil die Prozeduren ja viel zu lange dauern. Dann käme man dahin, das nur noch die Innovation entscheidet. Das Beispiel SAP ist in diesem Zusammenhang interessant, weil der Leiter der Patentabteilung von SAP öffentlich gesagt hat: wir (SAP) brauchen keine Softwarepatente. Wir sind groß geworden ohne jedes Patent. SAP hat es geschafft, weil sie damals innovativer als andere waren. Und dann haben sie die Standards gebildet, die es ihnen 49 ermöglichen, damit Marktführer zu werden. Die spannende Frage ist nun: warum habt ihr denn Patente? Die Antwort von SAP ist: wir machen inzwischen 60% unseres Umsatzes in den USA. Und in den USA muss man, um auf dem Markt Chancen zu haben, mit Patente arbeiten, sonst hat man gegen die Wettbewerber keine Chancen. Der einzige Grund in die- sem Beispiel für die Patente ist der, dass man auf dem amerikanischen Markt bestehen will. Es wäre also nun an der Zeit, dass europäische Politiker und sogar deutsche Politiker sagen: wenn das Problem so liegt, machen wir in Brüssel eine Politik, die unseren Interessen besser entspricht. Das findet gegenwärtig nicht statt. Daniel Alexander: Ich bin ein Patentanwalt aus England. Ich möchte die Punkte zu den Commons kommentieren. Eine der Schwierigkeiten, die ich sehe, ist, dass der ursprüngliche Zweck des Patentsystems teilweise der war, einen Bereich öffentlicher Güter (Commons) zu schaffen. Und der Preis dafür sollte dann ein zeitweiliges Monopol sein. Hierbei soll das Wort „zeitweilig“ besonders betont werden. Heute haben wir eine Situation, von der englischen Warte aus betrachtet, wo der patentierte Zeitraum noch vor ein paar Jahren 16 Jahre betrug. Das wurde dann auf 20 Jahre erhöht. Der Patenthalter war verpflichtet, die beste Methode für die Umsetzung der Entdeckung zu veröffentlichen. Wenn das Patent auslief, sollte es für je- dermann möglich sein, die Entdeckung sofort zu implementieren im Bereich der öffentlichen Güter. Das Patent musste „fairly based“ sein. Zwischen dem beanspruchten Monopol und der Entdeckung, die vom Patenthalter entwickelt worden war, sollte es ein vernünftiges Verhältnis (proportion) geben. Theoretisch gibt es also eine Begrenzung von Rechten, die man bei einer Entdeckung für sich beanspruchen kann. Und diese Begrenzung ist im Bereich des Genetic Engineering, der Biotechnologie und der daraus resultierenden pharmazeutischen Produkte von wirklich großer Bedeutung. Aber in der Praxis ist diese Begrenzung durch Gesetze im- mer mehr verkleinert worden. Hierzu tragen besonders auch EU-Rechtsprechung und die Einführung zusätzlicher Schutzzertifikate bei. Diese steigern die Patentdauer, etwa um Ver- zögerungen bei der Markteinführung zu kompensieren. Wenn man die Reichweite der Commons vergrößern möchte, könnte man unter anderem einfach aufhören Patentgesetze und weitere Schutzvorkehrungen zu erlassen, die weit über die internationalen Erfordernisse hinausgehen. Brian Kahin: Das grundlegende Strukturproblem des heutigen Patentsystems, auf das hinge- wiesen werden kann, ist, dass keiner in der Informationstechnologie-Industrie die Patente ü- berhaupt liest. Die Aufdeckungsfunktion (function of disclosure) des Patentsystem versagt: die Entdeckungen können nach Ablauf der Schutzfrist als technologisches Wissen nicht in den Bereich der Commons hineingestellt werden. All diese Firmen, einschließlich Texas In- struments, sagen, sie wüssten nicht, was in ihren Patent-Portfolios drin steht. Es gibt also eine Informationslücke in einem System, das darauf angelegt ist, Wissen zu verbreiten.

50 Daniel Alexander Integrating Intellectual Property Rights and Development Policy

The Millennium Development Goals recognise the importance of reducing poverty and hun- ger, improving health and education, and ensuring environmental sustainability. Accordingly, the international community has committed itself to reducing the proportion of people in poverty by half by 2015. In 1999, an estimated 1.2 billion people survived on less than one dollar a day, and nearly 2.8 billion people lived on less than two dollars a day. About 90 per- cent of these people were in South or East Asia or sub-Saharan Africa. HIV/AIDS, tuberculo- sis, and malaria claim millions of lives in these countries every year. For more than 120 mil- lion children of primary school age, education is out of reach. Developing countries are far from homogeneous, a fact which is self-evident but often forgot- ten. Not only do their scientific and technical capacities vary, but also their social and eco- nomic structures, and their inequalities of income and wealth. The determinants of poverty, and therefore the appropriate policies to address it, will vary accordingly between countries. The same applies to policies on Intellectual Property Rights. Policies required in countries with a relatively advanced technological capability where most poor people happen to live, for instance India or China, may well differ from those in other countries with a weak capability, such as many countries in sub-Saharan Africa. The impact of IP policies on poor people will also vary according to socio-economic circumstances. What works in India, will not necessar- ily work in Brazil or Botswana. Some argue strongly, particularly in business and government in developed countries, that In- tellectual Property Rights help stimulate economic growth and reduce poverty. They say there is no reason why what works so well for developed countries could not do the same in devel- oping countries. Others, particularly from developing countries and NGOs, argue the opposite equally vehemently. IP rights can do little to stimulate invention in developing countries, be- cause the prerequisite human and technical capacity may be absent. Moreover, they increase the costs of essential medicines and agricultural inputs, hitting poor people and farmers par- ticularly hard. During the last 20 years or so, the level, scope, territorial extent, and role of IP protection have expanded at an unprecedented pace. Genetic materials have become widely patented. IP rights have been modified or created to cover new technologies, particularly biotechnology and in- formation technology. Technologies produced in the public sector are routinely patented. The World Trade Organisation (WTO) Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Prop- erty Rights (TRIPS) has extended minimum standards for IP protection globally. There are continuing discussions in WIPO1 aimed at further harmonisation of the patent system, which may supersede TRIPS. Moreover, bilateral or regional trade and investment agreements be- tween developed and developing countries often include mutual commitments to implement IP regimes that go beyond TRIPS minimum standards. Thus there is sustained pressure on developing countries to increase the levels of IP protection in their own regimes, based on standards in developed countries.

1 World Trade Organisation 51 The functioning of IPR systems raises genuine concerns, even in developed countries. The submission of patent applications has increased tremendously in recent years – as has the perception that many patents of “low quality” and broad scope are being issued. Companies may incur considerable costs, in time and money, determining how – or whether – to conduct research without infringing upon other companies’ patent rights, or defending their own pat- ent rights against other companies. This raises questions as to whether the substantial costs involved in patent litigation are a necessary price to pay for the incentives offered by the patent system, or whether ways can be found to reduce them. How does this proliferation of patents affect competition and research? The concerns about the impact of IP in developed countries are important for developing countries as well. Developing countries can learn from the experience of developed countries in devising their own systems. In addition, the IP system in developed countries has had di- rect impacts on developing countries. Restrictions on access to materials and data on the Internet can affect everyone. IP rules and regulations may be hampering research on impor- tant diseases or new crops that affect developing countries but that is actually carried out in developed countries. Developing countries may not be sharing appropriately in the benefits from commercialisation of their knowledge or genetic resources when they are patented in developed countries. The Commission’s fundamental task was to consider whether the rules and institutions of IP protection as they have evolved to date can contribute to development and the reduction of poverty in developing countries. We believe that IP protection of some kind is appropriate at some stage for developing countries. The system provides incentives to invent and develop new technologies that may benefit society. But incentives work differently, depending on the supply response they evoke. They impose costs on consumers and other users of protected technologies. The balance of costs and bene- fits will vary according to how the rights are applied and according to the economic and social circumstances of the country where they are being applied. Standards of IP protection that may be suitable for developed countries may produce more costs than benefits when applied in developing countries, which rely in large part on knowledge generated elsewhere to satisfy their basic needs and foster development. Although most developing countries do not have a strong technological base, they do have ge- netic resources and traditional knowledge that are of value to them and to the world at large. This gives rise to a further key question. Can the “modern” IP system help to protect these re- sources of knowledge and ensure that the benefits of their use are equitably shared? At the other end of the scale, the Internet offers enormous opportunities for access to scientific and research information needed by developing countries, whose access to traditional media may be limited by lack of resources. But forms of encryption and IP rules may, paradoxically, make this material less accessible than it is now with printed material. It also needs to be considered what sort of rights intellectual property protection confers. The conferring of IP rights is an instrument of public policy, which should be designed so that the benefit to society (for instance through the invention of a new drug or technology) outweighs the cost to society (for instance, the higher cost of a drug and the costs of administering the IP system). But the IP right is a private one, so the financial benefits and costs fall on different

52 groups within society. The IP right is best viewed as one of the means by which nations and societies can help to promote the fulfilment of human economic and social rights. In particu- lar, there are no circumstances in which the most fundamental human rights should be sub- ordinated to the requirements of IP protection. IP rights are granted by states for limited times (at least in the case of patents and copyrights) whereas human rights are inalienable and universal. For the most part IP rights are nowadays generally treated as economic and com- mercial rights, as is the case in TRIPS, and are more often held by companies rather than in- dividual inventors. But describing them as “rights” should not be allowed to conceal the very real dilemmas raised by their application in developing countries, where the extra costs they impose may be at the expense of the necessities of life for poor people. We believe policy makers need to consider the available evidence, imperfect as it may be, be- fore further extending IP rights. Too often, the interests of the “producer” dominate in the evolution of IP policy, and those of the ultimate consumer are either not heard or heeded. In IPR discussions between developed and developed countries, a similar imbalance exists. De- veloping countries negotiate from a position of relative weakness. The difficulty is that they are “second comers” in a world that has been shaped by the “first comers”. The question is how they can mould their IP systems to suit their own economic, social, and technological conditions, as developed countries did in the past. Intellectual property systems may, if we are not careful, introduce distortions that are detri- mental to the interests of developing countries. Developed countries should pay more atten- tion to reconciling their commercial self-interest with the need to reduce poverty in developing countries, which is in everyone’s interest. Higher IP standards should not be pressed on de- veloping countries without a serious and objective assessment of their impact on development and poor people. We need to ensure that the global IP system evolves so that the needs of de- veloping countries are incorporated and, most importantly, so that it contributes to the reduc- tion of poverty in developing countries by stimulating innovation and technology transfer relevant to them, while also making available the products of technology at the most competi- tive prices possible.

Intellecutal Property and Development Patents and copyright inherently confer both costs and benefits to individuals and companies, and to society at large. They provide an incentive for invention or creation that may benefit so- ciety, as well as the rights holder, but they also impose costs on the users of protected works. Historically, now-developed countries used IP protection as a flexible instrument to help pro- mote their industrialisation. Discrimination against foreigners – by refusing them the right to IP protection or by charging higher fees – was common, as was the exclusion of entire sectors, such as food or pharmaceuticals, from patentability. In some countries, the patent system was fully implemented only well into the 20th century. The East Asian countries, the most suc- cessful recent examples of development, have grown and developed their scientific and tech- nical capabilities in the context of weak IP regimes. Now, under TRIPS and growing pressures for harmonisation, most developing nations are restricted in how they can apply the IP sys- tem. They may not discriminate among fields of technology, or by nationality, and the use of various tools of IP policy that were used historically are circumscribed under TRIPS. 53 The contemporary evidence suggests that, because developing countries are large net import- ers of technology from the developed world, the globalisation of IP protection will result in very substantial additional net transfers from developing to developed countries. The benefits to developing countries from IP protection would have to come from an offsetting dynamic stimulus to trade, the development of technology, investment, and growth. In developed countries, strong evidence suggests that certain types of companies, particularly the pharmaceutical industry, consider Intellectual Property Rights are essential in promoting innovation. However, there is much less evidence from developing countries indicating that IPR systems are a key stimulus for innovation. Indeed, for most developing countries with weak technological capacity, the evidence on trade, foreign investment, and growth suggests IP protection will have little impact. Nor is it likely that the benefits of IP protection will out- weigh the costs in the foreseeable future. For more technologically advanced developing coun- tries, the balance is finer. Dynamic gains may be achieved through IP protection, but at costs to other industries and consumers. The crucial issue in respect of IP is perhaps not whether it promotes trade or foreign invest- ment, but how it helps or hinders developing countries to gain access to technologies that are required for their development. Countries such as Korea started at a low level of technological expertise forty years ago, comparable to many low-income countries today, but have now be- come innovators in their own right. Technology transfer and the development of a sustainable indigenous technological capability are determined by many factors, including but by no means limited to Intellectual Property Rights. Moreover, the global economy has changed fundamentally since technology transfer was last high on the international agenda when the International Code of Conduct on Technology Transfer was being discussed in the early 1980s. In today’s liberalised and competitive environment, companies in developing countries can no longer compete on the basis of importing “mature” technologies from developed countries and producing them behind tariff barriers. And companies are more wary of transferring technology in ways that may increase the competition they face. The problem is less about ob- taining mature technologies on fair and balanced terms, but of accessing the sophisticated technologies that are required to be competitive in today’s global economy. TRIPS has strengthened the global protection offered to suppliers of technology, but without any coun- terbalancing strengthening of competition policies globally. Therefore, it may be unwise to fo- cus on TRIPS as a principal means of facilitating technology transfer. A wider agenda needs to be pursued, as is currently being done in the WTO. Developed countries need to give serious consideration to their policies for encouraging technology transfer. In addition, they should promote more effective research and cooperation with and among developing countries to strengthen their scientific and technological capabilities.

- Appropriate incentive policies should be considered in developed countries to promote technology transfer, for instance tax breaks for companies that license technology to de- veloping countries.

- Effective competition policies should be established in developing countries.

- More public funds should be made available to promote indigenous scientific and tech- nological capability in developing countries through scientific and technological coopera- 54 tion. For instance, the proposed Global Research Alliance between developing and devel- oped country research institutions should be supported.

- Commitments should be made to ensure that the benefits of publicly funded research are available to all, including developing countries.

Health Without the incentive of patents it is doubtful the private sector would have invested so much in the discovery or development of medicines, many of which are currently in use both in de- veloped and developing countries. But the evidence suggests that the IP system hardly plays any role in stimulating research on diseases particularly prevalent in developing countries, ex- cept for those diseases where there is also a substantial market in the developed world (e.g. diabetes or heart disease). Nor is it likely that the globalisation of IP protection will lead to greater investment by the private sector for the development of treatments for diseases that primarily affect developing countries. The evidence also suggests that patent protection has an effect on the prices charged for medicines. In developed countries, generic competition causes prices to fall quite sharply, particularly if the market is large enough to support a num- ber of generic competitors. In the absence of patents in developing countries, more people would be able to afford treatments they need. When TRIPS comes fully into force after 2005, particularly when countries such as India have to introduce patent protection, the existing competition from generic suppliers will diminish. The IP system is one factor among several that affects poor people’s access to healthcare. Other important constraints to access to medicines in developing countries are the lack of re- sources, and the absence of a suitable health infrastructure (including hospitals, clinics, health workers, equipment and an adequate supply of drugs) to administer medicines safely and effi- caciously. Moreover, developing countries may adopt other policies, for example, taxes on medicines, which adversely affect access. As intellectual property rights are strengthened globally, the cost of medicines in developing countries is likely to increase, unless effective steps are taken to facilitate their availability at lower cost in developing countries. There are a number of IP policies that both developed and developing countries can adopt to promote cheaper prices for medicines in developing coun- tries which the Commission does not believe will adversely affect the incentives for research on relevant diseases. One means of obtaining medicines at lower prices, amongst others dis- cussed in the report, is for countries to use a mechanism called “compulsory licensing”. This allows countries to license the manufacture of patented medicines to other manufacturers if there are good reasons to do so (e.g. when the government considers the price of a medicine is unjustifiably high). It can also be useful as a bargaining tool in price negotiations with pro- ducers of patented medicines. For instance, the US envisaged this possibility when negotiat- ing the price of Cipro following the anthrax attacks last year. The importance of the IP system being used to improve access to medicines and public health was emphasised in a Declaration on TRIPS and Public Health at the WTO Ministerial meeting in Doha last year. A major issue at Doha was how countries without the capacity to manufacture medicines could procure them under the existing rules for compulsory licensing. There are a number of ways this can be achieved which are discussed in the report. A crucial issue is how this can be 55 effected in such a way that it provides appropriate incentives for the potential suppliers of medicines and cheaper prices than the patentee is able to offer. Apart from international measures to facilitate access to medicines, developing countries need to adopt IP rules in their legislation and practices that limit the extent of patenting and facili- tate the introduction of generic competition. Doha also allowed Least Developed Countries (Least Developed Countries) to exempt pharmaceutical products from patent protection until at least 2016. But most Least Developed Countries have already provided such protection and would need to amend their legislation accordingly.

- Because the IP system does little to stimulate research on diseases that particularly affect poor people, public funding for research on health problems in developing countries should be increased. This additional funding should seek to exploit and develop existing capacities in developing countries for this kind of research, and promote new capacity, both in the public and private sectors.

- Countries need to adopt a range of policies to improve access to medicines. Additional re- sources to improve services, delivery mechanisms and infrastructure are critical. Other economic policies need to be in harmony with health policy objectives. But so also does the IP regime. Countries need to ensure that their IP protection regimes do not run coun- ter to their public health policies and that they are consistent with and supportive of such policies.

- The IP system can help to establish differential pricing mechanisms, which would allow prices for drugs to be lower in developing countries, while higher prices are maintained in developed countries. If differential pricing is to work, then it is necessary to stop low priced drugs leaking back to developed countries. Developed countries should maintain and strengthen their legislative regimes to prevent imports of low priced pharmaceutical products originating from developing countries and to help maintain the price differential. However, developing countries should aim to facilitate in their legislation their ability to import patented medicines if they can get them cheaper elsewhere in the world. TRIPS allows countries to set their own rules on what are technically called “parallel imports.”

- Developing countries should establish workable laws and procedures to allow them to use compulsory licensing. They should also make similar provisions for what is called “gov- ernment use.” Many developed countries have such laws that allow their governments to make use of patented inventions without infringing a patent under a wide range of cir- cumstances.

- How the issue of facilitating compulsory licensing for developing countries with inade- quate manufacturing capacity is to be resolved is currently being debated in the TRIPS Council. It raises a number of quite detailed legal and practical matters. A way needs to be found to reconcile the nature of the solution adopted with the objective of providing medi- cines of the appropriate quality at the lowest possible cost. If that cannot be achieved, the solution will have little practical reality. Nor will the option of compulsory licensing be ef- fective as a negotiating tool with companies. Whatever the solution adopted, it should be capable of quick and easy implementation to ensure that the real needs of poor people in developing countries are given priority. And it should establish conditions that provide po-

56 tential suppliers with the necessary economic incentive to export medicines that are needed by these countries.

- TRIPS allows considerable flexibility in how countries may design their patent systems. Since most developing countries do not have a significant research capability, they have little to gain by providing extensive patent protection as a means of encouraging research, but they stand to lose as a result of the impact of patents on prices. Therefore developing countries should aim for strict standards of patentability to avoid granting patents that may have limited value in relation to their health objectives. Such systems should aim to promote competition, and provide safeguards in the event of abuses of the patent system.

- For instance, most developing countries should exclude diagnostic, therapeutic and surgi- cal methods from patentability, including new uses of known products, as permitted un- der TRIPS.

- Developing countries should also make provisions in their law that will facilitate the entry of generic competitors as soon as the patent has expired on a particular drug. One of these provisions (the “Bolar exception”) allows generic companies to develop their versions of patented drugs during the term of the patent without infringing it. Another one would be to make it easier and cheaper for generic companies to get regulatory approval for drugs similar to registered drugs, while providing for the protection of test data (e.g. clinical tri- als data companies require to get approval from regulators such as the FDA1 in the US) against unfair commercial use.

- Those Least Developed Countries which already provide pharmaceutical protection should consider carefully how to amend their legislation to take advantage of the Doha Declara- tion. The TRIPS Council should review the transitional arrangements for Least Developed Countries, including those applying to join the WTO, in all fields of technology.

Copyright, Software and the Internet There are examples of developing countries, which have benefited from copyright protection. The Indian software and film industry are good examples. But other examples are hard to identify. Many developing countries have had copyright protection for a long time but it has not proved sufficient to stimulate the growth of copyright-protected industries. Because most developing countries, particularly smaller ones, are overwhelmingly importers of copyrighted materials, and the main beneficiaries are therefore foreign rights holders, the operation of the copyright system as a whole may impose more costs than benefits for them. There are flexibil- ities in copyright which exist in international treaties (such as the Berne Convention) to allow copying particularly for personal and education use. These are known variously as “fair use” or “fair dealing” provisions. These have generally not proved adequate to meet the needs of de- veloping countries, particularly in the field of education. Developing countries need to put in place effective systems for enforcing rights. However, in many cases (e.g. software) the absolute scale of estimated losses from illicit copying is higher in developed countries. And weak levels of enforcement have undoubtedly had a major impact in some areas on the diffusion of knowledge and knowledge-based products in the developing

1 Food and Drug Administration (US) 57 world. Indeed, many poor people in developing countries have only been able to access certain works through use of unauthorised copies available at a fraction of the price of the original. An inevitable impact of stronger protection and enforcement, as required by TRIPS, will therefore be to reduce access to knowledge-related products in developing countries, with po- tentially damaging consequences for poor people. For instance, the cost of software is a major problem for developing countries, and the reason for the high level of illicit copying. Copy- right can also be a barrier to the further development of software which is specifically adapted to local needs and requirements. Access to the Internet in developing countries is limited, although growing rapidly in most countries. But the Internet provides an unrivalled means of low cost access to knowledge and information required by developing countries, when their access to books and journals is se- verely restricted by lack of resources. But the application of copyright rules to the Internet is problematic. And historic “fair use” rights may be restricted by forms of technological protec- tion, such as encryption, which restrict access even more stringently than copyright. In the USA, recent legislation (the Digital Millennium Copyright Act – DMCA) forbids the circum- vention of such technological protection, even when the purpose of circumvention does not contravene copyright laws. The EU has introduced a special form of protection of databases (the “Database Directive”), which rewards investment in the creation of databases, and which may restrict access to data by scientists or others, including in developing countries. The 1996 WIPO Copyright Treaty contains elements which may restrict the access of developing coun- tries to information. - Publishers, including those on-line, and software producers should review their pricing policies to help reduce unauthorised copying and to facilitate access to their products in developing countries. Initiatives being undertaken by publishers to expand access to their products for developing countries are valuable and we encourage an expansion of such schemes. The extension of free on-line access initiatives for developing countries to cover all academic journals is a good example of what could be done. - In order to improve access to copyrighted works and achieve their goals for education and knowledge transfer, developing countries should adopt pro-competitive measures under copyright laws. They should be allowed to maintain or adopt broad exemptions for educa- tional, research and library uses in their national copyright laws. The implementation of international copyright standards in the developing world must be undertaken with a proper appreciation of the continuing high level of need for improving the availability of these products, and their crucial importance for social and economic development. - Developing countries and their donor partners should review policies for procurement of computer software, with a view to ensuring that options for using low-cost and/or open- source software products are properly considered and their costs and benefits carefully evaluated. In order that software can be adapted to local needs, developing countries should ensure that their national copyright laws permit the reverse engineering of com- puter software programmes, in ways that are consistent with relevant international treaties which they have signed. - Internet users in developing nations should be entitled to fair use rights such as making and distributing printed copies from electronic sources in reasonable numbers for educa-

58 tional and research purposes, and using reasonable excerpts in commentary and criticism. Where suppliers of digital information or software attempt to restrict “fair use” rights by contract provisions associated with the distribution of digital material, the relevant con- tract provision may be treated as void. Where the same restriction is attempted through technological means, measures to defeat the technological means of protection in such circumstances should not be regarded as illegal. Developing countries should think very carefully before joining the WIPO Copyright treaty. Countries should also not follow the lead of the US and the EU by implementing legislation on the lines of the DMCA or the Database Directive.

Patent Reform The heterogeneous nature of developing countries, especially in their technical and scientific capacities, means that they need to choose an IP system which they feel best meets their de- velopment objectives, and economic and social circumstances. The more technologically ad- vanced developing countries may wish to adopt systems that provide extensive patent protec- tion as incentives for R&D. On the other hand, they would also wish to avoid those aspects of the system which could provide disincentives to R&D, or which could lead to resources being diverted to litigation and disputes about patents of doubtful validity. Such systems would need to have adequate safeguards to ensure a competitive environment, and to minimise costs for consumers. This is especially important in those areas of technology such as pharmaceuticals and agriculture where the cost of providing strong patent protection is likely to be greatest. For the vast majority of developing countries, especially those with low incomes which rely principally on imported goods and technology, the best system might be one which applies strict standards of patentability and results in fewer patents meeting the criteria for patentabil- ity. This may be preferable to a more extensive system of protection, of benefit principally to foreign patent holders. A second tier of protection based on a form of patents known as utility models which offer protection based on lower thresholds of patentability, may be more appro- priate than the full patent system to the economic circumstances of many developing coun- tries. Because much of the scientific and technological expertise in developing countries is concen- trated in the public sector, there will need to be careful consideration of the implications of following developed countries in encouraging more patenting by research institutions and universities. Developing countries need to consider the issues raised in developed countries about the incentives and disincentives this offers in the application of technologies invented in these institutions, and about how it might affect research priorities. The patent rules applying in developed countries are also important since much research rele- vant to developing countries may be carried out in developed countries, or in collaborative ef- forts with developed country researchers. Of particular concern are patents on tools essential for research, for example particular gene sequences in the field of biotechnology. An increase in patenting of such research tools in developed countries might hinder research relevant to developing countries. Developing countries also need to avoid, as far as possible, the same problems arising in their patent systems.

59 Developing countries already face formidable obstacles in implementing patent systems. There is strong pressure to harmonise the international patent system in order to overcome the problems faced, mainly in developed countries, in coping with the pressure of rapidly growing patent applications. Because the system is essentially national or regional, there is much apparent duplication of procedures, such as search and examination, which harmonisa- tion could eliminate. The danger for developing countries is that harmonisation would be around developed country standards of protection, which may not be suitable for them. For developing countries the concern must be to ensure that they do not accept in these discus- sions new international rules further limiting their freedom to design appropriate patent poli- cies, unless it can be shown it is in their interests to do so. - Developing countries should, within the constraints of international and bilateral obliga- tions, provide a pro-competitive patent system that limits the scope of subject matter that can be patented; applies strict standards of patentability; facilitates competition; includes extensive safeguards against abuses of patent rights; and encourages local innovation. - Developing countries which provide patent protection for biotechnological inventions (PT1) should ensure that patenting guidelines are such that the use of patented inventions by other researchers is limited as little as possible. For instance, if patents over genes are allowed, the guidelines should provide that the patent only covers uses set out in the pat- ent, not other uses of the same invention which others may uncover. This will facilitate further research in the area of the patent. - Policy makers in developing countries should consider the establishment of utility model protection for stimulating and rewarding such innovations, rather than diluting patent- ability standards. This should help to provide incentives for the incremental type of inno- vations that predominate in many developing countries. - Whilst there is a role for IP in developing countries’ public research institutions to pro- mote the transfer and application of technologies, it is important that: Generating alternative sources of funding is not seen as the principal goal, which is rather to promote technology transfer. Care be taken to ensure that research priorities, particularly as regards the technology re- quirements of the poor, be it in agriculture or health, are not distorted by the search for a larger licensing income. Patenting and licensing should only be undertaken where it is judged necessary to encourage private sector development and the application of technologies. Careful consideration be given to the need to take out “defensive” patents on important inven- tions, particularly for use as a bargaining tool where complementary technologies are owned by private sector entities and cross-licensing may be required to access those technologies. Getting the balance right requires the development of expertise in IP in public sector institu- tions which traditionally have had none, without losing sight of the objectives of public policy for research. - It is important that, in developing initiatives aimed at facilitating access to essential re- search tools, that attention continues to be paid to opportunities to improve patent sys-

60 tems, in both developed and developing countries, to obviate some of the problems these initiatives are seeking to address. - Developing countries need to identify a strategy for dealing with the risk that further har- monisation of patent laws internationally will lead to standards that do not take account of their interests. Such a strategy might seek a global standard reflecting the recommenda- tions of this report. It could seek continued flexibility in the standards. Or it could be done by rejection of the process if it appears that the outcome will not be in the interests of developing countries.

Institutional Capacity For most developing countries, the implementation of TRIPS, and the adaptation to new and rapidly evolving areas of IP (for example in biotechnology and software) requires changes to IP legislation. Many developing countries face particular difficulties in developing a co- ordinated IP policy. Formulation of IP policy in a developing country should be based on a sound appreciation of how the IP system might be used to promote development objectives, and widespread consultation and dialogue with those in the economic sectors most likely to be affected. However many developing countries have weak institutional capacity, and in par- ticular lack experienced and skilled personnel. Developing countries need to consider the institutional options for implementing IP regimes in the face of shortages of skilled personnel, and how IT systems can be most effectively used for administration as well as searches. A critical issue is whether to use a registration or search and examination system for patents. The former, which involves just a basic check of the patent application, minimises requirements for skilled personnel in the patent office but makes it difficult to implement a patent system of the kind described in this report. Because of human resource problems, implementing the latter system, which involves a detailed check of the validity of the patent application and its adherence to patentability criteria, is more chal- lenging. There are a number of strategies, including using international and regional ap- proaches to facilitate search and examination, and contracting out to other government de- partments or universities with appropriate expertise, which developing countries may consider to resolve this dilemma. The establishment and operation of an IP system is costly, and developing countries should not divert resources from already over-extended health and education budgets to subsidise the administration of a system for Intellectual Property Rights. Since the main beneficiaries of IP rights in most developing countries are foreign companies, it seems appropriate that the costs of IP administration should be principally borne by them through an appropriate fee struc- ture. Intellectual Property Rights are valuable to rights holders only if they are well enforced, which implies that legal systems need to be effective. And legal systems must also have the capacity to reject IP rights which are invalid. However, state enforcement of Intellectual Property Rights and enforcement through the criminal justice system are expensive, and in many coun- tries judicial systems are under severe pressure, particularly in the area of commercial law. The “private” nature of IP rights supports the option of dispute resolution either out of court or under civil law in order to reduce the enforcement burden. 61 IP rights holders from developing countries also face difficulties in enforcing their rights in developed countries because of the prohibitive costs of taking action in the courts. Under TRIPS, developed counties are obliged to provide technical and financial assistance to developing countries to facilitate its implementation. Most developed countries provide some sort of intellectual-property related technical assistance to developing countries. But the qual- ity and quantity of this assistance needs to be assessed and evaluated. The results of much technical assistance do not seem commensurate with the effort and resources put into it. As- sistance from different providers may be insufficiently coordinated, and insufficiently inte- grated with other forms of development assistance. - Developing countries and donors should work together to ensure that national IP reform processes are properly “joined-up” with related areas of development policy. Greater ef- forts are needed to encourage more participation by national stakeholders in IP reforms. In providing technical assistance, donors should help build the capacity of local institu- tions to undertake IP policy research and dialogue with stakeholders, in addition to provid- ing international experts and legal advice. - Developing countries should aim to recover the full costs of upgrading and maintaining their national IP infrastructure through the fees charged to users of the system. They should also consider adopting a tiered-system of fees for IPR registration. The level of charges to users should be regularly reviewed to ensure that they enable full recovery of the costs of administering the system. - In order to minimise costs, developing countries should ensure that their IP legislation and procedures emphasise, to the maximum possible extent, enforcement of Intellectual Property Rights through administrative action and through the civil rather than criminal justice system. Enforcement procedures should be fair and equitable to both parties and ensure that injunctions and other measures are not used unduly by IP right holders to block legitimate competition. Public funds and donor programmes should mainly be used to improve IP enforcement as part of broader strengthening of the legal and judicial sys- tems. - Developed countries should implement procedures to facilitate effective access to their in- tellectual property systems by inventors from developing nations. These might include, for example, fee differentials that favour poor or non-profit inventors, pro bono systems, ar- rangements for recovery of legal fees by prevailing parties in litigation, or inclusion of ap- propriate IP implementation costs in technical assistance programmes. - Developed countries and international institutions which provide assistance for the devel- opment of IPR regimes in developing countries should provide such assistance in concert with the development of appropriate competition policies and institutions. - WIPO, EPO1 and developed countries should significantly expand their programmes of IP- related technical assistance. The additional financing required could be raised though modest increases in IPR user-fees, such as charges for the PCT2 (the international system for filing patent applications) rather than from already over-stretched aid budgets. Donors

1 European Patent Office 2 Patent Cooperation Treaty 62 could also seek to direct more technical assistance at Least Developed Countries in view of their special needs in developing an IP regime, as well as the wider institutional infra- structure they require for effective enforcement and regulation. - IP-related technical assistance should be organised in relation to an individual country’s specific development needs and priorities. One way to do this is to incorporate such assis- tance within the Integrated Framework for Trade-Related Assistance which aims to facili- tate better integration of national development plans and donor assistance strategies. - Donors should strengthen systems for the monitoring and evaluation of their IP-related development co-operation programmes. As an important first step, a working group of donors and developing countries should be established to commission and oversee a sec- tor-wide impact review of IP-related technical assistance to developing countries since 1995. A team of external evaluators should carry out this review.

International Architecture The principal international institutions responsible for the evolution of international IP policy are WIPO and the WTO. WIPO is the principal international institution responsible for organ- ising the negotiation of IP Treaties and their administration. WTO has a much wider mandate than WIPO, but is important in the development of IP policy, because WTO rules, particularly the dispute settlement mechanism, give it a greater enforcement capacity. WIPO’s mission, as stated in its articles, is to promote IP protection globally, and the harmonisation of national legislation. It is not required by its articles to consider both the benefits and the costs of IP protection in developing countries, or the complex links between IP protection and develop- ment. The flexibilities available to developing countries under TRIPS (for example, in setting patent- ability rules, or grounds for compulsory licensing) have not always been fully utilised by de- veloping countries. This may be because of an informed decision not to do so but those coun- tries may also be constrained by other commitments, such as bilateral agreements, or because those in charge of the legislative process are not sufficiently aware of the options available, or the full implications of them. Many developing countries are heavily dependent on model laws and technical assistance provided by WIPO, although other regional and national IP offices in developed countries also play a significant role in providing advice. Although some value WIPO’s advice highly, concerns have been expressed about whether its advice to developing countries fully takes account of the flexibilities in TRIPS, and considers the most appropriate use of these in relation to a country’s particular economic and social circumstances. Developing countries are required to adopt TRIPS standards of protection by an arbitrary date, 2006 if they are Least Developed Countries. The challenge of achieving this is formidable and will incur significant costs if an IP regime is established that is inappropriate to their level of development. There are strong arguments for the desirability of developing countries deter- mining for themselves the optimum time to strengthen IP protection. There are provisions in TRIPS for the extension of the transition period for Least Developed Countries, and the Doha Declaration initiated this process by extending exemptions from patent protection for phar- maceuticals to 2016.

63 Developed countries to a degree have a legitimate interest in the IP standards of their trading partners. But regional and bilateral agreements that encourage developing countries to adopt higher standards of IP protection, beyond TRIPS, can undermine the multilateral system by limiting use by developing countries of flexibilities and exceptions permitted in TRIPS and other treaties. And those higher standards may not be appropriate to the stage of development of the country concerned. Active participation by developing countries in discussions of the future of the IP system is es- sential to ensure both the legitimacy of standard setting and its appropriateness and relevance to nations at very different levels of development. Effective participation by developing coun- tries depends on the expertise and experience of their representatives, who may not be famil- iar with some of the technical subjects being discussed in WIPO and the WTO TRIPS Coun- cil. Developing countries also get advice on IP matters from a wide variety of sources, which has some advantages in terms of diversity, but the advice will also often reflect the perspective of those giving it, rather than necessarily the best interests of the country concerned. NGOs have made a generally positive contribution to voicing concerns about the impact of IP on developing countries. For example, public awareness campaigns by development and health NGOs were important factors in supporting developing countries in negotiating the Declaration on TRIPS and Public Health at Doha. In the area of agriculture and genetic re- sources, NGOs have also played a prominent role. Some have asked exactly whom NGOs rep- resent and to whom they are accountable. This is a legitimate concern, and it is therefore cru- cial to ensure that their role is constructive in relation to a proper appreciation of the interests of developing countries. At the same time, they can play an important role in international dialogue on these issues. International rules on IP are developing very quickly. As the rules evolve, it is important that their actual and potential impact be properly understood if policymaking is to be more firmly based on evidence, and less on preconceptions of the value or otherwise of these rules to de- veloping countries. However, relatively little research has so far been undertaken to under- stand the impact. - WIPO should act to integrate development objectives into its approach to the promotion of IP protection in developing countries. It should give explicit recognition to both the bene- fits and costs of IP protection and the corresponding need to adjust domestic regimes in developing countries to ensure that the costs do not outweigh the benefits. It is for WIPO to determine what substantive steps are necessary to achieve this aim but it should as a minimum ensure that its advisory committees include representatives from a wide range of constituencies, and in addition, seek closer cooperation with other relevant interna- tional organisations such as the WHO, FAO1, UNCTAD2 and the World Bank. - Unless they are clearly able to integrate development objectives into their operations by means of appropriate reinterpretation of their articles, WIPO member states should revise the WIPO articles to allow them to do so. - WIPO should take action to make effective its stated policy of being more responsive to the need to adapt its IP advice to the specific circumstances of the particular developing

1 Food and Agriculture Organisation (UN) 2 United Nations Coference on Trade and Development 64 country it is assisting. It, and the government concerned, should involve a wider range of stakeholders in the preparation of IP laws both within government and outside, and both potential producers and users of IP. Other providers of technical assistance to developing countries should take equivalent steps. - Least Developed Countries should be granted an extended transition period for implemen- tation of TRIPS until at least 2016. The TRIPS Council should consider introducing crite- ria based on indicators of economic and technological development for deciding the basis of further extensions after this deadline. Least Developed Countries that have already adopted TRIPS standards of IP protection should be free to amend their legislation if they so desire within this extended transition period. - Although developing countries have the right to opt for accelerated compliance with or the adoption of standards beyond TRIPS, if they think it is in their interests to do so, devel- oped countries should review their policies in regional/bilateral commercial diplomacy with developing countries so as to ensure that they do not impose on developing countries standards or timetables beyond TRIPS. - WIPO should expand its existing schemes for financing representatives from developing countries so that developing countries can be effectively represented at all important WIPO and WTO meetings which affect their interests. It would be for WIPO and its member states to consider how this might most effectively be done and financed from WIPO’s own budgetary resources. - UNCTAD should establish two new posts for Intellectual Property Advisers to provide ad- vice to developing countries in international IP negotiations. We suggest that DFID1 should consider the initial funding of these posts as a follow-up to its current TRIPS- related project funding to UNCTAD. - WTO and WIPO should increase the opportunities for civil society organisations to play their legitimate roles as constructively as possible. For instance, this could be done by in- viting NGOs and other concerned civil society groups to sit on, or observe, appropriate ad- visory committees and by organising regular public dialogues on current topics in which NGOs could participate. - Research sponsors, including WIPO, should provide funds to support additional research on the relationships between IP and development in the subject areas we have identified in our report. The establishment of an international network and an initiative for partner- ship amongst research sponsors, developing country governments, development agencies and academic organisations in the IP field could help by identifying and co-ordinating re- search priorities, sharing knowledge and facilitating wider dissemination of findings. In the first instance we recommend that DFID, in collaboration with others, take forward the definition of such an initiative.

Daniel Alexander, Barrister specialising in Intellectual Property Law, Commission on Intellectual Property Rights, London

1 Department for International Development (UK) 65 Rainer Kuhlen Bausteine zur Entwicklung einer Wissensökologie – Plädoyer für eine nachhaltige Sicht auf den UN-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS)

Über den Begriff der nachhaltigen Entwicklung wird versucht, die Brücke zwischen den bei- den Weltgipfeln in Johannesburg 2002 (Sustainability) und Genf/Tunis 2003/2005 (Informa- tion Society) zu schlagen. Nachhaltigkeit muss nicht nur ökonomisches, ökologisches, sozia- les und kulturelles Prinzip mit Blick auf die natürlichen Umgebungen und Ressourcen sein, sondern muss auch den Umgang mit Wissen und Information, nicht zuletzt in elektroni- schen Räumen, steuern. Entsprechend der Korrespondenz zwischen Ökonomie und Ökologie sollte sich eine neue Korrespondenz zwischen (der etablierten) Wissensökonomie und (der einzurichtenden) Wissensökologie entwickeln. Im zweiten Teil wird nachvollzogen, wie sich der Prozess zum Weltgipfel Informationsgesell- schaft (WSIS) entwickelt, bis hin zur PrepCom2 Ende 02/03, und welche Rolle „Sustainabili- ty“ dabei spielt. Insbesondere wird auf die Herausforderung der Integration der bei WSIS ver- tretenen vier Hauptgruppen – Regierungen, Internationale Organisationen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft – hingewiesen. Auf das von der UNESCO verfolgte integrative Netz- werkkonzept wird eingegangen. Der bis dahin erreichte Stand, auch mit Blick auf Deklaration und Aktionsplan, wird dargestellt. Im dritten Teil werden erste Bausteine zu einer Theorie der Wissensökologie vorgestellt. Da- zu wird zwischen vier Sichten auf Wissensökologie unterschieden: a) die funktionale Perspek- tive (Produktion und Vermittlung nachhaltigen Wissens); b) Kommunikationsökologie als wechselseitige Durchdringung von technisierter Kommunikation und menschlicher Natur, Kultur und Gesellschaft; c) Wissens-/Informationsökologie als Beitrag zu einer ökosozialen Marktwirtschaft; d) Wissensökologie als nachhaltiger Umgang mit Wissen und Information. Alle vier Sichten sind unverzichtbar; jedoch fundiert erst die vierte Sicht eine genuine Theorie der Wissensökologie: Die Art und Weise, wie der Umgang mit Wissen und Information orga- nisiert wird, entscheidet genauso, wie wir den Umgang mit den natürlichen Ressourcen or- ganisieren, über unsere gegenwärtigen Chancen, uns kreativ weiterzuentwickeln, erst recht über die Chancen zukünftiger Generationen, das Wissen der Vergangenheit zur Kenntnis nehmen und daraus Nutzen ziehen zu können. Ohne eine ökologische Perspektive auf Wis- sen und Information werden sich keine nachhaltigen Wissensgesellschaften entwickeln kön- nen. Es werden insgesamt zehn materiale Bausteine dieser Wissensökologie skizziert: Freier Zugriff auf Wissen und Information; Diskriminierungsverbot; Sicherung des Commons; Si- cherung kultureller Vielfalt; Sicherung medialer Vielfalt; „Right to communicate“; Kontrolle technischer Informationsassistenz durch Entwicklung von Informationskompetenz; Langzeit- archivierung/-sicherung von Wissen; Sicherung von Freiräumen der privaten Entwicklung. Schließlich wird im vierten Teil die Theorie der Wissensökologie in den Zusammenhang ei- ner informationsethischen Begründung der Informationsgesellschaft gestellt. Informations- ethik formuliert keine Politik und stellt keine Aktionspläne zur Umsetzung der Ziele einer Wissensökologie auf. Die Erfahrungen des Prozesses, der zum Weltgipfel zur Informations- gesellschaft (WSIS) führen soll, legen nahe, dass Informations- und Wissensgesellschaften 66 bei heterogenen Interessen und heterogenen Kulturen, auch heterogenen Wissenskulturen, dauerhaft mit Konflikten werden leben müssen. Damit diese sich nicht zu tatsächlichen Zu- sammenprallen ausweiten und zu Informationskriegen entwickeln, sind fortgehend informa- tionsethische Diskurse erforderlich. Durch sie werden die Bausteine einer Wissensökologie unter nachhaltigen Prinzipien erstellt.

1. Zur notwendigen Konvergenz von Wissensökonomie und Wissensökologie Anlass für die folgende Darstellung ist der UN-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft, im Englischen „World Summit on the Information Society“ (WSIS), der im ersten Teil Ende 2003 in Genf stattfinden soll. Für den zweiten Teil des Gipfels ist 2005 Tunis vorgesehen. ITU, die UN-Organisation für Telekommunikation, hat bei der Vorbereitung der Konferenz die Federführung. Andere UN-Organisationen sind beteiligt. Neben den staatlichen Delegati- onen und den internationalen Organisationen wird die Privatwirtschaft und die Zivilgesell- schaft in noch auszuhandelndem Ausmaß an dem Weltgipfel und seiner Vorbereitung betei- ligt sein. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Textes tritt die Vorbereitung von WSIS in eine ent- scheidende Phase. In Genf fand vom 17.2. bis zum 28.2.2003 die zweite Vorbereitungskonfe- renz (PrepCom2) für WSIS statt, auf der die konzeptionellen Weichen für den Weltgipfel im Dezember gestellt werden. Bis dahin war noch nicht entschieden, welche Richtung diese Weltkonferenz nehmen wird, ob – vereinfacht zugespitzt – sich eher die technischen und wirtschaftlichen Verwertungsinteressen der ITU durchsetzen werden oder ob der Versuch der UNESCO (und vieler zivilgesellschaftlicher Gruppen) eine Chance haben wird, sich mit Be- zug auf nicht zuletzt informationsethische Prinzipien für einen nachhaltigen Interessenaus- gleich zur Überwindung der globalen Wissensklüfte (Digital divide) einzusetzen. Die Ergebnisse von PrepCom2 können erst unvollständig in diesen Text eingearbeitet werden. Insofern stellt die folgende Darstellung, zumindest was WSIS angeht1, nur einen Zwischen- bericht dar. In systematischer Hinsicht ist WSIS jedoch nur der Anlass für den weitergehenden Versuch, den theoretischen Rahmen für die Ausgestaltung der zukünftigen Informationsgesellschaft über das Konzept der Wissensökologie bzw. den der nachhaltigen Wissensgesellschaften zu bestimmen. Das ist ein ambitioniertes Vorhaben, für das in diesem Beitrag erst noch sehr ru- dimentäre Gedanken entwickelt werden können – eben Bausteine einer zukünftigen Theorie der Wissensökologie. Ob die nachhaltige Sicht Chancen bei den späteren WSIS- Abschlusserklärungen und den entsprechenden Aktionsplänen haben wird, wird sich zeigen.

1 Informationen über WSIS; neben der offiziellen Website der ITU (http://www.itu.int/wsis/), auch auf der von der Heinrich-Böll-Stiftung eingerichteten Website zum WSIS (http://www.worldsummit2003.de/); die zivilgesellschaftlichen Gruppen informieren unter http://www.prepcom.net/ und unter „the society we want“: http://www.geneva2003.org/wsis/indexa01.htm; vgl. auch die informative Website von „The Environ- ment and ICT Working Group“: http://www.wsis.ethz.ch/. Die aktuelle Diskussion kann u.a. auf zwei Listen verfolgt werden: [email protected] und CRIS (Communication Rights in the Information Society): http://crisinfo.org; Information an: [email protected]. Einschlägig auch das Online- Bulletin PrepCom.Net: http://www.prepcom.net/. 67 Die Unterstützung der zivilgesellschaftlichen Gruppierungen hat sie allemal1. Vermutlich braucht es zur Durchsetzung der Ideen einer Wissensökologie ähnlich lange wie in der Ver- gangenheit bei der Ökologie allgemein. Wie vorläufig die folgenden Ausführungen daher auch sein mögen – die Grundidee einer Konvergenz von Wissensökonomie und Wissens- ökologie oder der Kompensation der fast unvermeidlichen Schäden einer durchgängigen Wis- sensökonomie durch die Verwirklichung zentraler Prinzipien der Wissensökologie steht für uns fest. Seit etwa 20, 30 Jahren ist in der Makroökonomie im Gefolge von Bell, Machlup, Porat und vielen anderen2 selbstverständlich – Information, Wissen, Ökonomie, Wirtschaft kombinie- rend – von Begriffen wie „Informationswirtschaft“, „Wissensökonomie“ etc. die Rede3. Eben- so selbstverständlich – so unsere Eingangsthese - wird man in Zukunft von Wissensökologie sprechen und die Berechtigung ihrer Prinzipien anerkennen und ihre Einlösung anmahnen. Ob dabei die Bezeichnungen wie „Wissensökologie“ oder „nachhaltige Wissensgesellschaf- ten“ akzeptiert werden, ist eher zweitrangig. Entscheidend ist die sich in längerer Perspektive zweifelsfrei durchsetzende Einsicht, dass Wissen und Information nicht allein dem kurzfris- tigen Ziel der ökonomischen Verwertung zugeordnet werden können, sondern dem länger- fristigen bzw. dauernden Ziel der individuellen und gesellschaftlichen Weiterentwicklung zu- geordnet werden müssen. Nur solche Gesellschaften werden eine Chance auf Akzeptanz ihrer Ausgestaltung in der breiten Bevölkerung haben, die in Gegenwart und Zukunft Chancen- gleichheit für die persönliche, professionelle und politische Entwicklung aller ihrer Mitglieder zusichern können. Dazu scheint uns ein nachhaltiger, also nicht bloß verbrauchender und verwertender Umgang mit Wissen und Information unabdingbar4. Man kann es in Übereinstimmung mit Prinzipien gegenwärtiger ökonomischer Theorien wie der „New Growth Theory“5 auch drastischer formulieren:

1 Bei den auf PrepCom2 formulierten “Seven Musts: Priority Principles Proposed by Civil Society” steht an erster Stelle: “Sustainable Development. An equitable Information Society needs to be based on sus- tainable economic and social development and gender justice. It cannot be achieved solely through market forces”. 2 F. Machlup: The production and distribution of knowledge in the United States. Princeton University Press: Princeton, N.J. 1962; M.U. Porat; M.R. Rubin (eds.) The information economy, Vol. 1-9. Office of Telecommunications Special Publications. Government Printing Office: Washington, D.C. 1977 3 Vgl. R. Kuhlen: Informationsmarkt. Chancen und Risiken der Kommerzialisierung von Wissen. Schriften zur Informationswissenschaft Vol. 15. Universitätsverlag Konstanz (UVK), Konstanz 1995 4 Wir wollen uns hier nicht auf detaillierte terminologische Unterscheidungen einlassen. Als Informa- tionswissenschaftler präferiere ich weiterhin den Begriff „Informationsgesellschaft“, weil ich die Her- ausforderung an die Ausgestaltung der Gesellschaft in erster Linie darin sehe, wie für jeden der Zugriff auf die Informationsressourcen, die das erarbeitete Wissen repräsentieren und zugänglich machen, zu fairen Bedingungen gesichert werden kann. 5 Vgl. J. Cortright: New growth theory, technology and learning: A practitioner´s guide. Reviews of Eco- nomic Development Literature and Practice: No. 4, 2001 (http://www.impresaconsulting.com/ngt.htm). Diese sich auf die New Growth Theory stützende An- nahme ist natürlich empirisch noch lange nicht bewiesen. In der vorherrschenden Wirtschaftswissen- schaft (z.B. im Umfeld von North) wird das bislang eher anders gesehen, wenn der globale ökonomi- sche Vorsprung der westlichen Länder wesentlich darin begründet wird, dass sie es verstanden haben, ihr Wissen über entsprechende Gesetze zur Regelung des geistigen Eigentums so zu schützen und an- deren gegenüber zu verknappen, dass ihre Innovationsvorsprünge erhalten und ausgebaut werden konnten (vgl. D.C. North: Institutions, Institutional Change and Economic Performance. Cambridge University Press 1990). 68 Gesellschaften, die mehr Energie darauf verwenden, z.B. über entsprechende Gesetze und durch die Entwicklung von kontrollierender Software, sich um die Verwertung von bestehen- dem Wissen und Information zu kümmern bzw. um die Sicherung von Verwertungsansprü- chen, als auf die Rahmenbedingungen, die die Produktion von neuem Wissen begünstigen, sind in einer ökonomischen, wissenschaftlichen, politischen, kulturellen und gesellschaftli- chen Abwärtsentwicklung. Rigide Urheberrechtsgesetze und technische Maßnahmen verfes- tigen nur die Interessen der bestehenden, momentan dominierenden Wirtschaft/Firmen (also z.B. der Disneys, Bertelsmanns und Microsofts) und laufen Gefahr, die Wurzeln für (indivi- duelle und ökonomische) Entwicklung abzuschneiden. So wie die Entwicklung abschneidende Verschwendung (Annihilation) natürlicher Ressour- cen zum ökologischen Protest und endlich zur „Selbstverständlichkeit“ des Zusammenhangs von Ökonomie und Ökologie geführt hat, so ist die künstliche Verknappung von Wissen und Information dabei, eine Wissensökologie (als Protestbewegung) zu provozieren, die schließ- lich unter dem Primat der Nachhaltigkeit eine zukünftige (nicht-proprietäre) Wissensökono- mie begründen sollte. Dies ist eine grundsätzlich neue Dimension von Wissensökologie bzw. von nachhaltiger Wissensgesellschaft. Schon hier der entscheidende Hinweis auf eine Um- deutung des Ökologie-Gedankens. War bislang „Verknappung“ eine positiv besetzte Kategorie als Schutz der begrenzt vorhandenen natürlichen Ressourcen, so wird im Kontext der Wis- sensökologie „Verknappung“ ein ökologisch dysfunktionales Konzept. Die theoretische An- nahme, Wissen müsse, um es verwerten zu können, künstlich verknappt werden, beruht dar- auf, dass Wissen, wie andere „natürliche Ressourcen“, nicht beliebig zu Verfügung gestellt werden kann. Knappheit – darüber besteht kein Zweifel, sicher seit Jeffersons berühmtes Bei- spiel der Kerze, an der jeder die seinige entzünden kann, ohne dass diese ihre Helligkeit ein- büßt – ist jedoch nur eine Eigenschaft physischer Güter, nicht von Wissen. Wissen an sich ist im Überfluss vorhanden und verbraucht sich nicht im Gebrauch. Was verknappt werden kann und wird, sind die (Informations-)Produkte, über die Wissen repräsentiert, vertrieben und genutzt werden kann. Information kann in seiner pragmatischen Dimension „verbraucht“ werden. Die aktuelle Information von heute, im Kontext von morgen, ist Schnee von gestern. Wir versuchen mit diesem Ansatz zugleich eine Brücke zwischen der letzten und der nächs- ten Weltkonferenz der UN zu schlagen. Nachhaltigkeit (sustainability) war ja das Thema der Johannesburg-Konferenz letztes Jahr. Dort wurde als zentrale Herausforderung darin gese- hen, eine dauerhafte Balance zwischen Ökonomie, Ökologie, kultureller und sozialer Wech- selseitigkeit zu finden. Nachhaltigkeit wird vermutlich, das ist bei der gegebenen Interessenlage nicht anders zu er- warten, kaum das WSIS dominierende Rahmenthema sein. Nachhaltigkeit muss aber in län- gerer Perspektive das leitende Prinzip der Informationsgesellschaft sein. Zumindest kann ei- nige Hoffnung gehegt werden, dass Prinzipien der Nachhaltigkeit doch Berücksichtigung bei den programmatischen Formulierungen der Weltkonferenz und vielleicht sogar bei konkre- ten Maßnahmen des vorgesehenen Aktionsplans finden können. Dafür spricht der Einsatz der UNESCO, die, wie wir zeigen werden, Nachhaltigkeit in das Zentrum ihrer Vorschläge für WSIS rückt und dabei von großen Teilen der Zivilgesellschaft unterstützt wird (oder vice ver- sa). Um sich den beiden Zielen dieses Beitrags – Zwischenbericht zum WSIS-Prozess und erster Ansatz einer wissensökologischen Begründung der Informationsgesellschaft – anzunähern, 69 gehen wir den folgenden Gang: Zuerst skizzieren wir sehr verkürzt den bisherigen WSIS- Prozess, dann benennen wir Grundlagen für eine wissensökologische Sicht und arbeiten schließlich zentrale Themen einer Wissensökologie heraus, die nach unserer Einschätzung zunächst auch Eingang in eine Weltkonferenz zur Informationsgesellschaft finden sollten, dann aber sicherlich längerfristig das Denken und Handeln in der Informations- oder Wis- sensgesellschaft bestimmen werden.1.

2. Der komplexe Prozess zum UN-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) WSIS geht auf eine Initiative der International Telecommunication Union (ITU) von 1998 zurück2. Diese Idee hat die UN-Generalversammlung in ihrer Resolution 56/183 vom 21.12.2001 aufgegriffen und den offiziellen Beschluss gefasst, einen entsprechenden Weltgip- fel als UN-Veranstaltung durchzuführen. ITU bekam die „leading managerial role“ im einge- richteten „Executive Secretariat“ in Genf übertragen. An der Vorbereitung sind auch andere Sub- und Sonderorganisationen der UN beteiligt, wie das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP), die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die Organisation für intellektuelles Ei- gentum (WIPO), das UN-Umweltprogramm (UNEP), die Welternährungsorganisation (FAO) sowie, entsprechend ihrem allgemeinen Mandat für Erziehung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation, die UNESCO.

2. 1. Ein Monopol der Regierungen oder ein neues partizipatives Modell WSIS ist, wie alle Weltgipfel der UN, in erster Linie eine Veranstaltung der beteiligten Regie- rungen. Eine Begrenzung auf die staatliche Zuständigkeit ist jedoch heute kaum noch zu ver- treten, und zwar sowohl aus Gründen von Kompetenz- als auch Akzeptanzdefiziten staatli- cher Akteure in komplexen Policy-Bereichen. Entsprechend erweitert sich auf UN-Gipfeln seit einiger Zeit die staatliche Präsenz und Zuständigkeit a) um internationale Organisationen (aus dem Umfeld der UN, aber auch anderen Organisationen3), b) um Interessenvertretungen

1 Bei diesem letzten Punkt sehen wir uns auch in Einklang mit Bemühungen von verschiedenen Per- sonen und Gruppen aus der deutschen Zivilgesellschaft, die im Anschluss an die Konferenz „The Fu- ture of the Global Commons in the Knowledge Society“ zu einer ersten Formulierung einer „Charta der Bürgerrechte in nachhaltigen Wissensgesellschaften“ geführt haben; Texte der Charta unter: http://wsis.xima-web.de/de/web/52.htm. 2 Entsprechend ITU-Resolution 73 (Minneapolis Plenipotentiary Conference, 1998), bestätigt vom ITU Council, Resolutions 1158 und 1179; vgl. http://www.itu.int/wsis/ 3 Zur Illustration einige internationale Organisationen, die auf PrepCom2 vertreten waren: APT - In- foDev - World Bank Seminar on Digital Opportunity for all: ICTs & fight against poverty; Asociación Hispanoamericana de Centros de Investigación y Empresas de Telecomunicaciones (AHCIET); Council of Europe; Education International (NGO-Unesco Liaison Committee); Food and Agriculture Organiza- tion (FAO); Global Symposium for Regulators – ITU; International Labour Organization (ILO); Interna- tional Standards Organizations (ISO, IEC, ITU, UNECE); International Telecommunications Satellite Organization (ITSO); INTUG; League of Arab States; Organisation de la Conférence islamique (OCI); The Global e-sustainability initiative (GeSi) - Business, UNEP and the ITU working in Partnership and WWF; UN Volunteers; United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD); United Na- tions Commission on International Trade Law (UNCITRAL); United Nations Economic and Social Commission fro Western Asia (UNESCWA); United Nations Economic Commission for Africa (UNECA); United Nations Economic Commission for Europe (UNECE); United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO); United Nations ICT Task Force; UNU - United Na- tions University; UPU; World Health Organization (WHO); World Intellectual Property Organization (WIPO). 70 aus Wirtschaft und c) den Zivilgesellschaft-/Nicht-Regierungs-Institutionen (NGOs)1. Ent- sprechend sind diese vier Gruppierungen bei den Vorbereitungen zum Weltgipfel, z.B. bei den Roundtable-Diskussionen zu den zentralen Themen beteiligt und können entsprechende Papiere einbringen. Umstritten ist trotz der Fortschritte auf PrepCom2, inwieweit die Nicht- Regierungsorganisationen ihren Beobachter-Status in eine aktive Rolle verwandeln können. Inwieweit das Berücksichtigung finden wird, muss sich im weiteren Prozess zeigen. Von den UN-Organisationen hat vor allem UNESCO klar Position bezüglich der Beteiligung von NGOs bzw. der Zivilgesellschaft bezogen. UNESCO versucht dabei, auf zwei Ebenen zu operieren: Zum einen als UN-Einrichtung auf der Regierungsebene, indem sie vor allem über ihre jeweiligen Nationalkommissionen Einfluss auf die offizielle Politik auszuüben versucht, zum andern, indem sie sich als Partner für den privaten Sektor und für die Zivilgesellschaft anbietet. Die UNESCO legt Wert darauf „to bring together representatives from the highest levels of government, the private sector, civil society and NGOs. It will offer a unique oppor- tunity for the world community to discuss and give shape to the Information Society.”2 Zumindest theoretisch verfolgt die UNESCO damit ein modernes netzwerkorientiertes Go- vernance-Konzept, indem sie deutlich zu verstehen gibt, dass in komplexen Policy-Bereichen, wie z.B. Regelungen des geistigen Eigentums (Urheberrecht, Copyright), erst Recht bei der Ausgestaltung ganzer Informations- bzw. Wissensgesellschaften, staatliche Instanzen kei- neswegs die Kompetenz, schon gar nicht den Akzeptanzgrad für sich beanspruchen können, die nötig wären, um Lösungsstrategien und konkrete Aktionspläne für diese Bereiche zu ent- wickeln geschweige denn durchzusetzen. Ebenfalls haben fortgeschrittene Gesellschaften aus den ersten Erfahrungen mit Globalisie- rungsstrategien (Stichwort: Seattle und die Folgen) gelernt, dass Koalitionen zwischen staatli- chen und überstaatlichen Instanzen bzw. von ihnen gebildeten, global agierenden Regimes (z.B. WTO mit Abkommen wie TRIPS, die stark in unsere Wissensumwelt eingreifen) kaum das eben angedeutete Dilemma von unzureichender Kompetenz und Akzeptanz in der Zivil-

1 Zur Illustration einige Organisationen aus der Zivilgesellschaft, die auf PrepCom2 vertreten waren: Civil Society Coordination Group; Coalition internationale des associations pour les droits humains et le développement (CIAD) ; Coalition of content creators, publishers and producers ; Collective contribu- tion from several Asian NGOs; Computer Professionals for Social Responsibility (CPSR); Consumer In- ternational; Coopération, solidarité, développement aux PTT (CSDPTT) ; ETHZ/EPFL/EMPA - Work- ing Group on the impact of ICT on the environment; Heinrich Boell Foundation; IFRD - International Research Foundation for Development; Inter-American Press Association/International Association of Broadcasting/International Press Institute/North American Broadcasters Association/World Associa- tion of Newspapers/World Press Freedom Committee; International Council for Science (ICSU); Inter- national Council on Archive (ICA); International Federation of Journalists (IFJ); International Federa- tion of Library Associations and Institutions (IFLA); International Federation of Multimedia Associa- tions; International Institute for Communication and Development (IICD); Mainit dot Org, Inc.; Mo- saïque du Monde; Observatoire des droits de l'Internet; Plateforme suisse pour la société de l'informa- tion; Sociedad General de Autores y Editores (SGAE); SOS Enfants; TakingITGlobal - Youth Input; Third World Academy of Sciences; Transnational Radical Party (TRP); Union Network International (UNI); Voices for Interactive Choice and Empowerement (VOICE); WSIS Gender Caucus 2 http://portal.unesco.org/ci/ev.php?URL_ID=2128&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201&reloa d=1036326753. Daher ist es kaum nachzuvollziehen, dass auf der PrepCom2 die UNESCO, wie alle anderen internationalen Organisationen (darunter noch grotesker auch die die Veranstaltung organi- sierende ITU), von den Beratungen der Plenarsitzungen der Regierungsdelegationen ausgeschlossen wurde, ebenso wie die anderen Beobachter-Gruppen. Erst gegen Ende der Konferenz deutete sich für die Zukunft ein kooperativeres Modell an, das aber keineswegs schon von den „Rules of Procedure“ abgesichert ist. 71 gesellschaft werden lösen können. Dies wird ganz besonders deutlich bei den zentralen Poli- cy-Bereichen der Informations- und Wissensgesellschaften. Entsprechend ist in allen fortgeschrittenen Ländern deutlich festzustellen, dass Experten, Ak- teure, Meinungsführer relevanter Teilgruppen der Gesellschaft zum einen durchaus mit Er- folg Einfluss auf die offizielle Politik ausüben können, zum andern der Staat in seinen In- stanzen erheblichen Kompetenzgewinn verzeichnen kann, bei Rücknahme der eigene Res- sourcen beanspruchenden Verwaltungsbereiche. Dies ist ganz besonders deutlich in den USA mit der langen Tradition der Minimierung staatlicher Administration und Institutionen zu sehen, ohne dass dies insgesamt zu einem Kompetenzverlust bzw. zu einer Handlungsunfä- higkeit des Staates führen muss. Bislang haben Institutionen, wie die UN-Organisationen, also auch die UNESCO, zu einem großen Teil die Rolle der (preiswerten) staatlichen Kompetenzerweiterung gespielt, da die dort agierenden Experten, nicht zuletzt wegen des relativ hohen Prestigewerts dieser Organi- sationen und der in Aussicht gestellten Einflussnahme auf die offizielle Politik, bereit waren mitzuwirken. Diese Experten sind aber selber weitgehend Teil des offiziellen Systems und damit von der Tendenz her auch bereit, die dominierenden Interessen und das, was als „poli- tisch korrekt“ gilt, zu unterstützen. Eine solche Arbeitsteilung zwischen offizieller Politik, offizieller Wirtschaft und offizieller Ex- pertise funktioniert in modernen Informations- und Wissensgesellschaften nur noch be- grenzt. Man wird zwar wohl kaum die These aufrechterhalten können, dass die elektroni- schen Räume des Internet quasi sich selbst-organisierende Systeme seien, die auf die offi- zielle politische und ökonomische Steuerung verzichten können. Aber unverkennbar ist, dass es Akteure und Aktorgruppen aus der Zivilgesellschaft waren, vor allem auch aus dem nicht- etablierten, nicht-offiziellen Umfeld von Wissenschaft, Bildung, Kultur und Kommunikation, die bis heute die Entwicklung der Netze und der Software, aber vor allem der Dienste, Pro- dukte, Inhalte vorangetrieben haben. Daher ist eine Beteiligung der Organisationen aus der Zivilgesellschaft zwingend erforderlich, in erster Linie aus Kompetenzgründen, dann aber auch, um eine faktische Implementierung der auf WSIS zu beschließenden Maßnahmen durchsetzen zu können. Gegen die Expertise und die Interessen der Zivilgesellschaft werden sich keine Informations- und Wissensgesell- schaften entwickeln können. Entsprechend lehr- und folgenreich ist die Auseinandersetzung der Beteiligung von Personen und Institutionen aus der Zivilgesellschaft im Vorfeld der PrepCom-Konferenzen, wo sich vor allem von Seiten der Dritten Welt Skepsis gegenüber Nicht-Regierungsinstanzen am Weltgip- fel artikuliert1. Man wird hier allerdings differenzieren müssen. Die Skepsis trifft sicher für Staaten wie China, Pakistan oder Syrien zu, die die Entwicklung bürgerlicher Gesellschaften, wie sie sich in den westlichen Ländern seit einigen hundert Jahren vollzogen hat, (noch) nicht mitgemacht haben und daher in ihrem staatsautoritären Denken die Beiträge der (dort schwach entwickelten) Zivilgesellschaft eher als Bedrohung denn als Bereicherung empfin- den. Aus afrikanischer Sicht sieht das schon anders aus, unterstützt z.B. durch die Abschluss- erklärung der Regional Conference Africa, Bamako, in Mali von Mai 2002 – einer der WSIS-

1 Der Begriff der Zivilgesellschaft (Civil society) scheint sich gegenüber der bislang vorherrschenden Bezeichnung NGO (Non-governmental organization) durchzusetzen. 72 Regional-Vorkonferenzen, in der es heißt: „All partners, public, private sector and civil society organizations, more specifically small and medium size enterprises, have a stake in the deve- lopment of communications and should be fully involved in decision making at the local, na- tional, regional and international levels”. Auch die Tokio-Vorbereitungskonferenz von Januar 20031 integrierte erfolgreich die vier Hauptgruppen des WSIS-Prozesses. Bis in den PrepCom2-Verlauf hinein konnten sich die EU und andere westliche Länder, die eine stärkere Einbeziehung der Zivilgesellschaft für erforderlich halten (dies war auch eine zentrale Forderungen der Mainzer ICII-Konferenz2), nicht in dieser Hinsicht durchsetzen. Somit sieht es bislang eher so aus, dass WSIS, was die Beteiligung der Zivilgesellschaft an- geht, unter dem Niveau des Weltgipfels für Nachhaltige Entwicklung (WSSD) bleiben könnte. Dies kann vielleicht so interpretiert werden, dass gegenwärtig bei einer klassischen Sicht auf Nachhaltigkeit (Klima etc.), wie sie in Johannesburg dominierte, der Zivilgesellschaft schon jetzt hohe Kompetenz und Verantwortung zugestanden wird, während Nachhaltigkeit als Thema der Umwelt in elektronischen Räumen der Informationsgesellschaft bislang noch we- nig erkannt ist bzw. sich die außerstaatlichen Organisationsstrukturen für den Umgang mit Wissen und Information noch nicht in dem gleichen Ausmaß gebildet haben, wie das bei den klassischen Umweltthemen schon länger der Fall ist. Allerdings scheint sich das mit dem äu- ßerst erfolgreichen Einsatz der zivilgesellschaftlichen Gruppierungen auf der PrepCom än- dern zu können, sowohl was die Etablierung von Strukturen als auch was die Anerkennung der Kompetenz der zivilgesellschaftlichen Gruppen durch die Regierungsinstanzen angeht. Wie ist der Stand der Beteiligung jetzt? Bislang galt nach PrepCom1 der folgende Kompro- miss: Grundsätzlich ist eine aktive Teilnahme von NGOs bzw. des Privatsektors (als Beobach- ter) möglich3. Als in den RoP (Rules of Procedure) festgelegter Grundsatz gilt, dass Sitzungen des PrepCom und seiner Unterausschüsse öffentlich sind, „unless otherwise decided“. NGOs und Vertreter des Privatsektors haben gleichen Status. Schriftliche Stellungnahmen zu The- men des WSIS aus diesen Gruppen werden auf der WSIS-Website eingestellt. Eine Zusam- menfassung der dann eingegangenen Beiträge wurde vor der zweiten PrepCom-Sitzung zir- kuliert, ebenso wie die Synopse der Vorkonferenzen. Die Ergebnisse von partizipativ besetz- ten Rundtischgesprächen mit nichtstaatlichen Akteuren werden in Form von „Chairman's Summaries“ als informeller Teil in die PrepCom-Sitzungen eingebracht, müssen aber nicht berücksichtigt werden. NGO- und Privatsektor-Vertreter können (im Rahmen der RoP, d.h. auf Aufforderung durch den Vorsitz und mit Zustimmung des Gremiums) dem PrepCom ü- ber Ergebnisse und Verlauf von Parallel- und mit dem WSIS verbundene Veranstaltungen be- richten. Die Interessenvertretung der Wirtschaft (ICC/CCBI) hatte sowohl am ersten „Preparatory Committee“ (PrepCom1) in Genf, 1-5 Juli 2002 als auch am „Informal governmental session on Content and Themes” in Genf, 16.9.2002 teilgenommen. Auf der zweiten PrepCom im

1 An der „Asia Pacific Regional Conference on the WSIS“ (13.-15 Januar in Tokio), zu der die japanische Regierung eingeladen hatte, nahmen Regierungsrepräsentanten aus 37 Ländern, 26 internationalen Organisationen, 58 Organisationen aus dem privaten Sektor und 199 NGOs teil; vgl. http://www.infoworld.com/articles/hn/xml/03/01/13/030113hnwsis.xml. 2 “Partnerships among governments, civil society and the private sector, integrated within community- led development, should be a principal priority for WSIS.” 3 Bis vor PrepCom2 hatte der Privat-, also der Wirtschaftssektor nachdrücklicher die Chance und die Herausforderung von WSIS aufgegriffen. Zuständig als Koordinator ist hier das International Chamber of Commerce (ICC). 73 Februar 2003 formulierte ICC einen energischen Protest gegen den dort anfänglich beschlos- senen Ausschluss der Beobachter aus den offiziellen Verhandlungen1. Zusammen mit einer noch deutlicheren Presseerklärung der versammelten Gewerkschaftsverbände (mit dem Titel „Global Unions Accuse Governments Over Exclusion of Public Voices in Policy Debate at UN Summit“) führte das vermutlich zu dem erwähnten (vorläufigen?) Einlenken der offiziellen Konferenz.

2.2. Stationen der WSIS-Vorbereitung Weltgipfel sind komplexe Ereignisse. Entsprechend gibt es zahlreiche Vorkonferenzen: Für Afrika hat eine solche in Bamako vom 28.-30. Mai 20022, für Europa in Bukarest vom 7.-9. November 20023, für Asien mit einigen Ländern wie China, Indien etc. in Bishkek, 9.-11. Sep- tember 20024, erweitert für Asien in Tokio vom 13.-15. Januar 20035, für Lateinamerika und die Karibik in Santo Domingo ebenfalls vom 13.-15. Januar 2003 stattgefunden, und die arabi- schen Länder wollen sich voraussichtlich im Juni 2003 in Kairo treffen. Weiter haben sich 12 Länder der russischen Föderation in Bishkek, vom 9.11. September 2002, mit Fortsetzung im Oktober 2002 in Moskau, mit Blick auf WSIS abgestimmt und, wie die anderen Konfe- renzen auch entsprechende Resolutionen verabschiedet6. Eine Zusammenstellung der zentralen Aussagen der bisherigen Konferenzen, strukturiert nach den aus UNESCO-Sicht zentralen Themen, findet sich in dem strategischen Positions- papier der UNESCO für die zweite Vorbereitungskonferenz (PrepCom2) von Februar 20027:

Siehe nächste Seite

1 Reagiert wurde von der Wirtschaft faktisch damit, dass von den anfänglich ca. 60 Organisationen der Privatwirtschaft schließlich nur noch 5 auf der PrepCom2 übriggeblieben waren, weil sie keinen Sinn mehr in einer Mitwirkung sahen. 2 Abschlusserklärung unter: http://www.geneva2003.org/bamako2002/documents.html 3 Vgl. http://www.wsis-romania.ro/; Volltext der Resolution unter: http://portal.unesco.org/ci/ev.php?URL_ID=6265&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201&reloa d=1045846250 4 Originalinformation unter: http://www.ict.kg/ict.pl 5 Information unter: http://www.infoworld.com/articles/hn/xml/03/01/13/030113hnwsis.xml 6 Die Bishkek-Konferenz fordert “full participation of civil society and private sector at all levels of deci- sion-making processes”. Unter den 25 Forderungen steht “free and ready access to public information” an erster Stelle. Entsprechend werden die internationalen Organisationen aufgefordert: “to provide ac- cess to information resources of the developed countries”. 7 Eine weitere Kompilation der Ergebnisse der bisherigen Vorkonferenzen durch das WSIS-Sekretariat findet sich bei den Dokumenten der ITU/WSIS-Website (http://www.itu.int/wsis/documents/doc_multi.asp?lang=en&id=238|262). 74 Universal access to Access to educa- Freedom of Ex- Cultural Diversity information tion pression

PrepCom I1 The importance of Education, human Preservation of lin- No reference universal and in- resources devel- guistic diversity and clusive access to the opment and train- cultural ident-ity as Information Society ing a priority

Africa Precon- Study and promo- A set of concrete Multilingualism Every citizen should ference2 tion of relevant so- proposals for ICT should be prom- be guar-anteed free- lutions adapted to use in education and oted and cultural dom of expression the environment for training in Africa diversity main- and protected access ICTs, especially in should be developed tained as the driving to information rural areas; Estab- for submission to force for the process lishment of public the second Prepcom of developing con- access points and of meeting tents an African back- bone

European Pre- Promoting universal Developing human Promoting linguistic All persons (must) conference3 access at affordable capacity through diversity and cul- exercise their right cost, improvement education and tural identity; to freedom of of connectivity, training; acquisition NICTs to stimulate opinion and expres- community-led de- of skills integrating multiculturalism sion, including the velopment, commu- ICTs; life-long and plurilingualism; freedom to hold nity access centres learning and con- broaden the con- opinions without and public services tinuous training; tents of the public interference new opportunities domain for e-learning

Asian and the Equitable and ubiq- Promote the use of Preserve the rich Creation of appro- Pacific Precon- uitous access to ap- ICTs for capacity- and diverse cultural priate and transpar- ference4 propriate content in building and human heritage of the Asia- ent legal frame- accessible formats, development, in- Pacific region in the works ensuring equitable and ap- cluding ICT liter- information age, freedom of expres- propriate access for acy, with special cultural and lin- sion, privacy and all to affordable and reference to re- guistic diversity security easily-accessed in- quirements of peo- formation, commu- ple with disabilities nication network in- frastructures

Latin and The information so- Developing and im- The information so- The existence of in- American Pre ciety should serve plementing net- ciety should serve dependent and free conference5 the public interest works, progress per- the public interest communication me- and the aim of so- formance measures and the aim of so- dia… is an essential cial well-being. The and innovative e- cial well-being by requirement for effort to build an in- learning mecha- contributing to freedom of expres- formation society nisms. Emphasizing ….linguistic diver- sion and a guarantee shall encompass ac- the education of key sity and cultural for the plurality of cess to ICTs users of ICT identity information

1 Geneva, Switzerland, 1-5/07/2002, http://www.itu.int/wsis/preparatory/prepcom/prepcom1.html 2 Bamako, Mali, 28-30/05/2002, http://www.geneva2003.org/bamako2002/ 3 Bucharest, Romania, 7-9/11/2002, http://www.wsis-romania.ro 4 Tokyo, Japan, 13-15/01/2003, http://www.wsis-japan.jp 5 Bavaro, Dominican Republic, 28-30/01/2003, http://www.indotel.org.do/wsis/ 75 Neben diesen regionalen generellen WSIS-Vorkonferenzen gibt es noch die entsprechenden Vorkonferenzen einiger der beteiligten UN-Organisationen. Folgenreich für Europa und Deutschland war hier vor allem die Regionale Vorkonferenz der UNESCO für die Region Eu- ropa, die unter dem Titel „Informationskulturen und Informationsinteressen (ICII) – Europä- ische Perspektiven für die Informationsgesellschaft“ vom 27. - 29. Juni 2002 in Mainz statt- fand (unter Federführung der Deutschen UNESCO-Kommission). Folgenreich deshalb, weil entscheidende Punkte der verabschiedeten Resolution von anderen offiziellen WSIS- Vorkonferenzen (z.B. Bukarest) und auch für die allgemeine Positionsbestimmung der U- NESCO-Zentrale adaptiert wurden. Die für den Zusammenhang dieses Beitrag zentralen Punkte der Resolution zitieren wir im Folgenden. Unverkennbar ist eine vorsichtige, aber klar erkennbare Ausrichtung auf das Thema der Nachhaltigkeit. Das Konzept der Wissensökologie explizit einzubeziehen, war für die meisten Teilnehmer von ICII noch zu früh:

- Considering that ensuring access to information and communication resources for all, at any time, from everywhere, and under fair conditions is one of the main challenges for the information society

- Remembering that this vision of the sustainable development of the information society is enshrined in the Universal Declaration of Human Rights, particularly in its Articles 191 and 272, and many other international and European legal instruments

- Considering that the success of the World Summit on Information Society (WSIS) will highly depend on this vision and an agreement on common principles that are to guide the construction of the information society, particularly under the perspective of the ongo- ing globalisation of information and communication networks and services

- Considering that the evolution of the information society should be embedded in the con- cept of sustainable development

- Access is fundamental in the information society. It is based on universal principles and on commonly agreed values, such as recognition of privacy in the use of information; re- spect for the right of others to information; willingness to share knowledge as a resource which will not diminish with usage; recognition, promotion and safeguarding of cultural and linguistic diversity in organizing access to information; promotion of empowerment and participation in the information society...

- There is an ongoing need to find a balance in which equal respect is paid to both intellec- tual property and public interest. States and intergovernmental organisations should acti- vely promote the search for this balance and contribute to facilitating access to informati- on and knowledge.

- Technical means for the protection of intellectual property in electronic environments, and the usage of filter software, should not restrain in an unjustified manner the public and private usage of information.

1 Article 19: Everyone has the right to freedom of opinion and expression; this right includes freedom to hold opinions without interference and to seek, receive and impart information and ideas through any media and regardless of frontiers. 2 Article 27: Everyone has the right freely to participate in the cultural life of the community, to enjoy the arts and to share in scientific advancement and its benefits. Everyone has the right to the protection of the moral and material interests resulting from any scientific, literary or artistic production of which he is the author. 76 Die wichtigsten Vorkonferenzen für WSIS sind die Genfer Vorbereitungskonferenzen (Prep- Coms), von denen drei vorgesehen sind1. Die erste diente mehr der Abklärung der Verfah- rensregeln, z.B. auch über das Ausmaß der Beteiligung der Zivilgesellschaft. Allerdings wur- den auch da schon Probleme bei der thematischen Festlegung deutlich. Grob wird es darum gehen, inwieweit sich den Entwicklungsländern Chancen über konkrete Maßnahmen eröffnen, die real existierende und sich bislang eher noch vertiefende digitale Spaltung in der Verfügung über den Zugriff auf die Informations- und Kommunikationsres- sourcen der Welt zu überwinden. Afrika wollte entsprechend in erster Linie das Thema des Digital divide bzw. der Entwicklungszusammenarbeit thematisieren. China und andere Länder wie Syrien wollen Themen wie „Free access, copyright, privacy“ etc. ausklammern, also die Wertedebatte vermeiden, während diese gerade von den westlichen Ländern, aus welchen Gründen auch immer, in den Vordergrund gestellt werden sollte. Den entwickelteren Ländern geht es natürlich auch darum, Informations- und Kommunikati- onsinfrastrukturen weltweit verfügbar zu machen – eröffnen sich doch nur so die benötigten weltweiten Märkte für Telekommunikations-, E-Commerce-, Medien- und Unterhaltungs- dienste jede Art. Aber sie sind auch an der Wertedebatte interessiert und daran, welches die neuen wegweisenden Architekturen für die schon jetzt intensiv genutzten Netzwelten sein sollen: z.B. wie können Ansprüche an intellektuellem Eigentum auch in elektronischen Räu- men gesichert, wie kann Sicherheit in den Netzen zur Abwehr von Missbrauch (Terror, Kin- derpornographie) verstärkt werden, welche Infrastrukturen für Forschung und Ausbildung sind im elektronischen Umfeld angemessen, wer soll für die Kontrolle und Vergabe der Ad- ressen im Internet zuständig sein, soll gar ein neuer zwischenstaatlicher oder internationaler, aber auf jeden Fall transparenter Mechanismus zur Steuerung und Koordination des Internet (Internet governance) entwickelt werden? Es zeichnen sich also in der Vorbereitungsphase von WSIS deutliche Unterschiede zwischen Entwicklungs- und fortgeschrittenen Ländern ab, die in der Folge der WSIS-Vorkonferenzen ausbalanciert werden sollten.

2.3. Oberziel von WSIS: Überwindung des Digital divide Wenn trotz der Differenzen ein gemeinsames Oberthema ausgemacht werden soll, dann liegt es in der Überwindung des Digital divide: Erklärtes gemeinsames Oberziel aller an WSIS zu beteiligenden Gruppen ist die Überwindung der digitalen Spaltung (Digital divide) auf allen Ebenen, d.h. Beseitigung der Ungleichheiten in der Verfügung und Nutzung der Informati- ons- und Kommunikationstechniken und vor allem der durch sie möglich werdenden Diens- te, und zwar sowohl auf individueller Ebene, als auch und vor allem zwischen den Staaten der Welt. Was auch immer in den letzten Jahren an Resolutionen zur Informationsgesellschaft verab- schiedet worden ist – die Dringlichkeit des Thema des Digital divide wurde immer angespro- chen. Prominent wird hier auf die Okinawa-Charta G8 von 2000 verwiesen, wo es in Art. 5 heißt: „Above all, this Charter represents a call to all, in both the public and private sectors to

1 PrepCom3 wird vom 15.-26. September in Genf stattfinden. Voraussichtlich wird es noch ein Prep- Com3 vorbereitendes Treffen im Juli bei der UNESCO in Paris geben. 77 bridge the international information and knowledge divide.“ Das gleichermaßen ökonomische und politisch-soziale Ziel ist deutlich erkennbar: Offene und entwickelte Informations- und Wissensgesellschaften eröffnen neue Märkte für neue Produkte, und offene und entwickelte Informations- und Wissensgesellschaften schaf- fen die Rahmenbedingungen, die die Gründe für die gegenwärtigen Konflikte und Kriege be- seitigen können. Globale Informations- und Kommunikationspolitik mit dem primären Ziel der Beseitigung des Digital divide ist gleichermaßen Bildungs-, Wirtschafts- und Friedenspoli- tik. Bislang hat allerdings die von G8 eingesetzte Dotforce-Initiative (als koordinierte Maß- nahme von Regierungen, des Privatsektors und der Zivilgesellschaft) wenige im großen Stil betriebene Maßnahmen erkennen lassen, wie dieses Ziel faktisch zu erreichen ist1. Digital divide ist somit das Zentralthema auch für WSIS und wird entsprechend auf den WSIS vorausgehenden Regionalkonferenzen und Spezialveranstaltungen stark betont. Auf dem in- formellen Treffen des Sub-Komitees 2, das auf PrepCom1 vereinbart wurde und über das auf der PrepCom2 die offiziellen Verhandlungen geführt wurden, wurde das Ziel der Überwin- dung des Digital divide an oberster Stelle geführt. Auch auf der europäischen Bukarest- Regierungskonferenz (7.-9.11.2002) stand die Herausforderung durch Digital divide am Be- ginn, auf den afrikanischen und asiatischen Vorkonferenzen ohnehin. Die Strategien zu Ü- berwindung des Digital divide seien identisch mit denen zur Entwicklung der Informationsge- sellschaft insgesamt. Anders formuliert: Aufbau der Informationsgesellschaft und Überwin- dung von Digital divide gehören untrennbar zusammen. Entsprechend werden die Entwicklung globaler Informations- und Wissensgesellschaften und, bezogen auf WSIS, die Formulierung des zu erwartenden Aktionsplans daran zu messen sein, inwieweit sie nicht Privilegien fortgeschrittener Länder mit reich entwickelten Volks- wirtschaften und hohen Bildungsstandards (hoher Informationskompetenz ihrer Bürger) in elektronischen Räumen bloß fortschreiben, sondern denen Entwicklungsspielräume einräu- men, die sie am nötigsten haben.

2.4. Zwischenstand WSIS-Deklaration und WSIS-Aktionsplan Die Heterogenität der bisherigen Stellungnahmen ist in aller Ausführlichkeit dokumentiert auf der ITU/WSIS-Website2. Von einem einheitlichem Bild dieser sehr heterogenen Gruppie- rungen von Staaten, zwischenstaatlichen Organisationen, Wirtschaftsorganisationen und zi- vilgesellschaftlichen Gruppen zu sprechen, ist kaum angebracht. Insofern war das Leitthema der Mainzer ICII-Konferenz „Informationskulturen und Informationsinteressen“ durchaus leitend für die reale Situation der global sich entwickelnden Informationsgesellschaften. Einen ersten Versuch, die verschiedenen Sichten und Interessen zu bündeln, hat das WSIS- Sekretariat zur Vorbereitung von PrepCom2 mit einem Non-Paper vorgelegt. In diesem Ori- entierungspapier wird Nachhaltigkeit an sieben Stellen thematisiert. Wir greifen einige der

1 Das gilt allerdings auch für andere Organisationen, wie die UNESCO, die zwar in ihrem neuen “In- formation for All”-Programm (IFAP) auf die Herausforderung des Digital divide reagieren will: “The Programme shall contribute to narrowing the gap between the information rich and the information poor” (Mandate, No.8), aber kaum Mittel hat, konkrete Projekte dafür durchzuführen. Als erstes Land hat jetzt Großbritannien zusätzliche Mittel für IFA bereitgestellt. 2 http://www.itu.int/wsis/documents/listing-all-pc.asp?lang=en&c_event=pc|2 78 dort formulierten Gedanken auf, die vermutlich die weitere WSIS-Diskussion bis zum Gipfel beeinflussen werden. Nicht neu, aber in dieser Positionierung bemerkenswert, ist die Einführung des Begriffs einer „inclusive global society“ „where all persons, without distinction, are empowered freely to create, receive, share and utilize information and knowledge for their economic, social, cultu- ral and political development“. ICT wird klar unter die Entwicklungsperspektive gestellt. ICT ist nicht ein Zweck in sich selbst, sondern muss sich ausrichten auf „equitable growth and sustainable development on a global scale“. Weiter arbeitet das Papier zehn Schlüsselprinzi- pien heraus, die dann in Aktionspläne einmünden sollen. Wir fassen einige dieser Prinzipien zusammen:

- Zugang und Zugriff (Access) zur Information und freier Wissensaustausch soll zu den fundamentalen menschlichen Rechten gezählt werden. Universaler Zugriff auf Wissen und Information zu (v)erträglichen Kosten (affordable cost) ist Bedingung für Überwin- dung des Digital divide auf allen Ebenen.

- Die Informationsgesellschaft muss sich in transparenten, für alle nachvollziehbaren Um- gebungen entwickeln: „democracy, transparency, accountability and good governance“ gehören zusammen.

- Nur informationell gebildete Bürger (empowerment, human capacity) können an der In- formationsgesellschaft teilnehmen. Wissenschaft und Technologie müssen ausreichend abgesichert sein, damit sie weiter innovativ bleiben können.

- Kulturelle und sprachliche Vielfalt muss als Bedingung für Entwicklung in der Informati- onsgesellschaft weiter erhalten und gefördert werden, wesentlich auch durch die Produk- tion lokaler Inhalte. „Local content in a variety of languages disseminated through the media is indispensable in achieving sustainable development.“ Hierfür muss eine ange- messene Balance zwischen den Rechten an dem produzierten geistigen Eigentum und den Nutzungsinteressen gefunden werden.

- Die Probleme der komplexen Policy-Bereiche der Informationsgesellschaft können nur durch die Beteiligung der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft gelöst werden („establis- hing new and innovative multi-stakeholder public-private partnerships“).

- Auch in elektronischen Räumen müssen sich Vertrauen, Privatheit und Sicherheit entwi- ckeln können, um bisherige Werte moderner Gesellschaften in die Informationsgesell- schaft zu transformieren. Wie schon erwähnt wird WSIS vermutlich als Ergebnis eine prinzipiell gehaltene Erklärung (Declaration), wohl kaum eine völkerrechtlich verbindliche Konvention, und einen Aktions- plan enthalten. PrepCom2 hat sich nach einer Woche mit prozeduralen Vorgefechten dann doch rasch auf die Struktur für beide Teile geeinigt. Nach einer Präambel sollen Visionen und Prinzipien entwickelt werden, während der Aktionsplan die zentralen Themen auflisten soll, denen die Ziele und Strategien bzw. Umsetzungsmaßnahmen zugeordnet werden. Was in der kritischen Phase der Konferenz zu Anfang der zweiten Woche kaum für möglich gehalten wurde – unter der energischen und kompetenten Leitung von Ms. Lyndall Shope-Mafole (South Africa) hat eine für alle staatlichen Delegationen offene Arbeitsgruppe die beiden Leit-

79 papiere zur Deklaration und zum Aktionsplan erarbeitet und als noch vorläufige Arbeitspa- piere für die Zukunft von der Konferenz-Vollversammlung billigen lassen. Beide Papiere enthalten vom Inhalt her keine großen Überraschungen. Die wesentlichen Ziele sind in der Präambel und in den Prinzipien zusammengestellt und spiegeln den Stand der Diskussion aus den Vorkonferenzen wider. Näher ausgeführt werden die folgenden The- men:

- Information and communication infrastructure

- Access to information and knowledge

- The role of governments, the business sector and civil society in the promotion of ICTs for development

- Capacity building

- Security

- Enabling environment

- ICT-Applications

- Cultural identity and linguistic diversity, local content and media development

1 - Ethical dimensions of ICT

- International co-operation

- Other issues Im Aktionsplan sind (vielleicht durch die Dominanz von ITU) die konkreten Aktionsvorschlä- ge, die bislang erarbeitet wurden, stark technologisch geprägt. Ein Beispiel hierfür sind die entwickelten Meilensteine zur Überwindung des Digital divide aus dem bisherigen Aktions- planentwurf der Regierungsdelegationen auf PrepCom2: „The following could serve as benchmarks for actions to be taken:

- all villages to be connected by 2010, with a community access points by 2015;

1 Vielleicht bezeichnenderweise finden sich in dem Abschnitt “Ethical dimensions” von Seiten des of- fiziellen Deklarationsentwurf keine weiteren Ausführungen. Diese Lücke hat der Verfasser dieses Bei- trags bei den Diskussionen der zivilgesellschaftlichen Gruppen zu schließen versucht. Die folgenden Formulierungen sind entsprechend in den Kommentar der Zivilgesellschaft aufgenommen worden: 9.1 The value-base of the information society is the ensemble of globally agreed upon conventions, declarations, and charters. These documents need permanently be re-interpreted and adjusted accor- ding to technological, media, and societal development. 9.2 If there is a major ethical principle and objective of the information society then it lies in guarantee- ing equal and open access to information resources of any kind for all, at any time, from everywhere, and under fair conditions. 9.3 An inclusive and sustainable society can only develop when knowledge is clearly considered a com- mon good and when the principle of access to and the free flow of information can come to reality. 9.4 Due to the heterogeneity of the interests of the different parties involved in the development of the information society and due to the diversity of the underlying cultures and values it is almost unavoid- able that conflicts, even clashes will permanently occur. Information societies will have to live with it. These conflicts should not be solved on the basis of political power or economic dominance but soluti- ons to these conflicts need to rely and should be based on an ethical-based discourse. Any ethical dis- course must respect heterogeneous interests and cultures and must build reliable partnership between governments, private sector, and civil society. 80 - all universities be connected by 2005 and all secondary schools by 2010 and all primary schools by 2015;

- all hospitals to be connected by 2005 and health centres by 2010;

- 90% of the world’s population to be within wireless coverage by 2010 and 100% by 2015;

- all central governments departments to have a website and email address by 2005 and all local governments departments by 2010.“1 Die im Detail und in der Programmatik weitergehenden Kommentare und Beiträge aus der Zivilgesellschaft sind ebenfalls dokumentiert und werden, wie erwähnt, in die weiteren Bera- tungen des WSIS-Prozesses einbezogen, so dass konkretere Ausprägungen zu erwarten sind2. Drei Wochen nach Ende von PrepCom2 werden die bisherigen integrierten Ergebnisse dieser Konferenz ins Netz gestellt und sollen von allen Beteiligten der vier Hauptgruppen weiter be- raten werden, vermutlich zu großen Teilen auf elektronischem Weg, und dann bis Mitte Mai fertiggestellt werden. Für September ist die dritte Vorbereitungskonferenz vorgesehen, eventuell wird es dazwi- schen sogar noch weitere Zwischenkonferenzen geben, Buenos Aires ist im Gespräch. Der Weg zum Gipfel ist mühsam und wird noch viele Papiere entstehen lassen. Ob überhaupt Ei- nigkeit, vor allem mit den doch viel weitergehenden Vorstellungen aus der Zivilgesellschaft, erzielt werden kann, oder ob es, wie es ja schon fast beschlossene Sache ist, zu einem Parallel- oder Gegengipfel der Zivilgesellschaft, in Fortsetzung der attac-Tradition, kommen wird, ist durchaus offen. Die strittigen Fragen liegen zumindest auf dem Tisch: Wie weit darf das Sicherheitsinteresse in die Freiheitsrechte der Bürger eingreifen? Verstärken sich wieder – mit positiven und nega- tiven Effekten – staatliche Interventions-, Überwachungs- oder sogar neue Regulierungsfor- men? Meldet sich der Staat in der Zuständigkeit für die Ausgestaltung der Informationsge- sellschaft zurück oder übernehmen das zunehmend globale Regimes wie die WTO? Intensi- viert sich der in den letzten Jahren deutlich erkennbare Trend, Wissen und Information, Me- dien, Kultur, Forschung und Ausbildung primär unter ökonomischen Verwertungsperspekti- ven zu sehen? Unterstützen das die Staaten, wie es sich jetzt zu zeigen scheint, z.B. durch Ausweitung der Gesetze zum Schutz geistigen Eigentums? Oder wird das öffentliche Interes- se an der Bewahrung und Förderung öffentlicher Güter sich Geltung verschaffen können? Werden sich von der Zivilgesellschaft eingeforderte Werte und Rechte weiter auch in elektro- nischen Umgebungen entwickeln können, wie freier Zugriff auf Information, Förderung von Kreativität, Recht auf Privatheit, Recht auf freizügige Kommunikation, Bereitschaft, Wissen zu teilen, Chancengleichheit ohne jede Diskriminierung auf individueller, sozialer und glo- baler Ebene? Von der Konzeption her wird WSIS keine Veranstaltung gegen die Interessen der Informati- onswirtschaft sein – dafür wird allein schon die Federführung der ITU sorgen –, aber sicher auch keine bloße Interessenvertretung der Informationswirtschaft. Welche Balance gefunden

1 Vgl. Action Plan, based on discussions in the working group of sub-committee 2. Document WSIS/PC-2/DT/3-E, 27.2.2003, aus: http://www.itu.int/wsis/documents/listing-all- pc.asp?lang=en&c_event=pc|2 2 Die zivilgesellschaftlichen Beiträge (auch Kommentare zum Deklarations- und Aktionsplanteil) sind abrufbar unter: http://www.ngocongo.org/ngonew/wsis.htm#PREPCOM2 81 werden wird, ist durchaus offen. Es zeichnet sich ab, dass zwei grundlegende Ideen die Welt- konferenz entscheidend bestimmen werden. Von der einen Seite wird das Konzept einer „inclusive information society“ favorisiert – das ist bislang die offiziell akzeptierte Sicht1, wäh- rend von der anderen Seite die Ergänzung durch „sustainable information society“ gefordert wird, wobei die zivilgesellschaftlichen Gruppen eher den Begriff „sustainable knowledge so- ciety“ (bevorzugt in der Pluralform „sustainable knowledge societies“) verwenden. Es ist sehr gut möglich, dass entsprechend eine Formulierung wie „Inclusive and sustainable informati- on and knowledge society“ zur Formel von WSIS werden wird. Wir wollen im Folgenden das Konzept der „sustainable knowledge society“ über eine Analyse und Einführung des Begriffs der Wissensökologie weiter zu präzisieren versuchen.

3. Zur Begründung einer Wissensökologie Die zu Anfang angesprochene Korrespondenz zwischen Ökonomie und Ökologie, die jeder- mann in den letzten 20 Jahren selbstverständlich geworden ist, lässt zunächst die erweiterte Korrespondenz zwischen Wissensökonomie und Wissensökologie als etwas ganz Selbstver- ständliches erscheinen. Geht man 20 Jahre zurück, so waren weder Begriff noch Benennung der Nachhaltigkeit (als Übersetzung des englischen „sustainable development“, später von „sustainability“) eingeführt2. Es ist erst gut 15 Jahre her, dass mit dem Brundtland-Report „Nachhaltigkeit“ definiert und damit breiter bekannt wurde als „a process of change in which the exploitation of resources, the direction of investments, the orientation of technological de- velopment, and institutional change are all in harmony and enhance both current and future potential to meet human needs and aspirations“3. Seitdem unterscheidet man unter dem Prinzip der Nachhaltigkeit systematisch zwischen den ökonomischen, ökologischen und sozi- alen Aspekten gesellschaftlicher Entwicklung. Entsprechend wird auch von ökologisch nach- haltiger, sozial nachhaltiger, ökonomisch nachhaltiger und zuweilen auch von kulturell nach- haltiger Informationsgesellschaft gesprochen4.

3.1. In der Konzeptions- und Rebellionsphase der Wissensökologie Ökologie wurde noch lange als Gegensatz zu bzw. als Behinderung von Ökonomie in breiten Kreisen gesehen. Ökologische Prinzipien des nachhaltigen, also schonenden, bewahrenden und Weiterentwicklung ermöglichenden Umgangs mit den natürlichen Ressourcen wurden zwar nie prinzipiell negiert (wie könnte man auch?), aber doch (leider) als nicht kompatibel mit Regeln oder Gepflogenheiten der Wirtschaft angesehen. Ökologische Auflagen, die zuerst

1 In dem Entwurf der Declaration von PrepCom2 heißt es in der Präambel: “An inclusive global infor- mation society is one where all persons, without distinction, are empowered freely to create, receive, share and utilize information and knowledge for their economic, social, cultural and political develop- ment.” Schon die Okinawa-Charta der G8 von 2000 stellt das Inklusionsprinzip ins Zentrum ihrer Ü- berlegungen. 2 Im renommierten Langenscheidts New College German-English Dictionary von 1995 wird das deut- sche Adjektiv nur mit “lasting” übersetzt; entsprechend finden sich im englischen Teil weder “sustain- able” noch “sustainability”. 3 Brundtland-Report. World Commission on Environment and Development WCED, Oxford (Oxford University Press) 1987, S. 46 4 Diese Unterscheidung, erweitert um die kulturelle Dimension und zugeordnet zu „Informationsge- sellschaft“ bei (Schauer 2003). 82 zögernd, aber dann immer intensiver auch von der Politik gefordert und durchgesetzt wur- den, wurden lange von der Wirtschaft als Behinderung und als Wettbewerbsnachteil gegen- über anderen, nicht ökologisch ausgerichteten Volkswirtschaften kritisiert. Davon ist heute nicht mehr die Rede, auch wenn die „Ökosteuer“ oder konkrete Auflagen wie das Dosenpfand weiter von Seiten der Wirtschaft überwiegend als wirtschaftsschädlich (aus sicherlich sehr verschiedenen Gründen) kritisiert werden. Wenn sogar im Titel einer Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis90/Die Grünen für den Zeitraum 2002-2006 nach „Erneuerung“ und „Gerechtigkeit“ der Begriff der Nachhaltigkeit vorkommt, dann kann man sagen, dass Nachhaltigkeit im politischen und damit öffentlichen Denken endgültig angekommen ist1. Kann man davon ausgehen, dass wissensnachhaltiges Denken und Handeln eine ähnliche Entwicklung durchlaufen wird, an deren Anfang umfassende Ablehnung bzw. Skepsis und an deren Ende Wissensökologie fester Bestandteil von Politik und Ökonomie geworden sein wird, womöglich in weitaus kürzeren Zeitspannen? Gegenwärtig sind wir in der frühen Konzeptions- und Rebellionsphase der Wissensökologie. Interessanterweise werden die kritischen Einwürfe gegenüber einer Wissensökologie bislang in erster Linie von denjenigen vorgetragen, die sich selber den Prinzipien der Nachhaltigkeit verpflichtet fühlen und sich zur Ökologiebewegung zählen. Ignorieren kann man vielleicht einfache Missverständnisse, z.B. solche, dass es zu den Forderungen der klassischen Ökologie gehört habe, Nachhaltigkeit über gegenwärtige (auch künstliche) Verknappung oder Kontin- gentierung der Ressourcen zu sichern. Wie könne es dann sein, dass in der Wissensökologie die Verknappung von Wissen (durch entsprechende Schutz- und Verschlussmaßnahmen der Informationswirtschaft) bzw. das Zoning des Zugriffs auf Wissen (eine andere Form von Kon- tingentierung)2 kritisiert werde? Also ob Verknappung ein absoluter Wert sei. Systematischer sind die Einwände, dass Ökologie sich immer auf die natürlichen Umwelten bezöge, die zum Nutzen der Gegenwart und der Zukunft zu erhalten, zu pflegen oder weiter- zuentwickeln, zur ethischen Verantwortung einer jeden Generation gehöre. Dass sich heraus- stellte, dass diese ethische Fundierung nicht im Gegensatz zu einem ökonomischen Gestal- tungsprinzip stehen muss, erklärte zugleich die politische Relevanz des Konzepts. All das wird häufig mit Blick auf Wissensökologie bezweifelt.

1 Allerdings finden sich in dieser Koalitionsvereinbarung erst rudimentäre Züge von Nachhaltigkeit mit Blick auf Wissen und Information. Bei „Nachhaltigkeit“ wird in erster Linie auf die klassischen The- men wie Erhalt der natürlichen Lebensressourcen, Energie, Klimaschutz, nachhaltige Landwirtschaft, nachhaltiger Städtebau oder auch nachhaltige Mobilität eingegangen. Lediglich im Abschnitt „Nachhal- tigkeit als globale Herausforderung“ werden bei den verschiedenen Rechten auf Zugang (z.B. zu ge- sunder Nahrung) auch Bildung und Information genannt. Zum Nachhaltigkeitsziel kann auch gerech- net werden, „mit dem Programm ‚Informationsgesellschaft Deutschland 2006‘ den Wandel zur In- formationsgesellschaft weiter aktiv (zu) gestalten, um die Chancen der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien für Wachstum und Beschäftigung auszuschöpfen und allen Bürgerin- nen und Bürgern die Teilhabe an den neuen Medien zu ermöglichen und vor Missbrauch zu schützen“ (S. 16 der Vereinbarung im PDF). 2 “Zoning” wurde von Lawrence Lessig in “Code and other laws of cyberspace” (1999) breit diskutiert als Tendenz, den ursprünglichen freien und unbegrenzten „Raum“ des Internet durch Besitzansprüche auf Wissen und Information in Nutzungszonen einzuteilen, zu denen unterschiedliche Zugriffsberech- tigungen, z.B. über Passwort oder fortgeschrittene Digital-Rights-Management-Verfahren, vergeben o- der versagt werden. Theoretisch wird das u.a. von James Boyle unter dem Begriff des “Second enclo- sure movement” diskutiert: (Draft for the Conference on the Public Domain at Duke Law School, Nov 9-11.2002). 83 Wissen und Information seien keineswegs den (natürlichen) Umwelten zuzurechnen, so dass schon die Kombination „Wissen“ als abstraktestes Konzept überhaupt und Ökologie, als auf die natürliche Umwelt bezogen, eine Fehlbezeichnung sei, die Inkompatibles zu vereinen su- che. Weiterhin müsse gerade unter nachhaltigen Gesichtspunkten das in der bürgerlichen Gesellschaft herausgebildete Prinzip des geistigen Eigentums und das Recht des individuellen Autors („droit d´auteur“ als kontinentaleuropäische Begründung des Urheberrechts) gegen- über den „Piraten“ der anarchischen Netzwelten verteidigt werden. Ein Kompromiss zwi- schen der radikal informationsethischen Forderung nach Universal access und dem (berechtig- ten) Verwertungsinteresse der Wirtschaft sei gar nicht denkbar. Eine ähnliche Konvergenz- entwicklung wie vormals zwischen Ökonomie und Ökologie sei nicht vorstellbar.

3.2. Über Metaphorisierung zu neuen Konzepten Versuchen wir eine wissensökologische Fundierung zunächst mit einer begriffstheoretischen Überlegung. Begriffsentwicklungen werden häufig über Metaphorisierungen initiiert. Für Wissensökologie spielen zunächst die konkreten, auf die physikalische Welt bezogenen Kon- zepte des Raumes und der Umwelt die entscheidende Rolle. Rekurrieren kann man auf das griechische Wort Oikos, das gleichermaßen die etymologische Grundlage für Ökonomie und Ökologie darstellt. Oikos umreißt, in der Regel auf das konkrete „Haus“ bezogen, den ge- meinsamen Lebensraum z.B. einer Familie oder im übertragenen Sinne, den Raum als Teil der Welt, in dem sich eine Gemeinschaft bewegt und in der sie Wirtschaft betreibt. Sein „Haus“ (seinen „Haushalt“) in Ordnung zu halten, bedeutet also, mit den finanziellen und natürlichen Ressourcen effizient und effektiv umzugehen. Effizienter Umgang schließt bei knappen natürlichen Gütern immer auch ein, dass man vorausschauend den Ressourcenein- satz plant, damit nicht eine Überverknappung eintreten kann. Verschieben wir die Verknappungsdiskussion noch etwas und gehen zunächst auf das aus Oikos abzuleitende Verständnis von Raum, Lebensraum, Haus, Haushalt ein und bedienen uns damit der Dynamik der metaphorisierenden Begriffsbildung. Wir haben oben, entspre- chend der auf Brundtland folgenden Diskussion, zwischen den ökonomischen, ökologischen und sozialen (und kulturellen) Aspekten der gesellschaftlichen Entwicklung unterschieden, die unter dem Prinzip der Nachhaltigkeit betrachtet werden sollen. Wir müssen diese Unter- scheidung nicht erweitern, aber nur dann nicht, wenn wir das exklusive, der bisherigen Öko- logie zugrundeliegende Verständnis von Ressourcen als natürliche, in der Natur vorkommen- de, erweitern dürfen. Die Ressourcen der ökonomischen, sozialen und individuellen Ent- wicklung sind nicht länger mehr die natürlichen Rohstoffe. Seit gut 20 Jahren spricht die Po- litik von Wissen und Information als Rohstoff für Innovation1. Sicherlich ist es eine politisch motivierte Vereinfachung, Wissen und Information als Rohstoff anzusprechen – begründet wird das mit dem Hinweis darauf, dass Deutschland zur Kompensation seiner „Armut“ an

1 Im Strategischen Positionspapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Zukunft der wissenschaftlichen Information (Titel: Information vernetzen – Wissen aktivieren) von 2002 wird, soweit bekannt ist, in einer politischen Programmatik zu Fachinformation zum ersten Mal, das Kon- zept der Nachhaltigkeit verwendet: „Die Wissenschaft publiziert zunehmend ohne Verlage direkt im Internet auf eigenen Servern und mit Hilfe von selbst entwickelten Publikationssystemen und sie sucht nach Möglichkeiten, Betrieb und Nachhaltigkeit dieser Systeme dauerhaft sicherzustellen.“ 84 natürlichen Rohstoffen auf die intellektuellen Ressourcen, auf das Potenzial von Wissen und Information, angewiesen ist. Aber verkehrt ist die Analogie keineswegs. So wie in der Industriegesellschaft die natürlichen Ressourcen die entscheidenden Grundla- gen für die Entwicklung industrieller Produkte waren, so gilt dies natürlich auch weiter in der Informationsgesellschaft (Auto, Kühlschränke, Lebensmittel etc. sind weiter materiell), aber zunehmend werden Produktion, Vertrieb und Nutzung von Gütern jeder Art über immate- rielle Ressourcen bestimmt. Man kann davon ausgehen, dass in fortgeschrittenen Ländern weit über 50% aller volkswirtschaftlichen Leistungen über urheber-/patentrechts-relevantes Wissen erbracht werden. Eine Gesellschaft, die mit dieser Ressource nicht nachhaltig um- geht, verbaut sich die Entwicklung in die Zukunft. Wie soll nun Nachhaltigkeit mit Blick auf Wissen und Information begründet werden, nach- dem das entscheidende Argument der knappen natürlichen Ressourcen, dass die ökologische Initiative so leicht nachvollziehbar und schließlich auch akzeptierbar gemacht hat, für Wissen und Information zunächst nicht anwendbar zu sein scheint?

3.3. Vier Sichten auf Wissensökologie Wir arbeiten im Folgenden vier Ansätze für die Begründung einer Wissensökologie bzw. für den nachhaltigen Umgang mit Wissen und Information heraus. Hierbei sehen wir den ei- gentlichen Neuansatz in dem vierten Ansatz der Wissensökologie als nachhaltiger Umgang mit Wissen und Information. Jedoch sind damit die anderen Sichten keineswegs überflüssig, sondern sind, in dem alten Hegelschen Sinne, in dem vierten Ansatz „aufgehoben“.

3.3.1. Die funktionale Perspektive Der Zusammenhang von Nachhaltigkeit und Wissen und Information wird bislang überwie- gend unter funktionaler Perspektive gesehen1. D.h. das Ziel dabei ist in erster Linie ein sozu- sagen primär-ökologisches, also die Sicherung der natürlichen Ressourcen, und dazu sollen Wissen und Information beitragen, z.B.

- indem Wissenschaft den Wissensstand über den Zusammenhang des Verbrauchs natür- licher Ressourcen und der Umweltbeschädigung erhöht,

- indem Wissenschaft und Technik durch die Entwicklung geeigneter Verfahren nachhalti- ge und finanzierbare Entwicklungen in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft begünstigen. Es ist zweifellos richtig, dass das verfügbare Wissen über die langfristige Beeinträchtigung der Umwelt durch von Menschen verursachte Belastungen genauso wie das Wissen darüber, wie diesen Entwicklungen gegengesteuert werden kann, noch sehr unvollständig bzw. unterkom- plex ist. Diese Defizite können nicht hingenommen werden. Vielmehr kann das nur bedeu- ten, dass alle Bereiche von Wissenschaft, Technik und Wirtschaft aus sich heraus, aber auch

1 Vgl. z.B. ein klassisches ökosoziales Buch von A. Moser; J. Riegler: Konfrontation oder Versöhnung. Ökosoziale Politik mit der Weisheit der Natur. Leopold Stocker Verlag: Graz Stuttgart 2001, S. 187: „Bildung und Information zu Belangen des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit sind das wichtigs- te Instrument, um bei möglichst vielen Menschen ein waches Bewusstsein für das persönlich richtige Verhalten zu wecken“. 85 gefördert über politische Maßnahmen (Programme, Normen, Richtlinien, finanzielle Anreize etc.), das Postulat der Nachhaltigkeit stärker als bisher in den Fokus ihres Interesses und ihrer Maßnahmen stellen sollen. Gesellschaftlicher Wissensfortschritt ist auch daran zu messen, inwieweit er zur Verbesserung nachhaltiger Entwicklung beiträgt. Im Rahmen des Fachausschusses Information und Kommunikation der Deutschen UNES- CO-Kommission sind entsprechend die folgenden Forderungen entwickelt worden, die in ei- ner Zusammenfassung in eine entsprechende Resolution der Hauptversammlung 2002 in Nürnberg aufgenommen wurden1. Es wird empfohlen,

- dass im gesamten Wissenschafts- und Bildungssystem, durch Forschung, Lehre und Ler- nen, den Aspekten der Nachhaltigkeit stärkere Beachtung geschenkt wird, damit das Wis- sen darüber vermehrt werden kann und entsprechendes Handeln begünstigt wird

- dass die Wirtschaft sich darum bemüht, auch in ihrem eigenen langfristigen Interesse, die Herstellung ihrer Produkte unter nachhaltigen Zielen und Prinzipien zu organisieren, damit auch zukünftigen Generationen intakte Umwelten erhalten bleiben können

- dass von Seiten der Politik auf allen Ebenen, in Intensivierung der Maßnahmen im Rah- men der Agenda 21, Anreize geschaffen werden, dass in ihren eigenen Bereichen, aber auch in Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft, den Prinzipien und Zielen nachhaltiger Entwicklung Anerkennung und Beachtung geschenkt wird

- dass die Medien in allen Bereichen und die von der Öffentlichkeit getragenen Informati- onssysteme (Bibliotheken, Fachinformationssysteme, Internet-Portale) intensiv über Ge- fährdungen der Umwelt, aber auch über Beispiele und Möglichkeiten der Beförderung von nachhaltiger Entwicklung in allen Bereichen der Gesellschaft informieren und so für das Entstehen einer nachhaltig aufgeklärten Öffentlichkeit sorgen

3.3.2. Kommunikationsökologie als wechselseitige Durchdringung von technisierter Kommu- nikation und menschlicher Natur, Kultur und Gesellschaft Vorarbeiten mit Bezug zu einer zukünftigen Wissensökologie hat es in Deutschland schon in den 80er Jahren gegeben, vor allem im Umfeld des Instituts für Informations- und Kommu- nikationsökologie, das Ende der 80er Jahre in Essen von einem breiten Bündnis aus Wissen- schaft, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen, Kirchen und Medienberufen gegründet wur- de2. Kommunikationsökologie stellte sich damit in die Tradition der allgemeinen Technikfol- genabschätzung. Dies ergab sich konsequent, als deutlich wurde, dass Computer keineswegs die „saubere“ Technologie ist, die sparsam mit den natürlichen Ressourcen umgeht. Vielmehr verbrauchen Computer, zumal durch ihre massenhafte Verbreitung als persönliche Rechner, die heute mehrfach in den meisten Haushalten stehen, sowohl für ihre Produktion natürliche Ressourcen als auch beanspruchen sie in der Nutzung einen erheblichen Anteil am Energie- haushalt. Dies wird heute unter dem Rebound-Effekt diskutiert (vgl. S. 89).

1 Die folgenden Formulierungen sind die des Autors, der Vorsitzender des Fachausschusses Informati- on und Kommunikation der Deutschen UNESCO-Kommission (FA-CI) ist – auch sonst sind die hier mit Referenz auf die UNESCO angeführten Bemerkungen in erster Linie Aussagen des Autors, es sei denn natürlich, es wird direkt aus UNESCO-Quellen zitiert. 2 Vgl. http://www.michael- giesecke.de/visionen/Texte/vision_01/Excerpt/Ecological_Vision_Kommunikationsoekologie.htm 86 Themen einer so verstandenen Kommunikationsökologie waren damals (und sie sind weiter heute aktuell) z.B. die Untersuchung der sozialen Kosten in der Informationsgesellschaft1, die Rolle von Frauen beim Umgang mit Informations- und Kommunikationstechniken2; Fragen der Sozialverträglichkeit von Informations- und Kommunikationstechnik und der Risiken ih- res umfassenden Einsatzes3, die die gegenwärtige WTO/GATS-Debatte vorausgreifende Ana- lyse des defizitären Bildungs-, Informations- und Mediensystems bei einer Dominanz öko- nomischer Marktprinzipien4. Heute versteht man unter Kommunikationsökologie eine Disziplin im Schnittfeld von Kommu- nikationswissenschaft und Humanökologie: „Sie behandelt einerseits die Einwirkung von Technik in die Natur menschlicher Kommunikation und andererseits die Auswirkung techni- sierter Kommunikation für die Natur von Mensch und Gesellschaft, Kultur und außer- menschliche Natur. Ihr Leitbild – ökologische Kommunikation – stellt eine nachhaltige und zukunftseröffnende Form der Kommunikation dar, die dem Sein und Werden von Mensch und Mitwelt zuträglich ist“5. Theoretisch stützt sich die Kommunikationsökologie u.a. auf Ge- danken von Neil Postman, der mediale Entwicklung in Analogie zur Ökologie der Umwelt be- trachtet. Ein medialer Wandel, die Einführung einer neuen Kommunikationstechnologie, än- dert das gesamte Umfeld, so wie das Entfernen einer Species die natürliche Umwelt zu einer anderen macht: „One significant change generates total change... This is how the ecology of media works as well. A new technology does not add or subtract something. It changes eve- rything"6. Kommunikationsökologie leitet sich allgemein theoretisch u.a. aus der Medientheorie von M. McLuhan ab, deren Grundgedanke ja darin besteht, dass Medien nicht sozusagen neutralen Zuckerguss auf gesellschaftliche Strukturen darstellen, sondern diese mitprägen. In der Wei- terentwicklung der Medientheorie7 werden die „Stadien der Technologieentwicklung, insbe- sondere der Entwicklung der Informations-, Kommunikations- und Distributionstechnolo- gien, als Umgebungen (environments) bezeichnet8, die direkte Auswirkungen auf das politi- sche, kulturelle, wirtschaftliche oder soziale Leben haben. Die Gutenbergsche Druckkunst,

1 B. Mettler von Meibom: Soziale Kosten in der Informationsgesellschaft. Überlegungen zu einer Kommunikationsökologie. Frankfurt 1987 2 B. Böttger; B. Mettler von Meibom: Das Private und die Technik. Frauen zu den neuen Informations- und Kommunikationstechniken. Westdeutscher Verlag Opladen 1990 3 z.B. A. Roßnagel et al.: Die Verletzlichkeit der Informationsgesellschhaft. Westdeutscher Verlag Opla- den 1989 4 z.B. H.I. Schiller: Information inequity. The deepening social crisis in America. Routledge: New York 1966 5 M. Donath: Kommunikationsökologie. Eine Einführung. In: B. Mettler-von Meibom und M. Donath (Hrsg.): Kommunikationsökologie: Systematische und historische Aspekte. Reihe Kommunikations- ökologie. LitVerlag: Münster etc. 1998; vgl. auch M. Donath: Kommunikation wider die Natur? Ein Plädoyer für eine nachhaltige Kommunikationsgesellschaft, 1996 (http://www.prometheus- online.de/heureka/kommunikationsoekologie/) 6 N. Postman: Technopoly. The surrender of culture to technology. New York: Vintage, 1992, in deut- scher Übersetzung: Das Technopol. Die Macht der Technologie und die Entmündigung der Gesell- schaft. Frankfurt am Main 1992 (zit von Donath: http://www.prometheusonline.de/heureka/kommunikationsoekologie/monografien/donath2/ 7 z.B. J.B. Thompson: The media and modernity. A social theory of the media. Stanford University Press:, Stanford, CA: 1995, R. J. Deibert: Parchment, printing, and hypermedia. Communication in world order transformation. Columbia University Press: New York 1997; P. Heyer: Communications and history: Theories of media, knowledge, and civilization. Greenwood Press: New York 1988 8 B. Nevitt, ebenfalls aus dem Umfeld der Medientheorie, spricht schon 1982 von „global communica- tion ecology“. In: B. Nevitt: Communication Ecology. Butterworth & Co: Toronto/ Vancouver 1982, p. 2 87 das ist das klassische Beispiel, war eben nicht nur ein Mittel, um vorhandene oder neu zu entwickelnde gedankliche Inhalte besser transportieren zu können, sondern hat bestimmte Eigenschaften in der Umwelt so begünstigt, dass weitgehende Veränderungen eintreten konnten. Nicht die Druckkunst hat natürlich den Protestantismus hervorgebracht, sondern hat nur eine Umgebung bereitgestellt, die der Entwicklung des Protestantismus günstiger war, als es damals für die Katholische Kirche der Fall war“. Angesichts der weitgehenden Eingriffe technisierter Kommunikation in alle individuellen und gesellschaftlichen Lebensbereiche, die ja in diesem Verständnis ebenfalls unsere Umwelt ausmachen, ist, so das bei (Donath 1998)1 formulierte Programm, eine ökologische Perspekti- ve unverzichtbar. Wissenschaft sei verpflichtet, „eine ökologische Theorie der Kommunikati- on und eine Theorie ökologischer Kommunikation zu begründen. Denn nur auf diese Weise können wir den Chancen und – wichtiger noch – den Gefahren, die die technischen Innovatio- nen im Bereich menschlicher Kommunikation bedeuten können, gewahr werden und ihnen verantwortlich begegnen. Alle anderen Theorieansätze greifen diesbezüglich zu kurz.“ In ge- genwärtigen Arbeiten wird die Kommunikationsökologie in Fortsetzung und empirischer Präzisierung der früheren medientheoretischen Arbeiten häufig in den allgemeineren Kon- text einer Medienökologie gerückt2, die die Auswirkungen medialer Realität auf die allgemei- ne Umwelt untersucht. Insgesamt sind die kommunikationsökologischen Arbeiten eher als sozialkritisch einzuschät- zen, indem sie von dem Werteprimat der natürlichen Kommunikation und der natürlichen Umwelt ausgehen und im Ausgang von vielfältig ausgemachten Gefährdungen (z.B. des Verlusts an Wirklichkeit, der Entpolitisierung oder des Verlustes sozialer Kompetenz) Kom- pensationsmöglichkeiten, z.B. rechtlicher oder auch ökonomischer und ethischer Art, vor- schlagen, die letztlich auf Technikbegrenzung, zumindest aber -kontrolle und -steuerung ab- zielen.

3.3.3. Wissens-/Informationsökologie als Beitrag zu einer ökosozialen Marktwirtschaft Die bisherigen Erwartungen an Informations- und Kommunikationstechnologien gingen da- hin, dass sie umweltfreundliche Technologien seien, da sie zum einen sparsam mit natürli- chen Ressourcen umgingen, zum andern die Hypermobilität in gegenwärtigen Gesellschaften (jeder hat das Recht zu jeder Zeit an jedem Ort der Welt sein zu können) durch Formen elekt- ronischer Kommunikation einschränkten.

1 M. Donath: http://www.prometheusonline.de/heureka/kommunikationsoekologie/monografien/donath2/ - Web- version aus: B. Mettler-von Meibom; M. Donath (1998) 2 Vgl. dazu das Sonderheft von Umwelt-Medizin-Gesellschaft 14, 3, 2001, S. 181-280 mit den Arbeiten: Barbara Mettler von Meibom: Leitlinien für eine kommunikationsökologische und soziale Bewältigung von Medientechniken (189-190); Christian Schicha: Kommunikationsökologie und Medienökologie (191-200); Wolfgang Baur: Neue Medien unter kommunikationsökologischen Gesichtspunkten (201- 202); Heinz Buddmeier: Kind und Computer: Bildschirm und Rechner als Fenster zur Welt? (203-210); Martin Daecke: Cyberspace als neue Schöpfung? Ethische Fragen angesichts der multimedialen Mobili- tät; Sigurd (211-219) 88 Die zunächst paradox klingende These der diesen Erwartungen gegenüber kritischen Vertre- ter besagt1, dass das Internet (als Metapher für elektronische Räume schlechthin) den Res- sourcenverbrauch eher erhöhen wird, falls der Umgang mit den Gütern sich ähnlich weiter- entwickelt wie in der Vergangenheit. Erklärt wird das zum Teil mit dem Rebound-Effekt. Die- ser beruht darauf, dass der technische Fortschritt (in allen Bereichen der Wirtschaft) zwar durchaus zu umweltschonenden Verfahren der Produktion beitragen kann, dass dieser Fort- schritt häufig dadurch zunichte gemacht wird, dass wegen der in der Regel damit verbunde- nen Kostenreduktion bei jedem einzelnen Exemplar der Konsum insgesamt derart angesta- chelt wird, dass die Gesamtsumme der Belastung wieder erheblich größer wird. Die vielen, jedes für sich umweltschonend produzierten und immer preiswerter werdenden, Objekte be- lasten insgesamt die Umwelt mehr als früher die wenigen, umweltbelastenden und teuren Objekte. Der Rebound-Effekt erweist sich als zutreffend auch mit Blick auf ICT-Geräte, die für sich immer umweltfreundlicher geworden sind bzw. es nach allgemeiner Einschätzung immer schon waren. Aber durch die immer größer werdenden Stückzahlen und den fortlaufend notwendig werdenden Wiederkauf bei immer kürzeren Technologieschüben belasten insge- samt die Umwelt immer mehr. Für die Umwelt zählen eben nur die absoluten Werte, nicht die relativen Erfolgsquoten pro einzelnes Objekt. Die Stückzahlen, hier bei den Computern, Laptops oder MP3-Playern, die in der Gesamtheit mehr Ressourcen verbrauchen als früher die (wenigen) energie- und materialintensiven Großrechner, fressen die singulären Gewinne auf. Man unterscheidet zwischen dem primären Rebound-Effekt, der sich direkt auf den Ressour- cenverbrauch (Elektrizität oder Material) bezieht, und dem sekundären Rebound-Effekt, der durch die Veränderung in den Lebensstilen entsteht2. Bezüglich des letzteren kann man bis- lang empirisch feststellen, dass die elektronische Kommunikation den realen Mobilitätsbedarf eher erhöht (z.B. ersichtlich an der Vielzahl der realen Konferenzen weltweit, die zur Durch- führung eines dann dreitägigen Weltgipfels erforderlich sind, provoziert durch den Bedarf, eine Weltpolitik für elektronische Information und Kommunikation zu entwickeln). Auch kommunikative Rebound-Effekte scheinen in Fortsetzung des jetzigen Systems unvermeidbar zu sein.

1 Theoretisch ist dieser Ansatz fundiert durch die Arbeiten im Umfeld des Ulmer Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung (FAW) und durch die Aktivitäten der Arbeitsgruppe „Informationsgesellschaft und Nachhaltige Entwicklung“ im Forum Info 2000/Forum Informations- gesellschaft der Bundesregierung. Vgl. insbesondere: F.J. Radermacher: Balance oder Zerstörung. Öko- soziale Marktwirtschaft als Schlüssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklung. Ökosoziales Fo- rum Europa Wien: Wien 2002; T. Schauer: Internet für Alle – Chance oder Zumutung? Studie des For- schungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung an der Universität Ulm (FAW). Uni- versitätsverlag Ulm: Ulm 2002-12-25; T. Schauer: The sustainable information society. Vision and risks. Universitätsverlag Ulm: Ulm 2003. 2 Sicherlich ebenfalls spannend wäre zu untersuchen, ob durch den Rebound-Effekt auch die soge- nannten Informations-Paradoxa zu erklären sind. Diese beruhen darauf, dass Informationssysteme und -methoden, an sich dafür konzipiert, den Umgang mit Wissen und Information zu erleichtern und die Wissensproduktion zu erhöhen, oft genug genau das Gegenteil bewirken, indem der Gesamtauf- wand für die Informationslogistik (z.B. zur Orientierung auf den Informationsmärkten, zum Erwerb von spezieller Kompetenz zum Bedienen der Geräte und der Software, Erbringen höherer Kostenbei- träge für Informationsvermittlung und -beschaffung) höher wird als die dadurch erzielte Einsparung. Eine konsequent durchgehaltene Wissensökologie müsste dann die Nutzung und den Nutzen beim Umgang mit elektronischer Information auf die Bedürfnisse der Nutzer ausrichten und weniger auf die technischen Innovationsinteressen. 89 Grundzüge einer neuen Weltordnung unter nachhaltiger Perspektive werden in (Raderma- cher 2002) entwickelt, wobei dort das europäische System des Ausgleichsverfahrens in der EU zum Vorbild dienen soll. So können bestehende Inbalancen, Klüfte oder Asymmetrien zugunsten einer kohärenten Integration überwunden werden. Eine neue Weltordnung bedeu- tet die „Etablierung eines Global-Governance-Systems zur Beherrschung der sozialen, kultu- rellen und ökologischen Aspekte der ökonomischen Globalisierung“ (a.a.O. 291): „Nachhal- tigkeit erfordert einen Weltgesellschaftsvertrag im Zusammenhang mit erforderlichen Be- grenzungen menschlicher und vor allem kollektiver ökonomischer Aktivitäten zur Sicherung vereinbarter Bestände im sozialen, kulturellen und ökologischen Bereich auf Basis einer Öko- sozialen Marktwirtschaft“ (a.a.O. 293). Typisch für den hier beschriebenen Ansatz ist auch die Schweizer „Environment and ICT Working Group“, die die Auswirkungen von Informations- und Kommunikationstechnolo- gien auf die Umwelt (im klassischen ökologischen Sinne) beleuchtet und entsprechende Vor- schläge zur Beseitigung der dadurch verursachten Schäden unterbreiten will1. Diese sollen dann auch in den weiteren WSIS-Prozess eingebracht werden, zum Teil mit sehr konkreten Ideen2, z.B. “We propose to focus on three directions of action: 1. Eliminate unnecessary standby losses of ICT equipment and ICT-systems 2. Increase the useful life of ICT equipment, in particular by prolonging the period between updates and new versions of operating systems and applications 3. Build-up a system of local collecting points and central disposal/recycling facilities for used batteries and electronic components and foster the re-use of electronic components.” So theoretisch überzeugend der Nachhaltigkeitsansatz einer ökosozialen Marktwirtschaft ist, scheint uns doch die Ausrichtung auf die klassische Wirtschaft und deren Verteilungspläne und die Möglichkeiten ihrer politischen Steuerung bzw. des sozialen Ausgleichs weiter im Vordergrund zu stehen. Zu einer umfassenden Wissensökologie kann sich das entwickeln, wenn stärker noch berücksichtigt wird, dass das Marktgeschehen selber insgesamt immer mehr von immateriellen Wissens- und Informationsprozessen bestimmt wird, die, obgleich auch nach nachhaltigen Prinzipien zu steuern, gerade nicht dem Verknappungs- oder Be- grenzungsprinzip unterliegen. Dazu soll der folgende Abschnitt erste Beiträge leisten.

3.3.4. Wissensökologie als nachhaltiger Umgang mit Wissen und Information Wissen und Information unter nachhaltiger Perspektive direkt zu betrachten, geht über die skizzierten bisherigen Ansätze hinaus. In der allgemeinen Wirtschaft werden Wissen und In- formation schon länger nicht mehr alleine unter dem Aspekt gesehen, wie durch sie Produk- tion, Distribution und Nutzung materieller Güter befördert werden, sondern auch, wie durch sie genuine immaterielle Informationsprodukte für sich selbst erzeugt werden. Dadurch sind neben den dem innerorganisationellen Geschehen zuzuordnenden sekundären Informati- onssektoren primäre Informationssektoren der Informationsmärkte entstanden. Die elektro-

1 Die Aktivitäten dieser Gruppe sind gut dokumentiert auf: http://www.wsis.ethz.ch/. 2 Vgl. Why and how the environment has to be taken into account at the World Summit on the Infor- mation Society (ebda) 90 nischen Räume werden zunehmend die Umgebungen, in denen wir uns bewegen und aus denen wir unser intellektuelles Leben reproduzieren. Die geschieht in Ergänzung und teilwei- se sogar in Ersetzung unserer natürlichen Umgebung und – trotz Anerkennung des auf Seite 89 beschriebenen Rebound-Effektes – in Ersetzung der Inanspruchnahme materieller Güter und Ressourcen. Natürlich leben wir nicht wie Case in dem Science-Fiction-Kultroman des Neuromancer von William Gibson faktisch in der Matrix, im Cyberspace hinter den Bild- schirmen. Jedoch bestimmen zweifellos die elektronischen Umgebungen, in denen wir uns unabhängig von räumlichen und zeitlichen Beschränkungen „bewegen“, unsere Sicht von Welt. Aus der Metapher des Cyberspace wird die Realität, die unsere privaten, professionellen und öffentlichen Lebenswelten bestimmt. Auch diese Umgebungen müssen unter Prinzipien der Nachhaltigkeit gestaltet werden. Wir hängen von Wissen und Information genauso ab, wie wir von Wasser, Luft und Energie abhängen. Das galt immer schon, aber genauso, wie die natürlichen Ressourcen heute durch Über- oder falsche Nutzung verbraucht oder verschmutzt werden, so kann heute Wissen und Information in einem bislang ungekannten Ausmaß durch künstliche Verknappung „verschmutzt“ und nicht mehr brauchbar gemacht werden. Die Art und Weise, wie der Umgang mit Wissen und Information organisiert wird, entschei- det genauso, wie wir den Umgang mit den natürlichen Ressourcen organisieren, über unsere gegenwärtigen Chancen, uns kreativ weiterzuentwickeln, erst recht über die Chancen zukünf- tiger Generationen, das Wissen der Vergangenheit zur Kenntnis nehmen und daraus Nutzen ziehen zu können. Ohne eine ökologische Perspektive auf Wissen und Information werden sich keine nachhaltigen Wissensgesellschaften entwickeln können. In der folgenden Zusammenstellung verwenden wir, ohne dies im Einzelnen zu zitieren, Formulierungen aus dem Entwurf der „Charta der Bürgerrechte für nachhaltige Wissensge- sellschaften“1 und aus den vom Verfasser vorgelegten Beiträgen zu einer Nachhaltigkeitsre- solution der Deutschen UNESCO-Kommission auf ihrer Jahreshauptversammlung im No- vember 2002 in Nürnberg2. Nachhaltigkeit setzt zunächst einen Akzent gegen die derzeit dominierende Kommodifizie- rung von Wissen und Information, die eher auf kurzfristige Verwertung und künstliche Ver- knappung des an sich freien Gutes des Wissens abhebt3 als auf langfristige Absicherung der Freizügigkeit beim Umgang mit Wissen und Information. Zu einer nach nachhaltigen Prinzipien organisierten Wissensgesellschaft gehören Antworten auf die Herausforderung sozialer Gerechtigkeit und Chancengleichheit beim Umgang mit

1 Vgl. Anm. S. 67 2 Eine Zusammenfassung findet sich in „UNESCO heute“: http://www.unesco- heute.de/1102/resolution.htm. Die hier einschlägige Passage daraus lautet wie folgt: „Die Deutsche UNESCO-Kommission empfiehlt, dass sich die UNESCO dafür einsetzt, Wissen und Information als öffentliches Gut zu bewahren, zu dem allen der freie Zugriff zu fairen Bedingungen ermöglicht werden muss, vor allem als wichtiger Beitrag zur Überwindung der digitalen Kluft (digital divide). Die Sicherung des öffentlichen Guts „Wissen“ ist die zentrale Zielsetzung einer modernen Wissensökologie. Dazu gehört auch die Langzeitbewahrung des Wissens in elektronischer Form. An- gesichts der fortschreitenden Digitalisierung von Wissen und Information gilt es, eine vernünftige, fai- re und nachhaltig wirksam werdende Balance zwischen kommerzieller Verwertung und öffentlicher freier Nutzung zu finden. Dabei müssen grundlegende Werte wie das Recht auf den Schutz der Privat- sphäre respektiert werden.“ 3 Vgl. R. Kuhlen: Napsterisierung und Venterisierung – Bausteine zu einer politischen Ökonomie des Wissens PROKLA – Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft 32, 4, 2002, S. 57-88 91 Wissen und Information und die Bewahrung und Förderung kultureller und medialer Vielfalt als Bedingung individueller und demokratischer Entwicklung und der Förderung des Frie- dens.

Wir stellen im Folgenden einige materiale Bausteine einer Wissensökologie unter nachhalti- gen Prinzipien zusammen1: 1. Freier Zugriff auf Wissen und Information. Zentrales Ziel einer nach nachhaltigen Prinzi- pien organisierten Wissensgesellschaft ist, dass in der Gegenwart, aber auch für zukünfti- ge Generationen der freie Zugriff auf Wissen und Information gesichert bleibt2. Es muss die Chance erhalten bleiben, das Wissen der Gegenwart und Vergangenheit zur Kenntnis nehmen und davon Nutzen ziehen zu können. „Freier Zugriff“ muss nicht „kostenloser Zugriff“ heißen, aber der Zugriff auf Wissen in jeder medialen Art muss für jedermann, zu jeder Zeit, von jedem Ort und zu fairen Bedingungen möglich sein. Wissen und In- formation darf nicht im Interesse einer kurzfristigen Kommodifizierung bzw. Kommerzi- alisierung von Wissen künstlich verknappt werden. Ihre Produktion und Nutzung darf nicht über nicht-transparente und nicht-nutzerautonome (technische) Maßnahmen, z.B. eines Digital Rights Management ohne mitbestimmendes User Rights Management, umfas- send kontrolliert und manipuliert werden3. 2. Diskriminierungsverbot – Überwindung des Digital divide. Das nachhaltige Prinzip des freien Zugangs zum publizierten Wissen der Welt steht im direkten Zusammenhang mit dem allgemein anerkannten Diskriminierungsverbot, wie es in den Erklärungen, Konventio- nen, Charten der Welt festgeschrieben ist. Nachhaltige Wissensgesellschaften können sich nur entwickeln, wenn bestehende Klüfte im Zugriff und in der Nutzung von Wissen beseitigt werden. Solche Klüfte – in der Diskussion in der Regel angesprochen über Digi- tal divide – bestehen z.B. in der Gender-Perspektive, vor allem in der Benachteiligung von Frauen in der Verfügung über Wissen und Information; im Bildungsbereich, hier vor al- lem hinsichtlich der Entwicklung von Informations- und Kommunikationskompetenz; a- ber vor allem in globaler Perspektive in der ungleichen, ungerechten Verfügung über die Wissensressourcen der Welt, erneut gleichermaßen hinsichtlich des Zugriffs auf diese, a- ber auch bezüglich der Möglichkeit, das eigene Wissen (den eigenen kulturellen „con- tent“) in die elektronischen Ressourcen einspeisen zu können.

1 Die folgende Zusammenstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. In dem Charta- Entwurf, der zudem noch im ganzen Jahr 2003 weitergeschrieben wird, wird u.a. noch angeführt: Of- fenheit technischer Standards und offene Organisationsformen; Sicherung der Privatheit beim Um- gang mit Wissen und Information; Überwindung der digitalen Spaltung; Informationsfreiheit als Bür- gerrecht auf politische Beteiligung und transparente Verwaltung; Sicherung der Informationsfreiheit in der Arbeitswelt. 2 Vgl. R.Kuhlen: Wissen als Eigentum? Wie kann der freie Zugang zu den Ressourcen des Wissens in globalen Informationsräumen gesichert werden? Vortrag Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung 20./21.10.2000 „Wem gehört das Wissen? Geistiges Eigentum in Zeiten des Internet“ (http://www.ib.hu-berlin.de/~kuhlen/Vortraege00-Web/boell201000.pdf) 3 Vgl. R. Kuhlen: Rahmenbedingungen des Einsatzes von Digital Rights Management und Möglichkei- ten der politischen Steuerung. Anhörung beim Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bun- destages 13. Juni 2002 zum Thema Stand der Technik und Umsetzung von Digital Rights Management Systemen (DRM) (http://www.inf-wiss.uni-konstanz.de/People/RK/gutachten/drm-rkuhlen070602- v2.pdf) 92 3. Sicherung des Commons. Wissen ist Erbe und Besitz der Menschheit und damit vom Prin- zip her frei. Das kommerziell verwertete Wissen ist dem gegenüber die Ausnahme. Wis- sen gehört allen und wird in der gegenwärtigen amerikanischen Diskussion1, aber auch in der UNESCO als Commons (bei der UNESCO synonym mit „public domain information“) angesprochen2, als etwas, was nicht in die vollständige private Verfügung gestellt werden darf. Sicherung des Commons „Wissen“ ist zentrale Zielsetzung einer nachhaltigen Wis- sensökologie. Wissen darf aus Gründen der Nachhaltigkeit nicht in die vollständige priva- te Verfügung gestellt werden, denn es stellt das Reservoir dar, aus dem neues Wissen ge- schaffen wird. 4. Sicherung kultureller Vielfalt. Die Diskussion um das Nachhaltigkeitsprinzip des Wissens als Commons wird konkret u.a. auch über das Konzept der kulturellen Vielfalt geführt. In seinen Anmerkungen zu der auf der letzten UNESCO-Generalkonferenz in Paris 2001 verabschiedeten „Universal Declaration on Cultural Diversity“3 erhob der Generaldirektor Koichiro Matsuura “cultural diversity” in den Rang eines “common heritage of humanity”, das für die Menschheit und ihre evolutionäre Entwicklung genauso wichtig sei wie die Bewahrung von „bio-diversity in the natural realm“. In Artikel 4 dieser Erklärung wird von “cultural diversity” als „ethical imperative, inseparable from respect for human dignity“ gesprochen und sie wird zu den „human rights“ gezählt. Man mag bezweifeln, ob das der Kulturwelt zuzurechnende Konzept der kulturellen Vielfalt gleichermaßen wie die Biodi- versität der Natur unter das Prinzip der Evolution gesehen werden kann, der zugrundelie- gende Gedanke ist jedoch ein grundsätzlich nachhaltiger: Bewahrung der kulturellen (und damit einhergehend der sprachlichen) Vielfalt ist Voraussetzung für die Entwicklung ei- nes jeden Individuums in der Gegenwart, aber auch der kulturellen Weiterentwicklung zukünftiger Generationen. Kultur in erster Linie als neues Verwertungsobjekt der Infor- mationswirtschaft zu sehen (wie es Jeremy Rifkin als neue Stufe des Kapitalismus kriti- siert hat4) ist mit den Vorstellungen einer Wissensökologie unvereinbar. Zu den politi-

1 Vgl. Die Beiträge in der Duke-Konferenz on the Public Domain 2001, vor allem: J. Boyle (2002): The second enclosure movement and the construction of the public domain. In: Online-Proceedings der Duke Conference on the Public Domain 2001 (http://swissnet.ai.mit.edu/~hal/misc/duke-papers.pdf); L. Lessig: The architecture of innovation. In: Online-Proceedings der Duke Conference on the Public Domain 2001 (http://swissnet.ai.mit.edu/~hal/misc/duke-papers.pdf); J. H. Reichman; Paul F. Uhlir: Promoting Public Good Uses of Scientific Data: A Contractually Reconstructed Commons for Science and Innovation. In: Online-Proceedings der Duke Conference on the Public Domain 2001 (http://swissnet.ai.mit.edu/~hal/misc/duke-papers.pdf); P. Samuelson: Digital information, digital networks, and the public domain. In: Online-Proceedings der Duke Conference on the Public Domain 2001 (http://swissnet.ai.mit.edu/~hal/misc/duke-papers.pdf) 2 Die UNESCO definiert in ihrer “Universal Access Recommendation” den Begriff der Public domain information wie folgt: “Public domain information, also known as the information commons refers to freely accessible information, intellectual works, or the media on which these are stored, the use of which does not infringe on any intellectual property right, or breach any other communal right (such as indigenous rights) or any obligation of confidentiality.” 3 Der Erklärung liegt nicht der immer noch verbreitete Hochkultur-Begriff zugrunde, sondern das seit der “World Conference on Cultural Policies” (Mexico City, 1982) eingeführte Kultur-Verständnis: “Re- affirming that culture should be regarded as the set of distinctive spiritual, material, intellectual and emotional features of society or a social group, and that it encompasses, in addition to art and literature, lifestyles, ways of living together, value systems, traditions and beliefs”. 4 „Überall auf der Erde bauen transnationale Medienkonzerne weltumspannende Kommunikationsnet- ze auf und beuten lokale kulturelle Ressourcen aus: neu verpackt als Unterhaltungsprodukte und Kul- turware“ (J. Rifkin: Access. Das Verschwinden des Eigentums. Warum wir weniger besitzen und mehr ausgeben werden. Campus Verlag. Frankfurt/New York 2000, 15). 93 schen Zielen der Wissensökologie1. gehört die Ausweitung der bisherigen UNESCO- Deklaration von 2001 in eine völkerrechtlich verbindliche Konvention, durch die dem dominanten ökonomischen Verwertungsanspruch Grenzen gesetzt werden können, wie er durch die bevorstehenden WTO/GATS-Verhandlungen durchgesetzt werden soll. 5. Bewahrung von Kreativität und Innovation. In modernen Gesellschaften wird über den Handel mit immateriellen Produkten ein großer, wenn nicht der größte Teil des gesell- schaftlichen Reichtums erwirtschaftet, und es werden die meisten Arbeitsplätze über die Informationswirtschaft im privaten und öffentlichen Bereich gesichert. Ökonomische Nachhaltigkeit, also die dauerhafte Absicherung wirtschaftlicher Entwicklung, ist nur dann möglich, wenn unter den Bedingungen der fortschreitenden Digitalisierung aller Vorgänge im Umfeld von Wissen und Information eine vernünftige, faire und nachhaltig wirksam werdende Balance zwischen privater (kommerzieller) Verfügung und öffentli- cher freier Nutzung gefunden wird. Fortentwicklung von Wissenschaft und Technik und die innovative Umsetzung des erarbeiteten Wissens in Informationsprodukte gedeihen nicht im Klima künstlicher Verknappung von Wissen, sondern nur in einem Klima der Offenheit und Freizügigkeit. Die beste Förderung der Kreativität in Wissenschaft und Kultur, aber auch der Innovationskraft der Wirtschaft besteht – so paradox es für die auf Sicherung der Verwertungsrechte bedachten Informationswirtschaft klingen mag - in der Herstellung freizügiger Zugangs- und Nutzungsbedingungen von Wissen2. 6. Sicherung medialer Vielfalt. Wissensökologie bedeutet auch Sicherung medialer Vielfalt und öffentlicher Meinung als Bedingung der Entwicklung demokratischer Gesellschaften. Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist heute auch angesichts der konkreten Bedrohung, dass wenige globale Medienakteure unter Einsatz digitaler Techni- ken die Inhalte und damit die öffentliche Meinung bestimmen, aktueller denn je. In einer nachhaltigen Wissensgesellschaft muss dieser Gefahr gegengesteuert und der Bedeutung medialer Vielfalt und des Angebots auch nicht-kommerzieller medialer Information für den Erhalt einer aufgeklärten Öffentlichkeit Rechnung getragen werden. Wissensökologie ist in diesem Sinne Medienökologie. Zu deren Aufgaben gehört auch die Neupositionie- rung der Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (unter den Bedingungen der fort- schreitenden Digitalisierung aller Medienprodukte), sowohl in den fortgeschrittenen In- formationsgesellschaften als auch in den Entwicklungsländern, in denen noch auf längere Sicht die klassischen Medien die Informationsvermittlung und das Bilden von Öffentlich- keit bestimmen werden.

1 In der erwähnten UNESCO-Declaration zur kulturellen Vielfalt heißt es: „Cultural diversity ...., under- stood not simply in terms of economic growth, but also as a means to achieve a more satisfactory intel- lectual, emotional, moral and spiritual existence.” (Art. 3). In Art. 8 heisst es dann doch noch deutlicher: „must not be treated as mere commodities or consumer goods“. In Art 6 wird auf innovative Weise der Zusammenhang zwischen „free access“ und „cultural diversity“ hergestellt, wobei “Access” nicht nur als passives Zugriffsrecht, sondern durchaus auch als aktives Schreibrecht definiert wird: „While ensuring the free flow of ideas by word and image care should be exercised that all cultures can express themselves and make themselves known. Freedom of expression, media pluralism, multilingualism, equal access to art and to scientific and technological knowledge, in- cluding in digital form, and the possibility for all cultures to have access to the means of expression and dissemination are the guarantees of cultural diversity.” 2 Vgl. R. Kuhlen: Medienprodukte im Netz – Zwischen Kommerzialisierung und freiem Zugang. Mit- gliederkonferenz des „Münchener Kreis“ „Digital Rights Management“, 20. November 2002 (PP- Folien des Vortrags über: http://www.inf-wiss.uni-konstanz.de/People/RK/Vortraege02-Web/rk- muenchen-DRM-Konferenz-201102.pdf) 94 7. „Right to communicate“. Mediale Vielfalt bedeutet auch das Recht auf Kommunikation. Die bisherigen Meinungsbildungsmonopole der klassischen Medien (Zeitung, Rundfunk, Fernsehen) können in nachhaltigen Wissensgesellschaften nicht unbefragt bestehen blei- ben. Vielmehr erlauben die neuen direkten partizipativen Potenziale der Informations- und Kommunikationstechnologien das Experimentieren mit neuen Modellen von Öffent- lichkeit (agenda setting) und Meinungsvielfalt. Nicht zuletzt auch in öffentlicher Verant- wortung müssen sich neue Formen der Ausgestaltung der Potenziale der digitalen Me- dien entwickeln können, z.B. durch erweiterte Public-Service-Anbieter, Kommunikations- foren und durch offene, direkte, zivilgesellschaftliche Organisationsformen mit freier Be- teiligung aller Bürger1. 8. Kontrolle technischer Informationsassistenz durch Entwicklung von Informationskompetenz. Nicht allein in technischen Utopien (besser vielleicht: Dystopien) der Künstlichen Intelli- genz, sondern auch in der Realität des elektronischen Handels, der Wissenschaft und zu- nehmend auch auf allgemeinen Publikumsmärkten werden immer mehr technische In- formationsassistenten eingesetzt (in der einfachen Form als Suchmaschinen im Internet, in fortgeschrittenen Formen als intelligente Software-Agenten), die uns die eigene Infor- mationsarbeit, der Suche, der Auswahl und sogar der Bewertung und Entscheidung, ab- nehmen2. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass diese Delegation nicht zu einer Entmündigung und zu einem Verlust von Informationsautonomie führen wird3. Dies ist zunehmend der Fall auch bei dem schon einfachen Fall der Suchmaschinen, die für den Endnutzer kaum noch transparent sind und deren Suchergebnisse zunehmend durch ge- kaufte Plätze manipuliert werden. Selbstbestimmt über die Nutzung und den Nutzen in- formationeller Ressourcen und das in ihnen enthaltene Wissen entscheiden zu können, macht Informationskompetenz aus. Nur informationell kompetente Personen können ih- re Zukunft autonom gestalten. Zum Programm der Wissensökologie gehört die Entwick- lung eines nachhaltigen Bildungssystems, das die Entwicklung von Informationskompe- tenz in das Zentrum stellt. 9. Langzeitarchivierung/-sicherung von Wissen. Es muss Sorge dafür getragen werden, dass angesichts des flüchtigen Charakters elektronischer Information und des raschen Wech- sels von Hardware und Software geeignete Verfahren entwickelt und entsprechende Or- ganisationsmaßnahmen getroffen werden, um die Langzeitverfügbarkeit des elektronisch

1 „Right to communicate“ kann heute nicht mehr implizieren, dass Staaten dies sozusagen als Freibrief für staatliche Überwachung, Kontrolle und Zensur interpretieren. Dies war Streitpunkt der 20 Jahre zurückliegenden Debatte um eine neue Weltinformations-/-kommunikationsordnung, die schließlich zum Auszug der USA aus der UNESCO geführt hatte. Trotzdem steht heute wieder auf der zivilgesell- schaftlichen Agenda eine Reformulierung des „right to communicate“, in Ergänzung des „right to read“ (als Zugriffsrecht auf Wissen und Information) und des „right to write“ (als Recht, eigenes Wissen ein- bringen zu können). CRIS, die zivilgesellschaftliche Plattform für „Communication Rights in the In- formation Society“ (www.crisinfo.org) hat vor, einen eintägigen „Communications Rights Summit“ in das allgemeine Programm des offiziellen Weltgipfels WSIS zu integrieren, nicht zuletzt, um eine Fun- dierung des „rights to communicate“ als allgemeines Menschenrecht zu erreichen. 2 Vgl. R. Kuhlen: Die Konsequenzen der Informationsassistenten. Was bedeutet informationelle Auto- nomie oder wie kann Vertrauen in elektronische Dienste in offenen Informationsmärkten gesichert werden? Suhrkamp taschenbuch wissenschaft (stw 1443). Suhrkamp-Verlag, Frankfurt 1999 3 Vgl. R. Kuhlen: Informationskompetenz und Vertrauen als Grundlage informationeller Autonomie und Bildung. Was bedeutet die fortschreitende Delegation von Informationsarbeit an Informationsas- sistenten? Erscheint in: T. Christaller; J. Wehner: Autonome Maschinen – Perspektiven einer neuen Technikgeneration (Arbeitstitel). Westdeutscher-Verlag Opladen 2003 95 repräsentierten Wissens und damit das kulturelle Erbe zu sichern. Das Wissens- und kul- turelle Erbe der Welt besteht nicht nur aus den exzellenten Produkten der Hochkultur, die es zu sichern gilt, z.B. über UNESCO-Programme wie „Memory of the World“ (MoW)1, sondern umfasst, im Sinne eines umfassenden ethnologischen Kulturverständnis (vgl. Anm. 3), alle in welcher Form und in welchem Medium auch immer repräsentierten und gespeicherten intellektuellen Erzeugnisse. Bei der Langzeitsicherung ist in erster Linie auf Konvergenz und Interoperabilität der verschiedenen Systeme auch in temporaler Sicht zu achten. Dies ist nicht zuletzt durch die Entwicklung und den Einsatz entsprechender Me- tadaten zu erreichen. Langzeitarchivierung ist also nicht nur ein technisches (Gerätekom- patibilität), sondern auch ein Ordnungsproblem2. Langzeitarchivierung ist Bestandteil ei- ner nachhaltigen Wissensökologie. 10. Sicherung von Freiräumen privater Entwicklung. Nicht zuletzt gehört zu einer Wissensöko- logie unter nachhaltigen Prinzipien, dass grundlegende Werte moderner bürgerlicher Ge- sellschaften, wie Recht auf den Schutz der Privatsphäre, bewahrt und gesichert werden können. Eine Gesellschaft, in der jedes Handeln in privaten, professionellen und öffentli- chen Angelegenheiten Gegenstand von Überwachung durch staatliche Organe oder der Auswertung durch Interessen der Informationswirtschaft werden kann, kann sich nicht nachhaltig entwickeln. Die Spielräume zur freien, unkontrollierten Entwicklung jedes einzelnen Menschen müssen offen bleiben.

4. Zusammenfassung Das der Wissensökologie zugrundeliegende Konzept der nachhaltigen Entwicklung setzt ge- genüber der bislang zweifellos dominierenden technischen und ökonomischen Sicht auf die Informationsgesellschaft einen deutlichen Akzent auf Wissen selber, also auf die Inhalte, die über die Netze transportiert werden. Ziel von nachhaltigen Wissensgesellschaften ist die Ent- wicklung von für Gegenwart und Zukunft offenen Wissensstrukturen. Dieses wissensökolo- gische Konzept sollte verträglich mit einer nachhaltigen ökonomischen Entwicklung sein. Gesellschaften sind insgesamt auf einem guten Weg der (ökonomischen, politischen und so- zialen und kulturellen) Entwicklung, wenn sie den Umgang mit Wissen und Information möglichst freizügig gestatten. Konkreter bedeutet das: je freizügiger der Umgang mit Wissen und Information jedweder medialer Art gestaltet werden kann, desto höher ist der Inventi- onsgrad der Wissenschaft, der Innovationsgrad der Wirtschaft und der Demokratisierungs- und Transparenzgrad des politischen Systems. Nachhaltigkeit sichert kulturelle, mediale und

1 Umfassende Informationen zu „Memory of the World“ aus der Website der UNESCO: http://portal.unesco.org/; zum Konzept von MoW vgl. http://titus.fkidg1.uni- frankfurt.de/unicode/papiuc11.htm; MoW aus deutscher Sicht vgl. http://www.unesco.de/c_arbeitsgebiete/mow.htm 2 Vgl. DigiCULT-Studie (Salzburg Research Forschungsgesellschaft mbH – im Auftrag der Europ. Komm. GD Informationsgesellschaft, D2): Technologien für das kulturelle Erben von morgen: http://www.salzburgresearch.at/fbi/digicult/results/german/chapter54.htm; vgl. auch die Rahmenver- einbarung über die Archivierung von Online-Publikationen in der Zusammenarbeit von Deutscher Bibliothek und Springer-Verlag: http://www.ddb.de/news/pressemitt_lza.htm; ebenfalls: Forum „Langzeitverfügbarkeit digitaler Dokumente“: http://www.dl- forum.de/Foren/Langzeitverfuegbarkeit/index.asp 96 informationelle Vielfalt und schafft ein Bildungssystem, das jedem einzelnen die Chance er- öffnet, sein Leben selbstbestimmt und informationell autonom zu organisieren. Vergegenwärtigt man sich noch einmal die materialen Bausteine einer Wissensökologie, so erkennt man unschwer, dass diese Themen zusammengehen mit einer unter nachhaltigen Perspektive bestimmten Informationsethik. Sie kann sich nur über einen Diskurs entfalten, der dann notwendig wird, wenn divergierende Interessen aufeinander stoßen, deren Rechte sich mit einigen Gründen auf breit anerkannte, durchaus auch moralisch begründete Prinzi- pien und Gepflogenheiten abzustützen versuchen1. Der informationsethische Diskurs kann dazu beitragen, a) die Interessenlagen der beteiligten Gruppen offenzulegen; b) Prinzipien aufzuzeigen, mit denen die disparaten Interessen begründet werden können; c) Widersprü- che zwischen den Interessen und den Begründungsanstrengungen offenzulegen; d) langfris- tige Nebenfolgen für gegenwärtige Handlungen aufdecken; e) Prinzipien aufzuzeigen, nach denen diese Widersprüche aufgelöst werden könnten. Informationsethik formuliert keine Politik und stellt auch keine Aktionspläne zur Umsetzung der Ziele einer Wissensökologie auf. Die bisherigen Erfahrungen des Prozesses, der zum Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) führen soll, legen nahe, dass Informations- und Wissensgesellschaften bei heterogenen Interessen und heterogenen Kulturen, auch hete- rogenen Wissenskulturen, dauerhaft mit Konflikten werden leben müssen. Damit diese sich nicht zu tatsächlichen Zusammenprallen ausweiten und zu Informationskriegen entwickeln, sind fortgehend informationsethische Diskurse erforderlich. Durch sie werden die Bausteine einer Wissensökologie unter nachhaltigen Prinzipien erstellt.

Prof. Rainer Kuhlen, Lehrstuhl für Informationswissenschaft im FB Informatik und Informations- wissenschaft an der Universität Konstanz. Vorsitzender des Fachausschusses für Kommunikation und Information (FA-CI) der Deutschen UNESCO-Kommission. [email protected]

1 Vgl. R. Kuhlen: Über die Möglichkeit eines informationsethischen Diskurses über geistiges Eigentum in der Informationsgesellschaft und der Chancen der Umsetzung seiner Argumente in politisch- rechtliche Kodifizierungen. Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung: Digitales Urheberrecht – Zwischen „Information Sharing“ und “Information Control” Spielräume für das öffentliche Interesse an Wissen? Berlin, 26. April 2002 (http://www.inf-wiss.uni-konstanz.de/People/RK/Publikationen2002/position- rk-einleitung150402.pdf)

97 Auszüge aus der Diskussion

Publikum: Eines Ihrer Dias zeigte sehr schön das Geistige Eigentum und das Intellektuelle Produkt. Ich habe mal eine E-mail bekommen, wo PopTel, ein englischer Internet Service Provider, dafür geworben hat, die DOT.Orgs so zu organisieren, dass sie zu einer neuen öko- nomischen Institution werden können. Sie haben vorhin von den Credit Points erzählt. Das scheint mir doch eine ausgesprochen wichtige Strategie, um wissensökonomisch dem entge- gen zu arbeiten, dass nicht nur Wissen knapper wird, sondern auch Geld, und vor allem öf- fentliche Mittel. Können Sie dazu noch mehr sagen? Kuhlen: Bei den Abrechnungsformen sollen auch solche entwickelt werden, die ich Credit Points nenne. Wir entwickeln gerade in Konstanz ein elektronisches Handbuch, ein Stan- dardbuch unseres Fachgebietes, bei dem wir eine Digital Rights Management Software ver- wenden mit der Ergänzung, dass man auch positive Beiträge wie z.B. Kommentare, Links o- der Bewertungen anfügen kann, die Ihnen dann als Credit Points angerechnet werden. Die wiederum können sie berechnen für andere Nutzungen, so dass hier fast so etwas wie eine e- lementare Tauschwirtschaft entstehen kann. Wir sehen das Ganze oft nur als Abrechnungs- system. Es kann genauso gut ein Anrechnungssystem werden und Anreize schaffen, selber auch aktiv in diesen Prozess der Wissenserzeugung einzugreifen. Es gibt aber keine offiziel- len Institutionen, die das aufgegriffen haben. Bei Amazon kann man z.B. auch Rezensionen schreiben, die ihnen aber nicht positiv angerechnet werden. Publikum: Bezieht sich dieses Credit Point System auch auf den akademischen Bereich? Soll ich annehmen, dass da eine Kommodifizierung wissenschaftlichen Austausches vorgeschla- gen wird? Dagegen würde ich mich nämlich sehr wehren wollen. Ich brauche auch keine ö- konomischen Anreize um zu publizieren. Ich tue das eher, weil es Teil meiner Arbeit ist. Kuhlen: So ist es. Ich stimme dem Artikel 1 der EU-Richtlinie zu, in dem es heißt, dass die Wissenschaftler selber entscheiden dürfen, ob ihre wissenschaftlichen Publikationen öffent- lich gemacht werden oder nicht. Es ist unser Auftrag als Wissenschaftler, das, was wir er- forscht haben, auch öffentlich zu machen. Natürlich wird alles, was wir publizieren, ins Netz gestellt. Aber hier geht es speziell um ein Handbuch, das seit 1974 von einem ganz normalen kommerziellen Verlag in die Welt gesetzt und auch benutzt wird, zwei Bände, und das für 150 Euro verkauft wird. Die Idee ist, dass man gegen die reine Vermarktung als Buch ein elekt- ronisches System setzt, um Studenten die Möglichkeit zu geben, es auch individuell zu nut- zen. Dieses System ist kein Abrechnungssystem. Man bekommt Credit Points für eine positi- ve Leistung und simuliert damit die Abrechnung. Es kann aber durchaus sein, dass der Verlag kein elektronisches Abrechnungs- und Anrechnungssystem in Konkurrenz zu seinem Hand- buch haben will. Das Handbuch ist kein weiteres Kommodifizierungsinstrument, sondern der Versuch, in akademischer Umgebung das, was kommerziell da ist, zu simulieren, um ein Anrechungssystem anzureichern. Götz v. Stumpfeldt (Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen): Wollen Sie mit dem Cre- dit-System eine neue Währung schaffen? Sie sagen, dass keine pauschale Abrechnung für den Zugriff auf Wissen angestrebt werde, sondern eine individuelle Abrechnung. Das ist genau der Prozess, in dem wir uns befinden: 40 Cent für einen Spiegel online am Samstag. Ist das Ihr Modell? 98 Kuhlen: Das Credit-System ist natürlich ein Experiment, das keine neue Währung schaffen soll. Sie wissen selber, dass wir im wissenschaftlichen Bereich eigene Anerkennungsformen entwickelt haben. Anerkennung bemisst sich an der Anzahl der Publikationen etc. Die Quan- tifizierung, das Ranking von wissenschaftlicher Leistung kann durch Credits bewertet wer- den. Man will davon wegkommen, dass Studenten nur am Schluss durch die Klausur oder die Hausarbeit bewertet werden. Wir wollen dahin kommen, dass sie in einem fortlaufenden Prozess während eines Kurses die Leistung, die sie auch in elektronischer Form abliefern können, mit Hilfe von Credit Points positiv in die Bewertung mit einfließen lassen können. Der zweite Teil ihrer Frage ist sehr viel wichtiger. Wir haben uns heute mit der Pauschalab- rechnung der Verwertungsgesellschaften auseinander gesetzt und festgestellt, dass diese Form der Abrechnung, die im analogen Medium entstanden ist, im digitalen Umfeld eine sehr schwierige, aufwendige und untransparente Angelegenheit ist. Wir schätzen die Verwal- tungskosten auf 25 Prozent. Organisationen sind aber nur dann gerechtfertigt, wenn sie in der neuen Umgebung in der Lage sind, die Transaktionskosten zu senken. Mir scheint diese Form der Abrechnung über die Pauschalierung in Form der Collecting Societies die unange- messene Form in den elektronischen Medien zu sein. Wenn Sie die Prinzipien, die ich aufge- stellt habe, wie Information-Sharing oder Peer-to-Peer, betrachten, dann ist die Pauschalie- rung für mich ein unangemessenes Instrument. Wir werden wahrscheinlich Mischformen entwickeln. Wir haben heute den Geschäftsmodellen von E-music, PressPlay usw. gespro- chen, die eine Pauschalsumme anbieten, z.B. 9,50$, für die man sich dann Burns oder Downloads runterladen kann. Aber das funktioniert ja auch nur über eine individuelle Ab- rechnung eines Pauschalpakets. Wir haben aber große Probleme mit der individuellen Ab- rechnung, vor allem wegen der Transparenz. Ich meine dennoch, dass die individuellen Ab- rechnungsformen in elektronischen Räumen angemessener sind als Pauschalierungen. Publikum: Können Sie das Users-Rights-Management (URM) noch einmal erläutern? Und wenn Sie die Power-Point-Präsentation ins Netz stellen, geschieht das dann wirklich als PPT oder eher als normales Textfile? Muss ich dann als User vorher das Microsoft Power Point ge- kauft haben, um das lesen zu können oder geht auch eine freie Software? Kuhlen: Die Power-Point-Päsentation wird als PDF-Datei ins Netz gestellt. Es gibt damit zum Teil das Problem, dass manche der Animationen im PDF-File nicht gut rüberkommen. Die URM-Angelegenheit ist schon wichtiger. Da fehlt ein durchdachtes Konzept. Die Filter- Software ist in den letzten Jahren sehr stark entwickelt worden. Es gibt Statistiken, nach de- nen Arbeitnehmer ihre privaten Geschäfte zu 50% im Internet betreiben. Daher werden in Betrieben oder in Bibliotheken in den USA Filter eingesetzt. In den Bibliotheken mit dem Argument, dass der Internetzugang nur dann öffentlich finanziert wird, wenn Pornografie, I- rak-Propaganda usw. gefiltert werden. In den USA gibt es bereits die Entwicklung nutzer- autonomer Filter-Systeme. Es ist inakzeptabel, in einer Firma ohne eine Betriebsvereinbarung ein Filtersystem zu installieren. Bei nutzer-autonomen Systemen spielt die Idee des URM die Rolle, dass ein URM-System nicht übergestülpt werden kann als Interessenvertretung der Content-Industrie, sondern definiert werden sollte aus den Interessen der Nutzer selber, die ihre Bedingungen im Austausch festlegen können, wenn es denn überhaupt zu individuellen Abrechnungen kommen sollte. Die URM-Systeme sind deswegen angreifbar, weil man von Seiten der Industrie meint, dass damit zu viele Daten anfallen und gesammelt werden kön- nen. An wen soll die Rechnung gehen? Was hat er gemacht? Damit ist aber die große Gefahr

99 verbunden, dass die Inhalte überprüft werden. Wenn man sich ein syrisches Musikstück kauft und zugleich ein Buch über Syrien, ist man schon bald gefährdet. Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus Berlin): Ich möchte kurz noch mal auf die Grundsatzdebatte eingehen. Ich möchte den Unterschied zwischen Wissen und In- formation herausstellen. Wissen kann man nicht einfach transferieren, Wissen muss gene- riert werden. Auf diesen Punkt muss in der Debatte um Wissen als öffentliches Gut hinge- wiesen werden. Kuhlen: Auch wenn Wissen ein öffentliches Gut ist, wird es natürlich immer auch kommer- ziell vermarktet. Wir sind uns aber einig, dass der freizügige Umgang mit Wissen (Wissen als öffentliches Gut) den Normalfall darstellt und dass Copyright und Urheberrechte eigentlich die Ausnahme sind. Heute muss sich aber stattdessen der freizügige Umgang rechtfertigen. Das ist die Umdrehung der Wertehierarchie. Was als öffentliches Gut zirkulierbar war und in den Bibliotheken dann bereitgestellt wurde und noch wird, ist aber zunehmend gefährdet. Die öffentlichen Güter werden durch die steigende Elektronisierung verknappt, das hat Lessig in seinen Büchern heraus gearbeitet. Wissen ist nicht geschützt, es ist frei. Wenn das Wissen in ein Informationsprodukt umge- wandelt worden ist und als Buch, Datenbank, CD-Rom etc. erscheint, wird es geschützt. Was nutzt mir die generelle Aussage, dass Wissen frei ist, wenn man es doch nur über ein Infor- mationsprodukt rezipieren kann? Der Schutz und die Probleme entstehen erst mit den In- formationen, nicht mit dem Wissen. Ich habe einige Vorschläge gemacht, die der Tendenz der Kommodifizierung von Wissen entgegen wirken sollen. Ich denke da an Server, wo Wis- sen, was nicht mehr geschützt ist, hineingestellt wird oder wo das Wissen der Originalprodu- zenten mit deren Zustimmung abrufbar ist. Solche Server sind Bewahrer und Bereitsteller von Wissen als öffentlichem Gut, sie übernehmen damit die Funktion der Bibliotheken. Annette Mühlberg (ver.di Bundesvorstand): Wir haben das strukturelle Problem, dass trotz Milliarden an Forschungsgeldern bis heute keine Konzepte erforscht wurden, die sich mit der Einrichtung von öffentlicher Infrastruktur und öffentlichem Raum im Internet beschäftigen. Wie präsentiert sich eine Stadt im Internet? Es gibt kein Veräußerungsverbot einer Domain von einer Stadt. Es passiert durchaus, dass man als Bürger meint, man würde das Portal einer Stadt besuchen. Faktisch trifft man aber auf einen privaten Betreiber, der sich nicht als priva- ter zu erkennen geben muss. Das heißt, es gibt praktisch keine Vorgaben für die Struktur des öffentlichen Raumes. Ich erwähne nur die anstehenden Verhandlungen zu GATS, bei denen es auch um die privatwirtschaftliche Behandlung von Bildung gehen wird. Ein weiteres Prob- lem ist, dass der ganze E-Government-Bereich, also die Digitalisierung des öffentlichen Rau- mes, sehr viel Geld kostet. Wir sind in der absurden Situation, dass wir, um öffentlichen Raum digital zu schaffen, ihn privatisieren müssen, um die Digitalisierung überhaupt finan- zieren zu können. Wir müssen daher ernsthaft über Finanzierungsmodelle reden. Der öf- fentliche Raum kann als öffentlicher nur unter der Bedingung einer Public-Private- Partnership oder unter einem Regime kompletter Privatisierung existieren. Mit solchen Fra- gen sollten wir uns offensiv auseinandersetzen. Kuhlen: Es wäre ein dramatisches Problem, wenn wir in den viel gelobten Public-Private- Partnership-Modellen unsere eigenen Bürgerdaten, die wir dort eingeben müssen, später wieder privat zurück kaufen müssen. Vielfach ist es schon geschehen, dass die statistischen

100 Landes- und Bundesämter ihre Datenbanken aufbauen und diese dann an kommerzielle Pro- vider verkaufen. Wenn Sie ausreichend viel Informationen brauchen, müssen sie schon seit 20 Jahren mächtig dafür bezahlen. Von den öffentlichen Ämtern bekommt man nur noch die Basisinformationen und für die aufwendigen Informationen muss man dann bezahlen. Das ist ein neuer Digital Divide. Offenbar ist es so, dass wir es uns nicht leisten können oder nicht leisten wollen. Daraus kann man folgern: wir verweigern uns den Modellen des E- Government, aber die negativen Folgen des E-Government durch die Privatisierung wollen wir auch nicht ertragen. Deswegen besteht nun die dringende Aufgabe, darüber nachzuden- ken, wie man es finanzieren kann, ohne in Kauf nehmen zu müssen, dass wir unsere eigenen Daten oder öffentlichen Dienstleistungen zurückkaufen müssen. Warum sollte aber eine Stadt nicht privatwirtschaftlich vermarktet werden? Ein öffentliches Leben kann auch von privaten Betreibern öffentlich dargestellt werden. Das entlässt die Kommunen nicht aus der Pflicht, die Potentiale der elektronischen Räume im Sinne des E- Government zu nutzen. Ich sehe eher das Problem, dass man das E-Government in der Praxis als eine Form der Rationalisierung begreift, mit der man Verwaltungskosten sparen und die Leistung zurückfahren kann. E-Government sollte aber eher Mittel der Transparenz, der Kommunikation sein. Das ist die genuine öffentliche Aufgabe. Publikum: Mir ist der Bildungsserver nicht richtig klar geworden. Was ist denn der Unter- schied zwischen einerseits dem Ins-Netz-Stellen von Dingen und andererseits dem Einrichten von Bildungsservern? Das klingt nach einem unnötig zentralistischen Konzept. Oder ist ein- fach dem nachgebildet, was wir im Bereich Open Archive/PrePrint-Server bereits kennen? Kuhlen: Die Idee geht natürlich schon zurück auf diese Open-Archive, SPARK, die Budapes- ter Initiative. Wir werden kein Universalsystem haben. Aber wir brauchen neue Formate, neue standardisierte Beschreibungsformen, mit denen wir Inhalte so kennzeichnen, dass man sie in der Vielzahl der dezentralen Server besser finden kann. Das ist dann eine vernetz- te Struktur, die aber als Server eine Gateway- oder Portalfunktion hat. Die Idee ist, dass man nicht isoliert jedes einzelne aufsuchen müssten. Es geht also darum, eine Virtualisierung des Servergedankens zu erreichen, dezentralisierte Dienste anzubieten, die direkt verbunden werden können durch zentrale Meta-Informationsformen.

101 Auf der Suche nach einer nachhaltigen Politik zum Schutz des geistigen Eigentums. Eine Paneldiskussion

Daniel Alexander, Commission on Intellectual Property Rights, London Dr. Christian Kilger, IPAL – Gesellschaft für Patentverwertung Berlin Götz v. Stumpfeldt, Wirtschaftspolitik-Referent, Bü90/Grüne-Bundestagsfraktion Prof. Brian Kahin, Center for Information Policy, University of Maryland, USA Dr. Jeannette Hofmann, Wissenschaftszentrum Berlin (Moderation)

Jeanette Hofmann: Beim Schlusspanel soll es um die Zukunft von Systemen des Geistigen Eigentums gehen. Während wir uns die meiste Zeit mit den gegenwärtigen Trends Geistigen Eigentums beschäftigen, wollen wir uns mit Zukunftsoptionen befassen, die nachhaltigere und daher für die Gesellschaft besonders erwünschte Ergebnisse versprechen. Es scheint, dass eine der wichtigsten Fragen heute darin besteht, wie man vermitteln kann zwischen ei- nerseits gerechtfertigten Anliegen, eigene Investitionen und Produkte zu schützen, und ande- rerseits gleichermaßen gerechtfertigten Anliegen, Zugang zu Wissen und grundlegenden Produkten zu bekommen. Diese Frage ist an sich nicht neu, doch im Kontext der Digitalisie- rung und einer neuen Informationswirtschaft bekommt sie eine neue Bedeutung und eine besondere Dringlichkeit. Wir wollen uns einerseits mit realistischen Strategien beschäftigen, annehmbare Bedingungen für den Zugang zu Wissen und der Nutzen von Wissensressour- cen zu schaffen. Andererseits möchten wir die Allmenden oder öffentlichen Güter bewahren und sie vor Missbrauch, Ausbeutung und Privatisierung schützen. Es scheint eine wachsende Übereinstimmung darüber zu geben, dass es dem traditionellen One-size-fits-all-Prinzip in Geistigen Eigentumsrechten an Flexibilität mangelt und es deswegen von einem System er- setzt werden müsse, dass feinere Differenzierungen nicht nur zwischen verschiedenen Arten der Nutzung ermöglicht sondern auch zwischen verschiedenen Werktypen (types of works) und vielleicht auch den Benutzern. Sollte Entwicklungsländern besondere Bedingungen zu- gestanden werden, die deren schwache wirtschaftliche und technologische Bedingungen be- rücksichtigen? Oder hat geographische Diskriminierung keinen Sinn in der mehr und mehr global vernetzten Wirtschaft? Christian Kilger: Ich war auf dem WTO-Treffen in Genf letztes Jahr. Dort trafen sich NGOs, die Stellung nehmen sollten zum Problem des Zugangs zu wichtigen Medikamenten und dem Umgang mit der Biodiversität. Diese Fragen sollten im Rahmen der Umsetzung des TRIPS-Abkommens verhandelt werden. Ich hatte das Privileg, die Licencing Executive Society (LESI) zu vertreten. Es eine sehr emotionale und stark polarisierte Debatte. Auf der einen Sei- te standen die Vertreter der großen Pharma-Industrie. Die Pharma-Industrie hat möglicher- weise das größte Interesse an Geistigen Eigentumsrechten, weil die Entwicklungskosten für Produkte sehr hoch sind. Folglich ist das Interesse, den Markt zu monopolisieren, sehr stark, weil man auf diese Weise den Ertrag für Investitionen sichern kann. Auf der anderen Seite der Debatte standen die Vertreter der am wenigsten oder weniger entwickelten Länder. Diese hatten natürlich weniger oder kaum ein Interesse an der Umsetzung der TRIPS- Regulierungen, weil sie die Folgen für ihren Medikamenten- oder Gesundheitsversorgungs- 102 markt sahen. Zu der Zeit des WTO-Treffens machten sich die Folgen eines Nelson-Mandela- Gesetzes bemerkbar: Südafrika war nahe dran, Patentrechte per se nicht mehr anzuerkennen, um dafür Zugang zu AIDS-Medikamenten zu bekommen. Die Debatte drehte sich leider nur darum, ob Geistige Eigentumsrechte als solche in Ländern gerechtfertigt sind, die am wenigs- ten oder weniger entwickelt sind. Meiner Ansicht nach sollte die Debatte aber darüber geführt werden, welche Bedingungen wir als industrialisierte Länder schaffen müssen, damit die am wenigsten oder weniger entwickelten Ländern Zugang zu wichtigen Medikamenten bekom- men, ein Maximum an Biodiversität erhalten können und für das, was sie haben und anbie- ten können, etwas zurückbekommen. Auf dem Treffen wurde betont, eines der Hauptmittel hierfür seien das TRIPS-Abkommen und insbesondere das Prinzip der Zwangs-Lizensierung. Das bedeutet, dass man in bestimmten Monopolfällen Firmen dazu zwingen kann, Lizenzen zu vergeben, um z.B. einen Zugang zu Medikamenten sicher zu stellen. Ein Beispiel dazu: als Hoffmann-La Roche alle Rechte an Boehringer/Mannheim durch dessen Übernahme erlang- te, war der Zugang zur PCR-Diagnostik (im Rahmen der AIDS-Diagnostik) in den Händen sehr weniger Firmen. Die EU war der Ansicht, dass das ein Monopol darstellt mit nachteili- gen Auswirkungen auf die europäischen Länder und hat bestimmte Kartellrechtsregulierun- gen durchgesetzt, die Hoffmann-La Roche zwingen, einer großen Zahl von Firmen Lizenzen zu gewähren, um den Preis niedrig zu halten und den Zugang zu dieser Diagnostik zu si- chern. Ich möchte noch auf die Debatte in der nördlichen Halbkugel für oder wider Geistige Eigen- tumsrechte, besonders Patente eingehen. Haben die Sinn oder kosten die nur Geld und sind überflüssig? Eine der Fragen, über die heftig gestritten wird, ist die Umsetzung der EU- Direktive zur Patentierung von biotechnologischen Erfindungen. Hier gibt es einen Vorschlag aus Deutschland, dass insbesondere die Patentierung von Genen nicht erlaubt werden solle, also die Direktive nicht 1:1 umgesetzt werden solle. Hier geht es um den sogenannten Stoff- schutz. Eine der Folgen einer abweichenden deutschen Regelung wäre offensichtlich eine Rechts-Disharmonie in Europa. Eine andere vielleicht noch wichtigere Folge könnte in der Benachteiligung deutscher KMUs sein. Die eigentlich wichtige Frage aber ist, was wir mit un- serem Patentsystem erreichen wollen. Wir sollten nicht darüber streiten, ob Patente an sich schlecht sind. Wir sollten uns stattdessen fragen: Erteilen wir zu viele Patente? Müssen wir die Latte der Erfindungshöhe – also der technischen Lehre – für eine Patentvergabe in der nördlichen Halbkugel nicht drastisch erhöhen, damit Patente nur für wirkliche Erfindungen vergeben werden? Das Patentsystem per se sollte aber nicht in Frage gestellt werden. Publikum: Wird das zu neuen Gesetzen führen, die das Patentsystem schützen? Christian Kilger: Nein. Ich gebe ein Beispiel aus der EU-Software-Patent-Direktive „Patentier- barkeit von Computerprogrammen“. Dort heißt es: Wir brauchen ein System, bei dem wir ü- berprüfen, ob die Messlatte für neue Patente hoch genug ist und ob die Europäischen Patent- büros diese Messlatte vernünftig genug umsetzen, weil sie zur Zeit viele Patente für Dinge er- teilen, die es nicht verdienen. Ich zitiere: „Wir empfehlen deshalb die Einrichtung einer euro- päischen Beobachtungsstelle für Patente, die mit der Beobachtung der Funktionsweise des Patentsystems in Europa betraut wird.“ In Europa brauchen wir eine Institution, die dafür sorgt, dass wir nicht einfach das nachmachen, was in den USA geschieht. Wir müssen dafür sorgen, dass das Patentsystem in Europa nicht alles patentieren darf und die Anforderungen für die Patentvergabe angehoben werden. Diese Maßnahmen werden dann das Software-

103 Problem und das Biotechnologie-Problem lösen und die Zahl der Anträge drastisch reduzie- ren. Jeanette Hofmann: Zu den Kommentaren zu Ihrem Vortrag kommen wir später. Herr von Stumpfeldt, welche Vision haben die Grünen zur Zukunft der Systeme zum Geistigen Eigen- tum? Götz v. Stumpfeldt: In der globalen Wissensgesellschaft entscheidet sich die Frage der sozia- len Gerechtigkeit und der Chancengleichheit zu einem guten Teil an der Frage des Zuganges zu Informationen. Bisher stand dabei die Frage des Zuganges zum Internet im Mittelpunkt: Zu welchen der im Internet verfügbaren Informationen erhalten die Nutzer Zugang, wenn sie online sind? Das Internet bietet großartige Möglichkeiten auf neue Teilhabe am Wissen – global. Die Kommerzialisierung des Internet schreitet voran. Immer mehr Angebote im In- ternet werden kostenpflichtig. Digital Right Management Systeme drohen, die Verfügung des Users über Werke immer weiter einzuschränken. Die Grünen wollen die Freiheit des Netzes erhalten und es für mehr Chancengerechtigkeit weltweit nutzen und die Rechte am Geistigen Eigentum so ausgestalten, dass die Interessen der Nutzerinnen und Nutzer im Vordergrund stehen – und nicht die der Medienkonzerne und Verlage. Daher unterstützen wir die Bewe- gung, die die Freiräume des Netzes schützen will. Ein Aspekt ist in dieser Debatte bisher zu kurz gekommen – nämlich der Gedanke, dass das Wissen, das mit öffentlichen Mitteln erzeugt worden ist, auch im Interesse der Öffentlichkeit genutzt werden sollte – und entsprechend frei zugänglich sein sollte. Wir sollten den Staat als Großproduzenten von Wissen und Informationen einbeziehen. Der Staat sollte der Gesell- schaft selbstverständlich die Informationen kostenlos zur Verfügung stellen – und damit ei- nen breiten frei zugänglichen Bereich im Netz schaffen. Derzeit allerdings verschenkt der Staat viel von dem auf seine Kosten erzeugten Wissen an Private und ist dann häufig zu arm, um es zurück zu kaufen. Ein Beispiel sind die wissenschaftlichen Bibliotheken. Für sie ist es in den letzten Jahren immer schwieriger geworden, wichtige Fachzeitschriften zu abonnieren und die aktuelle wissenschaftliche Literatur den Leserinnen und Lesern zur Verfügung zu stellen. Gründe dafür sind sinkende Stückzahlen aufgrund stärkerer Nutzung des Internet und mangelnder Wettbewerb bei den Verlagen. Folge ist, dass wichtige Fachzeitschriften und Fachbücher mehr und mehr nur noch diejenigen lesen können, die über Firmen Zugang ha- ben oder private Informationsdienste bezahlen können. Dabei verkaufen die Verlage meist nur Wissen, das Ihnen kostenlos von öffentlich finanzierten Forschern überlassen wird. Öf- fentliche Bibliotheken erwerben also von privaten Verlagen öffentlich finanzierte Forschungs- ergebnisse – wie absurd! Deshalb sollte es für öffentlich geförderte Forschungsergebnisse zur Pflicht werden, sie kos- tenlos im Internet zur Verfügung zu stellen, damit die Öffentlichkeit darauf zugreifen kann. Jeder Professor und jede Professorin hätte die Pflicht, ihre Ergebnisse auf der Homepage des Institutes oder eines Fachportals kostenlos zugänglich zu machen. 38 % der Forschungsaufwendungen in Bundesrepublik werden öffentlich finanziert. Wenn dieser Anteil der Forschungsergebnisse kostenlos im Netz zugänglich gemacht würde, wäre ein großer Schritt zu leichterem Zugang getan. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert die Entwicklung von Tools, die die zielgenaue Bereitstellung und Doku- mentation von Wissen verbessern sollen. Solche Tools würden dann von den Universitäten

104 und anderen öffentlichen Einrichtungen verstärkt eingesetzt werden. Es wird damit immer leichter, das benötigte Wissen zu finden. Verlage argumentieren nun damit, dass die Auf- nahme eines Artikels in eine wissenschaftliche angesehene Fachzeitschrift die Aufmerksam- keit der fachlich Interessierten auf diesen Artikel lenkt. Diese Funktion könnte aber z.B. durch Publikationen, in denen die Rezensionen veröffentlicht werden, ersetzt werden. Die Häufigkeit, mit der ein Artikel zitiert wurde, könnte im Netz leicht nachgewiesen werden. Durch die Publikationspflicht stünden große Mengen wissenschaftlicher Literatur kostenlos im globalen Netz zur Verfügung – auch Wissenschaftler in Entwicklungsländern könnten darauf leichter zugreifen als heute. Ein weiterer Teil einer öffentlichen Informationsinfrastruktur könnte es sein, das gesamte Wissen der Verwaltungen digital zugänglich zu machen. Dazu wäre ein digitales Aktenein- sichtsrecht das geeignete Mittel. Es sollte mit dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Informa- tionsfreiheitsgesetz verwirklicht werden. Jeanette Hofmann: Herr Alexander, an Sie noch zwei Fragen: Glauben Sie, dass regionale Preisdiskriminierung eine gute Strategie ist, um Ländern bei ihrer Entwicklung zu helfen? Zweitens, haben sie als Mitglied der „Kommission zum Geistigen Eigentum“ systematische Unterschiede zwischen Entwicklungs- und entwickelten Ländern entdeckt was finanzielle Probleme angeht? Denn die entwickelte Welt leidet auch an hohen Kosten im Gesundheitsbe- reich zum Beispiel, weil die Preise für pharmazeutische Produkte so hoch sind. Gibt es einen systematischen Unterschied zwischen Entwicklungsländern und entwickelten Ländern oder handelt es sich nur um Gradunterschiede? Daniel Alexander: Das sind zwei schwierige Fragen. Zu den regionalen Preisdiskriminierun- gen: Jeder Ökonom würde natürlich sofort sagen, nein, ich unterstütze in keiner Weise irgend eine Form von regionalen Preisdiskriminierungen. Im sehr spezifischen Kontext des Zugangs zu bestimmten pharmazeutischen Produkten in Entwicklungsländern gibt es dennoch, so meine ich, eine Rechtfertigung dafür. Ob das nun regionale oder landesgebundene Diskrimi- nierungen sein sollten, weiß ich nicht genau. Das hängt von den Umständen ab. Aber es geht noch um mehr. Es gibt ja alle möglichen Arten von Schwierigkeiten im Umgang mit Preis- diskriminierungen. Vielleicht kennen wissen Sie, dass Microsoft kürzlich in den USA ange- klagt worden war. Microsoft hatte angekündigt, viel Software für Schulen in Kalifornien um- sonst abzugeben. Das klingt erst mal ganz gut. Doch für Apple klingt das dann nicht mehr so gut, weil deren Hauptgeschäft im Bereich Unterrichtssoftware liegt. Wenn man also Preisdis- kriminierungen unterstützt, kann das auf kommerziellem Gebiet – lassen wir erst mal die Frage des Zugangs beiseite, um die es ja hauptsächlich geht – dazu führen, dass man seine Position in einem Markt etabliert und dabei andere ausschließt. Das ist ein wichtiges Thema. In Großbritannien hatten wir kürzlich einen großen Anti-Trust-Fall, der gegen eine der größ- ten pharmazeutischen Firmen gerichtet war. Da wurde für Preisdiskriminierung argumen- tiert, um dafür zu sorgen, dass Medikamente zu einen günstigen Preis in Krankenhäuser ge- langen. Was den Zugang zu Medikamenten angeht, bin ich für Preisdiskriminierungen. Ich glaube aber, man sollte auch Maßnahmen ergreifen, um dafür zu sorgen, dass auf dem Markt noch hinreichende Konkurrenz herrscht. Einige dieser Maßnahmen sind Zwangslizenzie- rungen. Mit ihnen kann man verhindern, dass einer den Wettbewerb von seinem Gebiet fernhält.

105 Ich komme jetzt zu Ihrer zweiten Frage nach den systematischen Unterschieden. Man sollte hier schon eine gewisse Sympathie für die pharmazeutische Industrie aufbringen. Es ist zwar wahr, dass Pfizer seine Dividende seit dreißig Jahren Jahr für Jahr erhöht, doch andererseits sind deren Kosten auch enorm. Die Kosten für die Entwicklung der Pharmazeutika sind nicht die Kosten, die entstehen, um zum therapeutischen Molekül zu gelangen. Sondern es sind die Kosten, die entstehen, wenn man die ganze Sache durch die Regulierungen bringen will. Woher kommen diese Kosten? Tja, sie kommen von den gleichen Leuten, die das Patentsys- tem zu regulieren versuchen, nämlich die Regierung. Der Grund dafür, warum es 250 Millio- nen Dollar kostet, um ein neues pharmazeutisches Produkt durch die Regulierungen der US- Behörden zu bekommen, ist, dass diese Regulierungsbehörden die Anforderungen selber so stark erhöht haben. Sie sagen: es reicht nicht, sicher und effizient zu sein. Sehr viel sicherer und effizienter müsst ihr bei dem neuen Medikament sein. Und um diese Steigerung (z.T. handelt es sich um eine Steigerung von ca. 95 auf 99%) zu erreichen, ist sehr viel Zeit (bis zu 12 Jahre), Geld und Arbeit notwendig. Wenn die Firmen also zusätzliches Geld für Forschung & Entwicklung verlangen, haben sie in gewisser Weise Recht. Zwischen den entwickelten Ländern und den Entwicklungsländern gibt es einige systemati- sche Unterschiede. Der große Unterschied ist die relative Bedeutung der Kosten. In den USA, Großbritannien und allgemein auf dem EU-Markt sind die Kosten, die beim Kampf um Rech- te entstehen, trivial im Vergleich zum Wert der Rechte für die betreffende Industrie. Es gibt derzeit einige Fälle vor englischen Gerichten, die große Pharma-Unternehmen betreffen, bei denen der wöchentliche Gewinn für ein Produkt bei ca. 500.000 Pfund liegt. Das ist ein ziemlich großer Markt. Man kann hier ruhig viel Geld für Anwälte ausgeben, das schlägt ü- berhaupt nicht zu Buche. Aber in Ländern, in denen der Markt viel kleiner ist, können die Transaktionskosten, also z.B. für Patentstreitigkeiten, überwältigend sein. Das ist der Grund, warum es in Ländern, in denen der Markt kleiner ist, wichtiger sein kann, dafür zu sorgen, dass die Rechtslage geklärt ist, als in Ländern, in denen der Markt größer ist. Zugleich muss man sehen, dass es einige Entwicklungsländer gibt, in denen mehr reiche Leute leben als in manchen entwickelten Ländern. Diese Länder, Brasilien ist ein Beispiel, könnte man als reich bezeichnen, obwohl dort sehr viele arme Leute wohnen. Es gibt also Fragen interner Preisdiskriminierung innerhalb von Entwicklungsländern genauso wie es sie zwischen entwickelten Ländern und Entwicklungsländern gibt. Jeanette Hofmann: Brian Kahin, Sie erwähnten, man solle die Balance zwischen Schutz und Zugang von Wissen neu diskutieren. Sie meinten, das solle ein öffentlicher Prozess sein. Können Sie dazu noch mehr sagen? Und wie kann die Public Domain besser geschützt wer- den, als sie es jetzt ist? Brian Kahin: Lassen Sie mich die erste Frage mit dem verbinden, was Christian Kilger sagte: Gibt es andere Wege, das Patentsystem fein einzustellen? Denn das ist besser als immer zu fragen: Soll es Patente geben oder nicht? Diese erste Frage ist mit der Frage nach öffentlicher Beobachtung (Monitoring) verbunden und sie ist sehr wichtig, besonders im Kontext der vor- geschlagenen EU-Software-Patent-Direktive. Diese sieht das Monitoring vor, sagt aber nicht, wie das geschehen soll. Ich habe etwas Sorge, dass beim Monitoring nicht mehr als eine An- hörung pro Jahr herausspringt, bei der die eine Seite sagt: ja, das klappt alles, und die andere Seite sagt nein. Das ist die Art von Debatten, die man aus politischem Gebiet kennt. Die Pa- tent-Überwachungsidee (patent observatory idea), die für das Europäische Parlament in der 106 Software-Patent-Direktive vorbereitet wurde, ist die richtige Idee. Aber wir müssen noch spe- zifischer beantworten, welche Maßnahmen wir ergreifen wollen, um heraus zu bekommen, ob das Patentsystem funktioniert. Eine Vorgabe könnte sein: Die Patente sollten von den Leu- ten gelesen werden, die die Technologie entwickeln. Man müsste die Messlatte für Erfindun- gen verändern, um das zu erreichen. Erstes Kriterium: Patente müssen gelesen werden. Nun zur Messlatte für Erfindungen (inventive step als Begriff in Europa; in den USA non- obviousness): diese orientiert sich derzeit am durchschnittlichen Wissenschaftler. Warum aber muss denn in einer Wissensgesellschaft die Messlatte die Mittelmäßigkeit sein? Warum sollte sich die Messlatte nicht an einem anerkannten Wissenschaftler orientieren? Das wäre ein ob- jektiver Standard. Die Patente würden nicht nur gelesen, sondern auch das Aufdecken der Er- findung (disclosure function) würde praktisch von Bedeutung sein und nicht nur theoretisch. Die Patente würden nicht nur von Anwälten gelesen sondern auch von Technologen. So könnte man eine Betreuung einrichten für das Funktionieren des Patent-Systems im Bereich der Technologie. So würde man den Level an technischer und professioneller Expertise erhö- hen und die Verbindung zwischen den Technologen und dem System herstellen. Jeanette Hofmann: Wir sprachen darüber, wie man die Zeitperiode für den Schutz Geistigen Eigentums radikal reduzieren könnte. Nun frage ich, ob eine lediglich auf zwei Jahre verkürz- te Schutzperiode die Public Domain tatsächlich stärken würde. Brian Kahin: Das ist für Software und Geschäftsmethoden vorgeschlagen worden. Ich denke, es ist kein sehr nützlicher Vorschlag, weil es den Gewinn für denjenigen vermindert, dessen Erfindung patentiert wurde, während es den grundlegenden Verwaltungsaufwand aufrecht erhält. Und bei Software, die von einem schnellen Produktzyklus geprägt sind, passt das nicht. Die Periode von 18 Monaten bleibt ja, in der man nicht weiß, welche Patente im System sind. Die Produktzyklen betragen ja allein schon 9-18 Monate. Deswegen glaube ich nicht, dass der Gewinn das aufwiegt. Jeanette Hofmann: Heißt das, dass ein System, das zwischen verschiedenen Arten von Wer- ten unterscheidet, in Ihren Augen unsinnig ist? Stellt eine Verkürzung auf zwei Jahre nur für die Softwarebranche keine Verbesserung dar? Brian Kahin: Mir wäre es insgesamt lieber, wenn man über Lösungen nachdächte, die die Zahl der Patente drastisch vermindern würde. Jeanette Hofmann: Wenn ich das bisher Gesagt kommentiere, so bin ich ehrlich gesagt er- staunt. Heute Nachmittag könnte man den Eindruck bekommen, dass das ganze System des Geistigen Eigentums kurz vor seinem Untergang steht. Bernd Lutterbeck hat das radikal ge- sagt. Er sagte, in zwanzig bis dreißig Jahren seien Geistige Eigentumsrechte überwunden. Nun aber sind wir an einem Punkt, wo wir über Feinabstimmungen des existierenden Sys- tems reden. Bevor ich die Diskussion freigebe, möchte ich den Podiumsteilnehmern Gele- genheit geben, sich gegenseitig zu kommentieren. Christian Kilger: Grundsätzlich ist es richtig, die Messlatte der erfinderischen Tätigkeit (in- ventive step) zu erhöhen. Wir sprechen ja über eine Disharmonie zwischen Nord und Süd. A- ber es gibt ebenso eine Disharmonie innerhalb der industrialisierten Nationen zwischen rei- chen und armen Firmen. Die reichen Firmen machen regen Gebrauch vom Patentsystem und die ärmeren Firmen machen wenig oder keinen Gebrauch davon.

107 Jetzt zur Frage der Messlatte für Erfindungen und die Prüfer in den Patentämtern. Wenn das Europäische Patentamt viel Geld damit verdient, viele Patentanmeldungen zu untersuchen, gibt es auch ein Interesse, viele Patente zu gewähren. Man kann sich fragen, ob es einen grundsätzlichen Fehler im System gibt, denn das System verleitet ja dazu, immer mehr Pa- tente zu gewähren, um immer mehr Geld zu verdienen. Ich denke, eins der großen Instru- mente des 21.Jahrhunderts, um mit Innovationen und Forschung und Entwicklung umzuge- hen, ist die Lizenz. Eine Voraussetzung für das Lizensieren ist ohne Zweifel ein Geistiges Ei- gentumsrecht. Die Globalisierung der Märkte hat zur Folge, dass Firmen sich auf Kernkom- petenzen konzentrieren müssen. Sie haben nicht die Zeit und das Geld, so viel Forschung und Entwicklung in so vielfältigen Bereichen zu machen, wie früher. Eine Methode, mit der sich Kosten sparen und zugleich Innovationen erlangen lassen, besteht darin, aktiv Lizenzen auf Technologien zu erwerben. Weil das Lizensieren in der Zukunft so wichtig ist, müssen wir dafür sorgen, dass die Geistigen Eigentumsrechte, die lizenziert werden können, geschaf- fen werden und rechtsbeständig sind . Götz v. Stumpfeldt: Noch einmal zu den Patenten: Das Wirtschaftsministerium hat hier er- kannt, dass die Patentierbarkeit von Software Innovationen behindert. Das Ministerium hat deswegen sehr früh eine kritische Haltung zur Softwarepatentierung eingenommen, diese mit entsprechendem Know-How unterfüttert und sie dann in der Bundesregierung durchge- setzt, während im Justizministerium eher traditionelle Patentrechtler das Wort führten. Für kleinere und mittlere Unternehmen in Europa ist die ökonomische Bedeutung des freien Zu- gangs zu Software eine besondere Chance. Daniel Alexander: Zunächst möchte ich etwas zu Zwangslizenzierungen sagen. Obwohl wir in unserem Kommissionsbericht die Pflichtlizenzierung als gute Idee empfohlen haben, müssen wir uns klar sein, dass dies kein Allheilmittel für viele der Probleme ist. Patentanwäl- te können jedem, der eine Pflichtlizenzierung anstrebt, endlos Probleme bereiten und damit alles um Jahre verzögern. In Großbritannien ist bisher noch überhaupt keine Pflichtlizenz gewährt worden. Man muss sich über diese Begrenzungen im Klaren sein. Was das Anheben der Messlatte für Erfindungen angeht (raising the bar for the inventive step), stimme ich dem Gesagten völlig zu. Aber man muss auch die praktischen Schwierigkeiten mit einrechnen. Die eine Schwierigkeit mit den Prüfern ist erwähnt worden. Vor ein paar Monaten habe ich einen Fall geführt, wo es um einen Treppenlift ging. Das Pa- tent sollte für eine Vorrichtung vergeben werde, die den Winkel des Lifts elektronisch dem Winkel der Treppe anpasst, so dass der Sitz gerade bleibt beim Hochfahren. Bisher ist das mechanisch gemacht worden. Das Patent wurde 1994 gewährt und vom Europäischen Pa- tentamt untersucht. Und wir haben nun versucht, frühere Beispiele zu finden, die das Gleiche bereits beschrieben haben, um dieses Patent zu zerstören. Denn wir hielten dieses Patent für unheimlich trivial und konnten das mit dem Hinweis auf einige Unterrichtsprojekte in engli- schen Schulen auch belegen, die sich mit ähnlichen Fragen befaßt hatten. Ein anderes Bei- spiel: Bei uns sollte Gelbwurzel für die Wundbehandlung patentiert werden; doch der Hin- weis darauf, dass es das schon gegeben hatte und dass dieses Patentvorhaben abgewiesen werden musste, war ein Sanskrit-Manuskript von vor 2000 Jahren. Man sollte zur Verteidi- gung der Patentüberprüfer sagen, dass das Überprüfen von Patenten sehr schwierig ist. Die Messlatte für Erfindungen zu heben, ist immens schwierig, auch in der pharmazeuti- schen Industrie. Denn die größte Streitsumme in Großbritannien derzeit wird nicht für 108 Pharma-Produkte im allgemeinen ausgegeben, sondern für deren Ableitungen: kristalline Formen, neue Arten, wie man diese kristallinen Formen herstellen kann usw. Das könnte man vielleicht „Patentausweitungs-Patente“ nennen, die ins Spiel kommen, wenn das Haupt- patent für bestimmte Pharmaprodukte ausgelaufen ist. Hier richtig zu entscheiden, ist sehr schwierig, sogar für Gerichte, die den Zeugen bis zu vier Tage ins Kreuzverhör nehmen. Jetzt zum Argument, man solle das System nicht abschaffen, sondern Wege der Feinabstim- mung finden. Persönlich denke ich, dies ist auf politischem Gebiet vernünftig. Aber wir müs- sen uns das Folgende klar machen. In Großbritannien gab es vor einiger Zeit einen Copy- right-Schutz für Industrie-Design. 50 Jahre konnte man sich den größten Unsinn durch Co- pyright schützen lassen. Deshalb haben wir den Copyright-Schutz für Industrie-Designs ab- geschafft. Stattdessen haben wir eine viel kürzere Schutzperiode eingeführt: 15 Jahre plus das Recht für eine Pflichtlizenz. Damit war die geschützte Idee frei, vorausgesetzt, die Nutzer zahlen. Es war ein Riesenfortschritt, den Copyright-Schutz auf diesem Gebiet abzuschaffen. Deswegen sage ich: Wenn über neue Rechte nachgedacht wird, muss auch über die Abschaf- fung von alten Rechten nachgedacht werden. Man kann nicht sagen: Weil ein System nun mal seit einiger Zeit da ist, können wir keinen seiner Aspekte entfernen. Das ist so, wie wenn ein internationaler Vertrag bestimmen wollte, dass man die Steuerlast für die Bevölkerung niemals unter 42% drücken dürfte. Das wäre absurd. Jeanette Hofmann: Wo wir gerade über Abschaffung reden, wo würden Sie da anfangen? Daniel Alexander: Beim Copyright: da gibt es einige dumme Sachen, die nicht wirklich wich- tig sind, so wie die Verlängerung des Copyright-Schutzes (die Lebenszeit des Autors plus 70 Jahre). Soweit ich weiß, gibt es dafür keine nachvollziehbare ökonomische Rechtfertigung. Das Gesetz über die Verlängerung des Schutzes sollte deshalb aufgehoben werden. Brian Kahin: Ich bin fasziniert von Ihrem Beispiel, dass Copyrights in England tatsächlich ab- geschafft wurden. Soweit ich weiß, ist so etwas in den USA noch nie geschehen. Die Messlat- te für die Erfindungen will ich noch kurz kommentieren. Das unausgesprochene Geheimnis dieser Messlatte ist, dass sie ein sehr subjektiver Standard ist. Und der Versuch, durch den Menschen durchschnittlicher Fähigkeiten einen vermeintlich objektiveren Standard einzu- führen, hat die ganze Sache nur verkompliziert. In den USA müssen die Patentüberprüfer die Gründe für die Verweigerung von Patenten nennen. Das ergibt dann eine niedrige Messlatte für die Patentvergabe. Wenn man die Zahl der Patente um 100 reduziert, indem man den Standard erhöht, würde man die Transaktionskosten für das System auch für die Patentbüros um diesen Faktor reduzieren. Man müsste den Überprüfern mehr zahlen, wenn man von ih- nen den höheren Prüfstandard erwarten würde. Rainer Kuhlen: Ich möchte Herrn v. Stumpfeldts Optimismus etwas dämpfen. Sie haben die Aufgabe des Hochschullehrer-Privilegs als großen Fortschritt gefeiert. Das klingt erst mal gut, dass die reichen Professoren endlich ihre Privilegien abgeben. Dadurch aber wird wiederum ein Anreiz gegeben, dass mehr Patente geschaffen werden; dass also nicht mehr der Hoch- schullehrer patentieren darf – das hat er auch nicht getan, weil das viel zu aufwendig ist –, sondern, dass das die Hochschulen machen. Die können das aber nur, indem sie kommer- zielle Firmen wie die von Herrn Kilger gründen, die dann mit der Universität die Patentie- rung vornehmen. Der Hochschullehrer bekommt ein bisschen zurück, aber weitgehend

109 macht die Universität das Patent. Das hat zur Konsequenz, dass die Hochschullehrer weniger publizieren, weil sie ihre Patente abgeben müssen. Christian Kilger: Das stimmt so nicht. Erstens werden Schutzrechte nach 18 Monaten offen gelegt und das neue Arbeitnehmer-Erfinderrecht sieht ausdrücklich für den Hochschullehrer vor, dass er publizieren kann und soll. Rainer Kuhlen: Es gibt den berühmten Fall einer Dissertation, die eine wesentliche Software- Komponente in der Digital-Rights-Management-Angelegenheit entwickelt hat. Als er diese Software-Komponente nicht mehr als Teil für das Digital-Rights-Management bereitstellen wollte, wollte der Autor das Patent zurückziehen. Das ging aber nicht, obwohl es sich um sei- ne Erfindung handelte, weil das Patent an die Hochschulen gegangen war. Das ist eine ambi- valente Geschichte. Ich möchte nicht sehen, wie Sie den Kampf mit den Verlegern durchhal- ten wollen, wenn Sie Hochschullehrer verpflichten wollen, alles in das Open-Archive hinein zu stellen. Götz v. Stumpfeldt: Wollen Sie Public Domain oder wollen Sie es nicht? Ihr Beispiel zeigt, dass Sie nur an den Rechten der Autoren interessiert sind. Christian Kilger: Nur kurz zur Historie. Es gibt das sogenannte Deutsche Arbeitnehmer- Erfinderrecht. Hier wird geregelt, dass ein Angestellter seinem Arbeitgeber eine Erfindung meldet, der diese in Anspruch nehmen kann und die Pflicht zur Vergütung hat. Davon gab es bisher eine große Ausnahme – bei den HochschullehrerInnen. Artikel 5 III GG garantiert die Freiheit von Forschung und Lehre. HochschullehrerInnen galten als freie Erfinder, denen der ganze Ertrag ihrer Erfindungen gehören sollte. Technologietransfer fand deshalb nur in den Fällen statt, in denen der Hochschullehrer erstens finanziell in der Lage war, ein Patent an- zumelden und zweitens auch ein Interesse daran hatte. Es kam viel zu Publikationen, aber selten zu Technologietransfer, denn der braucht den Schutzes des Geistigen Eigentums. Ir- gendetwas muss man eben haben, um das Investment in eine Firma rechtfertigen zu können. Der Gesetzgeber dachte sich: Diese 95% nicht-genutzter, weil gar nicht angemeldeter Erfin- dungen wollen wir endlich erschließen, damit es mehr Technologietransfer gibt. Das Arbeitnehmer-Erfinderrecht wurde geändert und das Hochschullehrerprivileg abge- schafft. Nun müssen die Hochschulen, unterstützt vom BMBF, zum einen die Ressourcen für Patentanmeldungen zur Verfügung stellen und sie müssen die Anmeldung und vor allem die wichtigere Vermarktung von Patenten bzw. deren Umsetzung in marktfähige Produkte organisieren. Das ist in vielen Bundesländern ein Problem, weil Hochschulen meist von Technologietransfer keine Ahnung haben. In der Vergangenheit war es immer so, dass der Erfinder, der patentinteressiert war, seine Erfindung schützen wollte, auch wenn dies nicht sinnvoll war. Wir – die von den Berliner Hochschulen gegründete Patentagentur IPAL – sa- gen Erfindern, ob ihre Erfindungen es wert sind, ein Schutzrecht anzumelden. In weit weni- ger als der Hälfte der untersuchten Fälle haben wir Schutzrechte angemeldet und bei einer Handvoll von Fällen sind wir in der Vertragsabschlussphase. Wir sehen die IPAL als eine Gesellschaft an, die eine Standortverantwortung hat. Das heißt, dass ich es den Projektmanagern zur Maßgabe mache, bei der Entscheidung nicht nur aufs Geld zu sehen, sondern auch darauf, ob z.B. eine Ausgründung möglich ist, ob sich ein klei- nes Unternehmen in Berlin dafür interessiert. Alle unseren jüngsten Fälle waren so, dass in kleine Ausgründungen nach Berlin lizensiert wurde, obwohl es sich um Erfindungen handel- 110 te, die durchaus geeignet waren, auch in die große Pharma- oder in die chemische Industrie zu gehen. Somit kann ich für mich das Resumee ziehen, dass wir in Berlin auf einem guten Weg sind und dass ich dieses System für sinnvoll halte. Man könnte sich darüber unterhalten, wie viel Geld man aufwenden muss. Aber sicher zu stellen, dass eine Innovation, die an einer Hochschule gemacht wird, auch geschützt werden kann und damit überhaupt Erfolgschancen herzustellen, ist schon wichtig. Ich habe mir das in den USA beim MIT angesehen. Das Sys- tem ist da sehr ausgeprägt und man sieht schon, dass man, wenn man es richtig macht, viele Arbeitsplätze schaffen kann und viele Produkte herstellen kann aus Sachen, die an Hoch- schulen entwickelt wurden. Rainer Kuhlen: Sie haben ein sehr starkes Plädoyer gehalten für die fortschreitende Kommo- difizierung von Wissen. Aber zu Herrn v. Stumpfeldt noch mal kurz: Natürlich will ich viel Wissen aus der Wissenschaft und aus anderen Bereichen in die öffentliche Domain gestellt haben. Ich frage nur nach den Wegen. Sie wollen ja ein Zwangsverfahren durch Gesetze, während ich für die Autonomie von Wissenschaft plädiere. Nun aber per Gesetz zu regeln, dass Wissenschaftler verpflichtet werden sollen, wo sie publizieren dürfen, scheint mir genau der unangemessene Weg zu sein. Jeanette Hofmann: Danke für die gute Debatte.

111 DIE HEINRICH-BÖLL-STIFTUNG

Die Heinrich-Böll-Stiftung mit Sitz in den Hackeschen Höfen im Herzen ist eine politische Stiftung und steht der Partei Bündnis 90/Die Grünen nahe. Die Stiftung arbeitet in rechtlicher Selbständigkeit und geistiger Offenheit. Ihre Organe der regionalen Bildungsarbeit sind die 16 Landesstiftungen.

Heinrich Bölls Ermutigung zur zivilgesellschaftlichen Einmischung in die Politik ist Vorbild für die Arbeit der Stiftung. Ihre vorrangige Aufgabe ist die politische Bildung im In- und Ausland zur Förderung der demokratischen Willensbildung, des gesellschaftspolitischen Engagements und der Völkerverständigung. Dabei orientiert sie sich an den politischen Grundwerten Ökologie, Demokratie, Solidarität und Gewaltfreiheit.

Ein besonderes Anliegen ist ihr die Verwirklichung einer demokratischen Einwanderungsgesellschaft sowie einer Geschlechterdemokratie als ein von Abhängigkeit und Dominanz freies Verhältnis der Geschlechter. Die Stiftung engagiert sich in der Welt durch die Zusammenarbeit mit rund 200 Projektpartnern in über 60 Ländern auf vier Kontinenten.

Jedes Jahr vergibt das Studienwerk der Heinrich-Böll-Stiftung rund 90 Stipendien an Studierende und Promovenden.

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat ca. 160 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch rund 300 Fördermitglieder, die die Arbeit finanziell und ideell unterstützen. Die Mitgliederversammlung, bestehend aus 49 Personen, ist das oberste Beschlußfassungsorgan und wählt u.a. den Vorstand. In Fachbeiräten beraten unabhängige Expertinnen und Experten die Stiftung.

Den hauptamtlichen Vorstand bilden z. Zt. Ralf Fücks und Barbara Unmüßig. Die Geschäftsführerin der Stiftung ist Dr. Birgit Laubach.

Zur Zeit unterhält die Stiftung Auslands- bzw. Projektbüros bei der EU in Brüssel, in den USA, in Tschechien, Südafrika, Kenia, Israel, El Salvador, Pakistan, Kambodscha, Rußland, Polen, Bosnien-Herzegowina, in der Türkei, Brasilien, Thailand und dem arabischen Nahen Osten. Im Jahr stehen der Stiftung rund 35 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung.

Adresse: Heinrich-Böll-Stiftung, Hackesche Höfe, Rosenthaler Str. 40/41, 10178 Berlin, Tel. 030-28534-0, Fax: 030-28534-109, E-mail: [email protected] Internet: www.boell.de

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