SON 442 Einleitung
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XII Einleitung Die drei in diesem Band edierten Stücke sind vom Komponis- in seinem Album bewahren will auch einige Takte nach dem ten verfasste Bearbeitungen von originalen Kirchenwerken für Choral als Vorspiel zu der letzten Nummer die er gern drucken Solostimmen, vierstimmigen Chor und Orgel. Während es sich laßen möchte. Die drollige Weise in welcher er sich darüber bei den beiden Stücken mit englischer Textierung, beim Anthem an mich schriftlich ausdrückt, ist zu possirlich daß ich Dir sie „Why, o Lord, delay for ever“ MWV A 19 und beim Hymn nicht vorenthalten kann, u. lege seinen Brief beÿ. Dieses Docu- „Hear my prayer“ MWV B 49, um Auftragswerke handelte, war ment ist eines der zahlreichen seiner absonderlichen halbver- die Übertragung der Orgelstimme des „Ave Maria“ op. 23 Nr. 2 rückten Natur.“4 In dem beigelegten Brief hatte Broadley tags MWV B 19 auf Instrumente der praktischen Notwendigkeit für zuvor gebeten: „With reference to the Prelude, you were kind Aufführungen in Düsseldorf geschuldet. enough to say you would name to Mr. Mendelssohn, I beg to say that Organists in England generally indulge on those oc- casions in a style rather florid – at one time with an extra-low Anthem „Why, o Lord, delay for ever“ MWV A 19 für Solo pedal bass – at another time on the very top of the Instrument (Alt oder Mezzosopran), Chor und Orchester either in thirds, or after the manner of some of the ad libitum passages in the Gems a la Paganini of yours; I think this has a Das Anthem MWV A 19 stellt die Orchestrierung und Umarbei- very good effect for organ Prelude, particularly on theSwell . tung des 1840 entstandenen Werkes MWV B 331 dar, welches If Mr. Mendelssohn will take the trouble to write me such a bereits 1841 bei Cramer & Co. und gleichzeitig bei Simrock als prelude, for my own private Album, without his publishing the Drei geistliche Lieder für Solo, Chor und Orgel gedruckt worden same, or letting it be known, I shall be happy to pay him a war. Verfasser des Librettos, einer Paraphrase des 13. Psalms, proportionate extra Fee. […] Perhaps you will intimate to Mr. war der Auftraggeber sowohl für die Vertonung als auch für Mendelssohn for his prelude, that English organs generally go die Orchestrierung: Dr. Charles Bayles Broadley (1800–1866), from G to G 5 octaves: but that the York organ (with which I Deputy Queen’s professor of civil law am Trinity College der am acquainted) goes from C to C, six octaves (being half an oc- Universität Cambridge. Ignaz Moscheles (1794–1870), der tave higher, and half an octave lower than the G organ).“5 Die- Broadley Kompositionsunterricht gab, charakterisierte ihn als ses Ansinnen lehnte Mendelssohn allerdings im Antwortbrief eine eigenwillige, einnehmende, gleichwohl anspruchsvolle und an Moscheles gut begründet ab: „Darf ich Dich wohl bitten gelehrte Erscheinung. Dies entnahm Charlotte Moscheles ei- […] mich bei ihm [Broadley] (und Dir) zu entschuldigen, daß nem Tagebucheintrag ihres Mannes aus dem Jahr 1841: „Unter ich das verlangte kurze Praeludium nicht schicken kann; es ist den vielen Schülern der letzten Jahre erscheint unausgesetzt ein kein Mangel an gutem Willen, aber ich weiß eben kein zu dem Original Mr. B.: ‚Die Riesengestalt wollte Riesenwerke schaffen Stück wirklich gehöriges Praeludium weiter zu schreiben, ohne und Ideen sollten unter der Lockenperücke hervorsprudeln. Er die Form zu verändern und dem Ding eine Prätension zu geben bringt mir einen neugebackenen Psalm, eine Motette, ein Lied die es nicht haben sollte; lieber überlaß ichs jedem Organisten in die Lection und ich corrigire, indem ich ein weisses Blatt sich vorher in es dur und den verwandten Tonarten umherzu- nehme, seinen oft eigenen Text in Musik setze und ihn dann wälzen mit seinen Fingern, so lang oder kurz, und so schön oder frage: ‚Is not that what you meant to express?‘ (Ist das nicht, häßlich er eben mag.“6 was Sie sagen wollen?), worauf er stets mit: ‚Oh yes and just so‘ Anderthalb Jahre später, im Oktober 1842, wandte sich Mo- antwortet.‘“2 Von Felix Moscheles (1833–1917), dem Sohn des scheles im Auftrag von Broadley erneut bezüglich des Anthem Komponisten, wird Broadley andernorts als „ein excentrischer, an Mendelssohn: „Mer Broadley trägt mir auf dich zu bitten den reicher Musikliebhaber, der selbst unglückliche Compositions- Psalm den du für ihn geschrieben zu instrumentiren und ihm versuche machte“3, beschrieben. die M.S. Partitur zu schicken, wofür er dich bittet 10 Guinéen Noch vor der Druckausgabe des Stückes mit Orgelbegleitung anzunehmen.“7 Diesmal fällt die Antwort des Komponisten po- MWV B 33 hatte Broadley für dieses ein Präludium erbeten, sitiv aus: „Ich will versuchen, ob ich dem Broadleyschen Stück wie Moscheles am 9. Februar 1841 Mendelssohn mitteilte: ein Orchesterkleid anpassen kann, ud. im Fall es geht, schick „Sein [Broadleys] Wunsch ist […] ein Preludium von Dir ich Dir’s gleich.“8 Broadley war offenbar – wohl spätestens ab (beÿläufig eine Seite lang) für diesen Psalm zu besitzen das er dem Sommer 1842 – bestrebt, alle drei in Auftrag gegebenen 1 Abdruck und Entstehungsgeschichte in Serie VI, Band 2 dieser Ausgabe. 2 Aus Moscheles’ Leben. Nach Briefen und Tagebüchern, hrsg. von Charlotte Moscheles, Leipzig 1873, Band 2 (im Folgenden: Aus Moscheles’ Leben), S. 82. 3 Briefe von Felix Mendelssohn-Bartholdy an Ignaz und Charlotte Moscheles, hrsg. von Felix Moscheles, Leipzig 1888 (im Folgenden: Briefe an Moscheles), S. 204, Fußnote 2. 4 Brief vom 9. Februar 1841 von Ignaz und Charlotte Moscheles an Felix Mendelssohn Bartholdy, Bodleian Library, University of Oxford (im Folgen- den: GB-Ob), MS. M. Deneke Mendelssohn d. 39, Green Books XIII-66, gedruckt in: David Brodbeck, Some Notes on an Anthem by Mendelssohn, in: Mendelssohn and his World, hrsg. von R. Larry Todd, Princeton 1991, S. 43–64 (im Folgenden: David Brodbeck, Some Notes), S. 60, Anm. 5. 5 Brief vom 8. Februar 1841 von Charles B. Broadley an Ignaz Moscheles, GB-Ob, MS. M. Deneke Mendelssohn d. 39, Green Books XIII-62 (Brief ursprünglich inliegend in Green Books XIII-66), gedruckt in: David Brodbeck, Some Notes [Anm. 4], S. 57–58, das Zitat S. 58. 6 Brief vom 14. März 1841 an Ignaz Moscheles, University of Leeds, Leeds University Library, Brotherton Collection, ohne Signatur (Album Mendelssohn’s Letters to Moscheles 1826–1847) (im Folgenden: GB-LEbc, Mendelssohn’s Letters to Moscheles), fol. 43, gedruckt in: Briefe an Moscheles [Anm. 3], S. 206–209, das Zitat S. 207. 7 Brief vom 20. Oktober 1842 von Ignaz Moscheles an Felix Mendelssohn Bartholdy, GB-Ob, MS. M. Deneke Mendelssohn d. 42, Green Books XVI-78. 8 Brief vom 18. November 1842 an Ignaz Moscheles, GB-LEbc, Mendelssohn’s Letters to Moscheles, fol. 45, gedruckt in: Briefe an Moscheles [Anm. 3], S. 219–223, das Zitat S. 223. XIII Psalmvertonungen in der Besetzung für Chor und Orchester könnten), sagte aber nur: ‚der unerreichte Beethoven hat noch vorliegen zu haben. Denn auch Louis Spohr instrumentierte mehr gewagt.‘“13 Die Drucklegung des – entsprechend Broad- seinen Psalm 128 „O Bless’d for ever, bless’d are they“ nach- leys Vorstellungen – mit Orchester ausgearbeiteten Stückes14 träglich: Im April 1841 hatte er eine Fassung mit Orgel fertig- erfolgte allerdings in einer Fassung mit Begleitung eines Tasten- gestellt, und das Manuskript der Fassung mit großem Orches- instruments noch 1842 oder Anfang 1843 als opus 100.15 Alle ter ist datiert auf September 1842.9 Gedruckt wurde auch hier drei Kompositionen von Mendelssohn, Moscheles und Spohr nur die Fassung mit Tasteninstrument, mit unterschiedlichen enthalten im Übrigen Choräle bzw. choralhafte Abschnitte, so- Opus-Zahlen zuerst bei Cramer, Chappell & White in England, dass man davon ausgehen kann, dass Broadley sich auch dies dann im Herbst 1842 auch bei Simrock in Deutschland. Ignaz ausdrücklich wünschte, denn Choräle gehörten für gewöhnlich Moscheles ließ sich mit der Vertonung des ihm zugewiesenen nicht zum Bestand englischer Kirchenmusik.16 Psalms 93 „Robed in pow’r Jehovah reigneth“ etwas mehr Zeit.10 Mendelssohn beließ es nun gleichwohl nicht dabei, das Stück Im Februar 1841 hatte er lediglich einige Skizzen dazu notiert wie gewünscht zu orchestrieren, sondern nutzte die Gelegen- und tat sich im Übrigen recht schwer mit der Fertigstellung der heit, eine ausladende Chorfuge über die leicht veränderten Komposition, wie er gegenüber Mendelssohn andeutete: „Wie Textworte17 der letzten Zeile der Dichtung zu komponieren. Du siehst hat er [Broadley] im Sinne ein Kleblatt [sic] von Psal- Zu den Holzbläsern und Streichern treten in dieser Schlussfuge men zu bilden indem er Spohr durch mich auffordern ließ auch noch Trompeten und Pauken hinzu. Am 5. Januar 1843 war einen zu schreiben. Es wird mir Angst zu denken welche Stel- die Komposition abgeschlossen,18 am 14. Januar die Kopie von lung ich dabeÿ einnehmen soll. Ich habe meinen (den 93ten) in Eduard Henschke fertiggestellt;19 zwei Tage darauf schickte sie der Skizze fertig. […] Ach! hätte ich dabeÿ Deinen Rath, Deine Mendelssohn mit einem Begleitbrief an Moscheles: „Beifolgend Meinung! hätte ich ein gleiches Geschick mit F. Hiller der in erhältst Du eine Partitur für Herrn Broadley. Ich habe ihm eine Deiner Nähe arbeiten und sich von Dir Winke holen durfte! Ich Fuge zugegeben, und denke, das ist nun das beste Stück vom habe zwar das Bemühtseÿn daß sich das Ding singen läßt, daß Ganzen. Es ist wie einem die kleinen Krämer einen Pfeffer- man es für kein Theaterstück halten wird – aber das ist nicht ge- kuchen in den Kauf geben. […] Jetzt habe ichs nun fertig ge- nug!“11 Zwar tröstete Mendelssohn ihn mit den Worten: „[…] macht, und Du bist wohl so gut, es ihm mit meinem Gruße könnte ich Deinen Psalm auch gleich hören, um mich auch zu übergeben; ich schreibe ihm auch wohl noch einige Zeilen gleich daran zu erfreuen; Du weißt wohl welchen Werth das für dazu, ud.