Die Römische Siedlungslandschaft Im Fricktal
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as. 39 . 2016 . 3 4 Fricktal (AG) dossier Laufenburg 11 19 10 13 8 24 12 2 16 (Augst) 25 15 9 14 Frick 17 3 4 7 20 1 18 5 A 21 23 6 (Windisch) Legionslager Städtisches Zentrum/Koloniestadt 22 Kleinstädtische Siedlung (vicus) Gutshöfe/Streuhofanlagen C Überlandstrasse (via publica) B D Strassen-/Wegverbindungen 0510 km Aare 1 Die römische Siedlungslandschaft Abb. 1 im Fricktal Kaiserzeitliche Siedlungen im Fricktal. Georg Matter, Peter-A. Schwarz, unter Mitarbeit von Tina Lander, David Wälchli, Jakob Baerlocher _ Sites du Haut-Empire dans le Fricktal. Insediamenti di epoca imperiale del Fricktal. 1 Bözen-Buchsetel; 2 Eiken- Stichli; 3 Elfingen-Müllermättli; 4 Gipf-Oberfrick-Oberleim; Hervorragende Erhaltungsbedingungen, eine langjährige 5 Gipf-Oberfrick-Kornberg; Forschungstradition sowie mit interdisziplinären Fragestellungen 6 Herznach-Brüel; 7 Hornussen- Schulstrasse; 8 Kaisten- durchgeführte Notgrabungen machen das aargauische Fricktal zu einer Blauen; 9 Magden-Iglingerhof; 10 Mettau; 11 Möhlin-Chleematt/ vielversprechenden Quelle für landschafts- und siedlungsgeschichtliche Niederriburg; 12 Münchwilen- Frankenmatt; 13 Mumpf-Anker; Untersuchungen zur römischen Epoche. 14 Oeschgen-Gässli 88; 15 Olsberg- Klosterrüttenen; 16 Rheinfelden- Görbelhof; 17 Schupfart-Staffel/ Bäperg; 18 Ueken-Hoschmet; 19 Wallbach-Schibenstück; Geologie und Topographie der Untergrund im Fricktal grösstenteils aus fos- 20 Wegenstetten-Gässli; 21 Wittnau- silen Sedimentgesteinen. Während der Würmeis- Kirchgasse; 22 Wölflinswil- Sunnemattweg; 23 Zeihen-Stauftel; Das Fricktal liegt im Bereich des Tafeljuras, der zeit (115 000-10 000 v.Chr.) blieb das Gebiet der 24 Zeinigen-Römerstrasse; sich im Norden bis an den Hochrhein erstreckt. Nordwestschweiz eisfrei, das Schmelzwasser ver- 25 Zuzgen-Bühlweg. Während nördlich des Rheins, im Schwarzwald, frachtete grosse Schottermengen in das Rheintal. Passübergänge / cols / passi: A Bözberg; B Staffelegg; hauptsächlich das aus Gneisen und Graniten Die Schotterebenen im westlichen Teil des Fricktals C Bänkerjoch; D Saalhöhe. bestehende Grundgebirge anzutreffen ist, besteht wurden in der Folge teilweise mit Löss, einem 5 dossier feinteiligen, vom Wind verfrachteten Flugstaub, Fricktals bildete – wie die 371 n.Chr. abgefasste überdeckt. Die südlichen und östlichen, im Tafel- Bauinschrift des Wachturms von Etzgen bezeugt – jura liegenden Teile des Fricktals sind vergleichs- Teil des confinis (Gebiet) der keltischen Rauriker bzw. weise kleinräumig strukturiert. Charakteristisch des Territoriums der Koloniestadt Augusta Raurica. sind Hochflächen und enge Bachtäler, die in den Eine in Augusta Raurica gefundene Inschrift mit Rhein entwässern. In den schweren Lehm- und Erwähnungen einer statio (Zollstation) für die Erhe- Tonböden finden sich zudem auch Eisenerzvor- bung der quadragesima Galliarum, einer Zollge- kommen, so z.B. bei Herznach und Wölflinswil. bühr in der Höhe von 2.5% des Warenwerts, lässt zudem vermuten, dass der Rhein während der Kaiserzeit die Nordgrenze eines Zollbezirks bil- Landschaft und Grenzen dete, der mehrere Provinzen umfasste. Als eigenständige Verwaltungseinheit fassbar wird Abb. 2 Wenn wir vom Fricktal reden, müssen wir uns das Fricktal erst im Jahr 926 und zwar im Zusam- Der Ausschnitt aus der tabula Peutingeriana zeigt die wich- bewusst sein, dass die heute durch die Grenzen menhang mit der – bereits im 9. Jh. erfolgten – tigsten Fernverkehrstrassen in der beiden argaauischen Bezirke Laufenburg und Aufteilung des fränkischen «Augstgaus». Dieser der Nordschweiz, darunter auch Rheinfelden definierte Region keine topgraphische umfasste in etwa das Territorium der ehemaligen die durch das Fricktal und über den Bözberg führende Verbindung Einheit darstellt, sondern drei unterschiedliche Colonia Raurica. zwischen Augusta Raurica und Siedlungskammern umfasst. Die eine wird von Die Grenze zwischen dem neu konstituierten «Sis- Vindonissa. den Schotterebenen im westlichen Hochrheintal gau» und dem «Frichgowe» bildete der Möhlin- Cet extrait de la Table de Peutinger und dem in römischer Zeit nur dünn besiedelten bach. Seinen Namen verdankt der «Frichgowe» montre les principales voies de rechtsrheinischen Gebiet am südlichen Ausläufer dem fränkischen Zentralort Frick. Dessen Name communication à longue distance du nord de la Suisse, dont celle qui des Schwarzwalds gebildet. Eine weitere Sied- geht auf Ferricia, abgeleitet von der lateinischen traverse le Fricktal et relie Augusta lungskammer bildet die von der Sissle und dem Bezeichnung ferra ricia (Eisenverarbeitungsstätte), Raurica à Vindonissa, en passant par Bruggbach durchflossene Talebene um Frick, zurück und wurde später zu Ferrica – Fricca – Frick le col du Bözberg. die dritte umfasst die Täler und Hochplateaus im verkürzt. L’estratto della tabula Peutingeriana mostra le principali vie di comunica- Tafeljura. zione nella Svizzera settentrionale. In der römischen Epoche gehörte das Fricktal zur Tra queste si riconosce il tratto che provincia Germania Superior bzw. zu der um 300 Überlandstrassen und Wasserwege collegava Augusta Raurica a Vindo- nissa passando attraverso il Fricktal n.Chr. eingerichteten provincia Maxima Sequano- e il Bözberg. rum. Der westlich des Mettauertals liegende Teil des Trotz seiner eher ungünstigen Topographie bildete der Tafeljura kein grösseres Verkehrshindernis. Verschiedene Passübergänge verbanden näm- lich das Fricktal mit dem Tal der Aare, so z.B. der Bözberg (mons Vocetius?). Der zwischen Augu- sta Raurica und Vindonissa liegende Abschnitt dieser via publica (staatliche Überlandstrasse) ist auch auf der in der 1. Hälfte des 5. Jh. n.Chr. letzt- mals ergänzten tabula Peutingerina eingezeichnet sowie im itinerarium provinciarum Antonini Augu- sti aufgeführt. Bei Letzterem handelt es sich um ein während der Regierungszeit von Kaiser Cara- calla (198-217 n.Chr.) entstandenes Strassen- verzeichnis, in dem die Distanzen zwischen allen wichtigen Etappenorten, Raststätten (mansiones) 2 und Pferdewechselstationen (mutationes) aufgeführt as. 39 . 2016 . 3 6 Fricktal (AG) sind. Die Bedeutung des rund 22 leugae (+/- 49 Raurica und Vindonissa, die römische Aufsiedlung km) langen Abschnitts der via publica zwischen des Fricktals in erheblichem Masse begünstigt Augusta Raurica und Vindonissa bezeugt auch haben. Dies bezeugen in erster Linie die zahlreichen der bei Mumpf gefundene Meilenstein des Antoni- Fundstellen – wobei allerdings zu beachten ist, dass nus Pius (138-161 n.Chr.). deren Zahl und Verbreitung auch die Intensität des Kleinere, wohl weniger bedeutende Verkehrsachsen modernen Baudrucks bzw. der archäologischen führten über die Staffelegg, das Benkerjoch und Interventionen widerspiegelt. die Saalhöhe. Sie verbanden das Fricktal mit dem Eine wichtige Rolle spielen zudem die Erhaltungsbe- mittleren Aaretal und der römischen Mittellandtrans- dingungen. Dass diese – aufgrund der naturräum- versale, der Hauptverbindung zwischen Aventicum lichen Gegebenheiten – im östlichen Teil des Fricktals Helvetiorum (Avenches) und Vindonissa (Windisch). besser sind, zeigte sich z.B. in Kaisten. In der 4 m Die Überlandstrassen wurden v.a. für das staatliche hohen Stratigraphie liessen sich nämlich 18 ver- Postwesen (cursus publicus) sowie für den zivilen schiedene, natürlich und anthropogen entstandene und militärischen Personenverkehr genutzt. Der Schichten beobachten, die sich zwischen der Jung- (weiträumige) Warentransport erfolgte hingegen steinzeit (ca. 5000-2200 v.Chr.) und dem Mittelalter vorwiegend auf dem Rhein – obschon die Strom- gebildet haben. schnellen in Rheinfelden, Laufenburg und Koblenz damals kein durchgängiges Befahren des Hoch- rheins erlaubt haben. Die antike Bezeichnung für Siedlungslandschaft und Siedlungstypen Abb. 3 die letztgenannte, oberste Stromschnelle – Summa Kaisten-Herrengasse 2015. Sechs Jahrtausende Siedlungsgeschichte Rapida – ist auf der Bauinschrift des um 371 n.Chr. Eine wichtige, im Detail aber noch nicht erforschte auf 4 m Stratigraphie. errichteten Wachturms Koblenz-Kleiner Laufen (vgl. Rolle für die Aufsiedlung des Fricktals hat zweifel- Kaisten-Herrengasse 2015. Six S. 15) überliefert. los die Koloniestadt Augusta Raurica gespielt. Die siècles d’histoire de l’occupation sur Es erstaunt deshalb nicht, dass die verkehrsgünstige wirtschaftliche Blüte im 1., 2. und frühen 3. Jh. 4 m de stratigraphie. Lage, die fruchtbaren Böden, die Eisenerzvorkom- n.Chr. basierte sicher auch auf dem intensiven Kaisten-Herrengasse 2015. La stra- tigrafia alta 4 m conserva sei secoli men und – last, but not least – auch die Lage zwi- Warenaustausch mit den Gutshöfen (villae rusti- della storia dell’insediamento. schen den beiden wichtigen Zentralorten, Augusta cae) und den kleinstädtischen Siedlungen (vici) im Fricktal. Ein in Kaisten gefundener Ziegel- brennofen bzw. die dort gefundenen Dachziegel (tegulae) mit Stempeln der 21. und 11. Legion zeigen, dass auch wirtschaftliche Beziehungen zwischen dem Fricktal und Vindonissa bestan- den – zumindest bis zum Abzug der 11. Legion im Jahr 101 n.Chr. Schwieriger abzuschätzen sind die Auswir- kungen des roman impact auf die naturräum- lichen Gegebenheiten. Pollenanalytische Unter- suchungen von Bohrproben aus einer Doline in der Flur Rheinfelden-Häxenplatz und aus dem Bergsee oberhalb von Säckingen (D) zeigen jedenfalls, dass die Entwaldung des Fricktals schon vor der Gründung der Colonia Raurica (44 bzw. 20/15 v.Chr.) sehr weit fortgeschritten war. Für das (gerne den Römern zugeschriebene) 3 weitflächige Abholzen der Wälder sind folglich 7 dossier Abb. 4 Laufenknechte