SWR2 Musikpassagen
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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE ________________________________________________________________________ SWR2 Musikpassagen Grenzbeziehungen Das multilaterale Geflecht von Calexico Von Luigi Lauer Sendung: Sonntag, 24. Mai 2015 Redaktion: Anette Sidhu-Ingenhoff Produktion: SWR 2015 _______________________________________________________________________ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. ______________________________________________________________________________ Service: Mitschnitte aller Sendungen der Redaktion SWR2 Musikpassagen sind auf CD erhältlich beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden zum Preis von 12,50 Euro. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 ______________________________________________________________________________ Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de ((Trocken)) Joey Burns und John Convertino sind die Köpfe der Gruppe Calexico aus Tucson, Arizona, in unmittelbarer Grenznähe zu Mexiko. Hier findet sich ausreichend Inspiration, sowohl die politische Situation betreffend als auch die Musik: Mariachi trifft Country, Latin Jazz trifft Alternative Rock. Bunt auch die Mischung bei Calexico, weshalb sie sich auch nach fast 20 Jahren nicht einordnen lassen – und das ist Programm. Mit genau dem wollen wir uns heute in den Musikpassagen auf SWR2 näher beschäftigen, und dazu begrüßt sie am Mikrophon Luigi Lauer. --- Calexico, CD Edge of the light, Track 8, Beneath the city of dreams, 2:35 --- Beneath the city of dreams war das aus dem neuen Album Edge of the light von Calexico, das Anfang April erschienen ist und damit sozusagen noch aprilfrisch. Calexico ist ein sogenanntes Kofferwort, zusammengesetzt aus Kalifornien und Mexiko. Aber Calexico gibt es auch in der realen Welt, es ist ein Dorf im südlichsten Kalifornien, unmittelbar an der mexikanischen Grenze. Auf der anderen Seite liegt, kein Scherz, Mexicali. Und auf eben diesem Grenzstreifen, jedenfalls musikalisch, ist die Band Calexico zu finden. Im gleichnamigen Ort sind sie auch einmal aufgetreten, erinnert sich Sänger und Gitarrist Joey Burns. (O-Ton Joey Burns): „Ja, das hat Spaß gemacht, es war eine tolle Erfahrung. Wir gaben dort ein Benefiz-Konzert für die Border Angels, eine Gruppe, die versucht, Menschen zu helfen, die über die Grenze kommen, sei es mit Wasser oder mit Unterricht. Das Konzert ist aber schon lange her, 2003 oder 2004 war das.“ Das erste Album von Calexico erschien 1997, ein Jahr nach Gründung der Band. Veröffentlicht wurde es damals auf Hausmusik, eine kleine süddeutsche Plattenfirma, geleitet von Wolfgang Petters. (O-Ton Joey Burns): „Ja, richtig. Wolfgang Petters hat einige tolle Platten veröffentlicht, er ist ein sehr netter Kerl. Ich hatte von der Firma gehört, habe sie kontaktiert und ein paar Aufnahmen hingeschickt, und er sagte, fein, das machen wir. Und daraus hat er dann ein wundervolles Paket geschnürt, hinreißend.“ Damals hießen Calexico noch Spoke. Das Debütalbum wurde später unter dem neuen Bandnamen nocheinmal veröffentlicht, Spoke wurde zum Albumtitel. Auch wenn der Bandname 1997 noch nicht gefunden war, stand für die Gründungsmitglieder John Convertino und Joey Burns schon fest, dass man musikalisch ein weites Feld beackern wollte. (O-Ton Joey Burns): „Wenn man uns fragt nach bestimmten Stilrichtungen oder Genres, ist das schwierig zu beantworten. Bei uns sind sie immer Teil einer großen, farbenreichen Palette, wir mischen sie alle. Abwechslung ist der Schlüssel für uns, übrigens auch schon auf dem ersten Album bei Hausmusik, es hieß Spoke. Ich mag das einfach, Abwechslung war immer ein Thema bei uns, darin sind wir sehr konsequent. Wir treiben uns ständig an, verschiedene künstlerische Adern zu fluten.“ Nicht aus verschiedenen Adern, wohl aber aus verschiedenen Jahren stammen die Interviews mit Calexico, aus denen sie heute Auszüge hören. Sie fanden mal hinter der Bühne, mal im Restaurant, mal im Rundfunkstudio, mal im Aufenthaltsraum der Plattenfirma statt. Den jeweils unterschiedlichen Klang sehen sie uns bitte nach. Allerdings passt dieser Umstand auch zur Musik von Calexico. Von homogen kann nämlich kaum die Rede sein. Nach dem gehörten Lied aus ihrem aktuellen Album nun der ganz große Sprung zurück zum ersten Tonträger der Band. --- Calexico, CD Spoke, Track 10, Windjammer, 2:38 --- Das Lied Windjammer aus dem Debütalbum von Calexico namens Spoke, erschienen 1997. Heute würde man eine solche Aufnahme LoFi nennen, sie klingt wie im schnell hergerichteten Wohnzimmer eingespielt, doch der Charme des Albums ist unbestreitbar. Warum es Calexico von Beginn an auch zu Klängen anderer Kulturkreise trieb, wie sich später immer mehr herauskristallisieren sollte, weiß Joey Burns selbst nicht genau zu sagen. (O-Ton Joey Burns): „Den meisten Musikern geht es wohl so, dass ihr Gehör sich zu bestimmten Sachen hingezogen fühlt, ohne zu wissen, warum. Die meisten Musiker arbeiten nach Gefühl. Ich habe keine Ahnung, warum mich kubanische Musik so anzieht oder portugiesischer Fado oder Musik der Band Taraf de Haidouks aus Rumänien. Schon sehr früh haben mich unterschiedliche Klänge und Texturen und Ausdrucksmöglichkeiten interessiert. Ich habe mir eine Sitar gekauft während meiner Gymnasialzeit und wollte sie unbedingt spielen. Ich habe es allerdings nicht mit einem Lehrer studiert. Ich werde nie die Platte vergessen, die ich mir damals in der Bibliothek ausgeliehen habe, sie war von Ravi Shankar. Aber es war nicht nur er auf dem Album, es hieß Festival of India, und es gab alle Instrumente der klassischen indischen Musik zu hören. Ich liebte es, die Sarod zu hören, die sprach wirklich zu mir. Es ist eine Art slide-Instrument, und man hört die Verbindung zu einigen Intrumenten, die in den USA gespielt werden, die Lap Steel-Gitarre oder Dobro-Gitarre. Man folgt einfach seinem Instinkt. Wir alle haben unterschiedliche Einflüsse in verschiedenen Lebensabschnitten, und das macht die Schönheit dessen aus, was Musik sein kann. Sie kann dich physisch irgendwohin mitnehmen oder innerlich.“ Eine Vorliebe jedoch entzieht sich der Unterteilung in Lebensabschnitte: Konsequent durch alle Alben von Calexico hindurch ist nämlich eine Zuneigung zur Surfmusik der 1960-er Jahre sowie zu mexikanischen Klängen zu hören. Ein anderes Stück aus dem Debütalbum von 1997 setzte diesbezüglich bereits Zeichen: das Lied Sanchez. --- Calexico, CD Spoke, Track 4, Sanchez, 3:18 --- Calexico mit dem Lied Sanchez. Es war Zufall, dass Calexico viele Jahre später auf eine Frau diesen Namens trafen, auf die spanische Sängerin Amparo Sanchez. Dass Calexico Gäste auf ihren Alben haben, ist die Regel. Dass sie ein ganzes Album mit einer befreundeten Künstlerin aufnehmen, ist die Ausnahme. Die haben Joey Burns und John Convertino für Amparo Sanchez gemacht. Sie leitete zwölf Jahre lang die erfolgreiche Mestizo-Band Amparanoia. Amparanoia wurde 2008 aufgelöst, Amparo Sanchez nahm sich eine Auszeit, und 2010 nahm sie ihr erstes Soloalbum auf – mit Calexico. Amparanoia war damit endgültig Geschichte, während für Amparo Sanchez ein neues Kapitel anfing. Wie kam sie ausgerechnet auf diese Band aus der Wüste Arizonas? (O-Ton Amparo Sanchez): „Weil Calexico mich eingeladen hatten, sie leben dort, und ich fand es von der Atmosphäre her gut, die Platte im selben Studio aufzunehmen wie sie. Vor sieben oder acht Jahren traf ich Calexico in Holland, und wir haben vereinzelt an Liedern zusammen gearbeitet und hatten gemeinsame Auftritte. Jetzt war einfach die Zeit reif, ihren Sound mit meinen Liedern und meiner Stimme zusammenzulegen. Schon dort draußen in der Wüste zu sein, hat meine Musik verändert. Und jetzt habe ich einen komplett anderen Sound als mit Amparanoia.“ Tucson-Havanna heißt das Album, das Amparo Sanchez 2010 mit Calexico aufnahm, hier daraus der Titel Corazon de la realidad. --- Amparo Sanchez, CD Tucson-Havanna, Track 3, Corazon de la realidad, 3:22 --- Amparo Sanchez zusammen mit Calexico auf dem Album Tucson-Havanna, das in eben diesen beiden Städten aufgenommen wurde und sowohl die Hitzeglocke Arizonas wiederspiegelt als auch die kubanische Leichtfüßigkeit in sich trägt. Auf dem Album ist auch die Sängerin des Buena Vista Social Club, Omara Portuondo, in einem Lied zu hören. Dass Amparo Sanchez auch auf Calexicos aktuellem Album Edge of the sun dabei ist, war ein weiterer, aber gerne hingenommener Zufall. (O-Ton Joey Burns): „Ja, sie ist großartig. Wir sind uns tatsächlich auf der Straße begegnet, sie war auf Tournee, wir machten Aufnahmen, da haben wir sie kurzerhand für eine Nacht ins Studio eingeladen. Inzwischen ist sie eine richtig gute Freundin.“ Während das Album Tucson-Havanna die beschauliche Seite von Amparo Sanchez in den Vordergrund rücken sollte, ist ihr Beitrag zum neuen Calexico-Album ein richtiger Feger geworden – ganz so, wie man die Dame aus den Mestizo-Zeiten von Amparanoia kennt. Für Joey Burns ist es eines der besten Lieder des Albums geworden. (O-Ton Joey Burns): „Es heißt Cumbia de Donde und wurde gleich am ersten Tag, nachdem wir aus Mexico City zurückkamen, im Studio in Tucson,