Fassbinder / Schroeter / Wenders
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Fassbinder / Schroeter / Wenders Aufbruch in München Fassbinder, auftaucht und in ihnen mächtige Affekte Allem Anfang wohnt ein Zauber inne. Wim Wenders er - von Fremdenhass, Wut und Aggression aufrührt. innert sich an die erste Begegnung mit Rainer Werner Milieu enge, Ressentiment, Gefühlskälte, tableauartig Fassbinder im Bungalow , einer Schwabinger Kneipe, stilisierte Szenen: Fassbinders Handschrift ist in jeder Ende der 1960er-Jahre: »Mensch, Rainer … Ich erin - thematischen und stilistischen Faser zu erkennen. Ur - nere mich: vor der Jukebox tanzte ein Mädchen, allein. aufgeführt im Oktober 1969 bei der Internationalen Minirock, die krausen Haare hochgesteckt. Sie hieß Filmwoche Mannheim. Hanna. Und der Typ mit dem Bierglas in der Hand, der 1969, das Jahr des ersten Rampenlichts. Bei diesen da stundenlang rumstand und ihr zuschaute, das warst Filmtagen 1969 in Mannheim erhält Werner Schroeter Du. Ihr wart eine ganze Clique und machtet irgendwie für seinen ersten Langfilm, EIKA KATAPPA, den Josef- Theater. Die andere Clique waren wir, die ›Münchner von-Sternberg-Preis. Auch das ein Werk, das die Origi - Sensibilisten‹, Studenten an der Filmhoch schule … nalität seines Machers fulminant und souverän zur Gel - Eines Tages hieß es, der Rainer hätte einen Film ge - tung bringt. Schroeters Collagen-Stil, seine Theatralik, dreht, mit der Hanna. Mit ganz wenig Geld und in ganz das Ineinander von Liebessehnsucht und Todesvision, kurzer Zeit. KATZELMACHER. Da haben wir Dich dann der bunte Mix aus Oper und Schlager, Gefühlspathos ganz anders angeschaut.« und Parodie/Travestie. Unentwegte Anrufung der »Göt - Hanna ist Hanna Schygulla, die Fassbinders Star wer - terbotin« Maria Callas und Konzentration auf den eksta - s den wird, sein Glamour-Girl. KATZELMACHER (1969) tischen Augenblick mit seinen Lieblingsdarstellerinnen, r e d ist nach LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD (1969) Fass - Musen und Fetischfiguren Magdalena Montezuma und n binders zweiter Spielfilm, basierend auf seinem im Kol - Carla Aulaulu. e W / lektiv des antiteater erarbeiteten Theaterstück. Vier Wenders veröffentlicht 1969 in der Monatszeitschrift r e t junge Paare, die in einer Atmosphäre kleinbürgerlicher Filmkritik eine Hymne auf Schroeter. Im Blick auf die e o r Vorstadt-Ödnis und Langeweile einander umkreisen – ellenlangen Plansequenzen und die Doppelprojektion h c bis der griechische Gastarbeiter Jorgos, gespielt von bei Schroeters ARGILA (1969) zieht er Verbindungs - S / r e d n i b s s a F 41 R e h c a m l e z T a K linien zu Filmen des amerikanischen »Underground«, bilden auch den zeitlichen Rahmen unserer Hommage aber nur, um den Vorrang von Schroeters »Konzen - an Fassbinder / Schroeter / Wenders anlässlich ihrer triertheit« keck und selbstbewusst herauszustellen: »In 70. Geburtstage. Thematisch gruppiert soll in der Film - Filmen von Warhol haben faszinierende Sachen zwar auswahl aus den drei Œuvres etwas vom Geist des Auf - lange gedauert, aber sie waren überhaupt nicht kon - bruchs spürbar werden, von den Suchbewegungen im zentriert. Die Filme von Werner Schroeter sind unglaub - Umkreis von Pop-Art, Avantgardekino, Underground, lich konzentriert.« von der Anmaßung und Notwendigkeit, das Filmema - Seine Art der Konzentriertheit, anfangs geschult an chen in der BRD mit der Entschiedenheit des Autoren - Popmusik-Popart-Vorbildern, demonstriert Wenders kinos neu zu erfinden. Welche Sehnsuchtsorte werden 1969 mit dem 21-minütigen ALABAMA: 2000 LIGHT aufgesucht? Wie reflektieren die drei Filmemacher yEARS. Ein Mann eingehüllt in einen weiten Mantel, deutsche Geschichte und gesellschaftliche Befindlich - eine Pistole, die Mini-Andeutung einer Story, lange Ein - keiten? stellungen als Sog und Faszination, Autofahrten vor Autorenkino. Das europäische Autorenkino offenbart allem. »Noch nie hat jemand München und die Straßen sich nach 1945 in drei epochemachenden »Neuen Wel - am Rande Münchens so gefilmt, das heißt so gesehen, len«, in drei künstlerischen Aufbrüchen, die Reflex ge - erfüllt mit dieser Weite« (Helmut Färber). ALABAMA: sellschaftlicher Umbrüche sind. Junge Filmemacher 2000 LIGHT yEARS wird zum exemplarischen Film der wollen ihrer Generation Sprache und Ausdruck verlei - »Münchner Sensibilisten«, die als Gegenpol der »Berli - hen. Dreifacher Eklat einer Vielfalt von Talenten, die der ner Politfilmer« gesehen werden. In der ersten Innen- Nachkriegszeit den Puls fühlen. Unmittelbar nach 1945 s Szene des Films, bei der die Kamera schwebend ein der Italienische Neorealismus, der für einige Jahre den r e Kneipenambiente durchquert, sieht man einen hochge - Ruhm des italienischen Kinos ausmacht: Befreiung der d n e wachsenen, schlaksigen jungen Mann mit Sonnenbrille Bilder von Pathos und Propaganda: Rossellini, Visconti, W / an der Jukebox stehen: Werner Schroeter. Antonioni, Fellini. r e t 1969, das Jahr, in dem drei deutsche Filmemacher Zehn Jahre später bereiten sich in Frankreich junge e o Jahrgang 1945 definitiv erkennbar werden in ihrer Ori - Filmkritiker, gruppiert um die Redaktion der cahiers du r h c ginalität und künstlerischen Eigenart: Rainer Werner cinéma, aufs Filmemachen vor: Godard, Truffaut, Ri - S / Fassbinder († 1982), Werner Schroeter († 2010), Wim vette, Rohmer, Chabrol. Der Erfolg von Truffauts LES r e d Wenders. Drei Galionsfiguren des Neuen Deutschen 400 COUPS in Cannes 1959 wird zum Fanal der Nou - n i Films, der in den Jahren zwischen 1966 und Fassbin - velle Vague. b s s ders Tod 1982 seine staunenswerte, ruhmreiche Auf - Wieder zehn Jahre später der Aufbruch des Neuen a F bruchszeit hat. Diese Jahre zwischen 1966 und 1982 Deutschen Films, der sich in seiner cinephilen Geste 42 S R a e y T h G i l 0 0 0 2 : a m a b a l a vielfältig auf die Nouvelle Vague bezieht, auf deren Ma - das Bild emphatisch gegen die Story verteidigt, denn xime, dass das Kino der Zukunft so persönlich sein die Story verhält sich zum Bild wie ein Vampir, der ihm müsse wie ein Tagebuch oder Bekenntnis. Zuerst tre - das Leben aussaugt. ten die etwas älteren Filmemacher auf den Plan: Her - Alle filmischen Avantgardebewegungen finden ihre zen - zog, Schlöndorff, Kluge, Reitz, dann die jüngeren: trale ästhetische Stoßrichtung im Kampf gegen die kon - Thome, Lemke, Wenders, Schroeter und Fassbinder, ventionellen psychologischen oder spektakulär-drama - der mit seiner fiebrig vorangetriebenen Produktivität tischen Erzählmuster. Nur so kann das Kino, das sich rasch auch international zum Aushängeschild des New von ästhetischen und ideologischen Altlasten befreien German Cinema wird. Antrieb erfährt der Aufbruch von will, neu erfunden werden. Schon im Surrealismus der den gesellschaftlichen Turbulenzen jener Jahre, den 1920er-Jahre zeigt sich das, wenn Buñuel nach einer Protesten gegen den Vietnamkrieg, der weltweiten Re - Traumlogik der Bilderassoziationen sucht. volte der Jugend, dem Mai 1968. Hinzu kommt, dass Wenders wird sich später dem Geschichtenerzählen das Kino in den 1960er Jahren seine Vorrangstellung annähern. Ein Entwicklungsgang, den auch Schroeter verliert. Der Siegeszug des Fernsehens führt in eine und Fassbinder auf ihre Weise absolvieren. Aber zuerst Situation, die das BRD-Kino Ende der 1960er Jahre zur gilt die Kampfansage gegen das Erzählkino. Schroeter: Dümpelei zwischen Softsex und Klamotte macht. »Mir war immer klar, dass ich den Schrott des Erzählki - Dass München zu einem wichtigen Ausgangsort des Neuen Deutschen Films wird, hat damit zu tun, dass hier im Juli 1966 die erste Filmhochschule eröffnet wird, die Hochschule für Fernsehen und Film (HFF). Für s r den ersten Studentenjahrgang bewerben sich über e d n e tausend Kandidaten, darunter Wenders und Schroeter. W Beide werden aufgenommen, doch Schroeter bricht / r e das »pseudotheoretische Filmstudium in München« t e o rasch ab. Er bewirbt sich dann an der im September T r o l h i p 1966 eröffneten Deutschen Film- und Fernsehakade - c R S e / mie (DFFB) in Berlin. Dort bewerben sich zugleich auch b r m e o Rainer Werner Fassbinder und Rosa von Praunheim, d b n R i mit dem Schroeter damals zusammenlebt. »Aber wir e b D s drei wurden abgelehnt«, notiert Schroeter in seiner s a Autobiographie, »wenn wir später dort Seminare hiel - nos und die theaterhaften Fernsehspiele nicht wollte.« F ten, war diese Ablehnung immer wieder einen Witz Ein prägendes Vorbild bei der Attacke auf das Erzähl - 43 wert«. kino ist der aus dem Umkreis der nouvelle vague stam - Als Mitbegründer der antiteater-Kommune nimmt Fass - mende Jean-Marie Straub, der damals in München lebt binder den Umweg übers Theater zum Filmemachen. und arbeitet. In seinem DER BRÄUTIGAM, DIE KOMÖ - Wenders zieht das dreijährige Studium an der HFF DIANTIN, DER ZUHÄLTER sind Fassbinder und weitere durch, aber wichtiger als das offizielle Lehrprogramm Darsteller des antiteater-Kollektivs zu sehen. Eine Pas - sind ihm die gegenseitige Inspiration unter den Studen - sage aus der langen Autofahrt des Films baut Fassbin - ten, die Freundschaft mit dem Schriftsteller Peter der als Straub-Reminiszenz in LIEBE IST KÄLTER ALS Handke, das Flipperspiel im Bungalow. Die Kurzfilme, DER TOD ein. die Wenders während der HFF-Zeit dreht, sind keine Deutsche Geschichte. Deutlicher und direkter als Übungsfilme, sondern fertige, souveräne Gestaltungen: Schroeter und Wenders wendet sich Fassbinder den SAME PLAyER SHOOTS AGAIN, SILVER CITy, ALA - Themen der deutschen Geschichte und Befindlichkeit BAMA: 2000 LIGHT yEARS. 3 AMERIKANISCHE LP’S zu. Von der Xenophobie-Studie in KATZELMACHER bis produziert er zusammen mit Peter Handke für den Hes - zur pessimistischen