PAT T LO C H Die Verwertung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne Zustimmung der Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.

Druck und Bindung: L.E.G.O Legatoria Editoriale Giovanni Olivotto S.p.A., Vicenza Printed in Italy

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Autor zum Alten Testament: Marcus Braybrooke Autor zum Neuen Testament: James Harpur Wissenschaftliche Beratung: Marcus Braybrooke, Felicity Cobbing

ISBN 3-8094-8001-3 Marcus Braybrooke ist Vikar der Church of England und Co-President des World Congress of Faiths. Er hat zahlreiche Bücher über die Bibel, das 2010 by Bassermann Verlag, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Judentum und zu den Beziehungen zwischen den Glaubensgemeinschaften © Random House GmbH, 81673 München verfaßt. Seine Werke beinhalten u. a. Faith in a Global Age, How to der Originalausgabe: THEMA media GmbH & Co. KG Understand Judaism sowie Wisdom of Jesus. © James Harpur hat verschiedene Bücher über Religion und die Bibel Realisation der deutschen Ausgabe: geschrieben und herausgegeben. Dazu zählen The Atlas of Sacred Places, THEMA media GmbH & Co. KG, München Great Events of Bible Times sowie The Journeys of St Paul. Sein Interesse an Fullservice für Buch- und Presseverlage religiösen Themen kommt auch in zwei Gedichtbänden zum Ausdruck. Felicity Cobbing arbeitet beim Palestine Exploration Fund und ist auf die Redaktion: Christiane Burkhardt, Petra Gulz, Bernd Mayerhofer Archäologie des Alten Orients spezialisiert. Sie führt Ausgrabungen in Übersetzungen: Gina Beitscher, Dr. Hermann Ehmann, Matthias Flender, Jordanien durch und hat schon zahlreiche Aufsätze veröffentlicht. Ihre Dr. Peter Knecht, Dr. Renate Rosenthal-Heginbottom, Dr. Stefan Schreiber Tätigkeit umfaßte auch die Beratung bei mehreren Büchern über das Wissenschaftliche Beratung: Gina Beitscher, Sven Kießling, Friedrich Naab Mittelmeergebiet zur Zeit der Antike. Wissenschaftliche und redaktionelle Beratung: Dr. Jürgen Werlitz Dr. Jürgen Werlitz ist Oberassistent am Lehrstuhl für Alttestamentliche Projektleitung dieser Ausgabe: Dr. Iris Hahner Exegese der Universität Augsburg. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Umschlag: [email protected] der Prophetenexegese und der Methodenlehre.

Der Bibelatlas wurde konzipiert, redigiert und gestaltet von: THEMA media GmbH & Co. KG Team Media Ltd Verlagsleitung: Felix Hilschmann Masters House Projektleitung: Louise Tucker 107 Hammersmith Road Künstlerische Gesamtleitung: Eddie Poulton, Paul Wilkinson London W14 0QH Team Media Ltd Gestaltung: Thomas Keenes, Malcolm Smythe, Duncan Paré (Assistent) © Textrecherche: Fiona Plowman Bildrecherche: Veneta Bullen Projekt-Team Bibelatlas: Kartographie: Oxford Cartographers Redaktion: Simon Adams, Julia Bruce, David Girling, Simon Hall, Nicholas Artwork: Roger Hutchins Jones, David Scott-Macnab, Fiona Plowman Bibel 004/005 Contents2 D 04.07.2005 11:16 Uhr Seite 5

Inhalt

Die Bibel und das Heilige Land 6–7

Das Alte Testament 8–9 Das Neue Testament 80–81

Am Anfang Der junge Jesus Die Erschaffung der Welt 10–11 Das Römische Reich 82–83 Die Sintflut 12–13 Die Geburt Jesu 84–85 Der Turm zu Babel 14–15 Die Kindheit Jesu 86–87 Die Taufe Jesu 88–89 Die Patriarchen Abrahams Wanderungen 16–17 Das Wirken Jesu Abrahams Prüfungen 18–19 Das öffentliche Wirken Jesu 90–91 Jakobs Reise 20–21 Die Wunder Jesu 92–93 Josefs Fall und Aufstieg 22–23 Die Verkündigung Jesu 94–95 Die Bergpredigt 96–97 Auf dem Weg in das Gelobte Land Die letzte Reise 98–99 Die Israeliten in Ägypten 24–25 Jerusalem zur Zeit Jesu 100–101 Der Auszug aus Ägypten 26–27 Leben in der Wüste 28–29 Tod und Auferstehung Die Zehn Gebote 30–31 Die letzten Tage in Jerusalem 102–103 Überquerung des Jordan 32–33 Getsemani 104–105 Die Eroberung Jerichos 34–35 Der Prozeß Jesu 106–107 Die Eroberung von Kanaan 36–37 Die Via Dolorosa 108–109 Die Kreuzigung 110–111 Von den Richtern zu den Königen Auferstehung 112–113 Die Richter Israels 38–39 Die Philister 40–41 Die ersten Christen Simson und die Philister 42–43 Pfingsten 114–115 Samuel und Saul 44–45 Der Weg nach Damaskus 116–117 Davids Aufstieg 46–47 Die Missionsreisen des Paulus 118–119 Davids Königreich 48–49 Die erste Reise des Paulus 120–121 Salomo, der weise König 50–51 Die zweite Reise des Paulus 122–123 Der Tempel Salomos 52–53 Die dritte Reise des Paulus 124–125 Ephesus 126–127 Niedergang und Wiederaufstieg Die Verhaftung des Paulus 128–129 Zwei Reiche 54–55 Caesarea 130–131 Der Prophet Elija 56–57 Die Briefe des Paulus 132–133 Die Eroberung durch die Die vierte Reise des Paulus 134–135 Assyrer 58–59 Hiskija 60–61 Revolution und Offenbarung Der Feldzug gegen Juda 62–63 Der Jüdische Krieg 136–137 Der Fall von Jerusalem 64–65 Der Untergang von Masada 138–139 Die babylonische Gefangen- Die Offenbarung des Johannes 140–141 schaft 66–67 Der Fall von Babylon 68–69 Index und Bildnachweis 142–144 Rückkehr nach Jerusalem 70–71

Das Zeitalter des Hellenismus Das Weltreich Alexanders des Großen 72–73 Die jüdische Welt 74–75 Die Makkabäerkriege 76–77 Die Festung Herodium 78–79 Bibel 006/007 Intro. D 06.07.2005 13:02 Uhr Seite 6

6 Die Bibel und das Heilige Land

Die Bibel besteht aus dem Alten und Unabhängigkeit. Nach der Gefangenschaft in Babylonien kehren dem Neuen Testament und umfaßt einige Juden unter der Führung von Esra ins Land zurück. Hier kam 66 Bücher. Sie beginnt mit der Er- es später unter Nehemia zu einer religiösen Blütezeit. Eine staatliche zählung von der Erschaffung der Souveränität war damit jedoch nicht verbunden. Welt im Buch Genesis und endet Im Neuen Testament berichten die vier Evangelisten Markus, mit der Beschreibung des Weltun- Matthäus, Lukas und Johannes, wie Jesus geboren wird, aufwächst tergangs in der Apokalypse des und seine Jünger beruft. Es folgen Reden, Wunder und Heilungen. Johannes. Die Evangelien schließen mit Erzählungen über Jesu Verhaftung, Das Alte Testament schildert die Kreuzigung und Auferstehung. Danach folgt ein Bericht, wie sich das Darstellung der Bundeslade Geschichte des Volkes Israel, wobei Christentum in der Welt ausgebreitet hat. Besonders ausführlich wer- (Synagoge von Kafarnaum) die Texte heute durch die Brille den die drei Missionsreisen des Paulus beschrieben, die diesen bis historisch-kritischer Vermittlung gelesen werden müssen. Zu Beginn nach Europa führten. Den zweiten großen Abschnitt des Neuen wird erzählt, wie Gott die Welt schuf, Adam und Eva aus dem Para- Testaments bilden die Briefe, die Paulus und andere Anhänger Jesu dies vertrieben wurden und wie Noach den Fortbestand von Men- an die neugegründeten christlichen Gemeinden schrieben. Das schen und Tieren durch den Bau einer Arche sicherte. Neue Testament endet mit der Offenbarung des Johannes, die den Mit den Abrahamserzählungen beginnt die Volksgeschichte Is- Weltuntergang und das kommende Reich Gottes in rätselhaften Bil- raels. Der Stammvater macht sich auf, nach Kanaan zu ziehen, ein dern beschreibt. Die Bibel ist kein historischer Bericht über die Geschichte des jüdi- schen Volkes, sie ist auch keine reine Biographie über das Leben von y »Das Land, in das ihr jetzt hinüberzieht, Jesus von Nazaret. Es handelt sich vielmehr um eine Sammlung poli- um es in Besitz zu nehmen, ist ein Land mit tisch und religiös geprägter Texte, in die sogar poetische Teile ver- Bergen und Tälern, und es trinkt das Was- woben sind. Auch Mythen und Legenden wurden aufgenommen. ser, das als Regen vom Himmel fällt.« Dtn 11,11 Die politische Situation Das Gelobte Land wurde durch innere Unruhen ebenso erschüttert wie Land, das Gott ihm und seinen Nachkommen verheißen hat. Beide durch Auseinandersetzungen mit anderen Staaten. So kam es bei der schließen einen Bund, der diesem Teil der Bibel auch seinen Namen Einwanderung unter Josua zu schweren Kämpfen mit der schon ansäs- gibt: Altes Testament heißt Alter Bund. sigen Bevölkerung. Doch auch unter den Juden selbst kam es zum Streit Nachdem die Israeliten – so schildert es zumindest die Bibel – in religiösen Fragen. In den Eroberungskriegen der Großmächte konn- aufgrund einer Hungersnot nach Ägypten ausgewandert sind, be- te sich das strategisch wichtige, aber kleine Land meist nicht behaup- freit Mose sie aus der dortigen Knechtschaft. Nach einem vierzig- jährigen Aufenthalt in der Wüste überqueren sie unter der Führung von Josua den Fluß Jordan und betreten das verheißene Land erneut. König David macht Jerusalem zur Hauptstadt. Unter seinem Sohn Salomo erlebt Israel eine große Blüte. Doch schon kurze Zeit später spaltet sich das Land in zwei Teile, den Norden (Israel) und den Süden (Juda). Mit dem Einmarsch der Assyrer in Israel und der Erobe- rung Jerusalems durch die Babylonier verlieren beide Reichsteile ihre

Links: Ägyptisch beeinflußter Gold- anhänger aus Kanaan. Oben: Mose läßt Wasser aus einem Stein hervorsprudeln. Rechts: Das Land Kanaan. Bibel 006/007 Intro. D 06.07.2005 13:02 Uhr Seite 7

Die Bibel und das Heilige Land 7

sersee liegt 215 Meter unterhalb des Meeresspiegels im Great-Riff- Valley, das von Ostanatolien bis nach Afrika reicht. Seine besondere Bedeutung erhielt der See in neutestamentlicher Zeit durch das Wir- ken Jesu, der hier lebte, lehrte und seine Jünger berief. Abfluß des Sees ist der Fluß Jordan. Schon in alttestamentlicher Zeit markierte er die Grenze zum Gelobten Land, die von den Israe- liten unter Josua überschritten wurde. Aber auch zur Zeit des Neuen Testaments spielt er eine wichtige Rolle, beschreiben die Evangelien doch die Taufe Jesu im Jordan durch Johannes den Täufer. Im Süden fließt der Jordan ins Tote Meer, in einen Salzwassersee, der fast 400 Meter unterhalb des Meeresspiegels liegt. Der Jordan auf seinem Weg vom Jerusalem, heilige Stadt der Juden, Am Nordufer des Toten Meeres liegt Qumran. Hier fand ein Hir- See Gennesaret nach Süden. Christen und Muslime. tenjunge vor etwa 60 Jahren in den Höhlen eines Bergkegels Schrift- ten. Eine unvorsichtige Politik gegenüber Assyrien und Babylonien führ- rollen aus biblischer Zeit, die der Bibelforschung grundlegend neue te schließlich dazu, daß große Teile der Bevölkerung von den neuen Erkenntnisse brachten. Machthabern umgesiedelt wurden. Die Israeliten gerieten in babyloni- Nur 24 Kilometer nordwestlich vom Toten Meer liegt Jerusalem, sche Gefangenschaft. Nach ihrer Rückkehr aus dem Exil erreichten sie das frühere und heutige Zentrum Israels. Nachdem die Stadt von unter wechselnder Herrschaft zwar eine religiöse, aber keine politische David zur Hauptstadt erhoben worden war, von den Babyloniern Eigenständigkeit mehr. 70 n. Chr. wurden die Juden von den Römern zerstört und unter Herodes prachtvoll wiederaufgebaut wurde, endgültig aus ihrem Land vertrieben. Die Rückkehrbewegung mani- machen sie die Römer 70 n. Chr. erneut dem Erdboden gleich. In festierte sich in der Staatsgründung Israels 1948. Jerusalem stand auch der Tempel, der ebenfalls mehrfach zerstört und wiederaufgebaut wurde; heute existiert davon nur noch die Kla- Die geographische Lage gemauer. In Jerusalem befinden sich auch die Das Heilige Land ist mit einer Länge von etwa 240 Kilometern und letzten Stationen auf dem Lebensweg einer Breite von 50 bis 130 Kilometern relativ klein. Über die Jahrhun- Jesu: der Garten Getsemani, in dem er derte, in denen sich die biblische Geschichte abspielt, änderte sich der Überlieferung nach verhaftet wurde, auch seine Namensgebung. So wird aus Kanaan erst Israel, dann Juda sowie die Via Dolorosa – der Weg, den und Israel und schließlich Judäa und Samaria. Jesus nach Golgota zurücklegte. Im Norden, in der Region Galiläa mit ihren Obstgärten und Oli- venhainen, befindet sich der See Gennesaret. Dieser große Süßwas- Reisen und Landkarten Der vorliegende Bibelatlas zeigt zum einen die Topographie der biblischen Orte und verzeichnet zum anderen die politischen Grenzen im Nahen und Mittleren Osten im Verlauf der biblischen Geschichte. Es werden nicht nur die Wanderun- gen ganzer Völker, sondern auch die Reisen biblischer Gestalten nachgezeichnet. Unter der Be- rücksichtigung jüngster archäo- logischer Forschungen werden die Episoden der Bibel durch zahlreiche Fotos, Landkar- ten, Pläne und Grundrisse in ihren zeitlich-geogra- phischen Kontext ge- stellt. Rekonstruktio- nen von Städten und Gebäuden vergegen- wärtigen die biblische Welt und die untrennbar damit verbundenen Reli- gionen: Juden-, Christen- tum und Islam. Der hl. Paulus Bibel 008/009 OT Tl #1 D 06.07.2005 13:07 Uhr Seite 8

8 Das Alte Testament

Der Schwerpunkt des Alten Testaments den in den biblischen Kanon aufgenommen, da sie Gott und seine liegt auf der besonderen Beziehung Bedeutung am besten erläutern. zwischen Gott und den Juden, dem Die christlichen Versionen des Alten Testaments unterscheiden sich Volk Israel. Dem jüdischen Glauben von den jüdischen in Anzahl und Reihenfolge der aufgenommenen nach ist diese auf den Bund zurückzu- Bücher. Das Erste und das Zweite Buch der Makkabäer sind in den offi- führen, den Gott mit den Stammvätern ziellen hebräischen Versionen nicht zu finden, sondern tauchen erst- Israels, darunter auch Abraham und mals im dritten vorchristlichen Jahrhundert in der Septuaginta auf, der Jakob, geschlossen hat. griechischen Version des Alten Testaments. Diese Bücher wurden auch Weil sie ihm Treue und Gehorsam mit in die Vulgata aufgenommen – die von der katholischen Kirche gelobt hatten, versprach Gott, sie und benutzte lateinische Bibelübersetzung, die gegen Ende des vierten ihre Nachkommen zu einer großen Nati- nachchristlichen Jahrhunderts entstand. Katholische Bibelversionen Irakische Thorarollen aus on zu machen und ihnen Kanaan, das enthalten die Bücher ebenfalls, bei protestantischen Versionen fehlen dem 19. Jahrhundert „Gelobte Land”, zur Heimat zu geben. sie, oder sind in einen Anhang integriert, die Apokryphen. Das Alte Testament – im Judentum „Tanach“ genannt – umfaßt einen weitaus größeren Bereich. Es enthält die göttlichen Gebote der Das Alte Testament aus historischer Sicht fünf Bücher Mose – auch „Pentateuch“ oder „Thora“ genannt –, die Obwohl das Alte Testament seine Geschichten als historische Ereig- Bücher der Geschichte des Volkes Gottes, die Bücher der Lehrweis- nisse präsentiert, bemüht man sich bis heute, die Tatsachen von den heit und die Psalmen sowie die Bücher der Propheten. Sie alle wur- Mythen und Legenden zu trennen. Verschiedene Episoden der er-

3000 V. CHR. 2500 2000 1500 1250 1000 900 800

•Auszug aus Ägypten Die biblischen Ereignisse las- (etwa zwischen 1279 Saul I., König der Juden (1030–1000 v. Chr.) sen sich zeitlich nur ungefähr und 1213 v. Chr.) einordnen. Die Angaben für Ägypten wurden der Niederen •Eroberung König David (1000–960 v. Chr.) Kanaans durch Chronologie? entnommen. die Israeliten (um 1200 v. König Salomo (960–931 v. Chr.) Chr.) •Bau des ersten Tempels Philister lassen sich (um 956 v. Chr.)

Ereignisse Ereignisse im • in der Küstenebene Alten Alten Testament Kanaans nieder •Teilung des Reiches in (um 1200) Juda und Israel (um 930 v. Chr.)

Granatapfel aus Elfenbein, mögli- cherweise aus Salo- mons Tempel Fruchtbarkeitsgöttin aus dem Philistertem- pel in Tell Kwasile Das Neuassyrische Reich Altbabylonisches Reich (um 1000–609 v. Chr.) (1792–1595 v. Chr.)

Mesopotamier mit Ziege König Hammurabi (1792–1750 v. Chr.) (Mosaik aus Ur) Mittleres Assyrisches Reich (1750–1000 v. Chr.)

Hetiterreich (um 1400–1180 v. Chr.) Reiche und Reiche ihre Herrscher

Erste Zwischenzeit Zweite Zwischenzeit

Altes Reich Mittleres Reich Neues Reich (1530–1100 v. Chr.) (2700–2190 v. Chr.) (2040–1759 v. Chr.) Thutmosis III. (1479–1425 v. Chr.) Geflügelte Sphinx aus •Die Hyksos über- Tutanchamun Elfenbein nehmen die Herr- (1336–1327 v. Chr.)

Ägypten schaft in Ägypten (um 1650) Ramses II. (1279–1213 v. Chr.) •Thutmosis III. beginnt mit der •Scheschonk I. (Schischak) Eroberung Palästinas (um 1457 v. Chr.) fällt in Palästina ein (um 925–924) Bibel 008/009 OT Tl #1 D 06.07.2005 13:07 Uhr Seite 9

Das Alte Testament 9

sten elf Kapitel der Genesis (Erstes Buch Mose) beinhalten besonders Viele der historischen Fakten stützen den Bibeltext. So könnte die viele Mythen. Die Geschichte von und der Sintflut beispiels- Geschichte vom Turmbau zu Babel durch die großen Treppentürme weise ähnelt den Flutgeschichten anderer orientalischer Kulturen. oder „Zikkurats” in Mesopotamien beeinflußt worden sein. Es gibt Doch auch wenn direkte Hinweise auf Figuren wie Noah fehlen, jedoch auch archäologische Funde, die den in der Bibel erwähnten bedeutet das noch lange nicht, daß es sie niemals gegeben hätte. Ereignissen oder Daten widersprechen oder diese in Zweifel ziehen. Diese Personen können wirklich gelebt haben, ihre Taten wurden Ausgrabungen in Jericho lieferten beispielsweise keine Hinweise auf dann mit der Zeit immer mehr heroisiert. die in der Bibel geschilderte Eroberung der Stadt durch die Israeliten. Für die Zeit der Patriarchen, die vor etwa 4000 Jahren gelebt Uneins ist man sich auch über Urheberschaft des Alten Testa- haben könnten, gibt es kaum historische Belege. Erst später finden ments. Früher wurden manche Teile biblischen Gestalten wie etwa sich Aufzeichnungen anderer Völker, die Ereignisse in Verbindung Mose zugeschrieben, heute sieht man den Ursprung der Geschich- mit dem jüdischen Volk erwähnen. So weist ein assyrischer Obelisk ten jedoch in mündlichen Überlieferungen sowie in kurzen Texten, auf Jehus Machtübernahme in Israel hin, die im Jahre 841 v. Chr. die aus ganz verschiedenen Quellen stammen und erst später zu stattfand, und die Belagerung der judäischen Stadt und Festung Büchern zusammengefaßt wurden. Die unterschiedlichen Stilebenen Lachisch von 701 v. Chr. wurde auf assyrischen Reliefs dargestellt: sowie fehlende Übereinstimmungen sprechen für diese Theorie. beide Ereignisse sind im Zweiten Buch der Könige erwähnt. Die Au- Unabhängig von jeder wissenschaftlichen Diskussion gilt das Alte thentizität einer Vielzahl weiterer Gestalten und Ereignisse aus der Testament für Juden, Christen und Muslime als heilige Schrift, deren Bibel wird durch die Berichte anderer großer Zivilisationen wie der Betrachtungen über die großen Mysterien – Schicksal, Leben und von Ägyptern, Griechen und Römern belegt. Tod – von ihrer Gültigkeit bis heute nichts eingebüßt haben.

700 600 500 400 300 200 100 50

•Die Assyrer erobern •Juda wird ein Vasallenstaat •Nehemia baut die Mau- •Antichochus IV. entweiht den Israel (722 v. Chr.) Nebukadnezzars (605 v. Chr.) ern Jerusalems wieder auf Tempel von Jerusalem (169 v. Chr.) •Juda wird von Babylon (445 v. Chr.) •Sanherib I. erobert erobert (586 v. Chr.) Makkabäer (166–60 v. Chr.) Lachisch (701 v. Chr.) Rückkehr der Israeliten nach Juda (537–445 v. Chr.) •Judas Unabhängigkeit vom Seleukidenreich (142 v. Chr.) Wiederaufbau des Tempels von Jerusalem (536–519 v. Chr.)

Drache vom Ischtar-Tor in Babylon

Nebukadnezzar (605–562 v. Chr.)

Neubabylonisches Reich (587/6–539 v. Chr.) •Fall von Babylon (539 v. Chr.) Skythischer Achämidenreich in Persien Goldarmreif (54–331 v. Chr.) Tiglat-Pileser III. (745–727 v. Chr.) Kyros der Große (558–529 v. Chr.) Schalmaneser V. (727–722 v. Chr.) •Alexander der Große erobert Terrakottafigur eines Kriegs- Darius I. (522–486 v. Chr.) das Persische Reich (332 v. Chr.) elefanten der Seleukiden aus Kleinasien Sargon II. (722–705 v. Chr.) Xerxes (486–465 v. Chr.) Hellenistische Periode (334–30 v. Chr.) Sanherib (705–681 v. Chr.) Artaxerxes I. (465–424 v. Chr.) Dynastie der Seleukiden in Syrien (305–84/83 v. Chr.) •Gründung Roms (753 v. Chr.) •Beginn der Römischen Republik (509 v. Chr.)

Dritte Zwi- Späte Dynastien (661–332 v. Chr.) Dynastie der Ptolemäer (305–51 v. Chr.) schenzeit Necho II (609–594 v. Chr.) Ptolemäus I. (305–282 v. Chr.) •Die Perser erobern Ägypten (525 v. Chr.) Bibel 010/11 Creation D 06.07.2005 13:12 Uhr Seite 10

10 Die Erschaffung der Welt

Die Bibel beginnt mit zwei verschiedenen Schöpfungsberichten, der erste (Gen 1,1-2,4a) ist ein Lehrgedicht zum Preis des Schöpfer- gottes. Darin drückt sich der Glaube an den einen, ewigen und allmächtigen Gott aus, der alles erschaffen hat. Dieser Glaube hatte sich im babylonischen Exil herausgebildet. Es wird berichtet, wie Gott durch sein befehlendes Wort die Welt aus einem chaotischen Urzu- stand (Finsternis, Urflut und „Tohuwabohu“ = Adam und Eva im Wirrnis) erschaffen hat. Garten Eden Mit seinen Worten „Es werde Licht!“ Von vielen mesopotamischen beginnt der erste Schöpfungstag. In den darauffolgenden fünf Tagen Völkern sind Schöpfungsmythen erschafft Gott Himmel und Erde, Land und Meer, Sonne, Mond und überliefert, in denen göttliche Sterne, lebende Wesen und schließlich als Krone der Schöpfung sein Mächte durch Zeugung oder Kampf die Welt in Gang bringen. Ebenbild, den Menschen als Mann und Frau. Er sieht, daß sein Werk Die Alabastervase von Uruk (links; gut ist, und ruht am siebten Tag. oben ein Detail) stammt aus der Zeit um 3000 v. Chr. und zeigt Im zweiten Schöpfungsbericht (Gen 2,4b-25) läßt Gott einen Priester mit Opfergaben für Inan- üppigen Garten in Eden wachsen und setzt Adam als Hüter ein. Er na, die Göttin der Liebe wie auch erlaubt ihm, die Früchte aller Bäume zu essen, nur nicht die vom der Zwietracht. Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen. Sollte sich Adam

y »Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; M die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut, und Gottes N Geist schwebte über dem Wasser.« Der fruchtbare Halbmond Gen 1,1 In einem halbmondförmigen Bogen erstrecken sich am Nordrand der Wüste von den Flußniederungen Ä G Y P T nicht an dieses Gebot halten, werde er sterben müssen. Anders als des Eufrat und des Tigris im Osten E N bis zur Mittelmeerküste im Westen im ersten Schöpfungsbericht, wird die Erschaffung der Frau, nämlich fruchtbare Gebiete. Dort sind eini- Theben ge der ältesten Zivilisationen der Eva, der des Mannes zeitlich nachgeordnet und mit dem Satz „Es ist 0 Menschheit entstanden. Zu den 100 nicht gut, daß der Mensch allein bleibt ...“ (Gen 2,18) begründet. 200 Kilometer vielen Völkern, die in diesem Raum 0 lebten, zählt das Volk Israel. Die 100 Die Versuchung nach Gen 3 Heimat seines Stammvaters Abra- 200 Meilen war der Bibel zufolge Ur in Die Versuchungsgeschichte ist entstanden, um zu erklären, warum Mesopotamien. die anfänglich gute Schöpfung nicht als solche von den Menschen erfahren wird. Die Lösung wird in einer mythologischen Geschichte dargeboten. Danach verging sich das erste Menschenpaar an einem göttlichen Gebot und aß vom „Baum der Erkenntnis“. Die Folge: Die Menschen werden sich ihrer selbst bewußt: „Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“ (Gen 3,7). Auch das Verhältnis zu Gott ist gestört; Adam und Eva empfinden Furcht; Gott bestraft sie mit einem Fluch. Die Schlange, die Eva zur Übertretung des Gottesgebotes angestiftet hatte, trifft der Fluch, auf dem Bauch zu kriechen, die Frau wird in der Zukunft mit Schmerzen Die genaue Lage des Garten Eden ihre Kinder gebären, und der Mann wird zur Mühsal der Feldarbeit kann nicht bestimmt werden. Der verurteilt. Außerdem sind die Menschen von diesem Zeitpunkt an Verfasser der Genesis dürfte aber dem Tod verfallen: „Denn Staub bist du, zum Staub mußt du zurück- die grünen Täler entlang der Flüsse Eufrat (rechts) und Tigris im Kopf kehren.“ gehabt haben, als er das Paradies Fazit: Menschliche Erfahrungen wie Schmerz, Schuld, Scham und beschrieb. Eine üppige Vegetation wächst auf beiden Seiten dieser Sterblichkeit werden in Form einer Erzählung theologisch gedeutet Wasserläufe und bietet Vögeln, und mit der Grundannahme einer von Gott her guten Schöpfung Landtieren und Menschen eine versöhnt. Auch alle nachfolgenden Berichte der Urgeschichte (Gen Lebensgrundlage – ganz im Gegensatz zur angrenzenden 1-11) folgen weithin diesem Muster. Wüste. Bibel 010/11 Creation D 06.07.2005 13:12 Uhr Seite 11

Am Anfang 11

S c h w a r z e s M K e a o n t i s c h e u P e r s k G e a b s i r r g e u Halys e e s M s A r u r a T a u r a t s e Zypern Karkemisch Van G See - h r o ß Ugarit h c c e s i M l Haran s ( e e s a i M i r e B t t e l t Urmia- m e n p e r r ) Byblos o r u See s O b a Ninive a Sidon e h is rg C r bi g Tyros e M i K ng T no ba Aschur Megiddo Li Damaskus E Mari n NILDELTA Jericho a S Jerusalem d or Memphis O J E u f P Beerscheba r a Z t O i l a N Nippur T g r A SINAI o s M - Susa G Uruk I Ur E e W b N ü i s r et g R o t e s e

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Wie nach der Erschaffung von Land und Meer Gottes neue Welt bald von einer Vielzahl von Pflan- zen bedeckt wurde, zeigt dieses mittelalterliche jüdische Manu- skript aus Spanien. Bibel 012/13 Flood D 06.07.2005 13:16 Uhr Seite 12

12 Die Sintflut

In den Generationen, die auf Kain und Abel folgten, nahm die Boshaftigkeit der Menschen im- mer größere Ausmaße an, so daß es Gott schließlich reute, Mann und Frau überhaupt geschaffen zu haben. Bitter ent- täuscht angesichts all der in der Welt vorkommenden Gewalt und des Unrechts, beschloß er die Vernichtung des Menschen- geschlechts und mit ihm aller Lebewesen in einer gewaltigen Flut. Nur Noach und seine Fami- Der Ararat in Ostanatolien ein großes hölzernes Schiff gesehen Die Arche Noach, aus einem he- lie sollten gerettet werden, denn (oben) gilt als der in der biblischen haben. Allerdings wurden weder bräischen Gebetbuch des 13. Jh. Noach war ein frommer und Flutsage genannte Berg, auf dem auf dem Ararat noch auf den gottesfürchtiger Mann, der einzige auf Erden. Nach der Flut schloß die Arche Noach schließlich lande- umliegenden Bergen des Zagros- te. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gebirges irgendwelche archäologi- Gott mit ihm einen Bund und versprach, niemals wieder, was lebt, will ein Schäfer auf dem Gipfel des schen Beweise für eine Arche ge- zu vernichten. über 5000 Meter hohen Berges funden.

Der Bau der Arche Nach seinem Entschluß, Noach und seine Familie zu verschonen, sprach Gott zu Noach, daß er eine große Flut über die Erde kommen lassen werde, um alles Leben zu vernichten. Gott gab Noach genaue Anweisungen zum Bau einer Arche, die ihm und seiner Familie sowie je einem Paar von allen Tieren Sicherheit bieten sollte. Diese Arche

y »Sie waren zu Noach in die Arche gekom- men, immer zwei von allen Wesen aus Fleisch, in denen Lebensgeist ist. Von allen Tieren waren Männchen und Weibchen gekommen, wie Gott ihm aufgetragen hatte.« 1. Mose 7:15–16

Das Gilgamesch-Epos Die biblische Erzählung von für die Rettung. Die Erzählung ist Noach ist nicht die einzige Flut- so lebendig wie ein Augenzeu- sage aus dem Alten Orient. Im genbericht. Einige Forscher sind 19. Jahrhundert wurden im der Meinung, es werde eine gro- Palast des assyrischen Königs ße Flutwelle beschrieben, die von Assurbanipal (668–627 v. Chr.) einem Wirbelsturm verursacht in Ninive Tausende von Tontafeln wurde, der über die Schwemm- ausgegraben, darunter auch die landebenen von Euphrat und zwölf Tafeln mit dem babyloni- Tigris hinwegfegte. sollte aus Zypressenholz gefertigt und 150 Meter lang, 25 Meter schen Gilgamesch-Epos. Auf der breit und 15 Meter hoch sein. Ferner sollte das Schiff ein festes Dach Suche nach dem Geheimnis des ewigen Lebens begibt sich der haben, der Eingang war an der Seite vorgesehen. Held Gilgamesch auf eine lange Sieben Tage vor dem Einsetzen des Regens begab sich Noach mit Reise zu Utnapischtim, dem einzi- seiner Frau, seinen drei Söhnen Sem, Ham und Jafet sowie deren gen Überlebenden einer gewalti- gen Flut. Die Personen Utnapisch- Frauen und den verschiedenen Tieren an Bord des Schiffes. Es reg- tim und Noach weisen viele nete 40 Tage und 40 Nächte lang, es war, als „brachen alle Quellen gemeinsame Züge auf. Die Über- einstimmungen zwischen dem der gewaltigen Urflut auf, und die Schleusen des Himmels öffneten babylonischen Epos und dem bib- sich“ (1. Mose 7:11). Mit der steigenden Flut stieg auch die Arche lischen Bericht über die Sintflut immer höher. Das Wasser schwoll so gewaltig an, daß sogar die reichen vom Bau eines Schiffs auf göttlichen Befehl bis hin zum höchsten Bergspitzen darin versanken. Alles Leben auf Erden ging Aussenden von Vögeln nach dem unter, gerettet wurden allein Noachs Familie und die Tiere auf Ende der Flut und zum Dankopfer der Arche. Bibel 012/13 Flood D 06.07.2005 13:16 Uhr Seite 13

In den Anfängen 13

zurück. Nun wußte Noach, daß der Erdboden trocken war und er es wagen konnte, mit seiner Familie und den Tieren die Arche wieder zu verlassen.

Nach der Flut Gott wies Noach an, allen Tieren die Freiheit zu geben, damit sie sich zerstreuen und vermehren können. Als Dank für seine Rettung errichtete Noach einen Altar und brachte Gott ein Opfer dar. Gott sah es mit Wohlgefallen und segnete Noach und dessen Familie. Gleichzeitig trug er ihm auf, fruchtbar zu sein und sich in großer Zahl zu vermehren. Als Gegenleistung würden hinfort alle Lebewe- sen, Fische, Vögel und die Tiere der Erde, die Menschen fürchten und sie mit Nahrung versorgen. Außerdem versicherte er Noach, niemals wieder ein solches Strafgericht wie die Sintflut über die Erde Zur Bekräftigung seines Einver- Ohne Noachs Arche wäre alles ständnisses, hinfort keine Sintflut Getier umgekommen. So aber zu verhängen. Als ewiges Zeichen seines Versprechens werde er mehr zu schicken, versprach Gott, konnten jeweils ein Männchen und künftig immer einen Regenbogen aussenden, sobald sich dunkle daß künftig ein Regenbogen als ein Weibchen jeder Art überleben. Gewitterwolken zusammenballen, damit sich die Menschen an die- Zeichen seines Bundes mit den Auf dem Mosaik sind einige typi- Menschen die Sturmwolken beglei- sche Tiere des Alten Orients abge- ses Versprechen erinnern und nicht länger vor einer erneuten Flut- ten würde (oben). bildet (unten). katastrophe fürchten.

45° O N

40° N a t g e b i r g e A r a r Berg Ararat

Kaspisches Van- See Meer Urmia- See

Haran Ninive

r

o

b T a i Aschur H g r 35° N i s Z a g M r o Mari E u s f E G r e a t S b i O r g e P Babylon O Susa T A Das Ende des Regens M I E Schließlich ließ der Regen nach, und der Wasserpegel begann all- Ur N mählich zu sinken. 150 Tage, nachdem die Sintflut ihren Höchst- stand erreicht hatte, setzte die Arche auf dem Berg Ararat auf. Noach Wüste ließ einen Raben hinaus, um trockenes Land zu suchen, doch statt 30° N Unteres 0 100 200 Kilometer Meer zurückzukehren, flog dieser so lange umher, bis alles Land längst (Persischer wieder aufgetaucht war. Dann ließ Noach eine Taube hinaus, die Golf) unverrichteter Dinge zur Arche zurückkehrte. Als Noach sie sieben Das mesopotamische Tage später nochmals ausschickte, kehrte sie mit dem frischge- Schwemmland des Flußlaufs verändert. Ähnlich pflückten Blatt eines Olivenbaums zurück. Daraus schloß er, daß die Die beiden großen Flüsse Mesopo- dem babylonischen Gilgamesch- Bäume wieder aus dem Wasser ragten, das Land selbst aber noch tamiens, Euphrat und Tigris, füh- Epos, könnte die im 1. Buch Mose ren immer wieder Hochwasser, das beschriebene Sintflut ein solches vom Wasser bedeckt war. Nach weiteren sieben Tagen ließ er die weite Landstriche überschwemmt landestypisches Naturereignis be- Taube ein drittes Mal hinaus, und diesmal kam sie nicht mehr zu ihm und manchmal sogar die Richtung schreiben. Tower of Babel D 06.07.2005 13:20 Uhr Seite 14

14 Der Turm zu Babel

Nach der Sintflut – so erzählt die Bibel – sie- Im Königsfriedhof von Ur, nahe delten sich die Nachkommen von Noachs bei der Zikkurat, wurden Herr- scher der Zeit um 2500 v. Chr. Söhnen – Sem, Ham und Jafet – in Schinar an. bestattet. Dieser Ziegenbock aus So nennt die Bibel das südliche Me- Gold und Lapislazuli gehört zu den vielen kostbaren Grabbeigaben, die sopotamien, eine der Wiegen der Zivilisation. den Glauben an ein Leben nach Sie berichtet, daß die Menschen dort, voller dem Tod bezeugen. Stolz auf ihre Fähigkeiten, eine Stadt bauen Der Turmbau wollten mit einem Turm, der bis zum Himmel zu Babel reicht. Gottes Eingreifen sollte diesen Plan Die Zikkurat von Ur vereiteln. Immerhin erreichten die ehrgeizigen Erbauer aber ihr Ziel, König Ur-Nammu erbaute diese sich für alle Zeiten einen Namen in der Geschichte zu machen. Zikkurat um 2100 v. Chr. Über Hinter der biblischen Erzählung vom Turmbau zu Babel stehen einem Grundriß von 62,50 x 43 m wurden drei massive Kuben abge- die Zikkurats oder Tempeltürme, die vor etwa 4000 Jahren in vielen stuft übereinandergesetzt. Auf der Städten Mesopotamiens errichtet wurden. Man deutet diese mehr- obersten Plattform erhebt sich der Hochtempel. Die charakteristische fach gestuften, aus massiven Kuben aufgetürmten Sakralbauten als Stufenform mesopotamischer Zikkurats entwickelte sich aus Hochterrassen und darauf erbau- y »Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen ten Tempeln. Turm mit einer Spitze bis zum Himmel, und machen wir uns damit einen Namen, dann werden wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen.« Gen 11,4

architektonische Darstellungen des Kosmos, in dessen Zenit die Gottheit ihren Sitz hat. Der Herr, so fährt die biblische Erzählung fort, stieg herab, um sich Stadt und Turm anzusehen, die die Menschenkinder bauten. Er sah voraus, daß dies erst der Anfang ihres Tuns sein würde, nichts mehr würde ihnen unerreichbar sein, und er beschloß, ihre Sprache zu verwirren, damit sie nicht mehr ein Volk mit einer Sprache seien. Mit dieser Erzählung endet die eigentliche Urgeschichte, und es fol- gen in einem neuen Ansatz die sogenannten Erzväter- bzw. Patriar- chenerzählungen. Mit der Verwirrung der Sprachen und der daraus resultierenden Zerstreuung der Menschheit endet die Geschichte Gottes mit der Welt insgesamt. Die Bibel konzentriert sich dann auf die Geschichte Gottes mit Israel. Abrahams Vater Terach, ein Nachkomme Noachs, lebte nach bib- lischer Überlieferung nahe der sumerischen Stadt Ur. Archäologi- schen Befunden zufolge wurden die Städte in Sumer im frühen zwei- ten Jahrtausend beim Einmarsch der Amurriter zerstört. Um diese Zeit mag es gewesen sein, daß Terach die Region verließ und mit sei- ner Familie nach Norden zog.

Palast Die Stadt Ur wurde im Norden Hafen von der großen Zikkurat überragt, dem Tempelturm im Heiligtum des Tempel- Mondgottes Nonna. Der heilige hof Enunmach Bezirk umfaßte außerdem den Zikkurat Königs- Tempelhof, das klosterähnliche Gipar friedhof Gebäude Gipar mit dem Sitz der Oberpriesterin und den Magazin- Palast bau Enunmach. Im Stadtgebiet Häuser N wurden der Königsfriedhof, Paläste Häuser und Wohnhäuser ausgegraben. Ur war von einem Mauerring und Stadt- einem Graben umgeben, dessen Fluß mauer Eufrat Wasser aus dem Fluß Eufrat abge- leitet wurde. Tower of Babel D 06.07.2005 13:21 Uhr Seite 15

Am Anfang 15

Im Vorderen Orient Der Abdruck eines stellt man Ziegel noch assyrischen Zylindersie- 0 200 400 Kilometer N wie vor Jahrtausenden gels zeigt Bauleute bei HETITER her. Lehm wird mit der Arbeit. Hauptbau- Stroh vermengt und zu material in Mesopota- Ziegeln geformt, die in mien waren luftge- A der heißen Sonne ge- trocknete Lehmziegel. S S trocknet oder gebrannt Bitumen oder Erdpech Y R E werden. dienten als Mörtel. Ninive R E u f T r a Ugarit t i g Assur r i s

R Mari E Großes Meer T KASSITEN I E L (Mittelmeer) N A Susa A Babylon Nippur A M

N BABYLONIER I A Jerusalem T K SUMERER Uruk E Hochtempel des Mond- Ur R gottes Nonna, dem das Memphis

Hauptheiligtum von Ur R Unteres E Meer

geweiht war. T (Persischer

P Golf)

Y Wüste

G

Ä Fundorte von Zikkurats Zikkurats wurden nicht nur in Babylonien, sondern auch in Elam und Assyrien erbaut. Orte mit Resten von Tempeltürmen sind rot markiert.

Der Lehmziegelkern des Massivs wurde mit einem Backsteinmantel verschalt und durch vorspringende Pfeiler gegliedert.

Zur Verbesserung der Statik sind die Wände geböscht. Schiefschich- ten und horizontal durch das Massiv gezo- gene Schilftaue sollten ein Auseinanderbersten der Ziegelmassen ver- hindern. Bibel pp016/17 Abraham D 01.07.2005 12:08 Uhr Seite 16

16 Abrahams Wanderungen

Abraham, ein Nachkomme Noachs, lebte – der biblischen Erzählung zufolge – in der Nähe der Stadt Haran in Mesopota- mien, als Gott ihn anwies, er solle aus sei- ner Heimat in das Land Kanaan ziehen. Im Gegenzug verspricht Gott Abraham, daß seine Familie eines Tages ein großes Mesopotamischer und von Gott gesegnetes Volk sein Mann mit Ziege werde. Auf seine Reise nimmt Abraham seine Frau Sara mit, seinen Neffen Lot, seine Knechte und Mägde sowie seine Ziegenherden. Im Lande Kanaan schlagen sie ihre Zelte zuerst in der Halbwüste Negeb auf, werden jedoch durch eine Hun- gersnot weiter nach Süden in Richtung Ägypten getrieben. In der Abrahamserzählung haben sich Erinnerungen der Israeliten an das vorstaatliche nomadische Leben erhalten. Die Patriarchen, Abraham, Isaak und Jakob, werden weitgehend als Esels- bzw. Halb- nomaden dargestellt. Solche Nomadengruppen hielten sich am Rande des kanaanäischen Kulturlandes auf und wechselten ihren Wohnsitz nach den Weidemöglichkeiten. Der Abrahamsbund mit Gott ist innerhalb des Alten Testaments eine erste, bedeutende Iden- r e e y »Ich werde ... deinen Namen gross machen. M Tyrus e s r ) Ein Segen sollst du sein. Ich will segnen, r o ß e e Hazor G l m t t e Schechem Megiddo die dich segnen; wer dich verwünscht, den (M i Joppa N Bet-El A will ich verfluchen. Durch dich sollen alle an d Jerusalem A r o Hebron J Geschlechter der Erde Segen erlangen.« N Gen 12,2–3 Zoan Beerscheba A Pirameses Salzmeer K (Totes Meer) Negeb tifikationsstelle: Von den Erzvätern – allen voran Abraham – leitet sich Israel in seinem Selbstverständnis her, und auf ihn wird aus der Rück- N SINAI schau als Verheißung übertragen, was in einer späteren geschichtli- l chen Situation als erreicht erfahren wird. So wird von ihm schon i N berichtet, daß Gott ihm verheißen habe, ein großes Volk zu werden.

Die Geburt Ismaels Doch ist diese Verheißung von Anfang an in Frage gestellt, denn Sara ÄGYPTEN ist schon betagt und unfruchtbar. In Gen 16 wird dieses Problem Rotes Meer vorläufig gelöst: Sara schickt Abraham (durchaus im Rahmen übli- cher nomadischer Familienordnung) zu ihrer eigenen Magd Hagar. Diese Prozession (unten) mit Men- Abrahams Wanderungen Als diese schwanger wird, verstößt Sara die zur Nebenbuhlerin avan- schen, Schafen, Ziegen und Rin- Zu der Zeit, als Abraham Gottes cierte Hagar. In der Wüste errettet sie ein Engel, und sie gebiert Abra- dern zeigt eine Herde, die Abra- Ruf hörte, lebte er nahe Haran im nördlichen Mesopotamien. Die ham den Sohn Ismael. In Ismael, dem Ahnvater der Ismaeliten, wird ham vermutlich mit nach Kanaan genommen haben könnte. Dieser Bibel berichtet nicht, wie lange die verwandtschaftliche Verbindung Israels zu einem Nachbarvolk Fries stammt aus der Stadt Ur im Abraham dort gelebt hat, erwähnt erzählerisch erklärt. Die eigentliche Verheißung Gottes an Abraham südlichen Mesopotamien, in der aber, daß er bei Ur in Sumer auf- Abraham vor seinem Umzug nach gewachsen und mit seiner Frau aber gilt Sara. Haran lebte. Sara, seinem Vater Terach und sei- nem Neffen Lot nach Norden ge- zogen war. Nachdem Abraham Haran verlassen hatte, führte ihn sein Weg über den Eufrat nach Karkemisch und an Damaskus vor- bei nach Bet-El im Norden Jerusa- lems. Von dort begab er sich nach Süden in den Negeb, aber es gab in der Halbwüste wenig Nahrung für die Tiere. Bald zwang – so die Bibel – der Hunger Abraham dazu, weiter nach Ägypten zu ziehen. Bibel pp016/17 Abraham D 01.07.2005 12:08 Uhr Seite 17

Die Patriarchen 17

Karkemisch MITANNI Aleppo Haran Ninive Alalak M Ebla E S Aschur T i AMURRU E O g LEGENDE u f r r a t P i s Mögliche Route von Mari O Abrahams Reisen T A Damaskus M AKKAD I E Babylon Kisch N Wüste Nippur Susa BABYLONIEN Umma Lagasch Uruk SUMER

Ur Eridu

U n (P t e r e s r e i s s c M h e e r e N G r 0 50 100 150 200 Kilometer o l f)

Die Zerstörung Sodoms In Gen 18–19 findet sich die hatte sich dem göttlichen Gebot, sagenhafte Erzählung vom gött- sich bei der Flucht aus Sodom lichen Gericht an Sodom und nicht umzudrehen, widersetzt. Gomorra. Die beiden Städte Wissenschaftler vermuten, daß sind aufgrund der biblischen Tra- Sodom in der mittleren Bronze- dition zum Inbegriff moralischer zeit durch ein von Gasexplosio- Verderbtheit geworden. nen begleitetes Erdbeben zerstört Ihren Ursprung hat diese Ge- worden ist. schichte wohl darin, die rätsel- hafte Existenz eines verödeten Landstriches mit merkwürdigen geologischen Formationen er- klären zu wollen. Aus den noch heute am Südostufer des Toten Abraham und seine Familie lebten Der legendäre Reichtum von Ur Meeres zu besichtigenden Salz- wohl als Halbnomaden wie heute wird an diesem goldenen Stierkopf säulen wurde die Erzählung von die Beduinen. Sie siedelten sich in deutlich, der eine Leier verziert. der Erstarrung der Frau des Lot einem Gebiet an und zogen dann Dieses Saiteninstrument wurde zu einer Salzsäule inspiriert. Sie weiter, wenn sie neue Weidegründe zur Begleitung von Sängern ver- für ihre Tiere finden mußten. wendet. Bibel 018/19 Abram D 06.07.2005 13:53 Uhr Seite 18

Abrahams Prüfungen

Abraham (hebräisch „Vater der Menge“), der erste der drei Erz- väter Israels, spielt nicht nur im Judentum, sondern auch im Christentum und im Islam eine bedeutende Rolle – die Anhän- ger aller drei Religionen betrachten ihn als ihren Stammvater. In der biblischen Überlieferung stellt Gott Abraham zweimal auf die Probe, und da er sich beide Male als würdig erweist, gilt er auch als Vater des Glaubens. Die erste Prüfung betrifft den Glauben. Dem Halbnomaden Abraham, der seine Heimat in der Nähe von Ur verlassen und sich in Mamre bei Hebron angesiedelt hat, wird von Gott in Gen 15 nicht nur ein Sohn verheißen, sondern Nachkommenschaft „so zahlreich wie die Sterne“. Trotz seiner Kinderlosigkeit und des hohen Alters seiner Frau Sara, die an anderer Stelle über die Verheißung lacht (Gen 18,14–15), glaubt Abraham dem Herrn. Die zweite Prüfung in Gen 22 betrifft Abrahams Gehorsam. Der

Herr befiehlt ihm, seinen Sohn Isaak zu opfern. Ohne zu zögern, begibt sich Abraham mit Isaak am nächsten Morgen auf die Reise zu dem Ort, den Gott dafür bestimmt hat. Als Isaak wissen will, wo denn das Opferlamm sei, antwortet Abraham auswei- chend, daß der Herr sich das Lamm aussuchen werde. An- schließend errichtet er den Altar, fesselt seinen Sohn und nimmt das Messer, um ihn zu töten. Da ertönt die Stimme eines Engels und gebietet ihm Einhalt. Im selben Augenblick sieht Abraham, 2 daß sich ein Widder mit seinen Hörnern im Gestrüpp verfangen hat, und opfert diesen anstelle seines Sohnes. Daraufhin ver- spricht Gott seinem gehorsamen Diener, alle Völker der Erde durch seine Nachkommen zu segnen. Gen 22 bietet ein fragwürdiges Gottesbild. Daß Jahwe von Abraham die Opferung seines Sohnes verlangt, ist durchaus anstößig. Gemildert wird dies, wenn man berücksichtigt, daß die Erzählung kein historisches Geschehen schildert, sondern ursprünglich den Ersatz von Menschen- durch Tieropfer erklären will und so gesehen eine zutiefst humane Tendenz hat.

Oben: Abraham bereitet die 1. Die Große Moschee von He- Opferung Isaaks vor. Mosaik bron; Abrahams Begräbnisstätte. (Synagoge von Beth Alfa, Israel). 2. Salzgebilde am Toten Meer. Hintergrund: Die judäische 3. Goldener Stierkopf aus Ur. Wüste südlich von Hebron. 4. Schafherde in der Wüste. Karte: Gegend bei Hebron, wo 5. Tonpfeiler samt Namen Abra- Abraham lebte. hams und seiner Nachkommen. 1 Bibel 018/19 Abram D 06.07.2005 13:54 Uhr Seite 19

35° O 35° 30' O 32°N N

Jerusalem

S a l z - Mamre m e e r

31° 30'N Hebron (T o t e s

M e e r )

0 5 10 15 Kilometer

5

3 4 Bibel 020/21 Jacob D 06.07.2005 13:37 Uhr Seite 20

20 Jakobs Reise

Die genealogische Verbindung der Erzväter im Buch Genesis sieht vor, daß Isaak als Sohn Abrahams noch zu Lebzeiten seines Vaters (und im eige- nen Alter von 40 Jahren) Rebekka, eine Verwandte aus der nahegelege- nen Ortschaft Haran, heiratet. Rebekka gebiert Isaak schließlich Zwil- Ägyptische Grabmalerei: linge: Esau, den ungestümen Erstge- semitische Händler borenen und Liebling des Vaters, und den stilleren, klügeren Jakob, den die Mutter Rebekka vorzieht. Schon während die beiden ungleichen Brüder – sie stehen für zwei sich befehdende Völker, die sich ihrer Verwandtschaft trotzdem bewußt sind: Jakob für Israel, Esau für Edom – heranwachsen, kommt es Kanaanitische Keramik mit Zier- immer wieder zu heftigen Streitigkeiten zwischen ihnen. mustern (ca. 1500–1200 v. Chr.). Offene Feindschaft bricht aus, als sich Jakob von Esau das Erstge- Ganz ähnlich hat wohl das burtsrecht für ein „Erbsenmus“ abtreten läßt. Später bringt er seinen Geschirr ausgesehen, das Jakob und die Seinen benutzten. Bruder sogar um den väterlichen Segen. Der alte und blinde Isaak bit-

Jakobs Reiseweg Der biblische Bericht enthält keinen y »Ein Volk, eine Schar von Völkern soll Hinweis auf die exakte Route der H aus dir hervorgehen, Könige sollen deinen Reise nach Haran und zurück. Es ist aber wahrscheinlich, daß Lenden entstammen. Das Land, das ich Abra- Jakob eine der Haupthan- delsstraßen zwischen ham und Isaak gegeben habe, will ich dir Kanaan und Mesopo- geben, und auch deinen Nachkommen will tamien benutzt hat. ich es geben.« Gen 35,11–12 Elat

tet Esau, ihm ein Mahl zu bereiten, um ihn danach zu segnen. Aber Jakob bringt ihm vorher, eingefädelt von der Mutter Rebekka, ein Essen ans Lager. Mißtrauisch berührt Isaak seinen Sohn, der sich Zie- genfelle übergestreift hat, um auf den Vater wie sein stark behaarter Bruder Esau zu wirken. Isaak segnet den falschen Sohn. Esau will des- halb Jakob töten. Rebekka schickt ihren Lieblingssohn daraufhin nach Haran. Außerdem hofft sie, er werde dort eine Frau finden. Schon der Anfang der Jakobsgeschichte läßt erkennen, daß Jakob als komplexe Persönlichkeit zur Darstellung gebracht wird. Ist Abra- ham der Vater des Glaubens und als Erzvater darin Vorbild für Israel, wie es sein soll, so wird Jakob als „Gauner“ geschildert und korre- spondiert so mit dem Israel, wie es ist. Aber obwohl sich Jakob eigent- lich gegenüber der Verheißung Jahwes an ihn als zu klein erweist, was er in Gen 32,11 auch selbst zugeben muß, so bleibt die Verheißung an ihn doch in Kraft. Er wird zwar von Gott geschlagen (Gen 32,23- Mesopotamische Kunst 33), geht lädiert aus der Auseinandersetzung mit ihm hervor, aber er Diese feingearbeitete Alabaster- bleibt doch am Leben und Sohn der Verheißung. In dieser Darstel- figur des Verwaltungsbeamten lung ihres Ahnherrn kann sich auch das Israel der Exilzeit wiederfin- Ebih-il (rechts) aus dem Isch- tar-Tempel von Mari war ein den, dem die Geschichte von Jakob zur Hoffnung auf Zukunft mit Weihegeschenk an die Gottheit Gott Anlaß gibt. Ninni-Zaza. Die Stadt Mari im nordwestlichen Mesopotamien war zur Zeit der Flucht Jakobs Jakobs Reise nach Haran der wichtigste Auf seiner Reise nach Haran träumt Jakob von einer Leiter, die bis zum Handelsort in der ganzen Re- gion. Mari und Haran lagen Himmel reicht. Engel steigen auf und nieder; ganz oben an ihrem Ende beide an den Hauptrouten, die steht Gott selbst und verspricht, er werde Jakobs Nachkommen alles um- Mesopotamien mit den Ort- schaften weiter im Westen ver- liegende Land schenken, ihn auf seiner Reise beschützen und sicher banden. zurück nach Kanaan führen. Wieder erwacht, gibt Jakob dem Ort den Bibel 020/21 Jacob D 06.07.2005 13:38 Uhr Seite 21

Die Patriarchen 21

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at hr Eup Karkemisch (Aleppo)Halab Haran

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A s G r DD o ß Hamat AR AN e s AM - ( M M i t e e Qatna t e r l m r bu e e Ha r ) M E S

O Hazor Mari P Megiddo Damaskus O T

Dotan A n D Eufrat Schechem a A Aschtarot d E M r IL o Schilo J SukkotG I Jerusalem Ramot-Gilead E

Penuel N Hebron Jab Bet-El b ok Betlehem Mahanajin N A NA Salzmeer KA (Totes Meer) Beers EDOM cheba

Figuren einer Fruchtbarkeitsgöttin

Namen Bet-El („Haus Gottes“) und richtet zum Ge- denken daran einen gesalbten Stein auf. In Haran lernt Jakob Rahel, die jüngere der Töchter seines Onkels Laban, LEGENDE kennen und verliebt sich in sie. Laban verspricht sie ihm zur 0 Jakobs Reisen 50 Frau unter der Bedingung, daß Jakob sieben Jahre als Hirte für 100 ihn arbeite. Doch betrügt Laban seinen Neffen und verheiratet ihn 150 Kilometer durch eine List mit seiner älteren Tochter Lea. Als Jakob protestiert, erklärt sich Laban bereit, ihm auch die jüngere Tochter zu überlassen, aber dafür solle Jakob noch einmal sieben Jahre dienen. Der nutzt die Zeit, um seinen eigenen Viehbestand zu vermehren, und kehrt danach mit Frauen, Kindern und großer Herde nach Kanaan zurück. Jakob muß nun seinem Bruder Esau gegenübertreten, vor dem er immer noch große Angst hat. Die Nacht vor dem Wiedersehen verbringt er allein: Im Schlaf erscheint ihm ein geheimnisvoller Fremder und ringt mit ihm bis zum Morgen, kann ihn aber nicht besiegen. Der Fremde, ein Engel Gott- es, gibt Jakob den Namen Israel, das heißt „Gottesstreiter“, weil er mit Gott und den Menschen gekämpft hat und siegreich geblieben ist. Ja- kob und Esau versöhnen sich am nächsten Tag bei ihrem Zusammen- treffen, und Jakob zieht in Frieden weiter. Bibel pp022/23 Joseph D 06.07.2005 13:47 Uhr Seite 22

22 Josefs Fall und Aufstieg

Die Geschichte von Josef (Gen 37–50), Der Pharao ist so beeindruckt, daß er Josef gewissermaßen zum ein frühes Stück Weltliteratur, ist eine Wirtschaftsminister des Reiches macht. Während der Zeit der guten weitgehend selbständige Überliefe- Ernten läßt Josef riesige Mengen Korn einlagern. In den Dürrejahren rungseinheit, die wohl zu dem Zweck werden die Speicher geöffnet und das Getreide an die Bevölkerung in den Text hineinkomponiert wurde, verteilt. um die Erzählungen von den Patriar- Auch das Land Kanaan ist von der Dürre betroffen, und so reisen chen bzw. Erzvätern und die Geschich- schon bald Josefs Brüder, von der Not getrieben, nach Ägypten, um ten vom Exodus miteinander zu verbin- dort Getreide zu kaufen. Josef, den sie nicht erkennen, fragt sie den. Josef erscheint im genealogischen zunächst über die Geschicke der Familie aus und gibt schließlich Josef träumt – aus einer Schema als Sohn Jakobs und dessen seine Identität preis. hebräischen Handschrift Frau Rahel und ist der Liebling seines Die Erzählung mündet in eine theologische Pointe, nämlich in Vaters. Als der ihm eines Tages ein kostbares Festtagsgewand den Gestus großmütigen Verzeihens, das „gläubig“ begründet wird: schenkt, einen bunten „Ärmelrock“, werden seine elf Brüder nei- Josef weiß, daß Gott ihn nach Ägypten geführt hat, um die Seinen disch. Josef verschlimmert die Sache noch, indem er ihnen von zwei vor dem Hunger zu retten. Mit Erlaubnis des Pharaos läßt Josef seine Träumen erzählt: Im ersten sind die zwölf beim Garbenbinden auf ganze Familie nach Ägypten kommen und sich „in der Landschaft dem Feld, da verneigen sich die Garben der Brüder tief vor Josefs Goschen“, wahrscheinlich in der Gegend des östlichen Nildeltas Garbe. Im zweiten Traum verneigen sich elf Sterne und sogar Sonne gelegen, ansiedeln. und Mond, in denen er Vater und Mutter erkennt, vor Josef. Damit ist die Verbindung zwischen Vätererzählungen Die Erzählung von dem Traum steigert die Eifersucht der Brüder und der Exodustradition hergestellt. Israel ist in Ägyp- zu mörderischem Haß. Eines Tages beschließen die elf, Josef umzu- ten angekommen. bringen. Dank einer zufällig vorüberziehenden Karawane bleibt Josef T am Leben, denn die Brüder verkaufen ihn gegen ein Entgelt von P Die Herrschaft der Hyksos zwanzig Silberstücken in die Sklaverei. Josefs Gewand tauchen die Möglicherweise bezieht sich die Y Josefsgeschichte auf die Zeit nach 1700 v. Chr., als die aus Vorder- G y »Sieben Jahre kommen, da wird grosser asien stammenden Hyksos Ägypten Ä beherrschten. Jedenfalls würde dies El-Aschmunein Überfluss in ganz Ägypten sein. Nach ihnen den Umstand erklären, daß ein Nichtägypter oberster Minister aber werden sieben Jahre Hungersnot her- des Landes wurde. Die Karte zeigt das Herrschaftsgebiet aufziehen: Da wird der ganze Überfluss in 0 der Hyksos und die Han- 50 Ägypten vergessen sein ...« delsroute, auf der Josef 100 Gen 41,29–30 nach Ägypten gelangt 150 Kilometer sein könnte. Brüder in Ziegenblut und schicken es dem entsetzten Vater, der überzeugt ist, ein wildes Tier habe seinen Lieblingssohn zerrissen. In Ägypten kauft Potifar, der Kommandeur der Leibwache Pha- raos, den Hebräersklaven und macht ihn schon bald zum Verwalter seiner Güter. Potifars Frau versucht, den schönen Sklaven zu ver- führen, doch der bleibt standhaft. Erbittert beschuldigt sie ihn bei Potifar der versuchten Vergewaltigung. Der läßt Josef ins Gefängnis werfen. Dort deutet Josef die Träume zweier Mithäftlinge, die früher hohe Hofämter bekleidet hatten. Dem Oberbäcker Pharaos sagt er voraus, er werde hingerichtet werden, dem Mundschenk dagegen, er werde bald die Gunst seines Herrn wiedererlangen. Zwei Jahre später hatte der Pharao zwei sonderbare Träume, die seine Wahrsa- ger nicht deuten konnten. Da erinnerte sich der Mundschenk wieder an seinen Leidensgenossen im Gefängnis, und Josef wird eilig vor Pharaos Thron gebracht. Im ersten Traum grasen sieben wohlgenährte Kühe im Riedgras am Nil, als sieben ausgemergelte Kühe dem Fluß entsteigen und sie verschlingen, jedoch so mager bleiben wie zuvor. Im zweiten Traum sieht der Pharao sieben pralle Ähren, die von sieben kümmerlichen Getreideernte – ägyptische Grab- Brot aus Emmer war das Haupt- verschlungen werden. Ohne Zögern deutet Josef diese Träume als malerei. Es wurden hauptsächlich nahrungsmittel der Menschen Warnung vor sieben Hungerjahren, die auf eine Periode der Fülle fol- Gerste, Weizen, Emmer und Ein- im Alten Ägypten. Diese Tonstatu- gen würden. Er schlägt vor, in den guten Jahren Vorräte anzulegen, korn angebaut. Fleisch war ein ette zeigt einen knienden Mann Luxus, den sich nur die Reichen (möglicherweise einen Müller) um einer Hungersnot in den schlechten Jahren vorzubeugen. leisten konnten. beim Kornmahlen. Bibel pp022/23 Joseph D 06.07.2005 13:47 Uhr Seite 23

Die Patriarchen 23

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G r o ß e ( s M i M t t e l e m e e r e r )

Buto Bet-Schean S E S T Dotan ee G W Sais O Schechem enn S esa N D E T Joppa ret D E L T A L Aschkelon T A D E Bubastis Tanis A E Athribis Beerscheba I L OS Sile LachischJerichoG Ro-waty-G CHE Memphis N Hebron Avaris U N On(Heliopolis) E N) H A Salz C A (To mee S N tes r Herakleopolis KA Meer) ET ( R l N i

S I N A I

LEGENDE Grenze des Reiches der Hyksos R o Kanaan unter dem Einfluß der Hyksos t Route der Hyksos M e e s Josefs Reise von Hebron nach Dotan e r Route der midianischen Händler

Der Wesir des Pharaos, oberster schen Getreidespeicher: Eine Frau Beamter des Reichs, sitzt vor einem mahlt Weizen, ein Schreiber führt Tisch mit Lebensmitteln (rechts). Buch über den Lagerbestand. Josef Josef wurde zum Wesir ernannt, – so sagt es die Legende – organi- nachdem er den Pharao mit seiner sierte in den sieben fetten und den Fähigkeit, Träume zu deuten, be- sieben mageren Jahren die Vorrats- eindruckt hatte. Das Tonmodell haltung und die Versorgung der (rechts oben) zeigt einen ägypti- Menschen mit Lebensmitteln. UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Marcus Braybrooke, James Harpur Der große Bibelatlas Mit 450 Fotos, Zeichnungen und Landkarten

Gebundenes Buch, Pappband, 144 Seiten, 24,0 x 32,0 cm ISBN: 978-3-8094-8001-3

Bassermann

Erscheinungstermin: November 2010

Die Bibel in Bildern - von der Erschaffung der Welt bis zur Offenbarung des Johannes

Die Welt der Bibel - von der Erschaffung der Welt bis zur Offenbarung des Johannes - wird in diesem reich bebilderten Band eindrucksvoll nachgezeichnet. Farbige, dreidimensional gestaltete Zeichnungen und Landkarten machen mit Grenzverläufen, Länder- und Ortsnamen vertraut und lassen die biblischen Feldzüge, Wanderungen von Völkern und Reisen biblischer Gestalten nachvollziehen. 3D-Rekonstruktionen bedeutender Ortsanlagen, Gebäude und Ausgrabungsfunde führen vor Augen, wie die Menschen zu jener Zeit gelebt haben. Ergänzt wird die historische Bestandsaufnahme durch Zeittafeln und viele Fotos, die die Ausgrabungsorte und biblischen Landschaften zeigen.