SCHRIFTENREIHE UMWELT NR. 237

Gewässerschutz

Der Zustand der Seen in der Schweiz

Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft BUWAL

SCHRIFTENREIHE UMWELT NR. 237

Gewässerschutz

Der Zustand der Seen in der Schweiz

Herausgegeben vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft BUWAL Bern, 1994 Impressum

Autor: Paul üechti, BUWAL, Abteilung Gewässerxhutz und Fischerei

Fotos: @ Herbert Mdder, 9038 Rehetobel Foto Genfersee: @ Michel Chevalley, 1604 Puidoux Luftaufnahmen: @ COMET Photo AG, 8023 Zürich Lageskiien der Seen: Bundesamt für Statistik, GEOSTAT Bundesamt für Landestopographie, Kartenausschnitte reproduziert mit Bewilligung vom 20.9.1994 (0-2177) Layout: HYDRA, Postfach 605,3000 Bern 25 zu beziehen bei: BUWAL. Dokumentationsdienst, Hallwylstr. 4,3003 Bern Inhalt

Abstracts ...... 2 Vorwort ...... 3 1. Einleitung ...... 5 2. Zur Limnologie von Seen ...... 7 2.1 Was ist ein See? ...... 7 2.2 Wie entstehen Seen? ...... : ...... 8 2.3 Wasser und seine besonderen Eigenschaften ...... 8 2.4 Seen als Teile des globalen Süsswasserreservoirs ...... 9 2.5 Wasservorräte der Schweiz ...... 10 2.6 Wärrnehaushalt und Schichtung ...... 10 2.7 Stoffhaushalt ...... 11 2.8 Die Schlüsselrolle des Phosphors ...... 12 2.9 Die Rolle des Stickstoffs ...... 13 2.10 Überdüngung ...... 13 3 . Schutz. Sanierung und Restaurierung von Seen ...... 16

3.1 . Ziele des Gewässerschutzes ...... 16 3.2 See-externe Massnahrnen ...... 16 3.3 See-interne Massnahrnen ...... 17 4 . Der Zustand der grösseren. natürlichen Seen ...... 18 4.1 Früherer Zustand ...... 20 4.2 Aktueller Zustand ...... 20 4.3 Hinweise auf den zukünftigen Zustand ...... 21 4.4 Liste der beschriebenen Seen ...... 22

6 . Bodensee ...... 33 7 . Lac de Neuchatel ...... 41 8 . Lago Maggiore ...... 47 9 . Vierwaldstättersee ...... 53 10. Zürichsee ...... 61 1 1 . Lago di Lugano ...... 69 12. Thunersee ...... 77 13 . Bielersee ...... 83 14. Zugersee ...... 91 15. Brienzersee ...... 97 16. ...... 103 17. Murtensee ...... 109 18. Sempachersee ...... 115 19 . Hallwilersee ...... 123 20 . Greifensee und Pfäffikersee ...... 131 21 . Sarnersee ...... 139 22 . Ägerisee ...... 143 23. Baldeggersee ...... 149 Erläuterung der Fachbegriffe ...... 156 Zeichnungen der Plankton-Organismen (Legende) ...... 159 Der Zustand der Seen in der Schweiz

Abstracts

Mit der Bevölkerungsentwicklung, und Dans de nombreux lacs suisses, les ap- dem wirtschaftlichen Aufschwung nach ports eIev6s de polluants et de matieres 1945 nahm die Belastung vieler Seen nutritives dus A I'augmentation de la mit Schmutz- und Nährstoffen stark zu. population et A I'essor economique que Die Folgen einer erhöhten Nährstoffzu- nous avons connus a partir de 1945 fuhr, insbesondere des Phosphors, sind verstärk- ont eu des effets deptorables sur la qualitt5 des tes Algenwachstum, das sich oft in stinkenden eaux. Les exces de nutriments, de phosphore Algenteppichen manifestiert, und Sauerstoff- surtout, favorisent la croissance des algues, un mange1 im Tiefenwasser. Der Lebensraum der phenomene se manifestant frequemment sous la Pflanzen und Tiere im See wird dadurch einge- forme d'un tapis d'algues nauseabondes 2 la sur- schränkt. Am Beispiel der grössten natürlichen face de I'eau, et occasionnent un manque Seen wird die Belastungsproblernatik wie auch d'oxygene dans les couches profondes. Par der Erfolg von Gewässerschutrmassnahrnen auf- consgquent, I'espace vital indispensable 2 la gezeigt. croissance des vegetaux et des animaux lacu- Die Ursache für eine weiterhin zu grosse Bela- stres diminue. stung einiger Seen des schweizerischen Mittel- Afin d'illustrer aussi bien le problerne de la pollu- landes ist vor allem bei den diffus verteilten tion des eaux que le succ&s des mesures prises Nährstoffquellen zu suchen und kann meist auf pour les proteger, le present ouvrage dgcrit I'etat zu grossen oder unsachgemässen Einsatz natürli- actuel de vingt des plus grands lacs naturels de cher und künstlicher Düngestoffe zurückgeführt Suisse. werden. Aujourd'hui, la charge polluante de certains lacs Die Übersicht über 20 Seen wird durch eine kur- du Plateau reste trop 6lev6e. La cause en rkside ze Einführung in die Limnologie ergänzt. principalement dans les apports diffus de ma- tieres nutritives qui proviennent en general d'une utilisation trop genereuse ou inadequate d'en- grais naturels ou chimiques. Le tour d'horizon est complet6 par Une courte in- troduction A la limnologie.

@$$@$$@ L'incremento demografico e lo sviluppo The population increase and economic .,.x,..,,y ..P...... ,..X ...... X ...... X ,...... ,,.. g&>s~2 economico ed industriale hanno fatto growth which characterised the post- war period also resulted in a sg&i3w.s $q$&$ES$ aumentare, da1 1945 ad oggi, in modo (1945-) $@@$$@4 considerevole il carico di sostanze considerable increase in the contamina- $$$sp~;5~~~$~nutritive e inquinanti di molti dei nostri tion of many lakes by various pollutants laghi. Le conseguenze di questo apporto ecces- and nutrient substances. The increased nutrient sivo di sostanze nutritive, in particolare di fosfo- input, in particular of phosphorus, causes algae ro, sono la crescita sfrenata di alghe, spesso evi- to grow at a faster rate, often creating malo- denziata dalla presenza di veri e propri tappeti di dorous algae "carpets" at the surface, and pro- alghe galleggianti e rnaleodoranti, e la carenza di ducing oxygen deficiency in the deeper waters. ossigeno nelle aque profonde. Lo spazio vitale This reduces the viable habitat for the flora and della flora e della fauna del lago ne risulta lirni- fauna. The nature of the pollution problems, and tato. Prendendo ad esernpio i grandi laghi natu- the success of water protection measures, are rali, vengono analizzati i problemi posti da un tale demonstrated by means of examples from the carico e viene fatto un bilancio sull'efficacia delle largest natural lakes. misure di protezione delle aque finora adottate. The cause of the still excessive pollution of a La cause del fatto che per alcuni laghi del1Altipia- number of lakes in the central pan of Switzer- no svizzerio il carico continua ad essere troppo land is to be sought chiefly in the diffuse distri- elevato vanno ricercate soprattutto nella grande bution of the nutrient sources, and is to be bla- diffusione delle fonti di sostanze nutritive, impu- med for the most part on immoderate and inap- tabile, nella maggior parte dei casi, all'impiego propriate use of natural as well as chemical ferti- non corretto ed eccessivo di fertilizanti naturali e lisers. chimici. A few introductory remarks on limnology accom- II resoconto che concerne 20 laghi A completato pany this brief survey of 20 lakes. da una breve introduzione sulla limnologia. Vorwort

Vorwort

Die Schweiz ist ein seenreiches Land. Auch der letzten Jahre aber gezeigt hat, ist der diesbe- wenn nur die grösseren stehenden Gewässer von zügliche Erfolg nicht nachhaltig. Das Auftreten mindestens 10 ha Oberfläche berücksichtigt von z.T. giftigen, reduzierten Substanzen wird werden, können bereits mehr als 70 natürliche dadurch aber weitgehend verhindert und den Seen und rund 100 Speicherseen gezählt wer- höheren Wasserorganismen, vor allem Fischen, den. Die Seen beeinflussen über die Fähigkeit, wird durch ein besseres Sauerstoffangebot das Wärme zu speichern, nicht nur das lokale Mi- Überleben gesichert. kroklima, sondern charakterisieren dank ihrer natürlichen Schönheit und dank den vielfältigen Der Schutz der Seen ist zu einer Daueraufgabe Lebensformen im Wasser und an den Ufern auch geworden. Die in den Einzugsgebieten umgesetz- für grosse Teile der Schweiz das Landschafts- ten Nährstoffmengen sind meist nach wie vor bild. viel zu gross. Nur eine Reduktion an den Quellen könnte die heute dauernd notwendigen Aufwen- Mit der Bevölkerungsentwicklung und dem wirt- * dungen, zu denen auch die Abwasserreinigung schaftlichen Aufschwun~nach 1945 nahm die gehört, verringern. Belastung vieler Seen mit Schmutz- und Nähr- stoffen stark zu. Die Folgen einer erhöhten Nähr- Das vorliegende Buch will am Beispiel der zwan- stoffzufuhr, insbesondere Phosphor, sind ver- zig grössten natürlichen Seen der Schweiz über stärktes Algenwachstum, das sich oft in stinken- Probleme und Erfolge im Gewässerschutz infor- den Algenteppichen manifestiert, und Sauerstoff- mieren. mange1 im Tiefenwasser. Der Lebensraum der Pflanzen und Tiere im See wird daduch einge- Abteilung Gewässerschutz und Fischerei schränkt. Der Chef: Seen sind keine abgeschlossenen und selbstän- digen Einheiten; sie stehen in intensiver Bezie- hung zur Umgebung, in die sie eingebettet sind. Die Sanierung kranker Seen kann deshalb nur Dr. H.C_W-~ U. Schweizer erreicht werden, wenn auch das Einzugsgebiet einbezogen wird. Mit dem Ausbau der Abwas- serreinigung konnte die Belastung der meisten Seen in den letzen 15 Jahren wieder deutlich verringert werden. Bei einigen Mittellandseen ist die im Einzugsgebiet mit Düngestoffen ausge- brachte Phosphormenge aber so gross, dass nicht nur die Seen selbst noch immer zu stark belastet werden, sondern dass auch die Böden mit diesem Algennährstoff angereichert werden. Auch nach der Einführung einer umweltgerech- ten Düngung oder sogar einem Düngeverbot wäre wegen dieser Depotbildung noch während Jahren mit grösseren Phosphorfrachten aus die- sen Einzugsgebieten zu rechnen.

Seit über zwanzig Jahren wird versucht, den Zustand der überdüngten Seen auch mit seein- ternen Massnahmen zu verbessern. Durch Einlei- ten von nährstoffarmem Wasser oder Ableiten von nährstoffreichem Tiefenwasser wird der Nährstoffgehalt direkt beeinflusst. Zirkulationsun- terstützung im Winter und Belüftung mit Sauer- stoff im Sommer sollen indirekt auf den Phos- phorgehalt wirken, indem sie dessen Rücklösung aus den Sedimenten - die interne Düngung - über eine Sauerstoffanreicherung des Tiefenwassers verringern oder unterbinden. Wie die Erfahrung Der Zustand der Seen in der Schweiz

Dank

Die verwendeten Daten stammen aus Messungen und Berichten internationaler Kommissionen, die den Schutz der grossen, grenzübergreifenden Gewässer zum Ziel haben, kantonaler Gewässer- schutzfachstellen sowie der EAWAG, der LHG, der Wasserverso~gungZürich und einiger Institu- te an den Universitäten Bern, Genf und Zürich. Unser besonderer Dank geht deshalb an alt jene, die mit ihrem grossen Einsatz dieses Buch erst möglich machten. 1. Einleitung

1. Einleitung

Die Einführung des Wasserklosetts und der von biologischen Abwasserreinigungsanlagen. Schwemmkanalisation Ende des letzten Jahrhun- Die erste solche Anlage wurde 1916 bei St. Gal- derts war eine Pionierleistung aus hygienischer len in Betrieb genommen. Sicht. Viele Krankheiten und Epidemien konnten auf diese Weise eingedämmt oder verhindert Als sich in den vierziger Jahren der Gewässer- werden. Durch diese neu eingeführte Entwässe- zustand der Fliessgewässer und Seen in der rung aus Siedlungsgebieten gelangte das Ab- Schweiz zunehmend verschlechterte, versuchten wasser aus den Häusern, Industriebetrieben und Bund und Kantone Gegensteuer zu geben. Natio- dem Gewerbe auf kürzestem Wege in die Fliess- nalrat Paul Zigerli trat 1944 in einem Postulat für gewässer und Seen. den Ausbau der damals geltenden Bundesrechts- ordnung zum Schutze der Gewässer gegen Ver- Das Selbstreinigungsvermögen der Gewässer ge- unreinigung ein. Es dauerte aber noch bis zum nügte bald nicht mehr, es zeigten sich nachteilige Jahre 1953, bis ein Gewässerschutzartikel in die Veränderungen: trübes Wasser, Schaum, Mas- Bundesverfassung aufgenommen wurde. 1957 senentwicklungen von Pflanzen und Mikroorga- trat das auf diesem Artikel beruhende Gewässer- nismen, aufrahmende Algen, negative Verände- schutzgesetz in Kraft. rungen im Fischbestand. Steinmann und Surbeck z.B. fanden am 12. März 1917 im Rhein bei der In den Nachkriegsjahren setzte sich die Erkennt- Basler Gasfabrik schlimme Zustände: "Das weiter nis allgemein durch, dass nebst einer rein mecha- oben schon trübe Wasser führt viele treibende nischen auch die biologische Reinigung der Flocken und Papierfetzen. Zwischen den Steinen Abwässer unumgänglich sei. Mit der Einführung hängen zahlreiche Därme, und eine Strecke weit genereller Bundesbeiträge an Abwasserreini- vom Einlauf der Schlachthausabwässer ist das gungsanlagen ab 1960 begann der bauliche Ge- Wasser von Blut gefärbt. Das spärliche Moos auf wässerschutz auf breiter Basis. den Steinen ist meist abgestorben und von Un- ratfetzen verdeckt." Als Folge des wirtschaftlichen Aufschwungs in den fünfziger und sechziger Jahren und der Die Fischer waren die ersten, welche diese Ent- damit verbundenen zusätzlichen Gewässerbela- wicklung erkannten. Das Bundesgesetz über die stung wurde die Abwasserreinigungstechnik wei- Fischerei von 1888 enthielt erste Vorschriften ter verbessert; die Phosphorelimination mittels über die Reinhaltung der Gewässer. Einige Kan- Fällung bzw. Flockung war der nächste Schritt tone begannen bereits sehr früh mit dem Bau (dritte Reinigungsstufe).

Gewässerschutz in der Schweiz Ausbau der Abwasserreinigung

1944 Postulat von Paul Zigerli 19 16 erste biologische Abwasserretnigungs- anlage in St. Gallen 1953 Gew~sserschutzartikelin der 1960 Subventionierung durch den Bund: Verfassung Ausbau des baulichen Gewässerschutzes auf breiter Basis 1955 (1957) 1. Gewässerschutzgesetz ab 1977 Reduktion des Phosphatgehaltes in den 1971 Umwettschutzartikel in der Textilwaschmitteln über Vorschriften Verfassung bezüglich der Waschlauge Reduktion der P-Gehalte im Auslauf 1 97 1 (1972) 2. Gewässerschutzgesetz der Abwasserreinigungsanlagen im Einzugsgebiet der Seen 1975 Verordnung über Abwassereinlei- tungen 1977 auf1 mgP/I und 1985 auf 0,8 mg Pli 1983 (1985) Umweltschutzgesetz 1985 Phosphatverbot in Textilwaschrnitteln, Übergangsfrist bis 1.7.1 986 1984 (1992) 3. Gewässerschutzgesetz 1989 Reduktion der P-Gehalte im Auslauf der 1986 Verordnung über umweltgefähr- Abwasserreinigungsanlagen im Einzugs- dende Stoffe gebiet des Rheins auf 0,8 mg P/\ Der Zustand der Seen in der Schweiz

Die Abwässer von Industrie, Gewerbe und Bevöl- Literatur kerung nahmen seither sowohl in der Menge als auch im Verschmutzungsgrad weiter zu. Die drei - Anonymus, 1952: Gewässerschutz und Reinigungsstufen (mechanisch, biologisch, Phos- Abwasserreinigungsanlagen, Verlag Baublatt phorfällungl genügten oft nicht mehr und müs- AG, Rüschlikon-Zürich. sen durch weitere Massnahmen ergänzt werden. - Kummert, R. und W. Stumm, 1988: Gewässer Vermehrt wird deshalb heute versucht, die Bela- als Ökosysteme, Grundlagen des Gewässer- stung schon an den Quellen, welche Luft, Boden schutzes, Verlag der Fachvereine Zürich. und Wasser miteinschliessen, zu reduzieren. Ein Schritt in dieser Richtung ist das am 1. Juli 1986 - Steinmann, P. und G. Surbeck, 191 8: Die Wir- wirksam gewordenen Verbot von phosphathalti- kung organischer Verunreinigungen auf die gen Textilwaschmitteln; dadurch wurde der Fauna schweizerischer Fliessgewässer. Phosphorgehalt im häuslichen Rohabwasser um Schweiz. Departement des Innern, Inspektion ca. 30% verringert. für Forstwesen, Jagd und Fischerei.

Die Verunreinigung mit Spuren künstlicher orga- nischer Verbindungen hat infolge des starken Anstieges im Verbrauch dieser Substanzen ab den fünfziger Jahren auch in den Gewässern zugenommen. Noch vor wenigen Jahren waren die Gehalte zahlreicher Verbindungen zuminde- stens zeitweise eindeutig messbar. Nebst Verbo- ten und Einleitungsbeschränkungen, die durch die Behörden festgelegt wurden, hat die Industrie auch in Eigenverantwortung Produktionsprozesse ein- oder umgestellt. Ausser den häufigst ver- wendeten, chtorierten Lösungsmitteln liegen heu- te nur noch wenige, weit verbreitet eingesetzte Pestizide über der Erfassungsgrenze, die dank der modernen chemischen Analytik sehr klein ist, meist kleiner als 0,1 pg/l, häufig sogar kleiner als 0,02pgll.

Die enormen Anstrengungen im Gewässerschutz (bis 1992 Ca. 35 Mia Franken) rufen nach einer Erfolgskontrolle. Die Oberflächengewässer müs- sen in langdauernden Messprogrammen über- wacht werden; nur so können anstehende Pro- bleme und Fehlentwicklungen erkannt und ange- gangen werden. Die meisten grösseren natürli- chen Seen werden deshalb regelmässig che- misch, physikalisch und biologisch untersucht. Die Entwicklung ihres Zustandes lässt sich zumeist über eine längere Zeitperiode zurückver- folgen. Das damalige Bundesamt für Umwelt- schutz entschloss sich 1984, den Zustand dieser Seen in einer Artikelserie zu beschreiben, um die Erfolge und Probleme im Gewässerschutz wei- teren Kreisen zugänglich zu machen. Die Nach- frage nach diesen Seeberichten ist so gross, dass sie nun aktualisiert, überarbeitet, ergänzt und als Euch zusammengefasst vorgelegt wer- den. 2. Zur Limnologie von Seen

2. Zur Limnologie von Seen

2.1 Was ist ein See? ' Der Einfluss der Uferzone auf den See und dessen Zustand wird häufig unterschätzt; ins- Nach dem berühmten Limnologen des 19. Jahr- besondere die Flachwasserzone stellt ein gros- hunderts, A. Forel, ist ein See "ein Reservoir, in sec Regenerationspotential dar. Hier treffen dem sich Wasser aus oberirdischem Abfluss Boden (Seegrund), Luft und Wasser zusam- sammelt, in einer Senke im Boden, in einem Bek- men und bilden einen Bereich mit günstigen ken ausgebildet irn Erdmantel oder gestaut hinter Eigenschaften für viele Tiere und Pflanzen. Die einem Damm". Zur Abgrenzung gegenüber Tei- Stressfaktoren Wind, Wellen und Seespiegel- chen, Weihern und Tümpeln wird der Begriff See schwankungen fördern die Artenvielfalt. Im heute häufig enger gefasst: Seen sind stehende Bereich des Flachufers ist deshalb der grösste Gewässer, die so tief sind, dass in regelmässigen Lebensreichtum des Sees konzentriert. Es bil- zeitlichen Abständen aufgrund der Wärmeein- den sich typische, zonenorientierte Pflanzen- strahlung von oben oder durch den Wärrnever- gesellschaften aus; soweit sie noch natürlich lust in der kalten Jahreszeit zwei verschiedene sind, umfassen sie vom Land her kommend warme Wasserkörper entstehen, zwischen denen mehrere Gürtel: Birkenbruch, Erlenbruch, der Gas-, Nährstoff- und Wärmetransport einge- Strauchschicht, Grosseggenried, Röhricht schränkt ist. Jeder See besteht aus den drei Ele- (Schilf), Schwimmblattzone, Laichkrautzone. menten Seebecken, Wasserkörper (inkl. Zu- und Das für das Pflanzenwachstum notwendige Abflüsse) und Ablagerungsgut (Sedimente). Licht reicht in der Flachwasserzone bis auf den Seegrund. Die dort lebenden Pflanzen, die Unter dem Gesichtswinkel von Stoffumsatz und dauernd oder zumindest teil- oder zeitweise im Biologie werden ebenfalls drei Bereiche unter- Wasser untergetaucht sind und zusarnmenfas- schieden: Uferzone, Freiwasserzone und Seebo- send als Makrophyten bezeichnet werden, tra- den: gen deshalb wesentlich zur organischen Pro-

Haubentaucher

Abbifdung: Bereiche des Sees, vom Ufer bis ins Freiwasser. Der Zustand der Seen in der Schweiz

duktion, zum Stoffurnsatz und damit auch zur In Gebieten ehemaliger Vereisung und am Rande Selbstreinigung eines Sees bei. Die Uferzone heutiger Vergletscherung finden wir unzählige, ist ein Pufferbereich, der den See vor schäd- durch das fliessende Eis geschaffene Vertiefun- lichen Einwirkungen aus der Umgebung gen, Wannen, Mulden oder Becken im harten schützt; sie bietet Tieren wertvollen Lebens- Fels, in Schottern und Moränen. Messungen an raum, u.a. als Brutgebiet für viele Vogelarten. alpinen Gletschern (Oberer Grindelwaldgletscher) Die Flachwasserzone dient als Laichgebiet und zeigen einen Erosionsabtrag im untenliegenden Kinderstube für Fische, z.B, Hechte, Barsche Fels von bis zu 6 mm/Jahr. Die Grösse dieses (Egli), Rotaugen. Für den Schutz und die Wie- Abtrages hängt von der Härte des Untergrundes, derherstellung dieser Bereiche sind deshalb der Mächtigkeit des überlagernden Gletschers weitgehende Massnahmen und Vorschriften und von der Struktur des Gesteins ab. Weil diese notwendig. Parameter örtlich variieren, ist das Resultat einer Erosion durch Gletscher nicht eine regelmässige ' Die Uferzone umschliesst das offene Wasser, Einebnung; vielmehr wird das ursprünglich vor- die Freiwasserzone, wie ein Saum. Die Ufer- handene Relief durch die Vergletscherung model- flora kann nicht in das tiefe Wasser vordrin- liert und z.T. sogar deutlich verstärkt. Mulden, gen; dies verhindern einerseits die Lichtver- aus denen später ein See entsteht, können hältnisse (ab ca. 10 m Tiefe ist es dunkel) und dadurch erheblich vertieft werden. Seen glazialen andererseits die toxische Wirkung der unter Ursprunges sind kaum mehr als einige 10'000 dem hydrostatischen Druck gelösten Gase in Jahre alt, die meisten sind viel jünger. den luftgefüllten Kammern zwischen den Zel- len. Das offene Wasser ist der typischste Le- In Tälern, die im Alpenraum meist durch Erosion bensraum des Sees, der aufgrund der Wärme- entstanden sind, können durch Aufschüttung einstrahlung die für Seen charakteristische jah- Seen aufgestaut werden. Solche Aufschüttungen reszeitliche Dynamik zeigt. Die grössten Stoff- erfolgen manchmal rasch, z.B. bei Bergstürzen mengen werden in diesem Bereich umgesetzt. und Murgängen. Es sind aber auch langsame Er ist erfüllt von einer hoch spezialisierten Prozesse möglich: Geschiebetransport durch Sei- Schwebewelt kleinster Mikroorganismen, dem tenbäche, Bildung von Seitenmoränen. Plankton. Das Plankton bildet die Nahrungs- grundlage für Fische und Bodenbewohner. Bei geologischen Verschiebungen können eben- falls Hohlformen entstehen oder weichere Ge- ' Auch der Seeboden ist rnassgeblich am Stoff- steinsschichten an die Oberfläche gelangen, die umsatz beteiligt; dessen Zustand ist aus- durch Erosion weiter vertieft werden. Die gröss- schlaggebend für die Stabilisierung und Fixie- ten Seen der Erde sind an Grabenbrüchen ent- rung von sedimentierten Substanzen, die als standen. Pflanzennährstoffe in Frage kommen. Je nach Abstand zum Seespiegel finden sich irn Le- Auch Lavaströme, die von der Seite her in ein bensraum Gewässergrund, der auch Benthal Tal einfliessen und Krater erloschener Vulkane genannt wird, Würmer, Muscheln, Schnecken, können zur Seenbildung fuhren. lnsektenlarven und Kteinkrebse. Die Würmer fördern mit ihrer Wühlarbeit die Belüftung des Die meisten Alpenrandseen sind durch die Tätig- Seebodens. keit der Gletscher entstanden, verändert oder vergrössert worden. In den Beschreibungen der Seen sind keine abgeschtossene und selbstän- einzelnen Seen (Kapitel 5 bis 23) wird deren Ent- dige Einheiten; sie sind Teile der Flusslandschaft stehung näher erläutert. und stehen in intensiver Beziehung zur Umge- bung, in die sie eingebettet sind. 2.3 Wasser und seine besonderen Eigenschaften 2.2 Wie entstehen Seen? Wassermoleküle setzen sich zusammen aus Geologisch gesehen sind die Seen fast aus- einem Sauerstoffatom und zwei Wasserstoffato- nahmslos junge Gebilde von kurzer Lebensdauer. rnen. Da die Wasserstoffatome nicht linear auf Die Seebecken, Hohlformen in der Erdoberfläche, beiden Seiten des Sauerstoffatoms, d.h. in einem sind das Resultat von Erosion, Aufschüttung, Winkel von 180°, angebracht sind, sondern in tektonischer Verschiebung oder Vulkanismus. einem Winkel von nur 105O, zeigt Wasser einige Oft sind mehrere Vorgänge an der Entstehung besondere physikalische Eigenheiten. Sauerstoff eines Sees beteiligt. zieht die Elektronen, die für die Bindungen inner- 2. Zur Limnologie von Seen

halb des Wassermoleküls verantwortlich sind, nimmt die Dichte von Wasser nicht gleichmässig stärker zu sich als die kleinen Wasserstoffatome. ab, sondern bis 4 OC sogar noch leicht zu. Zusammen mit seiner speziellen Geometrie bewirkt dies eine unsymmetrische Ladungsvertei- lung innerhalb des Wassermoleküls. Die so ent- standenen elektrischen Dipole richten sich anei- nander aus und bilden wechselnde oder feste (Eis) Strukturen, in Abhängigkeit von Temperatur und Gehalt an gelösten Salzen.

Wasser tritt, wie viele andere Substanzen, auch in den drei Aggregatszuständen fest, flüssig und dampfförmig auf. Normalerweise ist der feste Zustand auch der dichteste, d.h. bei einem ver- gleichbaren Volumen der schwerste. Wasser macht hier eine Ausnahme, da sich im Eis Struk- turen bilden, die mehr Raum beanspruchen als diejenigen des flüssigen Wassers. Bei 0 OC beträgt die Dichte von reinem Eis 0.91 68 g/cm3 Temperatur "C und diejenige von flüssigem Wasser Abbildung: Die Dichte des reinen Wassers ist abhängig 0,99987 g/cm3. Bei zunehmender Temperatur von der Temperatur.

2.4 Seen als Teile des globalen Süsswasserreservoirs

Auf unserem Wasserplaneten ist das Süsswasser in einer Minderheitsposition:

Art Volumen Anteil am Anteil am Gesamtwasser Süsswasser 11 000 km3] [%I [%I

Meer 1 '338'000 96,5 Gesamtes Grundwasser 23'400 1.7 Frisches Grundw. 10'530 0,76 30,1 Bodenfeuchtigkeit 17,5 0,001 0.05 Gletscher und Polkappen 24'064 1.74 68.7 Antarktis 2 1 '600 1,55 61,7 Grönland 2'340 0,17 6,68 Arktis 83 0,006 0,24 Gebirge . 4 1 0,003 0,12 Permafrost (Tundra) 300 0,022 0.86 Seen 176 0,013 Süsswasser 9 1 0,007 0.26 Salzwasser 85 0,006 Sümpfe 11.5 0,0008 0.03 Flüsse 2.1 0,0002 0,006 Biosphäre 1.1 0,00007 0,003 Atmosphäre 12.9 0,0009 0,04

Gesamtmenge 1'385'967 Anteil Süsswasser 35'030 2,53 Der Zustand der Seen in der Schweiz

Der Anteil am Süsswasser ist durch die zuneh- mit der Austrocknung der Böden zusammenhart- mende Erwärmung der Erdatmosphäre (Treib- gen. Die gesamten als Grundwasser vorliegenden hauseffekt) und der damit verbundenen Vermin- Wassermengen sind aber sehr schwer zu bestim- derung der Eismengen rückläufig. Die Literaturan- men, da auch in einigen Tausend Metern Tiefe gaben für die in Seen vorhandenen Wasservorrä- noch Wasser vorhanden ist: te sind wenig präzis, schwanken sie doch zwi- schen 34'000 und wenig wahrscheinlichen Verfügbare Reserven ca. 50 km3 750'000 km3; durch den Bau von Staustufen ist Nicht wirtschaftlich verfügbar 5'000 km3 diese Menge seit etwa 100 Jahren am wachsen. (bis Ca. 2000 m Tiefe) Ebenfalls wenig genau können die nicht sichtba- ren und schwer abgrenzbaren Wasservorräte wie Grundwasser oder Permafrost geschätzt werden. die Wasserreserven im Oberflächenwasser wur- Zusätzlich zu den obgenannten Mengen ist der den berechnet (Stand 1980): im Gestein in fest gebundenen Strukturen oder in Poren fixierte Anteil erwähnenswert; dieser ist Gletscher 74,165 km3 mit 32 Mio km3 zwar beträchtlich, aber auch hier ist nur eine grobe Schätzung möglich. Natürliche Seen 132,389 km3 Stauseen 3,944 km3

2.5 Wasserworrate in der Schweiz Gesamt 210,507 km3

Die Schweiz ist für ihren Wasserreichtum be- kannt; 6% der Süsswasservorräte Europas la- gern in der Schweiz, obwohl ihr Flächenanteil 2.6 Wärrnehaushalt und nur 0,4% beträgt. Einige der grössten Flüsse des Schich- Kontinents, Rhein und Rhßne, entspringen im tung zentralen Gotthardmassiv. Feuchte Luftmassen, die gegen die Alpen vorstossen, stauen sich und Schichtungs- und Durchmischungsverhalten ei- kühlen beim Anstieg ab. Da die maximale Auf- nes Sees hängen von zahlreichen äusseren Fak- nahmekapazität der Luft für Wasser mit sinken- toren ab. Dazu gehören nebst morphometrischen der Temperatur abnimmt, erstaunt es nicht, dass (Beckenform, Volumen und Tiefe) und geographi- das durchschnittliche jährliche Wasserangebot in schen (schützende Geländeformen, wie Berge, Form von Niederschlägen in der Schweiz Inseln, Lage des Beckens zur Hauptwindrichtung, (1456 mm) fast doppelt so gross ist wie in Höhe über Meer) auch meteorologische Faktoren Europa (770 mm). Da der Verdunstungsbetrag (Windhäufigkeit und -stärke, Sonnenschein- mit 484 mm praktisch gleich ist wie im übrigen dauer). Die sich aus diesen Randbedingungen Europa, fliesst mit 978 mm fast dreimal mehr ab ergebenden physikalischen Erscheinungen in als in Europa (290 mm) oder als im Mittel der Seen haben wesentlichen Einfluss auf deren Länder der Erde (315 mm). Die Masseinheit Stoff- und Energiehaushalt. Obschon wegen der 'rnm' gibt hier die Höhe der Wasserschicht an, Vielfalt dieser äusseren Faktoren die meisten die entstehen würde, wenn die jährliche Nieder- Seen stark individuelle Züge zeigen, sind die schlagsmenge gleichmässig auf die davon betrof- Reaktionen auf jahreszeitlich bedingte Einflüsse fene Fläche verteilt würde. vergleichbar:

Das grosse Angebot an Wasser hat während Iän- Im Frühjahr ist das Wasser von der Oberfläche gerer Zeit zu einem allzu sorglosen Umgang mit bis zum Grund gleichmässig warm; die Was- diesem kostbaren Gut geführt. Vor allem im serinhaltsstoffe (Sauerstoff und andere gelöste Grundwasserbereich zeigen sich die Folgen deut- Gase, Nährstoffe) sind gleichmässig im Seevolu- lich; das Kanalisieren oder Begradigen der Flüsse men, das an der Zirkulation beteiligt war, verteilt. und Bäche, das Drainieren und Verdichten - durch schwere Maschinen, wie z.B. Traktoren Während der warmen Jahreszeit wird der See oder Mähdrescher - landwirtschaftlich genutzter durch die erhöhte Sonneneinstrahtung von oben Flächen und der Bau von Strassen, Plätzen und her erwärmt. Das Oberflächenwasser dehnt sich Tunnels hat zum Absinken vieler Grundwasser- wie alle erwärmten Substanzen etwas aus, d.h. ströme geführt. Dies hat Folgen: in ehemaligen seine Dichte nimmt ab und es schwimmt auf Sumpfgebieten, wie im grossen Moos des See- dem kühleren Tiefenwasser. Die obere, wärmere landes, oxidieren die Böden und gehen dadurch Schicht, "Epilimnion" genannt, wird im Verlauf verloren; auch das Waldsterben könnte zum Teil des Sommers weiter aufgeheizt und weitet sich 2. Zur Limnologie von Seen

nach unten aus. Die Winde erfassen und aus. Der Kalk und die abgestorbene Biomasse mischen nur noch diese obere Schicht. Wellen sedimentieren; die Biomasse wird während des zwischen den beiden Schichten bewirken Turbu- Sedimentationsvorganges abgebaut und setzt lenzen an der Grenzlinie: es entsteht eine Kohlendioxid frei, welches den Kalk wieder auf- Zwischenschicht, die je nach Windeinfluss und löst. Dies entspricht einem aktiven Transport von Wärmeeinstrahlung mehr oder weniger aus- Kalzium und Hydrogenkarbonat aus dem Ober- gedehnt ist. Die Temperatur in dieser Schicht, flächen- ins Tiefenwasser: das Tiefenwasser "Metalimnion" genannt, nimmt von oben nach wird entsprechend schwerer. unten stark ab. Das Tiefenwasser oder "Hypolim- nion" ist gleichmässig kalt; in den Seen des Alpenrandes und -vorlandes liegt die Temperatur bei 4 bis 6 OC. Bei sehr flachen Seen kann das 2.7 Stoffhaushalt Epilimnion durch die Wärmezufuhr schon im Verlaufe des Sommers soweit wachsen, dass es Von entscheidender Bedeutung für den Zustand die Sedimente erreicht; das Hypolimnion ver- und die Entwicklung eines stehenden Gewässers schwindet und der See besteht nur noch aus und damit auch für dessen Stoffhaushalt ist die einem einzigen, weitgehend durchmischten Was- Vegetationsperiode. Produzenten sind die grünen serkörper. Pflanzen. In Seen spielen freischwebende, zu- meist mikroskopisch kleine Algen (Phytopfank- Mit fortschreitender Abkühlung im Herbst und ton) die wichtigste Rolle. Sie nehmen im Wasser Winter nimmt der Dichteunterschied vom Epilim- gelöste anorganische Kohlenstoffverbindun~en nion zu Hypolirnnion ab. Die Durchmischung der (COz oder HCOi) und Nährstoffe auf und bauen oberen Schicht erreicht zunehmend grössere Tie- unter Ausnutzung des Lichtes energiereiche fen und erfasst im ldeatfall schliesslich den organische Verbindungen auf (Primärproduktion). gesamten Wasserkörper. Der See ist dann in Als "Abfallprodukte" werden dabei Sauerstoff jeder Tiefe gleich warm (homotherm). Dieser (02)und Hydroxyl-Ionen (OH-) freigesetzt. In Zustand der Vollzirkulation wird in kleineren, Abhängigkeit von der Produktionsintensität stei- windexponierten Gewässern im Herbst erreicht, gen daher Sauerstoff-Konzentration und pH-Wert in grossen, tiefen Seen erst im Winter oder Früh- mehr oder weniger stark an. Die Algenproduktion jahr. Die Zeit, wahrend der ein See aufgrund der ist abhängig von Licht und Wärme und ist daher Wärmezufuhr geschichtet ist, heisst Schich- während der Schichtungsperiode (Stagnations- tungsperiode oder (Sommer-)Stagnationsphase. phase) meist besonders ausgeprägt. Das Licht ist für das Algenwachstum jedoch nur in den ober- Anschliessend an die herbstliche Vollzirkufation sten Schichten intensiv genug; die Primärproduk- kann im Winter bei einigen Seen eine inverse tion beschränkt sich daher weitgehend auf das Schichtung beobachtet werden. Das Dichtemaxi- Epilimnion. mum von Wasser liegt bei 4 OC. Wenn sich die obersten Seeschichten unter diese Temperatur Konsumenten und Destruenten sind für den abkühlen, werden sie leichter und schwimmen Abbau verantwortlich. Die Konsumenten ernäh- auf dem wärmeren Wasser von 4 OC. Wenn die ren sich überwiegend von lebendem organischem Seeoberfläche zufriert, wird diese inverse Schich- Material. Zu ihnen gehören praktisch alle tieri- tung stabil, da das Wasser vor dem Angriff der schen Organismen im See; die im Wasser frei- Winde geschützt ist. In grossen, tiefen Seen wird schwebenden Tiere (Zooplankton), Fische und die inverse Schichtung nur ausnahmsweise - in schliesslich die Fauna des Gewässergrundes. Die extrem kalten Wintern - beobachtet. Destruenten, vor allem Bakterien und Pilze, leben überwiegend von totem organischem Material; Die Vollzirkulation kann aus verschiedenen Grün- bei diesem Abbau werden Sauerstoff oder ande- den gelegentlich oder immer ausfallen. Das ist re Oxydationsmittel, wie z.B. Nitrat verbraucht. beispielsweise der Fall, wenn der See nur fast Rund 80 bis 90% des gesamten Primärproduktes homotherm wird oder wenn die Windstärken werden innerhalb des Epilimnions umgesetzt und nicht ausreichen. Ein dauernder Ausfall der Voll- abgebaut. Die dabei freigesetzten Nährstoffe zirkulation ist meist eine Folge temperaturunab- stehen den Primärproduzenten erneut zur Verfü- hängiger Dichteunterschiede zwischen Oberflä- gung. chen- und Tiefenwasser bei gleichzeitig geringer Windexposition. Ursache sind Konzentrationsun- Das meist schmale Metalimnion kann aufgrund terschiede gelöster Substanzen. Eine hohe des grossen Temperatur- und Dichteunterschie- Algenproduktion, z.B., bewirkt durch die Bindung des (grosser Gradient) zu einer Sedimentations- von viel Kohlendioxid häufig, eine Störung des barriere werden; kleinere Partikel und Organis- chemischen Karbonatgleichgewichtes: Kalk fällt men sind zu leicht und dringen nicht ins schwe- Der Zustand der Seen in der Schweiz

rere Hypolimnion ein; es kommt zur Akkumula- Ausmass und Artenverteilung der Algenproduk- tion organischen Materials. Falls genügend Licht tion. Über den atmosphärischen Eintrag gelangen in diesen Bereich eindringt, ist sogar eine lokal Pollen in die Gewässer und Sedimente. Die Ana- erhöhte Produktion mit Sauerstoffüberschuss lyse dieser Pollen lässt Rückschlüsse auf den möglich. Da aber auch Destruenten gehäuft auf- Pflanzenbestand in der Umgebung und dadurch treten, wird bei stärker belasteten Seen im auch auf die klimatische Entwicklung der letzten Herbst aufgrund des verstärkten Abbaues häufig paar tausend Jahre zu. ein lokales Sauerstoffdefizit beobachtet (metalim- nisches Minimum). Für Flachseen gilt die Trennung von überwiegend aufbauenden Prozessen im Epilimnion und über- Der Rest des Prirnärproduktes sinkt in das Hypo- wiegend abbauenden Prozessen im Hypolimnion limnion ab und wird dort unter Sauerstoffver- nicht, da diese meist aus einem einzigem, nicht brauch. - solange der im Frühjahr eingebrachte geschichteten Wasserkörper bestehen. Dieser Sauerstoffvorrat reicht - weiter abgebaut. Bei steht zudem in ständigem Kontakt mit dem Sedi- grosser Primärproduktion oder kleinem Hypolim- ment, das daher vor allem während der Vegeta- nion kann dies zu vollständigem Sauerstoff- tionsphase einen viel grösseren Einfluss auf den schwund in der Tiefe führen. Der weitere Abbau gesamten Stoffhaushalt ausübt, als dies in ohne Sauerstoff (anaerober Abbau) führt zu geschichteten Seen der Fall ist. Die Nährstoffe reduzierten Verbindungen - Ammonium, Schwe- bleiben in der durch die Produktion gekennzeich- felwasserstoff, Methan etc. - die 2.T. giftig sind. neten Wasserschicht erhalten. Sie können wäh- Elemente wie Quecksilber {Hg], Arsen (As) und rend einer Vegetationsperiode häufiger umge- Selen {Se) werden unter anaeroben Bedingungen setzt und daher besser ausgenutzt werden als in methyliert und dadurch in stark giftige, organi- tiefen Seen. Flachseen reagieren deshalb stärker sche Substanzen umgewandelt, die von tieri- auf Nährstoffbelastungen als tiefe Seen. schen Organismen gut aufgenommen werden; dies kann durch Anreicherung über die Nah- rungskette bei Edelfischen oder fischfressenden Tieren zu erhöhten Konzentrationen dieser Ele- 2.8 Die Schlüsselroile des Phss- mente führen. phors Mit den absinkenden, organischen und anorgani- schen Partikeln werden Nährstoffe in die Tiefe Die Primärproduktion ist abhängig von Licht-, verfrachtet. Folge dieses vertikalen Stofftrans- Nährstoffangebot und Temperatur. Die einzelnen Portes ist eine fortschreitende Verarmung des lebensnotwendigen Stoffe werden in sehr unter- Epilimnions an Substanzen, sofern diese nicht schiedlichen Mengen benötigt. Für ein ideales durch Zuflüsse von aussen ergänzt werden. Dem Wachstum der pflanzlichen Zelle sind die Nähr- steht eine entsprechende Stoffanreicherung im stoffe Kohlenstoff (C), Sauerstoff (01, Wasser- Hypolimnion gegenüber. Damit wird Primärpro- stoff (H), Stickstoff (NI, Phosphor (P), Schwefel duzenten im Epilimnion ein zunehmender Anteil (S), Magnesium (Mg), Kalium (K), Natrium {Na), von Nährstoffen entzogen - zumindest bis zur Kalzium (Ca), Silizium (Si) und verschiedene nächsten Phase der Vollzirkulation. Spurenelemente (Fe, Co, Cu, Mo, Zn, B, V, Mn) erforderlich. Das optimale Verhältnis der wichtig- Nur ein geringer Teil des Primärproduktes gelangt sten Elemente für das Algenwachstum kann aus in die Sedimente. Die Zusammensetzung der der Zusammensetzung der durchschnittlichen Sedimente hängt ab von der Menge des im See Algenbiomasse (Trockensubstanz) näherungs- selbst produzierten organischen Materials, vom weise bestimmt werden. Eine Literaturübersicht Stoffhaushalt des Wasserkörpers, insbesondere zeigt Werte von: von den Abbaubedingungen im Hypolimnion und schliesslich von Art und Menge des in den See 175-265 H : 106-126 C : 55-110 0 : 16 N : 1 P eingeschwemmten Materials. Die Sedimente sind : 2,5 Mg: 1,8K: 1,6S daher ein Abbild des Zustandes eines Gewäs- sers. Da die einmal abgelagerten Substanzen In Seen sind C, 0 und H stets im Überschuss ihrerseits immer wieder von neuem Material vorhanden. Die übrigen Nährstoffe liegen meist überdeckt werden, kann durch Bohrungen in den in einem nichtidealen Verhältnis vor. Die Diskre- Sedimenten älteres Material erfasst und somit panz zwischen Stoffangebot einerseits und Stoff- auch die zeitliche Entwicklung des Gewässerzu- aufnahme andererseits führt zu einer Begrenzung standes zurückverfolgt werden. Die im Sediment der Produktion durch denjenigen Stoff, der abgelagerten Pflanzenfarbstoffe werden über Iän- gemessen am Bedarf der Pflanzen in zu kleiner gere Zeitperioden konserviert; sie dokumentieren Menge vorhanden ist. 2. Zur Limnologie von Seen

Unter natürlichen Bedingungen ist der Phosphor- 2.9 Die Rolle des Stickstoffs gehalt in Binnengewässern so gering, dass dieser die Schlüsselrolle des produktionsbegrenzenden Stickstoff tritt in Seen in vier verschiedenen, Faktors spielt. Zeitweilig können allerdings ande- anorganischen Verbindungen auf: re Parameter eine Steuerrolle übernehmen, so - elementar als N2-Gas; z.B. Stickstoffverbindungen, Kieselsäure (Si) - reduziert als Ammonium WH4+); oder Lichtmangel durch Eigenbeschattung dichter Algenteppiche. - oxydiert als Nitrit (NO2-); - stark oxydiert als Nitrat (N03-1. Beim vollständig aeroben Abbau (Mineralisierung) der Algenmasse werden Kohlenstoffanteile in Die letzten drei Formen sind in Wasser sehr gut Kohlendioxid, Wasserstoffanteile in Wasser, löslich. Ammonium gibt bei höheren Temperatu- Stickstoffanteile in Nitrat und Phosphoranteile in ren und erhöhtem pH ein Proton (Hf) ab und Phosphat umgewandelt; bei all diesen Umwand- wird zum stark giftigen Ammoniak (Ni+). Nitrit lungen wird Sauerstoff verbraucht. 1 Kilo Phos- ist ein Blutgift, das von Fischen über die Kiemen phor führt zur Produktion einer Biomasse von aufgenommen wird. 100 kg Algen (Trockensubstanz); die Minerali- sierung dieser Algen benötigt die gesamte in Bei hohen Phosphorgehalten kann auch Stick- 1 5'000 m3 Wasser gelöste Sauerstoffmenge stoff in Seen zum limitierenden Faktor werden. (>10 rng 02/1). Einige Süsswasseralgenarten sind allerdings be- fähigt, ein Stickstoffdefizit zu umgehen: Stick- Der Phosphorgehalt seinerseits wird durch die stoff ist in elementarer Form als Np-Gas in der Algenproduktion beeinflusst. In gering produkti- Atmosphäre in grossen Mengen vorhanden und ven, tiefen Seen mit genügend Sauerstoffvorrat wird wie Sauerstoff auch in geringem Anteil, aus der Zirkulationsphase wird das absinkende einige Milligramm pro Liter, im Wasser gelöst. organische Material weitgehend im Wasserkörper Verschiedene Blaualgenarten, die für stark belas- mineralisiert; nur ein geringer Anteil davon tete Süsswasser-Seen typisch sind, können gelangt in die Sedimente. Dieser Anteil und der gelösten Stickstoff aufnehmen und in ihrem darin enthaltene Phosphor ist dem Stoffhaushalt Stoffwechsel einbauen. Bei der Mineralisation des Wasserkörpers jedoch für immer entzogen, dieser Algen wird Stickstoff als lösliches Nitrat allerdings unter der Bedingung, dass das Tiefen- frei. Hohe Nitratgehalte in den Zuflüssen brem- wasser dauernd und ohne künstliche Anreiche- sen die Entwicklung stickstoffixierender Blau- rung genügend Sauerstoff enthält. Das Gesamt- algen. system bleibt im Gleichgewicht, solange die Phosphorzufuhr aus dem Einzugsgebiet durch die Vor allem unter Ausschluss von Sauerstoff Bindung in die Sedimente und den Austrag über {anaerobe Bedingungen) kann Nitrat durch Bakte- den Abfluss kompensiert wird. rien in elementaren Stickstoff (Nd umgewandelt werden. Dieser Vorgang tritt in stärker belaste- Wird dieses Gleichgewicht durch zu hohe Nähr- ten Seen intensiver auf: tm Baldeggersee wird so stoffzufuhren aus dem Einzugsgebiet gestört, bis zu 80% des zugeführten Stickstoffes elimi- steigen die Phosphorgehalte im See und damit niert. Bei Sauerstoffmangel kann Nitrat als Oxy- die Primärproduktion an. Mit zunehmender Pro- dationsmittel (Elektronenakzeptor) dienen; trotr duktion gelangen steigende Mengen organischer grosser Nitratfrachten in den Zuflüssen sind so- Substanzen in das Sediment. Es sammelt sich im mit in extrem stark belasteten Seen Stickstoff- Sediment ein zusätzlicher Nährstoffvorrat an. mangelzustände möglich (VOLLENWEIDER1990). Wenn die Primärproduktion zu gross wird, ver- braucht der Abbau organischer Substanz (Mine- ralisierung) den Vorrat an Sauerstoff im Tiefen- wasser. Schon bei Sauerstoffkonzentrationen 2.10 Überdüngung von weniger als 4 - 6 rng 02/l über dem Seebo- den können im Sediment biochemische Reaktio- Die Belastung eines Sees lässt sich am einfach- nen einsetzen, die eine verstärkte Rücklösung sten an der Produktionsleistung messen. Wegen des eingelagerten Phosphors in dem Wasserkör- des grossen apparativen, zeitlichen und finanziel- per bewirken. Spätestens nach der nächsten Zir- len Aufwandes, der mit der direkten Messung kulationsperiode steht dieser wieder als Pflanzen- dieser Grösse verbunden ist, wird meist ver- nährstoff zur Verfügung. Die Produktionsprozes- sucht, die Belastung des Sees durch andere se werden durch diese interne Düngung zusätz- Parameter, wie Planktondichte, Gehalt an Pflan- lich gefördert. zenfarbstoffen (Chlorophyll) oder die Änderung des pH-Wertes zu bestimmen. Rückschlüsse auf Der Zustand der Seen in der Schweiz

die Produktion sind auch über die ErFassung von Änderungen im Sauerstoff-, Stickstoffhaushalt See See- Jährl. Sedi- Zuschüttungs- oder im Kalk-Kohlensäure-System möglich. volumen mentzuwachs deuer [Mio m3] [Mio m31 [I 000 Jahre] Ein See gilt als überdüngt, wenn durch eine zu grosse Nährstoffzufuhr die Produktionsleistung Bodensee 68'000 3,3 20-21 so stark erhöht wird, dass in der Folge 90'000 1,8-3,O 30-48 Sauerstoffmangelsituationen auftreten. Die Be- Genfersee lastbarkeit eines Sees mit Nährstoffen ist abhän- Thunersee 6'579 0,18 36 gig von der Morphologie des Seebeckens und Walensee 1'807 0,2 9-10 seiner Umgebung. Tiefe Seen sind stärker belast- bar als flache Seen; stark windexponierte Seen Bielersee 1'465 0,36 4 reagieren wegen der besseren Belüftung und Pfäff ikersee 48 0,0038 12-13 Sauerstoffverteilung in der Regel weniger empfindlich auf Nährstoffbelastungen als wind- ge~chützteSeen mit geringen internen Strömun- Zusammenfassend zeigen sich die Folgen einer gen. zunehmenden anthropogenen Belastung durch: Da in den meisten Seen Phosphor produktions- begrenzender Faktor ist, lässt sich die anthropo- ' verstärktes Wachstum von Unterwasserpflan- gen (d.h. durch den Menschen) beeinflusste Pro- Zen ("Verkrautung"), die bei steigender Bela- duktionssteigerung fast immer auf eine stark stung verdrängt werden von Massenentwick- angestiegene Phosphorbelastung zurückführen. lungen planktischer Algen ("Algenblüten"); Dies kann im See zu einem so grossen Angebot ' verstärkte Trübung (Plankton), sowie starke führen, dass Phosphor seine steuernde Rolle an und kurzfristige Änderung der Wasserbeschaf- andere Faktoren abgibt (vgl. Abschnitt 2.8). Ur- fenheit (pH-Wert, Sauerstoffkonzentration, sachen und Quellen dieser Überdüngung der Kalkfällung u.a.1; Seen sind vielfältig. Die wichtigsten punktförmi- gen Nährstoffquellen sind Einleitungen von gerei- ' Einschränkung des Lebensraumes für Tiere nigtem oder ungereinigtem Abwasser (wie z.B. (z.B. durch lokalen Sauerstoffmangel) und für Regenüberläufe bei Mischkanalisation und Ober- Pflanzen (2.B. durch Lichtmangel infolge stär- flächenentwässerun~ bebauter Flächen). Von kerer Trübung); den zahlreichen diffusen Quellen sind vor allem Veränderung der Artenzusammensetzung die Auswaschung und Abschwemmung von (meist in Form einer Verarmung des Artenbe- Böden zu nennen, insbesondere von landwirt- standes) der im See lebenden Tier- und Pflan- schaftlich genutzten Flächen. Bei vielen Seen ist zengesellschaften; dies heute die grösste Belastungsquelle. Nicht zu vergessen ist der Nährstoffeintrag aus der Atmo- erhöhte Zehrungsaktivität (Sauerstoffver- sphäre durch Staub und Niederschläge. brauch durch Mineralisierung der abgestorbe- nen Biomasse), die in geschichteten Seen Seen ändern sich im Laufe ihrer Entwicklungsge- regelmässig zum völligen Sauerstoffschwund schichte, sie altern. Die aus dem Einzugsgebiet in der Tiefe führt, zeitweilig oder lokal aber eingetragenen oder im See selbst produzierten auch zum Zusammenbruch des Sauerstoff- partikulären Substanzen füllen den See auf. In haushaltes im Metalimnion führen kann. Es Zeiträumen von Jahrtausenden wandeln sich entstehen häufig reduzierte, z.T. giftige Ab- dabei viele Seen von unbelasteten, meist tiefen bauprodukte (Methan, Ammonium, Schwefel- und sauerstoffreichen zu flachen Gewässern mit wasserstoff). grösserer Produktion; im Endstadium verlanden sie. Aufgrund des pro Zeiteinheit in den See ein- In den meisten Fällen führt diese anthropogen gebrachten Materials kann die ungefähre Lebens- ausgelöste Fehlentwicklung zu einer nachhaltigen dauer einiger Seen - ohne Berücksichtigung Störung des natürlichen Gleichgewichtes, die nur biologischer Prozesse - berechnet werden: mit grossem Aufwand rückgängig gemacht wer- den kann. Die Veränderung der Artenzusammen- Der natürliche Alterungsprozess wird durch setzung im Plankton und das mit Nährstoffen anthropogene Einflüsse auf den Stoffhaushalt um angereicherte Sediment wirken stabilisierend; je ein Vielfaches beschleunigt. Dabei werden in ein- weiter sich der See von seinem natürlichen zelnen Gewässern Nährstoffkonzentrationen und Zustand weg entwickelt, desto länger braucht er Produktionsraten erreicht, die unter natürlichen nach einer Reduktion des allochthonen Phosphor- Bedingungen nie auftreten würden. eintrages, um sich zu erholen. Verstärkt wird diese Tendenz durch eine zunehmende Verschie- 2. Zur Limnologie von Seen

bung im Nährstoffangebot von Phosphor und Stickstoff. Im "ursprünglichen" oligotrophen Zu- stand waren die Phosphor- und die Stickstoff- gehalte klein. Durch die bisher durchgeführten Massnahmen in den Einzugsgebieten der belaste- ten Seen wurden vor allem die Phosphorgehalte verringert; bis in die neunziger Jahre wurde aber eine stetige Zunahme der Stickstoffgehalte beob- achtet, d.h. die jetzt sanierten Seen sind nicht nährstoffarm, sondern "nur" phosphorlirnitiert. Das Verhältnis von Stickstoff zu Phosphor zeigt heute Werte, die gemäss den Messergebnissen aus Sedimentbohrungen seit der letzten Eiszeit noch nie erreicht wurden. Die Planktonzusarn- mensetzung wird dadurch rnassgebend beein- flusst und entspricht deshalb nicht dem oligotro- phen Zustand. So hat sich als Beispiel im Zürich- See die Sauerstoffzehrung trotz der starken Reduktion des Phosphorgehaltes bis 1991 kaum verbessert.

Literatur

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3. Schutz, Sanierung und Restaurierung von Seen

3.1 Ziele des Gewässerschutmes dies gilt nicht zuletzt für die Ufer- und Flachwas- serzonen, die ein nicht zu unterschätzendes Seen sind keine abgeschlossene und selbstän- Regenerationspotential darstellen. dige Einheiten; sie sind Teile der Flusslandschaft und stehen in einer intensiven Beziehung zur Umgebung, in die sie eingebettet sind. Wenn ein See krank wird, ist seine Umgebung oder sein 3 -2 See-externe Massnahrnen Einzugsgebiet gestört; interne Massnahmen, die in letzter Zeit auch von Umweltschutzkreisen und Dauerhafte Erfolge im Bemühen um die Verbes- Fischern gefordert werden, wie Zirkulationshilfe serung des Gewässerzustandes sind nur durch und interne Belüftung, sind ohne begleitende see-externe Massnahmen möglich. Mit geeigne- Massnahmen im Einzugsgebiet eher Symptombe- ten Massnahmen werden die aus dem Einzugsge- kämpfung und bewirken keine Heilung. biet stammenden Belastungen beseitigt oder minimiert. Dazu gehören u.a. das Fernhalten von Der beste Schutz der Seen liegt im Fernhalten geklärtem oder ungeklärtem Abwasser durch möglicher Belastungen; Nährstoffe beispiels- Ringleitungen und die chemische Abwasserreini- weise, die den See gar nicht erst erreichen, bela- gung zur Verringerung des Phosphorgehaftes. In sten ihn auch nicht. Das oberste Ziel therapeuti- der Schweiz ist die Phosphorelimination durch scher Eingriffe an behandlungsbedürftigen Seen Simultanfällung für Abwasserreinigungsanlagen ist die Rückführung in einen stabilen Zustand; im Einzugsgebiet der Seen seit 1967 durch den wegen den anthropogenen Aktivitäten in dichtbe- Bundesrat dringend empfohlen und seit 1971 siedelten Einzugsgebieten und an den Seen gesetzlich vorgeschrieben. Einige grössere Anla- selbst kann dies aber oft nicht der ehemals gen im Einzugsgebiet stark belasteter Seen wur- "natürlichen Zustand sein. den zusätzlich mit einer Flockungsfiltration aus- gerüstet; mehr als 90% des Phosphors werden Die Verordnungen zum schweizerischen Gewäs- dadurch aus dem Abwasser entfernt. serschutzgesetz sehen u.a. vor, dass mindestens ein Zustand erreicht werden soll, der einer mittle- Eine weitere Möglichkeit, Phosphate vom See ren organischen Produktion entspricht. Als Richt- fernzuhalten, besteht in der Verringerung in werte gelten: Wasch- und Reinigungsmitteln. Durch das Phos- phatverbot in Textilwaschmitteln und der Begren- Der Sauerstoffgehalt des Seewassers soll ohne - zung in den übrigen Reinigungsmitteln wurde der künstliche Stützungsmassnahmen zu keiner jährliche Phosphatverbrauch in der Schweiz seit Zeit und in keiner Seetiefe weniger als 4 mg 1986 um mehr als 3'000 Tonnen reduziert. Dies 02/1betragen; führte zu einem Rückgang des Phosphorgehaltes ' Wenig sensibfe Tiere müssen ganzjährig den im häuslichen Rohabwasser von Ca. 30%; wegen Seegrund besiedeln können. der langen Erneuerungszeit des Wassers in eini- gen Seen reagieren diese mit Verzögerungen bis Die Sauerstoffdynamik eines Sees wird einerseits zu mehreren Jahren. von kaum beeinflussbaren Faktoren, wie Tempe- ratur, Wind, Tiefe, etc. und andererseits aber Diffuse Nährstoffquellen können leider nicht mit von see-internen biologischen Vorgängen, die in technisch einfachen Mitteln verringert werden. der Regel über den Phosphorgehalt beeinflussbar So kann der Nährstoffeintrag aus landwirtschaft- sind, gesteuert. Wegen den spezifischen, nicht lich genutzten Böden nur durch zeitgerechte, beeinflussbaren Faktoren kann nun aber kein prä- dem Bedarf der Pflanzen und der Beschaffenheit ziser Phosphorrichtwert festgelegt werden, der des Bodens angepasste Düngung und Bearbei- für alle Seen gilt; je nach der Charakteristik der tung (Verhindern einer Bodenverdichtung) redu- Seen werden die obgenannten Ziele bei Phos- ziert werden. phorgehalten von 10-25 pg P/I erreicht. Selbst unter günstigen Voraussetzungen lässt Schutz und Sanierung der Seen sind nicht mit sich durch eine Sanierung die Nährstoffzufuhr einmaligen Aktionen zu erreichen; sie sind eine aus dem Einzugsgebiet oft nicht auf ein natürli- ständige Aufgabe. Ebenso wie Fliessgewässer ches Mass reduzieren. Die Auswirkungen auch bedürfen Seen eines angepassten Unterhaltes; umfassender Sanierungsmassnahmen werden zu- 3. Schutz, Sanierung und Restaurierung von Seen

dem im See unter Umständen erst nach Jahren Durch Massnahmen wie Tiefenwasserableitung oder Jahrzehnten wirksam und sichtbar. Viele oder Einleiten von nährstoffarmem Wasser wird Gewässer haben jahrzehntelang so grosse Men- der Phosphorgehalt direkt beeinflusst. gen an Nährstoffen im Sediment angesammelt, dass sie sich über den Mechanismus der internen Zirkulationshilfe und Belüftung sollen indirekt auf Düngung (vgl. Abschnitt 2.1 0) lange Zeit selbst den Phosphorgehalt wirken, indem sie die Rück- auf hohem Produktionsniveau halten können. Iösung aus den Sedimenten - interne Düngung - durch die Sauerstoffanreicherung im Tiefenwas- ser verringern oder unterbinden. In stark belaste- ten Seen bringen diese Massnahmen kurzfristig 3.3 See-interne Massnahmen nicht viel. Wenn die Algenproduktion zu gross ist, wird die abgestorbene Biomasse beim Sedi- Wo eine wirksame Sanierung durch see-externe mentieren nur ungenügend mineralisiert, d.h. die Massnahmen allein nicht möglich ist, wird ver- Sedimente haben noch einen sehr grossen Sauer- sucht, mit see-internen Massnahmen nachzuhet- stoffbedarf; auch wenn das überstehende Was- fen. See-interne Verfahren haben jedoch ohne ser wegen den internen Massnahmen genügend gleichzeitige oder vorgängige Sanierung des Ein- Sauerstoff enthalt, bleiben die Sedimente wegen zugsgebietes keinen dauerhaften Erfolg; sie müs- der grossen Sauerstoffzehrung im Sediment sen dann ständig durchgeführt oder regelmässig selbst anaerob (sauerstofffreil und die Phosphor- wiederholt werden. rücklösung findet trotzdem statt. Auch den auf dem Seegrund laichenden Fischen, wie z.B. den In der Schweiz wurden bisher folgende see-inter- Felchen, ist in diesem Fall nicht geholfen; sie ne Massnahmen mit Erfolg angewendet: überleben ohne künstlichen Besatz nicht, da ihr Laich auf dem anaeroben Sediment abstirbt. Falls Tiefenwasserableitung - grössere Mengen an ungenügend abgebautem, Normalerweise fliesst während der Sommer- organischem Material in die Sedimente eingela- stratifikation (Schichtung) nur nährstoffarmes gert worden sind, kann bei einer künstlichen und sauerstoffreiches Oberflächenwasser aus Belüftung durch Reoxidation eine Mineralisierung Seen ab. Bei der Tiefenwasserableitung wird der Sedimente eingeleitet werden, die Nährstoffe mit einem Rohr nährstoffreiches und sauer- aus der organischen Matrix befreit. Die Phos- stoffarmes Tiefenwasser gefasst und aus dem phorrücklösun~ würde auch in diesem Falle See abgeleitet; in den meisten Fällen mündet durch see-interne Massnahmen nicht kurzfristig das Rohrende direkt in den Seeabfluss. reduziert. Die Erfahrung mit Zirkulationshilfe und Einleiten von Wasser Belüftung der zentralen Mittellandseen zeigt eine Zusätzliches Einleiten vom wenig belastetem allmähliche Verbesserung der Sedimente von Wasser verringert durch Verdünnung die Kon- oben, d.h. nahe dem Ufer, entlang der Sediment- zentration der Nährstoffe und verkürzt auch linie gegen unten. deren Aufenthaltszeit im See, da das Seewas- ser wegen des vergrösserten Durchflusses ra- Oft werden see-interne Massnahmen kombiniert. scher erneuert wird. Keines dieser Verfahren ist universell auf jeden See anwendbar. Die Auswahl der irn Einzelfall Zirkulationshilfe geeigneten Verfahren richtet sich nach den indi- Durch Einbringen Luft in groben Blasen viduellen Eigenschaften einesSees. Vorausset- über dem Seegrund wird ein Auftrieb des Tie- zung ist die genaue Analyse des Gesamtsystems fenwassers bewirkt, der die natürliche Zirkula- (See und Einzugsgebiet). Sofern genügend Mess- tion unterstützt. Diese Massnahme hilft vor daten erhoben wurden, ist es empfehlenswert, allem bei Seen, die nicht stark windexponiert für die Auswahl mathematische Modelle beizu- sind. Eine schwächere Schichtung, die z.B. auf ziehen. chemisch bedingten Dichteunterschieden beruht, kann damit ebenfalls durchbrochen werden. Belüftung Durch feinblasiges Einbringen von Luft oder Sauerstoff ins Tiefenwasser wird während der Stagnationsphase einer übermässigen Sauer- stoffzehrung entgegengewirkt. Der Zustand der Seen in der Schweiz

4. Der Zustand der grösseren, natürlichen Seen

Abbiidung: Entwicklung des Gesamtphosphor-Gehaltes in Schweizer Seen ab 1950, soweit entsprechende Mes- sungen vorliegen. Der mit * markierte Bereich unten wird auf der nächsten Seite oben noch einmal in erweitertem Massstab dargestellt. 4. Der Zustand der grösseren, natürlichen Seen

F Jahr

Jahr

Datenlieferanten: internationale Kommissionen zum Schutz der Grenzgewässer (CIPEL, IGKB, I-CH Kommission), kantonale Fachstellen, WAG, Universität Bern {Zoo/. lnst.), Wasserversorgung Zürich. Der Zustand der Seen in der Schweiz

4.1 Früherer Zustand 4.2 Aktueller Zustand

Der bekannte Limnologe 0. Jaag beschrieb um Der Seezustand ist insbesondere durch die limi- 1950 den natürlichen Zustand der Schweizer tierenden Faktoren gegeben, die die Algenpro- Seen: "In den Alpenrandseen stauen sich die duktion steuern. In den schweizerischen Seen Wasser, die auf verhältnismässig kurzem Lauf tritt fast ausschliesslich Phosphor als wachs- vom Hochgebirge her ins flache Land vorstossen; tumsbegrenzender Faktor auf (vgl. Abschnitt sie sind von Natur aus nährstoffarm, ihr Wasser 2.8). Ein Vergleich der Phosphorgehalte lässt ist klar, durchsichtig und enthält einen verhältnis- deshalb direkte Rückschlüsse auf den Seezu- mässig geringen Bestand an pflanzlichen und tie- stand zu. rischen Kleinorganismen, so dass sich die Bil- dung und der Abbau der organischen Substanz Die statistische Verteilung (Summenhäufigkeit) im Wasser ohne auffallende Erscheinungen voll- der Phosphorgehalte von 1989190 und 1992/93 zieht." zeigt drei Gruppen von Seen: Die erste Gruppe der schwach belasteten Seen Erste Anzeichen einer erhöhten Bioproduktion zeigt Phosphorgehalte von 3 bis 20 pg PII. traten im Muttensee auf, als sich im Winter Offenbar ist der Zustand der schwachen Bela- 1825 das Wasser blutrot färbte, eine Erschei- stung, häufig oligotropher Zustand genannt, nung, die auf die Massenentfaltung der soge- stabil, d.h. wenn ein See keine grösseren, nannten Burgunderblutalge (Oscillatoria rubes- remobilisierbaren Phosphorvorräte in die Sedi- cens) zurückgeführt werden kann. Algenblüten mente eingelagert hat, werden bei Phosphor- dieser Blaualge sind Indikator einer zunehmenden gehalten unter 15 bis 30 pg P/[ die Sauerstoff- Belastung durch Nähr- und Düngestoffe. Rund verhältnisse im Tiefenwasser und in den ober- ein halbes Jahrhundert später folgten ähnliche sten Sedimentschichten , soweit verändert, Massenentfaltungen von Planktonalgen im Bal- dass eine dauerhafte Phosphorelimination aus deggersee (etwa um 18801, im Zürichsee dem Wasserkörper in die Sedimente möglich (18981, im Zugersee und im Hallwilersee (18981, wird: starke Phosphorrücklösungen werden im Rotsee bei Luzern (1910) und schliesslich nicht mehr beobachtet. Dies hat eine rasche auch in höher gelegenen Stauseen, wie z.B im Verminderung des Phosphorgehaltes im See- Wägitalersee, dem Lungern- und . Wasser zur Folge. Dadurch erklärt sich der beobachtete Abstand zwischen der zweiten Mit dem fortschreitenden Ausbau der Ortskanali- und der ersten Seengruppe. Der Neuenburger- sationen, der Intensivierung der Landwirtschaft, see hat diesen Übergang in einem Jahr von verbunden mit steigendem Düngemittelver- 1990 zu 1991 durchlaufen. 'Der Bielersee liegt brauch, und dem vermehrten Einsatz phosphat- mit 24 pg PI1 noch mitten im Übergangsbe- haltiger Textilwaschmittel hat der Prozess der reich. Überdüngung in den sechziger und siebziger Jah- ren einen Schub von bis anhin unbekanntem ' Die Phosphorgehalte der zweiten Gruppe lie- Ausmass erfahren. Das Maximum dieser Ent- gen zwischen 30 und 60 pg PII. Sie entspricht wicklung wurde in den siebziger Jahren erreicht. den massig bis stark belasteten Seen. Eine fei- Die Massenentwicklungen von Blaualgen führten nere Unterteilung ist in diesem Bereich nicht in mehreren Fällen zu Fischsterben grösseren möglich, da die meisten Seen dieser Gruppe Ausmasses (8aldeggersee 195611961 11 9631 nicht im Gleichgewicht stehen: Wegen der 1978; Sempachersee 1984/1987). erfolgten Sanierung der Einzugsgebiete verrin- gern sich ihre Phosphorgehalte von Jahr zu Erst mit den Erweiterungen irn baulichen Gewäs- Jahr. Einige dieser Seen werden aufgrund der serschutz, der Einführung der Phosphatfällung in morphologischen Verhältnisse nicht oder nicht den Abwasserreinigungsanlagen im Einzugsge- in jedem Jahr vollständig durchmischt; in der biet der Seen und dem Phosphatverbot für Textil- oberen Hälfte des Wasserkörpers sind die waschmittel (1986) ist die Belastung der meisten Phosphorgehalte wesentlich geringer als im Schweizer Seen deutlich zurückgegangen. Vor Tiefenwasser. Da aber nur diese geringeren allem im Lago di Lugano und im Zugersee, sowie Gehalte für das Ausmass der Primärproduktion bei den zentralen Mittellandseen, Baldegger-, verantwortlich sind, können solche Seen nicht Hallwiler- und Sempachersee werden aber immer mehr als stark belastet gelten. Beispiele dafür noch hohe bis sehr hohe Phosphorwerte bei ent- sind Zürichsee und Genfersee. Bei ungünstigen sprechend schlechtem Seezustand beobachtet. Witterungsverhältnissen ist hier aber ein Wie- deranstieg der Phosphorgehalte jederzeit mög- lich. 4. Der Zustand der grösseren, natürlichen Seen

' Die dritte Gruppe der sehr stark belasteten Falls die allgemeine Erwärmung des Weltklimas Seen zeigt Phosphorgehalte von 90 bis 140 pg (Treibhauseffekt) auch Auswirkungen auf den Al- P/!. Hier sind vor allem Seen mit Iängerer Auf- penraum zeigt, muss während Iängerer Zeit, d.h. enthaltszeit oder mit starker Nutzung des Ein- bis sich wieder ein stabiles Temperaturgleichge- zugsgebietes (hohe Bevölkerungsdichte oder wicht einstellt, mit Veränderungen im Energie- intensive Viehwirtschaft) anzutreffen. Seen, haushalt der Seen gerechnet werden. Zuneh- die diesen Bereich unterschreiten, stossen er- mend mildere Winter könnten den Temperatur- fahrungsgemäss rasch, d.h. innert weniger ausgleich zwischen Epi- und Hypolimnion stören; Jahre, zur zweiten Gruppe. Ob dies auch für d.h. auch kleinere Seen würden nicht mehr jedes Seen mit starker Belastung aus landwirtschaft- Jahr vollständig durchmischt. Bei tiefen Seen lich genutzten Gebieten gilt, können erst die könnte dies zu einer grösseren Zehrung des nächsten Jahre zeigen. Sauerstoffes im Tiefenwasser führen. Ein länger dauernder Sauerstoffmangel mit allen negativen Folgen (vgl. Abschnitte 2.8 bis 2.1 0) wäre nicht auszuschliessen. Auch die Menge an verdunste- tem Wasser im Einzugsgebiet wird bei einer all- 4.3 Hinweise auf den zukünftigen gemeinen Erwärmung zunehmen. Wenn die Zu- Zustand flüsse weniger Wasser führen, erhöht sich die durchschnittliche Erneuerungszeit des Seewas- sers und der Nährstoffexport über den Abfluss Die grossen Erfolge im baulichen Gewässer- wird kleiner: die Seen reagieren empfindlicher auf schutz haben seit Ende der siebziger Jahre zu Belastungen aus dem Einzugsgebiet und erholen einer deutlichen Verbesserung der Seezustände sich auch weniger rasch. geführt. Der Rückgang der Phosphorgehalte ist bis jetzt nicht zu Ende, da diese meist noch nicht im Gleichgewicht mit der reduzierten Belastung Literatur aus den Einzugsgebieten stehen. Leider wurden die Anstrengungen bei der Abwasserbehandlung - Liechti, P. und A. Jakob, 1992: Mittlere Kon- in einigen Einzugsgebieten, z.B. beim Sernpa- zentrationen ausgewählter chemischer Parame- chersee, durch steigende Belastungen aus der ter in Fliessgewässern und Seen. Hydrologi- Landwirtschaft {Viehmast) zunichte gemacht. scher Atlas der Schweiz, Tafel 7.2.

Abbildung: Summenhäufigkeit Gesamtphosphor. Die Summenhäufigkeit zeigt die Verteilung der Seen oder Seebecken bezüglich des Gesamtphosphor-Gehaltes. Die Darstellung erlaubt Aussagen wie: "Bei 40% der vorliegenden Seen ist der Gesamtphosphor-Gehalt kleiner als 20 pg PA" und zeigt durch den Abstand zwischen Kreuz und Viereck auf gleicher Höhe der Ordinate, wie stark sich der P-Gehalt eines einzelnen Sees innert drei Jahren veränderte. Der Zustand dar Seen in der Schweiz

4.4 Liste der beschriebenen Seen

Über 175 kleinere, grössere und grosse, natürli- Deshalb wird in den folgenden Kapiteln nur der che und gestaute Seen sind in der Schweiz Zustand der wichtigsten, natürlichen Seen, ge- bekannt. Es würde den Rahmen dieses Buches ordnet nach Grösse (Oberfläche), beschrieben. sprengen, wenn auf alle eingegangen würde. 5. Le Lernan (Genfersee) P P

1 Morges3- fi Lausanne I 1 d

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P P P 5. Le LBrnan (Genfersee)

Zur Morphologie Einige Angaben zum Einzugsgebiet Der Genfersee ist hinsichtlich Oberfläche und Fläche (ohne See) 7'393 km2 Volumen der grösste See Westeuropas. Die davon Schweiz 6'503 km2 Oberfläche von 582 km2 ist grösser als diejenige davon Frankreich 890 km2 beider Kantone Basel zusammen. Der gesamte mittlere Höhenlage 1'670 m ü. M. jährliche Niederschlag der Schweiz könnte den Einwohner (ohne Tourismus) 850'000 See nur zu zwei Dritteln füllen. Der See gliedert Fiächennutzung: 35% nicht kultivierbar sich in zwei unterschiedliche Becken. Östlich der 22% Wald Achse Yvoire-Nyon liegt der breite und bis in 23% Weiden 309 m Tiefe hinunterreichenden "Grand Lac". 20% Landwirtschaft Weniger voluminös ist der "Petit Lacn der sich westlich der erwähnten Linie bis zum Seeauslauf in Genf erstreckt. See hat F. A. FORELim letzten Jahrhundert mit seinen wegweisenden Arbeiten die Seenkunde Das Becken des Genfersees war nach den von oder Limnologie mitbegründet. 1888 bewies er SERRUYA(1 989) beschriebenen Echolotmessun- die Klarheit des Seewassers, indem er Photoplat- gen ursprünglich noch weit tiefer eingeschnitten. ten in mehreren Tiefen durch das einfallende Der Rhbnegletscher und die beiden Zuflüsse Licht belichten liess. Im Sommer drang das Licht Rh6ne und Dranse, haben eine bis zu 200 m bis auf 45 m und im Winter bis auf 110 m Tiefe. dicke Sediment- und Geschiebeschicht hinterlas- Auch mit den empfindlichsten Platten aus Silber- sen und dabei im Grand Lac in 300 m Tiefe eine bromidl-iodid konnte bei einer Belichtungszeit Ebene, die "Plaine Centrale", geschaffen. von 10 Minuten erst unterhalb von 200 m kein Licht mehr nachgewiesen werden (im Walensee Etwa drei Viertel des Wassers bringt die Rhbne, zur gleichen Zeit unter 140 m). Entsprechend der 8% die auf französischem Staatsgebiet liegende heute immer noch gebräuchlichen Methode nach Dranse. Als Zuflüsse des rechten Seeufers sind P. Secchi betrug die maximale Sichtweite damals noch Venoge und Aubonne zu erwähnen. In 21 m. In seinem dreibändigen Werk "Le Leman" Genf verlassen im Mittel 245 m3/s Wasser den beschreibt Fore1 den damaligen Zustand des Sees See. Die durchschnittliche Aufenthaltszeit (Füll- und seine biologischen und physikalisch-chemi- zeit) des Wassers liegt bei 11 % Jahren. Je nach schen Eigenschaften mit bewundernswertem Tiefe variiert die Aufenhaltszeit beträchtlich: Sachverstand. Seither wird der See immer wie- 2 Jahre für Oberflächenwasser (0 - 50m) und der mehr oder weniger intensiv untersucht. Die 20 Jahre für Tiefenwasser (200 - 309m). zunehmende Bedeutung des Sees für die Wasser- versorgung, und die immer bedrohlicher werden- Seit 1710 werden dem See grössere Mengen de Belastung durch die Abwässer der dicht Trinkwasser entnommen. Heute beträgt der jähr- besiedelten Uferregionen führten in den fünfziger liche Verbrauch mehr als 240 Mio. Kubikmeter. Jahren zu einer wissenschaftlichen Überwachung des Sees, vorerst in einer losen Vereinigung, die sich den Schutz des Sees zum Ziel machte. Spä- Die Entwicklung des Seezustandes ter entstand daraus die Internationale Gewässer- schutzkommission für den Genfersee (CIPEL), die Am Ende des 19. Jahrhunderts war der Genfer- heute die Regierungen beim Schutz des Sees See wegen seines sauberen und klaren Wassers berät und die Forschungstätigkeit koordiniert. weitherum berühmt; der irländische Physiker Dank ihrer Arbeiten und Publikationen sind für John Tyndall pries die azurblauen Wasser des den Genfersee seit etwa 1960 fast Iückenlose Genfersees als die reinsten Europas. Am Genfer- Kenntnisse der wichtigsten Messgrössen und eine breite Fülle wissenschaftlichen Materials vorhanden; der vorliegende Text stützt sich denn Der Genfersee in Zahlen auch weitgehend auf diese Arbeiten ab. Oberfläche 582,4 km2 Vor 1935 wurde das Seewasser ohne Vorbe- max. Länge 72,3 km handlung von der Stadt Genf als Trinkwasser max. Breite 13,5 km abgegeben. Noch bis in die fünfziger Jahre wies maximale Tiefe 309,7 m der See alle Anzeichen eines nährstoffarmen mittlere Tiefe 152,7 m Gewässers auf. Doch in den sechziger Jahren Volumen 89 km3 nahm der Phosphorgehalt und in der Folge auch mittlere Abflussmenge 247 m3/s die Algenproduktion mit einer Geschwindigkeit theoretische Aufenthaltszeit zu, die angesichts der enormen Wassermassen des Wassers 11,4 Jahre Der Zustand der Seen in der Schweiz

und der langen Aufenthaltszeit des Wassers nur Bhosphoreintrag aus diffusen Quellen erstaunen kann. Wurden um 1957 noch 10 - 15 pgll Phosphor gemessen, so hatte sich der Rund die Hälfte der Phosphorbelastung des Sees Gehalt 1962 schon verdoppelt. Nach 6 milden stammt aus Quellen, die sich nicht lokalisieren Wintern mit ungenügender Zirkulation löste sich lassen. Einen gewichtigen Beitrag liefern die im sehr kalten Winter 1962163 die Wärmeschich- Weinbaugebiete, aus deren unbedeckten Böden tung im See rasch auf und die Wassermassen ein grosser Teil der eingesetzten Phosphordünger wurden abrupt und gründlich durchmischt. Pviög- als Folge starker Erosion abgeschwemmt wird. licherweise wurde dabei partikulär gebundener Die CIPEL hat 7 Testgebiete im Einzugsgebiet Phosphor aus den tiefsten Wasserschichten im ausgewählt, die bezüglich ihrer Morphologie, See verteilt, denn der Phosphorgehalt erreichte in Besiedelung und Nutzung für grössere Gebiete der Folge fast 70 pg P//. Nach einer vorüberge- repräsentativ sind. Die Stoffflüsse in diesen Test- henden Erholung stiegen die Phosphorgehalte im gebieten wurden untersucht, um die Mechanis- Winter 1970 nochmals deutlich an. Mitte der men des diffusen Phosphoreintrages besser ken- siebziger Jahre trat eine gewisse Stabilisierung nen zu lernen. Die Phosphorabschwemmung vari- ein, und ab diesem Zeitpunkt zeigten sich die er- iert von 0.09 (Obstbau) bis 10 kg Plha Jahr sten Früchte der grossen Anstrengungen der (Weinbau). Der für das Algenwachstum massge- Abwasserreinigung: Von etwa 90 pg PI1 des Jah- bende bioverfügbare Anteil variiert zwischen res 1979 sank der Poshphorgehalt seither lang- 10% (Hochgebirge) und 80% (landwirtschaftlich sam wieder auf Werte um 50 pg PI1 ab (1992). genutzte Flächen); die Weinbaugebiete liegen mit 35 - 50% dazwischen. Der Phosphoranteil aus Tabelle: Mittlere Nährstoffkonzentrationen und Ge- den Kläranlagen hat bezüglich der Gesamtfracht samtphosphorbelastung. in den letzten Jahre von über 30% auf heute Ca. 20% abgenommen. Die so erarbeiteten Erkennt- Jahr Ntot P04-P Ptot Pm- nisse sollen zu einer detaillierten Beratung der Zufuhr Weinbauern führen, ohne deren Mitwirken eine imglll img/ll [mglll [t/Jahrl wirkungsvolle Sanierung der diffusen Quellen 1973 0.574 0.066 0.081 1561 nicht möglich ist. 1974 0.588 0.063 0.078 1290 1975 0.606 0.066 0.084 1694 Sanierungsmassnahmen im Einzugsgebiet 1976 0.628 0.072 0.090 1088 Die ersten Kläranlagen wurden bereits in den 1977 0.608 0.074 0.089 1449 sechziger Jahren erstellt. Die Phosphorelimina- 1978 0.61 7 0.073 0.087 1439 tion wird jedoch erst seit 1972 im Einzugsgebiet 1979 0.641 0.074 0.090 1431 des Genfersees eingeführt. Heute werden die 1980 - 0.657 0.072 0.083 1361 Abwässer von 88% der 850'000 Einwohner 1981 0.688 0.072 0.083 1262 gereinigt; 92% wohnen im Einzugsgebiet von 1982 0.675 0.070 0.078 :1 1475 Reinigungsanlagen, d.h. 4% konnten noch 1983 0.693 0.067 0.075 1217 zusätzlich angeschlossen werden. 1984 0,706 0.068 0.076 923 1985 0.734 0.065 0.073 1099 Unverschmutztes Wasser, das in einige Kanalisa- 3 986 0.718 0,062 0.072 1437 tionen eingeleitet wird, und Grundwasser, das in 1987 0.713 0.058 0.068 1570 undichte Leitungen eindringt, vermindern den 1988 0.709 0.055 0.062 1074 Wirkungsgrad der angeschlossenen Kläranlagen 1989 0.712 0.052 0.058 691 nach Angaben der CIPEL im Durchschnitt um 3499 0.689 0.048 ! 0,055 1225 mehr als 10%. 1991 0.660 0.045 0.052 1188 Bei Hochwasser kann das Kanalisationsnetz 1992 0.690 0.041 0.050 1055 , $ überlaufen, vor allem dort, wo früher ganze Bäche eingeleitet wurden. Ein Teil des Abwas- Die Gesamtphosphorbelastung setzt sich zusam- sers fliesst dann durch die Regenüberläufe der men aus löslichem und unlösfichem, d.h. vor Kläranlagen direkt und ungeklärt in den See. allem anorganisch partikulärem ( =Apatit), Anteil. Nach vorsichtigen Schätzungen der CIPEL wird Der unlösliche Anteil gelangt rasch in die Sedi- der See dadurch jedes Jahr zusätzlich mit mente und ist somit für die Bioproduktion nicht 20 Tonnen zumeist bioverfügbarem Phosphor mehr massgebend. Der lösliche Anteil hat in den belastet. letzten Jahren deutlich abgenommen und lag 1991 bei 130 t1Jahr P. Die grossen Schwankun- Die in Waschmitteln eingesetzten Polyphosphate gen der Gesamphosphorfracht sind auf hydrolo- sind für Algen direkt verfügbar, da sie im Wasser gische Ereignisse zurückzuführen, vor allem Ab- rasch zu Ortho-Phosphat hydrolisiert werden. schwemmung bei starkem Regen. Das Phosphatverbot in den Textilwaschmitteln, welches in der Schweiz am 1. Juli 1986 in Kraft anderen fädigen Alge (Mougeotia gracillima) in getreten ist, hat zu einer 30%-igen Reduktion der grösserer Anzahl auf. Phosphorgehalte im Zufluss der Abwasserreini- gungsanlagen geführt. In den Anlagen im Sauerstoffgehalt schweizerischen Einzugsgebiet hat dies u.a. auch zur Optimierung der Reinigungsleistung beigetra- Leider reagiert der See auf ein Zuviel an Nähr- gen; die Phosphorgehalte im Abfluss der Anlagen stoffen sehr empfindlich. Die grosse Wassertiefe sind nach 1986 um über 40% zurückgegangen. bringt es mit sich, dass sich das Wasser des Sees nicht in jedem Winter oder Frühjahr In Frankreich sind in den Textilwaschmitteln umschichtet und dadurch mit Sauerstoff sättigt. noch immer 20% Phosphor erlaubt. In den letzten 35 Jahren ist die vollständige Mischung nur 8 mal eingetreten: 1956, 1963, Phosphorbelastung 1970, 1971, 1981, 1984, 1985, 1986. In mil- den Wintern zirkulieren die Wassermassen nur Die meisten Seen im Alpenraum, die als mässig bis auf eine Tiefe von 150 oder 200 m. Der belastet eingestuft werden, zeigen Phosphorkon- Abbau der absinkenden Algen verursacht wäh- zentrationen unter 25 Mikrogramm pro Liter. rend des Sommers und Herbstes eine deutliche Zehrung des Sauerstoffvorrats irn Tiefenwasser; Mit Hilfe eines einfachen statischen Modells, das die benötigte Sauerstoffmenge wird deshalb oft die zu- und abfliessende Fracht, sowie die Sedi- während mehrerer Jahre dem Tiefenwasser ent- mentation des Phosphors berücksichtigt, kann nommen, ohne dass eine Wiederbelüftung statt- berechnet werden, welche Konzentration im See findet. Schon eine leichte Erhöhung der Algen- zu erwarten ist, wenn ihm während längerer Zeit produktion kann so die Sauerstoffverhältnisse im eine bestimmte Phosphormenge zugeführt wird See nachteilig beeinflussen. In den Jahren nach (IMBODENund GÄCHTER,1983). FAHRNIund RAPIN 1970 sanken die Sauerstoffkonzentrationen in (1985) haben mit diesem Modell die Entwicklung einer Tiefe von über 250 m erstmals unter des Gesamtphosphorgehaltes vorhergesagt, 3 mgfl. Seit 1986 waren die Winter mild, der See unter der Annahme, dass die Phosphate in den wurde nicht mehr bis auf Grund umgewälzt; die Textilwaschmitteln ab 1986 verboten werden. Sauerstoffgehalte in der Tiefe nahmen von Jahr Die seither von der CIPEL vorgelegten Resultate zu Jahr ab. 1992 wurden bei 309 m nur noch bestätigen diese Prognose. Wenn sich der See 0,4 mg 0211 gemessen. Die oben bereits erwähn- weiterhin modellgemäss benimmt, wird der te Verschiebung zu kleineren Algen hin, deren Phosphorgehalt im Jahre 2000 etwas mehr als Überreste nur noch zu einem geringen Teil bis in 40 pg PI1 betragen. die Sedimente gelangen, zeigt auch positive Sei- ten: Die Sauerstoffzehrung in den Sedimenten ist Da der See wegen der milden Winter der letzten klein, die befürchtete Phosphorrücklösung ist Jahre nicht vollständig mischte, wurde der im trotz der geringen Sauerstoffgehalte im überste- Tiefenwasser angereicherte Phosphor während henden Wasser bisher ausgeblieben. der Zirkulationsphase nicht gleichmässig über das gesamte Seevoiumen verteiit; die Startkon- zentration der obersten 20 Meter im Frühjahr lag unter 30 pg PII. Während der Sommer 19901 1991 konnte dort ein deutlicher Schwund an gelösten Phosphorverbindungen festgestellt wer- den. Die Algenpopulation hat sich in den letzten Jahren (bis 1992) zu kleineren Arten hin ver- schoben. Diese sinken nach dem Absterben nur noch zu einem geringen Teil bis ins Hypolimnion ab; sie werden bereits im Epilimnion vollständig mineralisiert und die Pflanzennährstoffe stehen für weiteres Algenwachstum wieder zur Verfügung. Trotz kleiner Phosphorgehalte bleibt die Bioproduktion deshalb hoch: mit 359 Gramm Kohlenstoff pro m2 und Jahr wurde 1991 der bisher höchste Wert gemessen. Ende April 1992 Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoff- stieg der Chlorophyll-Gehalt auf 50 pgll; Ende gehalte im Lac Lernan (79971, an der tiefsten Stelle, Sommer 1992 trat auch die Burgunderblutalge 1 rn über dem Sediment. 10sci//atoria rubescens) zusammen mit einer Der Zustand der Seen in der Schweiz

Abbildung: Tiefenprofile der Sauerstoffgehalte im Lac Leman 199 1.

2 8 5. Le Lernan (Genfersee)

Im Sommer stellt man oft, trotz thermisch deut- Zahlen zur Fischerei lich geschichtetem See, plötzlich wieder höhere Sauerstoffwerte im Tiefenwasser fest. Diese Nach der letzten Eiszeit war der Genfersee durch Ereignisse korrelieren erstaunlich gut mit extre- den Jura begrenzt; er entwässerte in den Rhein. men Hochwassern der RhBne. Die hochwasser- Über die Verbindung mit den Seen der Alpen- bedingten grossen Schwebstofffrachten - sie nordseite wanderten vor allem Salmoniden in den können bis zu mehreren Gramm je Liter betra- See ein. Als dieser seinen heutigen Ausfluss gen - machen das sauerstoffgesättigte Rhßne- nach Süden fand, senkte sich sein Seespiegel im Wasser spezifisch schwerer als das Seewasser, Laufe der Zeit in verschiedenen Zwischenstufen so dass es sich trotz höherer Temperatur am und die natürliche Verbindung zu den restlichen Seegrund einschichtet und dabei einen grossen Schweizerseen wurde unterbrochen. Die Verbin- Beitrag (bis ca. 15% des Seeinhaltes an 02)zur dung zum Mittelmeer war durch die enge Sauerstoffversorgung liefert. Bei der heutigen, Schlucht zwischen Lucey und Genissiat und den kritischen Sauerstoffsituation ist dieser Beitrag 12 m hohen Wasserfall vor Bellegarde, der unten besonders wichtig. Wenn im SommerIHerbst in ein Art Syphon ("Perte du Rhßne") mündete, dadurch relativ warmes Wasser ins Hypolimnion unterbrochen. Für die meisten Fische war dies transportiert wird, fördert dies zudem die Durch- ein unüberwindliches Hindernis. Heute ist die mischung und Belüftung irn WinterfFrühjahr: der "Perte du RhBne" in der Staustufe bei Genissiat See kann erst mischen, wenn die Dichteverhält- versunken, die ihrerseits nun den Rhdnefischen nisse der Wassersäule dies erlauben, d.h. das den Aufstieg zum Genfersee verunmöglicht. Wasser muss weiter oben immer gleichwarm Nicht einmal mehr die Aale können dieses künst- oder kälter sein als weiter unten. Da das Oberflä- liche Hindernis überwinden. Die für das Rhßnege- chenwasser auf die Temperatur des Tiefenwas- biet typischen Fischarten sind deshalb im Genfer- sers abgekühlt werden muss, ist die dabei abzu- See nicht anzutreffen. gebende Wärmemenge natürlich kleiner, wenn dieses durch den sommerlichen Eintrag der Rha- Die Fischerei am Genfersee weist eine lange Tra- ne bereits leicht erwärmt ist. dition auf. Im 19. Jahrhundert waren vor allem Salmoniden häufig: Seeforelle, Seesaibling, Fel- Beim Bau weiterer Staustufen in der Rhßne und chen (fera et gravenche). Diese beiden ceespezi- in deren Einzugsgebiet ist diese wichtige Zusatz- fischen Felchenrassen, die damals 70% der Versorgung des Seegrundes mit Sauerstoff in Fangerträge ausmachten, sind heute ausgestor- Frage gestellt. Nach weiteren milden Wintern ben. Die heutigen Felchen im See sind eine ande- wäre das Tiefenwasser während Monaten sauer- re Rasse (palee); sie wurden seit 1923 eingesetzt stofffrei; die verstärkte Rücklösung des Phos- und stammen ursprünglich aus dem Neuenbur- phors aus den Sedimenten könnte dann trotzdem gersee. Schon früher wanderte die im Genfersee noch eintreten. ehemals unbekannte Trüsche über ein heute nicht mehr vorhandenes Kanalsystem (canal Auch im Winter kann eine zusätzliche Belüftung dlEntreroches, 1640 bis 1829) aus dem Neuen- des Tiefenwassers beobachtet werden: Der burgersee ein. "Petit Lac" ist nur 76 m tief und wird meist schon Ende Herbst bis auf den Grund durch- Der Anstieg der Bioproduktion verursachte vor- mischt, d.h. seine Wasser sind in vergleichbaren erst auch verbesserte Fischereierträge. Von rund Tiefen z.T. deutlich kälter als die des "Grand 500 Tonnen im Jahre 1950 stiegen die Fänge Lac". Es werden Temperaturunterschiede in hori- der Fischer bis auf 1500 Tonnen 1975. Über- zontaler Richtung von bis zu 0.5 OC festgestellt; fischung und zum Teii ungünstige Bedingungen die Wassertemperaturen sind bei Genf am nied- für die Laichentwicklung liessen seither die Erträ- rigsten. Insbesondere bei Bisenlage wird Oberflä- ge wieder stark zurückgehen. Die Egli (perche) chenwasser seeabwärts in Richtung "Petit Lac" wuchsen dank dem besseren Nahrungsangebot verfrachtet. Im Ausgleich dazu fliesst kaltes, rascher und erreichten die Fanggrösse deshalb sauerstoffreiches Tiefenwasser vom "Petit Lacn oft vor der Geschlechtsreife. Dadurch wurden in den "Grand Lac" zurück. Wegen der Dichteun- ganze Jahrgänge vor der Reproduktion wegge- terschiede zum wärmeren Wasser des "Grand fischt, was zu einem drastischen Rückgang der Lac" gelangt das einfliessende Wasser bis in die Fangerträge in den folgenden Jahren führte. Tiefe der "Plaine Centrale"; dies stabilisiert aber Nach Einführen neuer Mindestfangmasse und die thermisch bedingte Dichtestruktur des neuer Maschenweiten der Netze stiegen die "Grand Lac" und bremst dessen vollständige Erträge nach der Totalzirkulation von 1981 wie- Durchmicchung. der an. Der in den letzten Jahren beobachtete Sauerstoffmangel über Grund beeinträchtigt die Der Zustand der Seen in der Schweiz

natürliche Fortpflanzung der Edelfische, wie See- menten bisher weitgehend aus. In den obersten saiblinge und Felchen. 20 Metern ging auch der Phosphorgehalt so

stark zurück, dass kurzfristig wieder Phosphor , Schwermetalle die Bioproduktion begrenzt; trotzdem ist diese im Jahresdugchschnitt viel zu gross. Der heute VERNET et al. (1975) untersuchte anfangs der beobachtete Zustand ist sehr fragil; die weitere siebziger Jahre Sedimente einiger Seen auf Entwicklung des Seezustandes ist wegen der Schwermetalle. Aufgrund der hohen Quecksilber- starken Abhängigkeit von meteorologischen Ein- konzentrationen in den Genferseesedimenten flüssen ungewiss. Nur die weitere Reduktion der startete die CIPEL ein intensives Untersuchungs- Phosphorfracht aus dem Einzugsgebiet führt zu Programm im See und in den Zuflüssen, um die einem gesunden See. Quellen zu finden. Nach Sanierung der für die Quecksilberverschmutzung verantwortlichen ln- dustrien im Wallis ging die Quecksilberkonzentra- tion in den Sedimenten der Rhbne wieder zurück (siehe Abbildung unten).

Abbildung: Quecksilber-Gehalte der Barsche im Genfer- see (Barsch-Gewichtezwischen 5 1 und 100 gl.

Literatur Abbildung: Abnahme der Quecksilber-Gehalte in Rhone- sedimenten seit 1980; Mittelwerte über 26 Messstel- - Forel, F. A., 1892, 1895, 1904: Le Leman, len zwischen Brig und dem See. monographie limnologique. F. Rouge Ed., Lau- sanne. Anorganisches Quecksilber in den Sedimenten - Autorenkollektiv, 1976: Le Leman, un lac 8 kann durch Mikroorganismen in gut Iösliches und decouvrir. Office du livre CA, Fribourg. hochgiftiges Methyl- oder Dimethylquecksilber - Commission internationale pour la protection umgewandelt werden, das starke Schäden im des eaux du Leman contre la pollution (CIPEL): Zentralnervensystem hervorrufen kann. Da die Le Leman, synthese 1957 - 1982. Quecksilberfracht der Rhdne von über 15 kgrrag - Cornmission internationale pour la protection anfangs der siebziger Jahre auf Ca. 2.5 kgirag des eaux du Lernan contre la pollution: Rap- im Jahre 1983 abgenommen hat, sank im glei- ports sur les etudes et recherches entreprises chen Zeitraum auch die mittlere Konzentration in dans ie bassin Iemanique. Rapp. Comrn. int. den Fischen des Sees auf die Hälfte und damit prot. eaux LBman contre pollut., Campagnes deutlich unter die Grenzwerte der WH0 (siehe 1970 - 1992. Abbildung rechts oben). - Fahrni, H. P. und F. Rapin, 1985: Modelisation Fazit du cycle du phosphore dans le lac Leman. CIPEL. Dem Genfersee wird noch immer gut das Doppel- - Gachter, R., D. M. lmboden und T. Joller, te der tolerierbaren Menge an Phosphor zuge- 1983: Lake Restoration. Abst. of Workshop: führt. Der See befindet sich zwar auf dem Weg "Chemical Processes in Lakes", Kastanien- zur Besserung, aber wegen der milden Winter der baum-CH, Sept. 1983, 1 19 - 127. letzten Jahre hat seit 1986 keine vollständige Durchmischung und Belüftung mehr stattgefun- - Meybeck, M., P. Blanc, A. E. Moulherac und den; die Sauerstoffgehalte über Grund sind C. Corvi, 1991: Chemical Evidence of Water bedrohlich tief; die natürliche Reproduktion der Movements in the deepest Part of Lake Lernan Edelfische (Seesaiblinge, Felchen, Forelien, etc.) (). Aquatic Sciences 5314. ist stark eingeschränkt. Wider Erwarten blieb die - Serruya, C., 1969: Les dep6ts du lac Leman en gefürchtete Phosphorrücklösung aus den Sedi- relation avec I'6volution du bassin sedimentaire et les caracteres du milieu lacustre (r4surn8 de - Roch, J., 1992: La lutte contre la Pollution du these). Arch. Sci., Suisse, 22, fasc. No 1, lac Lernan. S6rninaire "Am6nagement de ta 125 - 254. Montagne et Tourisme". Universite Pierre Men- - verriet, J, P. und G,scolari, 1975: Premiers des-France, Institut dlEtudes Politiques de resultats de I'Btude de la pollution par Je mercure et d'autres metaux lourds dans les Sediments du bassin du Rh6ne et du Lernan. Bull. A.R.P.E.A. No. 71, 21 - 57. Der Zustand der Seen in der Schweiz 6. Bodensee

6. Bodensee

Zur Morphologie Einige Angaben zum Einzugsgebiet Der Bodensee, mit einer OberFläche von 539 km2 Obersee Untersee und einem Volumen von fast 50 km3 der zweit- Fläche 10'381 10'856 km2 grösste See Westeuropas, liegt in der hügeligen Einwohner 1'243'000 205'000 '1 Moränenlandschaft des Alpenvorlandes. Anstös- 1'448'000 2' serstaaten sind die Bundesrepublik Deutschland, 405'000 3, Österreich und die Schweiz. ohne EZ Obersee 2, mit EZ Obersee Der Bodensee besteht aus zwei hydrographisch 3, nur CH, mit EZ Obersee und limnologisch verschiedenen Seen: dem Flächennutzung: 28% Landwirtschaft grossen und tiefen Obersee mit dem Seitenarm 28% Wald "Überlingerseemund dem über den Seerhein ver- 21 % Weiden bundenen flacheren Untersee mit den Seebecken 18% Ungenutzte Flächen "Rheinsee", "Zellersee" und "Gnadensee", die 4% Zivilisationsflächen durch die Insel Reichenau und die Halbinsel Mett- 1 % Gewässer nau voneinander getrennt sind. Ostsee, der Nordsee oder der Adria verglichen Der Bodensee ist wie alle Alpenrandseen ein werden, die ihrerseits kaum tiefer sind; bezüglich Relikt der Eiszeiten. Sein Becken wurde durch der Seebreite von 10 km macht die mittlere Tiefe den Rheingletscher ausgehoben, der mehrfach aber nur 1 % aus. So gesehen ist die Bodensee- ins Bodenseegebiet und weit darüber hinaus vor- senke. bloss eine schwache Mulde, vergleichbar stiess, sich dazwischen zurückzog und schliess- einem Kuchenblech (0 40 cm), welches bis zu lich ganz verschwand. Entscheidend war die letz- 4 mm mit Wasser gefüllt wird. te Vergletscherungsphase vor Ca. 16'000 bis 15'000 Jahren. Der Gletscher liess damals zwei Der Obersee wird nicht jeden Winter vollständig Moränen bei Stein am Rhein und bei Konstanz durchmischt. Die Thermokline, d.h. der Bereich zurück, die für die heutige Grösse und Zweitei- in der Sprungschicht mit dem grössten Tempera- lung des Sees verantwortlich sind. turgradienten, liegt im Frühjahr zunächst dicht unter der Wasseroberfläche, sinkt im JulifAugust Beide Seeteile waren anfänglich sehr viel volumi- auf 10 - 15 m und im Oktober auf 15 - 20 m ab. nöser als heute. Doch wurden sie schon beim Ab Mitte November sinkt sie rasch auf über Rückzug des Rheingletschers von diesem mit 100 m und erreicht - zumindest im langjährigen Erosionsgut verfüllt und später von den einmün- Mittel - Ende Dezember 150 bis 200 m; dann denden Flüssen und Bächen. So reichte einst der folgt wieder eine Zirkulation. Eisbildung tritt am Obersee bis weit ins Rheintal hinauf; er wurde in Obersee nur in der Flachwasserzone regelmässig, den letzten 10'000 Jahren vom wachsenden Del- sehr selten aber - bisher Ca. alle 100 Jahre - ta des Alpenrheins daraus verdrängt. Wenn dia- während kalten, langen Wintern auch in der ser Verlandungsproress im heutigen Ausmass Freiwasserzone auf (2.B. 1962163). fortschreitet, aürfte es noch 15'0008 bis 20'080 Jahre dauern, bis der Bodensee gänzlich ver- Der Untersee zeigt, bedingt durch die geringere schwindet. Seetiefe, jährlich zwei Zirkulationsperioden: im Gnadensee Ende Oktober bei 11 *C und im Die grösste Tiefe des Bodensees beträgt 254 m Februar bis März bei 4 OC. Im Winter kommt es und die mittlere Tiefe 100 m; diese Tiefen sind im Untersee regelrnässig zu einer inversen Tem- sicher beträchtlich, wenn sie mit denjenigen der peraturschichtung bis hin zur Eisbildung. Im Sommer misst man an der Oberfläche Tempera- turen bis 28 OC. Der Bodensee in Zahlen Obersee Untersee Das Einzugsgebiet des Bodensees entspricht 0 berfläche 476 63 km2 ungefähr dem 20-fachen der Seeoberfläche. max. Lange 63,5 205 km Etwa 5'400 km2 (49%) davon entfallen auf die max. Breite 14,8 km Schweiz und Liechtenstein, 3'1 00 km2 (28%) maximale Tiefe 254 46 m auf die Bundesrepublik Deutschland, 2'400 km2 mittlere Tiefe 1 00 28 m (22%) auf Österreich und 43 km2 (0.5%) auf Ita- mittlerer Abfluss 372 m3/s lien. Den grössten Anteil haben dabei die alpinen Volumen 47,7 0,83 km3 Einzugsgebiete von Alpenrhein und Bregenzer- theoretische Aufenthaltszeit ach. Etwa die Hälfte des Einzugsgebietes liegt des Wassers IFÜllzeitl 4,3 0,08 Jahre demnach auf über 1800 m Höhe. Der Zustand der Seen in der Schweiz

Zunehmende Waldrodungen ab dem 16. Jahr- (mindestens 6 Monate im Jahr), treibt der Wind hundert verursachten im Einzugsgebiet des das Wasser der wärmeren Deckschicht zum Rheins starke Erosionen. Gewaltige Schuttmas- windexponierten Ufer. Dort staut es sich und sen gelangten ins Rheintal, was zu periodischen weicht seitlich und in die Tiefe hin aus. Diese Überflutungen des Rheins führte. Zwischen 1739 Verlagerung wird auf der anderen Seeseite durch und 1799 brach dieser 18 mal aus seinem Bett Rückstrom und Auftrieb kalten Wassers kom- aus und man befürchtete sogar, der Rhein könn- pensiert und bewirkt einen schrägen Verlauf der te bei Hochwasser in den Walensee überlaufen. Isothermen (Tiefen gleicher Temperatur) quer Um den Geschiebetransport zu fördern, wurde über den See. Im Obersee können die Verschie- der Lauf begradigt und die Mündung des Rheins bungen in der Vertikalen bei stürmischem Wetter in den Bodensee nach Realisierung der Durchsti- mehr als 40 m ausmachen. Wenn der Wind che bei Fussach und Diepoldsau um 1900 ost- abflaut, setzt eine von starken Schwingungen wärts verlegt. Das neue Flussbett heisst "Alpen- begleitete Rückverlagerung ein. Diese Schwin- rhein", das alte "Alter Rhein". gungen einzelner Wasserschichten haben starke, bis zur grössten Seetiefe nachweisbare Kompen- Dem Bodensee werden jährlich zur Versorgung sationströmungen und damit eine teilweise von über 4 Millionen Einwohnern ca. 170 Millio- Durchmischung und Anreicherung der Oberflä- nen m3 Trink- und Brauchwasser entnommen. chenschicht mit Nährstoffen aus dem Tiefenwas- ser zur Folge. Eine merkliche Sauerstoffanreiche- Zuflüsse und Strömungen rung des Tiefenwassers tritt hingegen nicht ein. 85% des zufliessenden Wassers, vor allem aus Sanierungsmassnahmen im Einzugsgebiet Alpenrhein, Bregenzerach und Dornbirnerach, gelangen in den östlichen Seeteil. Dies bestimmt Die gesamte Belastung des Bodensee-Obersees die Durchflussverhältnisse im See. Der Weg des aus Industrie, Gewerbe und Haushalten ent- Wassers aus dem Alpenrhein führt durch den spricht dem Aequivalent von 2,84 Mio. Einwoh- Obersee am Nordufer entlang zur Konstanzer nern ( = Einwohnergleichwerte, EGW). Davon Bucht, mit einem Teilstrom in den Überlingersee, waren 1985 Ca. 89% an einer Kläranlage mit der ostwärts in der Nähe des Südufers zurück- Phosphatfällung angeschlossen. Im Einzugsgebiet führt. des Untersees waren 1985 97% der 440'000 EWG an eine Kläranlage mit Phosphat- Im Winter schichten sich die Zuflüsse - insbeson- fällung angeschlossen. dere der Alpenrhein - überwiegend über Grund, Im Schweizerteil des Einzugsgebietes beider im Frühjahr dagegen nahe der Oberfläche ein. Seebecken waren Ende 1990 91 % der 405'000 Wenn sich der Alpenrhein bei Hochwasser, des Einwohner an eine Kläranlage angeschlossen. hohen Gehaltes an Trübstoffen wegen, in der Weitere 4% könnten noch angeschlossen wer- Tiefe einschichtet, führt dies zu starken Trübströ- den. men über Grund, mit Geschwindigkeiten von bis zu 1,4 m/s. Die abschliessende Sanierung sieht auf der Abwasserseite bis 1995 vor: Im Untersee ist die Strömung in den drei See- - den Anschluss aller ans~hliessbarenEWG, becken sehr unterschiedlich. Der Rheinsee ist - die Phosphatfällung (3.Stufe) in allen Anlagen vom Durchfluss des Rheins geprägt und hat eher mit mehr als 600 EWG, den Charakter eines langsam fliessenden Stro- - die Flockungsfiltration (4. Stufe) in allen Anla- mes. Da aus dem Obersee während der Stagna- gen mit mehr als 30'000 EWG. tionsperiode vorwiegend warmes und somit Die Gewässerschutzmassnahmen im Einzugsge- leichteres Oberflächenwasser abfliesst, schichtet biet des Bodensee werden seit 25 Jahren von sich der sauerstoffreiche Seerhein nicht in der der internationalen Gewässerschutzkommission Tiefe ein: das Tiefenwasser des Untersees wird für den Bodensee koordiniert. im Sommer somit nicht belüftet. Ein Teil der Rheinströmung strömt in den Zellersee, dort am Die Entwicklung des Seezustandes Nordufer entlang in westlicher Richtung und ent- lang dem Südufer wieder in den Rheinsee. In die- Noch vor 50 Jahren war der Bodensee-Obersee se Strömung fliesst auch das Wasser der Radolf- ein nährstoffarmer, oligotropher Voralpensee. Die zeller Aach. Der Gnadensee dagegen ist nicht natürlicherweise in den See eingetragenen Nähr- durchflossen. Zwischen ihm und dem Zellersee stofffrachten reichten nur für eine mässige wird kaum Wasser ausgetauscht. Algenproduktion, die den Sauerstoffgehalt des Sees kaum beeinflusste. Man erwog sogar ernst- Weitere Strömungen im See werden durch Wind haft, den See durch Fäkalien zu düngen, um den verursacht. 1st der See thermisch geschichtet Fischertrag zu steigern. 6. Bodensee

Abbjldung: Tiefenprofiie des Sauerstoffs im Bodensee-Obersee bei Uttwil.

Doch mit der Zunahme der Abwasserbelastung, Auch im Bodensee begrenzt der Phosphorgehalt dem Einsatz von Phosphaten in Waschmitteln weitgehend die Phytoplanktonproduktion. Vor sowie der Intensivierung der Landbewirtschaf- 1936 lag die mittlere Phosphorkonzentration im tung wurde dieses Gleichgewicht etwa ab den Obersee unter der Nachweisgrenze. Ab 1950 fünfziger Jahren schnell verändert. Der zusätz- nahm der Gehalt an Orthophosphat stetig zu und liche Eintrag von Nährstoffen führte zu starkem betrug anfangs der sechziger Jahre 12 pg Pt1 und Algenwachstum, was den Sauerstoffhaushalt anfangs der siebziger Jahre 40 pg P/I. Bis 1979 zunehmend belastete. Dazu kam die erhöhte stieg er auf 75, derjenige an Gesamtphosphor Zufuhr sauerstoffzehrender Substanzen. auf 87 pg PI1 an. Die Rücklosung von Phosphor aus den Sedimenten war im Obersee nie bedeu- tend; stets verlässt weniger Gesarntphosphor den See als ihm in gelöster Form zugeführt wird. Der bisherige P-Konzentrationsverlauf kann allein aus der Zufuhr gelöster Verbindungen erklärt werden. Der gesamte zugeführte partikuläre 0 M Phosphor wird demnach im See zurückbehalten und im Sediment abgelagert. Theoretisch wäre mg O2/I zwar jede Phosphorfraktion nach Desorption, Aufspaltung, oder Abbau verfügbar. Der partiku- S A läre Anteil bleibt aber für solche Umsetzungen meist nicht genügend lange in der Wassersäule. Die Desorption von Phosphor an mineralischen Partikeln ist aber abhängig von der Konzentration des gelösten Anteils. Da dieser Anteil von Jahr zu Jahr kleiner wird, könnte sich der partikuläre Abbildung: Jahreszeitlicher Vertauf der Sauerstoffge- Anteil der Bregenzerach und des Alpenrheins in halte im Bodensee-Obersee (bei UttwilJ 199 1, an der Zukunft vermehrt aus wirken. tiefsten Stelle, 1 m über dem Sediment.

3 7 Der Zustand der Seen in der Schweiz

Abbildung: Tiefenprofile des Sauerstoffs irn Bodensee-Untersee 799 7. Die mittlere Algendichte in der Produktionszone Im Untersee ist die Sauerstoffreserve der gerin- des Obersees hatte von 1930 - 1980 um das gen Tiefe wegen seit jeher ungenügend. In den 25-fache zugenommen. In den letzten Jahren ist siebziger und achtziger Jahren brauchte die diese aber wieder deutlich zurückgegangen; dies Mineralisation der Algen den Sauerstoff im Tie- ist eine Folge der Reduktion im Phosphorgehalt, fenwasser schon im Frühsommer soweit auf, denn dank den Massnahmen im Gewässerschutz dass Phosphor aus den Sedimenten herausgelöst sank dieser im Obersee ab 1981 um Ca. 200 t wird. Bereits in den zwanziger Jahren wurde irn pro Jahr. Das Phosphatverbot in Textilwaschmit- Gnadensee zeitweise völliger Sauerstoffschwund teln verdoppelte diese Rate für die Periode über Grund festgestellt. Auch im Untersee wurde 1986 - 1988. Phosphorgehalte unter 40 pg P/[, der stetige Anstieg der Phosphorkonzentrationen wie sie vor 1970 üblich waren, wurden erstmals und der Bioproduktion unterbrochen; seit Mitte wieder 1990 gemessen; 1993 stabilisierten sie der achtziger Jahre gingen diese deutlich zurück. sich bei 30 pg P/!. In den letzten zwei bis drei Jahren zeigt sich auch bei den Sauerstoffgehalten eine deutliche Wende zum Besseren. 6. Bodensee

Tabelle: Phosphorbilanz Obersee 1985/86. Vorrat im See am 1.1 1.1985 2835 t P + Zufuhr total 2297 t P - Entzug durch Abfluss 421 tP - Vorrat im See am 1 .I 1 .I 986 2625 t P

= Entzug durch Sedimentation 2086 t P

Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- halte im Bodensee-Untersee (Rhein) 199 1, an .der tief- sten Stelle, 1 m über dem Sediment.

Tolerierbare Phosphorbelastung schlechtert werden, müsste diese Obergrenze noch um 90 Tonnen geringer angesetzt werden. Falls durch längeren Sauerstoffmangel eint? wenndie bisher geplanten~~~~~~h~~~ im Ein- Phosphorrücklösung aus den Sedimenten auftritt, zugsgebiet weitergeführt werden, wird die Jah- kann die Phosphorkonzentration im See auch bei resfrac.,t an aigenverfügbarem Phosphor bis im geringerer Zuf~ussfracht stark ansteigen. Die Jahr 1995 aber nur auf Ca. 450 Tonnen Zurück- maximal mögliche Rücklösung entspricht etwa gehen. der Zuflussfracht zweier Jahren. Zahlen zur Fischerei Von den 620 Tonnen an pflanzenverfügbarem Phosphor, die dem See im Seejahr 1985186 Im Mittelalter lagen die Fischereirechte im zugeflossen sind, betrug der Anteil aus Abwäs- Bodensee fast ausschliesslich bei den Klöstern sern noch ungefähr 50%, Dieser Anteil hat seit- und beim Adel. Nach der Aufhebung der Klöster her um ca. 150 Tonnen abgenommen. gingen sie an den Staat über. In der Folge nah- men die Fangerträge im See und Hochrhein ab. Damit sich der Seezustand auch bei sehr ungün- In einer Schrift des Kantons Schaffhausen von stigen Witterungsbedingungen über mehrere hin- 1839 hiess es: "Mit Ausnahme des Lachsfanges tereinanderfolgende Jahre, 2.B. auch nach einem kann von einer Fischerei gar nicht die Rede sein. Zufrieren, d.h. nach sehr mangelhafter Zirkula- Die Fische sind so selten, dass sie nicht einmal tion, nicht verschlechtert, muss diese Belastung für die Stadt Schaffhausen, wo doch die Liebha- weiter gesenkt werden. Dies wird durch Simula- berei für Fischessen nicht sonderlich ist, hinrei- tionen mit einem dynamischen, mathematischen chen." Modell erhärtet: die maximale pflanzenverfügbare Phosphorfracht darf 390 t nicht übersteigen. Dank intensiver Bemühungen gelang es, die Sollte das Einschichtverhalten des Alpenrheines Fischerei bis zum Ende des 19. Jahrhunderts durch bauliche Eingriffe im Einzugsgebiet ver- wieder auf einen beachtlichen Stand zu heben.

Tabelle: Nährstofffrachten 1978/79(Tonnen pro Jahr). in Flussschwebstoffen 1 N P C 4'650 1'900 80'000 160 50 3'000

Tabelle: Nährstoff frachten 1 985/86 (Tonnen pro Jahr). ohne Flussschwebstoffe in Flussschwebstoffen N P C Obersee 18'000 620 24'900 Untersee 12'800 514 19'700 /T Der Zustand der Seen in der Schweiz

Die ältesten Fischzuchtanstalten sind vor unge- Fazit fähr 100 Jahren errichtet worden, die Gesetzge- bung wurde und wird koordiniert und vertessert, Der Bodensee nimmt grosse Schritte auf dem der Absatz der Fische durch private und genos- Weg zur Besserung. Die seit 1960 von den senschaftliche Fischhandlungen sichergestellt. Anliegerstaaten in Reinhaltemassnahmen inve- stierten 4 Milliarden Schweizerfranken und das Die Entwicklung des Seezustandes schlug sich Phosphatverbot in Textilwaschmitteln von 1986 auch in den Fangerträgen der Fischer (inkl. tragen Früchte. Allerdings wird dem Bodensee Sportfischer) nieder. Diese stiegen von jährlich heute mit einer Menge von über 510 Ton- 400 t im Obersee und 85 t im Untersee in den nenNahr noch ca. das 1 X-fache der tolerierba- zwanziger Jahren gegen 1'500 bzw. 500 t nach ren und biologisch wirksamen Phosphorfracht 1975. Seither haben die Fangerträge wieder um zugeführt. Weitere Massnahmen müssen ver- Ca. 50% abgenommen. Die Beute der Berufsfi- wirklicht werden, mit dem Ziel, die Phosphor- scher besteht heute zu über 50% aus Felchen, gehalte im See noch weiter zu senken. Nur so der Rest besteht zum überwiegenden Teil aus kann ein gesunder Seezustand auch längerfristig Barschen (Egli). und unter ungünstigen Witterungsverhältnissen garantiert werden. Wlikroverunreinigungen durch Pestizide Literatur Im Rahmen von Untersuchungen wurden 1990191 Wasser des Bodensees, des Seeabflus- - Internationale Gewässerschutzkommission für Ses und der Zuflüsse Alter Rhein, Dornbirnerach den Bodensee, 1974 - 1991: Limnologischer und Schussen auf 80 verschiedene Pestizide und Zustand des Bodensees Nr. 1 - 18. deren bekannte Abbauprodukte untersucht. 90% - Internationale Gewässerschutzkommission für aller untersuchten Stoffe waren nicht nachweis- den Bodensee, 1961 - 1991: Berichte Nr. 1 - 44. bar. Im Bodenseewasser konnten lediglich 4 Sub- - Maurer, H., 1982: Der Bodensee: Landschaft, stanzen nachgewiesen werden: Atrazin, Des- Geschichte, Kultur. Jan Thorbecke Verlag, ethylatrazin (Abbauprodukt von Atrazin), Simazin Sigmaringen. und Terbutylazin. Die Konzentration der aufge- fundenen Substanzen unterschritt in allen Fällen - Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), deutlich die strengen Grenzwerte nach der deut- 1985: Seen in der Bundesrepublik Deutschland. schen Trinkwasserverordnung sowohl den für die Woeste Druck Verlag, Essen. Einzelsubstanzen von 0,1 mg1m3 als auch den - Vischer, D., 1990: Der Bodensee, seine Zuflüs- für die Stoffsumme von 0,5 mg/m3. se, seine Schwankungen, sein Abfluss, eine hydrologische Übersicht. Wasser, energie, luft - Insgesamt führte die Untersuchung zu keinen eau, energie, air, 82, 718. alarmierenden Ergebnissen. Derzeit sind annä- hernd 300 verschiedene Pflanzenschutzmittel zugelassen. Für einige fehlen noch immer Nach- weismöglichkeiten für die niedrigen Konzentra- tionsbereiche in Umweltproben. Eine wirkungs- volle Kontrolle über lmmissionsmessungen ist deshalb nicht möglich, Generell muss daher der Einsatz von Pestiziden so restriktiv wie möglich gehandhabt werden. 7. Lac de Neuchiitel

7. Lec de Neuchßtel

Morphologie Naturschutzbund und den World Wildlife Fund Schweiz mit der Verwaltung des Gebietes beauf- Mit einer Fläche von 217,9 km2 ist der Neuen- tragt. Die äusserst engagierte Betreuung erfolgt burgersee der grösste vollständig in der Schweiz von einem kleinen Verwaltungszentrum in liegende See. Sowohl als Lieferant von Trink- Champ-Pittet bei Yverdon aus. Durch Verlandung wasser, als auch wegen der fischereilichen Nut- von der Landseite her und durch Erosion von der zung und der grossen Reservate für Pflanzen und Seeseite her ist dieses Gebiet stark gefährdet. Wasservögel ist er von überregionaler Bedeu- Der See versucht mit Hilfe der Wellenkräfte sein tung. In sein Einzugsgebiet von 2'670 km2 teilen Territorium zurückzuerobern und wieder dahin sich die Kantone Neuenburg, Freiburg, Waadt vorzustossen, wo sein Ufer ehemals lag, zum und Bern; im Vallcie de Joux erstreckt sich dieses Fuss der südlich gelegenen Molassefelsen (Falai- gar bis in französisches Staatsgebiet. Etwa drei- ses). Auch diese Sandsteinfelsen waren keine viertel des Zuflusses von 60 m3/s bringen Areu- fixen Ufer; nur erfolgte dort der Erosionsprozess se, Zihl () und Broyekanal. Der Abfluss wesentlich langsamer als am lockeren Sand- mündet in den Bielersee. Seit der Juragewässer- strand. Unvernünftige Wassersportler, die von korrektion dient der Neuenburgersee zusammen der Seeseite her in das Gebiet eindringen, stören mit dem Munensee auch als Ausgleichsbecken nicht nur die Brutgebiete, sondern fordern die für die in den Bielersee abgeleitete . Der Erosion zusätzlich. Eine Studie der Versuchs- Broyekanal und der Seeabfluss, der Zihlkanal, anstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziolo- fliessen deshalb zu gewissen Zeiten auch rück- gie (€TH Zürich) hält fest: "Innerhalb der letzten wärts. 100 Jahre haben die Windwellen streckenweise über 200 m vom Südufer des Neuenburgersees Der See liegt parallel zur ersten Bergkette des abgetragen. Sollte sich dieser Prozess ungehin- Juras. Sowohl die Bise, als auch die Westwinde dert weiterziehen, so wird das Naturschutzgebiet werden auf einer Bahn längs der Seeachse kana- der Grande Cariqaie in weiteren 100 Jahren ver- lisiert. Zudem bläst vom Berg her des öftern der schwunden sein .... Ohne gezielte bauliche Mass- wegen seiner Böen berüchtigte Jorant. Die star- nahmen ist der allmähliche Abtrag bis hin zu den ken Winde begünstigen eine regelmässige Durch- Falaises nicht aufzuhalten." mischung des Wasserkörpers. Der Verlandung kann durch Abholzaktionen und Der Neuenburgersee in Zahlen Mähaktionen im Schilf entgegengewirkt werden. Stabile Schutzmassnahmen gegen die Erosion Oberfläche 217,9 km2 können nur mit grossem finanziellem Aufwand max, Länge 38,3 km errichtet werden; leichte und urnweltgerechte max. Breite 8,12 km Verbauungen aus Holz müssen dem häufig Star- maximale Tiefe 152 m ken Wellengang und auch Stürmen widerstehen mittlere Tiefe 64,2 m können. Ein Schutz durch harte Wälle aus Stein Volumen 13'98 km3 oder Beton muss fischereibiologisch verträglich Mittlere Abflussmenge 56,7 m3/s sein. Sollte die Grande Cari~aieverschwinden, theoretische Füllzeit 8,25 Jahre sind die Verkehrsverbindungen, Eisenbahn und Strasse, die am Rande des Gebietes vor der Fels- küste liegen, ebenfalls gefährdet. Einige Angaben zum Einzugsgebiet Fläche (ohne See) 2'670 km2 Die Entwicklung des Seezustandes mittlere Höhenlage 780 m Ü.M. Dank der Pionierarbeit von H. SOLLBERGERund Einwohner (ohne weiterer intensiver Untersuchungen lässt sich die Tourismus) 273'000 Entwicklung der Nährstoffverhältnisse im Neuen- burgersee in den letzten 30 Jahren verfolgen. Naturschutz am Südufer Enthielt der See im Jahre 1960 noch weniger als 20 pg P/I, so waren es 1970 bereits 30 und Mit der ersten Juragewässerkorrektion wurde 1980 über 50 pg P/[. Die in den frühen siebziger 1868 - 1891 der Seespiegel um 2,77 Meter Jahren im Einzugsgebiet einsetzenden Gewässer- abgesenkt. Dadurch verlandete die ausgedehnte schutzmassnahmen zeigen deutliche Erfolge; in Flachwasserzone am Südufer teilweise. Hier ent- den letzten 10 Jahren nahm der Phosphorgehalt stand in der Folge eines der grössten Feuchtge- wieder ab und liegt heute wieder bei 20 pg P/I; biete der Schweiz, die "Grande Cariqaie". Dieses der mittlere Orthophosphatgehalt betrug 1992 einzigartige Biotop gilt heute als Naturschutzge- nur noch 5 pg P/I. biet von internationaler Bedeutung. Die Kantone Waadt und Freiburg haben den Schweizerischen Der Zustand der Seen in der Schweiz

Tabelle: Mittlere jährliche Phosphor- und Stickstoff- ausgelegte Anlagen umleiten. Der Gesamtwir- frachten 1983/84 (Zuflussuntersuchung Neuenburger- kungsgrad der Abwasserreinigung wird in den see): nächsten Jahren dadurch weiter verbessert.

Nährstoffbelastung Die Gewässerschutzfachstellen der Kantone Frei- burg, Waadt und Neuenburg und des Bundes führten 1983184 eine umfassende Zuflussunter- suchung durch.

75% der Phosphorbelastung gelangten über die Zuflüsse in den See. Dabei enthalten die Zuflüsse auch die gereinigten und ungereinigten Abwässer eines grossen Teils der Bevölkerung im Einzugs- gebiet.

Die drei wasserreichsten Zuflüsse , Zihl und Areuse bringen bereits 50% - in wasserreichen Jahren auch wesentlich mehr - der totalen Phos- phorfracht in den See. Auffällig war während der Untersuchungskampagne die grosse Belastung der aus dem Murtensee zufliessenden Broye. Seither hat sich der Zustand des Murtensees verbessert und damit der Phosphoreintrag in den Neuenburgersee wesentlich verringert. Der Aus- bau im baulichen Gewasserschutz und das Phos- phatverbot für Textilwaschmittel seit Mitte 1986 hat bei allen Jurarandseen eine sehr grosse Wir- Änderung im Seein- kung gezeigt. Der Phosph0,reintrag in den Neuen- burgersee dürfte auch nach vorsichtigen Schät- zungen heute wesentlich unter 150 t PIJahr lie- gen. Die Daten der letzten Jahre lassen auf eine Die Primärproduktion betrug 1988 ca. 240 g zunehmende Stabilisierung des guten Zustandes Kohlenstoff pro m2 und Jahr. Der Rückgang der schliessen. Konzentrationen des Pflanzenfarbstoffes Chloro- phyll-a zwischen 1988 (4 mg/m2) und 1992 (<2 mg/m2) ist Hinweis auf die heute geringere Produktionsrate. Das Absinken der Phosphorge- halte in den letzten 4 Jahren ist für diese Reduk- tion verantwortlich. Schwach belastete Seen zei- gen Produktionsraten unter 200 g C pro m2 und Jahr.

Sanierung des Einzugsgebietes 1989 waren 75% der 273'000 Einwohner im Seeeinzugsgebiet an eine Abwasserreinigungsan- lage angeschlossen. Im Anschlussbereich der Anlagen könnten zusätzliche 10% erfasst wer- den. Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- Einige Anlagen, z.B. im Val de Ruz, sind hydrau- halte im Neuenburgersee 199 1, an der tiefsten Stele, I rn über dem Sediment. lisch überlastet und ein Teil der Abwässer wird bei Regenereignissen direkt in die Vorfluter gelei- tet. Der Kanton Neuenburg mit einem Anschluss- Sauerstoffgehalt grad von über 90% will einige kleinere Anlagen, Die alljährliche vollständige Durchmischung des die wegen unregelmässiger Belastungsänderun- Wasserkorpers führt zu einer zuverlässigen Belüf- gen nicht optimal betrieben werden können, still- tung auch der tieferen Wasserschichten. Trotz legen und die Abwässer auf grössere, besser der zeitweise recht hohen Phosphorkonzentratio- 7. Lec de NeuchBtel

Abbildung: Tiefenprofiie des Sauerstoffs im Neuenburgersee 199 1. nen kannte der Neuenburgersee deshalb auch gang des Nachwuchses führte bis 1980 zu einer anfangs der achtziger Jahre nie Sauerstoffpro- Verminderung der Bestände um 75%. Erst die bleme. Auch bei damals grosser Algenproduktion Änderung der Maschenweite der Netze und Be- war der Sauerstoffgehalt in jeder Tiefe - mit Aus- satzmassnahmen bewirkten einen Wiederanstieg nahme je einer Einzelmessung über Grund in den der Erträge; diese liegen heute bei 175 t/Jahr. Jahren 1977 und 1883 - immer gröcser als Die Fangerträge der Pal6e zeigten eine ähnliche 6 mg 02/1. Entwicklung.

Fischerei Beim Seesaibling führten analoge Missstande vor Im Neuenburgersee- wurden früher wesentlich 1970 sogar zum Aussterben der ursprünglichen mehr Seeforellen gefangen als in den anderen Art. Die heute im See vorhandenen Seesaiblinge grösseren Schweizerseen. Die Fangerträge der wurden neu eingesetzt und stammen aus dem Seeforetle lagen von 1936 bis 1958 ziemlich Genfersee. konstant zwischen 5 und 10 Tonnen pro Jahr. Anschliessend nahmen die Erträge bis zum Fazit Maximum von 26 Tonnen im Jahre 1977 zu. Seither ist eine Abnahme sichtbar. Heute betra- Der Neuenburgersee hatte dank der günstigen gen die jährlichen Fangerträge 3 bis 6 t. Windexposition auch zur Zeit der grössten Nähr- stoffbelastung anfangs der achtziger Jahre nie Auch die Felchen (Bondelle und Palee) reagierten unter Sauerstoffproblemen zu leiden. Die damals deutlich auf die zunehmende Belastung des Sees. gehäuft auftretenden Algenteppiche sind dank Die an sich langsam wachsenden Bondelle wuch- der Massnahmen in den Einzugsgebieten von sen ab 1'950 immer rascher. Dadurch erreichten - und Neuenburgersee weitgehend ver- sie das Fangmass früher, d.h. vor dem dritten schwunden. Die heute beobachteten kleinen Lebensjahr, und konnten vor dem Abfischen Nährstoffgehalte bremsen im Sommer bereits durch die Berufsfischer in der Regel nur noch ein- während Wochen das Algenwachstum deutlich. mal und nicht mehr wie vorher üblich zweimal Der Zustand des Sees wird sich nach zusätzli- laichen. Der Einsatz von Netzen aus Kunstfasern chen Massnahmen im Einzugsgebiet weiter ver- ab 1957 verstärkte diese Entwicklung. Der Rück- bessern und stabilisieren. Der Zustand der Seen in der Schweiz

Literatur - Quartier, A., 1967: La Peche dans les eaux du - Pedroli, J. C., 1983: Les coregones du lac de canton de Neuchatel. Schweiz. Fischerei 2. Neuchatel: rendernent de la peche; age et 75(7), 76 - 81. croissance des individus captures par les - Sollberger, H., 1974: Etude sanitaire du lac de pecheurs professionnels. Schweiz. Z. Hydrol. Neuchatel, premiere partie 1958 - 1962, Labo- 45(1): 345 - 358. ratoire Cantonal. - Antoniazza, V. et J. C. Pedroli, 7 985: Contri- - Dubois, J. P. et 0. Schetty, 1977: Evolution de bution a I'Btude de la biologie et de I'exploita- I'Btat sanitaire de la baie dlAuvernier (lac de tion de la truite de lac Salrno trutte lacustris Neuchatel) de 1962 3 1973 Schweiz. Z. Hyd- dans le lac de Neuchatel. Bull. Soc. neuch. Sc. rol. 39, 1 - 1 1. nat. 108; 43 - 50. - Lang, C. et L. Cuvit, 1981: Degre d'eutrophisa- - Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und tion du lac de Neuchatel en 1970 - 1980 et du Glaziologie der €TH Zürich, 1989: Erosion am lac de Morat en 1980BvaluB A partir de la faune Südufer des Neuenburgersees, im Auftrag des sbdirnents. Rapport presente A I'OFPE en Grande Cariqaie, Groupe d'btude et de Gestion, mai 1981. Champ-Pittet, Yverdon. - Pedroli, J. C., 1983: La r4introduction de I'om- - Service cantonal de la protection de I'environ- ble chevalier Salvelinus alpinus dans le lac de nernent du canton de Neuchatel, 1991: Protec- Neuchatel (Suisse). Bull. Fr. Peche Piccic. 290: tion de I'eau, Fiche Ecoactive No 7, septembre 158 - 160. 1991. 8. Lago Maggiore

8. Lago Maggiore

Zur Morphologie men Pegelschwankungen des Sees von fast 10 m sind heute dank der Niveauregelung beim Mit einer Gesamtoberfläche von 212,5 km2 ist Abfluss stark gedämpft. der Lago Maggiore, auch Verbano genannt, nach dem Lago di Garda der zweitgrösste der südalpi- Das trotz der voralpinen Lage milde Klima am nen Randseen Oberitaliens. Er trennt die Lom- See zieht viele Touristen an. Erwähnenswert sind bardei vom Piemont und reicht mit seinem Nord- noch die für Ihre Schönheit bekannten Borromäi- ende in die Schweiz. Ein Fünftel des Sees und schen Inseln vor Pallanza, die beiden Brissago- etwas mehr als die Hälfte des Einzugsgebietes inseln, die Insel Partegora bei Angera sowie das befinden sich auf Schweizerboden. Wasservogelreservat Bolle di Magadino im Mün- dungsbereich von Ticino und Verzasca. Der Seespiegel liegt bei 193 rn ü. M. und die maximale Tiefe beträgt 372 m. Der Seegrund liegt somit bis 179 Meter unter den Meeresspie- Der Lago Maggioie in Zahlen gel. Das V-förmige Felsbett reicht aber noch ca. 0 berfläche 212,5 km2 420 m tiefer. Eine Theorie hält die Seebecken der max. Länge 66 km oberalpinen Seen für ehemalige tiefe Schluchten, max. Breite 10 km in denen wilde Wasser des späteren Miocäns maximale Tiefe 372 m einem Mittelmeer zuflossen, das vom Atlantik mittlere Tiefe 177,5 m durch eine Landverbindung bei Gibraltar abge- Volumen 37,5 km3 schnitten war. Da das Mittelrneer schon damals mittlere Abflussmenge 290 m3/s deutlich weniger Wasser erhielt, als auf seiner theoretische Aufenthaltszeit heutigen Fläche verdunsten kann, nimmt man an, des Wassers 4,12 Jahre dass der Spiegel dieses Meeres soweit absank, bis seine Fläche einem Gleichgewicht zwischen Zuflussmenge und Verdunstung entsprach: er lag Einige Angaben zum Einzugsgebiet mehr als 2000 m tiefer als heute. Die Analyse von Tiefenbohrungen im Meer und die Form des Flache (ohne See) 6'386 km2 Felsbettes des Nil stützen diese Theorie. Erst als davon Schweiz 3'326 km2 der Isthmus bei Gibraltar vor ca. 5 Mio. Jahren davon Italien 3'060 km2 nachgab, ergossen sich die Wassermassen des mittlere Höhenlage 1'283 rn Atlantik in das Mittelmeerbecken und füllten die- permanente Einwohner 550'000 ses auf das heutige Niveau auf. Touristen * 350'000 Industrie (EWG) * * 320'000 ** OQ9 Das Becken des Lago Maggiore wurde durch Ceresio (EWG) 320'000 zwei eiszeitliche Gletscher, die von Nord-Osten * Ohne Einzugsgebiet des Luganersees (Ceresio) aus dem Tal des Ticino bzw. von Nord-Westen +* Einwohnergleichwerte + * inkl. Tourismus und fndustrie aus dem Tal des Toce kamen, verbreitert und zum Teil vom Geschiebe befreit; diese vereinig- ten sich auf der Höhe von Pallanza. Die Entwicklerrig des Seezustcsndles Der Gewässerzustand des Lago Maggiore wird Der See ist auf der Nord- und Westseite von seit 50 Jahren durch das italienische hydrobio- hohen Bergen umgeben; die mittlere Höhe des logische Institut von Pallanza überwacht. Die im gesamten Einzugsgebietes liegt auf 1283 m. Dies Jahre 1 962 gegründete internationale Kommis- dürfte der Hauptgrund für die eher geringe Bevöl- sion zum Schutze der italienisch-schweizerischen kerungsdichte im Einzugsgebiet und die meist Grenzgewässer gegen die Verunreinigung koor- noch gute Wasserqualität der Zuflüsse sein. Die diniert die Gewässerschuttmassnahmen beider Abflüsse der stark belasteten Seen "Lago di Länder. Lugano" (Tresa) und "Lago di Varese" (Bardello) liefern aber dem Lago Maggiore bedeutende Der hohen Lage des Einzugsgebietes wegen sind Nährstofffrachten. Die Hauptzuflüsse sind der die landwirtschaftlich genutzten Flächen vor Ticino, der den See auch bei Sesto Calende ver- allem auf wenige seenahe Gegenden beschränkt. lässt, und der Toce. Weitere wichtige Zuflüsse Hauptursache der Gewässerbelastung des Lago sind: die Maggia, die Tresa und die Verzasca. Maggiore sind somit häusliche und industrielle Abwässer. Der Wildbachcharakter einiger Zuflüsse und die für die Gegend typischen, starken Regenfälle Im Jahre 1949 rühmte BALDI die Qualität der führten früher zu grossen Hochwasserspitzen Tessiner Gewässer: "Die grossen Seen des und Überschwemmungen. Die einstigen, extre- Alpensüdrandes zeigen sich uns als erstaunlich Der Zustand der Seen in der Schweiz

Tabelle: Mittlere Nährstoffkonzentrafionen irn Lago hat die Eutrophierungswelle der italo-schweizeri- Maggiore lim Frühjahr) und Phosphorbelastung. schen Grenzseen nicht und der Lago Maggiore nicht in vollem Ausmass mitgemacht.

Anfangs der sechziger Jahre lag der Phosphor- gehalt des Lago Maggiore noch eindeutig unter 10 pg P/I. Er nahm aber bis 1977 auf über 30 pg P/I zu, sank aber seither auf etwa 10 pg P/I.

Obwohl die Belastung durch die Zuflüsse seit 1977 um mehr als 3000 Tonnen zurückgegan- gen ist, liegt der Gehalt an Gesamtstickstoff unverändert bei 0.8 mgtl.

Die Tabelle zeigt, dass dem See signifikante Nährstofffrachten von den Zuflüssen mit den grössten Einzugsgebieten (Ticino, Toce, Tresa), von den Abflüssen stark belasteter Seen (Bar- dello, Tresa) sowie von den direkten Einleitungen der Seeanstösser zugeführt werden.

Sanierungsmassnahmen irn Einzugsgebiet stabile, eindeutig oligotrophe und unter sich ver- gleichbare grosse Wassersysteme, deren Ent- 258'000 der Ca. 730'000 ständigen Einwohner wicklung vor allem durch morphologische Ein- des gesamten Einzugsgebietes wohnen in der flüsse vorgegeben ist und die uns noch lange Schweiz. Von diesen leben 130'000 im unmit- Jahre im ihrem naturbelassenen Zustand für telbaren Einzugsgebiet, d.h. im Gebiet, dessen vergleichende biologische und physikalische Wasser ohne Umweg über andere Seen in den Untersuchungen zur Verfügung stehen werden." Lago Maggiore fliesst. Am 1.1 .I 989 waren Die Voraussagen BALD~Swaren leider für die mei- 82'160 von ihnen an einer Kläranlage ange- sten dieser Seen falsch. Einzig der Lago di Garda schlossen. Für das Einzugsgebiet des Lago di Lugano lauten die Zahlen: Einwohner 128'000, Tabelle: Nährstoffbelastung des Lago Maggiore durch angeschlossen am 1.1 .I 989: 1 1 1'620. Insge- verschiedene Zuflüsse irn Jahr 1990, irn Vergleich zur samt betrug der Anschlussgrad im schweizeri- Grösse des Einzugsgebietes und der Bevölkerungs- schen Teil des Einzugsgebietes 75%. Mit der dichte. Kapazität der bestehenden Kläranlagen könnte das Abwasser von 90% der Bevölkerung in die- sem Gebiet gereinigt werden.

Sauerstoffgehalt Wie die meisten grossen und tiefen Seen zirku- liert der Lago Maggiore nicht alle Jahre vollstän- dig. Vollzirkulation (Austausch des Wassers in vertikaler Richtung und Sättigung mit Sauerstoff bis auf 370 m) trat in den Jahren 1956, 1963 und 1970 auf. Im Durchschnitt wird der See also nur alle 7 bis 20 Jahre bis zum Grund umge- wälzt. In den Zwischenjahren variiert die maxi- male Austauschtiefe zwischen 100 und 200 Me- tern. Das kalte Wasser der alpinen Zuflüsse schichtet sich häufig in grosser Tiefe ein, so dass auch in Wintern, in denen der See nicht voll zir- kuliert, wie 1 986, grössere Sauerstoffgehalte über Grund gemessen werden können. Obschon der Sauerstoffgehalt in tieferen Schichten als Fol- ge des Abbaus organischen Materials in wärme- ren Perioden mit milderen Wintern stetig ab- nimmt, sank er in letzten 25 Jahren dennoch auch über Grund nie unter 5,7 mg 02/1. Dies ist 8. Lago Maggiore

- - Abbildung: Tiefenprofile des Sauerstoffs im Lago Maggiore (Ghiffal 199 1. ein deutlicher Hinweis auf die in dieser Zeitperio- inverse Temperatur- und Sauerstaffprofile. Diese de doch recht mässige Belastung des Sees. Eigenheit des Lago Maggiore ist auf seine spe- zielle Morphologie - langgestreckte Wanne mit W. AMBROSETT~et al. (1982) konnten im Winter breitem Grundplateau und steilen Wänden - zu- 1980/81 durch Messungen von Temperatur und rückzuführen. Sauerstoffgehalt feststellen, dass der Wasser- körper sich auch als Ganzes um die Längsachse Einfluss der Phosphorbelastung auf den drehen kann, so dass die tiefsten Wasserschich- Zustand ten vor dem mittleren Wasserkörper mit Sauer- stoff angereichert werden. Sie beobachteten Mit einem einfachen, statischen Modell, das die zu- und abfliessende Fracht sowie die Sedimen- tation des Phosphors berücksichtigt, konnte berechnet werden, welche Konzentration im See zu erwarten ist, wenn ihm während längerer Zeit eine bestimmte Phosphormenge zugeführt wird (IMBODENund GÄCHTER, 1985).

Danach werden über 65% der zugeführten Phos- phorfracht in den Sedimenten abgelagert, so dass beim heutigen Phosphoreintrag von Ca. 240 Tonnen pro Jahr (1990) längerfristig mit Phos- phorkonzentrationen zwischen 8 und 12 pg P/1 zu rechnen ist. Diese Werte sind typisch für schwach belastete Seen.

Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- halte im Lago Maggiore (Ghiffa) 1991, an der tiefsten Stelle, I rn über dem Sediment. Der Zustand der Seen in der Schweiz

Die Entwicklung des Phytoplanktons Literatur Mittlerer Gehalt und Zusammensetzung des - Baldi, E., 1949: Alcuni caratteri generali dei Phytoplanktons sind erstaunlich konstant. Es laghi marginali sudalpini. Verh. Int. Ver. Limnol. sind nur wenige Algensonen vertreten, unter 10, 50 - 69. ihnen fällt die Burgunderblutalge auf, die hier - Bonomi, G., M. Gerleti, E. lndri und L. Tonolli, allerdings nicht dominiert. Sie wird vor allem 1970: Repon on . Eutrophication durch die Abflüsse der hocheutrophen Seen Lago in large Lakes and Impoundments, OECD, di Lugano und Lago die Varese zugeführt. 299 - 341.

Die Primärproduktion nahm in den sechziger Jah- - Bonomi, G., A. Calderoni und R. Mosello, 1979: Some Remarks on the recent Evolution ren fast um das Doppelte zu, stabilisierte sich dann aber in den achtziger Jahren bei 250 g of the deep ltalian subalpine Lakes. Syrnp. Biol. Kohlenstoff pro rn2 Seeoberfläche und Jahr. Der Hung. 19, 87- 111. Gehalt an Chlorophyll, einem Pflanzenfarbstoff, - Mosello, R., A. Calderoni und E. de Giuli, dessen Konzentration Rückschlüsse auf die 1981: Bilancio chimico del Lago Maggiore nel Algenproduktion erlaubt, lag während mehreren 1978. Mem. Ist. ltal. Idrobiol. 39, 7 - 29. Jahren im Mittel ebenfalls konstant bei Ca. - Ambrosetti, W., L. Barbanti und R. Mosello, 5,5 pgll. Seit drei Jahren wird nun aber ein deut- 1982: Unusual deep Mixing of Lago Maggiore licher Rückgang der Bioproduktion um Ca. 30% during the Winter 1980 - 1981. Geogr. Fis. festgestellt. - Dinam. Quat. 5, 183 - 191. - Mosello, R. und D. Ruggiu, 1985: Nutrient Zahlen zur Fischerei I Load, trophic Conditions and Restoration Pro- Im Lago Maggiore sind vor allem Edelfische wie spects of Lake Maggiore. Int. Revue ges. Hyd- Felchen, Seeforelle und Seesaibling vertreten. Zu robiol. 7011, 63 - 75, Beginn der siebziger Jahre lagen die jährlichen - Gächter, R. und D. M. lmboden, 1985: Lake Fangerträge der Berufsfischer im Mittel bei unge- Restoration. Chemical Processes in Lakes. fähr 150 Tonnen pro Jahr. Während einzelner John Wiley, 363 - 388. Jahre sind fast doppelt so grosse Fangerträge - Rapporti su studi e ricerche condotti nel bacino möglich. del Lago Maggiore, Campagna 1978 - Campag- na 1990, Rapporto quinquenale 1978 - 1982; Fazit Rapporto quinquenale 1983 - 1987; Rapporte In den letzten 10 Jahren hat die Phosphorbela- sull'evoluzione del Lago Maggiore, Campagna stung des Lago Maggiore und damit die mittlere 1991. Commissione lnternarionale per la prote- Phosphor-Konzentration irn Seewasser stetig zione delle acque italo-svizzere. abgenommen. Allerdings können im Uferbereich, - Barbanti, L., G. Giussani und R. de Bernardi, als Folge direkter Abwassereinleitungen von 1988: 11 Lago Maggiore, dalla ricerca aila gesti- Anstössern, Überdüngungseffekte wie Krautwu- one. Documenta dell'istituto Italiano di Idrobio- cherungen etc. weiterhin auftreten. Zudem ist die logia, N. 22. Belastung durch Stickstoffverbindungen immer noch recht hoch. Da jedoch das Algenwachstum in diesem See durch die Phosphorkonzentration gesteuert wird, hat dies wenig Einfluss auf den Zustand des Sees. Falls die Nährstoffbelastung nicht wieder ansteigt, dürfte dieser deshalb im heutigen guten Zustand bleiben.

9. Vierwaldstättersee

Morphologie welche unter grossen Anstrengungen und finan- ziellen Opfern ausgeführt wurde, brachte Entla- Der 434 m hoch gelegene Vierwaldstättersee stung. Um den Geschiebetransport zu fördern, besteht aus einem fjordähnlichen System hinter- wurde im unteren Teil der Reuss ein Kanal einanderliegender Seebecken. gebaut und nach 1900 bis in den See verlängert. Das Leitwerk irn See wurde inzwischen teilweise Der Urnersee mit der Reuss als Hauptzufluss ist geöffnet oder abgebrochen. Am Südende des ein Trog mit steilabfallenden Talflanken. Das in Urnersees liegt eines der grössten Riedgebiete der N-S-Achse liegende Becken bietet Föhnstür- des Vierwaldstättersees. Manche Pflanzen und men eine grosse Angriffsfläche. Tiergemeinschaften, die in den letzten Jahren in der Schweiz selten geworden sind, sind hier Bei Brunnen trennt das Delta der Muota den noch relativ grossflächig vorhanden. Der Urner- Urnersee vom Gersauerbecken. Dieses Becken, See und sein Südufer stellen ein wichtiges Laich- das sich Ca. 13 km in 0-W-Richtung erstreckt, und Aufwuchsgebiet für verschiedene Fisch- und ist durch eine Stirnmoräne des Reussgletschers Amphibienarten dar; sie sind für viele Zugvögel in zwei Unterbecken bei Treib Imax. Tiefe ein wichtiges und beliebtes Rast- und Nahrungs- 125 m) und bei Gersau (max. Tiefe 214 m) gebiet. Viele nordische Entenarten verbringen getrennt. Gegen Westen verflacht es in eine Auf- den Winter am und auf dem Urnersee. Grössere schüttung, ein Werk der Engelberger Aa. Das Baggerungen zwecks Kiesausbeute zerstörten Becken ist von hohen Bergketten umgeben, die nach 1927 die Flachufer und gefährdeten die es vor Windeinfluss schützen. Dämme des in den See verlängerten Mündungs- kanals. Die Flachwasserzonen sollen nun revitaii- Die Ausläufer des Bürgenstockes und des Vitz- siert werden; die Dämme in den See werden nauerstockes schnüren den See ein und trennen gezielt modifiziert, dies soll bei Hochwasser eine das Gersauer- vom Vitznauerbecken, welches partielle Überflutung der erweiterten Natur- ebenfalls ziemlich windgeschützt ist. Nördlich schutzzonen ermöglichen. Riedgebiete müssen dieser Seeenge liegt eine weitere Stirnmoräne periodisch überflutet werden, sonst verlanden des Reussgletschers. Beim Kreuztrichter treffen sie. sich die drei Seebecken von Vitznau, Küssnacht und Luzern sowie die Bucht von Horw, die beim Lopper in Verbindung mit dem Alpnachersee steht. / Der Vierwaldstättersee in Zahlen Oberfläche (gesamter See) 1 14 km2 Der Seeabfluss (Reuss) wird bei Luzern durch ein Urnersee 22,O km2 Nadelwehr künstlich reguliert. Gersauerbecken 30.3 km2 Vitznauerbecken 22,O km2 Horwerbucht (Alpnachersee), Luzernersee, Kuss- Küssnachtersee 11,O km2 nachtersee und Vitznauerbecken müssen auf- Luzernersee 4,l km2 grund ihres Einzugsgebietes als Mittellandseen Kreuztrichter 10,O km2 angesehen werden, Gersauerbecken und Urner- Hergiswiler Becken 8,1 km2 See hingegen als voralpine Seen. Horwer Bucht 1,7 km2 Alpnachersee 4,8 km2 Der Urnersee reichte früher wesentlich weiter maximale Tiefe gegen Süden. Durch die Geschiebefrachten der Urnersee 199 m Reuss und ihrer Nebenflüsse stiess das Delta Gersauerbecken 214 m immer weiter gegen Norden vor; dies führte zur Vitznauerbecken 150 m heutigen Ca. 10 km langen Ebene im unteren Kreuztrichter 111 m Reusstal. Das fruchtbare Schwemmland wurde Alpnachersee 35 m schon in der Bronzezeit genutzt; erste Siedlungen mittlere Tiefe (gesamt, wurden im Hochmittelalter angelegt. Von 1770 ohne Alpnachersee) 104 m bis 1828 gab es wenige Hochwasser und die Volumen 11,8 km3 Flussgebiete der Reuss und der Schächen, die theoretische Aufenthaltszeit des Wassers sich noch in breiten Mäanderbögen durch das Tal Urnersee 2,02 Jahre zogen, füllten sich mit Geschiebe. Als die Nieder- Gersauerbecken 1,62 Jahre schlagsmenge wieder zunahm, traten bis zur Gross-Kreuztrichter (0,74 Jahre) Jahrhundertwende immer wiederkehrend Über- Vierwaldstättersee (gesamt, schwemmungen auf. Sie richteten enorme Schä- ohne Alpnachersee) 3,4 Jahre den an und stellten die Existenz der ansässigen Alpnachersee 97 Tage Bauern in Frage. Erst die Korrektion der Reuss, Der Zustand der Seen in der Schweiz

Angaben zum Einzugsgebiet Mittlere Nährstoffgehalte Fläche (Total) 1'831 km2 während der Frühjahreszirkulation 1992 im Urnersee 924 km2 Kreuztrichter: Gersauerbecken 567 km2 Nitrat 600 pg N/I Gross-Kreuztrichter 340 km2 Ortho-Phosphat 2 pg P/I Einwohner (ohne Gesamtphosphor 6 pg PI1 Stadt Luzern) 168'000 Während sich in der Artenverteilung des Zoo- planktons in den letzten 80 Jahren kaum etwas geändert hat, war bis ca. 1985 im Phytoplankton Die Entwicklung des Seezustandes eine Zunahme bestimmter Arten, wie z.5. der Das Luzernerbecken wird seit 1950 regelmässig Grünalgen, zu beobachten. Im Laufe der siebziger vom Kt, Luzern untersucht. Die Eidg, Anstalt für Jahre traten vermehrt lokale Veralgungen auf, Wasserversorgung, Abwasserreinigung und hin und wieder auch Wasserblüten der Burgun- Gewässerschutz (EAWAG), die in Kastanienbaum derblutalge. Grüne Algenbeläge und -säume am ein Forschungslaboratorium betreibt, überwacht Ufer wurden häufiger; im Sommer waren dicht ihrerseits den See beim Kreuztrichter seit 1961 mit Fadenalgen überwachsene Krautwucherun- monatlich. Zwischen 1965 und 1974 wurden gen nicht mehr zu übersehen. auch der Urnersee, das Gersauerbecken und zeit- weise auch das Vitznauerbecken, die Horwer- Durch gewässerschutztechnische Massnahmen bucht und der Alpnachersee in die Untersuchung und die Einführung der Phosphatfällung in den miteinbezogen. 1989 wurde das Einzugsgebiet Abwasserreinigungsanlagen des Einzugsgebietes des Sees in einem grossangelegten Projekt, bei konnte dieser langsame Eutrophierungsprozess dem die Anstösserkantone und die EAWAG ab Mitte der siebziger Jahre gebremst werden. beteiligt sind, untersucht. Seit 1978 ist ein starker Rückgang der Phos- phorgehalte sichtbar. Dieser wurde durch das Über die Entwicklung des Seezustandes vor Phosphatverbot in Textilwaschmitteln, welches 1950 geben die Seesedimente sowie die Plank- Mitte 1986 in Kraft trat, noch unterstfitzt. Die ton- und die Fischentwicklung Auskunft. Gesamtphosphorgehalte liegen heute mit 5 pg PI1 sehr tief. Die Primärproduktion ist dieser Ent- wicklung mit einer grösseren Verzögerung ge- Zu- und Abflussmengen des Vierwaid- folgt und liegt heute bei 150 g Kohlenstoff pro stättersees: m2 und Jahr, einem Wert der für nährstoffarme (gemessene und berechnete Werte) Seen typisch ist. Zufluss Reuss 44,5 m3/s Der Alpnachersee, der als Flachsee auf Nähr- Grosstalbach 1,8 m3/s stoffeinträge wesentlich empfindlicher reagiert Muota 21,8 m3/s als tiefere Seen, machte eine entsprechend stär- Engelberger Aa 12 m3/s kere Eutrophierungsphase durch. Auch hier hat Buoholzbach 0,48 m3/s jetzt aber die Belastung aus dem Einzugsgebiet Sarner Aa 11,1 m3/s deutlich abgenommen. Grosse Schliere 0,95 m3/s Chli Schliere 0,78 m3/s Melbach 0,49 m3/s Phosphorbelastung

Choltalbach 0,96 m3/s - 1978 und 1989 wurde anhand von ausgedehn- lsithalerbach 2,93 m3/s ten Zuflussuntersuchungen unter anderem die Riemstaldnerbach 1,34 m3/s Phosphorfrachten bestimmt. 1989 waren die Wuerzenbach 0,21 m3/s Gesamtphosphorfrachten um 25% geringer als Steinibach 0,47 m3/s 1978; wenn allerdings der partikuläre Phosphor Lielibach 0,48 m3/s in Form von Apatit, der nicht direkt algenverfüg- Muelibach 0,26 m3/s bar ist, nicht mitberechnet wird, ist der Rück- Dorfbach Gersau 0,28 m3/s gang wesentlich grösser. Apatit ist mineralischen Ursprungs und wird in alpinen Einzugsgebieten Total Zuflüsse 100,8 m3/s bei Hochwasser vermehrt abgeschwemmt Abfluss Reuss 109 m3/s (Reuss, Muota). Der Anteil an gelöstem Phos- phor, der von den Algen rasch aufgenommen Differenz zwischen Abfluss und den aufgeführ- werden kann, betrug in der Gesamtfracht von ten Zuflüssen ( = kleinere Zuflüsse und Nieder 1978 rund 45% und in derjenigen von 1989 nur schlag - Verdunstung): 8,2 m3/s noch 8%. 9. Vierwaldstättersee

Abbildungr Tiefenpro file des Sauerstoffs irn Vierwaldstättersee (Kreuztrichterl 199 1.

Analoge Verhältnisse zeigt auch die Untersu- sondere das schmale Vitznauerbecken sind von chung der Sarner Aa im Zufluss des Alpnacher- den Winden durch hohe, steile Felswände abge- Sees. Während der Gesamtphosphorgehalt der schirmt und werden deshalb nicht jedes Jahr voll Sarner Aa nur um 15% abgenommen hat, durchmischt. Der Urnersee ist dem Föhn voll beträgt die Abnahme beim gelösten Phosphor ausgesetzt und auch die Becken um den Kreuz- 65%, d.h. der partikuläre Anteil nahm zu. trichter sind praktisch nach allen Seiten offen. Entsprechend unterschiedlich sind die mittleren Sanierungsrnassnahrnen irn Einzugsgebiet Durchmischungstiefen während der Zirkulation und dementsprechend auch die Sauerstoffgehal- Der starke Rückgang der Phosphorgehalte trotz te. einer weiteren Zunahme der Einwohner im Ein- zugsgebiet ist ein Erfolg der recht weit fortge- schrittenen Abwassersanierung. Der Restanteil aus dem Abwasser an der Gesamtphosphor- fracht im Zulauf des Sees betrug 1989 weniger als 10%. Am 1 .I. 1 991 waren im Einzugsgebiet des Vierwaldstättersees 84Ok der ständigen Ein- wohner an eine Abwasserreinigungsanlage ange- schlossen. Weitere 4% könnten bis 1995 ange- schlossen werden.

Für die Sauerstoffgehalte in einem See sind nicht nur die chemischen Vorgänge bei der Mineralisa- tion von organischem Material wichtig, sondern vor allem auch die Windverhältnisse während der Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- Zeit der gleichmässigen vertikalen Temperatur- halte im Vierwaldstättersee {Kreuztrichterl 199 7, an verteilung im Frühjahr. Das Gersauer- und insbe- der tiefsten Stelle, I m über dem Sediment. Der Zustand der Seen in der Schweiz

STAUB (1981 ) hat 1977178 an verschiedenen ren Sauerstoffversorgung in der Tiefe ist der Stellen 30 - 50 cm lange Sedimentkerne gesto- Anteil der Ruch- oder Weissfische ebenfalls wie- chen, die aufgrund historisch belegter Ereignisse, der rückläufig. Der Felchenanteil an den jährli- wie Unterwasser-Rutschungen, datiert werden chen Fangerträgen beträgt wieder fast 80%. Seit können. Die in den Profilen feststellbaren Farb- 1992 zeigen sich die niedrigen Nährstoffgehalte wechsel deuten auf eine Verschlechterung der nun aber auch in einem deutlichen Rückgang der Sauerstoffverhältnisse an der Seeboden-Oberflä- gesamten fangerträge: wurden 1991 noch 250 che um 1950 hin. Sedimentierte organische Tonnen Fische gefangen, so waren es 1992 nur Überreste der Planktonproduktion werden wegen noch 115 Tonnen. Es treten wieder vermehrt Sauerstoffmangel nicht mehr voll mineralisiert, Algenarten auf, die seit den fünfziger und sech- sondern im Sediment eingelagert und dort unter ziger Jahren kaum mehr irn See vorgekommen Sauerstoffabschluss abgebaut. Dabei wird unter sind, während jene Algen, die in den beiden ver- anderem Sulfat zu Sulfid umgewandelt, welches gangenen Jahrzehnten dominiert haben, am ver- sich mit Eisen (111 zu schwarzem Eisensulfid ver- schwinden sind. Weitere Ursachen für die Ab- bindet. nahme der Fischerträge werden in der zuneh- menden Verbauung der Ufer vermutet; durch Irn Gersauerbecken wurde der in der Verordnung Landaufschüttung wurden zahlreiche Laichplätze über Abwassereinleitungen festgesetzte Minimal- zerstört. Es gibt fast keine Flachwasserzonen wert von 4 mg 02/1 zwischen 1965 und 1973 mehr mit Schilfgürtel, und an den Steilufern kön- während 47 Monaten unterschritten. Im Vitznau- nen die Fische nicht laichen. erbecken führen die geringen Sauerstoffkonzen- trationen über Grund wegen der anaeroben Pro- zesse im Sediment zu einer Rücklösung des Phosphors. Eine Messung anfangs 1973 zeigte Zwei Studien, die von den Seeanstösserkanto- an der tiefsten Stelle einen Gehalt an Gesamt- nen, der Aufsichtskommission Vierwaldstättersee phosphor von mehr als 130pg PII. Auch im und dem Bund in Auftrag gegeben wurden, Kreuztrichter stieg die Konzentration Ende Som- machen deutlich, dass der bisherige qualitative mer auch nach 1978 über Grund jeweils auf über Gewässerschutz auch im Bereich der Seen zum 60 pg PII, da Sauerstoffmangel auch hier ver- quantitativen Gewässerschutz ausgeweitet wer- stärkt auftrat. Wurde die Minimalkonzentration den muss. Zwar wurde dank der Abwasserreini- von 4 mg 02/1 zwischen 1962 und 1970 nur gungs-Massnahmen, wie Abwasserkanalisation während 4 Monaten unterschritten, waren es und -reinigungsanlagen, eine wesentliche Verbes- zwischen 1972 und 1980 bereits 15 Monate. serung des Gewässerzustandes erreicht, aber ein Mit der Abnahme der Primärproduktion nach See besteht nicht nur aus der Freiwasserzone. 1988 haben sich die Sauerstoffverhältnisse in Ökologisch besonders wichtig sind die natürli- allen Seebecken verbessert. Trotzdem sind die chen Ufer mit ihren FIachwasserzonen: Sedimente in der Tiefe des Vitznauerbeckens - Sie gehören zu den reichhaltigsten Naturland- noch immer ohne Sauerstoff; auch in anderen schaften der Schweiz; Seebecken treten öfters schwarze Sediment- - sie sind der Bereich des Sees, in dem die schichten auf. Urnersee, Horwerbucht und Luzer- intensivsten und vielfältigsten biologischen nersee hatten jedoch immer genügend Sauerstoff Abläufe stattfinden; im Tiefenwasser. - sie wirken mit ihren selbstreinigenden und -klärenden Prozessen (Teilchenablagerung und Zahlen zur Fischerei biologischer Abbau) als Pufferzone zwischen dem Land, seinen Verschmutzungsquellen und Die Entwicklung des Seezustandes schlug sich dem Freiwasser; auch in den Fangerträgen der Berufsfischer nie- - sie beeinflussen das biologische und chemische der. Diese stiegen von ca. 40 Tonnen pro Jahr Gleichgewicht des gesamten Sees massgebend; nach 1930 auf über 350 Tonnen in den achziger - sie sind aber durch ständig zunehmende Bela- Jahren. Der massive Anstieg ab 1960 ist zum stungen und Eingriffe in ihrer Existenz bedroht Teil auch der Einführung von Monofilnetzen aus oder schon teilweise zerstört. Kunststoff zuzuschreiben. Der Anteil der Edelfi- sche am Gesamtertrag stieg bis 1940 stets leicht Charakteristisch für den Vierwaldstättersee ist an, sank dann aber von 1960 an bis auf 65% im der grosse Anteil (45%) von Felsen- oder sonsti- Jahr 1980 ab. Der Anteil der Ruchfische ande- gen Steilufern. Die Bildung breiter Flachwasser- rerseits betrug 1980 30%. Die zunehmende Zonen ist nur in den Deltagebieten der Hauptzu- Nährstoffbelastung zeigte sich so auch in der flüsse tReuss, Muota, Sarneraa), im Becken von Zusammensetzung der Fischfauna. Mit dem Luzern und im Küssnachtersee gewährleistet. Rückgang der Nährstoffbelastung und der besse- Heute sind 78% der Ufer als ganz oder künstlich 9. Vierwaldstättersee

verändert zu betrachten. Als eigentliche Flach- Literatur wasserzone (0- 5 m Tiefe) können nur noch gerade 5,8 km2 betrachtet werden. Dies sind nur - Arnbühl, H., 1969: Die neueste Entwicklung 5% der Seeoberfläche. Davon ist nur noch ein des Vierwaldstättersees. Ver. Internat. Verein. kleiner Teil (1,4 km2) mit Wasserpflanzen be- Limnol. 17, 21 9 - 230. wachsen (Stand 1982). - Schweiz. Bundesrat: Verordnung über Abwas- sereinleitungen, 8.12.1 975. Die wertvoltsten Uferabschnitte liegen in folgen- - Gutachten über die Auswirkungen der projek- den Gebieten: tierten Pumpspeicherwerke Emmenetten und Uri: Reussdelta Seeboden auf den Vierwaldstättersee. EAWAG Schwyz: Räbmatt-Chappelmatt, Burg-Heris- Nr. 4558 (1978). büel-Sumpf, Küssnacht-Seematt, - Staub, E. A., 1981: Diagenese im rezenten Wopfgräben bei Brunnen Sediment des Vierwaldstättersees und ihre Obwalden: Deltagebiet Sarneraa und Chli Schlie- Veränderung durch die Eutrophierung; Tiefen- re (Alpnachersee) profile biologisch chemischer Parameter in Sediment und Porenwasser. Diss. ETH Nr. Nidwalden: Stansstader-Ried 6841. Luzern: Altstatt-Inseln, Krämersteinbucht, - Ambühl, H.: Abteilung Limnologie der EAWAG, Horwerbucht Daten über Nährstoff- und Sauerstoffkonzen- trationen im Kreuztrichter 1961 - 1993. Die beiden Studien beweisen nicht nur den star- ken Rückgang der natürlichen Ufer (18% seit - Arbeitsgruppe Reussmündung, 1983: Die 19351 und die Beeinträchtigung der noch beste- Reussmündungslandschaft am Urnersee. Natur- henden, sondern zeigen auch, wie diese erhalten forschende Gesellschaft Uri, 12, 194 Seiten. oder sogar in einen naturnahen Zustand zurück- - Bundesamt für Umweltschutz, 1983: Fischerei gebracht werden könnten. im Sempachersee, Graureiher, Seeforellenbe- wirtschaftung. Schriftenreihe Fischerei Nr. 41. Die Aufsichtskornrnission Vierwaldstättersee, der - Stadelmann, P. et al., 1985: Der Vierwaldstät- alle anliegenden Kantone angehören, hat im tersee und die Seen der Zentralschweiz. Verlag Januar 1993 verbindliche Richtlinien für die Nut- Keller & Co. AG, Luzern. zung durch die Schiffahrt erlassen. Darin wird - Lachavanne, J,-B. et al., 1985: Zustand, Erhal- u.a. festgelegt: Die Kantone erarbeiten Seeufer- tung und Ufer des Vierwaldstättersees. Bericht konzepte, in denen alle Schutz- und Nutzungsan- im Auftrag des Bundesamtes für Forstwesen sprüche an die Uferzone unter Berücksichtigung und Landschaftsschutz, des Bundesamtes für der ökologischen Belastbarkeit von Ufer und See Umweltschutz und der Aufsichtskommission geregelt werden. Vierwaldstättersee, Universität Genf. - Bürgi, H. R., H. Ambühl, H. Bührer und E. Sza- Fazit bo, 1988: Wie reagiert das Seenplankton auf die Phosphor-Entlastung; Die Entwiclclung des Der Vierwaldstättersee hat in geradezu erstaunli- Vierwaldstättersees seit 1960. Mitteilungen der chem Ausmass auf die Reduktion des Phosphor- EAWAG 24. eintrages reagiert. Er gilt als Beispiel einer - Amt für Umweltschutz des Kantons Luzern, geglückten Abwasser-Sanierung im Einzugsge- 1991: Zustand der Oberflächengewässer irn biet. Im gesamten Seebecken bis 150 m Tiefe Kanton Luzern in den Jahren 1984 bis 1988. . liegt der Phosphorgehalt unter 7 pg PII. - EAWAG, Umweltschutzämter der Kantone Die natürlichen Ufer und Flachwasserzonen sind Luzern, Nidwalden, Obwalden, Cchwyz, Uri, durch zivilisatorische Aktivitäten bereits zu einem 1992: Studie Gewässerschutz im Einzugsgebiet grossen Teil beeinträchtigt und die bestehenden des Vierwaldstättersees, Zuflussuntersuchung Reste weiterhin gefährdet. Nur mit grossem Ein- 1989. EAWAG Auftrag Nr. a752, Dübendorf. satz kann dieses für den gesamten See und sein - EAWAG, 1992: Seensanierung: wohin führt die biologisches und chemisches Gleichgewicht Entwicklung? Mitteilungen der EAWAG EN wichtige Gebiet revitalisiert und erhalten werden. 34D, Nov. 1992. - NZZ vom 17. April 1993: Ende der fetten Jahre am Vierwaldstättersee. Der Zustand der Seen in der Schweiz I0. Zürichsee

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10. Zürichsee

Zur Morphologie Der Zürichsee in Zahlen Der Zürichsee ist mit einer Oberfläche von Zürichsee Obersee 88,4 km2 der drittgrösste ganz in der Schweiz (Untersee) liegende See. Der Damm von Rapperswil und die Oberfläche 68,15 20,25 km2 Landzunge von Hurden trennen den See in zwei max. Länge 2 9 10,5 km Teile, den Obersee mit 20,25 km2 und den max. Breite 3,9 2,5 km Zürichsee (Untersee) mit 65,06 km2. Die beiden maximale Tiefe 136 48 m Seeteile sind über drei enge Passagen mit maxi- mittlere Tiefe 5 1 23 m malen Wassertiefen von nur 2 - 8 m miteinander Volumen 3,3 0,47 km3 verbunden. Eiszeitliche Gletscher aus dem Rhein- Höhe über Meer 40 6 406 m und dem Linthgebiet formten das Becken des theoretische Aufenthaltszeit Sees. des Wassers (Füllzeit) 1,4 0,19 Jahr Der Linthkanal, der den Obersee mit dem Walen- see verbindet, bringt zwei Drittel der gesamten Zuflussmenge. Er wird zum grössten Teil aus dem Walensee gespiesen. Der Obersee war bis in Fläche 1'740 km2 1'564 km2 historische Zeit wesentlich grösser; durch die im- Einwohner 330'000 mer weiter vorgetriebenen Deltas der Wäggitaler Aa und der Jona sowie durch die Schuttmassen der Linth wurde er mehr und mehr eingeengt. Bis der Grundwasserstand in der Linthebene spürbar ins Hochmittelalter verband der Tuggenersee den gesunken. Walensee mit dem Obersee. 741 beispielsweise, lag das Klösterchen Babinchova - Benken - noch Der Zürichsee liegt auf dem Gebiet der Kantone "iuxta lacum Turicum", d.h. direkt am Tuggener- Schwyz, St. Gallen und Zürich auf 406 m ü. M. See, während Benken heute 6 km vom Obersee Der Seeabfluss, die Limmat, teilt die am Nord- entfernt liegt. In der recht warmen Trockenzeit westende des Sees gelegene Stadt Zürich, nach 1500 verlandete dieser flache Zwischensee durchfliesst das hoch industrialisierte Gebiet zwi- sehr rasch. Eine Klirnaverschlechterung führte schen Zürich und Baden und mündet bei Unter- aber nach 1763 wieder zu immer grösseren, all- siggenthal in die Aare. Im Mittelalter wurde das jährlichen Überschwemmungen. Das Geschiebe Flussbett in der Stadt Zürich durch verschiedene der Linth wurde in der Ebene bis zu 5 m hoch Bauten soweit eingeengt, dass der Zürichsee des abgelagert. Dies bewirkte einen Rückstau des öfteren stark gestaut wurde und Überflutungen Walenseeausflusses. Im Laufe weniger Jahrzehn- im Uferbereich auftraten. Bei Beginn der Linth- te wurde die Not der Bevölkerung unerträglich: korrektion verlangte Escher deshalb als erstes das Kulturland versumpfte, Sumpffieber und eine Verbesserung der Abflussverhättnisse des Malaria breiteten sich aus, in Walenstadt und in Zürichsees. Die dazu notwendigen Arbeiten wur- Weesen mussten die tieferen Geschosse der den nach 1813 ausgeführt. Gründliche Abhilfe Gebäude aufgegeben und die Brunnen und Stras- brachten aber erst die im Anschluss an die Brük- sen immer wieder höhergelegt werden. Während ken- und Quaibauten der Stadt Zürich ausgeführ- der Hochwasser wurden zusätzlich Notstege ten Korrektionen von 1881 bis 1893. errichtet. Im Zürichsee (Untersee) ist normalerweise eine Hans Konrad Escher, später von der Tagsatzung deutliche thermische Schichtung zu beobachten, mit dem Zusatz "von der Linthn geehrt, liess in die sich in jedem Frühjahr aufzubauen beginnt deren Auftrag mehrere Kanalbauten errichten. und die im Sommer den grössten Temperatur- Als erstes wurde die Linth 1811 in den Walensee gradienten in der Sprungschicht zwischen 7,5 geleitet. So konnte das Geschiebe von der Linth- und 12,5 m Tiefe erreicht. Die vorherrschenden Ebene ferngehalten werden; die Seespiegelstände Westwinde werden zwar durch die Bergkette am des Walensees gingen zurück. Mit der Begradi- Albis abgeschwächt, sind aber noch so stark, gung der Verbindung Walensee-Obersee durch dass sie die obersten Wasserschichten auch im den 1816 eröffneten Linthkanal wurde der wild Sommer durchmischen können; die darunterlie- mäandrierende Fluss um 8 km verkürzt, das gende Temperatursprun~schicht bleibt dabei Normalprofil tiefergelegt und eine Erhöhung der stabil. Die schwachen Strömungen im See führen Fliessgeschwindigkeit bewirkt. Dadurch fielen die zu einer geringfügigen Verfrachtung von Wasser ehemals alljährlich überfluteten Gebiete nach und aus dem Epi- und Meta- ins Hypolimnion. nach trocken. Bereits bei Eschers Tod (1823) war der Spiegel des Walensees 5 m und damit Der Zustand der Seen in der Schweiz

Im Obersee nimmt im Sommer die Temperatur das Sulfid weist auf periodisch auftretenden Sau- nahezu linear mit der Tiefe ab. Eine thermische erstoffmangel im Tiefenwasser hin. Zwischen Dreiteilung kann nur selten beobachtet werden. 1925 und 1930 stieg die Bioproduktion erneut Die Ursachen für diese eher ungewöhnliche ver- an. Diese Entwicklung hielt bis etwa 1945 an tikale Temperaturverteilung in einem rnässig tie- und stagnierte dann, obwohl sich der Phosphor- fen See sind vielfältig. Einerseits verhindert das gehalt zwischen 1946 und 1955 verdoppelte. Ausbleiben von regelmässig auftretenden, star- Die nochmalige Verdoppelung des Phosphorge- ken Winden die Bildung eines durchmischten Epi- haltes bis 1964 führte dann allerdings zwischen limnions, andererseits ist der gleichmässige Tem- 1960 und 1965 zu einem massiven Produktions- peraturgradient bis in die mittleren und grösseren anstieg. Dank dem baulichen Gewässerschutz Tiefen eine Folge der hohen Strörnungsgeschwin- hat sich der Seezustand seit 1970 in Teilberei- digkeiten; die mittlere Aufenthaltsdauer (Fullzeit) chen gebessert. des Wassers in diesem Seebecken führt offenbar zu einem stetigen Transport von relativ warmem Sauerstoffverhältnisse im Zürichsee Wasser aus den oberen Schichten nach unten. Der Abfluss aus dem Elektrizitätswerk bei Alten- Die Verschlechterung des Seezustandes wider- dorf führt die kühlen Wasser aus dem höher lie- spiegelt sich auch in den Sauerstoffverhältnis- genden Sihlsee in das Seebecken vor Lachen. Im sen. Die ersten Messungen von 1910 durch Winter entsteht hier deshalb öfter eine geschlos- KUNZ zeigen bei einem Gehalt von nur 5 - 6 mg senen Eisdecke, während der übrige See eisfrei 02/1 in 100 m Tiefe bereits eine starke Sauer- bleibt. stoffzehrung im See. THOMAS und MARK! regi- strierten von 1943 bis 1945 im Tiefenwasser ex- Dem Zürichsee werden jährlich 72 Mio. m3 Was- trem tiefe Sauerstoffwerte. Ab 1946 verbesser- ser entnommen, 2/3 davon allein durch die Was- ten sich die Verhältnisse dann wieder, so dass serversorgung der Stadt Zürich. die Sauerstoffkonzentrationen - von wenigen Ausnahmen abgesehen - bis 1956 deutlich über Die Entwicklung des Seezustandes im den Tiefstwerten von 1943/45 lagen. Zürichsee Interessant ist eine Beobachtung von THOMAS Der Zürichsee wird seit der Jahrhundertwende und MÄRKI, die im Herbst 1947 in der Tempera- untersucht. Publikationen von MINDER, THOMAS tursprungschicht (Metalimnion) extrem niedere und ZÜLLIG zeigen, dass sich der Zustand des Sauerstoffkonzentrationen (1 - 2 mg (I2/]) ge- Sees seit 1895 stufenweise verschlechtert hat. messen hatten, obwohl die Wasserschicht zwi- 1897 und 1898 wurden erstmals Massenentfal- schen 30 und 80 m Tiefe noch 5 bis 8 mg 02/1 tungen der Burgunderblutalge (Oscillatoria rubes- enthielt. Durch die grossen Temperaturunter- cens) beobachtet, welche den See rot färbten. schiede in der Sprungschicht entstehen kleinste Die zuvor im See dominanten Kieselalgen waren Wirbel, die das Absinken der ,absterbenden Bio- dadurch stark zurückgedrängt worden. Die Sedi- masse ins dichtere Tiefenwasser bremsen. Die mente zeigen ab 1896 wechselweise schwarzes Mineralisation der Biomasse konzentriert sich Eisensulfid und hellere, kalkhaltige Schichten; somit auf das Metalimnion und führt dort zu

Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- halte im Zürichsee Obersee (Lachen) 199 7, an der tief- halte im Zürichsee Untersee (ThalwiJ) 7991, an der sten Stelle, I m über dem Sediment. tiefsten Stelle, I m über dem Sediment. Abbildung: Tiefenprofiledes Sauerstoffsim Zürichsee lThalwill 199 1. einem grösseren Sauerstoffverbrauch. Ähnliche Iichen Reinigungsstufe, der Flockungsfiltration, metalimnische Sauerstoffminima treten im Herbst ausgerüstet. Gemäss Regierungsratsbeschluss noch heute im Zürichsee auf 11 991 : 0,8 mg 02/1) des Kantons Zürich sind bis 1994 alle grösseren und sind typisch für überdüngte Seen. In der Anlagen (> 1 Mio. m3 Abwasser pro Jahr) mit Periode von 1959 - 1965 wurden extreme Sauer- dieser weiteren Reinigungsstufe auszurüsten. stoffminima gemessen. Nach einem Herbststurm sanken 1959 in Ufernähe sogar die Konzentrati- Nährstoffe onen im Oberflächenwasser kurzfristig unter 1 mg 02/1 und der Geruch von Schwefelwasser- Die meisten Seen im Alpenraum, die als mässig stoff belästigte die Uferbewohner. 1965 erfolgte belastet (mesotroph) eingestuft werden, zeigen eine Trendwende, aber noch entspricht der mittlere Phosphorkonzentrationen unter 25 yg11 Sauerstoffgehalt in den tiefsten Wasserschichten (Mikrogramm pro Liter). Aus Daten der Wasser- trotz des gesunkenen Nährstoffgehalts nicht den versorgung der Stadt Zürich ist ersichtlich, dass Anforderungen des Gewässerschutzes (4 mg die Phosphorkonzentration von 1950 bis 1969 02/1). 1991 waren die Sauerstoffverhältnisse jährlich um 5 pg/l bis auf 120 ygll zugenommen über Grund erstmals deutlich besser; die Auswir- hat. Mit der Einführung der Simultanfällung in kungen morphologischer und meteorologischer den Kläranlagen ab Mitte der sechziger Jahre Einflüsse bestimmen die Sauerstoffversorgung in gelang es dann aber, die Phosphorzufuhr zu ver- der Tiefe aber weitgehend. mindern. In der Folge sanken die mittleren Kon- zentrationen im See wieder unter 50 yg PII. Im oberen Wasserkörper Ibis 30 m Tiefe) sind die im Phosphorkonzentrationen allerdings nur etwa Im Einzugsgebiet des gesamten Sees (inkl. halb so gross. Die 1993 gemessenen Phosphat- Walensee und Wäggitalersee) stehen Abwasser- gehalte entsprechen den Werten von 1950. reinigungsanlagen für 94% der Einwohner in Betrieb. Weitere 5% könnten an bestehende Da ein Grossteil der Phosphorbelastung aus Anlagen angeschlossen werden. Für das Ein- Quellen stammt, die sich schlecht lokalisieren zugsgebiet des Zürichsees (Untersees) allein, lassen, hat der Kantop Zürich mit einer grossan- beträgt der Anschlussgrad schon heute fast gelegten Untersuchung 7 985 im Einzugsgebiet 100%. Einige Kläranlagen sind mit einer zusätz- Menge und teilweise auch Herkunft des Phos- Der Zustand der Seen in der Schweiz

Tabelle: Nährstoffkonzentrationen während der Früh- für Gew~sserschutz und Wasserbau die "See- jahrszirkula tion. kuh", ein Mähboot, eingesetzt, um die grössten Auswirkungen eines übermässigen Algen- und Krautwachstums zu bekämpfen; gemäss Aussa- gen der Betreiber ist in letzter Zeit ein Rückgang des Pflanzenwachstums zu beobachten.

Tabelle: Phosphorbilanz des Zürichsees 1985 f Tonnen Phosphor pro Jahr).

Eintrag Abfluss Natürliche Zuflüsse 27,O tlJ Limmat 95 tlJ Obersee - 50,OtlJ Wasserwerke 6 tlJ Niederschläge 5,8 t/J Klaranlagen 25.5 t/J Regenüberläufe 5,9 tlJ direkte Einfeitungen 3,6 t/J

Total: - 121,O tlJ Total: - 101 tlJ

Der Zustand des Obersees Die Wassererneuerungszeit ( = theoretische Was- seraufenthaltszeit oder Füllzeit) des Zürich-Ober- Sees ist kurt. Der Quotient aus Seevolumen und mittlerem Linthzufluss (zwei Drittel des Gesamt- zuflusses) beträgt nur 0,19 Jahr oder 10 Wo- chen. Für die obersten 10 m Wassertiefe beträgt die Wassererneuerungszeit bei mittlerem Zufluss im warmen Halbjahr sogar nur fünf Wochen. Wird der Beitrag der übrigen Zuflüsse noch in phoreintrages bestimmt. Die Phosphorbilanz Rechnung gestellt, verkürzt sich die effektive (nächste Tabelle) zeigt. dass wegen der Phos- Füllzeit nochmals um 30%. Die jährliche Sauer- phorrücklosung im Herbst die Nettosedimentation stoffzufuhr durch die ist etwa dreimal Qrös- klein ist. Seither hat sich die Phosphorbelastung ser als der SauerstOffinhalt des OberSees und durch den Einbau der Simultanfallung (3. Stufe) mehr als 10 mal grösser als die Verluste durch im Einzugsgebiet des Obersees und durch das den Abbau der Biomasse. Phosphatverbot in Textilwaschmitteln verringert. Durch weitere Massnahmen, wie Ausrüsten aller Obschon ein Teil der Biomasse bereits vor dem grösseren Kläranlagen im Einzugsgebiet des Abbau in den Zürichsee gespült wird und der Zürichsees mit Flockungsfiltration (4. Stufe) und Obersee im Gegensatz zum Zürichsee zudem fast den Anschluss der Direkteinleiter, kann der jährli- in jedem Frühjahr vollständig durchmischt wird, che Phosphoreintrag bis 1995 wahrscheinlich auf ist häufig schon im Juli Sauerstoffmangel über unter 80 Tonnen gesenkt werden. Bei einem Grund zu beobachten. Der Sauerstoffvorrat im gesamten Zufluss (inklusive Niederschläge) von Hypolimnion reicht der geringen Tiefe und des 93.2 m3/s ergäbe sich somit eine mittlere Zu- kleinen Wasservolumens wegen - trotz der kur- flusskonzentration von weniger als 22 pg P/1. zen Aufenthaltszeit und trotz des Fehlens einer Falls der See einen Teil der Phosphorfracht in sei- eindeutigen sommerlichen Dichtestruktur - nur nen Sedimenten ablagern würde, wie dies bei kurze Zeit aus. Unter 30 m Tiefe sind so wäh- einem genügend belüfteten See üblich ist, könnte rend Monaten Sauerstoffkonzentrationen von längerfristig mit Phosphorgehalten von deutlich weniger als 1 mg O,/I möglich. weniger als 20 pg PI1 gerechnet werden.

Die Gesamtbioproduktion hat sich trotz der Zahlen zur Fischerei Reduktion der Phos~horgehaltein den letzten lm Zürichsee lebten früher zwei charakteristische 10 Jahren wenig verändert. Einzig 1991 wurden Fischarten, der 'Hegfig', eine kleine Felchenrasse, kleinere Werte gemessen; eine eindeutige Wende und der 'Züri-Rötel', ein Seesaibling. Der Heglig zum Besseren kann aber aus den Daten eines war 50 bekannt, dass man die Zürcher noch heu- einzigen Jahres nicht abgeleitet werden. Seit Mit- te gern als 'Zürihegel' bezeichnet. Beide Fisch- te der siebziger Jahre wird im Auftrag des Amtes arten waren Tiefenbewohner und sind als Folge des Sauerstoffrnangels im Tiefenwasser schon - Thomas, E. A., 1969: Kulturbeeinflusste che- im 19. Jahrhundert ausgestorben. mische und biologische Veränderungen des Zürichsees im Verlaufe von 70 Jahren. Mitt. Heute bewohnen vor allem Weissfische, Felchen Internat. Verein. Limnol. 17, 226 - 239. und Barsche (Egli) den See. Die jährlichen Fang- - Der Zürichsee und seine Nachbarseen. Office erträge sind mit Ausnahme der Barschfänge du Livre, Buchverlag neue Zürcher-Zeitung, Fri- ziemlich stabil und liegen bei 250 Tonnen pro bourg (19791. Jahr. - Züllig, H., 1981: On the use of Carotinoid Möglicherweise ist der Zürichsee der grossen Stratigraphy in Lake Sediments for detecting Weissfischmasse wegen attraktiv für Kormorane. past Developments of Phytoplankton. Limno- Diese Vögel aus dem Nordmeer und dem Balti- logy and Oceanography, Vol. 26, No. 5. kum verbringen den Winter häufig an seinen - Züllig, H., 1982: Untersuchungen über die Ufern. Zwischen 1970 und 1985 hat ihre Zahl an Stratigraphie von Carotinoiden im geschichte- gewissen Standorten um mehr als das Zwanzig- ten Sediment von 10 Schweizer Seen zur fache zugenommen, so dass die Fischerei sie Erkennung früherer Phytoplankton-Entfaltun- bereits als Konkurrenten betrachtet. gen. Schweiz. Z. Hydrol. 44/1, 1 - 98. - Dietlicher, K., 1983: Zur Entwicklung und Ver- Fazit änderung der Wasserqualität im Zürichsee. AWBR Jahresbericht 1982, 14, 185 - 21 1. Der Zürichsee ist trotz des relativ raschen Was- seraustausches und des gewässerschutztech- - Boucherle, M. M. und H. Züllig, 1983: Clado- nisch zu fast 100% sanierten Einzugsgebietes Ceran Remains as Evidence of Change in tropic noch immer stark mit Nährstoffen belastet. Der State in three Swiss Lakes. Hydrobiologia 103, Sauerstoffmangel über Grund kann zu einer 141 - 146. Phosphorrücklösung aus den Sedimenten führen. - Zimmermann, U., 1991: Phosphorkonzentratio- Die Restbelastung aus dem Siedlungsgebiet hat nen und Phytoplanktonbiomasse am Beispiel in den letzten zehn Jahren abgenommen; zusam- des Seensystems Walensee-Zürichsee der men mit dem Phosphoreintrag aus diffusen Quel- Jahre 1974 - 1984. AWBR Jahresbericht len im ländlichen Raum ist sie aber rnöglicherwei- 1984, 16, 121 - 141. se für den See noch immer zu hoch. Der Weiter- - Zimmermann, U., R. Forster und H. Sonthei- ausbau in der Abwasserreinigung, wie Flok- mer, 1991 : Langzeitveränderung der Wasser- kungsfiltration für alle grösseren Anlagen und qualität im Zürich-, Zürichober- und Walensee. Anschluss aller bisherigen Direkteinleiter, könnte Wasserversorgung Zürich. in den nächsten Jahren aber zu einer nachhalti- gen Verbesserung des Seezustandes führen. - Maurer, W., 1991: Die Kuh, die zwei Räder hat. Tages-Anzeiger vom 30. Juli 1991. Literatur

- Kunz, W. R., 19 1 1 : Vergleich der gasvolume- trischen mit der titrimetrischen Bestimmung des im Wasser gelösten Sauerstoffes und Bestimmung des vom Zürichsee adsorbierten Sauerstoffes. Diss. Mitt. phys. Ges. Zürich, H. 16. - Steinmann, P. und G. Surbeck, 1918: Die Wir- kung organischer Verunreinigungen auf die Fauna schweizerischer Fliessgewässer. Schweiz. Departement des lnnern, Inspektion für Fbrstwesen, Jagd und Fischerei. - Minder, L., 1922: Studien über den Sauer- stoffgehalt des Zürichsees. Arch. Hydrobiol. Suppl. 3, 107 - 155. - Thomas, E. A. und E. Märki, 1949: Der heutige Zustand des Zürichsees. Verh. Int. Ver. Limnol. 10, 476 - 488. Der Zustand der Seen in der Schweiz 11. Lago di Lugano I I I

Mendrisio

- 1 1. Lago di Lugano

Zur Morphologie Einige Angaben zum Einzugsgebiet Der Lago di Lugano, auch Ceresio genannt, ist Fläche (ohne See) Teil der oberitalienischen Seenlandschaft, zu der Nordbecken 269,7 km2 die grossen und tiefen Seen Lago Maggiore, Lago Südbecken 587,5 km2 di Como, Lago d'lseo und Lago di Garda gehö- mittlere Höhenlage 786 m Ü.M. ren. Er ist vor allem im Norden von Steilufern permanente Einwohner im umgeben und gliedert sich in drei Hauptbecken: schweizerischen Einzugsgebiet 1 75'000 Das Nordbecken, das Südbecken und das Becken gesamte Einwohner inkl. von Ponte Tresa. Ausser bei der Bucht von Tourismus und Industrie 320'000 Lugano ist das Nordbecken nie breiter als 2 km. Der steile Abfall der Ufer führt auch unter der weiteren Verengung des Durchflusses, der heute Wasserlinie weiter: Von Osteno im Osten bis nur noch eine Breite von 70 und eine Tiefe von nach Castagnola bei Lugano im Westen ist der 5 m aufweist. Der Damm hindert den Wasseraus- See über 270 m tief. 63% der Seeoberfläche lie- tausch zwischen den Becken und ist so zum Teil gen in der Schweiz. Wichtigster Zufluss ist mit verantwortlich für den kritischen Gesundheitszu- 4 m3/s der Vedeggio, der von Norden her bei stand des Nordbeckens. Eine zweite Moräne Agno in das Südbecken mündet. Die Tresa führt grenzt das Unterbecken von Agno vom restlichen das Wasser des Lago di Lugano in den Lago Südbecken ab. Maggiore. Um den See herrscht ein mildes und nieder- Das Becken des Ceresio entstand durch prägla- schlagsreiches Klima; Regen fällt vor allem in den ziale Flüsse (siehe auch Kapitel 8, Lago Mag- Monaten Mai bis Oktober (1742 mm pro Jahr). giore) und wurde während der Eiszeit durch die Das Jahresmittel der Temperatur liegt bei Gletscher des Adda und des Ticino ausgeweitet. 11,7 OC. Nur während 60 Tagen im Jahr werden Die Trennung von Nord- und Südbecken durch Temperaturen unter 0 OC gemessen. den Damm von Melide ist künstlich. Der 800 m lange Damm wurde in den Jahren 1844 - 1847 auf einer Moräne erbaut und dient als Hauptver- Die Entwicklung des Seezusrandes kehrsachse zwischen der Schweiz und Italien. Das milde Klima, welches subtropische Vegeta- Ein Ausbau in diesem Jahrhundert führte ZU einer tionsformen ermöglicht, und die Attraktivität des von Bergen und stark bewaldeten Steilufern umgebenen Sees fördern seit jeher den Touris- Der Lago di Lugano in Zahlen mus in der Region und damit aber auch die Bela- Oberfläche 48,8 km2 stung des Sees mit Abfällen und Abwässern, Nordbecken 27,5 km2 d.h. mit unerwünschten Nährstoffen. Wegen des Südbecken 20,3 km2 eher kleinen Einzugsgebietes wird dem See trotz Ponte Tresa 1,O km2 der grossen Niederschlagsmenge wenig Wasser maximale Tiefe zugeführt, so dass die Nährstoffkonzentrationen Nordbecken 288 m der Seezuflüsse oft sehr hoch sind. Südbecken 95 rn Ponte Tresa 50 m Der ursprünglich kaum belastete See zeigte daher mittlere Tiefe 130 m im Nordbecken schon 1944 Phosphorkonzentra- Nordbecken 171 m tionen' von über 40 pg P/I. Für das Südbecken Südbecken 55 m gibt es keine Messwerte aus dieser Zeit. 0. JAAG Ponte Tresa 33 m stellte jedoch irn Jahre 1964 im Nordbekken Volumen 5,86 km3 Konzentrationen von 20 - 40 pg P/1, zur gleichen Nordbecken 4,69 km3 Zeit irn Südbecken aber nur 15 pg P/I fest. Nach Südbecken 1,14 km3 dem Krieg nahm als Folge des "Wirtschaftswun- Ponte Tresa 0,03 km3 ders" die Zahl der Wohnungen und vor allem der Länge 21 km Zweitwohnungen wie auch die der Industrie- und max. Breite 3 km Gewerbebetriebe um den See stark zu. Dies blieb min. Breite 1 km natürlich nicht ohne Auswirkungen auf den See: mittlere Abflussmenge 25,2 m3/s Ab 1960 - 1965 stieg die Nährstoffbelastung theoretische Aufenthaltszeit stark an. Dies führte schon in den siebziger Jah- des Wassers (Füllzeit) 8,2 Jahre ren zu extrem hohen Produktionsraten, die bis Nordbecken 12,3 Jahre anfangs der achtziger Jahre anhielten. Heute wird pro Jahr und Quadratmeter Seeoberfläche Südbecken 1,4 Jahre im Nordbecken 270 und irn Südbecken zwischen Ponte Tresa 14 Tage Der Zustand der Seen in der Schweiz

310 (bei Melide) und 350 (bei Figino) Gramm steigt die Konzentration aber noch an, sie betrug Kohlenstoff produziert; zum Vergleich: Schwach 1992 260 pg PII. Die milden Winter der letzten belastete Seen produzieren weniger als 150 g C Jahre haben die Dichteschichtung zusätzlich ver- pro m2 und Jahr. stärkt, obwohl der Gehalt der gelösten Salze in der Tiefe seit wenigen Jahren leicht abnimmt. Die in den obersten Wasserschichten produzierte Die chemische Schichtung und das Ausbleiben Biomasse sinkt nach dem Absterben ab und wird der Vollzirkulation verhindern eine grössere auf ihrem Weg nach unten abgebaut. Dieser Pro- Selbstdüngung des Sees und halten die Biopro- zess verbraucht Sauerstoff (02)und setzt Koh- duktion relativ gering. In der produktiven Zone (0 lensäure (COz) und einen Teil der gebundenen bis 15 m) sinkt die Orthophosphat-Konzentration Nährstoffe frei. Durch die Kohlensäure wird irn Sommer jeweils unter die Nachweisgrenze. sedimentierender und sedimentierter Kalk gelöst, so dass sich in der Tiefe höhere Gehalte gelöster Die Abwasserreinigungsanlagen der grössten Stoffe ergeben. Die Dichte des Seewassers Agglomerationen im schweizerischen Einzugsge- nimmt deshalb auch bei homogener Temperatur- biet, Lugano und Mendrisio, leiten das gereinigte verteilung gegen den Seegrund hin zu. Diese Abwasser über den Vedeggio resp. Laveggio in Dichteschichtung führt dazu, dass die ohnehin das Südbecken ein. Die mittlere Phosphorkonzen- nicht sehr kräftigen Winde den See im Herbst tration der Zuflüsse im Süden ist um 30 pg PI1 und Frühling nicht vollständig umzuwälzen ver- grösser als die der Zuflüsse im Norden. Der mögen. In der Tat werden heute im Nordbecken Phosphoreintrag aus dem Nordbecken ist in den des Ceresio die Wasserschichten unter 100 m letzten Jahren stark zurückgegangen. Die Phos- von den alljährlichen Zirkulationsvorgängen nicht phorkonzentration im Südbecken betrug im Früh- berührt und somit auch nicht mit Sauerstoff ver- jahr 1992 noch 65 pg PII. Über den Sedimenten sorgt. Tritiurnmessungen von 1988 und 1990 ist aber in den letzten Jahren jeweils ab Juli ein weisen auf Tiefenwasser hin, das seit den sech- Anstieg bis auf über 400 pg P/I zu beobachten. ziger Jahren nicht mehr mit der Atmosphäre in Berührung kam. Da die Wassermassen unterhalb Im Rahmen der Internationalen Kommission zum der Mischzone sehr lange im See verbleiben, sind Schutze der Italienisch-Schweizerischen Grenz- die Erfolge der Abwassersanierung nur Iängerfri- gewässer, welche die Gewässerschutzrnassnah- stig ersichtlich. Entsprechend dieser Schichtung men beider Länder aufeinander abzustimmen ver- hat die Phosphorkonzentration in der Mischzone sucht, wurden die Frachten aus dem Einzugsge- seit 1976 um 30% abgenommen und lag 1992 biet seit 1976 bestimmt (Tabelle links unten). im Mittel bei 52 pg PII. Im Epilimnion sind die Konzentrationen noch tiefer (< 18 pg PII). In der Sanierungsmassnahmen im Einzugsgebiet stagnierenden Wasserschicht des Hypolimnions Im Einzugsgebiet des Sees leben 175'000 Ein- wohner und irn Jahresdurchschnitt 95'000 Touri- Tabelle: Phosphorbelastung des Nordbeckens. sten. Zusammen mit der Industrie werden dem See die Abwässer von über 320'000 Einwohner- gleichwerten (EWG) zugeführt. Von den 128'000 in der Schweiz lebenden Einwohnern sind über

Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- halte im Luganersee Nordbecken (Gandria) 7991, an der tiefsten Stelle, I m über dem Sediment. 1 1. Lago di Lugano

Abbildung: Tiefenprofile des Sauerstoffs im Luganersee Nordbecken (Gandrial 199 1.

112'000 an eine Kläranlage mit Phosphatfällung klein sind; eine Obergrenze der Phosphorbela- angeschlossen. Auf die EWG bezogen beträgt stung kann wegen der permanenten Schichtung der Anschfussgrad in der Schweiz 90%. In der und dem von den Zuflüssen wenig beeinflussten Region Lombardei werden erst 40% der Abwäs- Tiefenwasser nicht angegeben werden. Ein phy- ser gereinigt, 20% in einer Kläranlage mit Phos- sikalisch-biochemisches Seemodell (KARAGOUNIS phatfällung. 1992) zeigt, dass sich der Zustand des Nordbek- kens auch bei einer weiteren Reduktion der Bela- Zur Zeit wird die Kläranlage von Bioggio (Lugano) stung auf die Hälfte des heutigen Wertes nur und demnächst auch diejenige von Mendrisio sehr langsam, d.h. im Verlauf mehrerer Jahr- ausgebaut. Für beide Anlagen ist eine Flockungs- zehnte, verbessern wird. fiitration (4. Stufe) geplant. Trotz der Reduktion der jährlichen Belastung von Die Anstrengungen zur Sanierung auf Schweizer- 120 auf weniger als 60 Tonnen erhält das Süd- seite führen allerdings nur dann zum Erfolg für becken noch immer mehr als das Doppelte der den See, wenn die Region Lombardei im bauli- tolerierbaren Phosphorfracht: Erst bei weniger als chen Gewässerschutz mithalten kann. 25 t P/Jahr wird der Phosphorgehalt im Südbek- ken auf 25 pg P/I zurückgehen. Sauerstoff zu Tolerierbare Phosphorbelastung jeder Jahreszeit und in allen Tiefen ist aber erst bei Frachten unter 17 t P/Jahr zu erwarten. Dies Mässig belastete Seen im Alpenraum zeigen in könnte nur durch eine vollständige Sanierung des der Regel mittlere Gesamtphosphorkonzentratio- Einzugsgebietes im Norden und durch Umleiten nen von weniger als 25 pg/l. der geklärten Abwasser aus den Reinigungsanla- gen von Lugano und im Valceresio direkt in die Obwohl die Phosphorbelastung des Nordbeckens Tresa erreicht werden. in den letzten 15 Jahren stark zurückgegangen ist, kann in den nächsten Jahren nicht mit einem Sauerstoffgehalt schnellen Rückgang des Phosphorinhaltes gerechnet werden, da Export und Nettosedimen- Wie Sedimentuntersuchungen zeigen (NIESSEN tation im Verhältnis zum Phosphorinhalt extrem 1987, 19901, durchlief der Luganersee seit der Der Zustand der Seen in der Schweiz

Abbildung: Tiefenprofile des Sauerstoffs im Luganersee Südbecken (Figinol 199 7.

Eiszeit vor 10'000 Jahren mehrere Phasen mit Seen einzureihen." Noch 1964 wurden über relativ geringen Mengen an Sauerstoff irn Grenz- Grund im Norden 2 mg 02/1 festgestellt. Dies bereich zwischen Wasser und Sediment. Wäh- wird auch durch Sedirnentuntersuchungen rend des holozänen Klirnaoptimums (bis vor (DOMINIKet al., 1992) bestätigt. Seit 1979 4'500 Jahren) lag die Ursache in einer reduzier- jedoch ist das Wasser des Nordbeckens ab ten Zirlculation, später bei einer leicht erhöhten 150 m Tiefe ganzjährig ohne Sauerstoff. Produktion. Grund dafür könnte schon damals der Einfluss des Menschen auf die Vegetation Das Südbecken dagegen wird seiner geringeren gewesen sein; am Ende der Bronze- und vor Tiefe und der besseren Windexposition wegen allem in der Eisenzeit wurden Wälder in Wiesen jedes Jahr im Januar oder Februar bis auf Grund und Felder umgewandelt. Dies führte zu erhöhten Abschwemmungen im Seeeinzugsgebiet. Eutro- phierungsschübe im Ausmass der letzten Jahr- zehnte gab es allerdings früher nie.

Sauerstoffgehalte wurden im Lago di Lugano erstmals 1946 gemessen. Schon damals waren sie irn Herbst im Nordbecken ab 150 m und im Südbecken ab 50 m Tiefe ungenügend, d.h. klei- ner als 4 mg 02/1. Erstmals wurde vor der erhöh- ten Belastung gewarnt (BALDI 19491: "Seine Eutrophierung scheint noch im Anfangsstadium und im all~emeinennoch nicht besorgniserregend zu sein." Zehn Jahre später hatte sich der , Zustand schon merklich verschlechtert (JAAG J J 1958): "... der See ist nach Chemismus und Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- Biologie seines Wassers, wenn auch nicht gerade halte im Luganersee Südbecken (Figinol 7991, an der in der Kategorie der kranken, so doch minde- tiefsten Stelle, 1 rn über dem Sediment. stens in die Kategorie der ernsthaft gefährdeten 11. Lago di Lugano

durchgemischt. Trotzdem zeigen die Tiefenprofile nur durch intensive Besatzmassnahmen gehalten schon im Frühsommer zwischen 5 und 15 m nur- werden. Bereits 1900 und 1940 wurden Mas- mehr Sauerstoffwerte von 1 - 2 mg 02/1. Sie sensterben der Agone (Maifisch) beobachtet. Die steigen dann vorübergehend zwischen 15 und Ursachen blieben im Dunkeln. Die Agonenbe- 50 Metern wieder leicht an. Mögliche Ursachen stände erholten sich zwar nach 1940 leicht, sie dieses sogenannten "metalimnischen Mini- blieben aber bis heute klein. Obwohl seit langem mums", welches in meist kleinerem Ausmass im See heimisch wird die Agone wegen des auch bei anderen Seen beobachtet wird, sind ein geringen kommerziellen Wertes nicht geschätzt. mit starker Sauerstoffzehrung verbundener Ab- Die Fischer fürchten sie zudem als Laichräuber. bau von Plankton oder die Einschichtung stark belasteter Zuflüsse in diese Schicht. Nach dem Unfall in Tschernobyl (April 1986) führte die starke Anreicherung der Radionukleide Die Entwicklung des Phytoplanktons in der Nahrungskette zu einem generellen Fang- verbot im schweizerischen Teil des Sees vom 3. Die Phytoplanktondichte nahm seit Beginn der September 1986 bis zum 9. Juli 1988. Im itaiie- Beobachtungen im Jahre 1958 von wenigen nischen Teil durfte weiter gefischt werden. hunderttausend auf mehrere Millionen Zellen pro Liter zu. Die Artenverteilung hat sich drastisch Fazit verändert. Für stark belastete Seen typisch ist die starke Zunahme der Blaualgen. Während Die grosse Bevölkerungsdichte und der starke 6 Monaten im Jahr sind diese im See dominant. Tourismus im relativ kleinen Einzugsgebiet bela- So wurden 1985 Blaualgenblüten mit bis zu sten den Luganersee trotz grossen Anstrengun- 285 Millionen Zellen pro Liter beobachtet. , gen im baulichen Gewässerschutz ausserordent- lich. Im italienischen Teil des Einzugsgebietes Der Pflanzenfarbstoff Chlorophyll-a dient als sind allerdings erst Ca. 20% der Einwohner an Indikator für die Phytoplanktondichte. Während einer Kläranlage mit Phosphorelimination ange- im Nordbecken die Bioproduktion seit einigen schlossen. Die Phosphorgehalte sind im Nord- Jahren deutlich zurückgeht, wurden 1990 im becken noch sechs mal und im Südbecken noch Südbecken noch immer Spitzenwerte von über drei mal zu hoch. Der Abbau der im Übermass 80 pg11 gemessen. für schwach belastete Seen produzierten Biomasse verbraucht Sauerstoff und sind Werte unter 15 pg/l die Regel. führt zu erhöhten Salzkonzentrationen im Tie- fenwasser. Die dadurch geförderten Dichteunter- Fischerei schiede und die windgeschützte Lage verhindern die periodische Durchmischung und Belüftung Die Artenverteilung der Fischfauna im Luganer- des Nordbeckens. Dies führt zu permanentem see wurde in den letzten 120 Jahren mehrfach Sauerstoffmangel unter 100 m Tiefe und macht empfindlich gestört, denn es wurde beinahe jede den See zum Chronischkranken. Der Sauer- Fischart, die kommerzielle Erfolge versprach, stoffmangel irn Sediment verhindert die perma- unkontrolliert ausgesetzt. Von den 1871172 nente Fixierung von Phosphor. Auch wenn die beschriebenen 23 Arten wurden 1991 trotzdem Belastung aus dem Einzugsgebiet in den letzten deren 21 wieder gefunden. Die nicht mehr 15 Jahren deutlich zurückgegangen ist, nimmt gesichteten Arten (Barbe und Elritze) sind aber der Phosphorvorrat im Tiefenwasser noch immer wahrscheinlich in kleiner Zahl noch vorhanden. zu. Eine spürbare Verbesserung ist in nächster Folgende Arten wurden eingeführt, die meisten Zeit hier nicht zu erwarten. kurz nach der Jahrhundertwende: Seesaibling, Regenbogenforelle, Felchen, Zander, Goldfisch, Auch im Südbecken wird der während der Win- Sonnenbarsch, Forellenbarsch und Katzenbarsch. terzirkulation eingebrachte Sauerstoffvorrat un- Die Bedürfnisse der neu eingesetzten Arten und terhalb von 5 m Tiefe schon im Frühsommer die Risiken für das Ökosystem des Sees wurden weitgehend aufgezehrt. Der Zustand des Südbek- dabei nie berücksichtigt. Der 1909 ausgesetzte kens verschlimmerte sich seit 1982 nicht mehr. Sonnenbarsch beispielsweise vermehrte sich rasch und wurde zur Plage für die Fischerei. Literatur Heute ist er zwar noch vorhanden, aber glückli- cherweise nur in recht geringen Mengen. - Pavesi, P., 1871172: 1 pesci e la pesca nel Cantone Ticino. Veladini & Co, Lugano. Grössere Veränderungen im Fischbestand wur- - Baldi, E., L. Pirocchi und V. Tonolli, 1949: Re- den seit 1950 registriert: die Bestände der Fel- lazione preliminare sulle ricerche idrobiologiche chen und des Seesaiblings gingen als Folge des condotte sul Lago di Lugano (1946 -1 947). sich verschlechternden Seezustandes stark lspettorato Federale per la Pesca, Berna. zurück. Auch die Salmonidenbestände können Der Zustand der Seen in der Schweiz

- Jaag, O., 1958: lo stato fisico, chimico e bio- und Mensch. Symposio Internationale. Aspetti logico attuale del Lago di Lugano. L'Acquicol- limnologici e gestionali del Lago di Lugano, tura Ticinese 1 - 2, pp. 6 - 13. Lugano. - Jaag, 0. und E. Märki, 1970: Recent Develop- - Pedroli, J.-C., B. Zaugg und A. Kirchhofer, ments and present Day Situation in Relation to 1991: Verbreitungsatlas der Fische und Rund- the Lake of Lugano and its Tributaries: Eutro- mäuler der Schweiz. Centre Suisse de Carto- phication in large Lakes and lmpoundments. graphie de la Faune, Neuchatel. Uppsata Symposium, OECD, Paris. - Dominik, J., J.-L. Loizeau und D. Span, 1992: - Commissione Internationale per la protezione Radioisotope Evidence of Perturbations of re- delle acque italo-svizzere: Rapporti 1974 - Cent sedimentary Records in Lakes: A Word of 1992. Caution for climate Studies. Climate Dynamics - Niessen, F., 1987: Sedimentologische, geophy- 6: 145- 152. sikalische und geochemische Untersuchungen - Karagounis, l., 1992: Ein physikalisch-bioche- zur Entstehung und Ablagerungsgeschichte des misches Seemodell, Anwendung auf das Nord- Luganersees. Mitt. Geol. Inst. Eidg. Tech. becken des Luganersees; Mitteilungen der Ver- Hochs. U. Univers. Zürich, neue Folge, Nr.258. suchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und - Barbieri, A. et. al., 1988: Die trophische Ent- Glaziologie (ETHZ), 1 16. wicklung des Luganersees unter dem Einfluss - Barbieri, A. und B. Polli, 1992: Limnological der Sanierungsmassnahmen. VSA Verbands- Aspects and Management of Lago di Lugano. bericht Nr. 404, Tagung der ASTEA/VSA in Special issue, Aquatic Sciences 54, 3f4. Melide. - Barbieri, A. und F. Zamboni, 1991: Applicazio- - Niessen, F., 1990: Die Sedimente des Luganer- ne di un modello dinamico previsionale al Baci- Sees; Chronik wechselnder Einflüsse von Klima no Sud del Lago di Lugano, Canton Ticino. I2. Thunersee

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Morphologie Die Entwickiung des Seezustandes Thuner- und Brienzersee liegen am Alpennord- Das angewärmte Oberflächenwasser des Brien- hang und sind in ihrer Charakteristik vom alpinen zersees schichtet sich im Thunersee in den ober- oder hochalpinen Einzugsgebiet geprägt. Ihre sten 20 Metern ein. Dieser zusätzliche Warme- tiefeingeschnittenen Becken verdanken sie einer eintrag lässt die Temperatursprungschicht im tektonischen Verwerfung und der eiszeitlichen Sommer auf eine Tiefe von 20 - 40 m absinken. Erosionsarbeit des Aaregletschers. Die steilen Das kalte, trübstoffreiche Wasser der Kander Ufer setzen sich auch unter Wasser fon und las- schichtet sich deshalb in noch grösseren Tiefen sen so kaum Platz für Flachwasserzonen. Das ein. Über 85% der Trübstoffe, die in den Thu- Felsbett des Thunersees reicht bis 50 m unter nersee gelangen, sedimentieren so auch irn den Meeresspiegel. Nach der letzten Eiszeit Sommer. Im Gegensatz zum Brienzersee wird erstreckte sich ein einziger See von Meiringen bis daher im Thunersee die Photosynthese kaum weit über Thun hinaus. Bergbäche und Flüsse durch Lichtabsorption der Trübstoffe gebremst. transportierten dann während Jahrtausenden Zudem fördert ein höherer verfügbarer Nähr- Geschiebe in das Seegebiet und schufen so das stoffgehalt die Bioproduktion. Im Jahre 1965 heutige Bild. Lütschine und Lombacl.~schütteten fand die EhWhG bei einer Untersuchung pro die Ebenen bei lnterlaken auf; die Aare war für Liter Wasser gegen 60'000 Fäden der Burgun- ein ausgedehntes Delta von Meiringen bis derblutalge (Oscillatoria rubescens), welche für Brienzwiler besorgt und unterhalb Thun füllten Seen mit beginnender Überdüngung typisch ist. die Zulg und die erst seit 1741 in den Thunersee Der Anteil an der gesamten Algenmasse betrug fliessende Kander das Seebecken. Für die Mor- aber nur maximal 10%; so blieb die berüchtigte phologie der zwei Seen und für ihr physikalisches blutrote Färbung dem Thunersee erspart. Phos- und chemisches Verhalten sind die grossen phor- und Stickstoffkonzentrationen werden im Trübstomrachten der Zuflüsse bedeutsam. So See seit 1965 bestimmt. Die Phosphorkonzen- wird der Thunersee vor allem von der Kander tration lag damals bei etwa 12 pg P/I. Maximai- jährlich mit 100'000 Tonnen beliefert. Wegen werte von 21 yg P/I wurden' bis in die achtziger der grossen Zufuhr an partikulärem Material sind Jahre beobachtet. Entsprechend hoch war bis die Sedimente an der tiefsten Stelle (217 m) 1983 auch die Primärproduktion von 360 g bereits über 250 m dick. Kohlenstoff pro m2 Seeoberfläche und Jahr. Aber schon 1986 war sie mit 200 g C.m-*.Jahr1 wie- Der Thunersee in Zahlen der deutlich kleiner. Das am 3. Juli 1985 verfüg- te Phosphatverbot für Textilwaschmittel beein- Oberfläche 48,4 km2 flusste auch im Thunersee die Phosphorgehalte, max. Länge 17,5 km diese liegen heute wieder unter denjenigen von max. Breite 3,5 km 1965. maximale Tiefe 217 m mittlere Tiefe 135 m Über den Brienzerseeauslauf werden dem Thu- Volumen 6,44 km3 nersee ca. 10 Tonnen Phosphor pro Jahr zuge- mittlerer Abfluss 110 m3/s führt; die Kander bringt mindestens doppelt theoretische Aufenthaltszeit soviel. Bei heftigen Gewittern können grosse des Wassers 1,9 Jahre Mengen an partikulär gebundenem Phosphor aus dem alpinen Einzugsgebiet abgeschwemmt wer- den. Weil dabei aber zum grössten Teil nur mine- Einige Angaben zum Einzugsgebiet ralisch gebundener Phosphor anfällt, hat dies kaum Konsequenzen für die Algenproduktion. Fläche 2'490 km2 Mineralischer Phosphor sedimentiert rasch und mittlere Höhe 1'760 m Ü.M. wird von Pflanzen und Algen des Sees nicht auf- Einwohner 67'700 genommen. 94'300 2l l1 ohne f Z Brienzersee 21 mit EZ Brienzersee Sanierurngsmassnahmen im Einzugsgebiet Am 1.1.1989 waren im Einzugsgebiet des Thu- nersees (ohne Einzugsgebiet Brienzersee mit Mittlere Nährstoffgehalte wahrend der 89,9%) 85,3% der ständigen Einwohner an eine FrühJahreszirkufatiora Abwasserreinigungsanlage angeschlossen: Bis Nitrat 530 pg NI1 zum Abschluss der Sanierungen wird dieser Pro- Ortho-Phosphat 4 pg P/I zentsatz auf über 95% steigen. Die Abwässer Gesamtphosphor 14 yg PI1 eines grossen Teils des Einzugsgebietes werden über eine Ringleitung gesammelt, gereinigt und Der Zustand der Seen in der Schweiz

Abbildung: Tiefenpro file des Sauerstoffs im Thunersee 198 7

anschliessend einige Kilometer unterhalb des über 8 mg 02/1. Auch die damals noch registrier- Sees in die Aare eingeleitet. te Phosphorrücklösung ist nicht mehr zu beob- achten. Wahrscheinlich wegen des höheren Sauerstoffgehalte Gehalts an Kalziumkarbonat der Kander, welche sich - wie oben erwähnt - in der Tiefe einschich- Der Thunersee liegt in einem tief eingeschnitte- tet, ist die Dichte des Tiefenwassers etwas grös- nen Tal; starke Winde sind deshalb nur von ser als die der anderen Wasserschichten. Da Nordwesten oder von Süden (Föhn) her möglich. diese geringen Dichteunterschiede nach Abl:üh- Bleiben die Herbststürme aus, sinkt im Oktober lung des Oberflächenwassers bestehen bleiben, und November die Sauerstoffkonzentration in wird der See auch im Winter nicht vollständig 200 m Tiefe; während Anfang der achtziger durchmischt. Durch Diffusion gelangen trotzdem Jahre noch regelmässig weniger als 4 mg 02/1 grosse Mengen an Sauerstoff in die Tiefe, des- gemessen wurden, liegen die Werte heute wieder 1 2. Thunersee

und heute ist diese durch das Wehr bei Incer- laken gänzlich unterbunden. In beiden Seen treten gleiche oder ähnliche Arten auf. Wie beim Brienzersee machen auch am Thunersee die Felchen den grössten Anteil am Fangertrag aus (> 90%). Der im kälteren und nährstoffärmeren Brienzersee nur langsam wachsende Brienzlig wächst im Thunersee bedeutend schneller und ist hier deshalb für die Fischerei bedeutend. Erwähnenswert sind noch die Seesaiblinge, die während der Eutrophierungsphase kaum mehr gefangen wurden, mit heute ca. 6% und die Hechte mit Ca. 1 % am Fanganteil.

Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- Fazit hafte im Thunersee 1987, an der tiefsten Stelle, 7 m Obwohl die Nährstoffbelastung des Thunersees über dem Sediment. vor allem in den siebziger Jahren deutlich ruge- nommen hatte, werden heute wieder Phosphor- halb hatte auch die leicht erhöhte Algenproduk- werte wie vor 30 Jahren gemessen; dies ist ein tion um 1980 keine bleibenden Folgen auf den Erfolg der konsequenten Abwassersanierung im Gesamtzustand gehabt. Einzugsgebiet. Der heutige gute Zustand wird sich weiter stabilisieren. Zahlen zur Fischerei Literatur Der Verlauf der Pflanzennährstoffgehalte lässt sich wegen der Nahrungskette (Nährstoffe + - Matter, A., A. Süsstrunk, K. Hinz und M. Algen -+ Zooplankton -+ Fische) auch anhand Sturm., 1971 : Ergebnisse reflektionsseismi- der Fischereierträge verfolgen. In einem engen scher Untersuchungen im Thunersee. Ecol. Bereich nehmen bei steigendem Futterangebot Geol. Helv. Vol. 64, Nr. 3. die Fische gewichts- und mengenmässig zu. Der - Ambühl, H., 1967: Gutachten über. den Ein- Fischereiertrag folgt der Entwicklung des Phyto- fluss der veränderten Zuflussverhältnisse auf und Zooplanktons im Abstand von 3 - 5 Jahren. den Thuner- und den Brienzersee. EAWAG No. Die jährlichen Fangerträge lagen bis etwa 1940 3435. konstant bei 15.Tonnen und erreichten um 1945 - Kirchhofer, A., 1984: Aftersstruktur, Wachs- ein erstes Maximum von etwa 40 Tonnen. Bis tum und Laichreife der Felchenpopulationen Ende der sechziger Jahre stiegen sie dann auf (Coregonus spp.) im Thunersee und Massnah- 100 Tonnen. Dieser Anstieg war zum Teil auf men zur Verbesserung der Fischereieflräge. eine Umstellung auf feingarnige Kunststoffnetze Lizentiatsarbeit Univ. Bern. zurückzuführen, welche für Fische kaum mehr sichtbar sind. Die Zunahme der Nährstoffbela- - Gewässerschutzlaboratorium des Kantons stung zwischen 1960 und 1970 führte in der Bern: Messdaten. Mitte der siebziger Jahre zu kurzfristigen Maxi- - Tschumi, P.-A., Zoologisches Institut der Uni- malerträgen von über 300 Tonnen. In den fol- versität Bern: Messdaten. genden Jahren allerdings sank der Ertrag auf - Nef, W., 199011 992: Das Phytoplankton der 30 Tonnen. Die Fische waren zu rasch gewach- grossen Berner Seen (Brienzerseeflhunerseel sen und erreichten die Fanggrösse (Ma- Bielersee). Gewässer- und Bodenschutzlabor schenweite der Netze), bevor sie zum ersten des Kantons Bern. oder zweiten Mal abgelaicht hatten. Somit wurde nicht nur ein grösserer Anteil der Fischpopulation - Kirchhofer, A., 1990: Limnologische und ich- abgefischt, sondern es fehlte auch der Nach- thyologische Untersuchungen im Brienzersee wuchs. Die Fangerträge entsprechen heute etwa unter besonderer Berücksichtigung der Diffe- denjenigen von 1945. renzierung der sympatrischen Felchenpopulatio- nen. Diss. Univ. Bern. Brienzer- und Thunersee waren noch bis in die Römerzeit vereint; die langsam anwachsenden Deltas von Lütschine und Lombach trennten den See im in zwei Teile. Aber erst der Bau einer Schwelle in der Aare bei Interlaken im 15. Jahrhundert hinderte die Fischwanderung Der Zustand der Seen in der Schweiz 13. Bielersee

13. Bielersee

Morphologie zum Vorschein. Diese teilt den See in zwei klei- nere Becken (Neuenstädter- und Lüscherzer- Ursprünglich reichte der Rhonegletscher bis in becken), sowie in das grössere Hauptbecken. Da das bernische Mittelland, zog sich aber nach der die Seeniveaus in der Folge stärker als vorgese- Würm-Eiszeit zurück. Der lokal kälteren Witte- hen absanken, musste der Bielerseeabfluss durch rung wegen blieben jedoch grössere Teile des ein Wehr bei geregelt werden, das von Gletschers arn Jurasüdfuss als Toteismassen 1885 bis 1887 als halbmobile Konstruktion zurück und verhinderten das Auffüllen des Glet- gebaut wurde. Vor allem während des 1. Welt- scherbeckens mit Flussschotter. So war die krieges wurde von den unten liegenden Betrei- Grundlage für die Jurarandseen geschaffen. bern der in der Zwischenzeit errichteten Fluss- kraftwerke verlangt, dass die Seen gegen den Der wichtigste, natürliche Zufluss des Bielersees Herbst zu aufgestaut würden, damit im Winter ist die aus dem Neuenburgersee kommende Zihl. genügend Wasser für die Stromproduktion vor- Zwei weitere natürliche Zuflüsse sind der handen sei. Bereits damals gab es Interessenkon- Twannbach und die Schüss, die bei Klein- flikte bezüglich der Abflussreglemente. Das alte und bei Biel in den See münden. Wehr hielt aber dem erhöhten Wasserdruck im Herbst 1923 nicht mehr stand und brach. Eine Erste Juragewässerkorrektion Neukonstruktion wurde beim Dorf Port unterhalb des Zusammenflusses mit der alten Thielle errich- Das Land zwischen den Jurarandseen, das Gros- tet. se Moos und das zwischen Aarberg und Solothurn wurde während Jahrhunderten immer wieder von meterhohen Hochwassern heimge- Zweite Juragewässerkorrektion sucht. Der in Meienried aufgewachsene Arzt J. Die erste Juragewässerkorrektion hat das See- R. Schneider, der die Auswirkungen der Über- land aus einer sumpfigen und von steten Über- schwemmungen miterlebte, gründete 1832 ein schwemmungen bedrohten Gegend zu gutem Komitee, das sich zur Aufgabe machte, die Bauernland gemacht. Ehemaliges Sumpfland, das Gewässerkorrekturen im Seeland voranzutreiben. durch Drainage trocken~elegt wird und somit Dessen umfangreichen Aufklärungsarbeiten führ- nicht mehr periodisch überflutet werden kann, ten zum Entschluss des Grossen Rates von Bern, oxidiert aber und verschwindet. Bis 1950 senkte eine Gesamtkorrektur durchzuführen. Der für sich das Kulturland um 1 bis 1,5 m. Durch die seine Arbeiten an Alpenstrassen und für die Hochwasser der Jahre 1944, 1949, 1952 und Rheinkorrektur bei Domleschg berühmte Inge- 1955 wurden deshalb grosse Gebiete erneut nieur R. La Nicca, Mitglied der Linthkommission, überschwemmt. Unter der Leitung von Prof. schlug 1842 folgendes Vorgehen vor: R. Müller wurde ein Projekt erarbeitet, das eine 1. Umleitung der Aare von Aarberg in den Bie- weitere Absenkung der Hochwasserpegel in den lersee (Hagneckkanal). Seen durch Vergrösserung des Abflussvermo- 2. Leitung der vereinigten Aare- und Zihlgewäs- gens vorsah. Insbesondere sollten der Nidau-Bü- ser vom Bielersee bis Solothurn in den Nidau- ren-Kanal, das Bett der Aare unterhalb Solothurn Bürenkanal. sowie Broye- und Zihlkanal vertieft und teilweise 3. Korrektion der oberen Zihl und der Broye auch verbreitert werden. Ein Stau bei Flumenthal (Broye- und Zihlkanal). sollte mithelfen, das Abflussregime der Aare in 4. Entsumpfung des Grossen Mooses und der Griff zu bekommen. Mit einem neuen Abflussreg- angrenzenden Gebiete. lement sollten aber auch die Tiefstwasserstände Auf Initiative von J. R. Schneider wurde im Arti- in den Seen um 50 cm und in der Aare bei Solo- kel 21 der Bundesverfassung festgelegt, dass thurn um 1 m angehoben werden können. Grossprojekte, die sich über mehrere Kantone er- strecken, durch den Bund unterstützt werden. Die entsprechenden Arbeiten wurden zwischen 1867 beschlossen die betroffenen Kantone (BE, 1960 und 1972 durchgeführt. Die Unterschiede SO, FR, NE, VD) die Bauausführung. in den Wasserständen der Seen wurden dadurch verringert. Das neue System verhält sich hydrau- Durch die Umleitung der Aare (ab 1878) vervier- lisch wie ein einziger See; durch die Regelung fachte sich das Einzugsgebiet des Bielersees und des Bielerseeabflusses mittels des Wehrs bei der mittlere Seezufluss erhöhte sich von 55 auf Nidau-Port, werden auch die Niveaus von Mur- 240 Kubikmeter pro Sekunde, was die theoreti- ten- und Neuenburgersee direkt beeinflusst. sche Aufenthaltszeit des Seewassers von Broye- und Zihlkanal können bei hohem Wasser- 253 Tagen auf 58 Tage verkürzte. Durch den stand in der Aare deshalb zeitweise auch rück- Bau des Nidau-Büren-Kanals senkte sich der See- wärts fliessen. Durch das neue Reglement wird spiegel um 2,5 m; zwischen Erlach und der St. das Abflussregime der Aare von lnterlaken bis Petersinsel kam die Landzunge des Heidenweges Der Zustand der Seen in dar Schweiz

Biel vorgeschrieben und zentral in Bern über- J. Schneider aus dem Jahre 1904 soll der See wacht und gesteuert. Im Projekt der 2. Jurage- von tiefblauer Farbe gewesen sein und die ober- wässserkorrektion wurde eine weitere Absen- ste Sedimentschicht soll wie "blauer Lehm" aus- kung der Seen durch Anpassung dieses Regle- gesehen haben. In einer Arbeit von Louis wurden mentes zugestanden. In der Folge kam es zu 1920/21 Sichttiefen von 4 - 6 Metern beschrie- Konflikten zwischen den Bauern, die im Sommer ben, was ebenfalls auf eine schwache Belastung trockenere Böden wünschen, und den Natur- hinweist. schützern und Fischern, die eine möglichst natur- nahe Niveauregelung in engen Grenzen anstre- 1930 mass MINDERerstmals Nährstoff- und Sau- ben, damit einerseits die ~chilfghelnicht trok- erstoffkonzentrationen. Am Ende der Stagna- ken fallen und verlanden, der Laich der im Ufer- tionsperiode Ende Sommer betrug der Nitratge- bereich laichenden Fische nicht vertrocknet und halt 0,4 mg/l, der Sauerstoffgehalt über Grund damit andererseits die Nester der im Schilf brü- 6,85 mg 02/1. Schlammproben zeigten keine An- tenden Vögel nicht überschwemmt werden. Falls zeichen von Faulnis oder Sauerstoffmangel. Das die Böden zu trocken bleiben, werden sie weiter- Wasser wurde als planktonarm beurteilt. Im Win- hin oxidiert und der heute noch sehr fruchtbare ter 1951 wurden im Oberilächenwasser Gehalte Boden in ehemaligen Moorgebieten wird schluss- an Orthophosphat von 23 pg P/I, an Gesamt- endlich ganz verschwinden, phosphor von 33pg P/I und an Nitrat von 1,1 mg Nil gemessen (THOMAS,19531.

Der Bielersee in Zahlen Der Seezustand verschlechterte sich weiter; so Oberfläche 39,3 km2 registrierte NYDEGGER1957 an der tiefsten Stelle max. Länge 15 km nur noch 3 mg/l Sauerstoff. max. Breite 4.1 km Bei FRIEDLIfehlte 1972 am Ende der Stagnations- maximale Tiefe 74 rn periode der Sauerstoff in den untersten Wasser- mittlere Tiefe 30,5 m schichten völlig. Während der Zirkulation fand er Volumen 1.24 km3 1 10 pg P/I Orthophosphat und 1,2 rng NA Nitrat- mittlere Abflussmenge 244 rn3/s stickstoff. Die Jahresprimärproduktion wurde auf theoretische Aufenthaltszeit 300 - 400 Gramm Kohlenstoff pro Quadratmeter des Wassers 0,16 Jahre Seeoberfläche und Jahr ig C-m-*.Jahr1] ge- schätzt.

Ab 1971 befasste sich das Zoologische Institut Fläche 8'305 km2 und das Anorganisch-Chemische lnstitut der Uni- mittlere Höhenlage 1'1 50 m Ü.M. versität Bern im Rahmen eines gemeinsamen Einwohner 970'000 Nationalfondsprojektes mit dem See, seiner Nährstoffbilanz und seiner Bioproduktion. Dem Bielersee wurden 1975 1 '01 7 Tonnen Gesamt- Mittlere Nährstoffgehalte während der phosphor und rund 6'000 Tonnen Stickstoff in Frühjahreszirkulation Nitrat 1520 pg N/I Ortho-Phosphat 10 pg P/I Gesamtphosphor 25 pg P/I

Die Entwicklung des Seezustandes und der Sauerstoffverhältnisse Die geringe Tiefe und die Windexposition begün- stigen im Spätherbst die Umwälzung des Sees. Die Wassermassen zirkulieren von Ende Novem- ber bis in den MZrz und sättigen sich dabei mit Sauerstoff. Auch an der tiefsten Stelle finden sich im Frühling regelmässig Gehalte von mehr als 11 mg 0,/1.

Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- Über die Belastung des Bielersees mit Nährstof- halte im Bielersee 1988, an der tiefsten Stelle, 7 m fen vor der ersten Juragewässerkorrektion ist über dem Sediment. uns nichts bekannt. Nach einer Dissertation von 13. Bielersee

I 1 Abbildung: Tiefenprofile des Sauerstoffs irn Bielersee 1988. Form von Nitrat zugeführt. Die Orthophosphat- stung an Orthophosphat berechnet. Danach sei- fracht wird mit 590 t PlJahr angegeben (SAN- en zufriedenstellende Sauerstoffverhältnisse, wie TSCHI 1975, SANTSCHIund SCHINDLER1977). Das sie als Qualitätsziel in der Verordnung über Ab- Maximum der Primärproduktion wurde 1975 - wassereinleitungen von 1975 festgehalten sind 1977 mit mehr als 460 g C.m-2-Jahr1 erreicht (mindestens 4 mg 02/1 in jeder Tiefe), erst zu er- (BANGERTER 1988). Für die Jahre 1973 - 1978 warten, wenn die Orthophosphatfracht unter beziffert SCHWEINGRUBERdie Gesamtphosphor- 100 t PtJahr sinkt. Dieses Ziel wurde nach dem fracht auf 873 t P/Jahr und die Ortho-Phosphat- Phosphatverbot in Textilwaschmitteln, das auf 1. fracht auf 501 t PtJahr. Davon bringt die Aare Juli 1986 wirksam wurde, erreicht, denn bereits 86,9%, die Zihl 8,3% und die Schüss 3,2%. Mit 1987f1988 sank die Phosphatbelastung auf Hilfe eines dynamischen, mathematischen Nähr- 90 t P/Jahr (MAURER1992). Die Sauerstoffzeh- stoffmodelles wurde die maximal zulässige Bela- rung als Indikator der Bioproduktion nahm zwar Der Zustand der Seen in der Schweiz

ebenfalls ab, aber weniger deutlich '(BANGERTER tration die Bioproduktion gross sein. Da sich die 1988); der Sauerstoffmangel im Tiefenwasser Aare im Sommer fast an der Oberfläche ein- blieb weitgehend bestehen: Die Sauerstoffkon- schichtet, wird das warme Wasser des Epilim- zentrationen in 70 rn Tiefe lagen auch 1988 nions sehr rasch ausgetauscht. VON ORELLI während 3 Monaten unter 4 mg 02/1 und erreich- (1976) und NYFFELER(1 980) geben für die mitt- ten Ende September sogar Werte von weniger lere Aufenthaltszeit des Wassers in der ober- als 1 mg 02/1. Die Bioproduktion folgt der Abnah- sten Schicht (Epilimnion) denn auch nur 14 - me der Nährstoffgehalte mit einer grösseren Ver- 18 Tage an, je nach Wasserführung der Aare. zögerung. Die Nährstoffe werden somit rasch durch das einströmende Aarewasser nachgeliefert.

Die Bioproduktion hat zwar zwischen 1980 und 1988 von 450 auf 280 Gramm C-m-*.Jahr1 abgenommen, sie ist aber damit noch immer doppelt so gross wie diejenige schwach belaste- ter Seen (BORNER1986, BERNER1984, JAKOB 1988, BANGERTER1988, MAURER1992). Nach NEF (1992) soll die Biomasse wegen der wärme- ren Witterung in den Jahren 1990 und I991 wieder zugenommen haben.

Sanierungsmassnahmen im Einzugsgebiet Nach dem Anstieg in den fünfziger und sechziger Abbildung: Sauerstoffzehrung im Bielersee. Der Ver- brauch an Sauerstoff durch die Mineralisation (als Mit- Jahren sind die Phosphorfrachten aus dem Ein- telwerte der Sauerstoff-Zehrung während der Stagna- zugsgebiet wegen der einsetzenden Abwasser- tionsphasel ist ein Indikator für die Menge der irn See sanierung ab 1972, insbesondere als Folge der produzierten Algen (Bioproduktion). Phosphorelimination in den grössern ARA'S (namentlich in Bern, Thun und Worblaufen) und Dies hat folgende Gründe: des Phosphatverbotes in Textilwaschmitteln - In einem überdüngten See wird das Algen- gemäss MAURER11 992) von ehemals über 1000 wachstum vor allem durch das Licht begrenzt. Tonnen Gesamtphosphor pro Jahr bis 1988 auf Bei hohen Nährstoffkonzentrationen entstehen etwa 300 Tonnen zurückgegangen. Seit 1988 in den obersten Wasserschichten so dichte sind auch die Phosphorgehalte in Murtensee und Algenpopulationen, dass für eine Photosynthe- Neuenburgersee stark gesunken. Somit ist die se in den tieferen Schichten wegen der zulässige Belastung des Bielersees (etwa Beschattung das Licht fehlt. Wird nun die Nähr- 200 Tonnen Phosphor pro Jahr) beinahe erreicht. stoffkonzentration reduziert, so dringt das Licht Am 1.1 .I 989 waren im Einzugsgebiet des Bieler- tiefer ein. Damit können nun die in einem gros- sees 84% der ständigen Einwohner an die seren Volumen vorhandenen Nährstoffe von Abwasserreinigung angeschlossen, 1,3% an den Algen ausgenutzt werden. Anlagen ohne Phosphorelimination. 7% der - Die unterschiedlichen Nährstoffbedürfnisse der Bevölkerung leben in ländlichen Gebieten die von diversen Algenarten wirken ebenfalls stabilisie- der Kanalisation nicht erschlossen sind. rend auf die Biomasseproduktion: Nimmt die Nährstoffkonzentration innerhalb gewisser Zahlen zur Fischerei Grenzen ab, verschiebt sich die Zusammenset- zung der Algenpopulation auf genügsamere Die Entwicklung des Seezustandes schlug sich Arten. Die Bioproduktion bleibt fast auf dem- auch in den fischereilichen Erträgen nieder. Bis selben Niveau. 1952 fanden sich geringe Fänge, vor allem an - Einzelne Algenarten können Phosphor weit über Felchen, mit Erträgen von 5 - 10 kg/ha. In der den Eigenbedarf hinaus speichern. Der gespei- Mitte der fünfziger Jahre stiegen die Fänge dank cherte Phosphor wird bei der Zellteilung weiter- den neuen Monofilnetzen aus synthetischem gegeben und deckt so den Bedarf weiterer Material an. Dieser Anstieg setzte sich bis etwa Generationen. 1975 fort. Gleichzeitig gerieten an Stelle der Fel- - Für die Produktionsrate ist nicht primär ein chen mehr Barsche und auch immer mehr hoher Nährstoffgehalt, sondern der Nachschub, Weissfische in die Netze. Der Tiefststand wurde d.h. die ständige Verfügbarkeit von Nährstoffen 1985 erreicht, als der Felchenanteil nur noch bei wichtig. Werden genügend Nährstoffe nachge- 47% lag. Seither verbesserte sich der Zustand liefert, so kann auch bei aktuell kteiner Konzen- wieder, 1990 Betrug der Fanganteil der Felchen wieder 70%. 13. Bielersee

Der Einfluss der Stauseen irn Einzugs- grenzender Gebiete. Monatsbull. Schweiz. gebiet Verein Gas- und Wasserfachmänner, 33/2, 25 - 32 und 33/3, 71 - 79. Sedimentuntersuchungen von MÜLLER (1982) - Nydegger, P., 1957: Vergleichende limnologi- zeigen, dass der jährliche Zuwachs der Seesedi- sche Untersuchungen an sieben Schweizer- mente drastisch von 246'000 Tonnen im Jahre Seen. Beiträge zur Geologie der Schweiz - Hy- 1920 auf 1 50'000 Tonnen nach 1 964 zurückge- drologie Nr. 9, Kümmerli und Frei, Bern. gangen ist. Deshalb blieb auch der Seerückhalt an organischem Kohlenstoff trotr zunehmender - Müller, R., 1959: Die II. Juragewässerkorrek- Primärproduktion zwischen 1878 und 1978 tion. Biel. ungefähr gleich. Die im Einzugsgebiet gebauten - Friedli, P., 1973: Limnologische Untersuchun- Stauseen (Wohlensee 1920, Greyerzersee 1948, gen des Bielersees. Lizentiatsarbeit Univ. Bern. Schiffenensee 1964) halten eine enorme Menge - Santschi, P., 1975: Chemische Prozesse im an anorganischen Schwebstoffen zurück und Bielersee. Diss. Univ. Bern. beeinflussen damit die Wasserqualität des Bieler- Sees negativ: - Santschi, P. und P.W. Schindler, 1977: Chemi- cal and geochemical Studies of : A Wegen der geringeren Überdeckung mit anorga- Mass Balance for Lake Biel and its lmplications nischen Feststoffen wird mehr organisches for the Rates of Erosion of the drainage Area. Material an der Sedimentoberfläche oxidiert, was Schweiz. Z. Hydrol. 39/2,182 - 200. eine grössere Sauerstoffzehrung verursacht. - Schweingruber, M.R., 1 980: Der Bielersee Gleichzeitig wird die Rücklösung der Phosphate 1973 - 1978: Ein Beitrag zum Problem der aus dem Sediment bei Sauerstoffrnangel begün- Modellierung chemischer Prozesse in natürli- stigt. chen Gewässern. Diss. Univ. Bern. - Nyffeler, U.P., 1980: Mischungsprozesse im Fazit Bielersee. Diss. Univ. Bern. Nach einer raschen Zunahme der Niihrstoffbela- - Tschumi, P.-A., B. Bangerter und D. Zbären, stung zwischen 1950 und 1970 zeigte der Aus- 1982: Zehn Jahre limnologische Forschung am bau der Gewässerschutzmassnahmen ab 1972 Bielersee (1 972 - 1981 1. Vierteljahresschrift und das Phosphatverbot für Textilwaschmittel der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, 1986 deutliche Resultate, Während Anfang der 12714, 337 - 355. siebziger Jahre die Phosphorgehalte noch über - Müller, K., 1982: Die Bielerseesedimente 140 pg PI1 lagen, werden heute weniger als 1878 - 1978. Diss. Univ. Bern. 25 pg PI1 gemessen. Die zulässige Nährstoffbela- - Berner, P., 1984: Variabilität der Primärpro- stung ist wahrscheinlich noch immer überschrit- duktionsrate von Tag zu Tag zu verschiedenen ten, denn die Sauerstoffgehalte in der Tiefe sind Jahreszeiten im Bielersee. Diss. Univ. Bern. Ende Sommer noch immer ungenügend. Die Bela- stungen aus Murten- und Neuenburgersee gingen - Borner, R., 1986: Eine auromatische Messsta- in den letzten 10 Jahren stark zurück. Wegen der tion zur kontinuierlichen Messung der limni- kurzen Aufenrhaltszeit des Wassers im Sommer schen Primärproduktion in einem Polyäthy- sind die Nährstoffgehalte in der Aare für den See len-Expositionsschlauch. Diss. Univ. Bern. bestimmend. Vor allem der Phosphornachschub - Gerster, S. und J. Guthruf, 1987: Die Biologie aus dem Einzugsgebiet der Saane, der beispiels- der Trüsche im Bielersee. Liz. Univ. Bern. weise I989 für mehr als 60% der Phosphor- - Jakob, A., 1988: Vergleich zweier Methoden fracht in der Aare verantwortlich war, fordert die zur Messung der Primärproduktion in Seen und weiterhin grosse Bioproduktion. deren Auswirkungen auf die Grösse des Photo- synthesequotienten. Diss. Univ. Bern. Literatur - Zschaler, H. und U. Ochsenbein: Messdaten - Louis, P., 1922: Der Einfluss der Aare in den des Gewässerschutzlaboratoriums des Kantons Bielersee. Mitt. Naturforsch. Ges. Bern, 3. Bern 1979-1992. - Minder, L., 1936: Untersuchungen am Bieler- - Tschumi, P.-A. et ai.: Messdaten des Zoologi- See. Vierteljahresschrift NaturForsch. Ges. Zürich, schen Institutes der Universität Bern 81, 107 - 176. 1972-1988.

- Thomas, E.A., 1953: Zur Bekämpfung der - Bangerter, B., 1988: Primärproduktion im Bie- See-Eutrophierung: Empirische und experimen- lersee: Ansatz zur Extrapolation von Kurzzeit-V telle Untersuchungen zur Kenntnis der Mini- messungen. Diss. Univ. Bern. mumstoffe in 46 Seen der Schweiz und an- Der Zustand der Seen in der Schweiz

- Nef, W., 1990/1992: Das Phytoplankton der - Ochsenbein, U., 1993: Langzeitentwicklung grossen Berner Seen (Brienzerseerrhunerseel der Wasserqualität im Bielersee, Untersu- Bielersee). Gewässer- und Bodenschutzlabor chungsergebnisse 1959 - 3 991. Amt für des Kantons Bern. Gewässerschutz und Abfallwirtschaft des Kan- - M~~~~~,V., ,992: ~i~ Produktionsbio~ogie von tons Bern, Gewässer- und Bodenschutzlabor. Bieler- und Neuenburgersee 1987 - 1988. Diss. - Tschumi, P.-A.: Ökologie des Bielersees. In Univ. Bern. Vorbereitung. - Python, J., 1992: La deuxieme correction des eaux du Jura, 20 ans apres sa realisation. eau, energie, air 84, 226-229. 14. Zugersee

14. Zugersee

Morphologie Die Entwicklung des Seezustandes Der auf 41 4 m 8. M. gelegene Zugersee, der eine Untersuchungen von ZOLLIG(1 981 - er analysier- Oberfläche von rund 38 km2 aufweist, ist durch te Sedimentbohrkerne aus dem Obersee - lassen eine Einschnürung, den "Chiemen", in den Zuger folgende Entwicklung nachzeichnen: Vor 1900 Untersee und den Obersee, das "Walchwiler Bek- war der See noch weitgehend nährstoffarrn. kenn, geteilt. Im unteren Seeteil senkt sich sein Doch bereits 1913 lassen sich in den tiefsten Boden von der Stadt Zug aus bis zur Einschnü- Bereichen wohl als Folge zunehmender Belastung rung auf 120 m Tiefe ab, während im trichterför- sauerstofffreie Zonen feststellen. Zwischen 191 0 migen Walchwiler-Becken eine grösste Tiefe von und 1930 verdreifachte sich die Bioproduktion, 198 m gemessen wird. Trotz der Verengung ist was sich am Gehalt an Rohcarotinoiden, einem in der Stoff- und Wassertransport kaum einge- Pflanzen gebildeten Farbstoff, ablesen lässt. schränkt. Die Austauschzeit zwischen den beiden Auch die Burgunderblutalge nahm nach 1900 Seebecken beträgt wegen interner Wellen, star- ständig zu: 1948 war dann der Zugersee zu ken Strömungen und der grossen Tiefe vor dem grossen Teilen von einer dichten roten Decke "Chiemen" 11 75 m) nicht mehr als 30 Tage. überzogen und die Lorze führte täglich 2 - 3 Ton- nen des roten Algenmaterials ab. Noch 1951 Der Zugersee gehört mit einer mittleren theoreti- wurden im Zugerbecken pro Liter Wasser über schen Wasseraufenthaltszeit von 15 Jahren zur 43'000 Individuen der Burgunderblutalge gefun- Gruppe der wenig durchflossenen Seen (Sempa- den. Die limnologischen Forschungen der Forstdi- chersee 17 Jahre, Genfersee 12 Jahre). Hauptzu- rektion des Kantons Zug zeigen die Folgen dieser fluss ist die Lorze, von ihr bezieht der See rund Planktonentfaltung: Bereits 1949 - 1952 war die 38% des Wassers. Wichtigster Zufluss des Sauerstoffkonzentration in über 150 m Tiefe Walchwiler-Beckens ist die Rigiaa. immer kleiner als 1 mg 02/1. Die Eutrophierung nahm in den folgenden Jahren weiter zu und die Der Zugersee in Zahlen Burgunderblutalge wurde mehr und mehr von anderen Algenarten verdrängt. Seit 1950 werden Oberfläche 38,2 km2 die beiden Seebecken durch das kantonale Labor Nordbecken 22,3 km2 an je einer Stelle untersucht. Kontinuierlich Südbecken 15,9 km2 geschieht dies allerdings erst seit 1968. max. Länge 13,8 km max. Breite N-B 4,7 km Sanierungsmassnahmen im Einzugsge- maximale Tiefe N-B (120 m) biet und im See maximale Tiefe S-ß 198 m mittlere Tiefe 83,2 m Die Abwässer der Seeanliegergemeinden (91% Nordbecken 52,O m der Abwasser) werden über eine Ringleitung der Süd becken 127,O m Kläranlage Schönau (Friesencham) zugeführt; Volumen 3,18 km3 deren Abfluss mündet direkt in den Seeabfluss, Nordbecken 1,16 km3 die Lone. Süd becken 2,02 km3 mittlere Abflussmenge 7,12 m3/s Das Einzugsgebiet des Zugersees ist heute zwar Maximum 1970 10,30 m3/s abwassertechnisch mit einem Anschlussgrad von Minimum 1949 3,13 m3/s mehr als 95% saniert. Wegen der langen Auf- theoretische Aufenthaltszeit enthaltszeit und der erwähnten chemischen des Wassers 14,7 Jahre Schichtung des Wassers im Zugersee reichen die konventionellen Sanierungsmassnahmen jedoch nicht mehr zur Rettung des Sees aus. Der Regie- Einige Angaben zum Einzugsgebiet rungsrat des Kantons Zug hatte deshalb bei der EAWAG ein Gutachten in Auftrag gegeben: die Fläche 246 km2 Auswirkungen zusätzlicher see-interner und see- mittlere Höhenlage externer Massnahmen sollte beurteilt werden. Einwohner 7 1'400 Anhand von mathematischen, statischen wie auch dynamischen Seemodellen hat die EAWAG Mittlere Nährstoffgehalte während der verschiedene Szenarien berechnet. Da aus Grün- den des Hochwasserschutzes und der Seeregu- Frühjahreszirkulation 1990 lierung ohnehin ein Verbindungsstollen zwischen Nitrat 424 pg N/I dem Untersee und der Reuss vorgesehen war, Ortho-Phosphat 146 pg P/I schlug die EAWAG in ihrem Bericht folgende Gesamtphosphor 157 pg P/I Massnahmen vor: Der Zustand der Seen in der Schweiz

a) Bau eines Abflussstollens zur Ableitung von auf das Hauptproblem, die zu grosse Bioproduk- sauerstoffarmem und nährstoffreichem Tiefen- tion, wenig Einfluss. Der Regierungsrat des Kan- Wasser in die Reuss; tons Zug hat deshalb im September 1993 ent- b) Überführen von sauerstoffreichem und nähr- schieden, vorläufig auf jegliche zusätzliche Mass- stoffarmem Wasser aus dem höher gelegenen nahmen zu verzichten! Die EAWAG wurde beauf- Vierwaldstättersee in den Zugersee durch Bau tragt, die möglichen Auswirkungen weiterer eines Überleitungsstollens zwischen Küss- Massnahmen zu prüfen.ln ihrem Gutachten vom nachtersee und Immensee; Juni 1994 kommt die EAWAG zum Schluss, der Schwerpunkt der zukünftigen Sanierungsmass- C) vorläufiger Verzicht auf einen künstlichen nahmen sei auf die weitere Reduktion der Nähr- Sauerstoffeintrag ins Tiefenwasser, bis die stoffbelastung aus dem Einzugsgebiet zu legen, Auswirkungen der Massnahmen a) und b) insbesondere auf die Reduktion der Nährstoff- bekannt sind. abschwemmung aus landwirtschaftlich genutzten Die vorgeschlagenen Massnahmen hätten wegen Gebieten; dem See müsse für die Rückkehr zu des beschleunigten Wasseraustausches im See einem mässig belasteten Zustand aber genügend zu einer wesentlichen Verbesserung des Seezu- Zeit eingeräumt werden. standes geführt. Der Kanton Zug begann im Jahr 1985 mit der Planung der Projekte. Phosphorentwicklung

Die Belastung der Reuss durch die Tiefenwasser- Die Messungen des kantonalen Laboratoriums ableitung hätte berechnet und in Relation zu den zeigen bis 1980 eine stetige Zunahme der Phos- abnehmenden Belastungen der kleinen Emme und phorgehalte im See. Zwar nahmen diese ab der Kläranlage Buholz gestellt werden müssen. 1983, nach dem Maximum von mehr als Bei der Vorstellung des Projektes durch den 21 0 pg PII, vorübergehend ab; aber seit 1989 Kanton Zug lagen diesbezügliche Resultate noch stabilisieren sich die Werte eher wieder; 1993 nicht vor. Bei den Unterliegern kam deshalb die lag der Phosphorgehalt bei 157 pg P/!. unbegründete Befürchtung auf, die Naturschutz- gebiete an der unteren Reuss seien durch massiv 1977 wurden dem See Ca. 100 und 1980181 erhöhte Frachten an Phosphor und sauerstoffzeh- noch 56 Tonnen Phosphor zugeführt. Heute sol- renden Substanzen gefährdet. Eine starke Oppo- len es gemäss Angaben des Kantons weniger als sition gegen das Projekt war die Folge. Eher 20 Tonnen sein. berechtigt waren Befürchtungen, der Grundwas- serpeget im Reusstal unterhalb des Vierwaldstät- Sauerstoff tersees könne wegen der zeitweise geringeren Kritisch sind im Zugersee vor altem die Sauer- Wassermenge in der Reuss absinken. Die Mass- stoffverhältnisse: nahmen a) und b) konnten-deshalb nicht durch- Seit 1950 ist der Gehalt an Sauerstoff unter geführt werden. Die Sanierung des Zugersees 180 m Tiefe mit wenigen Ausnahmen (19591 befindet sich somit in einer Sackgasse, denn eine 1960) kleiner als 2 mg 0211, seit 1970 zeitweise Belüftung ohne flankierende Massnahmen, die kleiner als 1 mg 0211und ab 1980 ist diese Tiefe Phosphor aus dem Tiefenwasser entfernen, hat während 10 Monaten im Jahr sogar sauerstoff- frei. In den letzten 10 Jahren hat sich die Sauer- stoffkonzentration weiter verschlechtert: 1990 war über das ganze Jahr unter 150 m kein Sau- erstoff nachweisbar.

Welches sind die Ursachen? Hohe Phosphorkonzentrationen ermöglichen mas- siertes Algenwachstum. Die abgestorbene Bio- masse sinkt ab und wird auf ihrem Weg nach unten abgebaut. Dieser Prozess verbraucht O2 und setzt Kohlensäure (CO2), sowie einen Teil der gebundenen Nährstoffe frei. Durch die Koh- lensäure wird sedimentierender und sedirnentier- ter Kalk gelöst, so dass in der Tiefe höhere Gehalte gelöster Stoffe resultieren. Somit nimmt Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- die Dichte des Seewassers auch bei homogener halte im Zugersee 1991, an der tiefsten Stelle, 1 m Temperaturverteilung gegen den Seegrund hin über dem Sediment. zu. Die Dichteschichtung verhindert das Umwäl- zen des Sees bis auf den Grund durch die 14. Zugersee

Abbjldung: Tiefenpro file des Sauerstoffs im Zugersee 199 7. Herbst- und Frühlingswinde, die wegen der topo- dass das Rückhaltevermögen der Zugersee-Sedi- graphischen Lage des Sees sowieso meist nicht mente für Phosphor durch solche seeinternen sehr stark sind. In der Tat bleiben im Zugersee Massnahmen kaum positiv beeinflusst werden die Wasserschichten unter 100 m in der Regel kann. von den alljährlichen Zirkulationsvorgängen "un- berührt". Die Sauerstoffarmut in Sedimentnähe Der aus der Atmosphäre eingetragene Sauerstoff führt dazu, dass der Abbau der abgestorbenen wird durch Mischung häufig bis in 100 m Tiefe Biomasse die in geringen Mengen vorhandenen gebracht; den Transport in grössere Tiefen über- Oxidationsmittel (Nitrat, Manganat, Sulfat und nehmen langsame Diffusionsprozesse. Solange Eisen(ll1)) in mikrobiellen Reaktionen fast voll- die Mineralisation der abgestorbenen Biomasse ständig aufzehrt, d.h. in reduzierte Verbindungen mehr Sauerstoff verbraucht, als durch diese Dif- umwandelt. Die Umwandlung von Eisen(1ll) in fusionsprozesse nachgeliefert werden kann, Eisen(ll1 reduziert das Bindevermögen der Sedi- bleibt die prekäre Sauerstoffsituation im Zuger- mente für Phosphorverbindungen. Diese lösen See bestehen. Diese wird sich gernäss EAWAG- sich deshalb wieder im Wasser. Unter anaeroben Studie erst dann langsam verbessern, wenn die Bedingungen ist auch das Wachstum der Bakte- Bioproduktion soweit zurückgeht, dass die mittle- rien an der Grenzschicht Sedimentwasser einge- re Sauerstoffzehrung im Wasser unter 1,9 g 0, schränkt. Der Einbau von Phosphor in die Bakte- pro Kubikmeter und Jahr sinkt, d.h. auf weniger rienmasse nimmt in der Folge ebenfalls ab. als die Hälfte des heutigen Wertes (3,9 g 0, .m-3. a-l). Bei Seen, die während längerer Zeit nicht voll- ständig mineralisierte Biomasse in die Sedimente Zahlen zur Fischerei eingelagert haben, ist wegen der dadurch beding- ten grossen und nachhaltigen Sauerstoffzehrung Die Entwicklung des Seezustandes schlug sich eine rasche Verbesserung des Zustandes nicht zu a.uch in den fischereilichen Erträgen nieder. Diese erwarten. Eine künstliche Belüftung müsste als stiegen von Ca. 10 Tonnen im Jahre 1945 konti- eigenständige Sanierungsmassnahme eher abge- nuierlich auf 70 Tonnen im Jahre 1960 an. lehnt werden. Die jüngsten Untersuchungen Seither sind die Erträge extremen Schwankungen durch die EAWAG (1994) zeigen denn auch, unterworfen: 209 Tonnen im Jahre 1967, 90 Der Zustand der Seen in der Schweiz

Tonnen 1970, 190 Tonnen 1976, 130 Tonnen Literatur 1977, 270 Tonnen 1979, 80 Tonnen 1981, 123 Tonnen 1988, usw. Hier zeigt sich deutlich, dass - Züllig, H., 1982: Untersuchungen über die die Zunahme der Fangerträge von einem be- Stratigraphie von Carotinoiden im geschichte- stimmten Punkt an nicht mehr parallel zur Eutro- ten Sediment von 10 Schweizerseen zur phierung verläuft. Der Fanganteil der Seesaib- Erkundung früherer Phytoplanktonentfaltungen. linge, Salvelinus alpinus L., sank von 80% Schweiz. Z. Hydrol. 44, 1 - 162. (100'000 Exemplare) in den Jahren vor 1900 auf - Imboden, D. et al., 1984: Gutachten über die weniger als 2% (5'000 Ex.) in den Jahren nach Sanierung des Zugersees mit besonderer 1970. Der Rückgang der Seesaiblinge, die vor al- Berücksichtigung des Projektes zur Seeregulie- lem lokalhistorisch von Bedeutung sind, ist auf rung. EAWAG-Auftrag Nr. 4663. die ungenügende Sauerstoffversorgung der - RuhlB, Ch., 1977: Biologie und Bewirtschaf- Laichgründe zurückzuführen. tung des Seesaiblings ISalvelinus alpinus L.1 im Zugersee. Schweiz. Z. Hydrol. 44, 12 - 45. Fazit - Massnahmenpaket betreffend Sanierung und Die Eutrophierung des Zugersees ist soweit fort- Regulierung des Zugersees; Zusatzbericht des geschritten, dass der Sauerstoffmangel in den Regierungsrates vom 10. Sept. 1991 (Vorlage unteren Wasserschichten auch nach der Reduk- Nr. 7506). tion der Nährstoffbelastung noch über Jahrzehn- - Beck, R., 1991: Bericht über den Zustand der te bestehen bleiben wird. Die notwendige Sanie- zugerischen Oberflächengewässer für das Jahr rung durch Erhöhung des Wasseraustausches 1991. und durch Ableitung des stark mit Nährstoffen - lmboden, D., B. Wehrli, A. Wüest et al., 1994: belasteten Tiefenwassers ist aus politischen Grundlagen für die Sanierung des Zugersees, Gründen nicht durchführbar. Eine seeinterne Be- Untersuchungen des Stoffhaushaltes von Tie- lüftung ohne flankierende Massnahmen könnte fenwasser und Sediment. EAWAG-Auftrag 37- gemäss heutigen Kenntnissen beim weiterhin 4840. schlechten Seezustand das Bindevermögen der Sedimente für Phosphor kaum verbessern und ist deshalb mit Vorsicht zu beurteilen. Der Schwer- punkt zukünftiger Sanierungsmassnahmen muss im Einzugsgebiet bei der Reduktion der Nähr- stoffbelastung aus landwirtschaftlich genutzten Gebieten liegen.

15. Brienzersee

Morphologie Der Brienzersee in Zahlen Thuner- und Brienzersee liegen am Alpennord- Oberfläche 29,8 km2 hang und sind in ihrer Charakteristik vom alpinen Max. Länge 14,O km oder hochalpinen Einzugsgebiet geprägt. Ihre Max. Breite 2,8 km tiefeingeschni~enenBecken verdanken sie einer Maximale Tiefe 261 m tektonischen Verwerfung und der eiszeitlichen Mittlere Tiefe 173 m Erosionsarbeit des Aaregletschers. Das Felsbett Volumen 5,17 km3 des Brienzersees reicht bis 400 m unter den mittlerer Abfluss 62,3 m3/s Meeresspiegel. Nach der letzten Eiszeit erstreckte Theoretische Aufenthaltszeit sich ein einziger See von Meiringen bis weit über des Wassers 2,69 Jahre Thun hinaus. Bergbäche und Flüsse transportier- ten dann während Jahrtausenden Geschiebe in das Seegebiet und schufen so das heutige Bild. Lütschine und Lombach schütteten die Ebenen bei lnterlaken auf; die Aare war für ein ausge- Fläche 1 '1 27 km2 dehntes Delta von Meiringen bis Brienzwiler mittlere Höhe 1'950 m Ü.M. besorgt und unterhalb Thun füllten die Zulg und die erst seit 1741 in den Thunersee fliessende Kander das Seebecken. Obwohl der Schweb- Mittlere Nahrstoffgehalte während der stoffeintrag durch die Zuflüsse nach dem Bau und Ausbau der Kraftwerke Oberhasli seit 1929 Frühjahrszirkufation stufenweise abgenommen hat, ist dieser für die Nitrat 390 pg NI1 Morphologie des Brienzersees und für sein physi- Ortho-Phosphat 3,3 pg PI1 kalisches und chemisches Verhalten von grosser Gesamtphosphor 7,3 pg PI1 Bedeutung. Schwebstoffkonzentrationen von ma- ximal 55 mg/l und Zuwachsraten der Seesedi- mente von > 2 cm pro Jahr sind Höchstwerte vektionsströmungen in der Temperatursprung- im Vergleich zu anderen grossen Schweizerseen. schicht entstehenden Turbulenzen verhindern ein So wird der Brienzersee (mit einem Einzugsgebiet Absinken der kleineren Trübstoffpartikel. Diese von 1'1 27 km2} mit jährlich 340'000 Tonnen verleihen dem See irn Sommer eine schiefergraue Feststoffen beliefert und sein doch recht grosses Farbe, absorbieren viel Licht und binden auch Becken wird in rund 13'000 Jahren aufgefüllt einen Teil des löslichen Phosphors. Lichtabsorp- sein. Wegen der grossen Zufuhr an partikulärem tion, tiefe Temperatur und die niedrige Nährstoff- Material ist die Sedimentschicht schon heute konzentration sind für die schwache Photosyn- höher als in den meisten anderen Schweizerseen; theserate im Brienzersee verantwortlich. Die Pro- an der tiefsten Stelle (261 m) sind die Sedimente duktionsrate von nur 106 g Kohlenstoff pro m2 über 350 m dick. und Jahr ist typisch für einen schwach belaste- ten See. Der grösste Teil der Schwebstofffracht Wegen der speziellen Mischungsverhältnisse ist wird irn Sommer bei Hochwasser in den See ein- der Brienzersee seit Generationen nicht mehr getragen. Wenn sich die Temperatursprung- zugefroren. 1356 soll eine "Seegfrörni" stattge- schicht im Herbst auflöst, sedimentieren die mei- funden haben. Das Seebecken ist weder Iängs- sten Partikel; deshalb beträgt der Phosphorgehalt noch quergegliedert und die steile Halde, als des Freiwassers im Frühling jeweils nur noch direkte Fortsetzung der Uferhänge, lässt wenig etwa 40 - 60% des Gehaltes im Spätsommer. Platz für die Ausbildung einer Flachwasserzone; Die Frühjahrszirkulationswerte fUr die Konzentra- ein uferbegleitender Makrophytengürtef konnte tion an Gesamtphosphor lagen 1965 bei 12 pg, nur an den beiden See-Enden im Mündungsbe- 1982 bei 17 pg und 1990 bei 8 pg P/I. reich von Aare und Lütschine entstehen. Sanierungsrnassnahmen im Einzugsgebiet Die Entwicklung des Seezustandes Im Einzugsgebiet des Brienzersees stehen Irn Sommer weist der Brienzersee zwei Trübsloff- Abwasserreinigungsanlagen für 89,996 der Ein- horizonte auf: Das mit mehr Trübstoffen belade- wohner im Betrieb. Weitere 8% der Bevölkerung ne Wasser der Lütschine schichtet sich trotz ähn- könnten noch an bestehende Anlagen ange- licher Temperatur 8 - 10 Meter unter demjenigen schlossen werden. der Aare ein. Eine starke Vermischung kann aber nicht beobachtet werden; das Aarewasser fliesst eher am nördlichen Ufer und das Lütschinenwas- ser am südlichen Ufer entlang. Die durch Kon- Der Zustand der Seen in der Schweiz

Abbildung.- Tiefenprofile des Sauerstoffs im Brienzersee 1987. Sauerstoffgehaite Zahlen zur Fischerei Der Brienzersee ist trotz der ihn umgebenden Thuner- und Brienzersee bildeten in der Vorzeit hohen Bergketten gut belüftet. Insbesondere der gemeinsam den Wendelsee, der sich von Meirin- Föhn wühlt die Wassermassen auf. Dank des gen bis zur Uttigenfluh im Aaretaf ausdehnte. grossen Trübstoffgehaltes dringt das durch die Durch diesen gemeinsamen Ursprung ist die Zuflüsse eingebrachte sauerstoffhaltige Wasser Geschichte der beiden Seen und ihrer Fischfauna auch in grössere Tiefen. und deren Nutzung eng verbunden. Gemäss alten Chroniken wies dieses Gewässersystern einen Als Folge der geringen Nährstoffgehalte ist die beträchtlichen Fischreichtum auf. Auch nach der Bioproduktion und somit auch der Abbau der Unterteilung in zwei Seen durch das Delta der sedimentierenden Planktonreste und die Sauer- Lütschine, das heutige Bödeli von lnterlaken, stoffzehrung klein. Es erstaunt daher nicht, dass stiegen zum Beispiel die Lachse zur Laichablage die Sauerstoffwerte im See nie unter 6 mg 0211 bis in die Hasliaare auf; diese waren beliebt bei fallen. den Herren von Bern, die über die Fischrechte 15. Brienzersee

beider Seen verfügten. Bereits 1434 wurden Literatur allerdings Klagen laut, wonach die vom Stift lnterlaken in der Aare erstellte Schwelle die freie - Matter, A., A. Süsstrunk, K. Hinz und M. Fischwanderung behindere, und 1460 brachen Sturm, 1971 : Ergebnisse reflektionsseismischer Unruhen aus, nachdem das Kloster eine neue Untersuchungen im Thunersee. Eclogae Geo- Schwelle gebaut harte. Heute ist die Fischwan- logicae Helveticae, Vol. 64, Nr. 3. derung durch das Wehr bei Interlaken gänzlich - Nydegger, P., 1967: Untersuchung über Fein- unterbunden. stofftransport in Flüssen und Seen, über Ent- stehung von Trübungshorizonten und zufluss- Im Brienzersee leben 21 Fischarten; die Salmoni- bedingten Strömungen im Brienzersee und eini- den nehmen eine dominierende Stellung ein. Als gen Vergfeichsseen. Beiträge zur Geologie der einzige Art von wirtschaftlicher Bedeutung tra- Schweiz - Hydrologie Nr. 16. gen die Felchen 95 - 99% zum Gesamtfang bei. - Ambühl, H., 1967: Gutachten über den Ein- Sie wurden seit alters her intensiv befischt: So fluss der veränderten Zuflussverhältnisse auf galt im 18. Jh. der marinierte Brienzlig als den Thuner- und den Brienzersee; EAWAG No. gesuchte Spezialität des Brienzersees. Mit der 3435. Vollzugsverordnung zum Bundesgesetz über die - Gewässerschutzlaboratorium des Kantons Fischerei von 1875 wurde für Felchen gesamt- Bern: Unveröffentlichte Messdaten. schweizerisch ein Mindestfangmass von 18 cm festgesetzt, somit durfte der Brienzlig nicht mehr - Nef, W., 1990J1992: Das Phytoplankton der befischt werden. Ausnahrnebewilligungen für grossen Berner Seen (BrienzerseeTThunerseeI Netze mit 18 mrn Maschenweite wurden nur Bielersee), Gewässer- und Bodenschutzlabor während des 1. Weltkrieges und kurzfristig zwi- des Kantons Bern. schen 1965 und 1975 jeweils im Juli und - Kirchhofer, A., 1990: Limnologische und ich- August erteilt. Die Mindestmaschenweiten betra- thyologische Untersuchungen im Brienzersee gen heute 35 mm für Bodennetze und 38 mrn für unter besonderer Berücksichtigung der Diffe- Schwebenetze; die Fischer fangen nur noch renzierung der sympatrischen Felchenpopulatio- grössere Arten, die bläulichen "Alböcke" oder die nen. Diss. Univ. Bern. grossen "Balchen", mit ihren fast schwarzen Brustflossen.

Fazit Der Brienzersee gehörte schon immer zu den Schweizerseen mit geringen Nährstoffgehalten. Die geringe Nutzung des Einzugsgebietes und die erfolgte Abwassersanierung garantieren auch zukünftig für einen guten Zustand.

Abbi/dung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- halte im Brienzersee 1987, an der tiefsten Stelle, I m über dem Sediment. Der Zustand der Seen in der Schweiz 16. Walensee

16. Watensee

Zur Morphologie der Walensee in jedem Frühjahr voll durchmischt wird, und dass eine eigentliche Temperatur- Der am Alpenrand der Ostschweiz gelegene sprungschicht, mit scharfem Übergang von der Walensee stellt ein Ost-West orientiertes, recht wärmeren Deckschicht (Epilimnion) zum kühlen einheitliches fjordähnliches Becken dar. Einzig Tiefenwasser (Hypolimnion), auch während der vor dem Ostende liegt eine kleine Insel. Im Nor- Sommerstratifikation nicht entstehen kann. Die den wird der See durch die praktisch senkrecht vielen Strömungen und Mischungsvorgänge sind aufsteigenden Felsen der Churfirstenkette, im für die gute Sauerstoffversorgung auch der tief- Süden durch die stärker aufgegliederten, weniger sten Schichten verantwortlich. steil aufsteigenden Berge der Glarner-Alpen (Mür- tschen-Gruppe) und des St. Galler Oberlandes Die Zuflüsse, namentlich die Linth, tragen grosse begrenzt. Flache Uferzonen finden sich nur an Mengen an Trübstoffen (Erosionsmaterial, Glet- den See-Enden, den Schwemmgebieten der Seez schermilch) in den Walensee. Diese Trübstoffe und der Linth. Die Entstehungsgeschichte des binden Schmutzstoffe, die in den Sedimenten Walenseebeckens ist bis heute nicht restlos ge- eingelagert werden. Bei Hochwasser erhöhen klärt. Fest steht bloss, dass der Felsuntergrund sich die Trübstoffgehalte und damit auch die Ca. 460 m tief unter dem Wasserspiegel liegt, Dichte des Wassers oft sehr stark. Die Zuflüsse d.h. 50 m unter Meeresniveau. Im Schnitt stellt tauchen dann bis auf den Seegrund, wodurch er ein annähernd V-förmiges Tal dar, welches sich die Belüftung grundnaher Wasserschichten offenbar zunächst mit Moränenmaterial verschie- zusätzlich verbessert. denen Alters mit Dicken bis zu 220 m aufgefüllt worden ist. Darüber liegen bis zu 50 m Seelehm. Früher wurde der Walensee nur durch die Seez Der Walensee in Zahlen und mehrere kleine Wildbäche gespeist. Der Oberfläche ursprüngliche Abfluss, die sogenannte alte Maag, Länge vereinigte sich erst bei Ziegelbrücke mit der noch max. Breite frei fliessenden Linth. Geschiebeaufschüttungen min. Breite und ungünstige Abflussverhältnisse führten zu maximale Tiefe einer Niveaudifferenz von bis zu 14 m zwischen mittlere Tiefe Walensee und Zürichsee. Die damaligen grossen Volumen Niveauschwankungen führten häufig zu Über- mittlere Abflussmenge schwemmungen (siehe Kap. 10, Zürichsee). Theoretische Aufenthaltszeit des Wassers 1,45 Jahre 1804 beschloss die Tagsatzung, die Linth in den Walensee einzuleiten. Die Verwirklichung dieses bereits seit 1784 vorliegenden Projektes dauerte Einige Angaben zum Einzugsgebiet bis 191 1. Anstelle der alten Maag wurde der tie- fer liegende, 18 km lange Linthkanal zum neuen Fläche (ohne See, vor 1978) 1061 km2 Abfluss. Das Einzugsgebiet des Walensees ver- mittlere Höhenlage 1580 m Ü.M. grösserte sich damit von 421 km2 auf 1061 km2. permanente Einwohner irn 1978 wurde das See-Einzugsgebiet durch Was- I Einzugsgebiet 44'200 I serableitungen für die Kraftwerke Sarganserland AG um mehr als 4% verringert. Tolerierbare Phosphorbelastung

Die steifen Ufer und die flachen Enden machen Die maximai zulässige Gesamtphosphorbelastung den See zu einem Windkanal für Ost- und West- des Walensees unter Berücksichtigung der mittle- winde. Zusätzlich ist der See dem Föhn aus dem ren Tiefe und der theoretischen Aufenthaltszeit Rheintal, dem Murgtal und dem Glarnerland aus- des Wassers liegt bei 80 Tonnen pro Jahr. Die gesetzt. Routinemessungen der Kantone wurden im Auf- trag der interkantonalen Walenseekommission Die Churfirsten halten die Nordwinde ab. Dies durch eine spezielle Zuflussuntersuchung von mildert das Klima und erhöht die Sonnenschein- 1978 bis 1980 ergänzt. Im Mittel wurden dem dauer, was sich z.B. an den Feigenbäumen und See damals jährlich mindestens 155 Tonnen Ge- Edelkastanien auf der Walensee-Nordseite zeigt. samtphosphor zugeführt, davon Ca. 62 Tonnen in gelöster, d.h. für die Algenproduktion unmit- Die gute Windexposition und der grosse Trüb- telbar nutzbarer Form. Heute erhält der See jähr- stoffgehalt der Zuflüsse fördern die vertikalen lich noch Ca. 40 Tonnen Gesamtphosphor; dabei Transportvorgänge auch sonst in ungewöhnli- beträgt der gelöste Anteil knappe 10%. chem Ausmass. So ist es nicht erstaunlich, dass Der Zustand der Seen in der Schweiz

Abbildung: Tiefenprofile des Sauerstoffs irn Walensee 199 1. Sanierungsmassnahmen im Einzugsgebiet Besiedlungsdichte im Einzugsgebiet und der zusätzlichen Phosphorelimination durch Adsorp- Die Massnahmen im Einzugsgebiet, insbesondere tionsvorgänge an sedimentierende Flussschweb- der Bau der Abwasserreinigungsanlagen in den stoffe nie erreicht. Die Belastung erreichte 1975 Kantonen St. Gallen und Glarus, reduzierten die - 1978 mit einem mittleren Gesamt-Phosphor- Belastung des Sees um mehr als 90%. Von den gehalt von 26 pg PI1 ein Maximum. Heute liegt er im Einzugsgebiet des Sees lebenden 44'200 dank der Massnahmen im Gewässerschutz unter Einwohnern waren am 1 .I ,1989 über 75% an 3 pg PII. Anzeichen einer beginnenden Phosphor- eine Abwasserreinigungsanlage angeschlossen. rücklösung aus den Sedimenten wurden 1975 - 95% der Einwohner leben im Einzugsgebiet von 1977 zwar festgestellt, signifikante Massenflüs- Reinigungsanlagen, theoretisch könnten also Se traten aber glücklicherweise nicht auf. Der noch 20% zusätzlich angeschlossen werden. See reagierte rasch auf die Massnahmen im Ein- zugsgebiet. Die Phosphorgehalte entsprachen Die Entwicklung des Seezustandes schon 1986 wieder den Werten von 1968. Die mittlere Höhenlage von fast 1600 m verhin- dert eine allzu intensive landwirtschaftliche Nut- Die Entwicklung des ~h~toplankton~ zung im Einzugsgebiet. Die Besiedlungsdichte Beim Aufbau der Algen werden die Nährstoffe beträgt mit Ca. 44 Einwohnern pro Quadratkilo- Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor im atoma- meter weniger als ein Drittel des gesamtschwei- ren Verhältnis von 106 : 16 : 1 eingebaut. Im zerischen Durchschnittes. Auch im Walensee Wasser des Walensees beträgt das Verhältnis steuert der Phosphor, der aus Abwässern, Stickstoff zu Phosphor 140 : 1. Der Phosphoran- Bodenerosion und atmosphärischem Eintrag teil ist deshalb bereits vollständig aufgebraucht, stammt, die Bioproduktion und beeinflusst damit wenn erst ein Neuntel des Stickstoffvorrates ver- den Sauerstoffgehalt. Wie in den meisten braucht ist. Kohlenstoff ist im Überfluss vorhan- Schweizerseen hat die Nährstoffbelastung des den, insbesondere da er durch den Kontakt mit Walensees zwar ab 1960 zugenommen; extreme der Atmosphäre immer wieder nachgeliefert Phosphorkonzentrationen wurden aber wegen wird. Auch im Jahre 1974, als die Biomassepro- des hohen Wasseraufkommens, der geringen duktion ein Maximum erreichte, war somit nur 16. Walensee

der Phosphorgehalt für das Ausmass der Algen- produktion bestimmend.

Das Phytoplankton nahm zwar in der Folge bis 1987 um 50% ab, anschliessend wurden aber wieder grössere Werte festgestellt. Erst seit 1991 nehmen die Planktongehalte wieder ab.

Sauerstoffgehalt Die Sauerstoffgehalte waren im Walensee dank der erwähnten starken Strömungs- und Mi- schungsvorgänge schon immer recht hoch und auch in tieferen Wasserschichten nahe der Sät- tigung. Der Sauerstoffverbrauch (Zehrung) durch den Abbau der absterbenden Biomasse und son- Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- stiger organischer Stoffe hat seit 1976 abge- halte irn Walensee 1991, an der tiefsten Stelle, I rn nommen. Der Sauerstoffgehalt im Tiefenwasser über dem Sediment. stieg in der Folge im Mittel noch leicht um Ca. 2 mg 02/1an. Literatur Zahlen zur Fischerei - Interkantonale Walenseekommission, H. Am- bühl und J. Florin, 1978; Bericht über die Der Walensee ist ein typischer Felchensee. Das interkantonale limnologische Untersuchung des Phytoplankton besteht heute vor allem aus Kie- Walensees 1967 - 1976. selalgen. Diese sind fiir pflanzenfressende Tiere offenbar schlecht nutzbar, denn das Zooplankton - Interkantonale Walenseekommission, 1 987: ging im Walensee in den letzten Jahren stark Bericht über die interkantonale limnologische zurück. Da die Felchen nur noch wenig Zooplank- Untersuchung des Walensees 1976 - 1985. ton finden, suchen sie ihre Nahrung neuerdings - Lambert, A., 1979: Starke Bodenströmungen häufig am Boden, ausserhalb der Reichweite von im Walensee. Wasser, Energie, Luft 71 (31, 50 - Fischnetzen; zudem wachsen sie nur noch lang- 53. sam, insbesondere sind sie zu mager und schlü- - Zimmermann, U., R. Forster und H. Sonthei- pfen so durch die Maschen der Netze. Der Nah- mer, 1991: Langzeitveränderung der Wasser- rungsmangel beeinflusst nicht nur die Grösse der qualität im Zürich-, Zürichober- und Walensee. Individuen, sondern auch die der Bestände: im Wasserversorgung Zürich. Mittel von 1973 bis 1978 wurden jährlich noch über 40 t Felchen gefangen, 1990 nur noch 15,5 t. Eine analoge Abnahme der Fangerträge ist auch bei anderen Fischarten zu sehen.

Fazit Wie die meisten Schweizerseen wurde auch der Walensee bis in die siebziger Jahre zunehmend mit Schmutzstoffen belastet. Die Eutrophierung des Sees hat aber der relativ geringen Nutzung im Einzugsgebiet, der starken Windexposition und des grossen Trübstoffanteils der Zuflüsse wegen in einem frühen Stadium haltgemacht. Das Ökosystem Walensee reagierte deshalb erstaunlich rasch auf die in den Kantonen St. Gallen und Glarus durchgeführten Gewässer- schutzmassnahrnen. Der Zustand könnte sich allerdings bei einem Wiederanstieg der Belastung ebenso rasch wieder verschlechtern. Der Walen- See ist heute wieder reich an Sauerstoff und arm an Nährstoffen; dies zeigt sich auch im starken Rückgang der Fischerträge in den letzten Jahren. Der Zustand der Seen in der Schweiz 17. Murtensee

17. Murtensee

Zur Morphologie Der Murtensee in Zahlen Ursprünglich reichte der Rhonegletscher bis in Oberfläche 22,8 km2 das bernische Mitteltand; er zog sich nach der Länge 8,15 km Würm-Eiszeit zurück. Der lokal kälteren Witte- Breite 2,8 km rung wegen blieben jedoch grössere Teile von maximale Tiefe 45,5 m ihm am Jurasüdfuss als Toteismassen zurück mittlere Tiefe 23,3 m und verhinderten das Auffüllen des Gletscherbek- Volumen 0,55 km3 kens mit Flussschotter. So war die Grundlage für mittlere Abflussmenge 10,8 m3/s die Jurarandseen geschaffen. Bis 1 1'000 V. Ch. Theoretische Aufenthaltszeit existierte in diesem Gebiet ein einziger See, der des Wassers (Füllzeit) 1,6 Jahre vom Mormont bei La Sarraz bis zur Moräne bei Wangen an der Aare reichte.

Die Verteilung der Torfböden zeigt, dass der Murtensee einst bis in die Gegend von Payerne Fläche (ohne See) 692,6 km2 reichte. Dieser Teil des Sees ist durch Versum- permanente Einwohner im pfung und Verlandun~verschwunden. Böden aus Einzugsgebiet 75'798 ehemaligem Sumpfland sind aber nur stabil, wenn periodische Überschwemmungen sie vor Tolerierbare Phosphorbelastung zu viel Luftsauerstoff schützen. Die früher häufi- gen Überschwemmungen im unteren Broyetal Wegen der geringen mittleren Tiefe (23 m) sind wegen der Juragewässerkorrekturen heute erträgt der Murtensee von Natur aus nur wenig zwar Geschichte, doch hat dies zur Folge, dass Nährstoffe. Bei einem Volumen von 550 Mio, m3 vom Boden Jahr für Jahr einige cm verschwin- liegt die tolerierbare Phosphorbelastung unter den. Solche Böden sind für eine intensive Bewirt- 18 Tonnen pro Jahr (VOLLENWEIDER1976). schaftung wenig geeignet, da beim Ackerbau die schützende Pflanzendecke entfernt wird und sie Phosphorbelastung so der Oxidation preisgegeben werden. Die laufenden Zuflussuntersuchungen zeigen, dass der Phosphoreintrag durch Abschwemmung Der Murtensee besteht nicht aus einer einzigen, aus dem landwirtschaftlich genutzten Gebiet zwi- gleichmässig gestalteten Wanne; eine von Süd- schen 1988 und 1991 zwar leicht abgenommen westen her in Längsrichtung bis zur Mitte vor- hat, aber noch immer die weitaus grösste Bela- stossende, 21 m über die tiefste Stelle herausra- stungsquelle darstellt. Dieser Eintrag ist abhängig gende Rippe teilt ihn in zwei schmälere untersee- von der Niederschlagsmenge im Einzugsgebiet; ische Becken. dies führt zu den grossen Schwankungen, die sich wegen der recht kurzen Aufenthaltszeit auch Sein wichtigster Zufluss ist die Broye, die 63% rasch in den Nährstoffkonzentrationen im See des Einzugsgebietes entwässert. Wichtig sind zeigen. Ohne eine erhebliche Verminderung die- weiter die Zuflüsse Arbogne, Petite Glane und ser Belastung werden dem See aber auch nach Chandon. Das Wasser aus dem Murtensee fliesst dem Vollausbau der Abwasserreinigung (I 998) über den Broyekanal in den Neuenburgersee und jährlich noch mehr als 30 t P zugeführt werden. ist dort für rund 1 /4 der Nährstoffbelastung ver- antwortlich. Die Sanierung des Murtensees und seines Einzugsgebietes trägt deshalb ebenfalls Sanierungsmassnahmen irn Einzugsgebiet zur Zustandsverbesserung der unterliegenden 1992 waren 59% der Einwohner im Einzugsge- Seen bei. biet an eine Abwasserreinigungsanlage ange- schlossen. Der Anschlussgrad stieg seit 1989 Physikalische Vorgänge um gut 10%; in den nächsten Jahren ist ein weiterer Ausbau geplant. Der Murtensee liegt im flachen Seeland und ist deshalb vor den Winden kaum geschützt. Der im Durch die Erhöhung des Anschlussgrades von 60 Nordwesten gelegene Mont Vully ist mit 200 m auf 90% und durch die Verbesserung des Kanali- über dem Seespiegel die höchste Erhebung der sationsnetzes - z.B. Fernhalten von Meteorwas- Gegend. Eine ausgeprägte Temperaturschichtung ser - könnte die jährliche Phosphorbelastung aus wird normalerweise erst im Mai beobachtet. dem Abwasserbereich noch um Ca. 15 Tonnen Ende November ist der See meist wieder soweit reduziert werden. abgekühlt, dass die Vollzirkulation einsetzt. Der Zustand der Seen in der Schweiz

Abbildung: Tiefenprofile des Sauerstoffs im Murtensee 199 1.

Eine vom Amt für Umweltschutz des Kantons poissons morts sont jetes par les vagues; les uns Freiburg veranlasste Studie über die Möglichkei- croyent que cette teinte rouge est le produit d'un ten der Klärschlammentsorgung aus freiburgi- meta1 oxide au fond du lac et pousse sur les schen Abwasserreinigungsanlagen zeigt ausrei- bords; je crois que c'est Une vegetation crypto- chende Kapazitäten in der rein landwirtschaftli- game, dont cependant je ne trouve pas la des- chen Verwertung. Dies trifft für den Kanton cription dans la flore francaise; un jeune m6de- Waadt nicht in gleichem Ausmass zu. Das ver- cin, que j'ai envoy6 hier, croit que cette matiere mutlich grösste Problem liegt aber im Bereich der rouge est le produjt d'une putrefaction causee Hofdünger, da viele Güllengruben zu klein und par le coque du levant, qui a fait perir un grand nicht dicht sind. Die Gülle muss deshalb oft zu nombre de poissons; mais cette matibre rouge ungünstigen Zeiten ausgebracht werden, d.h. est, suivant moi, trop abondante pour I'attribuer wenn die Pflanzendecke die Nährstoffe nicht A cette cause, car l'on en retrouve en remontant aufnehmen kann. Beide Kantone unternehmen la Broye des le lac jusque Payerne dans toutes deshalb grosse Anstrengungen, um den Nähr- les places ou I'eau est stagnante: [es riverains y stoffaustrag aus der Landwirtschaft, der 1991 voyent des presages effrayants de guerres, fami- noch mehr als 28 Tonnen PfJahr betrug, durch nes, la fin du monde, et moi celle de cette lett- Subventionierung des Güllengrubenbaus und re." ... durch Beratung der Landwirte zu verringern. Heute wissen wir, dass diese rote Farbe auf die Die Entwicklung des Seezustandes Blaualge Oscillatoria rubescens zurückzuführen war. Sinnigerweise ist sie auch unter dem volks- Der Murtensee war schon im letzten Jahrhundert tümlicheren Namen "Burgunderblutalge" - wir er- ein sichtbar belastetes Gewässer; so schrieb F.R. innern an die Schlacht bei Murten (1476) - be- Dompiere 7825 an seinen Freund F.C. de la Har- kannt geworden. In diesem Jahrhundert ist die pe (MRA, Arch.l, 1825, 26): berüchtigte rote Farbe auch in anderen Seen des Mittellandes aufgetaucht, die eine Eutrophie- ...."Je ddsire aussi que vous voyez les bords du rungsphase durchmachten. lac Morat qui offrent un ph6nornene tres singu- lier, I'eau en est rouge et un grand nombre de 17. Murtensee

Sedimentuntersuchungen von DAVAUD (1976) gleich zu den Vorjahren aber wesentlich geringe- weisen auf einen Beginn des starken Phosphor- re Phosphorrücklösung aus den Sedimenten anstieges noch vor der Jahrhundertwende hin. beobachtet werden. Es ist zu hoffen, dass sich Die Untersuchungen der EAWAG von 1954155 die seit 1988 festgestellte positive Entwicklung zeigten eine Phosphorbelastung aus dem Ein- in den nächsten Jahren fortsetzt. Der Phosphor- zugsgebiet von 42 Tonnen und einen Gehalt im gehalt reagiert sehr empfindlich auf den Sauer- See von über 35 pg P/I. In den folgenden paar stoffgehalt in der Tiefe; 1990 nahmen die Sedi- Jahrzehnten hat die Nährstoffbelastung des Mur- mente über 50 Tonnen Phosphor auf, 1991 und tensees stark zugenommen; anfangs der achtzi- 1992 aber wegen der längeren Rücklöcungs- ger Jahre lag der Phosphorgehalt über 150 pg dauer deutlich weniger. Der durchschnittliche PII. Seither hat sich die Situation durch die Mass- Phosphorgehalt stieg in der Folge bis 1992 wie- nahmen bei der Abwasserreinigung und auch der auf über 40 pg PI!. durch das Phosphatverbot für Textilwaschmittel entschärft. 1988 wurden in der Seemitte noch knapp 50 pg und 1991 32 pg PI1 gemessen. Ausschlaggebend für die schnelle Reaktion des Sees auf Veränderungen im Einzugsgebiet ist nebst der guten Sauerstoffversorgung im Winter1 Frühjahr vor allem die kurze Aufenthaltszeit des Wassers (Füllzeit) von 1,25 Jahren.

Sauerstoffge halt Dank der günstigen Windexposition wird der See während der Zirkulationsperiode gründlich belüf- tet. Der See erreicht irn Frühjahr regelmässig bis zum Grund Gehalte von 12 mg 02/1. Dies kann den durch die Mineralisierung der abgestorbenen Algenmasse verursachten Sauerstoffrnangel Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- während der Stagnationsphase aber nicht ver- halte im Mun'ensee 799 7, an der tiefsten Stelle, I m über dem Sediment. hindern. Nach RlvlER waren 1935 die Sauerstoff- verhältnisse schon Ende Juni unter 35 rn und im September unter 10 m Tiefe ungenügend. Unter- Zahlen zur Fischerei suchungen der EAWAG zeigen 1955 ein ähnli- Auch die Verdoppelung der Fangerträge (Berufs- ches Bild. Bis Anfang der achtziger Jahre war die und Sportfischerei) zwischen 1981 und 1986 auf Sauerctoffkonzentration über Grund spätestens über 80 Tonnen pro Jahr deuten auf starke Ver- ab August kleiner als 1 mg 02/1, d.h. der See änderungen im See hin. Während der Anteil an hatte bereits Mitte Sommer 213 des im Frühjahr Weissfischen mit mehr als 80% sehr hoch ist, vorhandenen Sauerstoffvorrates aufgebraucht. sind Edelfische wie Felchen und Forellen kaum Zudem konnte häufig anfangs Herbst ein deut- anzutreffen. Dies sind Hinweise für die noch licher Sauerstoffschwund in der Temperatur- immer starke Belastung des Sees. sprungschicht (metalimnisches Sauerstoffmini- mum) beobachtet werden. Höhere Temperaturen Interessanterweise kann sich der Wels, ein Fisch begünstigen hier den Abbau der abgestorbenen, der für das Einzugsgebiet der Donau charakteri- absinkenden Organismen. Der Zeitpunkt der stisch ist, im Murtensee halten; der Rhein war Herbstzirkulation war bereits damals entschei- vor 100'000 Jahren noch Donauzufluss. Die dend für die Phosphormenge, die bei der Rück- Fangerträge der Welse liegen konstant bei 1,6 Iösung aus den Sedimenten in den Wasserkörper bis 1,7 Tonnen pro Jahr. gelangte. Fazit Seit sechs Jahren ist die Sauerstoffsituation deutlich besser; das metalimnische Sauerstoffmi- Der Zustand des Murtensees hat sich in den nirnum war zwar 1990 noch deutlich, sonst aber letzten 10 Jahren gebessert. Die Bioproduktion weniger ausgeprägt. Dennoch wird der von der ist aber immer noch zu hoch. Wegen des grossen Verordnung über Abwassereinleitungen ge- Wasserdurchsatzes und der guten Windexposi- forderte Minimalwert von 4 mg 02/1 auch irn tion reagiert der See rasch auf Veränderungen im übrigen Wasserkörper nicht zu jeder Zeit und in Einzugsgebiet. Der Phosphorgehatt ist nicht jeder Tiefe erreicht. Es kann deshalb jeweils ab zuletzt dank des Phosphatverbotes für Textil- September noch immer eine deutliche, im Ver- waschmittel seit 1982 um 75% zurückgegangen. Der Zustand der Seen in der Schweiz

Trotzdem ist die Phosphorzufuhr aus dem Ein- - Ehrsam, E., 1974: Zusammenfassende Darstel- zugsgebiet noch fast dreimal zu hoch und wird lung der beiden Juragewässerkorrektionen. auch nach dem Vollausbau in der Abwasserreini- Auftrag der interkantonalen Baukommission der gung beinahe das Doppelte der kritischen Phos- 11. JGK, Biel. phormenge betragen. Wirkungsvollere Massnah- - Davaud, E., 1976: Contribution 3 I'etude Q~O- men in der Landwirtschaft sind deshalb unum- chimique et s6dimentologique de dbpots lacu- gänglich. stres recents (Lac de Morat, Suisse). These, Universite de Genhve. Literatur - Vollenweider, R. A., 1976: Advances in defi- - Rivier, O., 1936: Recherches hydrobiotogiques ning critical loading Levels for Phosphorus in sur le lac de Morat. Bull. Soc. neuch. Sci. Nat. Lake Eutrophication. Mem. Ist. Ital. Idrobiol., 61, 125 - 181. 33: 53 - 83. - EAWAG (Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, - Noel, F. und D. Fasel, 1989 et 1993: Etude du Abwasserreinigung & Gewässerschutz), 1960: lac de Morat et de Ses affluents. Rapports de Der Murtensee; sein gegenwärtiger che- I'office cantonal de ta protection de I'environ- misch-biologischer Zustand, die Herkunft der nernent, Fribourg. eutrophierenden Stoffe, Seesanierung, Schutz vor Verunreinigung. Gesamtbericht 1954155 im Auftrag der Gemeinde Murten, Zürich. 18. Sempachersee Sursee

$$ 7 ?J. Y L h L 2 18. Sernpachersee

Zur Morphologie Volumen von 639 Mio. rn3 liegt die tolerierbare Belastung an Gesamt-Phosphor bei 4 Tonnen pro Das Becken des Sempachersees hat der Reuss- Jahr. gletscher der Würmeiszeit aus dem ursprüngli- chen Sandsteinfels herausgeschliffen. Es wird Sanierungsmassnahmen im Einzugsgebiet seitlich von Moränenzügen und vorne bei Maria- Zell durch eine Stirnmoräne begrenzt. Zur Land- In den Sempachersee entwässern zwei kommu- gewinnung wurde der Seeabfluss in den Jahren nale Abwasserreinigungsanlagen (ARA Sem- 1806 bis 1807 um etwa 1,7 m abgesenkt. Die pach1Neuenkirch und, nur bis 1993, ARA Hildis- meisten ursprünglichen Flachwasserzonen wur- rieden); beide sind mit einer Phosphatfällung (3. den dadurch zerstört; der früher 6 bis 15 m brei- Stufe) ausgerüstet. Die Abwässer des nördlichen te Schilfgürtel ist bis auf wenige Reste ver- Einzugsgebietes werden vom See ferngehalten schwunden. Über den Seeabfluss, die Suhre, und der ARA Surental zugeführt. fliessen im Mittel 1,17 m3/s ab. Um das leere Seebecken (639 Mio. m3) zu füllen, würden die 1990 waren 82% der 11'900 Einwohner im Ein- Zuflüsse 17 Jahre brauchen. Damit hat der Sem- zugsgebiet an eine Abwasserreinigungsanlage pachersee die längste Auffüllzeit aller Schweizer- angeschlossen. Das Abwasser von 17% wurde Seen. Veränderungen der Nährstoffbelastung ma- landwirtschaftlich verwertet. nifestieren sich deshalb in der Regel mit grosser Verzögerung. Phosphorbelastung aus dem Einmugs- gebiet Ph ysikaiische Vorgänge Die Zuftussuntersuchungen ergaben folgende Der Sempachersee wird trotz der irn Vergleich jährliche Belastungen aus dem Einzugsgebiet: zur Oberfläche beträchtlichen Tiefe jeweils bis zum FebruarlMärz meist durchmischt. Fehlen Tabelle: Jährliche Phosphorfrachten des. Sempacher- jedoch im Frühjahr die starken Winde, ist die sees. Umwältung der Wassermassen häufig zu kurz, um das Tiefenwasser mit Sauerstoff zu sättigen. Messperiode Gesamt-P Gelöster P 1954 4,4 t 3,O t Von Mai bis November bildet sich eine ausge- 1966167 10,3 t 8,7 t prägte Temperaturschichtung (Stagnation) aus, wobei die Sprungschicht zwischen 5 und 15 m 1976177 14,8 t 12,6 t Tiefe liegt. In der Tiefe steigt die Temperatur in 1 984186 ,14,6 t 9,l t dieser Zeit selten über 5 OC. 1986/88 18,7 t 8,5 t

- Der Sempachersee in Zahlen Die kritische Belastungsgrenze von 4 Tonnen Gesamt-Phosphor pro ~ahrwurde bereits 1960 0 berfläche 14,4 km2 überschritten. 1986188 wurde dem Sempacher- Lange 7,5 km see mit 18.7 t ein Mehrfaches zugeführt. Breite 2,4 km maximale Tiefe 87 m Hauptursache für die anhaltend hohe Phosphor- mittlere Tiefe 44 m belastung ist dabei der Dün~erüberschuss im Volumen 0,639 km3 Einzugsgebiet des Sees. Die Düngerbilanz zeigt, mittlere Abflussmenge 1,34 m3/s dass jährlich rund ein Drittel oder 96 Tonnen theoretische Aufenthaltszeit Phosphor zuviel ausgebracht werden. Neben dem des Wassers (Füllzeit) 15 Jahre Eintrag in den See reichern sich dadurch jedes Jahr 80 Tonnen im Boden an. Der Düngerüber- schuss ist eine Folge des hohen Tierbestandes; Einige Angaben zum Einzugsgebiet die Tierbelastung beträgt durchschnittlich Fläche (ohne See) 61,44 km2 2,6 Düngergrossvieheinheiten pro Hektar. Bei ei- permanente Einwohner im nem Tierbestand von 2,l Düngergrossvieheinhei- Einzugsgebiet 12'000 ten (DGVE) pro Hektare wäre die Düngebilanz ausgeglichen.

Tolerierbare Phosphorbelastung Noch 1976177 stammte die Hauprmenge (rund Wegen der langen FüllZeit erträgt der Sem- 50%) des dem See zugeführten Phosphors aus pachersee von Natur aus nur wenig Nährstoffe. dem Abwasser. Doch bereits 8 Jahre später sank Bei einer mittleren Tiefe von 44 m und einem dieser Wert auf 13%, während 80% über die Der Zustand der Seen in der Schweiz

Abbildung: Tiefenprofile des Sauerstoffs im Sempachersee 799 1. Abschwemrnung landwirtschaftlich genutzter So nahm der Phosphorgehalt im See seit den Böden in den See gelangten. 13 Jahre später lag ersten Messungen 1951 (8pg PII) bis 1984 um der Abwasseranteil bei 6,5% und derjenige aus einen Faktor 20 zu (165pg Pli). Der kritische der Landwirtschaft bei 88%. In der Gesamtbilanz Phosphorgehalt von 30 pg PI1 wurde schon 1965 werden die Erfolge der Abwassersanierung durch überschritten. Die Mineralisierung der abgestor- die vermehrte Abschwemmung von Nährstoffen benen Algen verbraucht während der Stagna- aus landwirtschaftlich genutzten Böden aufgeho- tionsphase den im Frühjahr durch die Zirkulation ben. eingebrachten Sauerstoffvorrat. Die Zunahme der Nährstoffbelastung führte somit zu einer Vermin- Die Entwicklung des Seezustandes derung des Sauerstoffgehaltes irn Tiefenwasser. Nach ZÜLLIG I1982) trat im Sempachersee erst- Nach 1945 kamen mit zunehmender Besiedelung mals 1950 am Grund Sauerstoffmangel auf. Vor und landwirtschaftlicher Produktion aus dem 1940 scheint der See wie andere Seen des Mit- ehemals bewaldeten Einzugsgebiet des Sem- tellandes in einem nährstoffarmem Zustand pachersees immer grössere Nährstofffrachten. gewesen zu sein. Dank der Anstrengungen der 18. Sempachersee

kantonalen Behörden und der Gemeinden vor 10 bis 15 m Tiefe ein immer ausgeprägteres allem im Abwasserbereich ging der Phosphorge- sogenanntes metalimnisches Sauerstoffminimum halt seit 1984 zurück; er beträgt heute rund mit Gehalten unter 1 mg 02/1 auftritt und 90 ,ug PII. Eine Stabilisierung der heutigen Werte dadurch den Lebensraum für Fische stark ein- ist als Folge der immer noch hohen Phosphorbe- schränkt. lastung aus dem Einzugsgebiet zu erwarten.

Das Verhältnis von Stickstoff- zu Phosphorkon- zentration hatte sich im Verlauf der Jahre stark verändert. Bis Anfang der siebziger Jahre war Stickstoff im Überfluss vorhanden. Doch in den Jahren nach 1975 hatte sich das Verhältnis zuungunsten des Stickstoffes verschoben. Zeit- weise war die im Vergleich zum Phosphor zu geringe Stickstoffkonzentration für die Begren- zung des Algenwachstums verantwortlich.

Für Blaualgen, die elementaren Stickstoff (N2) binden und umsetzen können, bedeutet dies ein klarer Konkurrenzvorteil. Dies erklärt die in den Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- achtziger Jahren häufigen Massenentwicklungen halte im Sempachersee (Seemittel 1991, an der tief- von stickstoffixierenden Blaualgen, wie z.B. sten Stelle, 1 rn Uber dem Sediment. Aphanizomenon flos-aquae. Anfang August 1984 kam es nach einer solchen Algenblüte zum Wenn der Sauerstoff im Tiefenwasser aufge- Zusammenbruch einer Aphanizomenon-Popula- braucht ist, nutzen einige Mikroorganismen ande- tion. Dabei wurden, wie eine Expertengruppe re Oxidantien, um ihren Energiebedarf zu decken. später nachwies, Algentoxine frei, die ein massi- Dies führt zu einer Anhäufung reduzierter Sub- ves, aufsehenerregendes Fischsterben (ca. stanzen, wie 2.B. Methan, Ammoniak, Nitrit, 26 Tonnen) verursachten. Dieses Fischsterben Schwefelwasserstoff, Eisen (11) und Mangan (11). bewog den Stadtrat von Sursee, am 3. Septem- Bei einer Wiederbelüftung mit Sauerstoff werden ber 1984 im Bereiche des Ufergebietes ein par- jeweils zuerst diese Substanzen aufoxidiert, tielles Düngeverbot zu erlassen, welches nach bevor der Sauerstoffgehalt im Wasser ansteigt. verschiedenen Beschwerden am 26. März 1988 Reduzierte Substanzen entsprechen somit einem vom Bundesgericht bestätigt wurde. Sauerstoffdefizit. Im Oktober 1983 wurde über dem Seegrund ein maximales Sauerstoffdefizit Die Bioproduktion wird sinnvollerweise mit der von über 15 mg 02/1 gemessen. Dank des künst- durch die Photosynthese gebundenen Menge an lichen Sauerstoffeintrages seit Juli 1984 treten Kohlenstoff quantifiziert. Im Sempachersee ist reduzierte Substanzen im Tiefenwasser nicht diese mit Ca. 400 g Kohlenstoff pro m2 und Jahr mehr auf. viel zu gross. Schwach belastete Seen zeigen Werte unter 200 g C pro m2 und Jahr. Zahlen zur Fischerei Sauerstoffgehalt Der Sempachersee war schon im 14. Jahrhun- dert für seinen Felchenreichtum bekannt. Aus Bei gut durchlüfteten Seen mit kleiner Algenpro- dem Jahre 1421 ist eine erste schriftliche Fische- duktion fällt der Sauerstoffgehalt nirgends unter reiordnung bekannt. Erstaunlicherweise wurden 4 bis 6 mg 02/1. Geringere Sauerstoffwerte ge- schon damals alle heute noch angewendeten fährden die natürliche Fortpflanzung der Boden- Schonmassnahmen aufgeführt. Diese Fischerei- laicher, wie beispielsweise Felchen. verordnung wurde streng gehandhabt, was den Fischreichtum förderte. Es kamen auch fremde Die ersten bekannten Messungen im Sempacher- Fischer nach Sempach, um das Fischereihand- See vom August 1938 zeigten noch gute Sauer- werk zu erlernen. Der ursprünglich hohe Felchen- stoffverhältnisse: in 80 m Tiefe waren noch bestand brach bereits im 19. Jahrhundert, ver- mehr als 5 mg O2// vorhanden. Doch schon um mutlich als Folge der künstlichen Seeabsenkung, 1950 mussten in dieser Tiefe deutliche Sauer- zusammen; günstige Laichplätze gingen verloren. stoffminima festgestellt werden. Seit den siebzi- Auch heute sind Felchen (Balchen) die haupt- ger Jahren sinken die Werte über Seegrund öfter sächlichsten Nutzfische, doch können die Erträge auf null. Aus den Herbstprofilen ist ersichtlich, nur durch Jungfischeinsätze aus Brutanstalten dass direkt unter den produktiven Schichten in aufrecht erhalten werden; die natürliche Fort- Der Zustand der Seen in der Schweiz

pflanzung ist wegen des Sauerstoffmangels über Die seeinternen Massnahmen wurden seither den verbleibenden Laichgründen zu gering. Ein weitergeführt und haben den Seezustand verbes- weiteres Indiz für die schlechten Sauerstoffver- sert. Die reduzierten Verbindungen sind ver- hältnisse ist der Ertragsrückgang der Trüsche schwunden und seit 1987 war der Sauerstoffge- und des Seesaiblings, der seit 1889 eingesetzt halt wieder zu jeder Zeit und in jeder Tiefe grös- wird. ser als 4 mg 02/1. Letztlich werden die seeinter- nen Massnahmen nur nützen, wenn die externe Der jährliche Fischfang inklusive Sportfischerei Nährstoffbelastung deutlich abnimmt. Dies kann nahm anfangs der achtziger Jahre ab und nur über eine Verminderung der Überdüngung in erreichte 1987 ein Tief; die Berufsfischer fingen der Landwirtschaft und einen Abbau der Viehbe- nur noch 2 5 Tonnen Felchen. stände im Einzugsgebiet erreicht werden.

Der ungebrochene Anstieg der Photosynthesera- Uferschutz ten führt u.a. zu Sauerstoffübersättigungen im Oberflächenwasser (0 bis 3 m Tiefe) von bis zu Das Amt für Umweltschutz des Kt. Luzern, for- 250%. Dies führte im Frühjahr 1987 erstmals zu derte 1985 um Seen einen Schutz- und Schon- einem Felchenbrütlingssterben, ein Ereignis, das gürtel, der der Nutzung durch den Menschen auch in anderen hochbelasteten Seen, wie z.B. weitgehend entzogen ist: "Eine solche Schutzro- im Baldegger- und Greifensee auftrat. Die ca. ne um ein Gewässer gehört zur existentiellen 2 cm langen Felchen hatten im Körper grosse Grundlage eines aquatischen Ökosystems, das Gasblasen und starben an inneren Verletzungen. nicht mit der von Wellen gebildeten Ufertinie ab- Um die kritische Phase zu überbrücken, werden gegrenzt wird. Tiere, Pflanzen und ihre Lebens- seit 1989 Felchenbrütlinge in Netzkäfigen in 3 gemeinschaften lassen keine klare Trennung zwi- bis 5 m Tiefe aufgezogen und als Sömmerlinge schen einem Gewässer und den angrenzenden wieder ausgesetzt. Der Erfolg zeigt sich in der Randzonen zu, und es gibt viele lebenswichtige starken Zunahme der Fangerträge nach 1990 Vorgänge, die sowohl im Wasser als auch im (1991: 80 t und 1992: 140 t). Uferbereich stattfinden. Die Halde in einem See, die eigentlichen Uferbänke und die angrenzenden Seeinterne Massnahmen Landstreifen bilden charakteristische, erhaltens- werte und für das biologische Geschehen in ei- Anfangs der achtziger Jahre erkannte die Gewäs- nem Gewässer unabdingbar notwendige Lebens- serschutzfachstelle des Kantons Luzern, dass räume, ohne die sich die Aktivität der Mikroorga- angesichts der immer noch zunehmenden Be- nismen, der niederen und höheren Wasserpflan- lastung durch die Landwirtschaft, dem See mit zen, aber auch vieler heimischer Fischarten nicht externen Massnahmen allein nicht genügend befriedigend erhalten kann." rasch geholfen werden kann. (Zitat aus dem Amtsbericht vom 14. Februar 1985 gegen die Beschwerde der vom Düngever- Ein Gutachten der EAWAG, welches auf zwei bot Betroffenen im Gebiet von Sursee.) intensiven Messkampagnen der Jahre 1979 und 1983184 basierte, zeigte aber, dass bei einer Die durch die Absenkung des Wasserspiegels konstanten Phosphorfracht von 14 bis 15 Ton- von 1806107 dem See entrissenen Gebiete sind nen pro Jahr der Phosporgehalt im Wasser stetig aufgrund ihrer Bodeneigenschaften und Lage zunehmen würde, und dass nur eine Reduktion äusserst empfindlich. Da sie trotzdem meist in- der Phosphorfracht um 50% in Kombination mit tensiv genutzt und somit gedüngt werden, ist der seeinternen Massnahmen (Eintrag von Sauerstoff Uferschutz am Sempachersee besonders dring- im Sommer und Zirkulationshilfe im Winter/Früh- lich. jahr) die Bioproduktion senken könnte. Die im Gutachten vorgeschlagene Sauerstoffbegasung Der Gemeindeverband Sempachersee, der ge- wurde im Frühjahr 1984 in Betrieb genommen. mäss seinen Statuten, die Aufgabe hat, neben Von 1. Mai bis zum 1. Oktober wird dem See in dem Betrieb der seeinternen Anlagen auch die 85 m Tiefe jeden Tag über Diffusoren feinblasig seeexternen Massnahmen zu koordinieren und zu 3 t Sauerstoff zugeführt. Im darauffolgenden Ok- überwachen, hat 1988 einen Seeuferschutzgürtel tober bis Ende Aprit wird an der gleichen Stelle mit Dünge- und Nutzungseinschränkungen aus- grobblasig Druckluft zugeführt. Die grösseren scheiden lassen, der anschliessend von allen Luftblasen steigen bis an die Seeoberfläche auf Seegemeinden gleichzeitig verfügt wurde. und unterstützen durch den dabei entstehenden Wasserauftrieb die natürliche Zirkulation: der See wird über seine Oberfläche mit atmosphärischem Sauerstoff versorgt. 18. Sempachersee

Fazit - Gächter, R., 0. Imboden, H. Bührer und P. Sta- delmann, 1983: Mögliche Massnahmen zur Die Phosphor-Belastung des Sempachersees ist Restaurierung des Sempachersees. Schweiz. Z. viermal, Phosphorgehalt und Bioproduktion mehr Hydrol. 45, 246 - 266, als dreimal zu hoch. Mit gezielten internen und externen Massnahmen versucht der Kt. Luzern, - Gächter, R., 1987: Lake Restoration. Why Oxygenation and artificial Mixing cannot sub- den See zu sanieren. Wegen der langen Aufent- stitute for a Decrease in the external Phospho- haltszeit (Füllzeit) des Wassers von 15 bis 17 rus Loading. Schweiz. Z. Hydrot. 49, 170 Jahren zeigen solche Massnahmen allerdings nur - langsam Wirkung. 185. - Stadelmann, P., 1988: Zustand des Sempa- Zirkulationshilfe und Begasung sind Symptombe- chersees, vor und nach der Inbetriebnahme der kämpfungsmassnahmen, die das Auftreten von see-internen Massnahmen: künstlicher Sauer- z.T. giftigen reduzierten Substanzen verhindern stoffeintrag und Zwangszirkufation 1 980 - und den höheren Wasserorganismen, vor allem 1987. Wasser, energie, luft 80, 314, 81 - 96. Fischen, den zum Überleben notwendigen Sau- - Baumann, P. 1988: Weitergehende Gewasser- erstoff sichern und die Phosphorrücklösung aus schuPzmassnahmen im Einzugsgebiet der luzer- den Sedimenten teilweise herabsetzen. Die Wur- nischen Mittellandseen im Bereich der Land- zel des Übels, die extreme Belastung mit Nähr- wirtschaft. Gas-Wasser-Abwasser 68, 1, 1 - stoffen aus dem Einzugsgebiet, können sie aber 16. nicht beseitigen. Während die Belastung aus dem - Amt für Umweltschutz des Kantons Luzern, Abwassersektor abgenommen hat, nahm diejeni- 1991 : Zustand der Oberflächengewässer im ge aus der Landwirtschaft weiter zu. Hier sind Kanton Luzern in den Jahren 1984 bis 1988, zusätzliche Massnahmen unerlässlich. Dezember 1 99 1 . Literatur - Ventling-Schwank, 8.R., 1992: Reproduktion und larvale Entwicklungsphase der Felchen - Bührer, H., R. Gächter und W. Stumm, 1979: (Coregonus sp.) im eutrophen Sempachersee. Gutachten über die Sanierungsmöglichkeiten Diss. Univ. Zürich. des Sempachersees. Gutachten der EAWAG - Lachavanne, J. B. et al., 1992: Zustand, Erhal- Nr. 4564, Oübendorf. Militär und Polizeidepar- tung und Schutz der Ufer des Sempachersees. tement des Kantons Luzern und Kantonales BUWAL, Kanton Luzern und Universität Genf, Amt für Gewässerschutz, 67 S. 2 Bände und 3 Karten. - Stadelmann, P., 1980: Zustand des Sempa- - Gemeindeverband Sempachersee: Konzept zur chersees. Wasser, energie, luft 72, 10, 31 1 - Sanierung des Sempachersees. Deiegierten- 31 8. versammlung vom 22. April 1992, 9 Seiten. - Züllig, H., 1982: Untersuchungen über die - Naturforschende Gesellschaft Luzern, 1993: Stratigraphie von Carotinoiden im geschichte- Der Sernpachersee. 528 Seiten. ten Sediment von 10 Schweizer Seen zur Er- kundung früherer Phytoplankton-Entfaltungen. Schweiz. Z. Hydrol. 44, 1 - 98. Der Zustand der Seen in der Schweiz 19. Hallwilersee

19. Hallwilersee

Zur Morphologie eine leichtere Oberschicht (Epilimnion) schwimmt auf dem schwereren Tiefenwasser (Hypolim- Der mit Nährstoffen stark belastete Abfluss des nion). Der grosse Dichtegradient der dazwischen- Baldeggersees, der Aabach, auch "Wag" liegenden Temperatursprungschicht, die irn Laufe genannt, speist nach einer Fliessstrecke von gut des Sommers bis auf ca. 10 m Tiefe absinkt, 3 km Länge den auf 449 m Ü.M. gelegenen Hall- bremst den Transport von Sauerstoff vom Epi- . wilersee. Er' liefert im Durchschnitt Ca. 1,2 m3/s, ins Hypolimnion. neun weitere Bäche zusätzlich 0,2 m3/sec. Im Februar kühlt sich das Oberflächenwasser Der Hallwilersee ist, wie die meisten Alpenrand- meist auf unter 4 Grad Celsius ab und wird Seen, glazialen Ursprungs. Ein Arm des verästel- dadurch ebenfalls leichter als das Tiefenwasser. ten Reussgletschers folgte vom heutigen Luzern Es bildet sich während dieser Zeit eine inverse aus nordwärts einer im weichen, horizontal gela- Temperaturschichtung aus. gerten Motassegestein bereits schwach vorge- zeichneten Rinne und verbreiterte und vertiefte Yolerierbare Phosphorbelastung diese durch mehrere Vorstösse zum heutigen . Nach seinem Rückzug füllte sich die Tal- Der tolerierbare Phosphoreintrag des t-iallwiler- mulde mit Wasser und bildete einen See. Als der sees liegt bei 3 Tonnen PhosphorIJahr (EAWAG Wasserspiegel sank, tauchten weitere Endmorä- 1979). nen aus dem See auf, Die Moräne bei Ermen- see-Hitzkirch teilt das ursprüngliche Seebecken in Die Gesamtbelastung des Hallwilersees mit zwei Teile, den Baldeggersee und den Hallwiler- Phosphor hatte von 5,6 tlJahr in den fünfziger See. Jahren bis Ende der siebziger Jahre auf 16 t/Jahr deutlich zugenommen. Erfreulicherweise sind die Wegen der Nord-Süd-Lage des Sees und der im Phosphorfrachten in den letzten 10 Jahren wie- Verhältnis zu seiner Breite recht hohen Hügelrü- der stark zurückgegangen und liegen heute mit ge am Ost- und Westufer, fehlen die für die 6,4 t/Jahr wieder in der Grössenordnung der Vollzirkulation nötigen Winde oft vollständig. Nur fünfziger Jahre (Baudepartement des Kantons Winde aus Süden und Norden finden die für eine , 1992). Dies ist vor allem auf die konse- Zirkulation nötige Angriffsfläche. So erstaunt es quente Abwassersanierung und auf die erhebli- nicht, dass der Hallwilersee, der aufgrund der chen Verbesserungen der Wasserqualität des thermischen Verhältnisse im Herbst und im Baldeggersees zurückzuführen; trotzdem stam- Frühjahr vollständig durchmischt werden sollte, men noch immer 113 der Phosphorbetastung aus natürlicherweise nur ein- bis zweimal in 10 Jah- dem Baldeggersee. ren bis auf Grund umgewälzt wird. Sanierungsmassnahmen im Einzugsgebiet Schon im Mai bildet sich durch die Erwärmung der Seeoberfläche eine stabile Schichtung, d.h. Gesamthaft waren im Einzugsgebiet beider Seen am 1. Januar 1989 über 89% der 24'300 Ein- wohner an eine Kläranlage angeschlossen. Wei- Der Hallwilersee in Zahlen tere 3% könnten noch angeschlossen werden. Im direkten Einzugsgebiet des Hallwilersees sind Oberfläche 10,U km2 88,6% der Einwohner angeschlossen, zudem Länge 8,4 km werden die Abwässer von 8'030 Einwohnern max. Breite 1,6 km seit Mitte der sechziger Jahre durch eine Gabel- Maximale Tiefe 47,O m leitung der Abwasserreinigungsanlage in Seen- Mittlere Tiefe 28,4 rn gen zugeführt und belasten den See nicht mehr. Volumen 0,28 km3 Die Kläranlage Hochdorf ist zusätzlich mit einer Mittlere Abflussmenge 2,35 m3is Flockungsfiltration ausgerüstet. Die möglichen Theoretische Erneuerungszeit Verbesserungen in der Abwasserreinigung durch des Wassers 3,8 Jahre Aufhebung der Regenentlastungen und Ausbau der Regenklärbecken könnten die jährliche Phos- phorfracht in den See um ca. 100 kg verringern. Einige Angaben zum Einzugsgebiet Fläche (ohne See) 128 km2 Der Baldeggersee wirkt als Filter, denn er bindet permanente Einwohner einen Teil der anfallenden Phosphorfracht in den im Einzugsgebiet 13'500 * Sedimenten; falls sein Phosphorgehalt weiter 24'300 ** sinkt, würden sich die Phosphorexporte ebenfalls * ohne Einzugsgebiet Baldeggersee verringern. Solange die Belastung aus landwin- * ' mit Einzugsgebiet Baldeggersee schaftlich genutzten Böden in seinem Einzugsge- Der Zustand der Seen in der Schweiz

biet aber nicht weiter zurückgeht, ist eine deutli- Bis in die Mitte der siebziger Jahre hat sich der che Verbesserung hier nicht mehr zu erwarten. Seezustand weiter verschlechtert. Der mittlere Gesamtphosphorgehalt stieg von 50 pg P/I im Auch im Einzugsgebiet des Hallwilersees verfü- Jahre 1958 auf 250 pg P/[ anfangs der siebziger gen nicht alle Landwinschaftsbetriebe über Jahre. Nach einer längeren konstanten Phase genügend Fläche, um ihren Hofdünger sachge- sank er wieder und erreichte im Frühjahr 1992 recht ausbringen zu können. Die Viehbestände Werte unter 100 pg P/I. Im Vergleich zu mässig sind vielerorts zu gross, wobei dieses Problem im belasteten Seen ist dies aber immer noch mehr aargauischen Teileinzugsgebiet weniger auftritt. als 3 Mal zuviel. Zudem besteht häufig ein Mangel an Güllenlager- raum. Die steigende Belastung durch die Land- Die Entwicklung des Phytoplanktons wirtschaft wird durch die Verdoppelung des Nitratgehaltes im Seewasser seit den fünfziger Das Produktionsbedingungen des Hallwilersees Jahren belegt; dieser stabilisierte sich zwar in scheinen für die Entwicklung der Blaualge Oscil- den letzten 5 Jahren, liegt aber immer noch über latoria rubescens günstig zu sein: Jahrzehntelang 1 mg N/I. Der See erhält 186 Tonnen anorgani- dominierte diese Alge das Plankton. In den sieb- schen Stickstoff pro Jahr, davon 92% als Nitrat. ziger Jahren wurde sie durch andere Arten ver- Die Tierhaltung im Einzugsgebiet des Hallwiler- drängt, und nicht einmal die dauernde Impfung Sees ist mit 2,12 Dünger-Grossvieheinheiten je mit Oscillatoria-haltigem Baldeggerseewasser Hektar (DGVEIhal geringer als beim Baldeggersee konnte das ändern. Der Hallwilersee wechselte mit 2,6 oder beim Sempachersee mit 2,7 also bereits bei tieferen Phosphorgehalten als der DGVEJha. Die landwirtschaftliche Schule Liebegg Baldeggersee auf andere Algenarten über. Stark versucht über ein besonderes Beratungspro- vertreten waren in dieser Zeit Kieselalgen und gramm für Landwirte die Düngepraxis auch im andere Blaualgen, wie Aphanizomenon und Ana- Interesse des Gewässerschutzes zu verbessern. baena (MÄRKI und SCHMID 1983). In den letzten Könnte die Abschwemmung während intensiver paar Jahren hat sich die Burgunderblutalge wie- Regenfälle um 50% reduziert werden, würde der der im Hallwilersee etabliert. Dies könnte als bio- See pro Jahr mit 700 kg Phosphor weniger bela- logisches Indiz für die beginnende Gesundung stet. des Sees gewertet werden.

Die Entwicklung des Seezustandes Während der sommerlichen Stagnationsphase zehrt eine hohe Bioproduktion die Stickstoffver- Das massierte Auftreten der Burgunderblutalge bindungen in den obersten Wasserschichten (Oscillatoria rubescens) war eines der ersten praktisch vollständig auf. Dies fördert das Auf- Anzeichen einer beginnenden Überdüngung. kommen von Blaualgen, welche elementaren Sedimentuntersuchungen IZÜLLIG, 1982) lassen Stickstoff verwerten können (N-Fixierung). vermuten, dass diese Alge bereits vor dem 16. Jahrhundert vorübergehend in grösseren Nach grossen Algenblüten können absterbende Mengen auftrat. Die erste beschriebene Oscilla- Blaualgen, z. B. Aphanizomenon flos-aquae, Gift- toria-Algenblüte stammt aus dem Jahre 1898. stoffe freisetzen, die, wie beispielsweise im 191 1 erwähnte BRUTSCHY,dass die Burgunder- blutalge den grössten Teil der gesamten Plank- tonmenge ausmache.

GPNTERTerwähnt um 1920 den ~auerstoffman- gel unter 10 m Tiefe während der Stagnations- phase und das Auftreten von Schwefelwasser- 0 stoff unter 35 m. Auch weist er auf eine Abnahme der Felchenbestände im See hin. mg 0211 Gemäss KELLER(1 945) ist der See seit den vier- ziger Jahren ab 30 m Tiefe ganzjährig ohne Sau- S A erstoff. Umso grösser erscheint die Sauerstoff- Übersättigung von 270% in den obersten 10 m, die jeweils Ende Sommer beobachtet wurde; noch bis Ende der achtziger Jahre traten im Frühjahr in den obersten Metern regelmässig Sauerstoff ü bersättigungen von 200 bis 300% Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- auf. halte irn Hallwilersee 199 1, an der tiefsten Stelle, 1 m über dem Sediment. 19. Hallwilersee

AbbiIdung: Tiefenpro file des Sauerstoffs im Hallwilersee 1991. Sempachersee am 7./8. August 1984 beobach- der zur Oxidation der reduzierten Verbindungen tet werden konnte, zu grösseren Fischsterben benötigt wird, kann als Sauerstoffschuid ver- führen können. Solche Algenblüten wurden auch standen werden, die bei einer zirkulationsbeding- im Hallwilersee in den Jahren 1973 - 1976, ten oder künstlichen Belüftung zuerst abgetragen 1982 und 1987 beobachtet, ohne dass es aller- werden muss, bevor sich ein positiver Gehalt dings dabei zu Fischsterben kam. aufbauen kann. Die gemessene Sauerstoffzeh- rung irn Tiefenwasser betrug im Mittel 5 Ton- Verschiedene Messungen der Planktonproduktion nenfrag; die theoretische Mineralisation, die im Zeitraum 1978 bis 1988 ergeben Werte zwi- auch die Sauerstoffschuld in Form reduzierter schen 300 und 500 g Kohlenstoff pro Quadrat- Substanzen umfasst, wäre aber um 4 Tonnen/ meter Seefläche und Jahr., d.h. zwei bis dreimal Tag grösser (SCHEIDEGGER 1992). Am Seegrund mehr als in mässig belasteten Seen (BERNER erreichte diese Schuld Maximalwerte von 37 mg 1980; UEHLINGERund BLÖSCH'1 986; Baudeparte- 02/1. Die aus den Sedimenten freigesetzte Phos- ment AG 1993). phormenge lag vor 1986 bei 18 Tonnen pro Jahr. Sauerstoffgehalt Seeinterne Sanierungsrnassnahrnen Als Folge der schlechten vertikalen Durchmi- schung und der grossen biologischen Produktivi- Die grosse Phosphorbelastung macht es unmög- tät des Sees besteht im Hypolimnion ein grosser lich, den Hallwilersee innert nützlicher Frist durch Sauerstoffbedarf. Der wegen mangelnder Zirku- externe Massnahmen aflein in den durch die Ver- lation ungenügend vorhandene Sauerstoff ver- ordnung über Abwassereinleitungen (1 975) schwand seit 1940 (KELLER1945) regelmässig geforderten mesotrophen Zustand zurückzufüh- von Grund bis gegen eine Tiefe von 10 - 15 m. ren. Deshalb versuchen die Kantone Aargau und Zudem traten vor den seeinternen Massnahmen Luzern dem See durch seeinterne Massnahmen reduzierte Verbindungen auf, die bis Mitte der zu helfen. achtziger Jahre hohe Werte erreichten, bei- spielsweise Ammonium bis 2 mgll, Sulfid bis Ein bei der EAWAG angefordertes Gutachten 3 mgll und Methan bis 5,5 mgll. Der Sauerstoff, kam 1979 zum Schluss, eine Beschränkung der Der Zustand der Seen in dar Schweiz

Phosphorbelastung von damals mehr als 16 auf Die Phosphorrücklösung konnte zwar deutlich 1 1 Tonnen PIJahr, eine Zirkulationsunterstützung von rund 18 Tonnen auf weniger als die Hälfte im Winter durch Einblasen von Luft und eine reduziert werden; die ursprüngliche Annahme, Tiefenwasserbelüftung im Sommer durch Eintrag dass mit der Anwesenheit von Sauerstoff im von reinem Sauerstoff würde die Phosphorkon- Wasser in wenigen Jahren die obersten Sedi- zentration und die organische Produktion nach mentschichten oxidiert würden und die Rücklö- 6 Jahren auf ein vernünftiges Mass reduzieren; sung vollständig unterbunden werden könne, stabile Verhältnisse seien aber erst möglich, erwies sich jedoch als zu optimistisch. wenn der Phosphoreintrag unter 3 Tonnen PIJahr zurückgeht. Weniger Biomasse bedeutet kleinerer Zahlen zur Fischerei Sauerstoffverbrauch beim Abbau. Dies und der zusätzliche Sauerstoffeintrag würden nach Mei- Die ~erschlechterun~des Seezustandes zeigte nung der EAWAG auch im Tiefenwasser ganz- sich auf drastische Weise durch das Verschwin- jährig für Sauerstoffverhältnisse von mehr als den der Felchen anfangs des Jahrhunderts. Die 4 mg 02/1 sorgen. einst so berühmten Hallwilersee-"Ballen", Core- gonus annectus balleoides V. Fatio, waren schon Der Kanton Aargau entschied sich für das bereits in den zwanziger Jahren praktisch ausgestorben. im Baldeggersee erprobte System "TANYTAR- Heute sind dank der künstlichen Besatzung wie- SUS", welches im Sommer Reinsauerstoff über der fast 90% der gefangenen Fische Blaufelchen. Diffusoren ins Tiefenwasser einbringt und im Die gesamten Jahreserträge - bis in die achtziger Winter den See mit Druckluft umwälzt. Die Anla- Jahre zwischen 6 und 13 Tonnen - haben sich ge wurde anfangs Dezember 1985 erstmals als seither verfünffacht: 1990 wurden 52 Tonnen Zirkulationshilfe eingesetzt. Bereits einen Monat gefangen. später wies der See bezüglich Sauerstoff eine homogene Verteilung auf. tm September 1986 Fazit wurde ein Testbetrieb zur Sauerstoffbelüftung Aufgrund der grossen Phosphorbelastung aus mit einem reduzierten Sauerstoffeintrag von 0,5 dem Einzugsgebiet ist die Algenproduktion im bis 1,5 Tonne pro Tag aufgenommen (STÖCKLI Hallwilersee zu hoch. Trotz intensiver Gewässer- und SCHMID 1987). Ab 1987 wurden jedes Jahr schutzmassnahmen des Kantons Luzern stammt zwischen April und Oktober jeweils 400 bis 600 noch immer 113 der Nährstoffbelastung aus dem Tonnen Sayerstoff ins Tiefenwasser eingetragen. Baldeggersee. Eine Sanierung des Hallwilersees Durch die Belüftung gelangt nun auch während ist nur möglich, wenn auch diese Belastung wei- des Sommers genügend Sauerstoff in das Tiefen- ter reduziert wird. Durch Ausbau der Kläranlagen Wasser und die Sauerstoffzehrung erreicht nun und der Kanalisation im Einzugsgebiet sind nur tatsächlich 9 Tonnen pro Tag; es bilden sich kei- - noch kleinere Verbesserungen möglich. In beiden ne reduzierten Verbindungen fSauerstoffschuld) Seen versuchen die betroffenen Kantone deshalb mehr (siehe weiter oben). Der erreichte Phospor- die Phosphatbelastung aus landwirtschaftlich rückgang im See zeigte bisher keine Rückwirkun- genutzten Flächen in den Griff zu bekommen und gen auf die Algenproduktion (SCHEIDEGGER1992). den Seezustand durch flankierende seeinterne Massnahmen, wie Belüftung und Zirkulations- 1991 wurde das erste Mal das ganze Jahr, bis hilfe, zu verbessern. Auch wenn diese häufig nur zum Seegrund in 46 m Tiefe, Sauerstoff nach- als Massnahmen zur Symptombekämpfung ange- gewiesen; der Grenzwert von 4 mg 02/1 wurde sehen werden, sind sie doch auch Übertebenshil- bis in eine Tiefe von 40 m eingehalten. Der dafür fe bis zur erhofften, nachhaltigen Gesundung des notwendige Sauerstoffeintrag betrug 1991 3,5 Sees. Sie vermögen das Auftreten von z.T. gifti- und 1992 wegen des warmen Sommers sogar gen reduzierten Substanzen zu verhindern, den bis 4,3 Tonnen pro Tag. höheren Wasserorganismen (vor allem Fischen) den zum Überleben notwendigen Sauerstoff zu Die Beobachtung von Würmern (Tubificidae) und sichern und durch Eindämmen der Rücklösung lnsektenlarven (Chironomidae), die auch mit aus den Sedimenten die Phosphorkonzentration wenig Sauerstoff leben können, zeigte seit 1985 im See „ reduzieren. Die Wurzel des übels,die eine langsame Rückeroberung des tebensraumes Nährstoffbelastung aus den in die Tiefe. Diese schlammbewohnenden Orga- können sie aber nicht beseitigen. nismen, Bioindikatoren für die Sauerstoffversor- gung der Sedimente, waren bis im Spätsommer 1992 in eine Tiefe von 45 m vorgedrungen. 19. Hallwilersee

Literatur - Züllig, H., 1982: Untersuchung über die Strati- graphie von Carotinoiden im geschichteten - Baudepartement des Kantons Aargau, Abtei- Sediment von 10 Schweizer Seen zur Erkun- lung Umweltschutz und EAWAG, Fachabtei- dung früherer Phytoplankton-Entfaltungen. lung HydrobiologielLimnologie: Messdaten. Schweiz. Z. Hydrol. 4411. - Brutschy, A., 1 91 1 : Das PIankton des Hallwi- - Märki, E. und M. Schmid, 1983: Der Zustand lersees. Festschrift der Aarg. Natf. Gesell. 12, des Hallwilersees. Wasser, energie, luft 75. 141 - 148. - Bloesch, J. und U. Uehlinger, 1986: Horizontal - GBntert, A., 1920: Sauerstoff und Schwefel- sedimentation Differences in an eutrophic wasserstoff im Hallwilersee und ihre biologi- Swiss Lake. Limnol. Oceanograph. 31 (51, 1094 sche Bedeutung. Festschrift für Zschokke 12, - 1109. Basel. - Stöckli, A. und M. Schmid, 1987: Sanierung - Keller, R., 1945: Limnologische Untersuchun- Hallwilersee - Erste Erfahrungen mit Zwangs- gen am Hallwilersee. Mitt. Aarg. Natf. Ges. zirkulation und Tiefenwasserbelüftung. Wasser, 2211. energie, luft 79. - R. Keller, Limnologische Untersuchungen irn - Baudepartement des Kantons Aargau, Abtei- Hallwilersee, Diss. ETH Zürich (19451 lung Umweltschutz, 1992: Sanierung des Hall- - Vollenweider, R. A., 1975: Input - Output Mo- wilersees, Zuflussuntersuchung zur Nährstoff- dels. Schweiz. 2. Hydrol., 3711, 53 - 84. belastung 1988190, (Schlussbericht). Wasser, - Schweizerischer Bundesrat: Verordnung über energie, luft 84. Abwassereinleitungen vom 8. Dezember 1975. - Stössel, F., 1992: Die Bodenfauna des Hallwi- - EAWAG, 1979: Gutachten über die Sanie- lersees dringt vor. Mitteilungen der EAWAG rungsmöglichkeiten für den Baldegger- und 34. Hallwilersee im Auftrag des Militär- und Poli- - Scheidegger, A., 1992: Sauerstoffhaushalt im zeideparternents des Kantons Luzern und der Hallwilersee, eine Untersuchung des Einflusses Baudirektion des Kantons Aargau. Dübendorf der seeinternen Massnahmen zur Seesanierung. (Mai 1979). Diplomarbeit ETH Zürich. - Berner, P., 1980: Limnologische Untersuchun- - Baudepartement des Kantons Aargau, Abtei- gen im Hallwilersee. Diplomarbeit, Zoolo- lung Umweltschutz, 1993: Interne Auswertun- gisches Institut der Universität Bern. gen der laufenden Überwachung des Hallwiler- Sees. Aarau. Der Zustand der Seen in der Schweiz PO. Gmiiansme und PlUiiikerm

20. Greifensee und Pfäffikersee Pfäffikon 1 P L Greifeweg

1 Mau r --Ti- 20. Greifensee und Pfäffikersee

Zur Morphologie wächst die obere, wärmere Schicht (Epilimnion) stetig an und erreicht mit Beginn der Zirkulation Wie der Zürichsee, liegen auch Greifensee und Mitte Dezember als schon zirkulierende Schicht Pfäffikersee in ehemaligen, vom LinthiRheinglet- eine Tiefe von 25 m. Sofern nicht scharfer Frost scher ausgeräumten Becken, die von Moränen mit inverser Temperaturschichtung oder sogar des sich am Ende der letzten Eiszeit zurückzie- Vereisung auftritt, bleibt die Situation bis Ende henden Gletschers umsäumt werden. Beide Seen Februar stabil. Im März wird der See dann von reichten zunächst weiter talauf- und talabwärts der Frühjahrszirkulation erfasst, die bis in den bis an die Endmoränenwälle. Durch das Geschie- April hinein dauert. Die Seezuflüsse schichten be der bei Mönchaltdorf zusammentreffenden sich im See ungefähr in der Tiefe ein, die ihrer Bäche und der bei Niederuster einmündenden Aa eigenen Temperatur entspricht, meist in der Tem- wurde der Greifensee nach und nach zu einem peratursprungschicht (Metalimnion). Das Schich- Restsee zugeschüttet. Beim Pfäffikersee über- tungsgefüge wird dadurch nicht beeinflusst. nahm der Kämptnerbach diese Arbeit. Im Pfäffikersee kann die stabile Temperatur- Beide Seen liegen in flachen Mulden und sind schichtung oft bereits im März beobachtet wer- den Winden gut zugänglich. Dank der geringen den. Tiefe (knapp über 30 m) werden sie in jedem Frühjahr bis auf Grund durchmischt. Tolerierbare Pkiosphorbelastung Physikalische Vorgänge Als Flachsee mit geringem Sauerstoffvorrat während der Schichtungsperiode ist der Greifen- Seen stehen unmittelbar unter dem Einfluss des See von Natur aus mit Nährstoffen nur wenig Klimas. Im Sommer wird das Wasser erwärmt, belastbar. Die maximal tolerierbare Phosphorbe- im Winter verliert es einen Teil dieser Wärme lastung liegt deshalb bei 2,5 Tonnen pro Jahr. wieder an die Umgebung. Der Temperaturgang ist im Wasser dank dessen Wärmespeicherver- Sanierungsmascnahmen irn Einzugsgebiet mögen ausgeglichener als in der Luft und gegen- über dieser um etwa 1 Monat verzögert. Die Er- Die Einzugsgebiete des Pfäffikersees und des wärmung der oberen Schichten führt zur bekann- Greifensees sind zu 98% resp. 97% saniert. ten Temperaturschichtung, welche sich im Was- Nach Vollausbau des Kanalisationsnetzes werden ser als Dichteschichtung auswirkt. Diese wird in 99% aller Einwohner an eine Kläranlage ange- der kalten Jahreszeit durch Winde wieder zer- schlossen sein. Nur 5% der Abwässer werden in stört. Reinigungsaniagen ohne Flockungsfiltration (4. Stufe) gereinigt. Der grösste Teil davon wird lm Greifensee bildet sich im langjährigen Mittel allerdings direkt in die Glatt (Seeabfluss) umgelei- die Ternperaturschichtung, die bis Mitte Septem- tet und belastet den Greifensee nicht mehr. Die ber stabil bleibt, bereits im April. In dieser Zeit Anlagen in Pfäffikon und Hittnau wurden 1992/ 1993 ebenfalls erweitert und erneuert.

Der Greifensee in Zahlen Oberfläche 8,45 km2 Länge 6,5 km Der Pfäffikersee in Zahlen maximale Breite 1,85 km maximale Tiefe 32,3 m Oberfläche 3,3 km2 mittlere Tiefe 18 m Länge 2,6 km Volumen 0,148 km3 maximale Breite 1.4 km mittlere Abflussmenge 3,65 m3/s maximale Tiefe 35 m theoretische Aufenthaltszeit mittlere Tiefe 18,6 m des Wassers (Füllzeiti 1,09 Jahre Volumen 58,8 Mio m3 mittlere Abflussmenge 0,66 m3/s theoretische Aufenthaltszeit Einige Angaben zum Einzugsgebiet des Wassers (Füllzeit) 2,65 Jahre Fläche (ohne See) 167 km2 permanente Einwohner im Einzugsgebiet 85'000 *) 100'000 '"1 Fläche (ohne See) 28,7 km2 ') ohne Einzugsgebiet Pfsffikersee permanente Einwohner im ") mit Einzugsgebiet Pfäffikersee 15'000 Der Zustand der Seen in der Schweiz

Abbildung: Tiefenprofile des Sauerstoffs im Greifensee 7

Im Einzugsgebiet des Greifensees ist die durch- genügend Sauerstoff vorhanden ist, und dieser schnittliche Bevölkerungsdichte 6 bis 15 mal auch in die obersten Sedimentschichten gelangt, grösser als im Einzugsgebiet anderer Mittelland- wird die Phosphorrücklösung aufhören. Seen. Mit dem heutigen Stand der Abwasserreini- gungstechnik (4. Stufel können gut 90% der Die Phosphorfracht aus dem Pfäffikersee machte anfallenden Phosphormenge zurückgehalten wer- 1978 mit 3,6 Tonnen pro Jahr noch etwa 18% den, d.h. die Phosphorfracht aus dem gereinig- der Gesamtbelastung des Greifensees aus; ob- ten, häuslichen Abwasser im Greifensee-Einzugs- wohl diese 1991 weniger als 1 Tonne PIJahr be- gebiet entspricht in etwa der Menge aus einem trug, ist sie anteilsmässig etwa gleich geblieben. gleich grossen Gebiet mit normaler Bevölkerungs- dichte ohne Abwasserreinigung. Die Abwasser- Die Entwicklung des Seezustandes reinigungstechnologie oberhalb der beiden Seen hat einen Stand erreicht, der sich mit vernünf- 1910 konnte GUYER im Greifensee noch keine tigen Mitteln kaum noch verbessern lässt. Nach Anzeichen einer stärkeren Belastung beobachten. den bisherigen Erfahrungen liegt der Phosphor- Auch nach ZÜLLIG (1982) war der Greifensee bis gehalt im Abfluss der Reinigungsanlagen mit 4. 1910 kaum belastet und ein Felchensee. Erst die Stufe bei 0,2 rngfl. Bei einer Abwassermenge Melioration der torfigen Böden im Glattal mobili- von 20 Mio. m3 pro Jahr entspräche dies maxi- sierte grosse Mengen von Nährstoffen. In den mal 4 Tonnen Phosphor. Die Menge an algenver- Gutachten von FEHLMANN(1 91 51, SILBERSCHMIDT fügbarem Phosphor aus dem Abwasser betrug (191 6) und MINDER (191 8) wurde erstmals auf 1991192 aber nur noch 1.75 Tonnen. die Gefahr der Sauerstoffzehrung, verursacht durch die dem See zugeführten organischen Die grössten Phosphorquellen für den Pfäffiker- Frachten, aufmerksam gemacht. Nach ZÜLLIG trat See sind Bodenerosion im Einzugsgebiet und anfangs der dreissiger Jahre erstmals Faul- Rücklösung aus den Seesedimenten. Die Sedi- schlamm in den Sedimenten auf, was ein Hin- mente geben dem See die Altlasten, welche weis auf ungenügende Sauerstoffverhältnisse im während längerer Zeit akkumuliert wurden, zu- Tiefenwasser ist. Nach zahlreichen Fischsterben rück. Dieser Prozess wird noch einige Jahre an- wies der Kantonschemiker E. WASER im Jahre dauern. Erst wenn im Tiefenwasser ganzjährig 1935 nach umfangreichen Untersuchungen 20. Greifensee und Pfeffikersee

erneut auf die Verschmutzung des Aabaches und belastete Seen im Alpenraum zeigen in der Regel die daraus resultierende Gefährdung des Greifen- Phosphorkonzentrationen unter 20 bis 30 Mik- sees hin. rogramm pro Liter.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Glattal BUND! (1974) schätzte die jährtiche Belastung an zum Ausweichraum der Wohnregion Zürich, Die algenverfügbarem Phosphor für 1968 auf 50 - Einwohnerdichte im Einzugsgebiet nahm um 60 Tonnen. Zuflussuntersuchungen f 97711 979 mehr als 100% zu und erreichte 1980 mehr als mit 22 t PIJahr und 199011992 mit 5,l t PIJahr 550 Einwohner pro km2. Zusammen mit der zeigen den starken Rückgang der Belastung. Intensivierung der Landwirtschaft (Viehmast) Rund 65% sind der landwirtschaftlichen Nutzung erhöhte sich auch die Düngstoffbelastung ganz im Einzugsgebiet zuzuschreiben. Die durch- bedrohlich. Der Phosphorgehalt im Greifensee schnittliche Phosphorkonzentration im Zulauf des stieg seit 1940 um mehr als das Zehnfache und Greifensees lag 1991 unter 45 pg PII. Die aktuel- erreichte Mine der sechziger Jahre ein erstes le Konzentration im See entspricht somit nicht Maximum von mehr als 400 pg Gesamtphosphor der Belastung aus dem Einzugsgebiet; die lang- pro Liter. fristige Prognose für den Seerustand ist daher eher günstig. Wie eine neuere Modellrechung der Bei extrem 'gedüngten' Seen, wie dem Greifen- EAWAG zeigt, kann der angestrebte Phosphor- See, treten gehäuft Btaualgenblüten auf. Beim gehalt von maximal 25 pg PI1 aber nur eingehal- Absterben dieser Algen entstehen im Zellinnern ten werden, wenn die heutige Belastung um Gasblasen und die tote, häufig schon stinkende, mehr als 50% verringert wird. intensiv grün oder gelbbraun gefärbte Algenmas- se steigt an die Seeoberfläche. Don schwimmt Während der Phase der extremen Belastung hat sie irn Spätsommer und Herbst über Wochen und der See in seinen Sedimenten einen grossen Vor- zersetzt sich langsam weiter. So erstaunt es rat an Phosphor angehäuft. Aus diesem Vorrat nicht, dass ein internationales Symposium für von 66 Tonnen Phosphor wären aber unter auch Limnologie in Salzburg 1967 dem Greifensee das ungünstigsten Bedingungen nur ca. 30 t remobiii- zweifelhafte Prädikat "der schmutzigste See sierbar. Europas" zusprach. Im Pfäffikersee ging der Phosphorgehait in den Mit dem Bau der Kläranlagen mit Simultanfällung letzten 10 Jahren um mehr als 60% zurück. (3. Stufe) im Einzugsgebiet nahm zwar die Phos- 1970 lagen die Gehalte noch über 350 pg PII; phorbelastung vorübergehend wieder ab. Da bereits 1980 wurden Gehalte von 160 und 1990 jedoch die Belastungsfaktoren, Einwohnerdichte sogar solche von weniger als 60 pg PI1 gemes- und Viehbestand, weiter zunahmen, stieg sie sen. Auch hier ist aber die Zielvorgabe, weniger wieder an und erreichte 1969 mit mehr als als 25 pg PII, noch nicht erreicht. 500 pg pro Liter ein zweites Maximum. Erst der Einbau der Ftockungsfiltration (4. Stufe) in den Kläranlagen verminderte den Phosphorgehalt schnell. 1993 lag dieser bei 90 pg PII; mässig Ein direktes Mass für die Bioproduktion ist die Assimilation von organischem Kohlenstoff. Direkt lässt sich diese nur auf recht komplexe Weise, 2.B. über den Einbau radioaktiven Kohlenstoffs, ermitteln. Indirekt kann sie auch über die bei der Mineralisierung der abgestorbenen Algenmasse verbrauchte Sauerstoffmenge bestimmt werden. Die so berechneten Jahresproduktionen schwan- ken seit 1971 zwischen 400 und 900 g C/m2. Dies ist nicht weiter erstaunlich, denn der See ist seit 1971 mit Nährstoffen überversorgt, so dass die jeweiligen ökologischen und meteorologi- schen Bedingungen die Menge bestimmen. Z~LLIG(1982) meinte anhand der Konzentra- tionsabnahme abgelagerter Pflantenfarbstoffe in den obersten Sedimentschichten auf einen leichten Rückgang der Bioproduktion schliessen Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- zu können. Nach BÜRGI, AMBÜWL, BUHRERund halte im Greifensee 199 1, an der tiefsten Stelle, I m SZABO(1 988) hat die Plankton-Biomasse auf den über dem Sediment. Phosphor-Rückgang noch nicht reagiert. Erste Der Zustand der Seen in der Schweiz

Abbildung: Tiefenprofife des Sauerstoffs irn Pfäffikersee 7990.

Anzeichen einer Verbesserung lassen sich aber Wenn die Herbstwinde den See zu früh mischen, auch aus der Verschiebung der Nährstoffprofile kann die Konzentration sauerstoffzehrender Sub- ablesen (BÜHRER,EAWAG Nr. 4815, 1992). Die stanzen auch an der Oberfläche stark zunehmen. Profile für Kohlenstoff und für Phosphor, die Früher führte dies zu eigentlichen Zusammenbrü- während der Zeit der starken Überdüngung weit- chen des Sauerstoffgehaltes im Greifensee bis an gehend parallel verliefen, scheinen sich zu ent- die Oberfläche. Das Ausbleiben dieses Ereignis- koppeln. Die Zone der grössten Konzentrations- ses seit 1977 deutet auf eine leichte Verbesse- änderung (Chemokline) während der Stagna- rung des Seezustandes hin. Doch auch 1991 und tionsphase liegt für Phosphor zunehmend weiter 1992 traten wegen des anhaltenden Sauerstoff- unten als für Kohlenstoff. Dies ist ein Hinweis mangels grössere Konzentrationen an giftigen, auf Veränderungen in der chemischen Zusam- reduzierten Substanzen auf. Im Greifensee lagen mensetzung der Biomasse und im Schwebever- die Spitzenwerte für Ammonium bei 1,94 mg N/l halten des Planktons. und für Nitrit bei 0,36 rng NJI. Im Pfäffikersee lagen die Ammoniumwerte ab 25 m Tiefe im Juli Im Pfäffikersee haben die Jahresspitzenwerte der bis November regelmässig über 1 mg NII; das Bioproduktion seit 1986 zwar abgenommen aber Maximum betrug im Oktober in 34 m Tiefe die Sauerstoffgehalte sind auch hier noch immer 2,28 mg N/I. Die Nitritwerte stiegen im Juli in ungenügend. 34 m Tiefe bis auf 0,36 mg NI! und die Schwe- felwasserstoffgehalte Ende Jahr sogar bis auf Sauerstoffgehalt 5,7 mg SII.

Der Abbau der riesigen Algenmassen verbraucht Zahlen zur Fischerei viel Sauerstoff. Wegen der geringen Tiefe ist der Sauerstoffvorrat im Tiefenwasser beider Seen Seit 1975 wurden die Felchen im Greifensee mit klein und deshalb schon kurz nach Beginn der Erfolg wieder angesiedelt. Auch die Egli-Erträge, Temperaturschichtung ab 8 Metern Tiefe aufge- welche ausnahmslos aus der Naturverlaichung braucht. stammen, lagen 1988 mit über 20 kglha höher als diejenigen im Zürichsee (10 kglha) und Pfäffi- kersee (15 kg/ha). 20. Grsifensee und Pfäffikersee

Trotz des schlechten Seezustandes konnten zurückgehaltenen Phosphors wieder ins Wasser 1988 noch über 60 t Fische gefangen werden. gelangt. Der Anteil der Hechte, Egli und Felchen war - Unter den seeinternen Massnahmen hat eine dabei grösser als derjenige der Schwalen. Heute Tiefenwasserableiiung den grössten Effekt. Bei ist das Interesse der Berufsfischer am Greifensee gleichbleibender Phosphorbelastung würde die- nur noch gering. se Massnahme für eine Sanierung ausreichen, das abgeleitete Wasser müsste jedoch belüftet Wegen des Sauerstoffmangels im Tiefenwasser und behandelt werden, um eine nachteilige Ver- wird der Fischbestand während der Temperatur- änderung der Wasserqualität in der Glatt auszu- schichtung auf das kleine Wasservolumen ober- schliessen. halb 8 m Tiefe eingeengt. Fischarten, welche - In Anbetracht der gegenwärtig laufenden Ver- Kaltwasser bevorzugen, sind gezwungen, sich im besserungen vor allem im Seeeinzugsgebiet, ist stark erwärmten Oberflächenwasser aufzuhalten. es nicht zweckmässig, mit seeinternen Mass- Diese Fische sind geschwächt und demzufolge nahmen in den Sanierungsprozess einzugreifen. krankheitsanfällig. Auch aus fischereibiologischer Verschiedentlich wurde durch Fischereikreise Sicht ist somit eine weitere Verbesserung des verlangt, es müsse im Pfäffikersee eine künstli- Seezustandes unerlässlich. che Seebelüftung realisiert werden. Gemäss Beurteilung durch die EAWAG sind auch im Pfäf- Seeinterne Massnahmen fikersee unerwünschte Folgen nicht in jedem Fall auszuschliessen. Irn April 1992 wurde deshalb Gestützt auf die monatlichen Seeuntersuchungen eine Blasenschleieranlage eingebaut, die im der EAWAG sowie die umfangreichen Zuflusser- Winter auf sanfte Art die Zirkulation unterstützen hebungen wurde für das Jahr 1991 eine Phos- soll. Luft wird komprimiert und an die tiefste phorbitanz des Greifensees erstellt; die jährliche Stelle geführt, wo Diffusoren für die Verteilung Belastung mit algenverfügbarem Phosphor betrug sorgen. Die aufsteigenden Luftblasen bewirken 5,l Tonnen; der Anteil aus der Abwasserreini- eine Wasserbewegung in der gleichen Richrung. gung lag bei rund 35%. Durch die intensivere Wasserzirkulation gelangt auch vermehrt Oberflächenwasser, welches mit Die Daten der Phosphorbilanz und der Seeunter- atmosphärischem Sauerstoff angereichert ist, in suchungen bildeten die Basis für eine Computer- die Tiefe. Fischschädliche Substanzen wie simulation an der EAWAG (1992). Verschiedene Sanierungsvarianten wurden erwogen: Schwefelwasserstoff, Ammonium (Ammoniak) und Nitrit werden oxidiert. lm Herbst 1992 - Durch Gewässerschutzmassnahmen im Ein- wurde die Anlage in Betrieb genommen; im zugsgebiet (externe Massnahmen) kann der Frühjahr 1993 war bereits der gesamte Wasser- Greifensee innert 10 Jahren saniert werden, körper des Sees mit Sauerstoff gesättigt falls die aktuelle Phosphorzufuhr halbiert wird. Falls die heutige (1991) Phosphorbelastung bei- (212 mg 0,/11. behalten wird, würde sich der Phosphorgehalt im See bei einem Wert zwischen 40 und 60 pg P/] stabilisieren. - Eine Zirkulationsunterstützung im Winterhalb- jahr verbessert bei gleichbleibender Phosphor- Belastung die Wasserqualität kaum. Eine solche Massnahme lässt sich daher nicht rechtfertigen. - Eine Sauerstoffzufuhr von mindestens 10 t 02TTag würde die Sauerstoffverhältnisse im Tiefenwasser zwar verbessern, die Phosphor- rücklösung könnte aber nicht vollständig unter- bunden werden und die Primärproduktion wäre noch immer zu gross. Die Sanierungsvarianten mit künstlich eingeleitetem Sauerstoff müssen vorsichtig beurteilt werden, denn die Sauer- stoffzehrung der Sedimente ist zu wenig bekannt; würde zu intensiv belüftet, was zu hohen Strömungsgeschwindigkeiten über dem Sediment führen könnte, würden die Abbau- Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- vorgänge möglicherweise so stark beschleu- halte im Pfäffikersee 1990, an der tiefsten Stelle, 1 rn nigt, dass ein grösserer Teil des im Sediment über dem Sediment. Der Zustand der Seen in der Schweiz

Fazit - Pleisch, P., 1970: Die Herkunft eutrophierender Stoffe beim ffäffiker- und Greifensee. Diss. Die Phosphorbelastung des Greifensees ist trotz Univ. Zürich. sehr grosser Anstrengungen im Bereich der Abwasserreinigung im Einzugsgebiet beider Seen - Glauser, O., A. Mattenberg und A. Peyer: Do- heute noch immer gut zwei mal und der Phos- kumentation 1972. Verband zum Schutze des phorgehalt vier mal zu hoch; die Sauerstoffver- Greifensees. hältnisse sind unterhalb von 8 m Tiefe von Mai - Schüepp, M., 1979: Der Zürichsee und seine bis Dezember ungenügend. Da durch weitere Nachbarseen. Verlag NZZ. bauliche Gewässerschutzmassnahmen allein die - Bundi, U. und P. V. Robert, 1974: Ursprung notwendige Reduktion der Phosphorfracht aus und Ausmass der Phosphorbelastung des Grei- dem Einzugsgebiet nicht erreicht werden kann, fensees heute und im Jahr 2000. NZZ, 4. Feb- hat das Amt für Gewässerschutz und Wasserbau ruar 1974. des Kantons Zürich (AGW) den Einsatz seeinter- ner Massnahmen prüfen lassen. Die EAWAG - Züllig, H., 1982: Untersuchungen über die zeigte in ihrer Studie, dass nur eine Tiefenwas- Stratigraphie von Carotinoiden im geschichte- serableitung eventuell in Kombination mit einer ten Sediment von 10 Schweizer Seen zur Belüftung Erfolg verspricht, falls die Belastung Erkundung früherer Phytoplankton-EntfaItun- aus den landwirtschaftlich genutzten Flächen gen. Schweiz. 2. Hydrol. 44, 1 - 98. nicht deutlich reduziert werden kann. Der See- - Bührer, H., E. Szabd und H. Ambühl, 1985: zustand verbessert sich von Jahr zu Jahr: Der Die Belastung des Greifensees mit Phosphor, Phosphorinhalt nimmt ab, entspricht aber noch Stickstoff, geochemischen Stoffen und immer nicht der aktuellen Nährstoffbelastung aus Schwermetallen in den Jahren 1977178. Schrif- dem Einzugsgebiet. Mit dem prognostizierten tenreihe der EAWAG Nr.1. Gleichgewichtszustand entsprechend einem - Bührer, H. und H. Ambühl, 1986: Die Möglich- Phosphorgehalt im See zwischen 40 und 60pg keiten einer Sanierung des Greifensees. was- PI1 wird das Oualitätsziet von weniger als ser, energie - luft 78, 314, 43 - 53. 25 pg PI1 aber trotzdem nicht erreicht. Der Kan- - Szabd, E., ab 1976: Analysendaten chem. ton versucht deshalb die bisherigen Anstrengun- Parameter im Greifensee; Iimnol. Abteilung der gen im Einzugsgebiet weiter zu verstärken und EAWAG. insbesondere im Bereich der Bodendüngung und der Verhinderung der Bodenerosion vermehrt - Straub, M., 1988: Fischerei im Greifensee. beratend und steuernd einzugreifen; seeinterne pers. Mitt. Massnahmen sind vorderhand nicht notwendig. - Bürgi, H. R., H. Ambühl, H. Bührer und E. Sza- Auch der Pfäffikersee ist noch zu stark belastet; bb, 1988: La reaction du plancton lacustre face sein Phosphorgehalt ist noch gut zwei mal zu I'elimination du phosphore. Mitt.1Nouv. gross. Mit einer sanften Zirkulationsunterstüt- EAWAG 24. zung durch Bfasenschleier versucht das AGW - EAWAG, 1992: Über die Möglichkeiten einer dem See zu helfen. Sanierung des Greifensees. Gutachten Nr. 481 5. Literatur - Behördenbericht ~reifensee:Bachbegehungen, - Guyer, O., 1910: Beiträge zur Biologie des Überprüfung der Einleitungen, Phosphorbilanz, Greifensees. Diss. Zürich, ETH, Druck Stutt- Modellrechnungen zur Seeentwicklung. Amt für gart. Gewässerschutz und Wasserbau, Baudeparte- - Fehlmann, W., 1915: Studie betreffend die ment des Kantons Zürich (Mai 1993). Fischereiverhältnissse im Greifensee und Aa- bach z.H. der Finanzdirektion des Kantons Zürich. - Silberschrnitt, W., 1916: Studie betreffend Greifensee und Aabach vom 8. Januar 1916 an die Finanzdirektion des Kantons Zürich. - Waser, E., G. Blöchlinger und A. Lieber, 1935: Der Aabach, Seewasser und Abwasser von Pfäffikon (Zch.). Untersuchungen der öffentli- chen Gewässer des Kantons Zürich (aus dem Laboratorium des Kantonschemikers). Huber & Co. AG, Frauenfeld. 21 . Sarnersee

21. Sarnersee

Zur Morphologie ist somit für die Bioproduktion kaum mascge- bend. Die Gesamtphosphorgehalte lagen 1990 Die Ufer des Sarnersees fallen vor allem im Nord- bei 6pg P/I, dies entspricht dem Stand vor westen stärker ab. Flachufer konnten sich nur an 1965; Ortho-Phosphat ist im März mit 0,4 bis den See-Enden ausbilden. Wichtige Zuflüsse sind 0,8pg P/I nur noch knapp und während der Dreiwässerkanal (Kleine Melchaa, Aa, Laui), Stagnationsphase überhaupt nicht mehr nach- Melchaa, Rütibach, Steinibach und Gerisbach. weisbar.

Physikalische Vorgänge Sauerstoffgehalt Der Sarnersee zirkuliert normalerweise jedes Jahr Im Sarnersee wurden nur selten Nähr- und Sau- im Dezember oder Januar bis auf den Grund. Der erstoffprofile erhoben. Eine der wenigen Mes- See friert nur in sehr kalten Wintern vollständig sungen zeigt 1978 Sauerstoffmangel über Grund zu. Im Sommer erreichen die obersten Waccer- (03 bis 1 mg O,/I). Mit der Abwassersanierung schichten Temperaturen von 20 bis 24 OC. im Einzugsgebiet ist die grosse Sauerstoffzeh- rung verschwunden und der Seetustand hat sich Wegen der grossen Mineralstofffrachten der alpi- gemäss Messungen von 1987 und 1990 weitge- nen Zuflüsse erscheint der See oft leicht trüb. hend erholt.

Der Sarnersee in Zahlen Zahlen zur Fischerei Oberfläche 7,64 km2 Die Eutrophierungsphase zeigte sich auch in den maximale Tiefe 52 m Fangerträgen der Berufs- und Sportfischer. Vor mittlere Tiefe 31,9 m 1968 lag der jährliche Gesamtertrag bei 15 bis Volumen 0,244 km3 20 kg pro Hektare, 70-80% davon waren Fel- mittlere Abflussmenge 11,1 m3/s chen. Mit dem Anstieg der Phosphorbelastung theoretische Aufenthaltszeit stieg der Gesamtertrag auf mehr als 30 kglha-a des Wassers (Füllzeitl 254 Tage mit einem Felchenanteil von weniger als 30%. Seit 1987 haben sich die Fangerträge und der Felchenanteil wieder auf Werte wie in den sech- ziger Jahren stabilisiert. Der Weissfischanteil mit Ca. 8% (1990) ist rückläufig, der Rest sind vor Fläche (ohne See) 267 km2 allem Hechte und Barsche. permanente Einwohner im Einzugsgebiet 13'300 Fazit Sanierungsmassnakmen im Einzugsgebiet Wie die meisten Schweizerseen wurde auch der Sarnersee bis Ende der siebziger Jahre runeh- Am 1 .I.1993 waren 94% der 13'300 Einwohner mend mit Schmutzstoffen belastet. Die Eutro- im Einzugsgebiet an eine Abwasserreinigungsan- phierung des Sees hat aber wegen der guten lage angeschlossen. Windexposition und des grossen Trübstoffanteils der Zuflüsse in einem sehr frühen Stadium Die Entwicklung des Seezustandes haltgemacht. Seit 1980 werden die Abwasser aus dem Einzugsgebiet einer Abwasserreini- Der Sarnersee wurde bis 1980 mehrheitlich nur gungsanlage unterhalb des Sarnersees zugeführt. durch Abwässer belastet. Wie die meisten Dieser reagierte rasch und ist heute trotz der Schweizerseen machte auch er eine Eutrophie- lokal noch immer signifikanten Belastung aus rungsphase durch; diese war wegen der nicht landwirtschaftlich genutzten Gebieten wieder sehr starken Nutzung des Einzugsgebietes aller- nährstoffarm und sauerstoffreich. dings nicht ausgeprägt und erreichte um 1978 mit 20 pg PI1 (Gesamtphosphor) ein Maximum. Seit 1980 werden die Abwässer aus dem Ein- Literatur zugsgebiet der unterhalb des Sees liegenden - Müller, R.: Messdaten 1990, Zeitreihe Phos- ARA Alpnach zugeführt. Da durch diese Mass- phorgehalte. EAWAG, Forschungszentrum für nahmen der Abwasseranteil an den Nährstoff- Limnologie in Kastanienbaum, (persönliche Mit- frachten in den See weitgehend eliminiert wurde, teilung). besteht die Phosphorzufuhr grösstenteils aus - Ambühl, H.: Messdaten 1987. EAWAG, Abt. dem natürlicherweise im Einzugsgebiet vorkom- Limnologie. menden, mineralischen Apatit; dieses kann von den Algen nicht direkt aufgenommen werden und

22. Ägerisee

22. Ägerisee

Morphologie und Hydrologie Einige Angaben zum Einzugsgebiet Das Seebecken des Ägerisees wurde durch einen Fläche (ohne See) 40,7 km2 Seitenarm des Muota/Reuss-Gletschers während Mittlere Höhe (ohne See) 967 m Ü.M. der Spätwürm-Eiszeit ausgehoben. Es besteht permanente Einwohner aus zwei U-förmigen Unterbecken von 83 m und im Einzugsgebiet 4'200 81 m Tiefe, die durch Molasserippen getrennt sind. Der Seespiegel lag nach dem Abschmelzen der Gletscher bedeutend höher als heute. Die Tolerierbare Phosphorbelastung Absenkung auf das heutige Niveau ist Nach den Modellvorstellungen von VOLLENWEIDER wahrscheinlich eine Folge der Erosionstätigkeit (1 976) liegt die kritische Phosphorbelastung für des Rämselbaches, dessen Einmündung in die den Ägerisee unter 1,8 Tonnen P/Jahr. Lorze sich in der Nähe des damaligen Seeabflus- ses befand. Gemäss Angaben des Amtes für Umweltschutz in Zug wurden dem See 1993 noch ca. 2,s Ton- Der Ägerisee wird von kleinen Bächen gespiesen; nen PIJrlhr zugeführt. ausser dem Hüribach bringen diese im lang- jährigen Durchschnitt alle weniger als 0,35 m3/s Sanierungsrnassnahrneai irn Einzugsgebiet Wasser. Ein Teil des Hüribachwassers wird, bevor es den See erreicht, unterirdisch in einen Von den 4'200 Einwohnern im Einzugsgebiet anderen Seezufluss, das Nübächli, geleitet. Von sind 86% an eine Abwasserreinigungsanlage diesem Mischwasser gelangen bis zu 0.28 m3/s angeschlossen. Deren Abwasser gelangen über durch das Kraftwerk Kreuzmühle direkt in die eine Ringleitung in die ARA Schönau der Stadt Lorze. Zusammen mit dem Niederschlag, der Zug und belasten somit den See nicht mehr. direkt auf den See fällt, beträgt die gesamte Zuflussrnenge nur 1,66 m3/s; die Zuflüsse wür- Heute gelangen demnach weniger als 500 kg den 6,8 Jahre benotigen um ein Volumen von Phosphor pro Jahr durch ungeHärte häusliche der Grösse des Ägerisees mit Wasser zu füllen. Abwässer in den See.

Physikalische Vorgänge Die Entwicklung des Seezustandes Zwar ist im Ägerisee meist zweimal im Spät- THOMAS (1 955) beschreibt in seiner Habitita- herbst und im Frühjahr das ganze Temperatur- tionsschrift den Ägerisee von 1951 als schwach Profil ausgeglichen (homotherm); wenn aber kei- belastetes Gewässer. ne starken Winde aufkommen, tritt keine Vollzir- kulation ein. Häufig ist im Winter eine inverse Wie die meisten Schweizerseen zeigte auch der Schichtung zu beobachten: Wasser unter 4 'C Ägerisee in den sechziger und siebziger Jahren schwimmt auf leicht wärmerem Wasser. Eutrophierungstendenzen. Der Kantonschemiker von Zug (ESCHMANN 1964) befürchtete 1963 In den meisten Jahren friert der See fast oder eine rasche Zunahme des Nährstoffeintrages. ganz zu. Von 1968 bis 1 983 war die Eisschicht Dieser hielt sich aber in Grenzen; die über das dreimal (69170, 70171 und 80181 begehbar. Die gesamte Seevolumen gemittelten Phosphorgehal- Vereisungsperioden enden häufig erst im April. te lagen meist deutlich unter 20 pg P/I. Dies sind Werte, die eher für nährstoffarme Seen typisch sind. Zudem hat sich mit dem Bau der Ringlei- tung die Nährstoffzunahme stabilisiert. Heute lie- gen die Gesamtphosphorgehatte (gleitendes Mit- Der Ägerisee in Zahlen tel über das gesamte Seevolumen) unter 8 pg P/\. Der Orthophosphatgehalt ist in den meisten Tie- Oberfläche 7,28 km2 fen kleiner als die durch die Analytik bedingten Höhe über Meer 724 m Ü.M. Erfassungsgrenze von 1 pg P/[. Länge 5,4 km Breite 1,9 km Im Sommer und Herbst wird öfter eine deutliche maximale Tiefe 83 m Phosphoranreicherung im Tiefenwasser beobach- mittlere Tiefe 48,9 m tet (bis 120 pg Gesamt-P/I und über 25 pg Volumen 0,356 km3 Ortho-Pli). Diese ist vermutlich eine Folge des mittlere Abflussmenge 1,49 m3/s Abbaus organischer Substanz an der Sediment- theoretische Aufenthaltszeit oberfläche und wahrscheinlich z.T. auch einer des Wassers (Füllzeit) 6,8 Jahre Phosphorrücklösung aus den Sedimenten. Der Zustand der Seen in der Schweiz

Abbildung: Tiefenprofile des Sauerstoffs im Ägerisee 199 1. Sauerstoffgehalt wert 1975 - 83) zugenommen. Dies ist ein Indiz für den Beitrag der seeinternen Bioproduktion an Erstaunlicherweise entsprechen die Sauerstoff- den Sauerstoffbedarf; der Abbau der abgestorbe- profile am Ende der Stagnationsperiode, im nen, abgesunkenen Biomasse verbraucht Sauer- Herbst, nicht dem Bild eines nährstoffarmen stoff. Sees. Ein Sauerstoffschwund über den Sedimen- ten wurde von THOMAS (1955) in geringerem Wegen seiner Höhenlage friert der Ägerisee Ausmass schon 1951 beobachtet. Trotz des im häufiger zu als vergleichbare Seen des Mittellan- Vergleich zur Oberfläche recht grossen Seevolu- des. Eine Eisdecke im Winter verhindert die Sau- rnens, reicht der bei der Frühjahrszirkulation ein- erstoffzufuhr aus der Atmosphäre. Eine Sauer- gebrachte Sauerstoffvorrat nicht aus, um den für die Oxidation organischer Substanzen notwendi- gen Sauerstoffbedarf sicherzustellen. Die Sauer- stoffgehalte über Grund sinken schon Ende Sommer meist unter 1 mg O2/I. Seit 1968 treten Sauerstoffmangelzustände an der tiefsten Stelle alljährlich auf; sie dauern im Durchschnitt jeweils Ca. 3% Monate.

Die Ursache dieses Sauerstoffbedarfs ist offen- bar nur zum Teil durch den Abbau organischer Substanz, die aus dem Einzugsgebiet eingetragen wird, erklärbar. Der Grund dafür ist vielleicht im Eindringen von sauerstoffzehrendem Methan aus der Tiefe zu suchen, wie dies z.B. auch für den l.LfJ Lungernsee gezeigt wurde (BOSSARD 1981 ). Nach LIVINGSTONE(1988) hat die jährliche Sauer- Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauerstoffge- stoffzehrung an der Sedimentoberfläche seit halte im Ägerisee 199 1, an der tiefsten Stelle, 7 rn 1951 von 46 g 0,/m2 auf 133 g 02/m2 (Mittel- über dem Sediment. stoffzehrung ist auch im Winter zu beobachten, Fazit d.h. der Sauerstoffvorrat unter dem Eis wird kleiner. Nach einer längerdauernden Eisbedec- Der Ägerisee zeigt trotz sehr geringer Nähr- kung reicht die verbleibende kurze Zirkulations- stoffgehalte Symptome, die sonst nur bei stärker phase nicht aus, um das Seewasser mit Sauer- belasteten Seen beobachtet werden: der Sauer- stoff zu sättigen und der See beginnt die Stag- stoffmangel im Tiefenwasser wurde schon in den nations- resp. Produktionsphase nicht mit dem fünfziger Jahren beschrieben; seit 1968 tritt er in maximal möglichen Sauerstoffvorrat; die Sauer- jedem Herbst auf. Obschon der heutige Phos- stoffmangelsituation (Anoxie) im nachfolgenden phorgehalt mit demjenigen vor 1965 vergleichbar Herbst zeigt sich entsprechend deutlich. ist, hat die kurze Eutrophierungsphase der siebzi- ger Jahre das Aufkommen von Blaualgen begün- Die zunehmende Nährstoffbelastung zeigt sich stigt. Nebst der Zehrung durch den biologischen bei vielen Seen auch im vermehrten Auftreten Abbau dieser Algen ist möglicherweise auch ein- von Blaualgen, wie z.B. der Oscillatoria. Im dringendes Methan aus der Tiefe für die Sauer- Ägerisee nahm die Nährstoffbelastung seit 1975 stoffmangelsituation verantwortlich. Da die gerin- zwar wieder ab, trotzdem besteht die Algen-Bio- gen Nährstoffgehalte seit 1980 kaum weiter masse (Phytoplankton) grösstenteils aus zurückgehen, ist damit zu rechnen, dass sich der Oscillatoria rubescens (Burgunderblutalge), die heute beobachtete Seezustand auch in den näch- sich in der Temperatursprungschicht (Meta- sten Jahren nicht oder nur wenig ändern wird. limnion) ansiedelt. Sie kann sich dort weitgehend ungestört entfalten, da sich pflanzenfressende Literatur Kleintiere (Zooplankton) meist weiter oben auf- - Surbeck, G., 1917: Der erste Felchen aus dem halten. Im Metalimnion führt die Massenentwick- Ägerisee. Schweiz. Fischerei - Z. 25, 107 - lung der Oscillatoria vor allem zwischen Juli und 110. September zu einem deutlichen Sauerstoffmaxi- mum. Vor 1977 wurden diese ausgeprägten - Thomas, E. A., 1955: Stoffhaushalt und Sedi- metalimnischen Maxima nicht beobachtet. mentation im oligotrophen Ägerisee und irn eutrophen Ffäffiker- und Greife"see. Mem. Ist. .Zahlen zur Fischerei Ital, Idrobiol., Suppl. 8, 357 - 465. - Eschmann, K. H., 1964: Das Wasser des Ursprünglich dominierten im Ägerisee die Rötel Zuger- und Ägerisees und seine Eignung zur (Seesaiblinge), während Felchen nicht vorkamen. Trinkwasserbereitung. Monatsbull. schweiz. Nach SURBECK(19171 wurden schon vor über Ver. Gas Wasserfchm., 44I1), 9 - 14 und 100 Jahren Einsatzversuche mit Felchen 38 - 43. gemacht; zuerst wurde Brut der Zuger Balchen, Vollenweider, R. A., 1976: Advances in defi- später Eier aus dem Pfäffikersee verwendet. - ning critical loading Levels for Phosphorus in Diese Einsätze blieben aber vorerst erfolglos; es Lake Eutrophication. Mem. Ist. Ital. Idrobiol. wurde angenommen, die reichlich vorhandenen Rötel hätten die jungen Felchen gefressen. 33, 53 - 83. - Bossard, P., 1981: Der Sauerstoff- und Das erste- .~elchenwurde irn November 1916 Methangehalt im Lungernsee. Diss. ETHZ Nr. zufällig mit einem Rötelnetz gefangen. Seither 6794. machen die Felchen den grössten Fanganteif aus. - Livingstone, D. M., 1988: Einfluss externer Die eifrig betriebene Zucht trägt zu dieser physikalischer Faktoren auf das Sauerstoffre- Ertragssteigerung bei. gime des Ägerisees, Diss. Univ. Zürich.

Heute betragen die jahrlichen Fangerträge: Felchen: I -2,l t Seesaibtinge: ca. 0,8 t Hechte: ca. 1,1 t Barsche: 1,l - 1,5 t Weissfische: 1 -1,5t

Der spezifische, jährliche Gesamtertrag liegt heute bei 10 kg pro Hektare. Diese Werte sind mit denjenigen schwach belasteter Seen, wie z.B. dem Walen- und Brienzersee, vergleichbar. Der Zustand der Seen in der Schweiz 23. Baldeggersee Beinwil 1 23. Baldeggersee

Zur Morphologie Jahresraten zeigten ein Entwicklungsmaxi- mum der Burgunderblutalge (Oscillatoria ru- Baldegger- und Hallwilersee liegen im Seetal der bescens) zwischen 1953 und 1963. Kantone Luzern und Aargau. Sie verdanken ihre 1964: Gestalt einer tektonisch bedingten Bruchform des 3. Ab Die Rohcarotinoide verdoppelten sich. Anstelle der Oscillatoria traten aber felsigen Untergrundes (Sandsteine und Mergel der oberen Süsswassermolasse) und der Erosion andere Planktonorganismen mit hoher Pra- duktion auf. Züllig vermutet das Maximum der des Reussgletschers. Der obenliegende Baldeg- 1968 gersee wird im Osten und Westen durch die rund Algenproduktion in der Zeit von bis 1975. 400 m höheren Hügelzüge und Erlo- Sen von den Winden abgeschirmt. Zu ähnlichen Aussagen gelangten STURM und NIELSEN(1 982) bei der Untersuchung von 55 Se- Zur Landgewinnung wurde der See 1806 um dimentkernen. Danach lag die sauerstofffreie 35 cm und 1870 um 115 cm abgesenkt. Zone 1885 noch bei 65 m, t 945 schon bei 45 m und 1970 bei 10 m Tiefe. Neben dem regionalen Zentrum Hochdorf mit Industrie und Gewerbe wird im Einzugsgebiet Für den Baldeggersee liegen erst seit 1921 che- eine intensive Landwirtschaft betrieben, 15% mische Messungen vor. Damals begannen BACH- sind bewaldet. MANN, der Kantonschemiker ADAM und B~RRERmit Untersuchungen von Sauerstoff, Karbonathärte und Stickstoffverbindungen. Der für die Eutro- Der Baldeggersee in Zahlen phierung wichtige Nährstoff Phosphor wurde Oberfläche 5,2 km2 dagegen erst um 1950 analytisch bestimmt. max. Länge 4,2 km max. Breite 1,3 km Als indirektes Mass für die photosynthetische maximale Tiefe 6 6 m Produktion der Algen können der Verbrauch an mittlere Tiefe 33 m anorganischem Kohlenstoff, der sich aus der Dif- Volumen 0,173 km3 ferenz der Karbonathärte (Alkalihität) zwischen mittlere Abflussmenge 1,37 m3/s Winter- und tiefsten Sommerwerten berechnen theoretische Aufenthaltszeit lässt, die pH-Erhöhung oder die Sauerstoffüber- des Wassers 5,6 Jahre sättigung in den obersten Wasserschichten des Sees herangezogen werden. VOLLENWEIDER (1 968) ordnet den verschiedenen Trophiegraden folgende Alkalinitätsdifferenzen zu tmval = Milli- äquivalent): Fläche (ohne See) 69 km2 oligo - bis mesotrophe Seen bis 0,6 mval meso- bis eutrophe Seen 0,6 bis 1,O mval Die Entwicklung des Seezustandes polytrophe Seen mehr als I ,O rnval 1977 nahm ZÜLLIG (1982)an der tiefsten Stelle Im Baldeggersee erreichte dieser Wert 1974 mit einen 1 15 cm langen Sedimentkern und analy- 2,4 mval ein Maximum. Im Sommer des gleichen sierte konservierte Pflanzenfarbstoffe (Carotinoi- Jahres wurde ein maximaler pH-Wert von 9,4 de) in den verschiedenen Tiefenschichten. gemessen, im Winter dagegen nur ein solcher 7,7. Anhand der Jahresschichtungen konnte er die von Die Sauerstoffübersättigung erreichte Phytoplanktonentwicklung bis 1600 zurückver- von 1920 bis 1975 Werte von bis zu 270%. Die 1974 folgen. Die obersten 35 cm des Kerns waren Produktionsrate wurde erst ab direkt durch Eisensulfid und Faulschlammablagerungen gemessen. Sie hat zwar seit 1975 abgenommen, schwarz gefärbt. Daraus kann auf anaerobe Ver- liegt aber seit einigen Jahren bei 400 Gramm hältnisse im Tiefenwasser seit 1900 geschlossen Kohlenstoff pro Quadratmeter Seeoberfläche und werden. Jahr. Nährstoffarme (oligotrophe) Seen produzie- ZÜLLIG unterschied mit Hilfe der Planktonzusam- ren pro Jahr weniger als 200 g Kohlenstoff pro mensetzung drei Phasen der Seeentwicklung: m2. 1 . Vor 1900:Die zivilisatorische Belastung durch Der mittlere Gesamt-Phosphorgehalt lag um Düngestoffe aus Abwässern und der Land- 1950 bei 100 pg P/I und stieg bis 7 975 auf wirtschaft und somit auch die Phytoplankto- 500 pg PII. Dank seeexterner Massnahmen, wie nentwicklung waren gering. Abwasserreinigungsanla~en mit Simultanfällung 2. 1900 - 1963: Der Nährstoffgehalt und in der (3. Stufe) und Flockungsfiltration (4.Stufe), Folge auch die Rohcarotinoide nahmen zu. Die sowie dank seeinterner Massnahmen (siehe Der Zustand der Seen in der Schweiz

weitet unten} gelang es, diesen Wert auf chen Gemeinden werden dem Baldeggersee fern- 100 pg PI1 (1 992) zu senken. Dies entspricht den gehalten und der ARA Hitzkirchertal zugeleitet. Werten wie sie um 1950 beobachtet werden konnten. Leider musste in den letzten drei Jahren Sanierungsmassnahmen im See eine Stabilisierung der Phosphorgehalte festge- stellt werden. Dies wird durch neuere Modell- Da es nicht möglich war, den Baldeggersee rechnungen der EAWAG bestätigt: ohne eine innert weniger Jahre durch externe Massnahmen deutliche Reduktion des fhosphoreintrages wird allein in den durch die Verordnung über Abwas- der Baldeggersee bei einem Gehalt von 90 bis sereinleitungen (1975) geforderten mesotrophen 100 pg P/\ verharren. Zustand zurückzuführen, hat der Kanton Luzern in Zusammenarbeit mit der Eidg. Anstalt für Tabelle: Geschätzte und gemessene jährliche Phos- Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Ge- phorfrachten in den Baldeggersee [in Tonnen]. wässerschutz (EAWAG) im See interne Massnah- men ergriffen. Durch Einblasen von Druckluft Jahr Gesamt-P P gelöst P partikulär wird die Zirkulation im Winter bis Frühjahr und somit die, Aufnahme von Luftsauerstoff und des- 1958159'1 -9,4 -7,l -2,3 sen Verteilung im See verbessert. Im Sommer 1 975/762) 11,5 8,4 3,1 wird feinblasig reiner Sauerstoff in die untersten Wasserschichten eingetragen. 1 985/863) 2 1,l 8,4 t2,7 1 987/9O4) 14,5 6,s 8,O Nach einer Testphase im Jahre 1982 wurde die Anlage (TANYTARSUS, Ingenieurbüros Jung01 ')BACHOFEN 1960, Schätzung, nur PO4-P Schaffner) 1983 voll in Betrieb genommen, Der gemessen Eintrag von 4,5 Tonnen 02/Tag ins Tiefenwasser ')LOHN 1976 3)~~~~~,SCHLAT~ER1988 brachte dann in diesem Jahr erstmals ganzjährig 4)~mtfür Umweltschutz LU. KUNZE 1992 aerobe Verhältnisse im See. Im Herbst 1984 wurden auch in grössten Tiefen erstmals seit Phosphoreintrag aus landwirtschaftlich Messungen vorliegen genügend Sauerstoff fest- genutzten Böden gestellt. Sulfid und Methan waren nicht mehr nachzuweisen, Ammonium und Mangan nur Heute ist der Nährstoffeintrag der Landwirtschaft noch in geringen Mengen. bedeutsam. Über Hof- und andere Dünger wur- den in der Periode 1985 - 7987 jährlich Tolerierbare Phosphorbelastung 293 Tonnen Phosphor auf die landwirtschaftlich genutzten Flächen ausgebracht. Der Entzug Mässig belastete Seen irn Alpenraum weisen in durch Pflanzen wurde auf 215Tonnen ge- der Regel während der Winterzirkulation Phos- schätzt. Durch Erosion und Abschwemmung ge- phorkonzentrationen von 25 Mikrogramm pro langten 18,7 Tonnen pro Jahr in den See. Dies Liter auf. ergibt eine jährliche Phosphoranreicherung in den Böden des. See-Einzugsgebietes von rund 78 t. Nach VOLLENWEIDER(1968) darf der Baldeggersee Die ~ufnahmeka~azitatdes Bodens für Phosphor mit einer mittleren Tiefe von 33 m und einer ist nicht unbegrenzt. Hier wird ein Potential mittleren Aufenthaltszeit des Wassers von 6 Jah- angehäuft, aus dem noch über Jahrzehnte erhöh- ren nicht mit mehr als 2 Tonnen Phosphor pro te Frachten abfliessen werden. Im Einzugsgebiet Jahr belastet werden, wenn der Phosphorgehalt des Sees liegt die Nutztierdichte bei 2,7 Dünger- nicht über diesen Wert hinaus steigen soll. Dem grossvieheinheiten pro Hektare (DGVEIha). Für Baldeggersee wurden 1959, vor der abwas- eine ausgeglichene Nährstoffbilanz wären aber sertechnischen Sanierung, 9,4 Tonnen Phosphor 2,l DGVE/ha anzustreben. zugeführt; 1976 waren es 11,5 und 1985187 sogar 21 Tonnen. Dass trotz dieses Frachtanstie- Abwassersanierung im Einzugsgebiet ges die Phosphorgehalte im See selbst stark zurückgegangen sind, sucht nach Erklärungen: Seit Ende der siebziger Jahre versucht der Kan- -Einerseits nahm der Frachtanteii aus dem ton Luzern die Phosphorzufuhr um 50% zu sen- Abwasser ab und derjenige aus der Landwirt- ken. 1992 waren 79% der 1 1'500 Einwohner im schaft zu, dies führte zu einer Verlagerung von Einzugsgebiet an eine Klaranlage angeschlossen. gelöstem zu mehr partikulärem Phosphor. Nur noch 3% sind anschtiessbar und 18% ver- - Andererseits zeigen die seeinternen Massnah- werten ihre Abwässer landwirtschaftlich. In der men Wirkung: Die höheren Sauerstoffwerte ARA von Hochdorf wurde zur optimalen Phos- phorelimination zudem eine Flockungsfiltration stabilisieren die Sedimente und die Phosphor- rücklösung wird teilweise geringer. (4. Stufe) eingebaut. Die Abwässer der nördli-

152 Abbildung: Jie fenpro file des Sauerstoffs irn Baldeggersee 199 7. Sauerstoffgehalt Unter anaeroben Bedingungen treten im See reduzierte Substanzen wie Nitrit, Ammonium, Der Baldeggersee wies vor 1982183 insbesonde- Mangan (ll), Eisen (ll), Sulfid und Methan auf. re am Ende der Stagnation stark anoxische Ver- Die Oxidation dieser Substanzen verbraucht Sau- hältnisse auf. Schon in den zwanziger Jahren erstoff und verhindert so bei höheren Konzentra- wurde jeweils im Herbst unterhalb 50 rn Tiefe tionen die wünschbare Sauerstoffanreicherung kein Sauerstoff mehr nachgewiesen (ADAM & während der Zirkulation. Messungen aus dem BIRRER1938) und über dem Grund wurden bis zu Jahr 1977 zeigen zum Beispiel ein Sauerstoff- 2 mg/l Schwefefwasserstoff gemessen. trn Sep- defizit von 1178,7 Tonnen O2im Hypolimnion. tember 1974 war der Sauerstoff schon ab 15 rn Tiefe verschwunden und Schwefelwasserstoff Seit 1983 haben sich durch die seeinternen konnte bereits dort festgestellt werden; bis zum Massnahmen die Sauerstoffverhältnisse wesent- Seegrund stiegen die H2S-Gehalte bis auf 6 mgll. lich verbessert. Von 1983 bis 1988 konnte das Qualitätsriel von 4 rng O,/I fast immer eingehat- ten werden. Von 1990 bis 1992 wurden wieder Der Zustand der Seen in der Schweiz

längere Zeitabschnitte mit geringeren Sauerstoff- blasen; diese erzeugen innere Verletzungen. Der gehalten im Tiefenwasser festgestellt. Grund da- gesamte Fischertrag liegt deshalb zur Zeit nur für waren technische Schwierigkeiten beim Ein- noch bei 0,25 kglha, 85% davon sind Weissfi- tragssystem. Die Austrittsöffnungen der Sauer- sche. Um die kritische Phase für Felchenbrütlinge stoffdiffusoren waren durch Bakterienbewuchs zu überbrücken, werden die Jungfische von den verstopft. Berufsfischern seit 1990 in Teichanlagen aufge- zogen und im Juli als Sömmerlinge im See aus- gesetzt.

Fazit Die Phosphorkonzentration im Baldeggersee ist immer noch mehr als dreimal und die Algenpro- duktion gut zweimal zu hoch. Mit Hilfe externer und interner Massnahmen wird den See durch einen Gemeindeverband saniert. Wegen der theo- retischen Aufenthaltszeit von sechs Jahren kön- nen solche Massnahmen auf die Algenproduktion allerdings nur langsam Wirkung zeigen. ZirkuIa- tionshilfe und Begasung mit Sauerstoff sind Syrnptombekämpfungs-Massnahmen, die zwar das Auftreten von x.T. giftigen reduzierten Sub- Abbildung: Jahreszeitlicher Verlauf der Sauersto f fge- stanzen verhindern und den höheren Wasser~r- halte im Baldeggersee 199 1, an der tiefsten Stelle, ganismen, vor allem Fischen, durch ein besseres 1 m über dem Sediment. Sauerstoffangebot das Überleben ermöglichen. Seeinterne Massnahmen allein können aber die Zahlen zur Fischerei Wurzel des Übels, die extreme Belastung mit Die Entwicklung des Seezustandes spiegelt sich Nährstoffen aus dem Einzugsgebiet]~nicht beseiti- auch im Fischbestand wieder. gen. Während die Belastung aus dem Abwasser- sektor abgenommen hat, nahm diejenige aus der Schon zur Zeit der Habsburger (1 100 - 1740) Landwirtschaft weiter zu. Zusätzliche Massnah- war der Baldeggersee als reiches Felchengewäs- men zur Sanierung der überdüngten Böden ste- ser bekannt. Ab 1884 wurde die Erhaltung des hen heute im Vordergrund. Felchenbestandes durch künstlich aufgezogene Brütlinge abgesichert und bis 1900 war der Die seeinternen Massnahmen sind einer eisernen Ertrag gut. 190711908 bemerkte man zwar zur Lunge vergleichbar: werden sie abgestellt, geht Laichzeit einen starken Felchenrückgang, doch dem See die Luft aus und mit dem Sauerstoff bis 1933 blieb der Felchenfang noch befriedi- verschwindet auch das Leben aus dem Tiefen- gend. 1940 brach aber der Bestand trotz Einsät- Wasser. Belüftung und ZirkulationshiIfe müssen zen zusammen. Der See wurde 1943 vom deshalb unbedingt weitergeführt werden. Ein Schweizerischen Bund für Naturschutz über- Verzicht auf diese Massnahmen wird erst mög- nommen. Dank massivem Einsatz von Hechten, lich, wenn die Nährstofffrachten aus dem Ein- Felchen, Forellen und Zandern konnten die zu~sgebietauf ein vernünftiges Mass reduziert Fischerträge bis 1960 erneut gesteigert werden. worden sind. Immer wieder traten aber grosse Fischsterben auf (August 1956 und 1961, Mai 1963 und August 1978). Eine Bestandesaufnahme im Jahr 1975 ergab, dass nur noch 2% des gesamten Literatur Fischertrages von rund I2 kgiha Felchen waren. - Adam, F. und A. Birrer, 1943: Biologische und chemische Studien am Baldeggersee '1 938139. 1984 lag der gesamte Jahresertrag wieder bei Mitt. Naturforsch. Ges. tuzern, 14, 21 - 98. 27 kglha und der Felchenanteil der Berufsfische- rei bei über 70%. Seit 1985 werden aber wieder - Vollenweider, R. A., 1968: Die wissenschaftli- kaum mehr Felchen gefangen. Diese könnten chen Grundlagen der Seen- und Fliessgewäs- sich nur dank intensiver Besatzmassnahmen hal- sereutrophierung, unter besonderer Berück- ten. Die Jungfische sterben aber im April an der sichtigung des Phosphors und Stickstoffs als Gasblasenkrankheit wegen der Sauerstoffüber- Eutrophierungsfaktoren. OECDldacsil 68.27. sättigung durch hohe Algenproduktion. In den - Schweizerischer Bundesrat: Verordnung über Ca. 2 cm langen Felchen entstehen grosse Gas- Abwassereinleitungen vom 8. Dezember 1975. 23. Baldeggersee

- Sturm, M. und F. Miessen, 1982: Die Oberflä- - EAWAG-Auftrag 4693 zu Handen des Gemein- chensedimente des Baldeggersees: Sedimento- deverbandes Baldeggercee-Hallwilersee: Bericht logische Untersuchungen im Zusammenhang für das Jahr 1984, Auswirkungen der seeex- mit den Sanierungsmassnahmen des eutrophen ternen und der seeinternen Gewässerschutz- Baldeggersees. EAWAG, Dübendorf, 11 S. massnahmen auf die Wasserqualität des Bal- - Züllig, H., 1982: Untersuchungen über die deggersees. Stratigraphie von Carotinoiden im geschichte- - Desserich + Funk, Ing. Büro, 1985: Abwasser- ten Sediment von 10 Schweizer Seen zur einleitungskataster im Einzug des Baldegger- Erkundung früherer Phytoplanktonentfaltungen, Sees, Überprüfung der Zuflüsse 1982/83, Schweiz. 2. Hydrol. 44, 1 - 98. Sanierungsstand 1984. Kantonales Amt für - Stadelmann, P., 1984: Die Zustandsentwick- Gewässerschutz, Luzern, Nr. 7 064. lung des Baldeggersees I1 900 bis 1980) und - Arbeitsgemeinschaft Beratender Agronomen, die Auswirkungen von seeinternen Massnah- Ebikon-Luzern, 1985: Gewäscerschutztechni- men. Wasser, energie, luft 7615 + 6, 85 - 95. sehe Sanierung landwirtschaftlicher Betriebe im - Stadelmann, P, T. J. Joller und D. lmboden, Einzugsgebiet des Baldeggersees. Kantonales 1984: Die Auswirkungen von internen Mass- Amt für Umweltschutz, Luzern. nahmen im Baldeggersee: Zwangszirkulation - Amt für Umweltschurt des Kantons Luzern, und Sauerstoffbegasung des Hypolimnions. 1991 : Zustand der Oberflächengewässer im Verh. Internat, Verein. Limnol. 22, 1052 - Kanton Luzern in den Jahren 1 984 bis 1988. 1065, Stuttgart. - Freiburghaus, D. und W. Zimmermann, 1984: Wie wird Forschung relevant? Der Fall Seesa- nierung. Nationales Forschungsprograrnm Nr. 6, Bulletin 8, 137 C. Der Zustand der Seen in der Schweiz

Erläuterung der Fachbegriffe fallprodukte entstehen u.a. Kohlendioxyd (CO2) und Wasser; (Ein f verweist auf das entsprechende Stichwort irn Verzeichnis) Einwohnergleichwert: abgekürzt EWG oder EWGW; Abwasseraequivalent, welches der durchschnittlichen, täglichen Schmutzwasser- menge einer Person aus Privathaushalten ent- aerob: bei Anwesenheit von Sauerstoff; spricht. Wird in verschiedenen Ländern un- allochthon: von ausserhalb des Gewässers stam- terschiedlich definiert; €G-Norm: 60 Gramm mend; f BSB-5 pro Tag; alpin: die Alpen betreffend; Einzugsgebiet: Gebiet, aus dem das Wasser anaeorob: bei Abwesenheit von Sauerstoff, sau- einem bestimmten Ort oder See zufliesst; erstofffrei; Elektrostatische Kraft: elementare Kraft; Teilchen anthropogen: durch Menschenhand verursacht, mit unterschiedlicher Ladung erfahren eine zu- vom Menschen stammend; sammenführende, Teilchen mit gleicher Ladung erfahren eine abstossende Kraft; Assimilation: Umwandlung aufgenommener Nährstoffe in körpereigene Substanz; Epilimnion: obere, i.a. warme und daher spezi- fisch leichteste Wasserschicht eines thermisch autochthon: aus den eigenen, internen Umset- geschichteten Sees, die teilweise oder ganz zungen des Gewässers stammend; durchlichtet ist; Benthal: Lebensraum Gewässergrund; Erneuerungszeit: Verhältnis des Seevolumens zur jährlich durchfliessenden Jahresfracht. Zeit; die biochemisch: durch biologische Prozesse ge- die Zuflüsse brauchen würden, um das See- steuerte, chemische Umsetzungen; in Seen becken mit Wasser aufzufüllen; meist durch den 7Metabolismus von Algen (7Primärproduktion), Bakterien (7Destruenten) Erosion: Ausräumen und wegtransportieren von oder Tieren (7Konsumenten) beeinflusst; meist gelockertem Gesteinsgut durch Wasser oder Eis; biogen: durch lebende Organismen verursacht; eutroph: nährstoffreich und hoch produktiv; Biozönose: Gemeinschaft aller Organismen; fZö- nose; Eutrophierung: Prozess zunehmender Nährstoff- BSB-5: Biochemischer Sauerstoffbedarf; Sauer- anreicherung; stoffmenge, die in 5 Tagen von Mikroorganis- fluvial: von Flüssen bearbeitet, geschaffen, trans- men verbraucht wird, um eine aequivalente portiert; Menge an Schmutzstoffen zu f mineralisieren. Füllzeit: YErneuerungszeit; Kenngrösse zur Dirnensionierung von Abwas- serreinigungsanlagen; wird nur noch selten glazial: die Eiszeit betreffend; auch zur Charakterisierung von Obeflächenge- hydrostatischer Druck: Druck, der durch die wässern verwendet; Wassersäule erzeugt wird, ca. 0,1 atm pro Me- Chlorophyll: "Blattgrünn; Farbstoff aller grünen ter Tiefe; Pflanzen zur Aufnahme von tichtenergie zur Hypolimnion: kalte, spezifisch schwerere Tiefen- 7Photosynthese; schicht eines thermisch geschichteten Sees; Coriolis-Kraft: Trägheitskraft, die in einem rotie- Ion: elektrisch geladenes Atom oder Molekül; renden Bezugssystem (2.B. Erde) auf eine bewegte Masse einwirkt; benannt nach dem inverse Schichtung: Winterstagnation; f Stagna- französischen Physiker G.G. Coriolis. Fliessen- tion; de Wasser, welche nicht durch ein Bett einge- Karst: Gesamtheit der Korrosionsformen im Kalk- engt sind, wie Strömungen in Seen, werden gestein, sowohl ober- wie auch unterirdisch; dadurch auf der nördlichen Erdhalbkugei relativ zur Bewegungsrichtung nach rechts und auf komplexe Bindung: auch Komplexbindung; Ver- der südlichen nach links abgelenkt; bindung von Substanzen oder f Ionen aufgrund 7elektrostatischer Kräfte; Destruent: ( = Zerleger), Organismus, der tote organische Substanz aufnimmt, abbaut, weiter- Konsument: "Verbraucher"; Organismus, der verarbeitet und in eigenverwendbare Energie- lebende Biomasse aufnimmt, teils für den Auf- formen umwandelt (2.B. Bakterien, Pilze); dabei bau körpereigener Substanz, teils für den wird körpereigene Substanz aufgebaut; als Ab- Erläuterung der Fachbegriffe

Unterhalt des eigenen Betriebsstoffwechsels; Elektronendonator) auf einen anderen (Oxyda- alle Tiere sind Konsumenten; tionsrnittel = Elektronenakzeptor) übertragen. Oxydation und Reduktion sind gekoppelt, d.h. limitierender Faktor: derjenige Umgebungsfaktor, das Oxydationsmittel wird reduziert und das der einen Vorgang beschränkt; beispielsweise Reduktionsmittel wird oxydiert. Typische Oxy- derjenige Nährstoff, der die f Primärproduktion dationsmittel in Seen sind Sauerstoff, Nitrat, begrenzt. f Minimum-Faktor; Sulfat, Mangandioxid; Limnologie: Wissenschaft von den Binnenge- Parameter: bestimm- oder messbare Kenngrösse wässern (stehende Gewässer, Fliessgewässer, in einem Funktionssystem oder Ursachengefü- Grundwasser); erstmals von f,A. Forel verwen- ge. Messbare Parameter in Seen sind beispiels- deter Ausdruck; weise Oberfläche, Volumen, Temperatur, Leit- Litoral: durchlichtete Uferzone eines Gewässers, fähigkeit, Nährstoffgehalte, etc.; die von Pflanzen besiedelt werden kann; Photosynthese: Umwandlung von Lichtenergie in Makrophyten: teilweise oder ganz fsubmers le- chemisch gebundene Energie, die vor allem bende Pflanzen der Flachwasserzone; zum Aufbau organischer Substanz aus Kohten- dioxyd (CO21 und Wasser (H20) eingesetzt Matrix: Umgebungssubstanz, in die das entspre- wird; dabei wird Sauerstoff frei; fChlorophyll; chende Element oder Teilchen eingebunden ist, sei es durch chemische oder Pkomplexe Bin- Phytoplankton: pflanzliches f Plankton; vor allem dung; Algen; mesotroph: mässig produktiv; Plankton: Lebensgemeinschaft frei irn Wasser schwebender Organismen; Metabolismus: Gesamtheit der biologisch kon- trollierten, chemischen Prozesse in Organis- poiytroph; übermässig nährstoffreich und daher men; sehr hoch produktiv; Metalimnion: Temperatursprungschicht; Grenz- Primärproduktion: Zuwachs pro ~eiteinheitan schicht zwischen f Epilimnion und f Hypolim- energiereicher organischer substanz aus weni- nion mit starkem vertikalen 7Temperaturgra- ger energiereichen anorganischen Nährstoffen dienten; unter Verwendung von Fremdenergie, z.6. Licht; f Produktion, f Photosynthese; Minerafisation/rnineralisieren: Abbau der abge- storbenen pflanzlichen und tierischen Reste Produktion: Zuwachs der Biomasse pro Zeitein- unter f aeroben Bedingungen; Endprodukte heit; sind anorganische Verbindungen, wie Wasser, produktionsbegrenzender Faktor: f limitierender Kohlendioxyd, Nitrat, Phosphat, Sulfat; Faktor, f Minimum-Faktor; Minimum-Faktor: Derjenige Faktor, der die Stoff- Reduktion: nur in Kombination mit f Oxydation; wechselleistung eines Organismus oder eines Systems begrenzt, weil er gemessen am Bedarf Restaurierung: Massnahmen irn See mit dem in ungenügender Menge zur Verfügung steht; Ziel, die Gewässerbeschaffenheit zu verbessern (2.B. Tiefenwasserableitung): Moräne: vom Gletscher fortgeführter und an den Li Rändern als Wälle oder beim Abschmelzen als Sanierung: Massnahmen im Einzugsgebiet eines Decke abgelagerter Gesteinsschutt; Sees mit dem Ziel, die Gewässerbeschaffenheit ZU verbessern; Morphologie: hier als Kurzform von Geomorpho- logie, der Lehre von der Formenvielfalt der Erd- Sediment: am Gewässergrund abgelagertes oberfläche, verwendet; Material, das sowohl fallochthoner wie auch /"autochthoner Herkunft sein kann; Nährstoffe: Mineralstoffe, die die Pflanzen für die f Primärproduktion benötigen; Stagnation: Periode der Schichtung eines Sees, während der aufgrund unterschiedlicher Tem- oligotroph: nährstoffarm und daher gering pro- peraturen ein leichterer Wasserkörper (fEpi- duktiv; limnion) auf dem schwereren Tiefenwasser Ökosystem: Gemeinschaft von Organismen, (PHypolimnion) schwimmt; da das Dich- deren Beziehung untereinander und mit der temaximum von Wasser bei 4 OC liegt, ist Umgebung (Austausch von Materie und Ener- neben der normalen Schichtung mit wärmerem gie); Wasser (Sommerstagnation) auch eine Anver- Se Schichtung mit kälterem Wasser im überste- Oxydation: bei der Oxydation werden Elektronen henden Bereich möglich (Winterstagnation); von einem Reaktanden (Reduktionsmittel = Der Zustand der Seen in dar Schweiz

submers: untergetaucht, d.h. unter der Wasser- oberfläche lebend; Temperaturgradient: Temperaturdifferenr in ei- nem vorgegebenen Längenbereich (T pro Strek- keneinheit: T/s); toxisch: giftig; Trophie[gradl: Intensität der f biogenen, auf- bauenden Stoffwechselleistungen in einem Gewässer: f Primärproduktion; Uferentwicklung: Verhältnis der Uferlänge eines Sees zum Umfang eines flächengleichen Krei- ses. Die Grösse dieses Wertes beschreibt die "Verzahnung" des Gewä,ssers mit der umge- benden Landschaft; Umgebungsfaktor: Verhä.ltnis der Landfläche des Einzugsgebietes zur Seeoberfläche; Vegetationsperiode: Zeitraum des (Haupt-iPflan- zenwuchses; Vollzirkulation: vollständige Durchmischung des gesamten Wasserkörpers eines Sees durch Windeinwirkung bei gleichmässiger Temperatur von der Oberfläche bis zum Grund; Zönose: Gemeinschaft der in einem Lebensraum vorkommenden Organismen; häufig gebraucht in der Zusammensetzung Biozönose (alle Orga- nismen), Phytozönose (nur Pflanzen), Zoozö- nose (nur Tiere); Zoobenthon: im f Benthal lebende tierische Orga- nismen; die mengenmässig wichtigsten Vertre- ter sind Würmer, Muscheln, Schnecken, Insek- teniarven, Kleinkrebse; Zooplankton: tierisches f Plankton; im Süsswas- ser vor altern einzellige Urtiere, Rädertiere und Kleinkrebse.

Grössenordnungen: 4 milli-: Tausendstel, Abk. m micro-: Millionstel, Abk. p nano-: Milliardstel, Abk. n Zeichnungen der Plankton-Organismen

Zeichnungen der Plankton-Organismen

Pediastrum duplex S. 4

Actinophrys so/ S. 32

Spirog yra sp. S. 60

S. 68

Mallomonas caudata C. 82

Planktothrix rubescens 5.1 02 (früher: Oscillatoria r. 1

Cyclops sp. S.108

Cymbella prostrata S. 122

Ceratium hirundinella S. 1 30

S.142

Anabaena flos-aquae S. 1 48

0 Vinrenz Maurer, HYDRA