C C P S KG PB PB PC I AL TY UR ER LT OP CU PR NI AL BE S UR Z I EL LT UT DE UR CU CH NE LT OF RS IO CU TE ON EZ TI OT ENS UGÜ EC BI PR LT S E OT KU DE PR RO D D TI ON UN AN L N TI DE IP SE EC E SH WE OT ON AN EN PR SM TZ IZI ET RK AD HÜ R TI TR SC MA E: E: A: : ÈM EM EM MA TH TE TH TH > > > > 1 02 .2 36 >

SCHÜTZENWESEN UND KULTURGÜTERSCHUTZ

TIR ET PROTECTION DES BIENS CULTURELS TRADIZIONE DEL TIRO E PROTEZIONE DEI BENI CULTURALI MARKSMANSHIP AND PROTECTION OF CULTURAL PROPERTY FORUM NR. 36 / 2021 INHALT

CONTENU Christoph Flury Editorial: CONTENUTO Schützenwesen und Kulturgüterschutz ...... 3

CONTENT Jürg Stüssi-Lauterburg, HansLuginbühl, Richard Munday «I willemel z'erscht no espar Schütz tue». Zwei Jahrhunderte schweizerischen Schiesswesens ...... 8

PascalAebischer Schützenmüssennachjustieren. Das Eidgenössische Schützenfest in Corona-Zeiten...... 17 TITELBILD | COUVERTURE | IMMAGINE Regula Berger DI COPERTINA | COVER Das Schweizer SchützenmuseuminBern. Anlauf- und Sammelstelle für sämtliche Schützenanliegen...... 22 Bildausschnitt: Festplatz des Eidgenös- sischen Schützenfests 1869 in Zug in Guido Schenker, JonasHäne Richtung Nordosten mit Festhalle (links), Historische WaffenimMuseumAltes ZeughausinSolothurn. Schützenstand (Mitte) und Gabentempel Interview mit Claudia Moritzi und Sandra Nicolodi...... 30 (rechts). Xylografie, koloriert, E. Kirch- hoff, nach einer Skizze von G. Amberger, ThomasAntonietti 1869. Die Lötschentaler Herrgottsgrenadiere ...... 36

Extrait de l'image: Emplacement de la Philipp Messner Fête fédérale de tir de 1869 à Zoug, direc- Das Schützenfest – eine kleine Plakatgeschichte. Ausgewählte Bei- tion nord-est, avec la halle (à gauche), spiele aus der Plakatsammlung der Schule für Gestaltung ...... 41 le stand de tir (au centre) et le pavillon des prix (à droite). Xylographie en Ulrike Sax couleur, E. Kirchhoff, d'après un croquis Der Churer Gabentempel von 1842. de G. Amberger, 1869. Zur Langlebigkeit einer temporären Festarchitektur ...... 47

Estratto dell'immagine: Area della Festa FrançoisTauxe (texte tiré du site Internet de la FAV) federale di tiro del 1869 a Zugo, veduta Fédération des Abbayes vaudoises(FAV ). verso nord-est con il capannone delle Un patrimoine immatériel et une tradition vivante...... 53 feste (a sinistra), lo stand di tiro (al centro) e il cosiddetto tempio dei Marco Sigg trofei (a destra). Xilografia a colori, Das Eidgenössische Schützenfest 1869 inZug...... 54 E.Kirchhoff, da uno schizzo di G. Amberger, 1869. Jürg Richter, Marcel Häberling Schweizer Schützentaler und Schützenmedaillen...... 62 Extract of the image: Northwest view of the 1869 Federal Shooting Festival ThisFetzer, MartinHannesGraf in Zug, including the festival hall (left), «Was macht der Schütz imSchützengarten?» Wie Flur- und Familien- shooting gallery (centre) and prize namen andas Schützenwesen vergangener Zeitenerinnern ...... 69 pavilion (right). Woodcut, coloured, E. Kirchhoff, after a sketch by HansSchüpbach G. Amberger, 1869. «Jetzt Schützetriff, und fehle nicht das Ziel!» Ausgewählte Beispiele zum Schützenwesen inder Literatur...... 76 Foto / Photo: © Museum Burg Zug, Inv.-Nr. 2282. StefanGrus Schützenwesen inDeutschland als immateriellesKulturerbe ...... 83

Service Mitteilungen...... 90 Personelles...... 90

Impressum / AdressenKGS...... 95

Seite 2 CHRISTOPH FLURY EDITORIAL

SCHÜTZENWESEN UND

KULTURGÜTERSCHUTZ

Liebe Leserin, lieber Leser Letztlich aber ist die Bundesver­ fassung von 1848 nicht zuletzt Immer wenn ich als kleiner Junge auch aus den Bestrebungen, Ar­ meinen Grossvater besuchte, fie­ beiten und Anlässen der in jenen len mir die unzähligen Medaillen Zeiten entstandenen Schweizer und Kränze auf, die in einer Vi­ Vereinen und Gesellschaften her­ trine an der Stubenwand hingen. vorgegangen – daran hatte auch Und wann immer mein Grossva­ der Eidgenössische Schützenver­ ter mir erklärte, welche Figuren ein seinen Anteil. Christoph Flury, und Szenen auf diesen Medaillen lic. phil. hist., zu sehen waren, schwang fast Das Schützenwesen ist aber nicht Vizedirektor des ein bisschen Ehrfurcht in seiner nur aus historischer Sicht bedeut­ Bundesamtes für Stimme mit – er war zeitlebens sam, sondern auch vom kulturel­ Bevölkerungs- ein begeisterter, stolzer und (der len und volkskundlichen Stand­ schutz (BABS). Anzahl dieser Medaillen nach zu punkt her. Es gibt zahlreiche urteilen) wohl auch ein ziemlich Bräuche und Traditionen, die bis erfolgreicher Schütze. Meine ei­ in die heutige Zeit hinein Bestand genen Schiesserfahrungen fielen haben. Schützen wirken an reli­ dagegen um einiges bescheide­ giösen und weltlichen Anlässen ner aus. Natürlich wurde ich mir mit. Eine Vielzahl von Trachten, jedes Jahr wieder meiner Schüt­ Fahnen, bildlichen und schriftli­ zenpflicht bewusst, wenn das Ob- chen Darstellungen zeugt von ligatorische anstand – mit Ruhm dem in breiten Kreisen der Bevöl­ habe ich mich dabei leider nie kerung fest verankerten Schüt­ bekleckert, zu wenig oft traf ich zenwesen. So finden wir auch in ins Schwarze. der «Liste der lebendigen Traditio­ nen der Schweiz» Nennungen mit Als Historiker bin ich mir der Bezug zum Schiesswesen, etwa wichtigen Bedeutung des Schüt­ die Abbayes de tir (VD), die Luzer- zenwesens allerdings bewusst. ner Hergottskanoniere oder natür­ Der 1824 gegründete Eidgenös­ lich das Zürcher Knabenschiessen, sische Schützenverein trug mit dessen Wurzeln bis ins 17. Jahr­ zum Wachstum eines national­ hundert zurückreichen sollen. politischen Einheitsgefühls bei, das mit den Schützenfesten und Seitens des Zivilschutzes beste­ der Gründung zahlreicher Schüt­ hen insofern Bezugspunkte zum zenvereine weiter gestärkt wur­ Schiesswesen, als an grossen An­ de. Sozusagen die Kehrseite der lässen wie den Eidgenössischen (Schützen­)Medaille war, dass Schützenfesten Dienstleistende diese Feste vermehrt den Streit im Einsatz sind, die aufgrund zwischen liberal­radikalen und von Gesuchen für Einsätze zu­ katholisch­konservativen Kräf­ gunsten der Gemeinschaft auf­ ten befeuerten – eine Entwick­ geboten wurden. Die dafür be­ lung, die schliesslich in den Frei­ nötigten Rahmenbedingungen scharenzügen und im Sonder­ werden in einem Beitrag im vor­ bundskrieg gipfelte. liegenden Heft aufgeführt.

Seite 3 1 Lötschentaler Herrgottsgrenadiere bei einer Prozession in Kippel, um 1905. Foto: © Lötschentaler Museum.

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Auch der Kulturgüterschutz be­ Gute für die Zukunft zu wün­ Tradition und moderner Sport – nur fasst sich u.a. mit Objekten, die schen. Rino Büchel war – um zwei der Facetten des heutigen eng mit dem Schützenwesen ver­ beim Thema dieses Forums zu Schützenwesens in der Schweiz. bunden sind: Bauten wie Schüt­ bleiben – für den Schweizer Kul­ zenhäuser und Schützenlau­ turgüterschutz ein Volltreffer! 2 30'000 Schützinnen und Schützen ben, schriftliche Dokumente werden zum 58. Eidgenössischen wie Schützenordnungen oder Schützenfest in Luzern erwartet. Beschreibungen von Festen in Foto: © ESF. Archiven und Bibliotheken,

mobile Sammlungsgegenstände 2 wie Waffen, Fahnen oder Gemäl­ de in Museen. Einige solche Bei­ spiele werden in der Folge näher vorgestellt – ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Dieses KGS Forum ist auch die letzte Ausgabe in der Ära des Chefs Kulturgüterschutz im BABS, Rino Büchel. Eine ausführ­ liche Würdigung seines Wirkens finden Sie auf S. 94 in diesem Heft. Ich möchte es an dieser Stel­ le nicht unterlassen, ihm auch im Namen der Geschäftsleitung un­ seres Amtes für seine langjährige und hervorragende Arbeit herz­ lich zu danken und ihm alles

Seite 4 ÉDITORIAL:

TIR ET PROTECTION DES BIENS CULTURELS

Chère lectrice, cher lecteur, Le tir est important non seule­ La présente édition de Forum ment d'un point de vue histo­ PBC est également le dernier nu­ Quand j'étais jeune, chaque fois rique, mais aussi d'un point de méro publié sous la direction du que je rendais visite à mon grand­ vue culturel et folklorique. De chef de la Section Protection des père, je regardais les innom­ nombreuses coutumes et tradi­ biens culturels de l'OFPP, Rino brables médailles et couronnes tions ont perduré jusqu'à nos Büchel. Vous trouverez un retour exposées dans une vitrine accro­ jours. Les tireurs participent à sur ses années d'engagement en chée au mur du salon. Et quand des événements religieux et faveur de la PBC à la page 94. Je mon grand­père m'expliquait les laïques. La multitude de cos­ saisis l'occasion pour le remercier motifs et les scènes qui figuraient tumes folkloriques, de drapeaux, chaleureusement, également au sur ces médailles, sa voix impo­ de tableaux et d'écrits montrent à nom de la direction de l'OFPP, sait le respect: il était passionné, quel point le tir est solidement et pour le travail remarquable qu'il fier et, au vu du nombre de ces largement ancré au sein de la a accompli. Pour rester dans le médailles, a probablement été un population. La liste des traditions thème de cette édition, on peut excellent tireur tout au long de sa vivantes en Suisse fait également dire qu'il a tapé dans le mille! Nos vie. Mon expérience personnelle référence au tir, comme les abbayes meilleurs vœux l’accompagnent en matière de tir a par contre été vaudoises, la Confrérie des canon- dans sa nouvelle vie. plus modeste. J'accomplissais niers de ou, bien sûr, le mes tirs obligatoires chaque an­ Knabenschiessen de Zurich, dont née, mais je ne me suis jamais l'origine remonte au 17e siècle. couvert de gloire en atteignant le centre de la cible. Il existe aussi des liens entre la protection civile et le tir. En effet, En tant qu'historien, je suis cepen­ du personnel PCi peut être enga­ dant conscient de l'importance du gé lors de grandes manifestations tir. La Société suisse des carabi­ telles que la Fête fédérale de tir niers fondée en 1824 a contribué à dans le cadre d'interventions en forger un sentiment d'unité poli­ faveur de la collectivité. Un ar­ tique et nationale, qui a été renfor­ ticle de cette édition présente les cé par les fêtes de tir et la création conditions requises à cet effet. de nombreuses sociétés de tir. Le revers de la médaille, pour ainsi Certains objets en lien avec le tir dire, est que ces fêtes ont alimenté relèvent de la protection des les conflits entre libéraux­radicaux biens culturels: des bâtiments tels et catholiques­conservateurs, une que les maisons et stands de tir, tendance qui a trouvé son point des documents écrits tels que les culminant avec les Corps­Francs règlements de tir ou les descrip­ et la guerre du Sonderbund. tifs de fêtes dans les archives et les bibliothèques ou encore des Au final, la Constitution fédérale objets de collections tels que des de 1848 est aussi le résultat des armes, des drapeaux ou des pein­ efforts, du travail et des activités tures dans les musées. Certains des associations et des sociétés de ces exemples sont détaillés qui ont vu le jour à cette époque dans les pages suivantes. Je vous en Suisse, dont la Société suisse souhaite une bonne lecture. des carabiniers.

Seite 5 EDITORIALE:

TRADIZIONE DEL TIRO E PROTEZIONE DEI BENI CULTURALI

Care lettrici, cari lettori, zioni, alla nascita della Costitu­ descritti più in dettaglio in que­ zione federale del 1848. sto numero del Forum: vi auguro ogni volta che da ragazzo andavo un'appassionante lettura! a trovare mio nonno, ammiravo La tradizione del tiro non è im­ le numerose medaglie e corone in portante solo da un punto di vista Questo Forum PBC è anche l'ulti­ una vetrina appesa in salotto. E storico, ma anche da quello cultu­ mo numero dell'era dell'attuale ogni volta che mio nonno mi spie­ rale e folcloristico. Numerose capo della protezione dei beni gava le figure e le scene raffigura­ usanze e tradizioni si sono con­ culturali dell'UFPP, Rino Büchel. te sulle medaglie, percepivo un servate fino ai giorni nostri. È ad Trovate un tributo dettagliato al po' di devozione nella sua voce. È esempio tradizione che i tiratori suo operato a pagina 94 di questo stato un tiratore entusiasta, orgo­ partecipino attivamente ad even­ numero. Colgo l'occasione per glioso e (a giudicare dal numero ti religiosi e mondani. Una molti­ ringraziarlo calorosamente, an­ di medaglie) probabilmente di tudine di costumi tradizionali, che a nome della direzione del successo durante la sua vita. Le bandiere, opere pittoriche e scrit­ nostro ufficio, per i suoi numero­ mie esperienze di tiratore sono te testimoniano che il tiro è salda­ si anni di eccellente lavoro e per invece state assai più modeste. mente radicato in ampie cerchie augurargli tutto il meglio per il Ho ovviamente svolto il tiro mili­ della popolazione. La lista delle futuro. Per rimanere in tema, si tare obbligatorio ogni anno, ma tradizioni viventi in Svizzera può dire che Rino Büchel «è stato purtroppo non mi sono mai co­ comprende anche riferimenti al un bel colpo» per la protezione perto di gloria; troppo pochi sono tiro, come le Abbadie vodesi (Ab- dei beni culturali svizzera! i centri che sono riuscito a fare. bayes de tir), i Cannonieri di Dio (Hergottskanoniere) di Lucerna e, Come storico sono però consape­ naturalmente, il Tiro dei giovani vole dell'importante ruolo che ha (Knabenschiessen) di Zurigo, le cui assunto il tiro. La Federazione origini risalgono al XVII secolo. svizzera di tiro, fondata nel 1824, contribuì alla crescita del senso La protezione civile ha legami d'appartenenza nazionale e poli­ con il tiro per il fatto che i suoi tica, che fu ulteriormente raffor­ militi vengono chiamati a presta­ zato dalle feste di tiro e dalla fon­ re interventi di pubblica utilità in dazione di numerose società di occasione di grandi eventi come tiro. L'altra faccia della medaglia la Festa federale di tiro. Le condi­ (del tiro) è che queste feste fomen­ zioni quadro per simili interventi tarono sempre più la disputa tra sono descritte in un articolo di le fazioni liberali­radicali e quelle questo numero. cattolico­conservatrici, uno svi­ luppo che culminò nelle spedi­ Anche la protezione dei beni cul­ zioni dei Corpi franchi e nella turali si occupa di oggetti stret­ guerra del Sonderbund. tamente connessi al tiro: edifici delle società di tiro, documenti Non da ultimo, la Federazione scritti (regolamenti di tiro, descri­ svizzera di tiro, così come altre zioni delle feste, ecc.) custoditi in associazioni e società svizzere archivi e biblioteche, oggetti da che nacquero in quel periodo, collezione (armi, bandiere, dipin­ contribuì, grazie ai suoi sforzi, al ti, ecc.) conservati nei musei. Al­ suo lavoro e alle sue manifesta­ cuni di questi esempi vengono

Seite 6 EDITORIAL:

MARKSMANSHIP AND PROTECTION OF CULTURAL PROPERTY

Dear reader, Nonetheless, the establishment of Shooting Festival can request the the Federal Constitution of 1848 deployment of serving civil pro­ As a young boy, I was always fas­ came about, in part because of the tection personnel to perform du­ cinated by the countless medals efforts and events of the Swiss ties on behalf of the community. and wreaths that my grandfather shooting clubs and societies An article in this issue of PCP had on display in a glass wall which sprang up during that pe­ Forum explains the criteria for cabinet in his living room. I could riod, as well as the work of the this type of public service mis­ hear the awe in his voice as he Swiss National Shooting Associ­ sion. told me all about the figures and ation. scenes depicted on these memen­ The rich tangible heritage associ­ toes. While he was a passionate, Besides their historical signifi­ ated with shooting and marks­ proud and – judging by the num­ cance, shooting and marksman­ manship are also a matter for ber of medals he had – talented ship are an important part of cultural property protection spe­ marksman, my own record in 's culture and are tied cialists. They include immovable this field were somewhat less im­ to a great deal of popular tra­ objects such as shooting club­ pressive. Although I took the Ob- ditions and customs, many of houses, as well as documents like ligatorisches (mandatory annual which are still observed today. shooting regulations and histori­ shooting practice for all men in Shooting displays are a feature of cal accounts of shooting festivals the Swiss military service) seri­ several religious and secular cer­ which are kept in archives and ously, I never covered myself in emonies, while a wealth of tradi­ libraries. There are also movable glory; hitting the bull’s eye was a tional costumes, flags and ban­ objects in museum collections rare feat for me. ners, as well as images and texts like weapons, flags, banners and bear out how deeply rooted these paintings. A number of articles in As a historian, I appreciate the practices are among large sec­ this issue take a closer look at significant place that shooting tions of the population. There are some of these artefacts. Enjoy! and marksmanship have occu­ also quite a few entries in the In­ pied in Switzerland through the ventory of Living Traditions in This issue of PCP Forum is spe­ ages. The Swiss National Shoot­ Switzerland which have ties to cial for another reason: it is the ing Association, founded in 1824, these pursuits: Abbayes de tir last edition to be overseen by helped to forge a sense of nation­ (shooting societies in the canton Rino Büchel, the outgoing head of al political unity, which was fur­ of Vaud), the annual procession the FOCP’s Protection of Cultural ther consolidated by competitive of the Luzerner Hergottskanoniere Property Section. You can read a shooting events and the emer­ (the Lucerne cannoneers of God) full tribute to him and his gence of local shooting clubs. and, of course, the canton of Zu­ achievements on p. 94. On behalf However, there was a dark side to rich’s traditional shooting contest of FOCP management, I want to these developments: shooting Knabenschiessen, which dates back thank him for his long and out­ festivals increasingly fuelled the to the 17th century. standing service and wish Swit­ simmering feud between liber­ zerland's cultural heritage hot­ al­radical and Catholic­conserva­ Shooting and marksmanship are shot all the best for the future! tive forces in the country. These practices that may also require tensions eventually spilled over the involvement of the Swiss civ­ and led to the Freischar cam­ il protection system. Organisers paigns and ultimately the Sonder- of major events like the Federal bund War.

Seite 7 JÜRG STÜSSI-LAUTERBURG, HANS LUGINBÜHL, RICHARD MUNDAY I WILL EMEL Z’ERSCHT NO ES PAR SCHÜTZ TUE*

ZWEI JAHRHUNDERTE SCHWEIZERISCHEN SCHIESSWESENS

Dr. Jürg Stüssi- 5. März 1798, Tafelenfeld nörd- Studentenverbindung «Zofingia» Lauterburg, Win- lich Fraubrunnen. Die französi- 1819, ihr folgten 1822 die Offiziere disch, ist Histori- schen Angreifer, 21 Bataillo- am Offiziersfest in Langenthal. ker und Bezirks- ne, überwältigen die fünfmal Das waren elitäre Efforts. Die richter. Ehema- schwächeren Berner Verteidi- Idee eines Volksfests, eines Eid­ liger Direktor ger. Oberleutnant Johann Ru- genössischen Freischiessens, äus­ der Bibliothek dolf von Stürler spannt sich und serte als erster der Aarauer am Guisanplatz. seine Kanoniere vor die Ge- Schützenmeister Carl Ludwig schütze, damit diese – nach der Schmid­Guiot. Seine Idee wurde Flucht der Fuhrleute – nicht in 1824 verwirklicht. Am Schützen­ Hans Luginbühl, die Hände des Feindes fallen. fest wurde der Schweizerische Mittelhäusern, Stürler sieht «am Rainabhange Schützenverein (SSV) gegrün­ befasst sich seit gegen das Moos, hinter einem det.2 228 Gründungsmitglieder langer Zeit mit grossen Kirschbaume, einen äl- waren bereit, einen jährlichen militärhistorischen teren Bauer, der seine Büchse Mitgliederbeitrag von Fr. 1.– zu Themen. auf dessen ‹Grippleten›** le- leisten. Das Zentralkomitee mit gend, nach den längs des Moos- 9 Mitgliedern wurde – indirekt – hages vordringenden Franzosen von den Mitgliedern gewählt. schoss und mehr als einen weg- Danach wählte jenes jeweils sei­ pürschte***. Ich rief ihm zu nen eigenen Nachfolger. Die Zen­ ‹Nachbar, chömet ir jitz mit üs, tralkomitees der Frühzeit waren Richard Munday, süst werdet ir gfange oder un- immer aus Angehörigen des Kan­ Much Hadham, ist glücklich.› Er aber mit der gröss- tons des jeweiligen Eidgenössi­ Schützenhistoriker ten Ruhe: ‹I will emel z’erscht no schen Festes zusammengesetzt: und Präsident der es par Schütz tue, es schickt mer 1824 Aargau, 1827 Basel, 1828 British Alpine si gar wohl.›»1 Genf, 1829 Freiburg, 1830 Bern Rifles. und so weiter. Der Schütze von 1798 verkörpert die Tradition im Lande Tells: Hei­ Die Mitglieder des SSV hatten matliebe, Opferbereitschaft und Mitwirkungsrechte an Schützen­ Treffsicherheit. Mit «I will emel gemeinden (Statuten, Finanzen, z’erscht no es par Schütz tue» allein Technisches). Der SSV wurde zu wären allerdings die Herausfor­ einem Pionier kollektiven sozia­ derungen der Moderne nicht zu len Handelns: In Freiburg 1829 bestehen gewesen. wurde beispielsweise einem ver­ ERKLÄRUNGEN letzten Zeiger und den Angehöri­ gen eines tödlich Verunglückten * Deutsche Übersetzung des Titels: SCHÜTZENFESTE UND Unterstützung zugesprochen. «Ich will jedenfalls zuerst noch ein GRÜNDUNG VON VEREINEN paar Schüsse abgeben.» Die Eidgenössischen Schützen­ ** Gripplete [auch Grittlete]: Verzwei- Das Gefühl für die Defizite im feste und deren Träger, der SSV, gung des Baums, gemäss Wörter- Schiesswesen war in der Zeit um erreichten 1830 den landesweiten buch 1) Grätsche, Beinspreize; 1820 verbreitet. Als sinnvolle Durchbruch (Durchführungsort 2) Astgabel (www.berndeutsch.ch). Lösung zu deren Behebung er­ Bern); dies konsolidierte sich 1832 *** wegpürschten [auch wegbürschten]: wiesen sich Feste und Zusam­ in Luzern, 1834 in Zürich. Die wegputzen. menschlüsse: Voraus ging die Mitgliederzahl belief sich 1832

Seite 8 DIE EIDGENÖSSISCHEN FREISCHIESSEN UND SCHÜTZENFESTE

Die nachfolgende Auflistung nennt die Austragungsorte aller bisherigen Schützenfeste: Bis 1859 nannte man sie Eidgenössi­ sche Freischiessen, ab 1861 Eidgenössische Schützenfeste.

1824 Aarau 1865 Schaffhausen 1939 Luzern 1827 Basel 1867 Schwyz 1949 Chur 1828 Genf 1869 Zug 1954 Lausanne 1829 Fribourg 1872 Zürich 1958 Biel 1830 Bern 1874 St. Gallen 1963 Zürich 1832 Luzern 1876 Lausanne 1969 Thun 1834 Zürich 1879 Basel 1979 Luzern 1836 Lausanne 1881 Fribourg 1985 Chur 1838 St. Gallen 1883 Lugano 1990 Winterthur 1840 Solothurn 1885 Bern 1995 Thun 1842 Chur 1887 Genf 2000 Bière auf 4146, fast das Zwanzigfache 1844 Basel 1890 Frauenfeld 2005 Frauenfeld gegenüber der Zahl im Grün­ 1847 Glarus 1892 Glarus 2010 Aarau dungsjahr. Schon damals schos­ 1849 Aarau 1895 Winterthur 2015 Raron/Visp sen beide Geschlechter; als 1851 Genf 1898 Neuenburg Schützin berühmt wurde etwa 1853 Luzern 1901 Luzern Die nächsten Orte M. Anna Meier aus Malters. 1855 Solothurn 1904 St. Gallen 2021 Luzern 1857 Bern 1907 Zürich (ESF2020) 1859 Zürich 1910 Bern 2026 Chur NATIONALE IDENTITÄT 1861 1924 Aarau UND VERBUNDENHEIT 1863 La Chaux- 1929 Bellinzona (Zusammenstellung de-Fonds 1934 Fribourg durch die Autoren). Wie sehr die Schützen den ge­ samtschweizerischen Gedanken trugen, wurde 1836 bei der Über­ Es waren hochgemute Jahre, und 1869 waren die ehemaligen Son­ gabe des Banners durch den Zür­ Jeremias Gotthelfs Lob des Eid­ derbundskantone Luzern, Nid­ cher Johann Jakob Hess an den genössischen von 1840 in Solo­ walden, Schwyz und Zug Aus­ Waadtländer Henri Druey sicht­ thurn durchaus verständlich: «[...] tragungsortederEidgenössischen bar. Die Fahne zeigte das frei­ jetzt kömmt es zu Tage hell und Schützenfeste. Dementsprechend schwebende weisse Kreuz im ro­ klar: es ist der Brudersinn, der im stammten auch die Präsidenten ten Feld, ein Geschenk der Volke ruht, wenn auch die Leiter des SSV und die anderen Ange­ Schützen an ihr Land. Unsterblich uneins sind, es ist die Freude des hörigen des Zentralkomitees je­ wurden die Worte des abtreten­ Schweizers am Schweizer, der weils aus diesen Kantonen. den und des neuen Präsidenten. Glaube des Schweizers an den Hess übergab mit «un pour tous, Schweizer, wenn auch Bitterkeit In jene Tage zurück geht auch tous pour un», Druey quittierte mit und Groll durch die Wipfel der der Beitrag der Schützen zur «tous pour un, un pour tous».3 Beide Spitzen rauschen […]»4 Erinnerungskultur des Landes: Varianten des Schweizer Mottos, Der 19. Präsident, der Luzerner das Alexandre Dumas 1844 in Gotthelf wurde später dem Joseph Isaak, brachte die Wert­ seinem Roman Les Trois Mousque- Schiesswesen gegenüber kriti­ schätzung der überlieferten Hel­ taires verwendet hat und das seit scher, in Der Herr Esau spöttisch dentat des Arnold Winkelried bei 1902 die Bundeshauskuppel ziert, und bitter, aber auch der Pfarrer zu neuer Geltung und stammen von zwei Präsidenten von Lützelflüh war gepackt wor­ der 26. Präsident, der Schaffhau­ des SSV aus dem Jahr 1836. den von der Begeisterung der ser Friedrich Peyer im Hof, ver­ Neugründung des Bundes an den trat 1865 in Stans den SSV bei der Druey und seine beiden Nachfol­ Schützenfesten, einer Begeiste­ Einweihung des Winkelried­ ger, der St. Galler Wilhelm Mat­ rung, welcher Gottfried Keller Denkmals von Ferdinand Schlöth thias Naeff und der Solothurner treu blieb mit dem unvergängli­ und Ferdinand Stadler. Martin Josef Munzinger, sollten chen «Es lebe die Freundschaft in 1848 alle drei dem ersten gewähl­ der Freiheit!»5 ten Bundesrat angehören. Der DISTANZ- UND Bundesstaat anerkannte den Der SSV hatte nicht nur äusser­ STRUKTURFRAGEN Wert des Schiessens von Anfang lich Erfolg, er half auch mit, die an. Die Militärorganisation von 1847 im letzten Bürgerkrieg des Noch mehr Hindernisse als in 1850 bestimmte: «Überdies soll Landes – dem Sonderbundskrieg der ebenfalls aufwendigen Denk­ die Mannschaft alljährlich im – geschlagenen Wunden verhei­ malfrage waren zu überwin­ Zielschiessen geübt werden.» len zu lassen. 1853, 1861, 1867 und den, bevor 1872 in Zürich auf

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1000 Schweizerfuss [300 Meter] Durchgesetzt hatten die 300 Me­ permanenten, aus Angehörigen geschossen wurde. Am ersten ter die Feldschützen mit dem So­ verschiedener Kantone zusam­ Lausanner Schützenfest 1836 war lothurner Wilhelm Vigier an der mengesetzten Zentralkomitees. noch auf 520 Waadtländer Schuh Spitze. Den Feldschützen ist auch Dies hatte nun auch zur Folge, [156 Meter] geschossen worden, das Feldsektions­, später «Feld­ dass die Präsidenten deutlich län­ auf sechs Stichscheiben und schiessen» genannte, grösste ger im Amt blieben. So schlugen 38 Kehrscheiben. Vorderlader­ jährliche Schützenfest der Welt der Solothurner Urs Viktor Heut­ stutzer mit Doppelzüngelstecher zu verdanken, das freilich bei sei­ schi, der Aargauer Josef Stigeler, (die hintere Zunge, um einzuste­ ner Entstehung auf dem Twann­ der Waadtländer Adrien Thélin chen, die vordere, um den Schuss berg 1872 noch einen weiten Weg und der 35. Präsident, der St. Gal­ zu lösen)6 dominierten. Auf dem bis zur heutigen Grösse vor sich ler Johann Jakob Raduner, die Weg zur nun schon lange fast hatte. Brücke in den Jahren von 1877 bis identitätsstiftenden Distanz von zum Ersten Weltkrieg. 300 Metern wäre es um ein Haar Mit der Verfassung von 1874 wur­ zur Spaltung des SSV gekom­ de der SSV ganz direkt zur Erfül­ men. Die Schützengemeinde hat­ lung der nun straffer geordneten DER SSV SETZT te 1869 in Zug nämlich 800 Fuss ausserdienstlichen Schiesspflicht WEITERE MEILENSTEINE beschlossen, das Ergebnis wurde herangezogen. Diese Erfüllung danach aber durch eine Urab­ von Bundesaufgaben setzte per­ Der Bund verliess sich zu 100% stimmung kassiert. Strukturen manente Strukturen voraus. Der auf den SSV, um die ausserdienst­ eines Vereins von 200 Mitglie­ 31. Präsident, der Waadtländer liche Schiesspflicht der Armeean­ dern taugten nicht mehr für ei­ Louis Ruchonnet, und sein Zen­ gehörigen sicherzustellen. Diese nen von 6000, schon gar nicht in tralkomitee vollzogen 1877 den konnten nach Erfüllung ihrer einer Zeit, in welcher wichtige entsprechenden Übergang zu ei­ Dienstpflicht ihre Waffen behal­ Fragen zwischen den Eidgenössi­ nem neuen System mit einer De­ ten, was dem Land in der gefahr­ schen Schützenfesten zu ent­ legiertenversammlung als obers­ drohenden Zeit des Zweiten scheiden waren. tem Organ und der Wahl eines Weltkriegs von grösstem Nutzen

Seite 10 1 Haus Gryffenberg, Bahnhofstrasse 2 1912 illustriert die humoristische 10, Zürich, geschmückt (Helvetia, Postkarte mit ernstem Unterton Wilhelm Tell) für das Eidgenössische Schweizer Schützengeist, wie er sich Schützenfest von 1907. beim Besuch des deutschen Kaisers Foto: © wikimedia commons, CC0 Wilhelm II manifestierte. Licence (https://commons.wikimedia. Foto: © Abb. nach dem Original, org/wiki/File:Haus_zum_Gryffen- im Privatbesitz der Autoren. berg_1907.jpg).

sein sollte. Die verfassungsmässi­ cherung: Maximalleistung von Armee, denn zuerst lehnte die ge und gesetzliche Bestimmung Fr. 3000.–, ein Taggeld bei vor­ Armeeführung jede Munitions­ hatte auch die Konsequenz, dass übergehender Arbeitslosigkeit abgabe an die Schützen zu Hinterlader­Ordonnanzwaffen von Fr. 4.– und Befreiung der Mit­ Übungszwecken ab, danach nun immer stärker dominierten, glieder von jeder Prämie. Auch knauserte sie: Die Vorräte waren das häufigste Kaliber deshalb ab hier waren die Schützen – seit zu gering. In der Armee schossen 1889 für längere Zeit 7, 5 Millime­ 1829 – Pioniere: Der erste Verfas­ Männer, vor allem. Da gab es ter betrug, ab 1911 im Zeichen der sungsartikel über die Unfallver­ aber auch die Soldatenmutter Trias Gewehrpatrone 11, Lang­ sicherung datiert von 1890. Else Hess­Fischer im Fort Gondo: gewehr 11 und Karabiner 11. Die «Am 6. Juni stand Gewehrschies­ GP 11 sollte noch lange – in der sen auf dem Tagesbefehl. Da Epoche des Karabiners 31 und UNTERSTÜTZUNG wollte ich auch mitmachen. Kom­ des Sturmgewehrs 57 – in den DURCH DIE SCHÜTZEN mandant und Soldaten freuten Schiessständen vorherrschen. sich, dass ich an ihrer Arbeit An­ Was ist von den Leistungen der teil nahm, und der Offizier war Im 19. Jahrhundert wurden die Schweizer Schützen vor 1914 gerne bereit, mir Anleitung im Zielscheiben für jedes Eidgenös­ noch zu sehen? Urs Eggenschwy­ Schiessen zu geben. Er instruier­ sische Schützenfest von der De­ lers Löwe wäre ohne den Beitrag te mich genau wie einen Rekru­ legiertenversammlung definiert der Schützen nicht auf die Erin­ ten [...] Das Resultat war […] gar und individuell lithografiert. In nerungssäule in Sempach ge­ Winterthur war das Sektions­ kommen, Richard Kisslings Tell schiessen 1895 auf ein «Schwar­ in Altdorf genauso wenig auf zes» von 60 Zentimeter Durch­ sein Podest. Die Schweizer messer zu absolvieren. 25% der Flugwaffe entstand 1914 mit Schützen sollten den Eichen­ Unterstützung der Schützen (Fr. kranz und 35% das Diplom erhal­ 35'000.–), und der SSV hat sich in ten. Mehr Preise in demokra­ dieser Tradition auch 2020 wieder tischem Geist bedeuteten niedri­ erfolgreich für die schliesslich gere Preissummen an der Spitze: vom Volk beschlossene Flugzeug­ Der Wert der 1. Sektionsgabe Erneuerung eingesetzt. Das sank von Fr. 700.– auf Fr. 500.–. wichtigste Denkmal aber ist die So wurden die «Eidgenös­ erhaltene Unabhängigkeit des sischen» immer populärer: Landes. Eine populäre Postkarte In Bern schossen 1910 mehr als aus dem Jahr des Kaiserbesuchs 300'000 Schützen rund 3½ Millio­ 1912 zeigt den deutschen Kaiser nen Schuss. Der SSV hatte da­ Wilhelm II im Gespräch mit ei­ mals etwa 120'000 Mitglieder. nem Schweizerschützen: «C’est bien mon fils. Vous êtes comme cela Auch die Schützen­Versicherung 100'000 tireurs an Suisse, et si je entwickelte sich, nicht zuletzt viens avec 200'000 Prussiens? – dank Konkurrenz. 1888 gründe­ Alors, nous tirerons chacun deux ten Zürcher Schützenvereine eine balles, Majesté!»7 gemeinsame Gesellschaft und prompt fixierte 1889 die Delegier­ Geschossen wurde während der tenversammlung des SSV drei Grenzbesetzung von 1914 bis 1918 2 Eckpunkte für eine eigene Versi­ durchaus, aber primär in der

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nicht so schlecht. Nach den Pro­ Luzern 1939, Ludwig Friedrich ernsten Zeiten, wie wir sie heute beschüssen standen meine Leis­ Meyer, schwankte nicht: «Wer durchleben, muss auch der soge­ tungen ungefähr auf dem Durch­ unsere Grenze verletzt […] wird nannte ‹Männerstolz› fallen.»11 schnittsresultat der Truppe.»8 auf den entschlossenen Abwehr­ willen des gesamten Volkes stos­ Das Land wusste, was es an den sen, denn Ehre, Freiheit und Schützen hatte: Ernst Suters Bild­ SOLIDARITÄT – FÜR DIE Heimat stehen uns höher als seite des Jubiläumsfünflibers von SCHÜTZEN EINE TUGEND jedes irdische Gut.»10 Der 1941 zeigt eine Schwurgruppe, Schützentaler von 1939 trägt deren Rahmen ein Armbrust­ Als die Grenzbesetzung zu Ende denn auch die unvergängliche und ein Karabinerschütze bilden. war, hatte der SSV Luft, um zu Losung: «EINER FÜR ALLE, Die Wertseite, gestaltet von Luc feiern. Das Denkmal von Julius ALLE FÜR EINEN.» Jaggi­Couverts, zitiert den Brief Schwyzer erinnert heute noch in von 1291: «PROMISERUNT INVI­ Aarau an «das Hundertjährige» Worte! In den Jahren 1939 bis 1945 CEM SIBI ASSISTERE AUXILIO» von 1924, die durch weitsichtige musste sich zeigen, was sie wert [sie haben sich gegenseitigen Bei­ Fusion 1926 geschaffene Unfall­ waren. Gegen die Bedrohung stand versprochen]. versicherung USS entfaltet ihre durch einen deutschen Diktator, segensreiche Tätigkeit bis heute, welcher – für Schützen besonders Die Leistung des SSV wurde ho­ das imposante Schützenmuseum signifikant – die Aufführung von noriert. Die Munitionsrationie­ steht seit 1939 an der Bernastrasse Schillers Wilhelm Tell verbot. rung war im Aktivdienst von in Bern. Gegen einen Tyrannen, welcher 1939 bis 1945 milder als während – mit seinem italienischen Ver­ der Grenzbesetzung 1914–1918. Das bleibendste Vermächtnis bündeten – mit Achtung gebie­ Präsident Heiniger konnte am aber ist die Schützensolidari­ tender militärischer Stärke das Ende des Aktivdienstes sagen: tät. Nicht umsonst erklärte der Land rundum bedrohte, als «Trotz der sechs Jahre Krieg und 35. Präsident, der St. Galler Jo­ Frankreich im Juni 1940 gefallen der damit verbundenen Ein­ hann Jakob Raduner, an der DV war. Der Bundesrat und General schränkungen im Schiessbetrieb 1918 in Freiburg: «Werte Herren Henri Guisan hatten das Dunkel steht der Schweizerische Schüt­ und Delegierte, wir kennen nur kommen sehen: Sie griffen auf zenverein heute fester da denn Schweizerschützen und als sol­ die personelle und materielle je.»12 che drücken wir uns heute […] Infrastruktur des SSV zurück kräftig die Hand zur gegenseiti­ (Schiessstände) und riefen im gen Unterstützung, zu vereinter Mai 1940 die Ortswehren mit STEIGENDE Hilfe für die ökonomisch Schwa­ nicht wehrpflichtigen Schiessfer­ TEILNEHMERZAHLEN chen...»9 tigen ins Leben. Auf einen Schlag standen so 100'000 zusätzliche In der Tat schossen 1946 460'000 1924 begann der Fünfjahres­ Verteidiger zur Verfügung, flä­ Schützen das Bundesprogramm. rhythmus der Eidgenössischen chendeckend, jederzeit, gegen 900 Personen nahmen an der Zür­ Feste während der Zwischen­ Saboteure, Luftlandetruppen, je­ cher Delegiertenversammlung kriegszeit: Aarau, Bellinzona, den Feind, der sich zeigen sollte. von 1948 teil, als der Waadtländer Freiburg und Luzern. Die beiden Charles Jan zum Nachfolger des Nachfolger Raduners, der Berner Vorurteile gegen die Arbeiter­ Aargauers Ernst Heiniger ge­ Adolf Schweighauser­Probst und schützen (SABS) und gegen wählt wurde. der Aargauer Ernst Heiniger, schiessende Frauen traten zu­ liessen keinen Raum für Zweifel rück. Der 37. Präsident, Ernst Der patriotische Geist der Schüt­ und auch der OK­Präsident von Heiniger, gab die Parole aus: «In zen im Kalten Krieg nahm bei­

Seite 12 3 Feldschiessen im Kiental im Jahr 2000; der Schütze im Vordergrund (Jahrgang 1931) ist noch immer aktiv. Foto: © aus dem Privatbesitz der Autoren.

nahe zivil­religiöse Züge an. Der man Hollerith, zur Auswertung liserkanne des «Henry Gaspoz Schützenrat, nach der Delegier­ der Schiessbüchlein. Damen­Pistolenpreises» entge­ tenversammlung (DV) damals gen. Allein, noch 1986 musste das zweitwichtigste Organ des Schützensolidarität blieb Trumpf: Ursula Uhlmann an der Delegier­ SSV, erklärte 1957: «Der Schwei­ Die DV beschloss 1965 den tenversammlung vom Zentralko­ zerische Schützenverein pflegt «Matchrappen», einen Zuschlag mitee bessere Umgangsformen […] enge freundschaftliche Bezie­ auf dem Munitionspreis, zur Un­ einfordern, und es dauerte bis hungen mit andern vaterländi­ terstützung der Matchgruppe, 1997, bis die Delegiertenver­ schen Verbänden. […] Alle diese um der Schweiz das internatio­ sammlung Trudy Anliker als ers­ Verbände […] streben dem […] nale Mithalten im Schiesssport ter Frau die Ehrenmitgliedschaft Ziele zu […], wehrbereit zu sein zu erleichtern. Schützenkriti­ zuerkannte. Danach ging es frei­ gegenüber allen Gefahren und sche Tendenzen, Umweltproble­ lich rasant weiter: 2002 wurde gegenüber den Mächten der Fins­ me (z.B. Blei, Lärmschutz) und Ruth Wipfli erste Vizepräsidentin ternis, die aufgestanden sind, um Materialfragen (z.B. ein besserer des Schweizer Schiesssportver­ die Freiheit in der Welt zu erdros­ Gehörschutz) wurden mit Ener­ bands. 2006 trat die Zürcher Re­ seln.»13 gie angepackt. gierungsrätin Rita Fuhrer als erste Präsidentin an, 2009 die Die Schützen waren aber auch ehemalige Berner Regierungs­ der Moderne verpflichtet: Stellte FRAUEN HATTEN LANGE rätin Dora Andres als zweite, be­ sich am Eidgenössischen in Biel EINEN SCHWEREN STAND vor dann 2017 der heute noch 1958 erstmals im grossen Stil das amtierende Präsident, Luca Filip­ Parkplatzproblem [es wurde ge­ Die immer bessere Integration pini, Nachfolger der beiden Prä­ löst], so profitierten die 200'000 der Frauen verlief nicht ohne sidentinnen wurde. Schützinnen und Schützen in Zü­ Hindernisse: Zwar holte 1978 in rich 1963 erstmals von der Be­ Seoul Brida Beccarelli die Silber­ schleunigung durch die Daten­ medaille in der Disziplin «Da­ DIE SUCHE verarbeitung, damals noch mit men Sportpistole». Wohl nahm NACH FINANZMITTELN dem Lochkartensystem von Her­ 1981 Eliana Domeniconi die Wal­ Ab 1824 war der SSV eine reine Milizorganisation. 1973 wurde PUBLIKATION FÜR 2024 GEPLANT ein Zentralsekretariat im «Haus der Schützen» in Luzern in den Unser Artikel beruht auf den beiden Archiven des Schweizer Statuten verankert und zwei Jah­ Schiesssportverbands (SSV) in Bern und in Luzern. Der SSV re später nahm Hans Zürcher als plant auf das Jubiläumsjahr 2024 hin, unter dem Titel «Einer für erster den wichtigen professio­ alle, alle für einen» eine Verbandsgeschichte in deutscher, in nellen Dienst beim SSV auf. französischer und in italienischer Sprache herauszubringen. An diesem Werk arbeiten zur Stunde Jürg Stüssi­Lauterburg, Beat Im SSV bereiteten die Finanzen Hunziker, Regula Berger, Ludovico Zappa, Jürg Burlet, Peter Jo­ permanent grosse Sorgen; die ra­ hannes Weber und Hans Luginbühl. Die deutschsprachige Aus­ sant steigenden Kosten sowie die gabe soll im Verlag Merker im Effingerhof erscheinen, wo das Anforderungen, um im internati­ Buch ab sofort reserviert werden kann. onalen Wettbewerb mithalten zu können, gehörten zu dieser Ent­ Kontakt: Drosselweg 6, 5600 Lenzburg, [email protected] wicklung, mit der die Präsiden­ ten Walther Bohny, Josef Burkart, Theo Krämer und Hubert Cor­

Seite 13 boud zu ringen hatten. Ihr Nach­ Referendumsfrist gegen das Nachfolgerinnen Rita Fuhrer und folger David Glatz (ab 1989) ver­ Waffengesetz des Bundes. Dieses Dora Andres noch das Ringen suchte mit Erfolg, durch die ging weit über die in der Verfas­ um die Professionalisierung der Einführung von Sponsoring den sung verankerte Missbrauchs­ Verbandsführung einerseits und Finanzen eine breitere Grund­ bekämpfung hinaus, griff in die die Gesundung der Finanzen an­ lage und durch Erhöhung des Tradition des Waffenbesitzes in dererseits. Die Dinge liessen sich Sportbeitrags auf den verkauften der Schweiz ein und tat dies in am Ende stabilisieren, sodass der Patronen dem internationalen den Jahren danach durch mehre­ SSV in der Ära seines 48. Präsi­ Schiesssport Schub zu geben. So re Verschärfungen noch stärker. denten Luca Filippini (seit 2017) blieb der SSV auch in der Epoche so sehr im Tritt ist, wie während des Sturmgewehrs 90 (mit dem Der Einheitsverband wurde zum seiner ganzen langen Geschichte. Kaliber 5,56 Millimeter) relevant. Ziel. Gegen zwei Stimmen mach­ ten die Delegierten 1995 durch Die Eidgenössischen Schützen­ Einen Volltreffer landete der SSV Zusammenschluss mit dem feste von 2000 (Bière), 2005 (Frau­ am 22. Mai 1993 mit seiner Bun­ Schweizerischem Revolver­ und enfeld), 2010 (Region Aarau) und desplatzdemonstration, welche Pistolenschützenverband aus 2015 (Raron, Visp) haben die hohe massgeblich dazu beitrug, zwei dem Schweizerischen Schützen­ Vitalität des Verbands bewiesen. Initiativen gegen Kampfflugzeu­ verein den Schweizerischen Es besteht kein Zweifel, dass – ge und gegen Waffenplätze abzu­ Schützenverband. Glatz’ Nach­ sobald es die Umstände zulassen wehren. Die Sternstunde der Prä­ folger Ruedi Meyer konnte das – auch das 58. Eidgenössische sidentschaft Glatz war nur seines Präsidium aus gesundheitli­ Schützenfest im schützenfreund­ Bekenntnisses wegen möglich: chen Gründen nur kurz versehen lichen Luzern zu einem grossen «Wenn wir das Schiesswesen – Vizepräsident Raphy Morend Erfolg werden wird. Schweiz in seiner heutigen Form übernahm. Peter Schmid, im Mai erhalten wollen, dürfen wir nicht 1998 aus dem Berner Regierungs­ nur den Sport oder die Tradition rat zurückgetreten, wurde im No­ ANMERKUNGEN sehen, sondern vor allem den vember desselben Jahres an einer Mitmenschen»14 – zum Beispiel ausserordentlichen Delegierten­ 1 Stüssi-Lauterburg Jürg und andere, 1995 die 72'241 Schützinnen und versammlung zum 45. Präsiden­ 2013 (2. Auflage): Mit Suworow in Schützen am 53. Eidgenössischen ten gewählt. Schmids Weitsicht der Schweiz, S. 76. Verlag Merker, Schützenfest in Thun. und Energie war die zweite Fu­ Lenzburg (ISBN 978-3-85648-146-9). sion zu verdanken, die 2002 aus 2 Die Verfasser danken Frau Regula dem alten SSV, dem Schweize­ Berger, Direktorin des Schützen- JÜNGERE VERGANGENHEIT, rischen Arbeiterschützenbund museums, Bern, und Herrn Beat GEGENWART UND ZUKUNFT (SASB) und dem Schweizerischen Hunziker, Geschäftsführer des SSV, Sportschützenverband (SSSV) den Luzern, für den Zugang zu den Mit dem Ende des Kalten Krieges Schweizer Schiesssportverband Archivalien, auf welche sich der und den dadurch geprägten Ge­ SSV machte. vorliegende Aufsatz stützt. Einzel- setzesänderungen – inklusive der nachweise erfolgen einzig dort, wo Abschaffung der Pflichtmitglied­ Der Wechsel des Hauptaugen­ ein Wortlaut direkt zitiert wird und schaft der Obligatorischschützen merks – weg von der Landesver­ wo es sich nicht um ein leicht – sank der Mitgliederbestand des teidigung und hin zum Sport –, auffindbares amtliches Dokument SSV rapide ab. Immerhin wies er den Schmid als notwendig dia­ handelt. 1999 noch mehr als 200'000 Mit­ gnostizierte, führte zu erhebli­ 3 Rouiller Georges, 1836: Souvenirs du glieder aus. Im selben Jahr ver­ chen internen Spannungen. Dazu tir fédéral, donné à Lausanne du strich auch – ungenutzt – die traten in der Ära von Schmids 3 au 10 juillet 1836, p. 15–19.

Seite 14 DEUX SIÈCLES DE TIR SUISSE

4 Gotthelf Jeremias, 1844: Eines Au début du 19e siècle, la Suisse A ce jour, la FST a été dirigée par Schweizers Wort an den Schweize- se cherchait et souhaitait trouver 46 hommes et deux femmes (Rita rischen Schützenverein, S. 24–26. sa place. Les cantons se dévelop­ Fuhrer, Dora Andres). Le tir obli- Jent und Gassmann, Solothurn. paient mais il manquait encore gatoire hors du service et la plus 5 Zollinger Max (Herausgeber), ohne une organisation fédérale mo­ grande fête annuelle de tir du Jahr: Gottfried Kellers Werke, derne. Les tireurs ont insufflé monde, le Tir fédéral en campagne, Siebenter Teil, S. 259–261. Deut- l'esprit dont elle avait besoin. En côtoient ainsi le tir sportif. sches Verlagshaus Bong & Co., 1824, sous l'impulsion du maître Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart. de tir Carl Ludwig Schmid­Guiot, Quant à Guillaume Tell, figure 6 Ein Bildbeispiel für eine solche 228 hommes ont fondé à Aarau la symbolique de la liberté en Waffe ist etwa zu finden unter: Société suisse des carabiniers, Suisse, des statues à son effigie https://de.wikipedia.org/wiki/Stecher devenue plus tard la Fédération sont visibles à Lugano, Altdorf et 7 Nach einer Kopie im Privatbesitz der sportive suisse de tir (FST). Lausanne. Mais c'est dans le cœur Verfasser. des Suissesses et des Suisses qu'il 8 Stüssi-Lauterburg Jürg, 1989: Les tireurs – des centaines de est le plus présent. Helvetias Töchter, S. 114, 115. milliers au fil des ans – ont égale­ Huber, Frauenfeld (ISBN 3-7193- ment donné au pays son drapeau 1010-8). et l'ont servi fidèlement. Deux 9 Schützenmuseum Bern, présidents de la FST, le Zurichois VV 5.2.1.2.35. Johann Jakob Hess et le Vaudois 10 Schützenmuseum Bern, Henri Druey, ont procuré à la VV 5.2.1.2.55. Suisse la devise «Un pour tous, 11 Schützenzeitung, 21. März 1940. tous pour un – tous pour un, un 12 Schützenmuseum Bern, pour tous» en 1836. Depuis, la VV 5.2.1.2.61. croix blanche sur fond rouge 13 Schweizerischer Schützenverein, flotte sur toutes les fêtes fédérales 1958: Jahresbericht 1957, S. 32. de tir. M. Gamma & Cie., Altdorf. 14 Schweizerischer Schützenverein, 1995: Jahresbericht 1994, S. 25. Gamma Druck + Verlag AG, Altdorf.

[Letzter Stand für alle in diesem Beitrag erwähnten Links: 2.3.2021].

Seite 15 DUE SECOLI SWITZERLAND'S NATIONAL SHOOTING

DI TIRO SVIZZERO FEDERATION –A 200-YEAR HISTORY

All'inizio del XIX secolo, la Sviz­ In the early part of the 19th centu­ The SSV has had 48 presidents to zera era alla ricerca della sua ry, Switzerland had yet to forge a date: 46 men and two women identità e della sua posizione. Si national identity and define its (Rita Fuhrer and Dora Andres). svilupparono i singoli cantoni, place in the world. Despite a The mandatory annual shooting ma mancava ancora un'organiz­ growing number of cantons, the practice for all men in Swiss mil­ zazione federale moderna. Furo­ federal structure as we know it itary service (Obligatorisches), the no i tiratori a portare lo spirito today had yet to take shape. Rifle­ largest annual shooting festival necessario. Nel 1824, 228 uomini men created the spirit needed to in the world, the Feldschiessen, fondarono ad Aarau la Socie­ realise this goal. In 1824, 228 men, stand shoulder to shoulder with tà svizzera dei carabinieri, più prompted by match director Carl shooting sports. tardi ribattezzata Federazione Ludwig Schmid­Guiot, founded sportiva svizzera di tiro (FST). the Swiss Shooting Association Lugano, Altdorf and Lausanne all L'idea fu del capo tiro Carl in Aarau. It is the predecessor of have a monument to , Ludwig Schmid­Guiot. the present­day Swiss Shooting Switzerland's symbolic figure of Sport Federation (SSV). freedom. Yet, the most meaning­ I tiratori, centinaia di migliaia nel ful monument to this folk hero corso degli anni, hanno anche Over the years, hundreds of thou­ can be found in the hearts of the dato una bandiera al nostro Paese sands of riflemen have given the Swiss people. e l'hanno servito fedelmente. Nel country its flag and served it 1836, due presidenti della FST, il faithfully. Two presidents of the zurighese Johann Jakob Hess e il SSV, Johann Jakob Hess from vodese Henri Druey, coniarono il the canton of Zurich and Henri motto elvetico «uno per tutti, tut­ Druey from the canton of Vaud, ti per uno». La croce bianca in had a hand in Switzerland's adop­ campo rosso sventola da allora in tion of its unofficial motto 'One occasione di tutte le feste federali for all, all for one' in 1836. The di tiro. white cross on a red background has adorned all federal shooting 46 uomini e due donne (Rita Fuh­ festivals ever since. rer, Dora Andres) hanno guidato la FST fino ai giorni nostri. Il tiro obbligatorio da adempiere fuori servizio e la festa annuale di tiro più grande del mondo, il Tiro fede- rale in campagna, si sono affiancati al tiro sportivo.

La figura emblematica della liber­ tà della Svizzera, Guglielmo Tell, ha monumenti a Lugano, Altdorf e Losanna. Il suo monumento più importante si trova però nel cuo­ re del popolo svizzero.

Seite 16 PASCAL AEBISCHER SCHÜTZEN MÜSSEN NACHJUSTIEREN

DAS EIDGENÖSSISCHE SCHÜTZENFEST

IN CORONA-ZEITEN

Vom 11. Juni bis 11. Juli 2021 fin- Als erinnerungswürdig gilt laut det in Luzern das 58. Eidgenös- Schiessplan, der Broschüre zum sische Schützenfest statt. Wegen ESF 2020, insbesondere das Fest der Corona-Pandemie musste von 1901. Die Schützen pilgerten das ESF 2020 um ein Jahr ver- damals zum noch unbebauten schoben werden. «Jetzt erst «Inseli» gleich hinter dem Luzer­ recht» lautet in Luzern die De- ner Bahnhof. Die Stadtschützen vise. Mit einem nachhaltigen hatten dort eine mehrstöckige Konzept und viel Flexibilität Burg mit Türmen, Büros und Fest­ soll der Anlass mit 30'000 Schüt- sälen errichtet, wie historische Bil­ Pascal Aebischer, zinnen und Schützen ein Voll- der im Luzerner Staatsarchiv zei­ wissenschaftlicher treffer werden. Ein Grossanlass, gen (Abb. 1). Geschossen wurde in Mitarbeiter im der ohne den Einsatz von Armee den Vierwaldstättersee hinaus. Als Geschäftsbereich und Zivilschutz nicht möglich Scheibenstände dienten Schiffe. Zivilschutz des wäre. Bundesamtes für Nach dem Fest wurde die Schüt­ Bevölkerungs- Der Kanton Luzern ist mit seinen zenburg für das Kriegs­ und Frie­ schutz (BABS). 110 Schützenvereinen (Gewehr densmuseum genutzt. In unmit­ und Pistole) eine Schützenhoch­ telbarer Nähe des Sees litt die burg. Das ESF 2020 oder LU­ Bausubstanz jedoch derart, dass Aktueller Hinweis! ZERN2020 ist nach 1832, 1853, das Museum bald an einen ande­ Das Schützenfest findet in einer 1901, 1939 und 1979 bereits das ren Ort verlegt werden musste extrem dezentralisierten Form sechste Eidgenössische Schies­ und die Schützenburg schliess­ schweizweit auf den Heimständen sen, das die Luzerner ausrichten lich abgerissen wurde. Heute be­ der Schützenvereine statt (nach dürfen. findet sich auf dem Gelände ein Möglichkeit auch 2 oder mehrere Vereine zusammen). Damit kann der sportliche Wettkampf ESF 1 Luzern 2020 sichergestellt werden, jedoch fällt das angestrebte Fest in der geplanten Form zum grossen Teil Covid-19 zum Opfer.

Weitere Einzelheiten finden Sie unter: https://www.lu2020.ch/

Diese neue Entwicklung konnte leider im Text nicht mehr berück- sichtigt werden, da das Heft zum Zeitpunkt des Entscheids bereits im Druck war (Die Redaktion).

1 Für das Eidgenössische Schützenfest 1901 errichteten die Stadtschützen eine mehrstöckige Burg auf dem «Inseli». Foto: © zVg ESF/ Staatsar- chiv Luzern.

Seite 17 2 Das Festzentrum wird auf dem 4 Die Laiendarsteller von «Bunte Gelände der Kaserne Emmen Bühne Kriens» werden an mehreren eingerichtet. Foto: © ESF. Abenden «Gilberte de Courgenay» aufführen. Foto: © ESF.

3 Das Rahmenprogramm in der Festmeile wird Einschränkungen 5 Seit vier Jahren plant Philipp Bühler, erfahren – z.B. müssen die Organi- Vizepräsident des Organisations- satoren wegen der Corona-Pandemie komitees und Geschäftsführer ESF auf das grossangelegte Public-View- 2020, am Grossanlass, der vom

2 ing zur Fussball-Europameister- 11. Juni bis 11. Juli 2021 über die schaft verzichten. Foto: © ESF. Bühne gehen soll. Foto: © ESF.

modernes Kulturgut: das Kultur­ PROGRAMME FÜRS 3 und Kongresszentrum (KKL). SCHIESSEN UND FESTEN

Den Ablauf für die Schützinnen NACHHALTIGE und Schützen skizziert er so: Aus UNTERSTÜTZUNG allen Landesteilen reisen sie an DES SCHIESS-SPORTS den ihnen zugewiesenen Schiess­ stand, schiessen ihr Programm Im Gegensatz zu 1901 findet das und begeben sich dann, um ab­ nächste Eidgenössische Schüt­ zurechnen, aufs Festgelände. Für zenfest nicht in der Stadt Luzern den Weg von den elf zertifizierten statt. Die Infrastruktur wird aber Anlagen in den umliegenden Ge­ auch nicht auf der grünen Wiese meinden – darunter Willisau und aufgebaut, wie dies in der Ver­ Sempach – ins Festzentrum ist gangenheit die Regel war. «Wir mit maximal 30 Minuten Fahrzeit gehen einen neuen Weg», sagt zu rechnen. Philipp Bühler, Vizepräsident des Fünf Wochenenden dauert das Organisationskomitees und Ge­ ESF 2020, wobei als Wochenende Zwar könnten die Schützinnen schäftsführer ESF 2020. «Wir ha­ meist die Zeit von Donnerstag bis und Schützen danach gleich wie­ ben von Anfang an ein nachhalti­ Montag gilt – Pause herrscht nur, der nach Hause reisen. Philipp ges Konzept angestrebt.» Dieses wenn Dienstag und Mittwoch die Bühler rechnet aber damit, dass basiert auf den Schiessanlagen Schiessanlagen auf Vordermann eine Mehrzahl eine gewisse Zeit der Region. Philipp Bühler: «Wir gebracht werden. «Der Instand­ in Luzern bleiben wird. Einige verzichten darauf, viel Geld in haltungsblock garantiert, dass schiessen ein zweites Programm, den Aufbau einer riesigen Infra­ auch die letzten Schützen über viele pflegen am Fest die Kame­ struktur zu stecken, die wir nach eine hervorragende Infrastruktur radschaft und profitieren vom dem Fest wieder abreissen müs­ verfügen», erklärt Philipp Bühler. breitgefächerten Festprogramm. sen. Vielmehr investieren wir in bestehende Schiessanlagen und unterstützen so den regionalen Schiesssport.» Das Festzentrum wird auf dem Gelände der Kaser­ ne Emmen eingerichtet (Abb. 2).

Nur passionierte Schiessende be­ halten den Durchblick bei all den Stichen und Wettkämpfen, die für Gewehre auf 50 und 300 Me­ ter sowie für Pistolen auf 25 und 50 Meter stattfinden. Neben dem Schützenkönigausstich gibt es einen Auslandschweizerwett­ kampf und einen Armeewett­ kampf, sogar einen Akademiker­

wettkampf und einen Stände­ 4 match – den Kampf der Kantone.

Seite 18 DER ZIVILSCHUTZ IM EINSATZ ZUGUNSTEN DER GEMEINSCHAFT

Beim 58. Eidgenössischen Schützenfest vom 11. Juni bis 11. Juli 2021 in Luzern wird der Zivilschutz rund 1000 Diensttage leisten. Die ZSO Emme, die grösste Zivilschutzorganisation des Kantons, wird den Einsatz in den Bereichen Bauten, Logistik, Verkehr und Sicherheit übernehmen. Zu den Auf­ gaben gehören der Auf­ und Abbau von Absperrungen und Beschilderungen, Transporte sowie das Einrichten und Abräumen von Parkplätzen.

«Für die ZSO Emme bedeutet dies ein Grossaufgebot. Zusammen mit den weiteren Einsätzen – ins­ besondere zur Bewältigung der Corona­Pandemie – ergibt sich eine geballte Ladung», sagt Oberst­ leutnant Reto Amrein, Kommandant der ZSO. «Aber es ist ein interessanter Einsatz. Fast alle Fach­ bereiche sind gefordert.»

Mit dem Engagement am ESF 2020 trainiert der Zivilschutz Aufgaben und Führungstätigkeiten, die er auch bei Katastrophen und Notlagen übernehmen könnte. Dies ist eine Voraussetzung für einen solchen Einsatz zugunsten der Gemeinschaft. Gemeinschaftseinsätze sind Dienstleistungen des Zivilschutzes für Dritte, namentlich für Behörden, Organisationen, Vereine oder Aussteller. Sie sind im Bundesgesetz vom 20. Dezember 2019 über den Bevölkerungsschutz und den Zivilschutz (BZG, SR 520.1) sowie in der Verordnung vom 11. November 2020 über den Zivilschutz (ZSV, SR 520.11) geregelt. Schutzdienstpflichtige können für Gemeinschaftseinsätze auf nationaler, kantonaler, regi­ onaler oder kommunaler Ebene aufgeboten werden.

Die ZSV legt fest, dass der Zivilschutz Leistungen erbringen kann, wenn:

• die Gesuchsteller ihre Aufgaben mit eigenen Mitteln nicht bewältigen können und der Einsatz von öffentlichem Interesse ist; • der Gemeinschaftseinsatz mit dem Zweck und den Aufgaben des Zivilschutzes übereinstimmt und der Anwendung des erworbenen Wissens und Könnens dient; • der Gemeinschaftseinsatz private Unternehmen nicht übermässig konkurrenziert; • das Vorhaben nicht überwiegend der Gewinnerzielung dient.

Weitere Informationen unter www.zivilschutz.ch/vezg

Auf dem Armeegelände befinden Die Laiendarsteller von «Bunte burg, dem ehemaligen Direktor sich während der fünf Wochen Bühne Kriens» werden an mehre­ der Bibliothek am Guisanplatz. nämlich nicht nur die zentralen ren Abenden Gilberte de Courge- Und was wäre ein Fest ohne Mu­ Stellen für die Organisation des nay aufführen (Abb. 4). Noch sik? Geplant sind über die fünf ESF 2020, sondern auch ein gros­ mehr Vergangenheit aufleben Wochen etwa ein Eröffnungs­ ses Festzelt mit Event­Bühne, lassen die Vorträge zur Geschich­ und ein Frühschoppenkonzert, Feststrassen mit Verpflegungs­ te des schweizerischen Schützen­ ein Abend mit «Oesch’s die Drit­ ständen und ein «Armee­Dorf». wesens von Jürg Stüssi­Lauter­ ten» und eine Country-Matinée. Wer vor oder nach dem Schiessen und Feiern nicht reisen möchte, nächtigt gleich auf dem Gelände im von der Armee eingerichteten «Hotel Emme» oder oberhalb des Festzentrums auf dem Platz für die Camper.

Das Rahmenprogramm ist viel­ seitig: An die üblichen Anlässe wie den Offiziellen Tag, an dem auch Bundesrätin Viola Amherd sprechen wird, die Gottesdiens­ te, eine Fahnenweihe und ein «Schützen­Tattoo», das den tradi­ tionellen Umzug ersetzen wird, schliesst sich eine ganze Reihe unterschiedlichster kultureller Angebote an, die ebenso unter­ schiedliche Geschmäcker bedie­ 5 nen sollen.

Seite 19 6 Ohne Unterstützung von Armee und Zivilschutz wäre der Grossanlass nicht auf die Beine zu stellen. Rund 1000 Diensttage werden Zivilschützer bei ihrem Einsatz zugunsten der Gemeinschaft leisten.

Die Dienstleistenden der ZSO Emme stehen regelmässig im Einsatz zugunsten von Grossanlässen, hier die Pioniere bei Auf- und Abbauarbeiten. Foto: © ZSO Emme / Kilian Bannwart.

DIE CORONA-PANDEMIE ERFORDERT FLEXIBILITÄT

Exakt parallel zum ESF 2020 fin­ det die Fussball­Europameis­ terschaft statt. «Schützen sind Sportler und vielfach begeisterte Fussball­Fans», sagt Philipp Büh­ ler. Deshalb plante das Organisa­ tionskomitee eine grossangelegte Public­Viewing­Arena auf dem Festgelände. Von Public­Viewing mag der ESF 2020­Geschäftsfüh­ rer aber nicht mehr reden. Wegen der Corona­Pandemie wird eine grosse Menschenansammlung auf engem Raum verunmöglicht. 6 Flexibilität prägt die Organisati­ on des Festes. Die Verschiebung se sich nicht mehr auf Armee und ner Regierungsrat und Präsident um ein Jahr ins 2021 war eine Zivilschutz zählen, sagt Philipp des Organisationskomitees (OK), Herausforderung. Nicht nur Bühler, er betont aber auch: «Wir bleibt optimistisch und lässt ver­ mussten alle Anmeldungen sis­ zahlen für die Leistungen!» lauten, in dieser Situation sagten tiert werden, sagt Philipp Bühler. die Schützinnen und Schützen: «Wir mussten das Budget kom­ «Jetzt erst recht!» plett neu erarbeiten und alle Ver­ DIE GESUNDHEIT träge neu aushandeln.» Alle Be­ IM VISIER «Das OK beobachtet die Entwick­ teiligten, darunter das 80­köpfige, lung aber sehr genau», sagt Phi­ aus Volontärinnen und Volontä­ Allein für die Wettkämpfe wer­ lipp Bühler. «Wir müssen schau­ ren bestehende Organisations­ den über die fünf Wochen verteilt en, dass das Fest angepasst an die komitee, mussten sich auf die rund 30'000 Schützinnen und Corona­Situation durchgeführt neuen Termine ausrichten. Auch Schützen erwartet. «Damit sind wird. Ob Schützinnen und Schüt­ Armee und Zivilschutz mussten wir wieder bei der Zahl von An­ zen, Supporterinnen und Sup­ neu aufgeboten werden. meldungen, die wir letztes Jahr porter, Helferinnen und Helfer, hatten. Die Schützengemein­ Besucherinnen und Besucher: Viele Grossanlässe in der Schweiz schaft ist uns sehr treu», sagt alle sollen so gesund vom Fest wären ohne die Unterstützung Philipp Bühler. Die ursprünglich nach Hause gehen, wie sie ans von Armee und Zivilschutz un­ anvisierte Zahl von 100'000 Besu­ Fest kommen.» denkbar – so auch das ESF 2020. chenden ist wegen der Pandemie Insgesamt plant die Armee, die kein Thema mehr. Nicht nur ist Informationen zum ESF 2020 un­ am Anlass auch sonst sehr prä­ ein Public­Viewing verunmög­ ter www.lu2020.ch sent ist, rund 3500 Diensttage, licht, auch die Durchführung von der Zivilschutz des Kantons Lu­ Konzerten ist [Stand Anfang Fe­ [Letzter Stand für alle in diesem Beitrag zern 1000 Diensttage. Die Orga­ bruar 2021] in Frage gestellt. Aufs erwähnten Links: 2.3.2021]. nisation solcher Anlässe müsste Schiessen soll aber nicht verzich­ man geradezu neu erfinden, lies­ tet werden. Paul Winiker, Luzer­

Seite 20 FÊTE FÉDÉRALE FESTA FEDERALE FEDERAL

DE TIR DI TIRO SHOOTING FESTIVAL

À LUCERNE A LUCERNA IN LUCERNE

La 58e édition de la Fête fédérale La 58a Festa federale di tiro si The 58th Federal Shooting Festival de tir se tiendra du 11 juin au terrà a Lucerna dall'11 giugno (ESF) will take place in Lucerne 11 juillet 2021 à Lucerne. Après all'11 luglio 2021. Dopo le edizio­ from 11 June to 11 July 2021. ESF 1832, 1853, 1901, 1939 et 1979, la ni del 1832, 1853, 1901, 1939 e 1979, 2020, also known as LUZERN FFT 2020 est donc la sixième édi­ l'FFT 2020 o LUCERNA2020 sarà 2020, will be the sixth time that tion organisée dans cette ville. En la sesta Festa federale di tiro ospi­ the city has hosted the event raison de la pandémie de corona­ tata a Lucerna. A causa della pan­ (1832, 1853, 1901, 1939 and 1979). virus, la fête a dû être reportée demia di coronavirus, si è dovuto The COVID­19 pandemic meant d'un an, comme d'autres événe­ rimandarla di un anno. La previ­ that the festival had to be post­ ments tel l'EURO 2020, qui se sta visione su schermo gigante poned by a year. Due to the pub­ jouera cette année sans public, et del campionato europeo di calcio lic health situation, it is also still de nombreux festivals musicaux. non sarà però possibile e l'orga­ not clear whether concerts and nizzazione di concerti è in di­ public viewing during the Euro­ Aujourd'hui plus que jamais, Lu­ scussione. pean Football Championship will cerne tient bon. Son concept du­ go ahead as planned. rable et sa grande flexibilité de­ Il motto per Lucerna è «ora più vraient faire de cet événement che mai». Con un concetto soste­ For Lucerne, there is no time like rassemblant 30'000 tireurs un nibile e molta flessibilità, l'evento the present! Thanks to a sustain­ succès malgré tout. Au lieu de con 30'000 tiratori dovrà «fare able concept and a great deal of construire une infrastructure centro» nonostante la pandemia. flexibility, ESF 2020, which is set provisoire, des investissements Invece di realizzare un'infra­ to attract as many as 30,000 shoot­ sont réalisés dans les installa­ struttura provvisoria, si investe ing enthusiasts, should be a sure­ tions de tir existantes, ce qui per­ nei poligoni di tiro esistenti, so­ fire hit. Rather than spending met de soutenir les sociétés de tir stenendo così le società regionali money on building a temporary régionales. L'organisation de la di tiro sportivo. Ma senza l'aiuto structure for the event, the or­ FFT peut en outre compter sur dell'esercito e della protezione ci­ ganisers will invest in existing l'engagement de l'armée et de la vile, sarebbe impossibile organiz­ shooting ranges and in doing so protection civile. zare questo grande evento. provide local sport shooting as­ sociations with valuable support. The organisation of this large­ scale national event would not be possible without the Swiss army and civil protection service.

Seite 21 REGULA BERGER DAS SCHWEIZER SCHÜTZENMUSEUM IN BERN

ANLAUF- UND SAMMELSTELLE FÜR SÄMTLICHE SCHÜTZENANLIEGEN

Inmitten des Berner Museums- Pläne, Modelle, Formularien, quartiers im Kirchenfeld steht Waffen, Munition, Festthaler, Be­ das Schweizer Schützenmuse- cher, und sonstige Utensilien zu um. Obwohl es weit weniger be- sammeln, zu ordnen und so den kannt ist als seine prominenten Schützen wie dem Schweizervol­ Nachbarn, begeistert es mit dem ke zugänglich zu machen und zu besonderen Charme der alten veranschaulichen [sowie den] be­ Mauern all jene, die ihren Weg sonderen Zweck, dem schweiz. Dr. iur. Regula dahin finden. Veranschaulicht Schützenverein als Archiv zu Berger, MLitt, wird die Geschichte des Schwei- dienen.» studierte Rechts- zerischen Schützenwesens, ins- wissenschaften an besondere seit der Gründung Bereits am 30. Januar 1887 wurde der Universität des Schweizerischen Schützen- die Schützenstube im sogenann­ Bern. Patentierung vereins 1824 (heute Schweizer ten Haller­Haus an der Inselgas­ zur Bernischen Schiesssportverband SSV) bis se 5 (heute Kochergasse) eröffnet. Fürsprecherin und hin zur heutigen modernen Nur zwei Jahre später wurde das Promotion mit Sportart. Schützentrophäen wie Mietverhältnis eigentümerseitig einer Dissertation Silberpokale, Uhren oder Me- aufgelöst und die Bestände ka­ im Bereich Kunst- daillen, historische Dokumente men vorübergehend in die «ber­ recht. Semester- und Bildmaterial im Zusam- nische Muster & Modellsamm­ studium der menhang mit Schützenfesten lung» im Kornhaus. Schliesslich Kunstgeschichte und internationalen Wettkämp- fanden sie 1894 eine Bleibe im am Sotheby’s fen sowie Fahnen und beson- neuen Museumsgebäude am Institute of Art in dere Waffen erzählen von Helvetiaplatz, welches nicht – London. Von 2010 Schützenpersönlichkeiten, von wie urspünglich geplant – das bis 2017 Kuratorin gelebten und vergangenen Tra- Schweizer Nationalmuseum, und Juristin am ditionen und von sportlichen sondern das Bernische Histori­ Kunstmuseum Höchstleistungen. sche Museum wurde. Bern, berufsbeglei- tend Masterstudi- 1885 war Bern Gastgeberstadt für um der Museums- das 31. Eidgenössische Schützen­ SCHENKUNG AN DEN wissenschaften an fest. Nach Festende erging in der SCHWEIZERISCHEN der University of Schützenzeitung vom 8. August SCHÜTZENVEREIN SSV St. Andrews. Seit 1885 der Aufruf zur Gründung 2017 Direktorin einer «Schweizerischen Schüt­ Ab 1901 verwaltete der Vorstand des Schweizer zenstube»! der 1893 gegründeten «Vereinig­ Schützenmuseums ten Schützengesellschaften der Bern. Als Präsi- Stadt Bern» die Schützenstube. dentin des Vereins SCHÜTZENSTUBE IN BERN Aber bald darauf wurden Stim­ der Museen im men laut, dass die Sammlungen Kanton Bern Eine solche wurde 1886 vom Or­ eigentlich ins Eigentum des SSV vertritt sie ins- ganisationskomitee des Berner gehörten. So folgte 1904 in Form besondere die Festes mit dem Zweck gegründet, einer Schenkung die Über­ Interessen von «alles auf das schweiz. Schützen­ tragung – unter der Bedin­ kleineren Kultur- wesen bezughabende, wie Akten, gung, dass der Sitz der Stube in institutionen. Literatur über Schützenwesen, der Bundesstadt verbleibe.

Seite 22 1

Mit steigender Professionalisie­ 1 Die Grafik zeigt eine Ansicht des 31. Eidgenössischen Schützenfestes 1885 im rung, etwa mit der Definition von Berner Kirchenfeld. Vor der Bergkulisse sind der immense Schiessstand und die klaren Anforderungen für die riesige Festhalle abgebildet, die nach dem Fest rückgebaut wurden. Eine Schüt- Katalogisierung der Objekte, zengesellschaft zieht über die 1883 eingeweihte Kirchenfeldbrücke in das wurde aus der einfachen «Schüt­ Festgelände ein. Rechts unten sieht man das 1884 errichtete Hotel Restaurant zenstube» 1914 schliesslich das «Du Pont». Nebst dem 1882 als Kantine für die Brückenbauer erstellte «Restau- «Schützenmuseum». 1926 be­ rant Kirchenfeld» war es zu jener Zeit das einzige Gebäude auf dem Terrain. stand die Aussicht auf einen Bau­ Foto: © Regula Berger, Bern (Schweizer Schützenmuseum Bern). platz auf dem Kirchenfeld für den Bau eines Sportmuseums gemeinsam mit gleichgesinnten Sportverbänden. In der Folge verhandelten «Schützen & Tur­ ner» mit dem Schweizer Alpen­ Club (SAC), aber das Gemein­ schaftsprojekt verlief im Sand.

2 Innenansicht der Schützenstube im Bernischen Historischen Museum. An der Decke hing das erst kürzlich wieder aufgefundene Banner der Schützengesellschaft Bremen, welches diese dem Schweizerischen Schützenverein anlässlich des Eidgenössischen Schützenfestes 1857 in Bern schenkte. Das bemalte Woll- und Leinentuch mit dem Schriftzug «Der freien Schweitz. Der Schützenverein in Bremen» ist erstaunlich gut erhalten.

Foto: © Bernisches Historisches 2 Museum, Bern.

Seite 23 3 Fotografie der Grundsteinlegung für das neue Schützenmuseum am 22. Juni 1938. Museumskommissi- onspräsident Adolf Schweighauser erachtete es als einen wunderbaren «Zufall, dass das Museum gerade auf dem Platz erstellt wird, wo die Idee auftauchte, alles was auf das schweiz. Schützenwesen Bezug habe zu sammeln, zu ordnen, zu veran- schaulichen und den Schützen und dem Schweizervolk zugänglich zu machen.» Zum Gedenken an diesen Tag wurde ein Bleikasten mit einer Urkunde versenkt. Foto: © Schwei- zer Schützenmuseum, Bern.

triebsjahr besuchten 15'000 Gäste das Museum. Einen markanten

3 Einbruch gab es erst 1945 mit dem Ende des Aktivdienstes und dem damit verbundenen Wegfall NEUBAU AN sung des Fassadenentwurfs – der «Militärbesucher». DER BERNASTRASSE 5 entsprechend den behördlichen Vorgaben durch den von der Während die Besucherzahlen ste­ Nachdem das Bernische Histori­ Städtischen Baudirektion beige­ tig sanken, hatten sich die Be­ sche Museum Eigenbedarf an zogenen Architekt Hans Klauser stände bis Ende der 1950er­Jahre den zur Verfügung gestellten – stand dem Neubau nichts mehr mehr als verdoppelt, was vor al­ Räumlichkeiten angemeldet hat­ im Wege. lem auf grosse Schenkungen zu­ te, drängte nun auch der SSV auf rückging. Bereits 1950 war ent­ neue Lokalitäten, da inzwischen Die Bauarbeiten begannen im schieden worden, die Sammlung weder die Platzverhältnisse noch April 1938 und schritten zügig auf Schweizer Schusswaffen zu die Präsentation der Objekte be­ voran. Die Möblierungsarbeiten beschränken, und 1954 wurden friedigten. Die zunächst ins Auge wurden nur knapp vom Aus­ überschüssige Waffen ausge­ gefasste alte Feuerwehrkaserne bruch des Zweiten Weltkriegs am schieden. Zwar wurde damit ein wurde bereits vom Theater bean­ 1. September 1939 tangiert. Dem vorgängiger Beschluss, keine an­ sprucht, weitere Vorschläge als Jahresbericht der Baukommissi­ vertrauten Gegenstände zu ver­ ungeeignet abgetan. Da nur ein on zufolge verliess just am Tag äussern, missachtet, aber es kam Neubau zweckmässig schien, der Mobilisierung der letzte zusehends das Bewusstsein auf, wurden auf Veranlassung des Handwerker den Bauplatz. Be­ dass in erster Linie qualitative Gemeinderats schliesslich Ver­ reits am 26. November 1939 wur­ und nicht quantitative Kriterien handlungen mit dem Bernischen de das Schützenmuseum als «ein eine herausragende Sammlung Historischen Museum über ein Denkmal der Vergangenheit, der ausmachen. Areal an der Bernastrasse aufge­ Gegenwart und der Zukunft» nommen. eingeweiht. Dem Publikum öff­ Der Verwalter war nicht nur für nete der erste vollamtliche Ver­ den Museumsbetrieb und die Ende 1936 wurde das von Archi­ walter, Fritz Dätwyler, am 3. De­ Sammlungsbetreuung verant­ tekt und Museumskommissions­ zember 1939 die Tore. wortlich, sondern erfüllte auch Mitglied Emilien Bertallo ausge­ Aufgaben zuhanden des SSV – fertigte Projekt mit einem Budget etwa die Drucksachenverwal­ von Fr. 260'000.– beim Gemeinde­ KULTURINSTITUTION, tung der Schützenvereine, die im rat der Stadt Bern eingereicht und KOMPETENZZENTRUM UND Museum zentralisiert war. Weiter gleichzeitig um finanzielle Unter­ VERWALTUNGSABTEILUNG war er für die Kontrolle und Spe­ stützung von Bund, Kanton und dition der Jungschützenabzei­ Gemeinde ersucht. In seinem Trotz der Kriegswirren wurde chen sowie für die Ausfertigung Vortrag an den Stadtrat wies der der Museumsbetrieb aufgenom­ und den Versand der Jungschüt­ Gemeinderat auf die Wichtigkeit men und nur die wichtigsten zenurkunden zuständig. Damit der Institution für Bern hin und Exponate sowie Glasscheiben, war das Schützenmuseum glei­ beantragte, dem Gesuch unter Goldmedaillen und Uhren ver­ chermassen kulturelle Institution folgender Bedingung zu entspre­ staut. Als weitere Vorsichtsmass­ und Kompetenzzentrum für Fra­ chen: «Das Schützenmuseum nahme wurden bei den Waffen gen rund um das Schützenwesen muss auf ewige Zeiten der Stadt (Modell 1889 und 1931) die Ver­ wie auch Verwaltungsabteilung Bern verbleiben.» Nach Anpas­ schlüsse entfernt. Im ersten Be­ des SSV.

Seite 24 4 Der sogenannte «Königspokal» ist eines der wichtigsten Objekte in den Samm- lungen. Die silberne Schale – auch als «Punschbowle» bezeichnet – liess König Wilhelm III. der Niederlande (1817–1890) als Geschenk an den SSV für das Eidgenössiche Schützenfest 1876 in Lausanne anfertigen. Für die Herstellung des von Bildhauer Émile-Coriolan Guillemin (1841–1907) gestalteten Gefässes, wurden offenbar 57 Pfund (rund 26 kg) Silber verwendet. Die Vorderseite zeigt die Schlacht bei Sempach vom 9. Juli 1386 mit Arnold von Winkelried, der sich in die Lanzen der Feinde wirft, um mit seinem Opfertod den Sieg der Eidgenossen gegen die Habsburger herbeizuführen. Auf der Rückseite ist die Schlacht bei Murten dargestellt, die am 22. Juni 1476 zwischen Truppen der Eidgenossen- schaft und des burgundischen Herzogs Karl des Kühnen (1433–1477) ausgetra- gen wurde. Auf dem Deckel steht Wilhelm Tell mit Sohn Walter. Nach 1876 blieb der Pokal vorerst in Lausanne und wurde ab 1879 während ein paar Jahren an jedem Eidgenössischen Schützenfest ausgestellt, ansonsten aber in der Schützen- stube und später im Schützenmuseum aufbewahrt. Foto: © Eduard Kohler, Bremgarten bei Bern.

JAHRE DES AUFBRUCHS

Auf Dätwyler folgte 1966 Polizist Ernst Büchi als Verwalter. Auf ihn geht die Einführung des bis heute kostenlosen Eintritts zu­ rück, die er mit der Begründung durchsetzte, dies sei «die beste Propaganda und Werbung». Auf ihn folgte 1987 der Waffenrestau­ rator Ferdinand Piller. Noch im selben Sommer wurde die Aus­ senrenovation des Museums ab­ geschlossen, nachdem sich Män­ gel am alternden Bau bemerkbar gemacht hatten. 1990/91 folgte die umfangreiche Innensanie­ rung und 1995 der Einbau des Lifts.

Dem Besucherschwund wirkte Piller mit der Gestaltung von Sonderausstellungen entgegen. 2003 fand dann ein erstes Mal die «Museumsnacht Bern» statt. Bis heute bringt dieser Anlass rund die Hälfte der jährlichen Eintritte von durchschnittlich 5500 Gäs­ ten.

STIFTUNG SCHWEIZER SCHÜTZENMUSEUM BERN

Wie seine Vorgänger wurde auch Piller im Amt pensioniert. Neue Museumsleiterin wurde ab 2006 die Architektur­ und Kunsthisto­ rikerin Cornelia Weber. Mit Blick auf den Wechsel kamen schon vorher Diskussionen über die Weiterführung des Museums auf. Auch ein Zusammenschluss mit dem Historischen Museum

4 wurde erörtert, wobei seitens letzterem weder ein Interesse am

Seite 25 5

5 Seit 2003 erstrahlt das Schützenmu- Erwerb der Immobilie noch des des SSV. Nach der erfolgreichen seum jeweils an der Museumsnacht Museumsgutes bestand. An der Drittmittelbeschaffung in Zu­ Bern. 2020 und 2021 musste sie Delegiertenversammlung 2007 sammenarbeit mit dem Sportmu­ wegen der Corona-Pandemie des SSV wurde das Museum seum in Basel1 wurden diese Be­ abgesagt bzw. verschoben werden. schliesslich per 1. Januar 2007 in stände 2016 nach Basel überführt, Foto: © Regula Berger, Bern. die «Stiftung Schweizer Schüt­ wo rund 190 Laufmeter Archiv­ zenmuseum Bern» überführt. gut bewertet, geordnet und in Das Schweizer Schützenmuseum Zwecks Betriebsfinanzierung einem Archivplan verzeichnet figuriert zudem als B-Objekt im wurde mit dem SSV eine Leis­ wurden. Die von metallischen Schweizerischen Kulturgüterschutz- tungsvereinbarung abgeschlos­ Objekten befreiten und in säu­ inventar (KGS-Inventar). sen, die 2017 für weitere zehn refreie Verpackungsmaterialien Jahre erneuert wurde. umgelagerten Archivalien wur­ den anfangs 2017 rückgeführt.

MODERNISIERUNG UND Zur selben Zeit folgte auf Corne­ PROFESSIONALISIERUNG lia Weber die promovierte Juris­ tin und Museumswissenschafte­ Nebst den eigenen Sammlungs­ rin Regula Berger, welche die beständen betreut das Schützen­ Schaffung klarer betrieblicher museum seit Beginn das Archiv Strukturen und die Professiona­ lisierung des Gesamtbetriebes vorantrieb. Nebst vielen Einzel­ projekten – etwa die Systemati­ sierung der Fachbibliothek, ein 6 Protokollbuch des Schweizerischen neuer Internetauftritt sowie di­ Schützenvereins (gegründet 1824 in verse bauliche Massnahmen und Aarau) von 1827/28. Das Archiv Erneuerungen – standen die letz­ des SSV wird im Schützenmuseum ten Jahre daher im Zeichen von

6 aufgehoben und betreut. Vorarbeiten für langfristige Pro­ Foto: © Regula Berger, Bern. jekte.

Seite 26 7 Blick in die Sonderausstellung «Perspektive Kunst. Waffen aus den Sammlungen, fotografiert von Hrvoje Pavelic» (22. November 2019–7. Juni 2020). In der Dauerausstellung gibt es neben Gemälden und Wappenscheiben in mehreren Vitrinen Waffen, Pokale, Medaillen sowie zahlreiche Bild- und Textdokumente zum Schützenwesen zu bestaunen. Foto: © Regula Berger, Schützenmuseum Bern.

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SCHRITTE Rahmen eines bewussten Sam­ bedeuteten eine grosse finanzielle IN DIE ZUKUNFT melns bestehende Bestandeslü­ Belastung und konnten nur dank cken schliessen und die Vermeh­ Drittmitteln realisiert werden. Vordringlich war die Inventari­ rung der Sammlungen gezielt sierung der eigenen Bestände. und kontrolliert angehen zu kön­ Ein anderes grosses Projekt star­ Die Umsetzung hing aber ins­ nen. tete Mitte 2017 und wird sich besondere von personellen Res­ noch über mehrere Jahre hinweg sourcen ab, da der Betrieb bis Eine besondere Herausforderung erstrecken: Das «Museumsquar­ dahin lediglich von einer fest an­ stellten die über 200 Fahnen in tier Bern», eine von elf beteiligten gestellten Museumsleitung sowie den Sammlungen dar. Für die autonomen Institutionen gemein­ Aufsichten während derer Abwe­ möglichst fachgerechte Lagerung schaftlich entwickelte und getra­ senheit gewährleistet wurde. Seit wurde der Einbau von massge­ gene Idee mit dem Ziel, durch April 2019 ist Peter Weber für das schneiderten Fahnenschränken inhaltliche, organisatorische und Projekt zuständig und inventari­ geplant. Aus Statikgründen muss­ wirtschaftliche Zusammenarbeit siert zusammen mit Museums­ te am betroffenen Standort die unter den kulturellen Institutio­ aufsichten und Stiftungsräten die Decke abgestützt werden, was nen einen Mehrwert für die Be­ geschätzten 25'000 bis 30'000 Ob­ nicht nur finanzielle Folgen hat­ völkerung zu schaffen. jekte. Jedes Objekt wird vermes­ te, sondern auch organisatori­ sen, gereinigt und fotografiert, sche Herausforderungen mit sich Der Wunsch nach Neuerungen – mit einer Inventarnummer verse­ brachte. Ab Mai 2019 wurden die nicht nur hinter, sondern auch hen, einem Standort zugewiesen Fahnen über mehrere Monate hin­ vor den Kulissen – leitet all diese und in der professionellen Mu­ weg von einer Textilkonservatorin Arbeiten. Dass der Thematik des seumsdatenbank erfasst. Das begutachtet, gesäubert und inven­ Schiesswesens heute generell Projekt setzte eine Neustruktu­ tarisiert. Nach dem Einbau der eine negative Komponente an­ rierung des Depots und die Anlagen im Juni 2020 konnte die haftet und das Museum seit Jah­ Erarbeitung eines Sammlungs­ Einlagerung Ende 2020 abge­ ren mit sinkenden Besucherzah­ konzepts voraus, um künftig im schlossen werden. Beide Projekte len zu kämpfen hat, ist eine

Seite 27 8 Die mehrfarbig bemalte Seidenfahne 8 der Feldschützengesellschaft Spiez von 1897 wurde in einem sehr fragilen Zustand aufgefunden. Sie war verstaubt, stark ausgeblichen, verbräunt, mit einem leichten Grauschleier versehen, hatte verschiedene Schmutzflecken und auf der Vorderseite grossflächig weissliche Flecken, die vermutlich von einer Altreparatur stammen. Das verknitterte Seidengewebe war trocken und sehr brüchig, mit unzähligen, teils grossen Rissen. Die Bemalung war an vielen Stellen abgerieben und gebrochen. Die Fahne war eine von vielen Textilien, die begutachtet, gereinigt, inventa- risiert und in den neuen Fahnen- schrank eingelagert wurden, um eine möglichst optimale Konservie- rung zu ermöglichen. Foto: © Stefanie Göckeritz, Bern.

Tatsache. Im Hinblick auf das 200­Jahr­Jubiläum des SSV 2024 SCHWEIZER SCHÜTZENMUSEUM BERN begann 2020 daher das Vorpro­ jekt einer Neukonzeption der Die Sammlungen bestehen seit 1885 und veranschaulichen die Dauerausstellung. Damit verbun­ Geschichte des Schweizer Schützenwesens, insbesondere seit der den ist die Chance, von veralteten Gründung des Schweizerischen Schützenvereins 1824. Ausge­ Strukturen abzuweichen und ak­ stellt sind Schützentrophäen wie Pokale, Uhren und Medaillen, tuelle, neue und auch kritische aber auch historische Dokumente und Bildmaterial im Zusam­ Themen aufzunehmen. menhang mit Schützenfesten und internationalen Wettkämpfen sowie Fahnen und Sportwaffen.

QUELLEN An der Luftgewehranlage aus dem Jahr 1952 können die Besu­ cherinnen und Besucher ihre eigene Treffsicherheit beweisen. - Archiv des Schweizerischen Schützenvereins (heute Schweizer Adresse: Bernastrasse 5, 3005 Bern. www.schuetzenmuseum.ch Schiesssportverband SSV) und Archiv des Schweizer Schützenmuse- Öffnungszeiten: Di–Sa: 14–17, So: 10–12, 14–17. ums Bern, Bernastrasse 5, Bern. Sonderausstellungen: ANMERKUNG Aktuell (bis 31.7.2021): Alles zu seiner Zeit. Eine Tour d’Horizon durch die Sammlungen. 1 Das Sportmuseum in Basel figurierte in der Ausgabe des KGS-Inventars Vorschau (24.9.2021–29.5.2022): Lasst es krachen! 2009 als Sammlung von nationaler Studentenverbindungen und Schützenwesen. Bedeutung. Mittlerweile wurde das Museum aufgelöst und die Samm- lungsbestände an andere Orte gebracht.

[Letzter Stand für alle in diesem Beitrag erwähnten Links: 2.3.2021].

Seite 28 LE MUSÉE SUISSE IL MUSEO DEL TIRO THE SWISS

DU TIR À BERNE DI BERNA SHOOTING MUSEUM

IN BERN

La 31e Fête fédérale de tir a été Dopo la 31a Festa federale di tiro Following the 31st Federal Shoot­ organisée à Berne en 1885. Dans tenutasi a Berna nel 1885, fu fon­ ing Festival in Bern in 1885, a de­ la foulée, les organisateurs ont data una Schützenstube (sala dei cision was taken to create a 'shoot­ décidé de fonder un «carnotzet tiratori) per raccogliere, esporre e ing room' (Schützenstube) to collect, du tireur» dans lequel rassembler custodire i trofei per i posteri. display and preserve shooting les collections de trophées, les Venne aperta al pubblico nel 1887 trophies. It opened in 1887 in the exposer et les préserver pour la nella casa Haller nel centro stori­ Hallerhaus building in the centre postérité. co di Berna. Più tardi la collezio­ of Bern. Later, the collection was ne fu spostata nella bernische relocated to the Bernische Muster & Il a été inauguré en 1887 dans la Muster & Modellsammlung (colle­ Modellsammlung in the city's Korn- maison Haller, au centre­ville de zione bernese di modelli) presso haus. In 1894, the collection moved Berne. Plus tard, la collection a il Kornhaus (un tempo deposito di again, this time to the Museum of été transférée à la bernische Mus- grano della città, oggi centro cul­ History Bern. A decade later, the ter & Modellsammlung au Kornhaus turale) prima che nel 1894 la Swiss Shooting Association (SSV) puis le carnotzet a été déplacé Schützenstube venisse trasferita took over the patronage of the dans le nouveau Musée d'His­ nel nuovo Bernisches Historisches Schützenstube and constructed a toire de Berne en 1894. En 1904, la Museum (museo di storia di Ber­ purpose­built facility in Kirchen- Société suisse des carabiniers a na). Nel 1904 la Federazione sviz­ feld to house the collection. In 1939 repris la collection et en 1939, le zera di tiro (FST) ne prese il pa­ the Swiss Shooting Museum final­ Musée du tir actuel a été ouvert à trocinio e nel 1939 fu aperto ly opened its doors. Kirchenfeld. l'attuale museo di tiro in una nuo­ va sede a Kirchenfeld. The permanent exhibition traces L'exposition permanente présente the history of shooting and l'évolution du tir en Suisse depuis L'esposizione permanente docu­ marksmanship in Switzerland, la fondation de la Société suisse menta lo sviluppo del tiro in from the founding of the Swiss des carabiniers en 1824 jusqu'au Svizzera dalla fondazione della Shooting Association in 1824 to sport actuel en tant que discipline Federazione svizzera di tiro nel the evolution of these practices to olympique. Les objets exposés 1824 fino alla pratica sportiva mo­ a modern sporting pursuit and racontent des personnalités du derna come disciplina olimpica. Olympic discipline. The artefacts monde du tir, des traditions ac­ Gli oggetti esposti sono una testi­ on display tell the stories of lead­ tuelles et passées, des compéti­ monianza di personaggi legati al ing figures from the shooting tions, des succès sportifs et aussi tiro, tradizioni vissute e passate, community, document traditions les évolutions sociales et poli­ gare e successi sportivi, ma anche both past and present, recall com­ tiques en Suisse. Le musée se re­ di evoluzioni sociali e politiche petitions and sporting achieve­ nouvelle régulièrement grâce à della Svizzera. Le mostre tempo­ ments, and explore social and des expositions temporaires an­ ranee annuali animano il museo political developments in Swit­ nuelles. e offrono nuove impressioni. zerland. Every year, temporary exhibitions bring new insights Au cours des dernières années, Negli ultimi anni, si è posto l'ac­ and enliven the museum. l'accent a été mis sur la profes­ cento sulla professionalizzazione sionnalisation du fonctionne­ della gestione del museo. I pro­ In recent years, efforts have fo­ ment général. Le désir d'innova­ getti e i lavori attuali sono im­ cused on ensuring that the muse­ tion guide les projets et les prontati dal desiderio di innova­ um is run according to profes­ travaux en cours. zione. sional standards. Innovation is the driving force behind the mu­ seum's current projects and work.

Seite 29 GUIDO SCHENKER UND JONAS HÄNE IM INTERVIEW MIT CLAUDIA MORITZI UND SANDRA NICOLODI HISTORISCHE WAFFEN IM MUSEUM ALTES ZEUGHAUS IN SOLOTHURN

1 Die beiden Historikerinnen begut- achten eine Steinschloss-Muskete aus dem 17. Jahrhundert (Inventar- Nr.: MAZ 655). Weitere Daten: Waffe mit Stechervorrichtung, gezogener Lauf, 15 Züge, Schaft mit Beineinlagen (Jagdszenen), Laufmar- ken. Die Waffe hat eine Gesamtlänge von 158,00 cm. Foto: © Guido Schenker, Solothurn.

thurnischen Geschichte stehen und aus der Zeit des Mittelalters bis 1874 stammen. 1874 ging mit

1 der Revision der Bundesverfas­ sung die Gesetzgebung über das Heerwesen von den Kantonen an Im Bild links: Im Bild rechts: «Das Alte Zeughaus wurde den Bund über. Darüber hinaus Sandra Nicolodi Claudia Moritzi 1609–1614 erbaut und diente bis sammelt das Museum Altes (SN), wissen- (CM), Leiterin 1798 als Waffen- und Rüstungs- Zeughaus Objekte, welche die schaftliche Mit- des Museums lager für die Bürger und den Sammlungsschwerpunkte sinn­ arbeiterin des Altes Zeughaus, Söldnerhandel. Aus dieser Zeit voll ergänzen.»1 Museums Solothurn. stammt ein grosser Teil der Altes Zeughaus, heutigen Sammlung, so auch Da aus Kulturgüterschutz­Sicht Solothurn. die international bekannte neben dem Schutz vor allem auch Harnischsammlung mit rund Fragen zum Umgang, zum Er­ 400 Rüstungen. Neben diesen werb, zur Lagerung oder zur umfasst die Sammlung Mas- Konservierung und Pflege von sen an Hieb- und Stichwaffen, musealen Objekten interessieren, Stangenwaffen, Schusswaffen, hat der langjährige KGS­Verant­ Artillerie, Fahnen, Uniformen wortliche für den Kanton Solo­ und Ausrüstungsgegenstän- thurn, Guido Schenker, noch vor den. Mehr Informationen zu seiner Pensionierung Mitte 2020 den einzelnen Bereichen finden im Hinblick auf den Themen­ Sie in der Sammlung online schwerpunkt des vorliegenden (sammlungmaz.so.ch/). KGS Forums ein Interview ge­ führt. Unterstützt wurde er dabei Die Sammlungspolitik des Muse­ von Jonas Häne (Architekt und ums Altes Zeughaus baut auf den damals Praktikant bei der Denk­ Stärken der bestehenden Samm­ malpflege). Für die Beantwor­ lung auf. Gesammelt werden pri­ tung der Fragen zur Verfügung 1 Der einleitende Text wurde der mär Militaria solothurnischer gestellt haben sich freundlicher­ Website des Museums entnommen: Provenienz und Militaria, die im weise Claudia Moritzi (CM) und https://museum-alteszeughaus.so.ch/ Zusammenhang mit der solo­ Sandra Nicolodi (SN).

Seite 30 KGS: Welche grundsätzlichen Be- Wie beurteilen Sie bei einem Objekt, sprung recherchiert oder wie die dingungen gelten für das Erfassen ob es museumswürdig ist oder nicht, Waffe gebraucht wurde bzw. ob sie einer Waffe? Wann ist eine Waffe wenn sie es erstmals erhalten? im Einsatz war? interessant für das Museum? CM: Wir sprechen bei der Beur­ SN: Die Provenienz ist immer CM: Die grundsätzliche Bedin­ teilung eines Objekts von dessen wichtig. Bei Neuzugängen halten gung für das Erfassen eines Ob­ Potenzialität. Einige Punkte, die wir alles fest, was wir in Erfah­ jekts ist, dass es definitiv in die zu diesem Kriterium zählen, ha­ rung bringen können. Bei Objek­ Sammlung aufgenommen wird. ben wir schon genannt – viel­ ten, die bereits länger in der Für eine Akzession gilt es ver­ leicht wäre noch zu ergänzen, Sammlung sind, ist dies im Nach­ schiedene Aspekte zu berück­ dass wir auch abklären, ob sich gang leider meist sehr schwierig sichtigen. Wir prüfen etwa, ob ein Objekt potenziell für Ausstel­ aufzuarbeiten. das Objekt in unseren Samm­ lungen oder für die Vermittlung lungsschwerpunkt passt: Trägt es eignet. Einige Objekte sind insbe­ CM: Unsere Sammlung umfasst zur Sammlungsqualifizierung sondere durch ihre Geschichte, über 20'000 Objekte. Leider können bei, wie ist der Zustand des Ob­ die sie erzählen, interessant für wir mit den vorhandenen Ressour­ jektes und können wir es fachge­ die Vermittlung. cen nur punktuell solche Informa­ recht aufbewahren? Wichtig sind tionen erforschen. Wir erweitern, auch unsere Ressourcen: Für den Welche Minimaldaten werden bei ergänzen und verbessern das In­ Erhalt und die Pflege braucht es einer Erstinventarisierung erfasst? ventar jedoch laufend. Ein Inventar sowohl finanzielle wie auch per­ ist wohl nie abgeschlossen… sonelle Mittel. Man muss sich be­ SN: Bei einer Registrierung wer­ wusst sein, dass man mit der den die wichtigsten Informatio­ Welche Quellen werden bezüglich Aufnahme eines Objekts in eine nen festgehalten: Worum handelt Informationen zum Objekt benutzt? Sammlung auch eine langfris­ es sich, vom wem ist das Objekt, tige Verantwortung dafür über­ wann und wie gelangte es in die SN: Bei Neuzugängen versuchen nimmt. Es kommt durchaus vor, Sammlung und natürlich welche wir, von den Personen, die uns dass wir Kauf­ oder Schenkungs­ Inventarnummer wird es erhal­ das Objekt übergeben, so viel In­ angebote ablehnen müssen, weil ten? Idealerweise nimmt man formationen wie möglich zu sam­ diese Bedingungen nicht erfüllt hier möglichst schon Zusatzin­ meln. Bei Objekten, die bereits in sind. formationen auf. Bei der Inventa­ der Sammlung sind, recherchie­ risierung wird das Objekt be­ ren wir die entsprechende Fach­ SN: Wir berücksichtigen in die­ schrieben, Masse und Gewicht literatur und vergleichen mit an­ sem Prozess auch die Samm­ werden aufgenommen, Material, deren Sammlungen. Bisweilen lungslandschaft der Schweiz. Hersteller, Literaturnachweise bekommen wir auch Inputs über Wir kennen die Schwerpunkte usw. sind zu erfassen. Wir richten Anfragen von Forschenden. Wir anderer sammelnder Institutio­ uns dabei nach den museologi­ versuchen, unser Wissen stetig nen und sprechen uns bisweilen schen Standards. Die hierauf ba­ auszubauen. untereinander ab. Es kann sein, sierende Datenbankmaske gibt dass uns ein interessantes Objekt einem die Felder vor, an denen CM: In unserer Sammlung haben angeboten wird, das zwar nicht man sich gut orientieren kann – wir ganz unterschiedliche Ob­ in unsere eigene, jedoch gut in ähnlich wie früher bei den vorge­ jekttypen – von Fahnen über eine andere Sammlung passen fertigten Objektkarteikarten. Waffen bis hin zu Rüstungen und würde. Dann verweisen wir die Zinnfiguren, um nur einige zu anbietende Person entsprechend Werden auch wissenschaftliche Da- nennen. Wir wissen zu all diesen weiter. ten erfasst, etwa dass man den Ur- Objekten etwas, sind aber keine

Seite 31 Einige Beispiele aus dem Bestand 3 Detail der in Abb. 1 gezeigten Muskete historischer Schusswaffen im aus dem 17. Jahrhundert (Inventar-Nr.: Museum Altes Zeughaus. MAZ 655).

2 Perkussionspistole, um 1835 4 Perkussionspistole, um 1835, hergestellt hergestellt von P. Ruoff, von M. Ruoff, Büchsenmacher, Büchsenmacher, Solothurn. Solothurn. Kaliber: 9,5 mm, Kaliber: 12,60 mm, Länge: 228,00 mm, Gewicht: 340 g. Länge: 330,00 mm, Gewicht 730 g. (Inventar-Nr.: MAZ 4441-2). (Inventar-Nr.: MAZ 4435-2). Fotos: © Guido Schenker, Solothurn.

Expertinnen. Daher greifen wir SN: Ja, das System der Inventar­ natürlich auch immer wieder auf nummern ist schon so alt. Die das Wissen von Leuten zurück, Standortverwaltung, der diese die sich in einem bestimmten Be­ Nummern zudienen, wird heute reich detaillierter auskennen. jedoch via Datenbank gepflegt. Wir achten sehr darauf, dass bei Wie beschriften Sie eine Schusswaffe jeder Verschiebung eines Objek­ für die erstmalige Inventarisierung? tes der Standort nachgeführt Was ist dabei zu beachten? Da gibt wird – sonst finden wir es unter es sicher ein System. Umständen wirklich nicht mehr, da wir sehr viele Objekte haben. SN: Jedes Objekt, das in die Das muss auf jeden Fall verhin­ Sammlung aufgenommen wird, dert werden.

2 erhält eine Inventarnummer. Da­ durch wird es identifizierbar. Un­ Welchen Zeitraum deckt die Samm- sere Inventarnummern folgen lung des Museums Altes Zeughaus einer fortlaufenden Nummerie­ ab? rung. Daher wissen wir intern anhand dieser Nummer auch, CM: Unsere Sammlung umfasst wann in etwa ein Objekt in unser Objekte vom Mittelalter bis ins Haus gekommen ist. Hierzu wird 21. Jahrhundert – zum Kernbe­ seit über 100 Jahren ein Eingangs­ reich der Sammlung gehören buch geführt, früher handschrift­ aber Militaria solothurnischer lich – heute elektronisch. Klar Provenienz bis 1874 und Milita- unterschieden wird zudem zwi­ ria, die in einem Zusammenhang schen einem Sammlungsobjekt mit der solothurnischen Ge­ und einem Depositum. Deposita schichte aus demselben Zeit­ sind Objekte, die uns nicht gehö­ raum stehen.

3 ren, die aber schon lange – zum Teil seit Jahrzehnten – von uns Welche Ziele verfolgt das Museum aufbewahrt werden. mit dem Ausstellen von Waffen?

CM: Die von Frau Nicolodi er­ CM: Kriege und Konflikte sind wähnten Nummern erkennt man Teil unserer Geschichte. Zum in unserer Ausstellung auf den Glück ist die Schweiz seit vielen Plättchen an den Objekten. Wer Jahren nicht direkt von Kriegen will, kann diese Nummern in un­ betroffen – aber die Eidgenos­ serer Online­Sammlung recher­ senschaft hat eine durchaus krie­ chieren und so direkt in der Aus­ gerische Vergangenheit. Das wis­ stellung, aber auch von daheim sen viele nicht: Die oft zitier­ aus, zusätzliche Informationen te humanitäre Tradition der zu den ausgestellten Objekten er­ Schweiz existiert viel weniger halten. lang als die kriegerische. Viele Eidgenossen haben über Jahr­

4 Zur Standortidentifizierung haben hunderte hinweg ihr Geld im Sie also dieses 100-jährige System? Kriegsdienst verdient. Gerade

Seite 32 5 Eine der älteren Waffen im Museum. Eiserne Hackenbüchse mit Luntenschloss (um 1525) aus der Hammerschmiede der Gewerkefamilie Pögel, Thörl bei Aflenz (Steiermark). Gewicht: 23,20 kg, Länge: 135,80 cm. (Inventar-Nr.: MAZ 645). Foto: © Nicole Hänni, Museum Altes Zeughaus.

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auch in Solothurn war das Sold­ vor allem welche Verfahren und aktuell noch nicht vorhanden, wesen enorm wichtig. Einige Fa­ allenfalls welche Produkte einge­ soll aber in Zusammenarbeit mit milien sind dadurch sehr reich setzt wurden. dem Kulturgüterschutz des Kan­ geworden – das sieht man in tons ausgearbeitet werden. Solothurn sehr gut. Ich finde es 3D-Aufnahmen zur Herstellung ei- wichtig, dass man auch daran er­ ner Kopie bei fragilen Objekten sind Wie wird eine Schusswaffe für eine innert und die Leute zum Nach­ immer häufiger in der Diskussion: allfällige Verpackung vorbereitet, denken über Krieg, Konflikte Käme das allenfalls für Ihr Museum beispielsweise für einen Transport? und die Bedeutung von Frieden bei einem solchen Objekt in Frage? anregt. CM: Wenn ein Objekt das Depot CM: Wir hatten noch kein Objekt, verlässt, wird dies dokumentiert: Ein Objekt in Ihrer Sammlung ist in das kurz vor dem Verlust stand, Wohin geht es, wo ist der neue einem sehr zerbrechlichen Zustand. daher hat sich uns diese Frage Standort und was ist der Grund Kommt es vor, dass das Risiko einer bisher nicht gestellt. Ich könnte der Verschiebung? – Das sind die weiteren Beschädigung durch Res- mir aber vorstellen, dass wir das wichtigsten Fragen. Dabei ist taurierung zu hoch ist und man das durchaus prüfen würden. Unser Vorsicht geboten, denn grund­ Objekt nur noch so gut wie möglich oberstes Ziel muss aber die Erhal­ sätzlich bedeutet jede Bewegung konserviert? tung des Originals sein. Das Ori­ eine potenzielle Gefährdung für ginal hat eine Aura, die meiner das Objekt. Das Objekt wird mit SN: Ja, das kommt durchaus vor. Meinung nach nicht durch eine geeigneten Materialien verpackt, Das betrifft in unserer Samm­ Replika ersetzt werden kann. sodass es während des Trans­ lung weniger die Waffen, son­ ports keinen Schaden nimmt. dern eher textile Objekte. Wir Welche Sofortmassnahmen müssten haben zum Beispiel Fahnen, die bei einem Brandfall durchgeführt War Schimmelpilz schon einmal ein in einem heiklen Zustand sind. werden? Ich denke beispielsweise an Thema bei Ihren Objekten? Etwa auf Die Stoff­Fasern sind bei einigen Sprinkleranlagen, welche die Objekte dem Leder? dermassen brüchig, dass man sie grundsätzlich auch schädigen kön- nur schwer restaurieren könnte nen? Gibt es einen Einsatzplan für SN: Wir hatten schon Verdachts­ bzw. eine Restaurierung extrem die Feuerwehr? fälle – Abklärungen haben aber teuer wäre. ergeben, dass es sich dabei nicht CM: Löschwasser führt natür­ um Schimmel handelte. Laut dem Wenn Sie etwas in die Restaurierung lich zu Schäden, aber bei einem Restaurator, der dies untersucht geben, wird dann auch eine Doku- Brandfall gilt es Objekte, das hat, gibt es oft auch Pflegefehler mentation mit Fotos angefordert? denkmalgeschützte Gebäude am Leder, welche Laien fast nicht und selbstverständlich Personen von Schimmel unterscheiden CM: Das müssen wir nicht spezi­ zu schützen. Im Museumsgebäu­ können. Bei der Prävention von ell anfordern, das gehört heute de ist seit dem Umbau und der Schimmel ist die Kontrolle der standardmässig zur Arbeit der Sanierung (2014–2016) eine Nie­ Luftfeuchtigkeit entscheidend – Restauratorinnen und Restaura­ derdruck­Feinsprühlöschanlage die wird bei uns gut überwacht. toren. Restaurierungen, die schon eingebaut, die nur beim Vorhan­ länger zurückliegen, sind leider densein mehrerer Parameter aus­ CM: Die Schwankungen im Kli­ nicht immer so gut dokumen­ löst und auch nur zonenweise ma sollen möglichst gering sein. tiert. Auch wenn wir selber Ob­ Wasser freisetzen würde. Auch andere Schadensfaktoren jekte reinigen, dann halten wir in versuchen wir zu minimieren, der Sammlungsdatenbank fest, Ein konkreter Evakuierungsplan aber unser Depot befindet sich in wer was wann gemacht hat, und – das müssen wir zugeben – ist einem historischen Gebäude, das

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ist nicht ideal und erschwert die Kann man historische Waffen zum 6 Sowohl das Alte Zeughaus als Bau präventive Konservierung oft. Teil auseinanderbauen für Restau- sowie die Sammlung des Museums rierungszwecke? Waren sie über- sind Objekte von nationaler Bedeu- SN: Die präventive Konservie­ haupt so konstruiert, dass man sie tung (A-Objekte) im Schweizerischen rung – also das Schaffen von Be­ auseinandernehmen konnte? Kulturgüterschutzinventar (KGS- dingungen, welche ein Objekt Inventar). Zurzeit läuft die Revision möglichst bereits im Vorfeld vor CM: Ja, man kann die Waffen des KGS-Inventars – nach der Schäden bewahren – ist ein steti­ auseinandernehmen. Sie mussten Genehmigung durch den Bundesrat ger Prozess, dem wir uns best­ ja auch bereits früher gepflegt (voraussichtlich in der zweiten möglich anzunähern versuchen. werden. Aber natürlich machen Jahreshälfte 2021) wird die bereits wir dies nur, wenn es wirklich 4. Fassung dieses Inventars publi- Welche Art der Ausstellung ist bes- nötig ist. ziert werden. ser geeignet für eine Schusswaffe: Foto: © Guido Schenker, Solothurn. ein Aufhängen, ein Legen oder das Herzlichen Dank für das Interview Aufstellen? und für die Einblicke in den Umgang [Letzter Stand für alle in diesem mit historischen Waffen. Beitrag erwähnten Links: 2.3.2021]. CM: Wir haben uns in der Aus­ stellung in der Regel für die hori­ zontale Präsentation entschieden, weil uns dies für die Betrachtung der Objekte geeigneter schien. Im Depot lagern wir die Objekte an­ ders: Kleinere Schusswaffen bei­ spielsweise liegend in Schubla­ den und Gewehre aufgestellt in speziellen Rechen.

Seite 34 ARMES HISTORIQUES ARMI STORICHE WEAPON COLLECTION

AU MUSÉE DE NEL MUSEO DEL OF THE

L'ANCIEN ARSENAL VECCHIO ARSENALE ALTES ZEUGHAUS

DE SOLEURE DI SOLETTA SOLOTHURN

L'ancien arsenal a été construit L' Altes Zeughaus (vecchio arse­ The Altes Zeughaus (old arsenal) entre 1609 et 1614 et a servi de nale) fu costruito nel 1609–1614 e was built in 1609–1614. Until 1798 dépôt d'armes et d'équipements servì da magazzino delle armi it served as a storehouse for the pour les citoyens et les merce­ per i cittadini e per il commercio armoury and weapons of local naires jusqu'en 1798. Une grande mercenario fino al 1798. Gran burghers and the mercenary partie de la collection actuelle parte dell'attuale collezione risale trade. Much of the museum col­ date de cette époque, notamment a questo periodo, compresa la col­ lection dates from this period, la collection d'armures de renom­ lezione di armature di fama in­ including its internationally re­ mée internationale qui compte ternazionale che conta circa 400 nowned armoury collection that environ 400 pièces. Elle com­ pezzi. Comprende inoltre nume­ boasts as many as 400 suits of prend d'innombrables armes rose armi da taglio, da punta, da armour. The collection also in­ blanches, armes d'hast, armes à palo, da fuoco, artiglieria, bandie­ cludes a plethora of cut and feu, pièces d'artillerie, drapeaux, re, uniformi e attrezzature. Nel thrust weapons, pole arms, fire­ uniformes et équipements. De web si trovano informazioni arms, ordnance, flags, uniforms plus amples informations sur la dettagliate sui singoli ambiti del­ and other accoutrements. More collection sont disponibles en la collezione (sammlungmaz.so. information on the museum's ligne (sammlungmaz.so.ch/). ch/). collections can be found online (sammlungmaz.so.ch/). En matière de protection des Dato che per la protezione dei biens culturels, les questions rela­ beni culturali sono di particolare Given that the handling, acquisi­ tives à la manipulation, l'acquisi­ interesse anche gli aspetti concer­ tion, storage, conservation and tion, le stockage, la conservation nenti la manipolazione, l'acquisi­ care of museum artefacts is also et l'entretien des objets de musée zione, lo stoccaggio, la conser­ of interest to protection of cultur­ présentent un intérêt particulier. vazione e la cura degli oggetti al property efforts, Guido Schen­ Guido Schenker, qui a été respon­ museali, Guido Schenker, che ha ker, who was then the chief PCP sable PBC du canton de Soleure diretto per molti anni la PBC del officer in the canton of Solothurn, pendant de nombreuses années, Canton Soletta, ha raccolto un'in­ interviewed two members of the a donc réalisé une interview tervista sul tema principale di Altes Zeughaus staff in advance of avant sa retraite mi­2020 concer­ questo Forum PBC prima di an­ the shooting­themed PCP Forum. nant le thème principal de la pré­ dare in pensione a metà del 2020. Claudia Moritzi, a historian and sente édition de Forum PBC. Il a In questo lavoro è stato coadiuva­ director of the museum, and été assisté par Jonas Häne (archi­ to da Jonas Häne (architetto e Sandra Nicolodi, a research assis­ tecte et à l'époque stagiaire au all'epoca stagista presso l'ente di tant in the collection/exhibition service de la conservation des tutela dei monumenti). Claudia department kindly agreed to take monuments historiques). Clau­ Moritzi (CM; storica e direttrice part. Jonas Häne, who was an in­ dia Moritzi (CM; historienne et del museo) e Sandra Nicolodi tern at the Monument Preserva­ directrice du musée) et Sandra (SN; collaboratrice scientifica del tion Office at the time, assisted Nicolodi (SN; collaboratrice settore collezioni/esposizioni) si with the interview. Mr Schenker scientifique dans le domaine des sono gentilmente offerte di ri­ retired in mid­2020. collections et expositions) ont spondere alle domande. volontiers accepté de répondre aux questions.

Seite 35 THOMAS ANTONIETTI DIE LÖTSCHENTALER HERRGOTTSGRENADIERE

Thomas Antonietti, Die Herrgottsgrenadiere des Dabei tragen Wachtmeister und Ethnologe, Kurator Lötschentals verleihen mit ih- Fähnrich Zweispitze, die Grena- am Lötschentaler ren historischen Uniformen den diere an der Spitze des Aufzugs Museum, kirchlichen Prozessionen an Bärenfellmützen und der hinte- Präsident von Fronleichnam, am darauffol- re Zug das frühere Käppi der Museumsnetz genden Sonntag (Segensonntag) Schweizer Armee. Wallis. und an den Kirchweihfesten ein ganz besonderes Gepräge. Die An Fronleichnam, Segensonn­ Uniformen gehen zum Teil auf tag und Kirchweih nehmen die die fremden Kriegsdienste zu- Grenadiere jeweils am Vormittag rück; teilweise bestehen sie anlässlich der Messfeier und auch aus früheren Ausrüstun- der anschliessenden Prozession gen der Schweizer Armee. Das durchs Dorf teil, wo sie dem vom auffallendste Merkmal ist der Priester in einer Monstranz ge­ rote Uniformrock mit den weis- tragenen Allerheiligsten das Ge­ sen Epauletten und dem weis- leit geben. Am Nachmittag treten sen Wehrgehänge mit Säbel und sie bei der sogenannten Para­ 1 Robert Rieder aus Kippel und Sohn Patronentasche. Einen Blick- de ein zweites Mal auf. Dabei Alois in der Uniform der Herrgotts- fang stellen auch die verschie- schwingt der Fähnrich unter Be­ grenadiere, um 1940. Foto: © Löt- denen Kopfbedeckungen mit gleitung der Musikgesellschaft schentaler Museum, Albert Nyfeler. den hohen Federbüschen dar. die Gemeindefahne. Komman­ diert und angeführt wird der

1 Aufzug vom Wachtmeister. Ihm folgen der erste und der zweite Zug, die durch den Fähnrich (Fender) voneinander getrennt sind.

Die Aufzüge finden – ausser an Kirchweih – in allen vier Pfarrei­ en des Lötschentals (Blatten, Wi­ ler, Kippel, Ferden) gleichzeitig statt. Dabei spielt auch eine ge­ wisse Rivalität mit, indem jede Gemeinde bestrebt ist, einen möglichst imposanten Soldaten­ aufzug auf die Beine zu stellen. Neben den beiden Grenadier­ zügen bestimmen weitere Grup­ pen die akustische und visuel­ le Ästhetik der Prozessionen: Kirchenchor, Musikgesellschaft, Fahnenträgerinnen und ­träger, Laternen­ und Kreuzträger, Trachtenfrauen, weissgekleidete Mädchen…

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WANDEL UND KONSTANZ meister – von den Stimmberech­ 2 Parade der Grenadiere mit Fahnen- tigten der jeweiligen Gemeinde schwingen anlässlich des Fronleich- Traten die Herrgottsgrenadiere gewählt. Beiden Ämtern kommt namsfestes in Blatten 2011. früher vereinzelt auch an weltli­ noch immer ein hohes Prestige Foto: © Lötschentaler Museum, chen Anlässen auf, kommt heute zu. Und die Teilnahme am Auf­ Elias Schnydrig. der Grenadieruniform im Löt­ zug erfolgt mehr oder weniger schental – ähnlich der Frauen­ spontan. Das heisst, wer männli­ tracht – fast nur mehr die Funkti­ chen Geschlechts ist, über eine on eines Kirchenkleids zu. Neben Uniform verfügt und Lust hat den dreimal jährlich stattfinden­ aufzuziehen, macht mit. Irgend­ den Prozessionen verschönern welche Vereinszugehörigkeit sie auch die selten gewordenen oder ein geleisteter Militärdienst Primizfeiern sowie den Empfang sind nicht erforderlich. Für die eines neuen Pfarrers. Solange die teilnehmenden Soldaten geht es vier Gemeinden des Tals eine ein­ beim Uifzug um ein freiwilliges zige Pfarrei bildeten, stellte an Bekenntnis zu einer Tradition fremden Kriegsdienste zurück zu Fronleichnam jeweils nur eine und Glaubenspraxis. gehen, für die sich nicht wenige Gemeinde die Ehrenkompanie. Lötscher während Jahrhunderten An Segensonntag und Kirchwei­ und bis zum eidgenössischen he marschierten dagegen alle EUROPÄISCHE Verbot von 1859 rekrutieren lies­ vier Gemeinden gemeinsam auf. URSPRÜNGE sen. Die heimgekehrten Söldner wussten um die Wirkung des Doch weniger der Wandel ist es Die militärische Eskortierung militärischen Kleides auch bei als vielmehr die Konstanz, wel­ wichtiger Personen oder Ereig­ religiösen Anlässen. Prunkvolle che den Brauch des Herrgottsgre­ nisse hat in Europa eine lange Manifestationen wie etwa die all­ nadiers prägt. So stellt etwa die Tradition. Sie diente in gleicher jährliche Prozession vom 8. Sep­ Einsetzung eines neuen Fenders Weise der Ehrerbietung gegen­ tember nach Santa Maria di Pie­ nach wie vor ein besonderes Er­ über dem weltlichen wie dem digrotta in Neapel – mit einem eignis dar, an dem ein grosser göttlichen Herrscher. Im Löt­ Aufzug von gegen 20'000 Solda­ Teil der Bevölkerung teilnimmt. schental scheint der Soldaten­ ten – waren ihnen Vorbild für die Der Fender muss jeweils ledig aufzug in historischen Unifor­ Gestaltung religiöser Feste zu sein und wird – wie der Wacht­ men an Prozessionen auf die Hause.

Seite 37 3 Fronleichnam in Blatten, Gemälde von Karl Anneler, um 1924. Foto: © Lötschentaler Museum, Thomas Andenmatten.

4 Das Allerheiligste, geschützt von Baldachin und Grenadieren, wird vom Priester zurück zur Pfarrkirche von Kippel getragen, um 1930. Foto: © Mediathek Wallis – Martig- ny, Albert Nyfeler.

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Für das Tragen alter Söldneruni­ formen an kirchlichen Feierta­ gen gibt es zahlreiche Belege. Unter anderem schreibt der Tog­ genburger Landschaftsmaler Rudolf Bühlmann 1835 in sei­ nem Reisebericht: «So habe ich in diesen Dörfchen über 1 Dut­ zend meist französische Unifor­ men worunter auch eine Husaren­ uniform aus der Zeit vor oder unter den Fenstern ge­ sehen, um sie gut auszutrock­ nen, weil sie letzten Sonntag bey der Prozession getragen wur­ den.»

Die Uniformen aus fremden Kriegsdiensten vererbten sich von Generation zu Generation.

Doch ab dem späten 19. Jahrhun­ 4 dert musste der seit 1859 (Verbot der fremden Kriegsdienste) aus­ bleibende Uniformnachschub findet sich in der Sammlung des EIN TOURISTISCHES mittels Neuanfertigung oder Zu­ Lötschentaler Museums neben MARKENZEICHEN kauf aus anderen Regionen er­ roten Uniformen aus Neapel auch setzt werden. So liess man sich ein weisser Uniformrock eines Wieso der Lötschentaler Prozes­ 1883 die Herstellung von 150 Uni­ Unteroffiziers, der von Peter Josef sionsaufzug im späten 19. Jahr­ formröcken die erkleckliche Werlen aus Kippel aus Neapel hundert an den historischen Uni­ Summe von Fr. 12'000.– kosten, mit nach Hause gebracht wurde.1 formen festhielt und nicht, wie wobei die Zahlung grossenteils andernorts üblich, zur Militär­ in Form von Holz bzw. lärchenen Eine Vereinheitlichung erfuhr uniform der Schweizer Armee Rebsticheln erfolgte. Vermutlich auch die Bewaffnung. Waren bis griff, muss offenbleiben. Fest erst in dieser Zeit begann sich das zum Zweiten Weltkrieg noch steht, dass das Verharren in der Bild des Grenadierzugs an den Vorderlader und andere histori­ alten Brauchform deren Attrakti­ Prozessionen zu vereinheitli­ sche Ordonanzwaffen vertreten, vität beträchtlich steigerte. Die chen. Vorher trug jeder Grenadier wird heute einheitlich der Kara­ nach dem Modell neapolita­ jene Uniform, die er aus Paris, biner geschultert. Doch die Ge­ nischer Söldneruniformen ge­ Neapel oder von anderswo her wehre bleiben stumm. Böller­ schneiderten rotweissen Unifor­ mitgebracht oder von einem Vor­ schüsse sind schon lange keine men machten das «Tal der Täler» fahren übernommen hatte. So mehr zu vernehmen. – im Verbund mit Masken und

Seite 38 5 Stefan Murmann, letzter Talfender des Lötschentals (von 1932 bis 1978). Die Uniform findet sich heute in den Beständen des Lötschentaler Museums. Foto: © Lötschentaler Museum, Carl Abächerli.

Das Lötschentaler Museum ist ein B-Objekt im Schweizerischen Kulturgüterschutzinventar (KGS-Inventar).

Trachten – in der ganzen Schweiz und darüber hinaus bekannt. Zur touristischen Attraktion wurde die Fronleichnamsprozession mit dem Soldatenaufzug insbeson­ dere nach der Eröffnung des Lötschbergtunnels 1913. Und mit August Kerns Film Die Herrgotts- grenadiere bekamen die roten Sol­ daten im Jahre 1932 jene Bezeich­ nung, unter der sie inzwischen emblematischen Charakter erhal­ ten haben.

Doch nicht alle waren mit diesem Verfügbarmachen ihres Brauches für neue Zwecke einverstanden. 5 Immer wieder zu Diskussionen führten etwa die Störung eines religiösen Festes durch ein touris­ hl. Paulus ein Schauspiel vor der Folklore,» hört man Grenadiere tisches Publikum, aber auch der Welt, aber nicht für die Welt.» So etwa sagen; aber auch: «Jede Ge­ Auftritt der Herrgottsgrenadiere beschlossen die Herrgottsgre­ meinde hat natürlich auch ihren an Anlässen ausserhalb des Tals. nadiere des Lötschentals 1947, Stolz. Wenn gar keine Zuschauer Den Grundkonflikt brachte Jo­ grundsätzlich nicht mehr an kämen, wäre es auch wieder hann Siegen, 1914–1974 Prior von weltlichen Anlässen teilzuneh­ nicht recht.»2 Kippel, wie folgt auf den Punkt: men. «Man zieht ja schliesslich «Wir sind nach den Worten des zur Ehre Gottes auf und nicht als ANMERKUNGEN

DAS LÖTSCHENTALER MUSEUM 1 https://www.loetschentalermuseum. ch/uniform-3/ Das Lötschentaler Museum in Kippel führt Sie ein in eine Welt 2 Mehr zum Thema: Antonietti voller Traditionen und Bräuche. Über 80 Holzmasken bieten Ih­ Thomas; Seeberger Marcus, 1988: nen ein lückenloses Panorama der Entwicklung des Maskenwe­ Die Herrgottsgrenadiere. Ursprung sens vom 19. Jahrhundert bis heute. Originalobjekte und Filme und Phänomen eines Brauchtums. lassen Sie die festlichen Trachten der Lötscherinnen und die his­ Lötschentaler Museum, Kippel. / torischen Uniformen der Herrgottsgrenadiere erleben. Sie erfah­ Antonietti Thomas, 1994: «’Für Gott ren, was die Menschen am Fusse des Bietschhorns im Lauf der und Vaterland’. Streiflichter auf das Jahrhunderte bewegt hat. Und Sie entdecken die Darstellung von kirchliche Brauchtum im Wallis». In: Land und Leuten in Fotografie, Film und Kunst. Das Museum Alpenbräuche – Riten und Traditi- organisiert jährlich zwei Sonderausstellungen. Die im Beitrag onen in den Alpen, S. 13–28. Edition erwähnten Uniformen sowie eine Talfahne aus dem 17. Jahrhun­ Tau, Bad Sauerbrunn. dert sind in der Dauerausstellung zu sehen.

Weitere Informationen unter: www.loetschentalermuseum.ch [Letzter Stand für alle in diesem Beitrag erwähnten Links: 2.3.2021].

Seite 39 LES GRENADIERS I GRANATIERI DI DIO THE LÖTSCHENTAL

DE DIEU DELLA LÖTSCHENTAL GRENADIERS OF GOD

DU LÖTSCHENTAL

Les Grenadiers de Dieu (Herr- Con le loro uniformi storiche, i With their distinctive historical gottsgrenadiere) du Lötschental Granatieri di Dio (Herrgottsgrena- costumes, the Lötschental Gren­ donnent aux processions de la diere) della Lötschental conferi­ adiers of God (Herrgottsgrena- Fête­Dieu, du dimanche suivant scono alla processione del Corpus diere) bring a very special touch to (Dimanche de la bénédiction) et Domini, a quella della domenica the Feast of Corpus Christi proces­ des fêtes religieuses un caractère successiva (domenica della bene­ sion, the Benediction Sunday pro­ très particulier avec leurs uni­ dizione) e in generale alle feste cession (which is held on the formes historiques qui font réfé­ religiose un carattere molto spe­ Sunday after Corpus Christi), and rence, d'une part, au service ciale. various dedication services. étranger et, d'autre part, aux an­ ciens équipements de l'armée Queste uniformi risalgono in The uniforms are a combination suisse. parte a servizi mercenari prestati of those once worn by local men all'estero e in parte consistono in while serving in foreign armies La principale caractéristique est vecchi equipaggiamenti dell'eser­ and early Swiss army uniforms. la veste rouge munie d'épaulettes cito svizzero. La caratteristica The most striking feature is the blanches et d'un baudrier blanc dell'uniforme più appariscente è scarlet tunic with the white epau­ destiné à recevoir le sabre et la la giubba rossa con le spalline lettes and white crossed holders giberne. Impossible de ne pas re­ bianche e le bretelle incrociate for swords and cartridge bags. marquer les différentes coiffes bianche con la sciabola e la custo­ Equally eye­catching are the avec leurs hauts panaches. Le dia per le cartucce. Anche i diver­ plumed caps. The Grenadiers' commandant et le porte­drapeau si copricapi con i loro alti pennac­ headwear varies by rank: officers portent des bicornes, les grena­ chi catturano l'occhio. Il sergente and officer cadets wear a cocked diers défilant en première ligne e l'alfiere indossano berretti a due hat; the men at the front of the des bonnets en fourrure, ceux des punte, i granatieri in testa al cor­ procession wear bearskin hats, derniers rangs les anciens képis teo indossano berrettoni e il plo­ while those bringing up the rear de l'armée suisse. tone in coda al corteo porta il vec­ wear caps once worn by the Swiss chio chepì dell'esercito svizzero. army. Le défilé de soldats en uniformes historiques lors de processions La processione dei soldati in uni­ The participation of soldiers in fait référence au service étranger formi storiche risale probabil­ historical uniform in these pro­ auquel un grand nombre d’habi­ mente al servizio mercenario cessions is probably a legacy from tants du Lötschental ont pris part estero, per il quale furono re­ when Swiss men served in for­ au cours des siècles. clutati parecchi abitanti della eign armies. For centuries, the Lötschental nel corso dei secoli. Lötschental provided a steady supply of young fighters.

Seite 40 PHILIPP MESSNER DAS SCHÜTZENFEST - EINE KLEINE PLAKATGESCHICHTE

AUSGEWÄHLTE BEISPIELE

AUS DER PLAKATSAMMLUNG DER SCHULE FÜR GESTALTUNG BASEL

Sucht man mit Hilfe des hinter- Als Werbung für einen besonde­ legten Thesaurus in der Daten- ren Anlass repräsentieren die bank der Plakatsammlung der Schützenfest­Plakate nicht nur Schule für Gestaltung Basel die damit jeweils verbundenen (SfG) nach Plakaten zum Thema Vorstellungen und Werte, sie sind «Veranstaltungen – Sport – auch Zeugnisse und Spiegel einer Schiessen» erhält man 140 Ein- darüber hinausgehenden, allge­ träge zu Schweizer Plakaten aus meinen Plakatgeschichte. Dies den Jahren 1890 bis 2015. Die soll im Folgenden an einigen aus­ Philipp Messner, entsprechenden Vorschaubilder gewählten Beispielen illustriert M.A., Kulturwis- geben einen Überblick über die werden. senschaftler und Ikonografie des Schützenfest- Archivar. Seit plakats seit dem späten 19. Jahr- 2020 als Fachrefe- hundert. Ein häufiges Motiv ist FRÜHE BEISPIELE rent verantwort- das des einzelnen Schützen – lich für die öffent- zum einen als Repräsentant der Bei den ältesten Objekten in der liche Plakatsamm- Gesamtheit der Teilnehmenden, Sammlung handelt es sich um lung der Schule zum anderen als Verkörperung einfarbig reproduzierte Bildta­ für Gestaltung eines propagierten Ideals. Ger- feln, welche als schmückende Bei­ Basel. ne wird auch der jeweilige Aus- gabe zu Schiessplan und Ehrenga­ tragungsort mit typischen ben aufgehängt wurden (Abb. 1). Landschafts- oder Stadtansich- Um 1895 tauchen dann erstmals ten dargestellt – oft in Kombina- mehrfarbige Lithografien auf, die tion mit entsprechenden Wap- als Plakate im engeren Sinn ange­ pen und Fahnen. sprochen werden können.

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1 Anonym, Eidgen. Schützenfest Frauenfeld, 1890, 76 × 100.5 cm, Lithografie, gedruckt von Lith. Kunstanstalt Heinrich Schlumpf, Winterthur. Abb.: gemeinfrei, Plakatsammlung der SfG Basel, CH-000957-X 39073.

Seite 41 2 Edmond Bille, Tir fédéral à Neuchâ- tel, 1898, 106 × 75.5 cm, Lithogra- fie, gedruckt von Gebr. Fretz, Zürich, Plakatsammlung der SfG Basel, CH-000957-X 46961. Abb.: © Rechte bei den Nachkommen des Künstlers. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Association Edmond-Bille.

Ein Beispiel ist das Plakat für das Eidgenössische Schützenfest 1898 in Neuchâtel (Abb. 2). Gestaltet wurde es von Edmond Bille (1878–1959), einem aus der Ge­ gend stammenden Künstler, der damals – gerade 20­jährig – noch am Anfang seiner Karriere stand. Dargestellt ist ein junger, zeitge­ nössischer Schütze mit angeleg­ tem Gewehr sowie ein berüsteter Landsknecht mit Schwert und Schweizerfahne. Das gemeinsa­ me Auftreten dieser Figuren im Bild stellt – mit Fokus auf das Mi­ litärische – eine Kontinuität der nationalen Gegenwart mit der

alten her. Da­ 2 mit entspricht das Plakat zum einen der auf nationale Mythen abhebenden Geschichtspolitik grafischen Betrieben schuf eine schnitten oder teilweise verdeckt. des damals gerade fünfzigjähri­ Reihe lithografisch versierter Ma­ Der Bildaufbau suggeriert Dyna­ gen Bundesstaates, zum anderen ler Plakate, die weit über die Lan­ mik und eine unüberblickbare spiegelt es aber auch den im Fin desgrenzen hinaus Massstäbe Anzahl von Menschen. Bei Man­ de Siècle in der Schweiz vorherr­ setzten. gold wird das Schützenfest zu schenden Plakatstil. Während in einem dezidiert städtischen und Paris und London, aber auch in bürgerlichen Ereignis. München und Wien eine Reihe DAS KÜNSTLERPLAKAT von Künstlern unter dem Ein­ Zur ersten Generation der eigent­ fluss von Post­Impressionismus, Einer der Pioniere einer eigentli­ lichen Plakatkünstler zählt auch Fauvismus1 und Jugendstil die chen Plakatkunst war der Basler der Maler Cuno Amiet (1868– Plakatgestaltung grundlegend Burkhard Mangold (1873–1950). 1961), obwohl er, neben einer Rei­ umwälzten, blieb sie hierzulande Das von ihm für das 1911 in Basel he von herausragenden Ausstel­ noch länger einer historisieren­ stattfindende 5. Kantonalschüt­ lungsplakaten, nur einige wenige den Formensprache verpflichtet. zenfest beider Basel gestaltete Werbeplakate gestaltet hat. Für Darauf Rücksicht nehmend, setz­ Plakat zeigt einen Ausschnitt aus das 1912 in Herzogenbuchsee – te Bille auf eine vorsichtige Er­ dem Festumzug (Abb. 3). Im Zen­ und damit in unmittelbarer neuerung. trum stehen zwei Fahnenträger Nachbarschaft zur Oschwand, mit den Fahnen der beiden Halb­ dem Wohnort des Künstlers – Das moderne Künstlerplakat er­ kantone, davor Trommler und stattfindende Bernische Kan­ reichte die Schweiz erst mit eini­ dahinter Beine; poliertes Schuh­ tonalschützenfest lithografierte ger Verspätung, entfaltete sich werk auf Kopfsteinpflaster, Kol­ Amiet ein Plakat, das zualler­ dann aber im ersten und zweiten ben der geschulterten Gewehre, erst durch eine ungewöhnliche, Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts daneben Publikum, Männer und leuchtende Farbigkeit heraus­ zu erstaunlicher Blüte. Im Ver­ Frauen, Strohhüte. Alle auftre­ sticht (Abb. 4). Gezeigt wird dar­ bund mit einigen engagierten tenden Personen sind ange­ auf die Rückkehr der Schützen

Seite 42 3 Burkhard Mangold, V. Kantonal- 4 Cuno Amiet, Bernisches Kantonal- schützenfest beider Basel, 1911, schützenfest Herzogenbuchsee, 1912, 102 × 75 cm, Lithografie, gedruckt 109 × 77 cm, Lithografie, gedruckt von Gebr. Lips, Basel. von Kümmerly + Frey, Bern, Abb.: gemeinfrei, Plakatsammlung Plakatsammlung der SfG Basel, der SfG Basel, CH-000957-X 1081. CH-000957-X 18493. Abb.: © Rechte bei den Nachkommen des Künstlers. D. Thalmann, c/o Fondation Cuno Amiet, Aarau, Switzerland.

mit dem Fahnenträger in ihr Hei­ zur Plakatgestaltung. Im Zen­ einem bestimmten Stil oder einer matdorf, das eingebettet in einer trum ihres Interesses steht das Epoche der Plakatgeschichte sanften Hügellandschaft liegt. Bild. Der für das Plakat als Wer­ (Abb. 5). Es ist sowohl Zeugnis Ungewöhnlich ist die Rückenan­ bemittel konstitutiven schriftli­ einer Übergangszeit als auch ei­ sicht und die gänzlich unheroi­ chen Information wird weitaus ner eigenständigen Gestalterper­ sche Darstellung der Schützen. weniger Aufmerksamkeit ge­ sönlichkeit. Bei dem Plakat han­ Zum Ausdruck gebracht wird schenkt. delt sich um einen Linolschnitt, von Amiet hier nicht eine abs­ gedruckt in der von Jordi zu­ trakte «vaterländische Gesin­ sammen mit seinem Bruder ge­ nung», sondern vielmehr das BILD UND SCHRIFT führten Druckerei in Belp, bei konkret erlebte Aufgehobensein dem anschliessend jedes Blatt in einer dörflichen Gemeinschaft. Das Plakat von Eugen Jordi (1894– einzeln von Hand koloriert wur­ 1983) für das vom Schützenverein de. Das dürfte Anfang der Gemeinsam ist Mangold und Belp veranstaltete Mittelländi­ 1920er­Jahre als reizvoller Ana­ Amiet bei allen Unterschieden sche Schützenfest 1922 entzieht chronismus wahrgenommen ein primär malerischer Zugang sich einer klaren Zuordnung zu worden sein. Auf der Bildebene

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Seite 43 5 Eugen Jordi, Mittelländ. Schützenfest Belp, 1922, 109 × 78 cm, Buchdruck (handkolorierter Linolschnitt), gedruckt von Jordi & Co., Belp, Plakatsammlung der SfG Basel, CH-000957-X 50068. Abb.: © Rechte bei den Nachkommen des Künstlers. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Jordi AG.

Es waren nicht zuletzt die zahl­ reichen Schüler und Schülerin­ nen Kellers, die sein Verständnis einer aufs Wesentliche fokussier­ ten, verantwortungs­ und quali­ tätsvollen Gestaltung aufnahmen und weiterentwickelten – und damit der Schweizer Grafik in den 1950er­ und 1960er­Jahren international zum Durchbruch verhalfen.

DIE PLAKATSAMMLUNG DER SFG BASEL

Die Anfänge der heutigen öffent­ lichen Plakatsammlung der SfG

5 gehen zurück auf eine Ausstel­ lung im Basler Gewerbemuseum im Jahr 1896 mit Plakaten aus den greift Jordi Elemente der Volks­ gewerbeschule Zürich wirkte. Beständen des Kunstgewerbemu­ kunst auf, die er aber durchaus Dem abstrakten Charakter des seums Strassburg. Mit der syste­ zeitgenössisch interpretiert. Die Buchstabens entsprechend stili­ matischen Sammlung von Plaka­ Schrift wird bei dem von Buch­ sierte Keller als Grafiker auch die ten wurde am Gewerbemuseum druck und Typografie herkom­ Bildelemente ins Zeichenhafte um 1916 begonnen, als im Zu­ menden Gestalter dabei als ein und erreichte so eine neue forma­ sammenhang mit der kunstge­ dem Bild gleichwertiges Element le Einheit zwischen Schriftzei­ werblichen Ausbildung an der behandelt und mit diesem zu ei­ chen und Bildzeichen. Bei seinen mit dem Museum verbundenen ner formalen Einheit verwoben. Plakaten bediente er sich dafür Gewerbeschule eine Muster­ und gerne des eigenhändigen Linol­ Vorbildsammlung angewandter Mit einer vertieften Auseinan­ schnitts und erzeugte damit ei­ Grafik aufgebaut wurde. dersetzung mit den formalen Re­ ne eigenwillige, «lapidare Monu­ geln der geschriebenen und ge­ mentalität» [Willy Rotzler] – so Mit der Schliessung des Gewer­ druckten Buchstaben sowie der auch bei seinem Plakat für das bemuseums im Jahr 1996 wurde Frage nach ihrem Verhältnis zum Kantonalschützenfest in Rüti die Plakatsammlung der aus der Bild etabliert sich in der Schweiz 1947 (Abb. 6). Hier konzentrierte kunstgewerblichen Abteilung in den 1920er­Jahren schliesslich sich der Grafiker auf den sportli­ der Gewerbeschule entstandenen die Gebrauchsgrafik als eigenstän­ chen Aspekt des Wettkampfs, Schule für Gestaltung angeglie­ diges Feld, das nicht zuletzt auch den er im Bild von zwei gekreuz­ dert. die Plakatgestaltung umfasst.2 ten Kellen in den Farben Rot und Eine der prägenden Figuren die­ Weiss vor einem satten grünen Aktuell umfasst die Sammlung ser Entwicklung war der Aargau­ Hintergrund verdichtete. Dem rund 100'000 Plakate, wobei der er Ernst Keller (1891–1968), der steht ein klar gegliederter Text in primäre Fokus der Sammlungs­ zwischen 1918 und 1956 als Fach­ einer englaufenden Plakatschrift tätigkeit auf dem Schweizer lehrer für Grafik an der Kunst­ zur Seite. Plakatschaffen liegt. Seit 2016

Seite 44 6 Ernst Keller, Zürcher Kantonal- schützenfest, Rüti, 1947, 99.5 × 70 cm, Buchdruck (Linol- schnitt), gedruckt von City-Druck, Zürich, Plakatsammlung der SfG Basel, CH-000957-X 11386. Abb.: © Rechte bei den Nachkommen des Künstlers. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Frau Sonia Petignat-Keller.

beschränkt sich die Basler Samm­ 6 lung in Absprache mit den weite­ ren öffentlichen Plakatsammlun­ gen der Schweiz auf die Akquise von Plakaten mit lokalen, inhalt­ lichen und gestalterischen Bezie­ hungen zur Nordwestschweiz.

ANMERKUNGEN

1 Richtung innerhalb der französi- schen Malerei des frühen 20. Jahr- hunderts, die besonders durch Bilder in reinen Farben und durch die Vereinfachung der malerischen Mittel gekennzeichnet ist. 2 Während in der Schweiz der deutsche Begriff «Gebrauchsgrafik» bald zu «Grafik» verkürzt wurde und sich als solcher auch gehalten hat, wird in Deutschland seit den 1980er-Jahren eher von «Grafik- design» gesprochen.

Die Plakatsammlung der Schule für Gestaltung ist als A-Objekt im Schweize- rischen Kulturgüterschutzinventar (KGS-Inventar) aufgeführt.

Seite 45 LES FÊTES DE TIR LA FESTA DI TIRO - SHOOTING FESTIVAL

ET LEURS AFFICHES BREVE STORIA POSTERS

DEI MANIFESTI THROUGH THE AGES

La collection d'affiches de l'École La collezione di manifesti della Cantonal, regional and national de design de Bâle (SfG) comprend Scuola di design di Basilea (SfG) shooting festivals feature on un grand nombre d'affiches sur comprende un gran numero di quite a few of the posters in the les fêtes de tir régionales, canto­ manifesti sulle feste di tiro canto­ Basel School of Design (SfG) col­ nales et nationales. Elles reflètent nali, regionali e nazionali, che lection. Their design reflects the les tendances générales en ma­ riflettono le tendenze generali prevailing poster trends at the tière de conception d'affiches de della cartellonistica dell'epoca. time they were created. la période concernée. Mentre alla fine del XIX secolo in During the late 1800s historicism Alors que les critères esthétiques Svizzera predominava ancora l'e­ was still the dominant aesthetic de l'historicisme prédominaient stetica dello storicismo, il primo in Switzerland. By the end of the encore en Suisse à la fin du decennio del XX secolo conobbe first decade of the 20th century, it 19e siècle, la première décennie un fondamentale rinnovamento. had given way to a radically new du 20e siècle a connu un profond Giovani artisti come Burkhard aesthetic movement, spearhead­ renouveau. De jeunes artistes tels Mangold, Emil Cardinaux e Cuno ed by young artists such as Burk­ que Burkhard Mangold, Emil Amiet vi rivestirono un ruolo de­ hard Mangold, Emil Cardinaux Cardinaux et Cuno Amiet ont terminante. Alla fase dei manife­ and Cuno Amiet. The 1920s saw a joué un rôle décisif. Le temps des sti artistici pittorici e illustrativi shift away from painterly, illus­ affiches d'artistes peintres et il­ seguì, negli Anni venti, una svol­ trative posters towards a greater lustrateurs a été suivi dans les ta più marcata verso le scritte e il focus on lettering and its design. années 1920 par un penchant plus design. Trattare alla stessa stre­ The equal treatment of the image marqué pour les questions de gua l'immagine e le scritte del and lettering in poster design graphisme et de conception. manifesto era infatti fondamen­ was integral to the development L'égalité de traitement entre tale per l'«arte commerciale», che of 'Graphic Design', which was l'image et l'écriture est fondamen­ da quel momento emerse come emerging as a field in its own tale en matière de graphisme un campo indipendente. right during this period. commercial, qui apparaît à cette époque comme un domaine en La collezione basilese di manife­ The roots of the SfG poster collec­ soi. sti risale a una collezione di cam­ tion go back to the applied arts pioni e modelli di arte decora­ specimen and model collection La collection d'affiches bâloise tiva del museo d'arte applicata di started by the Gewerbemuseum Ba- provient d'une collection d'échan­ Basilea. Quando questo museo sel (museum of applied arts and tillons et de modèles d'art décora­ chiuse nel 1996, la collezione en­ design). When the museum tif du Gewerbemuseum de Bâle. trò a far parte della collezione closed in 1996, its holdings passed Lorsque ce dernier a fermé en della Scuola di design di Basilea. to the SfG. 1996, la collection a été intégrée à Attualmente comprende circa la SfG. Elle comprend actuelle­ 100'000 manifesti, con un chiaro The collection, comprising around ment environ 100'000 affiches, accento sulla cartellonistica sviz­ 100,000 posters which are mostly majoritairement suisses. zera. Swiss in origin, is listed as an ob­ ject of national importance in the La collection est classée parmi les La collezione è un oggetto A Federal PCP Inventory. objets d'importance nationale (d'importanza nazionale) nell'In­ (objets A) dans l'Inventaire PBC. ventario PBC.

Seite 46 ULRIKE SAX DER CHURER GABENTEMPEL VON 1842

ZUR LANGLEBIGKEIT EINER TEMPORÄREN FESTARCHITEKTUR

Seit kurzem steht der Gaben- 19. Jahrhundert für den Zeitraum tempel des Eidgenössischen einer Woche entworfenen Klein­ Freischiessens von 1842 auf dem architektur. Hirschbüel beim Rosenhügel, am südlichen Rand Churs. Noch wirkt er etwas fremd auf seinem EXPERIMENTIERFELD akkuraten neuen Sockel und FESTPLATZARCHITEKTUR mit dem makellosen neuen Farbanstrich (Abb. 1). Seine For- Seit 1824 fanden in der Schweiz mensprache mit dem leichten, die Eidgenössischen Freischies­ Ulrike Sax, gotisierenden Masswerk in den sen statt, ab 1832 die Turnfeste Kunsthistorikerin Öffnungen und den ornamenta- und ab 1843 jene der Sängerinnen lic. phil. len Bandmustern und Füllun- und Sänger. Während diese ab­ Von 2003–2008 gen weckt jedoch die Neugier wechselnd in verschiedenen Projektleiterin von sonntäglichen Spaziergän- Kantonen abgehaltenen Gross­ Inventarisierung gerinnen und anderen wieder- veranstaltungen politisch zur bei der Denkmal- kehrenden Müssiggängern. Bildung eines Nationalbewusst­ pflege der Stadt seins beitragen sollten, bot die Zürich/Amt für Stöbert man in Archiven und sich schnell entwickelnde Fest­ Städtebau, seit Bauinventaren finden sich ver­ platzarchitektur für Architekten 2008 als wissen- streute Hinweise auf die wechsel­ ein interessantes Experimentier­ schaftliche Mit- volle, bald 180­jährige Geschichte feld. Man könnte diese nur für arbeiterin bei der dieses Pavillons und auf dessen kurze Zeit bestehenden Bauten Kantonalen Denk- kulturgeschichtliche Bedeutung auch als dreidimensionale Skiz­ malpflege Grau- als schweizweit einziges bekann­ zen bezeichnen. Treffend charak­ bünden tätig und tes, erhaltenes Zeugnis einer im terisierte Adolf Reinle diese Fest­ seit 2019 auch für die denkmalpfle- 1 gerische Bau- beratung der Stadt Chur zuständig.

1 Seit 2019 präsentiert sich der Gabentempel in frischem Glanz auf dem Hirschbüel am Rosenhügel. Er kann auf Anfrage bei der Stadt für diverse Veranstaltungen genutzt werden. Foto: © Kantonale Denk- malpflege Graubünden, 2017.

Seite 47 2 Lithografie von Georg Adolf Grimminger (1802–1977), 3 Mit Aquarell kolorierte Lithografie datiert 1842, 31 x 38 cm. Erinnerung an das Eidgenös- von Johann Jakob Speerli, dat. 1842, sische Freischiessen 1842 mit Ansichten von Chur und 29.4 x 44.7 cm. Die Darstellung den Festgebäuden auf der «Unteren Quader» sowie von illustriert den lebhaften Festbetrieb Ortschaften in der Umgebung von Chur. Rechts oben des eidgenössischen Ehr- u. Frei- der Gabentempel mit Fahnenburg. schiessens in Chur 1842. Im Bild- Foto: © Rätisches Museum Chur. mittelgrund der gotisierende Gabentempel mit Fahnenburg. Foto: © Bildquelle: Rätisches Museum Chur.

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Seite 48 3 platz­ und Ausstellungsarchitek­ lothurn 1840). Auch in Chur folg­ Zweckarchitektur wandeln. Der tur: «In ihnen manifestiert sich te man 1842 dem aufkommenden Ruf nach Wiederverwendbarkeit fast noch stärker als in der meist neugotischen Formenrepertoire. der Bauten sowie nach Funktio­ etwas zurückhaltenden für die Als Innovation darf in Chur die nalität und entsprechender «Ehr­ Dauer bestimmten Architektur Kombination des Gabentempels, lichkeit» der Architektur wurde das bauliche Ideal einer Zeit. der in erster Linie zur Ausstel­ immer lauter (Bern 1910). In die­ Denn es sind erträumte Archi­ lung der Festpreise diente, mit ser neuen Auffassung der Festar­ tekturen, wie man sie in festerem der sogenannten Fahnenburg ge­ chitektur wurde der provisori­ Material aus finanziellen Grün­ nannt werden. Wie auf zeitgenös­ sche Charakter stark betont. Eine den oder wegen fehlenden Wage­ sischen Druckgrafiken zu erken­ festlich­fröhliche Ausstrahlung mutes und Zweckes nicht zu rea­ nen ist, krönt den Pavillon ein erzeugten die Bauwerke durch lisieren vermochte.» Angesichts hoch aufragendes Gerüst, das ihre Buntheit. ihrer programmierten Vergäng­ zum Anbringen der Fahnen der lichkeit staunt man dennoch teilnehmenden Schützenvereine über den Aufwand, der für die bzw. Kantone diente. Formal er­ KANTONSBAUMEISTER Konzeption solcher Bauwerke innert diese aufgesetzte Fahnen­ LA NICCA ALS KÄUFER betrieben wurde. Zur Ideenfin­ burg an mit Krabben besetzte Fi­ dung veranstaltete man gar na­ alen oder Türmchen gotischer Die Erhaltung des Churer Gaben­ tionale Konkurrenzwettbewer­ Kathedralen (Abb. 3). Den Höhe­ tempels von 1842 grenzt ange­ be. Als Erinnerung an die Feste punkt neugotischer Festarchitek­ sichts des temporären Charakters erschienen grafische Blätter, wel­ tur erreichte man am Basler von Festarchitektur fast an ein che die im Verlaufe des 19. Jahr­ Schützenfest 1844. Später hielten Wunder. Gemäss der Überliefe­ hunderts immer prachtvoller der romantische Münchner Rund­ rung fand der über die Landes­ werdenden Festplatzausstattun­ bogenstil (Aarau 1849, u.a.), die grenzen hinaus bekannte Inge­ gen auch für die Nachwelt in Er­ Neurenaissance (Schaffhausen nieur und Kantonsbaumeister innerung hielten (Abb. 2). 1865), gegen Ende des 19. Jahr­ Graubündens, Richard La Nicca hunderts in Winterthur (1895) das (1794–1883), so grossen Gefallen Waren die ersten Festbauten in Rokoko und 1898 in Bern der daran, dass er ihn nach dem Fest Aarau 1824 noch von klassizisti­ Jugendstil auf den Festplätzen gekauft haben soll und am Fus­ schen Formen geprägt, zeigte Einzug. Zu Beginn des 20. Jahr­ se des Rosenhügels auf einem sich bald ein neues Interesse an hunderts sollte sich die Festar­ Bruchsteinsockel aufstellen liess. der Ausdruckskraft der Gotik chitektur schliesslich weg vom Möglich ist, dass diese Idee von (Luzern 1832, St. Gallen 1838, So­ Kulissenhaften, hin zu einer den Gartenpavillons in den

Seite 49 4 Der angeblich von Kantonsbaumeis- ter Richard La Nicca am Fuss des Rosenhügels wieder aufgestellte Gabentempel diente lange Zeit als eine Art Gartenpavillon. Abb. aus: Offizielle Festzeitung für das Eidge- nössische Schützenfest in Bern 1910, Nr. 6, S. 149. Bern.

5 Die provisorisch zusammengestellten Teile des Gabentempels, nachdem sie aus dem Depot im städtischen Zivilschutzzentrum verlegt werden mussten. Foto: © Stadtarchiv Chur, B II 2.0071.539 Foto 4.

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Kurpärken und Villengärten inspiriert worden war. Für das Fahnengerüst bestand keine Ver­ wendung mehr, es dürfte bereits bei diesem ersten Umzug ent­ fernt worden sein. Dokumentiert ist der Aufstellungsort am Rosen­ hügel erst in einer Fotografie mit der Stadtansicht Churs von 1888. Eine in der Festschrift zum Schützenfest in Bern 1910 publi­ zierte Fotografie zeigt den Pavil­ lon prominent platziert oberhalb der Stützmauer entlang der Mali­ xerstrasse (Abb. 4). Gian Bundi erwähnte 1910 dazu, dass «das zierliche Achteck» weiss und

blau gestrichen sei. Der so her­ 5 gerichtete Pavillon sei von der Familie La Nicca für Empfänge prominenter Gäste genutzt wor­ beschädigten Gabentempel – die unseres Bundesstaats» hervor den, später hätten hier auch an­ filigranen Dachrandaufsätze sol­ und belegte dies mit der Aufzäh­ dere lustige und ernste Tafelrun­ len grossenteils abgebrochen, Tü­ lung der für das bescheidene den stattgefunden. ren und Fenster eingeschlagen Bauwerk zahlreichen Erwähnun­ gewesen sein – und stellte ihn gen in der Fachliteratur (Poe­ behelfsmässig im Schutz des schel, Reinle, Meyer, Birkner, RESTAURIERUNGS- grossen Festzeltes auf dem Ross­ INSA). Die Seltenheit der subs­ BESTREBUNGEN boden auf. Bestrebungen, dem tanziellen Überlieferung solcher Gabentempel auf dem Rossboden Festarchitektur dürfte schliess­ 1938, der Gabentempel befand in unmittelbarer Nähe des Schüt­ lich zum seither sorgfältigen Um­ sich inzwischen im Besitz der zenhauses eine dauerhafte, pas­ gang mit dem Gabentempel ge­ Stadt Chur, musste der offenbar sende Bleibe zu geben, blieben führt haben. Die erhaltenen vom Verfall bedrohte Gabentem­ vorerst erfolglos. Nach dem Fest Originalteile bildeten die uner­ pel renoviert werden. Das Inven­ 1985 wurden die Überreste des lässliche Grundlage für einen re­ tar der neueren Schweizer Archi­ Gabentempels in der städtischen konstruierenden Wiederaufbau tektur (INSA), hielt 1982 fest, dass Zivilschutzanlage Meiersboden (Abb. 5). Bei der Standortfrage der Pavillon an der Malixerstras­ eingelagert, bis sie dort 1992 aus wurde man schliesslich doch se in grauer Steinfarbe gestrichen Platznot wieder entfernt werden noch auf dem Rossboden fündig, war und die Füllungen sich in mussten. wo man 1997 den Gabentempel Stahlblau und Karminrot zeig­ zwischen Schützenhaus und ten. Wann genau diese Fassung In seiner Stellungnahme von 1992 Schiessstand in seiner weissen entstanden war, ist nicht bekannt. strich Denkmalpfleger Hans Ru­ Fassung wieder errichtete (Abb. Anlässlich eines weiteren in Chur tishauser die kulturgeschichtli­ 6). Leider erschliesst sich aus den ausgetragenen Eidgenössischen che Bedeutung «als Zeugnis der Akten nicht, ob man dieser Fas­ Schützenfestes demontierte man Stadtgeschichte des 19. Jahrhun­ sung restauratorische Befunde 1985 den mittlerweile wieder arg derts und der frühen Geschichte oder vor allem die Textstelle bei

Seite 50 6 Der Gabentempel, wie er sich nach der Renovation von 1997 bis 2017 an seinem Standort auf dem Rossboden, zwischen Schützenhaus und Schiessstand präsentierte. Foto: © Kantonale Denkmalpflege Graubünden, 2017.

7 Masswerkfragmente, die zu den wenigen originalen Bauteilen aus dem 19. Jahrhundert gehören und die als wichtige Anhaltspunkte für den weitgehend rekonstruierenden Wiederaufbau dienten. Foto: © Stadtarchiv Chur, B II 2.0071.539 Foto 8.

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Gian Bundi aus dem Jahr 1910 zugrunde legte. 7

NEUER STANDORT AUF DEM ROSENHÜGEL

Eine Zustandsanalyse zeigte 2017 erneut dringenden Handlungs­ bedarf, wollte man diesen histo­ rischen Zeugen auch künftigen Generationen erhalten. Einge­ hende Untersuchungen brachten zutage, dass im Laufe der Zeit die meisten Bauteile ersetzt worden waren. Nur noch wenige Elemen­ te, so etwa die Wandpfosten, Friesteile oder Fragmente des Masswerks, wurden als Original­ teile aus dem 19. Jahrhundert identifiziert (Abb. 7). Durch die Folgen eines Acrylanstrichs hatte LITERATUR - Metz Peter, 1985: Das Eidgenös- die gesamte Konstruktion seit sische Freischiessen zu Chur 1842. 1997 nochmals stark gelitten. Mit - Archiv Denkmalpflege Graubünden, In: Bündner Jahrbuch. Zeitschrift für der geplanten Neugestaltung (1993): Chur: Akten. Kunst, Kultur und Geschichte der historischen Gartenanlage - Birkner Othmar, 1975: Bauen + Graubündens, Band 27, S. 20–26. am Rosenhügel – diese war im Wohnen in der Schweiz 1850–1920, - Meyer André, 1973: Neugotik und 19. Jahrhundert auf dem Galgen­ S. 182. Zürich. Neuromanik in der Schweiz, S. 29. hügel, der alten Churer Richtstät­ - Bundi Gian, 1910: Die Geschichte Zürich. te, angelegt worden – fand die eines Gabentempels. In: Offizielle - Poeschel Erwin, 1948: Die Kunst- Stadt Chur den geeigneten Rah­ Festzeitung für das Eidgenössische denkmäler des Kantons Graubünden, men für eine Neuaufstellung. Schützenfest in Bern 1910, Nr. 6, Bd. VII, S. 351. Basel. Der Gabentempel konnte von S. 148–149. Bern. - Reinle Adolf, 1962: Kunstgeschichte Fachleuten sorgfältig restauriert - Cresta Hans, 1946: Fellenbergs der Schweiz, 4. Band, Die Kunst des werden und erfreut sich seither Sendschreiben und Ehrengaben 19. Jahrhunderts. Architektur/ grosser Beliebtheit im Rahmen für das eidg. Schützenfest 1842 Malerei/Plastik, S. 97. Frauenfeld. kleiner öffentlicher und privater in Chur. In: Bündner Jahrbuch. - Seifert-Uherkovich Ludmila, 2009: Anlässe. Zeitschrift für Kunst, Kultur und Der «Rosenhügel». Zur Geschichte Geschichte, Band 2, S. 41–45. der ersten öffentlichen Parkanlage - Das Gelbe Heft, 1985: Eidg. Schüt- in Chur. Bericht im Auftrag des zenfest Chur. Erinnerungsheft. Hochbauamtes der Stadt Chur. Zürich. - Stadt Chur, 2010: Gabentempel Der Churer Gabentempel ist als - INSA, 1985: Inventar der neueren 1842–2010, Bericht vom 30.11.2010. A-Objekt im Schweizerischen Schweizer Architektur 1850–1920. Kulturgüterschutzinventar Chur (Separatdruck), S. 286–287. (KGS-Inventar) aufgeführt. Bern.

Seite 51 LE PAVILLON DES PRIX IL «TEMPIO DEI THE 1842

DE COIRE DE 1842 TROFEI» DI COIRA CHUR PRIZE PAVILION

DEL 1842

L'état de conservation du pavillon Che il Tempio dei trofei di Coira The preservation of the Chur des prix de Coire de 1842 relève del 1842 si sia conservato fino ai Prize Pavilion from 1842 is noth­ du miracle au vu du caractère tempi nostri è quasi un miracolo, ing short of a miracle given the temporaire de cet édifice. Au considerato il carattere tempora­ temporary nature of this type of 19e siècle, ce type de construction neo di questa architettura festiva. ceremonial architecture. In the festive offrait aux architectes un Nel XIX secolo, questo tipo di co­ 19th century commissions like terrain d'expérimentation inté­ struzione fieristica offriva agli these offered architects an oppor­ ressant. Aujourd'hui, il permet architetti un interessante campo tunity to experiment. The works d'illustrer l'évolution architectu­ di sperimentazione. Queste co­ they have left behind impressive­ rale du 19e siècle. Le pavillon des struzioni documentano così in ly document the evolution of ar­ prix de 1842, par exemple, repré­ modo unico lo sviluppo architet­ chitectural style during the 1800s. sente le style néo­gothique dans tonico del XIX secolo. Il tempio For example, certain features of ses formes. La combinaison du dei trofei del 1842 è ad esempio the 1842 Prize Pavilion draw on pavillon des prix, qui servait à una testimonianza dell'emergen­ the neo­Gothic repertoire of exposer les prix de la fête, avec un te repertorio neogotico delle for­ forms which was growing in Fahnenburg est une nouveauté. me. La combinazione del tempio popularity at that time. What is Cette imposante structure cou­ dei trofei, che serviva ad esporre i particularly innovative about the ronnait le pavillon afin d'y expo­ premi destinati ai vincitori, con il design is that the pavilion was ser les drapeaux des sociétés de cosiddetto castello delle bandiere built to display not only shooting tir ou des cantons participants. (Fahnenburg) può essere conside­ festival prizes but also the flags of rata un'innovazione. Il padiglione the participating shooting clubs Le pavillon des prix a été déplacé era coronato da un'impalcatura and cantons, thanks to a towering plusieurs fois après la fête de tir torreggiante, che serviva ad espor­ frame that was added to the roof. et utilisé de différentes manières. re le bandiere delle società di tiro En 2017, un état des lieux a mon­ o dei cantoni partecipanti. When the Federal Shooting Festi­ tré un besoin urgent de rénova­ val was over, the prize pavilion tion pour transmettre ce témoin Il tempio dei trofei è stato traslo­ was translocated multiple times historique aux générations fu­ cato più volte dopo la fine delle and used for different purposes. tures. Seuls quelques éléments feste del tiro e utilizzato per di­ In 2017 an analysis of its condi­ (tels que les montants, les frises versi scopi. Da un esame delle sue tion showed that urgent renova­ ou les fenêtres à meneaux) ont pu condizioni, nel 2017 è emerso un tion was needed to preserve this être identifiés comme étant des urgente bisogno di restauri per historical monument for future pièces originales du 19e siècle. Ils conservare questa testimonianza generations to enjoy. Only a few ont servi de base indispensable à storica per le generazioni future. elements (e.g. the studs, friezes une restauration soignée. Depuis Solo pochi elementi (come i pali and fragments of the masonry) sa réinstallation dans le nouveau di sostegno, alcuni fregi o fram­ were found to be part of the orig­ jardin du Rosenhügel de Coire, le menti della muratura) sono stati inal 19th century structure. How­ pavillon des prix est très apprécié identificati come parti originali ever, they played an essential role pour l'organisation d'événements del XIX secolo. Questi sono servi­ in the sensitive restoration of the publics et privés. ti da base imprescindibile per un pavilion. Since its reinstatement accurato restauro. Dal suo ricollo­ in the city's redesigned Rosen- camento nel nuovo giardino sul hügel park, the prize pavilion has Rosenhügel, il tempio dei trofei proved a popular venue for pub­ gode di grande popolarità come lic and private events. luogo per piccoli eventi pubblici e privati.

Seite 52 FRANÇOIS TAUXE, ABBÉ-PRÉSIDENT D'HONNEUR DE LA FAV* FÉDÉRATION DES ABBAYES VAUDOISES (FAV)

UN PATRIOMINE IMMATÉRIEL ET UNE TRADITION VIVANTE1

Les anciennes abbayes de tir les encourager à faire leur devoir En 2005, la FAV compte 185 so­ sont une particularité du Pays au premier signal. ciétés et, selon le cartulaire de Vaud. Nous savons tous que communiqué par les abbayes, le vaudois est très attaché aux Les arquebusiers de chaque loca­ 30'455 membres, dont 960 dames. habitudes et aux coutumes d'au- lité constituèrent bientôt une as­ 79 abbayes sont mixtes. Nous trefois. Il conserve volontiers les sociation fermée qui s'organisa avons enregistré cette année 7624 traditions des anciens et c'est sur le modèle des sociétés reli­ tireurs pour 109 fêtes d'abbayes sans doute grâce à cette disposi- gieuses ou abbayes et dont le pré­ organisées dans le canton. tion d'esprit que beaucoup d'an- sident prenait le titre d'abbé et les ciennes associations de tireurs membres celui de confrères. Pour conclure cette brève présen­ se sont perpétuées chez nous tation, j'invite tous les citoyens alors qu'elles disparaissaient Pendant des siècles, les abbayes responsables de notre beau can­ presque partout. On peut donc vaudoises ont vécu sans lien or­ ton à s'engager sans réserve pour légitimement penser que les ganique, sous la tutelle plus ou le maintien de nos abbayes, socié­ abbayes sont l'une des plus an- moins débonnaire des comtes de tés dont le but premier est de ciennes traditions de notre Can- Savoie puis de Leurs Excellences maintenir nos sentiments patrio­ ton. D'ailleurs, elles n'existent de Berne (LL.EE). Cette absence tiques et de resserrer les liens que sur le territoire vaudois. de structure s'est prolongée après d'amitiés entre ses membres. la création du canton de Vaud, Nous trouvons quelques sociétés jusqu'au XX siècle. identiques dans le canton de OUVRAGES À CONSULTER Neuchâtel. En Valais, la Fédéra­ A l'initiative de citoyens dévoués, tion des vieilles cibles valai­ les abbayes ont été réunies pour - Amiguet Frédéric, 1904: Les sannes compte 13 sociétés, dont la première fois lors du tir canto­ Abbayes Vaudoises – histoire des les buts sont pratiquement les nal de Bex en 1922, puis à Lau­ sociétés de tir, leurs origines, leur mêmes que ceux de nos abbayes. sanne en 1925, à Payerne en 1928 développement. Constant Pache- et enfin à Montreux en 1936. Ces Varidel, Lausanne. retrouvailles épisodiques avaient - Fiechter Jean-Jacques, 1991 (avec la LES ABBAYES VAUDOISES démontré la nécessité de donner collaboration de MM. Maurice plus de force et cohésion aux Ab­ Clavel, Maurice Delacour, Charles Les abbayes les plus anciennes bayes. En 1942, le Comité de la Kraege, Gilbert Marion, André peuvent faire remonter leur ori­ Société vaudoise des carabiniers Rochat): Les Abbayes Vaudoises. gine à la période de Savoie. La suggéra de grouper les abbayes Editions Cabédita, Yens sur Morges. doyenne, l'Honorable Milice en une fédération autonome au www.cabedita.ch bourgeoise de Grandcour, fut sein de la Société vaudoise des fondée en 1381. Elles furent crées carabiniers. Le 15 mars 1942, à * Texte tiré du site internet de la FAV par des arquebusiers qui, dans les Lausanne, la Fédération des ab­ (http://www.tir-vd.ch/cms/index. villes étaient soumis à certaines bayes vaudoises a vu le jour et, php?page=historique). prestations militaires et auxquels, dans un premier temps, 74 ab­ 1 cf. https://www.bak.admin.ch/bak/fr/ en revanche, on accordait cer­ bayes sont considérées comme home/patrimoine-culturel/patrimoi- tains avantages et privilèges. Ils abbayes fondatrices. Son premier ne-culturel-immateriel/mise-en-_ devaient être toujours prêts à président (maintenant Abbé­ uvre/liste-des-traditions-vivantes- défendre la localité et, en temps président) fut le Colonel Louis en-suisse.html ordinaire, faire l'office du guet. Chamorel de Gryon. Le souverain leur donnait en [Etat pour tous les liens mentionnés échange des «prix à tirer» afin de dans cet article: 2.3.2021].

Seite 53 MARCO SIGG DAS EIDGENÖSSISCHE SCHÜTZENFEST 1869 IN ZUG*

Schützenfeste sind im Gebiet im Sinne einer «Gebrauchsge­ der Eidgenossenschaft seit dem schichte» (Guy Marchal) histo­ Spätmittelalter belegt. Von heu- risch repräsentierten und legiti­ tigen modernen Festen unter- mierten.2 schieden sich diese Anlässe aber, dienten sie doch vor allem der städtisch-bürgerlichen Re- OBJEKTE IM ZEICHEN präsentation und sollten wirt- VON NATION BUILDING3 schaftliche sowie militärische Stärke demonstrieren. Mit der In der historischen Sammlung Dr. phil. Einführung geregelter Milizfor- des Museums Burg Zug befinden Marco Sigg, mationen im 17./18. Jahrhundert sich zahlreiche Objekte des Eid­ seit 2015 Direktor trat die Ausbildung der Schüt- genössischen Schützenfestes von des historischen zen an der Waffe in den Vorder- 1869 in Zug: Diverse Druck­ Museums von Zug grund. Die militärische Verein- grafiken, silberne Schützen­ (Museum Burg nahmung der Schützenfeste becher, Schützentaler, Schützen­ Zug). Studium der disziplinierte diese gewisser- medaillen und Kehrmarken, ei­ Allgemeinen Neu- massen, wenngleich sie – gerade ne blau­weisse Armbinde mit eren und Neues- in den katholischen Orten – im- fadenüberzogener Brosche, eine ten Geschichte, mer auch starken Volksfestcha- Schiesskarte für den «Standstich des Staatsrechts rakter behielten.1 Heinrich von Hünenberg» (Abb. und der Alten 1), eine Schützenuhr, Festabzei­ Geschichte. Die Tradition der organisierten chen (Abb. 3), Festschriften sowie Schützenfeste brach mit dem die Wappenschilder aus der Fest­ Untergang des Ancien Régime ab. halle. Zentrale Elemente auf die­ Sie wurde 1824 mit dem ersten sen Objekten, in den Festbauten eidgenössischen Freischiessen in und beim Schiessen bildeten Er­ Aarau und der Gründung des eignisse und Personen aus dem Schweizerischen Schützenver­ alteidgenössischen Gründungs­ eins wieder aufgenommen. Zu­ mythos bzw. der Zuger Geschich­ nächst jährlich, später zwei­ bis te, allen voran Landammann und dreijährlich folgten weitere Feste. Pannerherr Peter Kolin bzw. die Diese hatten eine militärische Schlacht von Arbedo 1422. Auf Funktion, waren vor allem aber dem Schützenbecher werden die­ nationalpolitisch wichtige Platt­ se Schlacht und die Zuger Hel­ formen in den Auseinander­ den Peter und Rudolf Kolin, der setzungen zwischen (Radikal­) Eintritt Zugs in die Eidgenos­ * HINWEIS Liberalen und Konservativen. senschaft 1352, aber auch die Nicht zuletzt nahmen die Schüt­ Schlacht am Morgarten 1315 mit Der Beitrag erschien in einer ersten zenfeste im Kontext des werden­ verschiedenen ikonografischen Fassung in Tugium 36/2020, S. 82–84, den nationalen Selbstbewusst­ Elementen thematisiert (Abb. 2).4 und wurde für die vorliegende Veröffent- seins des 19. Jahrhunderts in Auch der Schützentaler nimmt lichung überarbeitet und ergänzt. Worten und Symbolik aber auch die Schlacht von Arbedo auf und Wir danken dem Autor und dem Verlag starke Bezüge auf die alteidge­ zeigt auf der Rückseite Hans für die freundliche Unterstützung und nössische Heldengeschichte, mit Landtwing, wie er das «gerette­ Zusammenarbeit. der die Kantone ihre Positionen te» Zuger Landespanner in der

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1 Schiesskarte des Eidgenössischen 3 Schützenfests 1869 in Zug für den Standstich Heinrich von Hünenberg. Papier, H. Furrer, 1869. Abb.: © Museum Burg Zug, Inv.-Nr. 10445.

2 Schützenbecher des Eidgenössischen Schützenfests 1869 in Zug. Silber vergoldet, gestanzt, ziseliert, David II Schellhaas, 1869. Abb.: © Museum Burg Zug, Inv.-Nr. 3618.

3 Drei Festabzeichen von Eidgenössi- schen Schützenfesten in Zug 1869, Zürich 1872 und St. Gallen 1874, mit blau-weisser Masche arrangiert. Seidengarn bestickt, 1869–1874. Abb.: © Museum Burg Zug, Inv.-Nr. 11243.

Hand schwingt (Abb. 4). Auf der murer) verstärkt wurde.5 Auf der und Werner Steiner d.Ä. gewid­ Rückseite der Schützenuhr ist gegenüberliegenden Seite war met waren, gelöst werden konn­ eine Abschiedsszene Kolins von der Rütlischwur dargestellt, wäh­ ten. Keine Frage, all dies sollte seiner Familie eingraviert. Die in rend über dem zentral in der Hal­ Begeisterung und Enthusiasmus der Festhalle auf Leinwand auf­ le aufgestellten Rednerpult ein wecken, sodass – ganz im Zei­ gemalte über sechs Meter hohe Spruchband «Wort und That dem chen der Zeit – «ein heiliges Feu­ Helvetia victrix wurde beidseitig Vaterland!» einforderte. Taten er» gezündet und «bei gegebe­ von den Zuger Landammännern waren vor allem im Schiessstand nem Anlass in allen Schweizer­ Peter Kolin und Hans Schwarz­ gefordert, wo ein «Stich Vater­ gauen […] zu einer grossen Flam­ murer flankiert, wobei das Hel­ land» (Abb. 9, S. 60) und vier Sti­ me des Patriotismus» heranwach­ denbild noch mit den Inschriften che, die den historischen Zuger sen konnte, wie der Autor des Dulce pro patria mori (Kolin) und Persönlichkeiten Kolin, Schwarz­ Zuger Kalenders abschliessend Concordia cordis et oris (Schwarz­ murer, Heinrich von Hünenberg festhielt.6

Seite 55 4 Schützentaler zu 5 Franken auf das Eidgenössische Schützenfest in Zug. Silber, Jean François Antoine Bovy, 1869. Abb.: © Museum Burg Zug, Inv.-Nr. 12981.

5 «Situationsplan des Festplatzes für das eidgen. Schützenfest in Zug 1869» (Ausschnitt), aus: Staub B[onifaz], 1869.

4 6 Das Titelbild der oben erwähnten Schrift zeigt Gabentempel und Fahnenburg am Zuger Schützenfest.

5 Abb. 5 und 6: © Museum Burg Zug, Inv.-Nr. 10195.

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ORGANISATION per Schiff von Arth angereist Allmend (Abb. 5) und ermöglich­ UND BAUTEN war. Am 11. Juli erfolgte der feier­ te den Besucherinnen und Besu­ DES SCHÜTZENFESTES liche Festzug von der Altstadt chern so eine bequeme und un­ über die Vorstadt zum Festplatz, komplizierte An­ und Abreise.8 Zug musste indes lange warten, wo die Fahne beim Gabentempel Dafür mussten allerdings viele bis es dieses grosse Fest über­ aufgestellt und das Fest offiziell Bäume «zur Ehre des Festes unter haupt organisieren konnte. Seit eröffnet wurde. Am 14. Juli fand der Axt als Opfer fallen», wenn­ den 1840er­Jahren hatte man sich nachmittags die Schützenge­ gleich man sorgsam auf das Aus­ mehrmals für die Austragung be­ meinde statt, an der es heftige mass des Kahlschlags schaute, worben, aber erst 1869 den Zu­ Diskussionen über die künftig um zu verhindern, «dass es im schlag erhalten. Die 1868 aus den zugelassenen Waffen und die Herbst etwa weniger Obst und beiden Stadtzuger Schützen­ Schussdistanz gab. Der 16. und theureren Most» deswegen gege­ gesellschaften fusionierte neue 17. Juli brachten mit dem Bundes­ ben hätte.9 Auf das Festgelände Schützengesellschaft der Stadt­ rat und den Mitgliedern der Bun­ gelangte man durch eine «Ehren­ gemeinde Zug führte das 24. Eid­ desversammlung hohen politi­ pforte» (vgl. Abb. 7). Der Weg genössische Schützenfest, das schen Besuch sowie zu dessen führte direkt zur Festhalle, einer vom 10. bis zum 21. Juli 1869 dau­ Ehren eine festlich dekorierte über 90 m langen, 40 m breiten erte, schliesslich durch. Präsident und beleuchtete Stadt. Am 21. Juli und 18 m hohen Holzkonstruk­ des Zentralkomitees war der Zu­ endete das Fest mit einem Ban­ tion mit einem Haupt­ und zwei ger Landammann Karl Merz. Am kett, der feierlichen Proklamie­ Seitenschiffen sowie einem 10. Juli wurde die eidgenössische rung des Schützenkönigs und Dachstuhl im «Basilikastil». Der Schützenfahne aus den Händen dem Einholen der eidgenössi­ Haupt­ und die beiden Seiten­ der Schwyzer Delegation in Emp­ schen Schützenfahne am Abend.7 eingänge waren mit festungsarti­ fang genommen, dem Veranstal­ gen Giebelkrönungen und Fah­ ter des Eidgenössischen Schüt­ Der Festplatz lag direkt hinter nentürmchen bestückt, was dem zenfestes 1867, dessen Delegation dem damaligen Bahnhof auf der ganzen Gebäude dem Anlass

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entsprechend einen «bastionähn­ Deutschen Reich, Österreich­ 7 Südansicht von Zug mit überdimen- lichen Charakter» verlieh. Die Ungarn, Frankreich, Belgien, sioniertem Festgelände des Eid- im Innern mit Wappen, allegori­ Grossbritannien, den USA und genössischen Schützenfests im schen Figuren und Kränzen reich Italien am Fest teil.13 Vordergrund. Stahlstich, unsig- dekorierte Festhalle bot Platz für niert, 1869. Abb.: © Museum Burg insgesamt 3400 Gedecke bzw. für Der fast 23 m hohe Gabentempel Zug, Inv.-Nr. 2195. fast 4000 Besucher sowie für eine zog aufgrund seiner Höhe und Musikbühne, wo auch das Red­ Bauart «die Blicke des Beschau­ nerpult und die Ehrentische der ers» schon von Weitem auf sich. diversen Komitees standen. Be­ Im Grundriss kreuzförmig, be­ leuchtet wurde die Halle abends stand er aus drei Etagen. Auf dem mit 336 Petroleum­Flaschen auf Hochparterre befanden sich der verschiedenen Leuchtern.10 Ausstellungsraum der Ehrenga­ wurden die Stadt Zug und das ben, das Gabenbüro sowie das Festgelände doch während der Nördlich der Festhalle lag der Büro des «Empfangskomitees». gesamten Festdauer von Besu­ fast 240 m lange Schützenstand. Die zweite Etage hatte eine «Alta­ cherinnen und Besuchern regel­ Aufgestellt waren insgesamt ne [= balkonförmiger Anbau] als recht überrannt. Ein «wahrer 124 Scheiben in zwei Distanzen: Fahnenburg», wo die Schützen­ Volkstag» war nach Meinung der 580 Fuss (177 m) für den Stand fahnen der Vereine aufgepflanzt Neuen Zuger Zeitung der Sonntag, und 1000 Fuss (305 m) für das wurden. Die dritte Etage schloss 18. Juli 1869, an dem allein 40‘000 Feld. Auf dem Ziegeldach des mit einem kuppelähnlichen Menschen nach Zug strömten.15 sonst offenen Standes stand in Dach, auf dem die eidgenössische So erhielt der Anlass tatsächlich grossen Buchstaben als weiterer Schützenfahne wehte (vgl. Abb. 6 «den Charakter eines wahren Leitspruch geschrieben: Wir wol- und Titelbild KGS Forum).14 Bruderfestes» und half mit, die len sein ein einig Volk.11 Geschos­ politischen Differenzen der vor­ sen wurde täglich von 6 bis 12 angegangenen Jahrzehnte beizu­ Uhr und von 13 bis 20 Uhr (an DAS SCHÜTZENFEST legen.16 Die «General­Recapitula­ den Sonntagen nur nachmit­ IN ZAHLEN tion» des Organisationskomitees tags).12 Eingeladen waren im wies für das Schützenfest einen Übrigen nicht nur Schweizer Welche Dimensionen die Eid­ Umsatz von insgesamt 826'491.93 Schützenvereine, sondern auch genössischen Schützenfeste im Franken und einen Verlust von ausländische. Obwohl deren Be­ 19. Jahrhundert bereits erlangten, 3000 Franken aus.17 Die Kosten teiligung «nicht die erwarte­ lässt sich an einigen Zahlen fest­ für Miete sowie Aufbau und te Ausdehnung» erreichte, nah­ machen: Unbestritten handelte es Rückbau des Festplatzes inkl. Zu­ men doch Delegationen aus dem sich um eine Grossveranstaltung, gangsstrassen beliefen sich auf

Seite 57 8 Vier Szenen vom Schiessstand am Eidgenössischen Schützenfest 1869 in Zug. Druckgrafik, nach einer Zeichnung von A. d‘Aujourd'hui, 1869. Abb.: © Museum Burg Zug, Inv.-Nr. 7760.

tigen Explodirens von Patronen». Die Festwirtschaft konnte 307 Saum (46‘050 Liter) Schützen­ und Ehrenwein, zusätzlich «di­ verse köstlichere Weine» sowie 100 Saum (15‘000 Liter) Bier aus­ schenken. 16 Ochsen und 131 Kälber hatten gemäss damaliger Berichterstattung «den Tod für’s Vaterland» erduldet.21

Dass ein solcher Anlass auch frü­ her schon Gelegenheit für die eine oder andere übermütige Ak­ tion bieten konnte, zeigt eine Er­ wähnung im letzten Fest­Blatt, wonach der schnellste Schütze des ganzen Festes ein Herr Gam­

8 ma­Infanger gewesen sein dürfte, der «die Kammerladung seiner von ihm erstellten Waffe, 13 knapp 96‘000 Franken.18 Der Ga­ bloss drei «ungefährliche» Verlet­ Schüsse in 5 Sekunden zu entlee­ bentempel umfasste Gaben im zungen behandeln – eine davon ren versprach und dies auch Wert von 300‘000 Franken und «als Folge eines Prellschusses wirklich, – versteht sich ohne zu Ehrengaben von 75‘622 Franken.19 und die andern als solche vorzei­ zielen – ausführte».22 Als offizielle Ehrengaben waren 300 silberne Schützenbecher und 92 Taschenuhren im Wert von 33‘320 Franken angeschafft wor­ den, weitere 391 Ehrengaben waren von Schweizerinnen und Schweizern aus dem ganzen Land und weltweit aus «Schwei­ Kirchenstrasse 11 | 6300 Zug | www.burgzug.ch zer Kolonien» gespendet wor­ den.20 Um diese zu gewinnen, Aktuelle Sonderausstellung wurden 600'000 Patronen ver­ Schnee war gestern – in den Voralpen, verlängert bis August 2021. schossen. Die Polizei musste auf dem Festgelände 42 Personen we­ Die Ausstellung wirft einen Blick zurück, als der Wintersport gen Bettelns und Vagabundie­ boomte und in den Voralpen zahlreiche kleine Skigebiete ent­ rens, 16 Frauen wegen Prostituti­ standen. Sie fragt aber auch, ob wintersportliches Vergnügen in on, 21 Personen wegen Diebstahls tieferen Lagen in Zeiten des Klimawandels überhaupt eine Zu­ und Diebstahlversuchs, 5 Perso­ kunft hat. nen wegen steckbrieflicher Aus­ schreibung und eine Person we­ Dauerausstellung zur Zuger Kulturgeschichte gen «unbefugten Hausirens» verhaften. Die Sanitäter mussten

Seite 58 Sowohl das Museum Burg als Gebäude wie auch die Sammlung sind A-Objekte im Schweizerischen Kulturgüterschutz- inventar (KGS-Inventar).

QUELLEN UND LITERATUR 4 Die verwendete Ikonografie setzt 10 Fest-Blatt, 1869: Nr. 1: 2. Für das heute teils beträchtliches Vorwissen Verzeichnis der Mitglieder sämt- - Abegglen Walter R. C., 2015: Zuger voraus. So z.B. bei dem auf der licher Komitees s. Fest-Blatt, 1869: Goldschmiedekunst, 1480–1850. Kuppa des Bechers abgebildeten, an Nr. 2: 4f. [Museum Burg Zug]. Weggis/Zug. eine Hand geketteten Falken mit 11 Ganz so einig war man indes nicht. - Artikel «Schützenwesen», in: Falkenhaube. Dieser spielt auf den Wegen Vorbehalten gegen den Historisches Lexikon der Schweiz, Eintritt Zugs in die Eidgenossen- Schiessplan und die zugelassenen 2011: Bd. 11, S. 245–247. Basel. schaft an: Als die Zuger Gesandt- Waffen boykottierten die St. Galler - Das eidgenössische Schützenfest in schaft während der eidgenössischen das Schützenfest. Fest-Blatt, 1869: Zug vom 11. bis 21. Juli 1869, in: Belagerung ins Kloster Königsfelden Nr. 15: 1 / Zuger Kalender, 1870: Zuger Kalender, 1870: S. 13–25. zu König Albrecht II. ging und um 1870: 15. - Fest-Blatt, 1869: Offizielles Organ Hilfe bat, soll dieser der Legende 12 Fest-Blatt, 1869: Nr. 2: 2 und des 24. eidgenössischen Schützen- nach die Zuger kalt empfangen und Nr. 1: 3. festes in Zug, Nr. 1–15, 1. Juli bis 30. sich mehr für seine Falken interes- 13 Fest-Blatt, 1869: Nr. 15: 2 / Zuger Juli 1869. siert haben. Es war aber auch Kalender 1870: 15, 18. - Keller Rolf; Tobler Mathilde; Dittli damals bereits so, dass die Darstel- 14 Fest-Blatt, 1869: Nr. 2: 2f. Beat (Hg.), 2002: Museum in der lungen und ihre Bedeutungen nicht 15 Neue Zuger Zeitung, 24. Jg., Burg Zug, Bau, Sammlung, von allen ohne Erklärung verstanden Nr. 59: 1. ausgewählte Objekte. Zug. wurden. Siehe Fest-Blatt, Nr. 8: 3, 16 Neue Zuger-Zeitung, 24. Jg., - Neue Zuger-Zeitung, 24. Jg., Nr. 56, 16.7.1869. Nr. 61: 1. 13.7.1869; Nr. 58, 17.7.1869; Nr. 59, 5 Zuger Kalender 1870: 15. «Süss [ist 17 Schlussrechnung über das Eidgenös- 21.7.1869; Nr. 61, 28.7.1869. es] für das Vaterland zu sterben» sische Schützenfest 1869 in Zug, - Schlussrechnung über das Eidgenös- bezieht sich – in Anlehnung an 1870: 14f. sische Schützenfest 1869 in Zug, Horaz – auf den Heldentod Kolins. 18 Fest-Blatt, 1869: Nr. 2: 2 / Schluss- 1870. Zug. Das Motto Schwarzmurers findet rechnung über das Eidgenössische - Staub B[onifaz], 1869 (zweite sich bereits unterhalb seiner Büste Schützenfest 1869 in Zug, 1870: 6f. verbesserte Auflage): Erinnerungen am Zürcher Rathaus (dt: «Über- 19 Fest-Blatt, 1869: Nr. 1: 4 und an Zug / Der Kanton Zug. Histo- einstimmung von Herz und Nr. 15: 4. rische, geographische und statis- Mund»). 20 Abegglen, 2015: 35 / Fest-Blatt , tische Notizen. Zug. 6 Zuger Kalender 1870: 23. 1869: Nr. 1 bis 15. Gespendet 7 Zuger Kalender 1870: 13, 18–21, 23 wurden u. a. Silber- und Goldpreise ANMERKUNGEN / Neue Zuger-Zeitung, 24. Jg., Nr. (Uhren, Geschirr, Besteck), Kaffee- 56: 1; Nr. 58: 1 / Fest-Blatt, 1869: und Tee-Services, Möbel, Teppiche, 1 Art. Schützenwesen, in: Historisches Nr. 1: 3. Pendulen, feine Tuch- und Seiden- Lexikon der Schweiz, Bd. 11: 245. 8 Die weitgehend leere Allmend bildete stoffe, Wein, Spirituosen, Zigarren 2 Art. Schützenwesen, in: Historisches damals nördlich der Bahngeleise den bis hin zu «8 Dutzend Büchsen Lexikon der Schweiz, Bd. 11: 246 / Abschluss der Stadt. Das alte Bahn- kondensierter Milch» von der Anglo- Keller Rolf; Tobler Mathilde; Dittli hofgebäude stand auf der Höhe der Swiss Condensed Milk Cie. (heute: Beat (Hg.), 2002: 207. 1904 bis 1906 errichteten Refor- Nestlé). 3 Gesellschaftlicher Entwicklungspro- mierten Kirche an der Alpenstrasse, 21 Fest-Blatt, 1869: Nr. 15: 4. zess, der zur Bildung eines natio- d.h. heute mitten in der Stadt. Siehe 22 Fest-Blatt, 1869: Nr. 15: 2. nalen Zusammengehörigkeitsgefühl Staub, 1869 und Abb. 5 in diesem führt. Vgl. Art. Nation, in: Histo- Forum-Beitrag: Der Kanton Zug, [Letzter Stand für alle in diesem risches Lexikon der Schweiz (online): «Plan der Stadt Zug» mit «Situati- Beitrag erwähnten Links: 2.3.2021]. https://hls-dhs-dss.ch/de/arti- onsplan des Festplatzes». cles/017437/2011-04-26/ 9 Zuger Kalender 1870: 15.

Seite 59 LA FÊTE FÉDÉRALE DE TIR LA FESTA FEDERALE

DE 1869 À ZOUG DI TIRO DEL 1869

A ZUGO

Les fêtes de tir sont une tradition L'article montre également que Le feste di tiro hanno una lunga de longue date en Suisse. Cepen­ les fêtes de tir de cette époque tradizione in Svizzera. Tuttavia, il dant, leur caractère a changé au étaient déjà de grands événe­ loro carattere è cambiato nel cor­ fil du temps. Au début, elles met­ ments. La fête organisée par la so del tempo. All'inizio servivano taient en scène les citadins et les société de tir de la Ville de Zoug a rappresentare le classi urbane bourgeois et reflétaient leur puis­ et présidée par le landamann borghesi e a sfoggiare la loro po­ sance économique, plus tard vint Karl Merz s'est déroulée du 10 au tenza economica, ma più tardi s'ajouter la notion d'entraînement 21 juillet 1869 et a réuni jusqu'à passarono in primo piano la fun­ militaire et, à l'époque moderne, 40'000 personnes les jours de zione di addestramento militare l'aspect sportif s'est imposé. Tou­ grande affluence. Un terrain a été tefois, les fêtes de tir ont toujours aménagé pour la fête directement eu un caractère de fête populaire. derrière la gare de l'époque, avec une impressionnante salle des La tradition a été reprise en 1824 fêtes pouvant accueillir 4000 visi­ après la fin de l'Ancien Régime. teurs, un stand de tir de près de 9 Cartolina di tiro della Festa federale Au 19e siècle, les fêtes de tir 240 m de long et un pavillon des di tiro del 1869 a Zugo per il tiro di étaient des plates­formes poli­ prix de près de 23 m de haut sur campagna «Patria» con una veduta tiques importantes dans les trois étages (cf. page de couver­ di Zugo, il landamano Peter Kolin conflits entre libéraux (radicaux) ture et ill. 6). vestito da cavaliere (a sinistra) e un et conservateurs. Au cours du tiratore in uniforme secondo processus de constitution de la l'ordinanza federale del 1861 nation, les fêtes de tir se sont for­ (a destra). Su carta, H. Furrer, 1869. tement appuyées sur l'histoire Fig.: © Archivio di Stato Zugo, des héros confédérés. Cela trans­ Collezione Festa di tiro 1869, p. 232. parait au travers de divers objets liés à la Fête fédérale de tir de 1869 à Zoug provenant de la col­ lection historique du Musée du château de Zoug, qui font réfé­ rence à la bataille d'Arbedo en 1422 et aux héros de Zoug.

9 Carte de tir de la Fête fédérale de tir de 1869 à Zoug pour la Cible campagne «Patrie» avec une vue de Zoug, le landamann Peter Kolin en chevalier (à gauche) et un tireur en uniforme selon l'ordonnance fédérale de 1861 (à droite). Papier, H. Furrer, 1869.

Ill.: © Staatsarchiv Zug, Sammel- 9 band Schützenfest 1869, p. 232.

Seite 60 10 Federal Shooting Festival prizes: in the foreground the official competi- tion cup (cf. fig. 3) and in the upper right the commemorative thaler (cf. fig. 4). The image also shows bags of coins and other prize donations. Print, after a drawing by H. Fischer, 1869. Fig.: © Museum Burg Zug, THE 1869 inv. no. 7759.

FEDERAL SHOOTING

FESTIVAL IN ZUG

e, in tempi moderni, l'aspetto Shooting festivals have a long tra­ sportivo. Hanno però sempre dition in Switzerland. However, mantenuto anche il carattere di the nature of these events has feste popolari. changed over time. The earliest festivals were primarily a vehicle Dopo la fine dell'Ancien Régime, for raising the profile of the lead­ la tradizione fu ripresa nel 1824. ing townsmen and as a demon­ Nel XIX secolo, le feste di tiro di­ stration of economic clout; later, vennero importanti arene politi­ they served primarily as military che per le dispute tra i liberali training exercises. In contrast, to­ (radicali) e i conservatori. Nel cor­ day's festivals are largely sport­ so del processo di costituzione ing events. Regardless of the dif­ della nazione, le feste di tiro ac­ ferent purposes they have served quisirono forti riferimenti storici over the years, these shooting ad avvenimenti eroici della storia matches have always had a strong svizzera. Lo testimoniano diversi folk festival element. With the oggetti della Festa federale di tiro Ancien Régime at an end, the tra­ del 1869 a Zugo presenti nella col­ dition began to experience a re­ lezione storica del Museo Burg di vival in 1824. During the 19th cen­ Zugo, che fanno ad esempio rife­ tury, shooting festivals were rimento alla battaglia di Arbedo important political platforms for del 1422 o agli eroi zughesi. the warring (radical) liberals and conservatives. In the course L'articolo spiega inoltre che le of the nation­building process, feste di tiro erano già grandi shooting festivals drew heavily 10 eventi all'epoca. La festa organiz­ on heroic tales from the Old Swiss zata dalla Schützengesellschaft der Confederacy. The historical col­ Stadtgemeinde Zug (società di tiro lection of the Museum Burg Zug ed over by the president of the della città di Zugo) presieduta dal features several artefacts from cantonal council Karl Merz, the landamano Karl Merz di Zugo, the 1869 Federal Shooting Festi­ event ran from 10 to 21 July 1869; durò dal 10 al 21 luglio 1869 e nei val in Zug which bear this out, on some days it attracted as many giorni di punta fu visitata da e.g. references to the 1422 Battle as 40,000 visitors. For the actual 40'000 persone. Sul terreno pub­ of Arbedo and the heroic men of shooting match, a purpose­built blico (Allmend) adiacente all'ex Zug who valiantly fought in this festival site was set up on the stazione ferroviaria si costruì un conflict commons directly behind the impianto fieristico con un im­ town's railway station. It included pressionante capannone per 4'000 The article also captures the an impressive festival hall which visitatori, uno stand di tiro lungo sheer scale of past shooting festi­ could hold up to 4,000 people, quasi 240 metri e un Gabentempel vals, such as the 1869 festival. Or­ a roughly 240­metre­long shoot­ (tempio dei trofei) a tre piani alto ganised by the town's shooting ing stand, and a 23­metre­high, quasi 23 metri (vedi l'immagine fraternity, the Schützengesellschaft three­storey prize pavilion (cf. di copertina e fig. 6). der Stadtgemeinde Zug, and presid­ cover page and fig 6).

Seite 61 JÜRG RICHTER, MARCEL HÄBERLING SCHWEIZER SCHÜTZENTALER UND SCHÜTZENMEDAILLEN

Die Gründung des Schweizeri- die an verdiente Gewinner der schen Schützenvereins (SSV) Schiesswettbewerbe vergeben 1824 erfolgte in einer Zeit, wel- wurden. che von ausländischen Macht- einflüssen und innerer Zer- rissenheit geprägt war. Die BEISPIELE VON SCHÜT- Stadt- und Landbevölkerung ZENMEDAILLEN MIT HIS- sehnte sich nach einer neuen TORISCHEM HINTERGRUND gemeinsamen Kraft. Abb. 1, Vorderseite: Jürg Richter ist Marcel Häberling Mit den Eidgenössischen Frei­ Das Wappen der Stadt Basel zeigt Inhaber der Firma ist Inhaber der schiessen und Schützenfesten den Baselstab, der ursprünglich SINCONA & Firma Marcel entstand diese neue einheitliche ein stolzer Regierungsstab des SINCONA Häberling Numis- Energie. Dieser verbindende Fürstbistums Basel war. Aus dem TRADING AG in matik in Zürich. Geist überwand föderalistische verehrten Kreuz geht dieses Zürich. Er ist Langjähriger und klerikale Gesinnung. Reden Wappenemblem hervor, das die langjähriger Ex- Experte für Mün- und Ansprachen von Vorsitzen­ Tugenden der Unabhängigkeit perte für Münzen zen und Medaillen den der «Schützenclubs», von Ge­ und der freien Rechte der Eidge­ und Medaillen der der Eidgenossen- meindepolitikern und von geist­ nossenschaft verkündet. Eichen­ Eidgenossenschaft, schaft und der lichen Würdenträgern waren ein zweige und Lorbeeren umrah­ jener der Kantone Kantone. Präsi- wichtiger und fester Bestandteil men das ehrwürdige Emblem, sowie für Bank- dent des Ver- dieser Anlässe. So waren diese das den Siegern des Schützenfes­ noten. bandes Schweizer nationalen Grossanlässe viel­ tes Ruhm und Ehre verleiht. Vize-Präsident des Berufsnumismati- leicht die Wiege des 1848 gegrün­ Verbandes Schwei- ker (VSBN) von deten Schweizerbundes. Inschrift: zer Berufsnumis- 1997 bis 2018. FÜR FREIHEIT UND VATER­ matiker (VSBN) Co-Autor des LAND – DA FRISS EINE DER seit 1997. Co- Referenzwerkes MEDAILLENKUNST ROSEN 1 Autor des Refe- «Die Schützentaler renzwerks «Die und Schützenme- In den Anfangszeiten der Schüt­ Rückseite: Schützentaler und daillen der zenfeste war es noch nicht üb­ Arnold Schick, der grosse Held, Schützenmedaillen Schweiz». lich, Gedenkprägungen – sei grimmig und unnachgiebig, der Schweiz» so- dies in Form von Medaillen oder beugt das Knie, sucht aber nicht wie Autor diverser Jetons – herauszugeben. Ab dem die Gnade des Feindes. Mit dem numismatischer 18. Jahrhundert fand die Medail­ treuen Kreuz auf seinem Brust­ Fachliteratur. lenkunst jedoch ihren Weg zu panzer weiss er, dass er seinen den Schützenfesten. Die Herstel­ Abschiedskampf für die Konfö­ lung dieser aussergewöhnlich deration gekämpft hat. Von zwei schönen Kunstwerke war mit Bolzen getroffen, ist er im Kampf hohen Kosten verbunden; so behindert, sein zerbrochenes wurden diese von den besten Schwert liegt ihm zu Füssen. Das und hochqualifiziertesten Hand­ Ende ist nah, er weiss, dass seine werkern zum Gedenken an die Wunden tödlich sind. Veranstaltung gefertigt. Tolle Beispiele sind die Schützen­ Mit der rechten Hand hat er einen medaillen und Schützentaler, Stein ergriffen, sein Arm holt zu

Seite 62 1 Basellandschaftliches Kantonalschützenfest, Binningen 1893. 2 Tir fédéral, Genève 1887 Medaille von Franz Homberg, Bern und Karl Jauslin, Muttenz. Medaille von M. Divonne, Foto: © Jürg Richter, Marcel Häberling. C. Richard und E. Lossier, Genève. Foto: © Jürg Richter, Marcel Häberling.

1 einem mächtigen Wurf aus und er blickt seinem Feind mit tiefer Verachtung entgegen – ein letzter Akt des Trotzes, der sich für die Nachwelt in die Köpfe seiner Ka­ meraden gebrannt hat. Im Hin­ tergrund ist das stolze Wappen seines Geburtsortes, der Urner Stier, angedeutet. Inmitten der Trümmer steht das örtliche Kran­ kenhaus von St. Jakob, das bald durch die Armagnacs von Daphne 2 zum Ziel erbarmungsloser Bom­ bardierungen durch ihre schwere Prominent dargestellte Bollwerk­ SCHÜTZENTALER Artillerie wird. kanonen zielen nach aussen und MIT GELDCHARAKTER erinnern an die legendäre Vertei­ Abb. 2, Vorderseite: digung der Stadt durch ihre tap­ Zu den übergeordneten Eidge­ Heraldisches Wappen der Eidge­ feren Bürger, welche den berüch­ nössischen Freischiessen prägte nossenschaft, verbunden mit tigten und heimlichen Angriff man ab 1842 bis 1885 kunstvoll dem Wappenschild von Genf bei der Escalade durch das Haus gefertigte Schützentaler, welche mit dem gekrönten Reichsadler. Savoyen im Jahre 1602 erfolgreich auch Geldcharakter besassen. Die ausgebreiteten Flügel und zurückgeschlagen haben. Auch die Taler sind attraktive, Klauen zeigen dessen kämpferi­ kulturelle Zeugnisse dieser wich­ sche Bereitschaft. Daneben ist Das Wappen ist als abgeschrägtes tigen historischen Geschehnisse der Schlüssel des heiligen Petrus Schild gezeigt, das den Ursprung mit einer Botschaft an die Bevöl­ zu sehen, symbolisch für den der Stadt aus früherer Zeit dar­ kerung. Auf den Randumschrif­ Zugang durch die Himmelspfor­ stellt, mit dem Reichsadler und ten der ersten Talerprägungen te. Die Eichen­ und Lorbeerzwei­ dem Schlüssel des heiligen Pet­ von 1842 in Chur und 1847 in ge mit stilisierten, leuchtenden rus, welche seit dem 15. Jahrhun­ Glarus stand geschrieben: «EIN­ Strahlen ehren die triumphie­ dert stolz den Status von Genf als TRACHT MACHT STARK.» Die­ renden Sieger des Schiesswett­ Reichsstadt und als Bischofssitz ser Spruch steht sinnbildlich bewerbs. symbolisieren. dafür, dass sich die Eidgenossen nach Verbrüderung und Gemein­ Inschrift: Im Hintergrund liegt die goti­ samkeit sehnten. TOUT POUR LA PATRIE sche Kathedrale Saint­Pierre, der mittelalterliche Sitz des Fürst­ Abb. 3, S. 64: Der erste Schützen- Rückseite: bischofs der Diözese Genf. In glü­ taler mit Geldcharakter über Der gepanzerte Wachposten der hender und leidenschaftlicher 4 Schweizer Franken. Musketiere, die schlanke Degen­ Verteidigung ihrer Souveränität, klinge in der Scheide, die auf­ verbündeten sich die Genfer 1519 Vorderseite: rechte Arquebuse [Hakenbüchse, mit Freiburg, 1526 mit Bern und Zu sehen ist das Wappen der Vorderlader aus dem 15./16. Jahr­ 1584 mit den Schweizer Kanto­ Schweiz vor einer Darstellung hundert] fest in den Armen ge­ nen. Schliesslich wurde 1814 der von vier Flaggen und zwei Stut­ halten, zeigt den berühmten eins­ Kanton Genf formell Teil der zern, die sich dahinter kreuzen. tigen Helden und Retter Isaac Schweizerischen Eidgenossen­ Darunter das Jagdhorn, mit wel­ Mercier. schaft [offiziell dann 1815]. chem die Sieger stolz verkündet

Seite 63 3 Eidgenössisches Freischiessen, Chur 1842, 4 Franken. Schützentaler von Karl-Friedrich Voigt, Berlin. Foto: © Jürg Richter, Marcel Häberling.

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wurden. Lorbeerpaare aus Ei­ SCHÜTZENMEDAILLEN wand nicht im Verhältnis zum chen­ und Lorbeerästen links MIT INTERESSANTER Gebrauch. Es war vielmehr ein und rechts. Das Barett mit drei SYMBOLIK UND Wettbewerb zwischen dem Federn thront über dem Schild; BILDLICHER HERALDIK Schiess­ und dem Medaillen­ dies waren die prestigeträchtigen wesen. Auszeichnungen für die Meister­ Von noch auffälligerem Ausse­ schützen. hen als die Taler sind die prächti­ Abb. 4, Vorderseite: gen Schützenmedaillen, welche Auffällig ist das altschweizeri­ Randinschrift: sowohl zu den eidgenössischen sche Eidgenossen­Kreuz, von EINTRACHT MACHT STARK und kantonalen Schützenfesten dem stilisierte Strahlen in alle sowie den regionalen und vielen Himmelsrichtungen ausgehen. Rückseite: schiessspezifischen Anlässen ge­ Links erkennt man das stolze Eine Dreiheit aus ovalen Schil­ prägt wurden. Bei der Betrach­ Wappen des Kantons Aargau, dern zeigt die heraldischen Wap­ tung der Details solcher Me­ rechts das Wappen der Stadt pen der drei Bünde (Grauer Bund, daillen zeigt sich auch das auf­ Baden, dem Austragungsort des Gotteshausbund sowie Zehn­ wendige und komplizierte Prä­ grossen Schützenfestes. Weiter gerichtebund). Sie sind durch ein geverfahren dieser Kleinkunst­ dargestellt sind zwei Schweizer sanftes, aber beständiges Wellen­ objekte. Kunstvoll hervorgeho­ Schiessgewehre, eine historische band miteinander verbunden ben und zu entdecken sind auf Armbrust, ein Pfeilköcher und und stehen für das ewige Ver­ diesen Medaillen historische Ge­ ein Siegerblumenkranz – alles sprechen der Brüderlichkeit und schehnisse, kulturelle Traditio­ Ikonen des geliebten Festes. Einheit der Drei Bünde. Dieses nen oder ökonomische Errungen­ symbolische Band führt zu den schaften. Inschrift: drei Händen, die in einer innigen VORWÄRTS FEST U TREU! Darstellung geformt sind. Aus Dieses hervorragende Handwerk, den Wolken kommen stilisierte beginnend vom Gipsmodell bis Rückseite: Strahlen, welche einen göttlichen zur Stempelgravur und dem ab­ Prominent gezeigt wird eine tu­ Willen verkünden. Darunter schliessenden mehrstufigen Prä­ gendhafte holde Frauengestalt, zwei Eichenzweige mit Eicheln, gevorgang, war nicht zu über­ Demut spiegelt ihr Wesen und stehend für die Langlebigkeit treffen. Weil bloss eine begrenzte Güte ist ihre Krone des Ruhmes. und für die Inhalte des Verspre­ und kleine Anzahl dieser Me­ Ihr Heiligenschein ist zart geätzt chens: der Glaube, die Ausdauer daillen für die Anlässe herge­ mit den Worten Sancta Verena. und die Stärke des Bündnisses. stellt wurden, stand der Auf­ Hier wird die Heilige Verena, die

4 Aargauisches Kantonalschützenfest, Baden 1896. Medaille von Franz Homberg, Bern. Foto: © Jürg Richter, Marcel Häberling. 4

Seite 64 5 Eidgenössisches Schützenfest, Frauenfeld 1890. Medaille von Hugues Bovy, Genève. Foto: © Jürg Richter, Marcel Häberling.

verehrte Heilige der römisch­ katholischen Kirche, dargestellt.

Ihr rechter Arm wiegt einen Was­ serkrug, der Heilung verspricht, und ihre zarte Hand hält einen Kamm, das Symbol der Fürsorge und Liebe zu ihren Mündeln. Ihr Name «Verena» steht für «die gute Frucht», welche auf dem Wappen des Schildes dargestellt ist, auf dem ihre Hand ruht. Da­ neben ist eine Weinrebe zu sehen, 5 die Früchte trägt. Als verehrte und fürsorgliche Schutzpatro­ Inschriften: ter dem Schutz der Eidgenossen­ nin für die Armen, Kranken und HEIL DIR HELVETIA schaft steht. Ihre linke Hand ruht Aussätzigen gilt Verena auch als auf einem starken Wappenschild die ehrwürdige Mutter aller Rückseite: mit dem Wappen des Kantons Nonnen Europas. Im Bildhinter­ Zu sehen ist Helvetia als Al­ Thurgaus, welches ihre Herkunft grund sind die altbadische Stadt, legorie der Eidgenossenschaft. zeigt. Ihren rechten Arm legt sie die Ruine des alten Schlosses Ihr Helm, geziert mit dem Wap­ auf die mühevoll eingebrachten Stein, die historische Stadtkirche pen des Kreuzes, verbirgt ihre landwirtschaftlichen Ernten, die und die alten Dachhäuser zu er­ dichte Haarpracht. Ihr feines sie als Tribut zum Dank zu bieten kennen. Seidenkleid schirmt ihre stattli­ hat. che Gestalt ab, während ihr aus­ Abb, 5: Vorderseite: gestreckter Arm und ihre unbe­ In der Ferne erhebt sich das his­ Auf einem kunstvoll verzierten deckten Füsse nackt bleiben. torische Schloss Frauenfeld, wel­ Wappenschild befindet sich eine ches aus den befestigten Turm­ traditionell gekleidete Jungfrau, Streng wirft sie einen stählernen, mühlen und den Steinen der die einen gebändigten, aber im­ bedrohlichen Blick nach Osten, früheren Kapelle entstand – ein mer noch wilden Löwen ent­ eine Warnung an ihre Feinde. stummer Zeuge für die Geschich­ schlossen an der Leine festhält. te des Thurgaus. Die Aussagen sind: Der Löwe, Gezeigt wird sie als Beschütze­ das Wappentier der Kyburger und rin, das Schwert gezogen, bereit der Habsburger aus früherer Zeit, für die Tat der Verteidigung. Der GEPRÄGTE ANDENKEN liegt am Gängelband der heiligen gestreckte Arm hält schützend ZUM ANFASSEN Jungfrau Maria und der heiligen den Schild über die zufluchts­ Muttergottes, die «Frau im Feld», suchende Jungfrau. Diese blickt Vom späten 18. Jahrhundert bis welche die Flur heiligt. dankbar und ehrfürchtig zur zur Gegenwart sind insgesamt Helvetia hinauf. Sie ist über der mehr als 2000 verschiedene Taler Auf den Ästen der Siegerlorbee­ Taille entkleidet, ihre Verwund­ und Medaillen geprägt worden. ren und der Eichen­Flora liegen barkeit ist für alle sichtbar, doch Aus allen Landesteilen und Kan­ vier Scharfschützen­Karabiner. ohne Angst oder Scham zeigt sie tonen gibt es diese Kleinkunst­ Die Kelle, rechts hinter dem ein sanftes Lächeln. Ihre Haltung werke, welche die mannigfachen Schild, zeigt die Treffsicherheit ist entspannt, ihr Herz ist beru­ Kulturen, die unterschiedlichen des Siegers. higt, denn sie weiss, dass sie un­ Landessprachen und regionalen

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6 Schützenfestplatz Eidgenössisches Gegebenheiten zeigen. Die Blü­ und Kultur besonders eindrück­ Freischiessen Zürich 1859. tezeit bzw. der Höhepunkt die­ lich auf den Schützentalern und Foto: © Jürg Richter, Marcel ser Medaillenkunst zeigten sich Schützenmedaillen entdecken Häberling. Fotografiert vom Original im 19. und frühen 20. Jahrhun­ und sinnbildlich in die Hand im Schweizer Schützenmuseum, mit dert. In dieser Zeitspanne lässt nehmen. freundlicher Genehmigung der sich die Schweizer Geschichte Direktorin. ANMERKUNG

1 Das Zitat bezieht sich auf die Schlacht bei St. Jakob an der Birs, 1444. Gemäss Legende ritt ein PUBLIKATIONEN ZUM THEMA stolzer Ritter des französischen Heeres, Burkhard Münch, über das Mehr Geschichte, Wissenswertes und Details zu den verschie­ Schlachtfeld und rief beim Anblick denen Medaillen sind in den Büchern «Der Leitfaden für das der toten und sterbenden Eidgenos- Sammeln von Schweizer Schützenmedaillen» und «Swiss shoo­ sen höhnisch: «Heute baden wir in ting talers and shooting medals» zu finden, erschienen im Bat­ Rosen!» Da griff der zum Tod tenberg Gietl Verlag, Regenstauf 2018 (2. Auflage). verwundete Hauptmann der Urner, Arnold Schick, mit blutender Hand und blutendem Herzen nach einem schweren Stein, richtete sich mit der Jürg Richter Jürg Richter Keh Wee Kwang · Marcel Häberling Keh Wee Kwang · Marcel Häberling letzten Kraft auf und rief, den Stein Swiss shooting thalers Der Leitfaden für das Sammeln von nach dem Ritter schleudernd: «Da Schweizer Schützenmedaillen and shooting medals friss eine der Rosen!» Jetzt sank der

瑞士射击塔拉尔钱币和射击节纪念章 The Guide to collect Swiss shooting medals übermütige Ritter vom Pferd, und es 收集瑞士射击节奖牌的专业手册 schleifte ihn in wildem Galopp zu Le guide pour la collecte des médailles de tir Suisses Guida al collezionismo delle medaglie di tiro svizzere Tode. «Wie hängt der Ritter auf dem Ross? Sein Panzer ist ja rosenrot. Legt ihn nur auf den Kirchhof fein, dort wachsen viele Röselein!» heisst es in einem alten Lied über die Schlacht. Edition rd 3

ISBN 978­3­86646­193­2 (https://www.battenberg­gietl.de).

Seite 66 THALERS ET TALLERI E MEDAGLIE

MÉDAILLES DE TIR DELLE FESTE SVIZZERE

SUISSES DI TIRO

Lors des premières fêtes de tir, Il convient aussi de citer les ma­ Agli albori delle feste di tiro non il n'était pas encore habituel gnifiques médailles frappées à era ancora consuetudine emette­ d'émettre des pièces commémo­ l'occasion de différents événe­ re monete commemorative sotto ratives sous forme de médailles ments autour du tir. Il vaut la forma di medaglie o gettoni. Nel ou de monnaies. Ce n'est qu'à par­ peine de se pencher de plus près XVIII secolo, l'arte delle medaglie tir du 18e siècle que la tradition sur ces médailles pour découvrir è però approdata a queste feste. des médailles est introduite dans dans le détail les références à La realizzazione di queste opere les fêtes de tir. La production de l'histoire, à l'économie ou encore d'arte di eccezionale bellezza ces œuvres d'art d'une beauté ex­ aux traditions de ces petits objets comportava costi elevati. Esse ceptionnelle engendre des coûts d'art créés au moyen de procédés venivano infatti realizzate dai élevés, c'est pourquoi elles ont été de frappe complexes. migliori e più abili artigiani per réalisées par les meilleurs et les commemorare degnamente l'e­ plus habiles artisans pour com­ Ce savoir­faire exceptionnel, vento. Esempi importanti sono mémorer l'événement. Les mé­ qui s'étend du modèle en plâtre anche le medaglie e i talleri, che dailles et les thalers qui ont été jusqu'à la gravure du timbre et au venivano assegnate ai meritevoli attribués aux gagnants des processus final de frappe en plu­ vincitori delle gare di tiro. concours de tir en sont de bons sieurs étapes, est incomparable. exemples. Dal 1842 al 1885, per commemo­ De la fin du 18e siècle à nos jours, rare le feste federali di tiro furono De 1842 à 1885, des thalers ont été plus de 2000 thalers et médailles coniati talleri artistici che valeva­ frappés pour commémorer les différents ont été frappés. Ces no anche come denaro (fig. 1, 2 e fêtes fédérales de tir. Ils servaient petites œuvres d'art existent dans 3). I talleri sono splendide testi­ aussi de monnaie (ill. 1, 2 et 3). toutes les régions du pays et dans monianze culturali di questi im­ Les thalers sont des témoins tous les cantons et illustrent les portanti eventi storici, e recavano culturels de ces événements his­ différentes cultures et langues sempre un messaggio per la po­ toriques et transmettent un mes­ nationales ainsi que les particula­ polazione. Sui primi talleri conia­ sage à la population. Sur le pour­ rités régionales. Cet art a connu ti a Coira nel 1842 e a Glarona tour des premiers thalers frappés son apogée entre le 19e siècle et le nel 1847 figurava la scritta EIN- à Coire en 1842 et à Glaris en début du 20e siècle. Durant cette TRACHT MACHT STARK, ossia 1847, on trouve l'inscription période, les thalers et les mé­ l'unione fa la forza. Questo detto EINTRACHT MACHT STARK dailles de tir sont de véritables esprimeva il desiderio di frater­ (l'union fait la force). La formule témoins de l'histoire et de la nizzazione e di unione. symbolisait le désir de fraternisa­ culture suisses. tion et de rassemblement. Ancora più appariscenti dei talleri erano le magnifiche medaglie co­ niate per molti eventi legati al tiro. Vale la pena guardare più da vici­ no queste medaglie per scoprire i dettagli di questi piccoli oggetti d'arte realizzati con complicati procedimenti di conio. Raffigura­ no avvenimenti storici, tradizioni culturali o conquiste economiche.

Questa eccezionale maestria, dal­ la creazione del modello in gesso,

Seite 67 SWISS

SHOOTING THALERS

AND MEDALS

all'incisione dello stampo fino Commemorative coins, medals Even more striking than the thal­ alla goffratura a più stadi, era in­ and jetons were not a common ers are the magnificent medals superabile. feature of Swiss shooting festi­ which were created for a host of vals in their early days. The med­ shooting­specific events. A closer Dalla fine del XVIII secolo ad al tradition, as we know it today, look at these small artworks, oggi, sono stati coniati più di dates back to the 18th century. which are the result of complex 2000 talleri e medaglie diverse. Given the high costs involved, the minting processes, reveals sur­ Ne esistono per tutte le parti del creation of these exquisite works prising details, such as depictions Paese e per tutti i cantoni a testi­ of arts were entrusted to only the of historical events, cultural tra­ monianza delle diverse culture, best and most highly skilled ditions and economic achieve­ lingue nazionali e peculiarità craftsmen. Some of the finest ex­ ments. regionali. Il periodo d'oro di amples are the shooting medals quest'arte delle medaglie ha avu­ and thalers awarded to the win­ From the plaster mould to the to il suo apice nel XIX e all'inizio ning marksmen. stamp engraving right up to the del XX secolo. I talleri e le meda­ final multistep embossing pro­ glie di tiro raffigurano in modo From 1842 to 1885, ornately craft­ cess, the exquisite craftsmanship straordinariamente vivo la storia ed shooting thalers, with a mon­ required to produce these objects e la cultura svizzera di questo pe­ etary value, were minted to com­ was unmatched. riodo. memorate the Federal Shooting Festival (fig. 1, 2 and 3). Not only More than 2,000 different shoot­ are these thalers attractive, cul­ ing thalers and medals have been tural mementos of important minted since the late 1700s. Every historical events, they also bear region and canton of Switzerland messages for the Swiss citizenry. have their own examples that re­ Around the edges of the first thal­ flect their particular culture, lan­ ers minted in Chur in 1842 and in guage and realities. The 19th and Glarus in 1847, the inscription early 20th centuries were the gol­ reads: EINTRACHT MACHT den age of medal art. Shooting STARK (Unity Is Strength). This thalers and medals from this pe­ motto was an expression of the riod offer fascinating glimpses prevailing desire for brotherhood into Swiss history and culture. and togetherness.

Seite 68 THIS FETZER, MARTIN HANNES GRAF «WAS MACHT DER SCHÜTZ IM SCHÜTZENGARTEN?»

WIE FLUR- UND FAMILIENNAMEN

AN DAS SCHÜTZENWESEN VERGANGENER ZEITEN ERINNERN

Über die ganze Schweiz spannt vor drohenden Gefahren «ge­ sich ein Netz von Örtlichkeits- schlagen» werden konnte, mili­ namen, die in irgendeiner Form tärische Sammelplätze und Mus­ mit dem Schützenwesen zu tun terungseinrichtungen, aber auch haben. Oft geben sie Hinweise Zeughäuser (vgl. den Flurnamen darauf, wo sich einst Übungs- Zeughaus in Bad Ragaz (SG)) und anlagen für Schützen befanden Arsenale2 sowie Stätten, an de­ oder wo sich die Schützenge- nen die blutigen Auseinander­ sellschaften zu geselligen Zu- setzungen tatsächlich stattge­ sammenkünften trafen. Doch funden haben.3 Alle diese Na­ Dr. This Fetzer, Dr. Martin nicht immer sind die Namen in mentypen sind freilich zu tren­ Studium der Sozio- Hannes Graf, ihrer heutigen Gestalt zuverläs- nen von denen, die an das Schüt­ logie, Germanistik Studium der Ger- sige Wegweiser in die Vergan- zenwesen – verstanden als eine (Linguistik) und manistik, Allge- genheit, denn erst die vertiefte Art Sport und Freizeitbetätigung Publizistikwissen- meinen Geschichte Analyse der Namen in ihrer his- – erinnern. Während die kriege­ schaft in Zürich und Mittellateini- torischen Überlieferung und in rischen Namen gelegentlich sehr und Wien 1996 schen Philologie ihrem naturräumlichen Kontext viel älter sind und teils sogar an bis 2001 (Lizen- an der Universität führt zu belastbaren Aussagen. vorgeschichtliche Wehrbauten tiat). Ab 2006 Zürich (2001 Neben den Orts- und Flurna- erinnern, können die Namen Doktorand an der Lizentiat, 2004 men gestatten auch die Famili- zum Schützenwesen erst dann Forschungsstelle Promotion). Seit ennamen einen Blick in die Ver- einsetzen, als dieses sich im Spät­ für Namenkunde 2003 diverse Lehr- gangenheit und dokumentieren mittelalter zu entwickeln begann: am Institut für aufträge an Hoch- den Stellenwert des Schützen- Im Kern diente und dient das Germanistik der schulen und Uni- wesens in der spätmittelalterli- Schützenwesen natürlich der Universität Bern versitäten. Seit chen Gesellschaft. Einübung von Wehraufgaben. (Promotion 2009). 2007 Redaktor am Schiessveranstaltungen waren Seit 2016 wissen- Schweizerischen aber seit frühen Tagen auch im­ schaftlicher Mit- Idiotikon, Co- SCHÜTZEN mer gesellschaftliche Ereignisse. arbeiter, seit 2018 Projektleiter von ZWISCHEN WEHRWESEN Zuerst veranstaltet von Schützen­ Redaktor am ortsnamen.ch. UND FEIERLICHKEIT korporationen, später vom städti­ Schweizerischen 2016–2018 Co- schen Bürgertum, anfangs von Idiotikon. Leiter, seit 2019 Tausende von Örtlichkeitsnamen Bogen­ und Armbrustschützen, alleiniger Leiter in der Deutschschweiz erinnern später von Schützen mit Feuer­ des SNF-Projekts an kriegerische Zeiten, an militä­ waffen, konnten sie Zeichen der «Die Siedlungs- rische Auseinandersetzungen, an Macht sowie Fest in einem sein namen des Kan- Orte von Kampf und Blutvergies­ wie das Freischiessen von 1504, tons Zürich». sen, aber auch an deren Vorberei­ bei dem die Stadt Zürich mit rei­ tungen. Das mögen Letzinen sein, cher Bewirtung und wertvollen also Landwehren, Geländesper­ Preisen ihre wirtschaftliche Kraft ren, die feindlichen Truppen den und – durch das Grossaufgebot Zugang zu bestimmten Gebieten an Schützen – zugleich ihre mili­ Adresse: erschweren sollten,1 künstlich an­ tärische Stärke demonstrierte.4 Schweizerisches Idiotikon, gelegte Gräben, Beobachtungs­ Das Schiessen (und die Ausbil­ Auf der Mauer 5, 8001 Zürich. punkte (Namentypen wie Chapf, dung von Rekruten) war also www.idiotikon.ch/ Schau, Wart usw.), Hochwachten, schon immer nur eine Seite des wo mittels Höhenfeuern Alarm Schützenwesens neben dem fei­

Seite 69 1 Teilnehmerkarte zum Bündneri- schen Kantonalen Schützenfest in Maienfeld, 1903. Foto: © Privatbesitz der Autoren.

2 Am «Schiiberaa» in Mammern (TG) stehen heute noch Scheiben. Foto: © Martin H. Graf.

3 Alte Schiesshütte Maienfeld. Foto: © Werner Fetzer.

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erlichen Aspekt, der sich seit dem namen ebenso wie in versteckten ben. In der Nähe liegt zudem der 19. Jahrhundert in kantonalen Spuren, die erst auf den zweiten Schiibenacker. Nun kann Scheibe in und nationalen Schützenfesten Blick mit dem Schützenwesen zu Flurnamen Verschiedenes bedeu­ manifestierte (Abb. 1). Die Namen, tun haben. Unzählig sind die ten und das Schaffhauser Na­ die im Folgenden besprochen Schützenhütten und Schiess- und menbuch denkt in diesem Fall an werden sollen, zeigen eben diese Scheibenstände im Deutsch­ einen «Hügel mit flacher Kuppe»7. Seite des Schiessens: Stätten, an schweizer Landschaftsbild (Abb. Die Nachbarschaft zur Schüüss- denen zur Übung, zum Zeitver­ 2). Gerade wo die entsprechende muur lässt aber doch vermuten, treib und zum gesellschaftlichen Infrastruktur nicht mehr besteht, dass das Gelände nach seiner Amüsement geschossen wurde. ein einstiger Standort aber immer Lage in der Nähe von Zielschei­ noch so genannt wird, verdeut­ ben benannt ist. Zusammen mit licht sich das Prinzip der Namen­ dem Schützegaarte im Underdorf DIE FLURNAMEN werdung: Eben weil in Maienfeld ergibt sich für Oberhallau ein heute bei der Alten Schiesshütte ganzes Cluster von Schützen­ Schützengesellschaften entstan­ keine Zielscheiben stehen, han­ Namen, ähnlich wie im nahen den zuerst in den Städten, bald delt es sich bei dieser Bezeich­ Schleitheim (SH) mit Underi und aber auch im ländlicheren Raum. nung um einen verfestigten Oberi Schützemuur, Schützengasse Exemplarisch dafür sei die Stadt­ Namen, um ein immaterielles und Schiibenacker (der allerdings schützengesellschaft der Kleinst­ kulturelles Erbe, das die Erinne­ weitab von beiden Schützenmau- stadt Maienfeld (GR) erwähnt, rung ans Schiessen bewahrt ern liegt. deren erste Schützenordnung (Abb. 3). Bei diesem Wohngebäu­ von 1636 datiert.5 Aber auch im de ist auch auf alten Karten keine Exkurs: Nicht alle Namen, in de­ Nachbardorf Fläsch (GR) bestand Schiessanlage verzeichnet – ohne nen Scheiben, Schützen und das schon 1753 eine Schiessgesell­ Quellenstudium ist der Name Schiessen auftauchen, sind zwin­ schaft.6 also der einzige Hinweis darauf, gend Zeugnisse des Schützenwe­ dass dort einst geschossen wur­ sens, wie schon das Beispiel der Diese Verbreitung und die gesell­ de. Schiibenäcker zeigt. Beim Schüs- schaftliche Bedeutung des Schüt­ senbädli in Gais (AR) wurde nie zenwesens haben auch den öf­ Auch bei der Schüüssmuur in geschossen, sondern der Ort ge­ fentlichen Raum geprägt, in Form Oberhallau (SH) dürfte sich einst hörte einer Familie Schiess, im offensichtlicher Schützen­Flur­ eine Schiessanlage befunden ha­ Dialekt Schüüss (vgl. Abschnitt

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Seite 70 4 Brauerei Schützengarten, St. Gallen, Werbeplakat von 1939. Foto: © Archiv Brauerei Schützen- garten. 5

5 Strassenschild der heutigen Bogen- schützenstrasse. Foto: © This Fetzer.

6 Papageischiesset auf der Berner 6 Schützenmatt 1801 (vgl. auch S. 84/85 in diesem Forum: Vogel- schiessen), nach von Rodt Eduard, 1895: Das alte Bern nach Zeichnun- gen, Chroniken und eigenen Aufnahmen, Band 3, S. 48. Bern. Foto: © wikimedia commons

4 CC BY-SA 3.0 Unported.

«Die Familiennamen»). Und das Doch zurück zu den Schützen: Schiesshorn in Arosa (GR) ist mit Was bei der Schiesshütte und am 2604 m ohnehin zu abgelegen für Scheibenstand passiert, versteht Schiessübungen. Es heisst ver­ sich. Was aber macht nun der mutlich eher so, weil von dort Schütz im Schützengarten? Schies­ Lawinen herunterschiessen.8 sen wird er kaum, schliesslich ist ein Garten ein «mit Zaun, Hag In Gerzensee (BE) gibt es den eingefangener Platz»12, wo etwas Hof Schützenfahr und angren­ kultiviert wird, zum Beispiel zend die Schützefahrbrügg. Diese Kartoffeln. Der Schütze zieht ersetzte 1883 eine Fähre über zwar keine Pflanzen, aber auch er die Aare, das Schützefar. Diese pflegt etwas, nämlich die Ge­ Namen haben nichts mit Kugeln selligkeit unter Gleichgesinnten. oder Pfeilen zu tun, sondern Im Winter geht er dazu ins Schüt- ler (AR), ebenso oft der einfache beziehen sich entweder auf ein zenhaus, das eben nicht immer Name (Zum) Schütz(en), dreimal einstiges Schützenwehr (= Vor­ nur der Schiessstand ist, sondern auch als Freischütz, und dann gibt richtung zur Hemmung und ebenso ein Gesellschaftshaus es noch das Restaurant Schützen- Stauung des Wassers) an dieser sein kann13 wie in Zug (ZG), wo ruh beim Albisgüetli in Zürich Stelle (zu Schütze(n) = reissender das 1949 abgebrochene Schützen- (ZH). Strom in der Mitte, besonders haus auch Restaurant und Veran­ durch Stauung bewirkt) oder staltungslokal war.14 Im Sommer Auf das einstige Übungsgelände auf einen Schützen (= Wasser­ verlegt man solche geselligen Zu­ der Bogenschützengesellschaft ver­ fall) im Bach, der dort in die sammenkünfte gern ins Freie, in weist die Bogenschützenstrasse in Aare fliesst.9 Und die Schützen- einen Lust­ oder Biergarten: den Bern (Abb. 5).18 Diese heute noch ebnet in Kleinlützel (SO) / Rö­ Schützengarten. Bei einem solchen bestehende Gesellschaft veran­ schenz (BL) soll so heissen, weil wurde 1779 in St. Gallen die Brau­ staltete bis 1830 jährlich im Mai bei ihrem Erwerb beschissen erei Schützengarten gegründet, mit dem sogenannten Papagei­ wurde; seit 1473 ist sie als be- die auf diese Weise die durstigen schiesset (Abb. 6) ein grosses schissen Ebnet u. ä. belegt, erst Schützen mit frischem Bier ver­ Volksfest auf der Schützenmatt, im 19. Jahrhundert wurde ihr sorgen konnte (Abb. 4).15 Heute die ihrerseits seit langer Zeit ver­ Name umgedeutet.10 noch gibt es schweizweit eine schiedenen Schützen diente.19 ganze Reihe Restaurants, die sich Der Schibenbüel in Hospental mit ihrem Namen marketing­ Ob ein Flurname wirklich auf das (UR) liegt beim Schützenhusli. An­ technisch an Schützen wenden.16 Schützenwesen zurückgeht, ist dere Schibabühel­Namen haben 13 Restaurants tragen den Namen also nicht immer klar feststellbar. aber nichts mit Schützen zu tun, Schützenstube, die meisten liegen Die Namen, die eindeutig in die­ sondern bezeichnen Orte, wo bei Schiessständen, in Zofingen sem Zusammenhang entstanden, beim Scheibenschlagen am ersten (AG) aber mitten in der Stadt, weisen meist auf Standorte von Fastenwochenende von der Jung­ ebenso in Schaffhausen (SH) am Schiessanlagen hin, manche sind mannschaft glühende Holzschei­ Schützengraben, jenes in Hersberg aber auch Zeugnisse der Schüt­ ben an Stecken ins Tal hinab ge­ (BL) an einer Stelle, wo seit Jahr­ zengeselligkeit vergangener Ta­ schleudert werden oder wurden. zehnten keine Schiessanlage ge. Auf der Berner Schützenmatt Anschliessend ziehen die Schei- mehr besteht.17 Schützenhaus heis­ wird zwar längst nicht mehr ge­ benschläger gemeinsam durchs sen sogar 26 Restaurants. Auch schossen; dass sie aber heute Dorf und kehren bei den jungen Schützengarten kommt siebenmal noch für Volksbelustigungen an­ Frauen zu Chüechli ein.11 vor, von Allschwil (BL) bis Büh­ derer Art im alternativen Kultur­

Seite 71 7 Schützenmatt Bern um 1925 mit Rummelplatz. Foto: © Burgerbiblio- thek Bern, Sammlung Hans-Ulrich Suter 1319.

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zentrum Reitschule und auf der Dazu gehört etwa der Obwaldner die sich auf die Schüler bezieht, jährlichen Chilbi zum Zibelemä­ Name Britschgi, ein Berufsname aus dem Kadettenwesen ergab, rit bekannt ist, passt also ganz offenbar für den Pritschenmeis­ aber letztlich ist diese Bedeu­ gut (vgl. auch Abb. 7). ter, der mit der Pritsche, einer Art tungsentwicklung unklar.24 An­ Schindel, «früher bei den kleinen gesichts der enormen Bedeutung, Schützen für Ordnung und bei welche die Kadettenkorps früher DIE FAMILIENNAMEN den grossen für Kurzweil zu sor­ hatten, ja überhaupt der Waffen­ gen»20 hatte. übungen von Jugendlichen noch Unsere Familiennamen, die im bis ins 19. Jahrhundert, ist es Wesentlichen zwischen dem 13. Gut bezeugt ist der Luzerner denkbar, dass Schütz im Sinne ei­ und 15. Jahrhundert entstanden, Name Zeiger, der ursprünglich nes vielleicht ehrenden Beina­ sind ein Spiegelbild der spätmit­ wohl denjenigen benannte, der mens durchaus an einen talen­ telalterlichen Gesellschaft – ihrer an der Schiessscheibe die Schüs­ tierten Jungschützen vergeben Werte, ihrer Anschauungen, be­ se anzeigte.21 werden konnte. sonders aber auch ihres Alltags. Nach allgemeiner Ansicht entwi­ Die Namen Armbruster, alt einge­ Schiesser, ein typischer Glarner ckelten sich die Familiennamen sessen in Sissach (BL), und Ba- Name, mag wohl in der Regel aus Beinamen, die zunächst noch lastèr (Zuoz/GR) stehen für den dieselbe Bedeutung haben wie ganz formlos und flexibel (und Armbrustmacher, denjenigen, Schütz, kann jedoch auch ein nicht vererbbar) einer Einzelper­ der die Armbrüste ausbesserte Übername sein für den unge­ son vergeben wurden. Mit der und den Armbrustschützen be­ stüm zufahrenden Menschen.25 Zeit erwiesen sie sich aber zuneh­ hilflich war.22 mend als sehr praktisch und Schiess, ein Appenzeller Name, wurden dann aus verschiedenen Schütz – alt eingesessen in zahl­ repräsentiert eine unter den Fa­ Gründen vererbbar. Wie in den reichen Berner, Luzerner und miliennamen häufige Bildung: meisten europäischen Sprachen Zürcher Gemeinden sowie ver­ die auf eine einzige Silbe redu­ kann man diese mittelalterlichen einzelt in St. Gallen und Neuen­ zierte «Täterbezeichnung», ein Beinamen fünf Typen (und gele­ burg – ist im (spät­)mittelalterli­ sogenanntes Nomen agentis, je­ gentlichen Mischformen) zuord­ chen Kontext die Bezeichnung doch ohne das typische ­er­Suf­ nen: den Vater­ oder Mutterna­ für den Armbrust­, Bogen­ und fix, wie es bei Schiesser erhalten men (also den Namen, die einer später Büchsenschützen und ist (wie Beck neben Becker, Bind Person nach dem Rufnamen des stand für eine Person, die wohl neben Binder usw.). Schiess be­ Vaters oder der Mutter gegeben zumeist im militärischen Bezugs­ deutet also dasselbe wie Schiesser. wurden, etwa Heinrich Peter), den rahmen mit Schusswaffen umzu­ Als reine Schreibvariante steht Herkunftsnamen (Heinrich Zür- gehen hatte, vielfach aber auch daneben noch die ebenfalls ap­ cher), den Wohnstättennamen einfach den Angehörigen einer penzellische Form Scheuss (aus­ (Heinrich Tobler), den Übernamen Schützengesellschaft bezeichne­ gesprochen Schüüss; vgl. zum (Heinrich Schwarz, etwa nach der te.23 Als standes­ oder berufs­ zugehörigen Flurnamen Schüs- Haarfarbe) oder den Berufsna­ sprachlicher Ausdruck steht senbädli im vorangegangen Ka­ men (Heinrich Schmid). Schütz in der älteren Sprache je­ pitel). doch auch für den jüngeren Schü­ Tendenziell den Berufsnamen ler in einer höheren Schule sowie Aus den wenigen Namen geht zugeordnet werden die Familien­ in der Sprache der Handwerksge­ hervor, dass man – ähnlich wie namen, die irgendwie mit dem sellen für den Meister, den Ge­ bei den Flurnamen – nicht immer Schiess­ und Schützenwesen zu schäftsherrn. Man möchte an­ klar sagen kann, ob ein Familien­ tun haben. nehmen, dass sich die Bedeutung, name tatsächlich in einem Zu­

Seite 72 sammenhang mit dem Schützen­ Name gibt also einen Hinweis die Sammlung und Analyse ent­ wesen (in dem Sinne, wie es auf eine in anderen Quellen nicht sprechender Namen kann zu ih­ eingangs beschrieben wurde) erwähnte historische mobile Ein­ rer Klärung beitragen. stand, oder ob der Name nicht richtung, die potenziell jedes Ge­ eher in einem militärischen, lände zum Schiessgelände mach­ Diese Aufgabe übernimmt für wehrtechnischen Sinne oder so­ te. Gestützt wird diese Annahme die Schweiz die Website «ortsna­ gar nur als Übername verstanden auch durch das Schiibewagehölzli men.ch» unter dem Patronat des werden muss. So ist etwa auch in Erlen (TG). Schweizerischen Idiotikons (www. unklar, ob die Namen Banzer, idiotikon.ch). Verschiedene kan­ Eisenhut, Eisenring oder Harnisch Die in Flurnamen häufig vorkom­ tonale und auch regionale, abge­ für die jeweiligen spezialisierten mende Schützenmauer (allein im schlossene und laufende Samm­ Waffenschmiede standen, wel­ Kanton Zürich sind es deren 13, lungen von geografischen Namen che die Ausrüstungsgegenstände manche davon nur noch histo­ mit aktuellen mundartlichen und (den Brustpanzer, den Eisen­ risch) fehlt im Allgemeinwort­ historischen Belegen werden hier helm, den eisernen Panzerring schatz und hat einzig in Namen zusammengeführt, aufbereitet, oder Harnisch) herstellten, oder Spuren hinterlassen. Auch ist sie mit Geodaten versehen und dem ob sie als Übernamen für Träger weder in historischen Schützen­ interessierten Fach­ und Laien­ derartiger Gegenstände dienten. ordnungen noch in Wörterbü­ publikum zur Verfügung gestellt. Sicher ist einzig: Das «Rüstungs­ chern zu finden – nicht einmal im wesen» und der Umgang mit reichhaltigen (unpublizierten) Die Personennamenforschung, Waffen treten auch in der Form Nachtragsmaterial des Schweize- eine in der Schweiz bisher eher von Familiennamen als Zeugen rischen Idiotikons finden sich bis­ vernachlässigte Forschungsrich­ des spätmittelalterlichen Alltags her Belege. Laut Schaffhauser tung, wird in Kürze mit der Web­ in Erscheinung. Namenbuch bezeichnen die Na­ site «personennamen.ch» eben­ men Schützenmauer (belegt 1669, falls mit einem Instrument Schüzenmauer) und Schüüssmuur vertreten sein, das zur Klärung ZUR DOKUMENTATION (aktuell) in Oberhallau den glei­ zahlreicher offener Fragen beitra­ UND AUFBEREITUNG chen Ort, werden aber leicht ab­ gen soll. ONOMASTISCHER DATEN weichend erklärt als «Mauer beim Schiessstand, in deren Manche Schützen­Namen sind Schutz sich der Zeiger aufhält, LITERATUR offene Aufgaben für die Lexiko­ um die geschossenen Punkte ab­ grafie. Der Schiibewage in Amli­ zulesen und anzuzeigen» bzw. - Baselbieter Namenbuch (hg. von kon­Bissegg (TG) liegt zwar bei als «Scheibenstand [gemeint Ramseier Markus), 2017: Die Orts- einem Schiessplatz, bezeichnet wohl: Standort der Zielschei­ und Flurnamen des Kantons Basel- aber nicht den Standort der heu­ ben]».27 Die Schützemuur in Landschaft, 7 Bände. Liestal. tigen Scheiben. Mit dem moder­ Schleitheim ist schon 1605 in der - Deutsches Wörterbuch (Grimm Jacob nen Schiessplatz hat der Schiibe- Form Schiessmaur belegt, 1630 als und Wilhelm), 1854–1964: 32 Bän- wage also höchstens indirekt zu Schützermur.28 Da Schützer und de. Leipzig. tun. Laut Thurgauer Namenbuch Schütze dasselbe sind29, stellt sich - Durheim Carl Jacob, 1857: Histo- ist er die Stelle, wo ein bewegli­ die Frage, ob die Schützenmauer rische Mittheilungen zur Geschichte cher Scheibenstand (auf einem wirklich das Zielgebiet benennt der «wohladelichen Flitzbogen- Wagen) aufgestellt wurde.26 Ein oder vielleicht auch jene Stelle, Schützengesellschaft von Bern», Wort Scheibenwagen in dieser Be­ von der aus geschossen wurde. von ihrem Ursprung bis auf deutung ist in Wörterbüchern Die Frage kann an dieser Stelle gegenwärtige Zeit. In: Berner allerdings nicht verzeichnet. Der nicht beantwortet werden, aber Taschenbuch 1857: 79–121

Seite 73 (www.e-periodica.ch/digbib view?pid und Heimatkunde 1977: 5–23 9 Deutsches Wörterbuch 1854–1964: =btb-001%3A1857%3A6#87). (www.e-periodica.ch/digbib/ Bd. 15; 2132 / Schweizerisches - Historisches Lexikon der Schweiz view?pid=zgh-001%3A1977%3A39 Idiotikon, 1881ff.: Bd. 8: 1746. (hg. von der Stiftung Historisches %3A%3A14&referrer=search#12). 10 Baselbieter Namenbuch 2003: Bd. 4: Lexikon der Schweiz), 2002–2014: - Weber Berchtold, 1976: Historisch- 1051f. / Solothurnisches Namenbuch 13 Bände. Basel. topographisches Lexikon der Stadt 2017: Bd. 2: 902. - Hofmann-Wiggenhauser Beatrice, Bern. Bern (biblio.unibe.ch/digibern/ 11 Weiss 1947: 272 / Bundesamt für 2017: Namengebrauch als immateri- hist_topo_lexikon_stadt_bern.pdf). Kultur: lebendige-traditionen.ch/ elles Kulturerbe der UNESCO. Ein - Weiss Richard, 1946: Volkskunde in tradition/de/home/traditionen/ Beitrag zur subjektiven Wahrneh- der Schweiz. Erlenbach-Zürich. scheibenschlagen.html mung des Namenraumes und die - Zuger Ortsnamen (hg. von Beat 12 Schweizerisches Idiotikon 1881ff.: Konzeptualisierung von Namen- Dittli), 2007: Lexikon der Siedlungs-, Bd. 2: 432. feldern aus Sicht des onomastischen Flur- und Gewässernamen im 13 Schweizerisches Idiotikon 1881ff.: Laien. Muttenz. Kanton Zug, 6 Bände. Zug. Bd. 2: 1729. - Jahresbericht der Historisch-Anti- 14 Zuger Ortsnamen 2007: Bd. 4: 263. quarischen Gesellschaft von ANMERKUNGEN 15 Vgl. schuetzengarten.ch/de/ Graubünden 1920. Chur, 1921. ueber-uns/geschichte - Küchler Anton, 1895: Chronik von 1 Die Website ortsnamen.ch listet weit 16 Wäber 1977: 8. Sarnen. Sarnen. über hundert Namen auf, die das 17 Vgl. sghersberg.ch/#sghersberg - Rätisches Namenbuch (begründet Wort Letzi «Grenzbefestigung» 18 Weber 1976: 39. durch von Planta Robert und tradieren. 19 Durheim 1857: 110 / Weber 1976: Schorta Andrea), 1939-1986: 2 Vgl. etwa den Pulverturm in Baar 222. 3 Bände. Paris/Zürich/Leipzig/Bern. (ZG), Zuger Ortsnamen 2007: Bd. 3: 20 Küchler 1895: 103 / Schweizerisches - Schaffhauser Namenbuch (hg. vom 513. Idiotikon 1881ff.: 5: 1023. Verein für die Herausgabe des 3 Vgl. etwa den ehemaligen Flurnamen 21 Schweizerisches Idiotikon 1881ff.: Schaffhauser Namenbuchs), 2018: 3 Walstatt in Menzingen (ZG), der Bd. 17: 394–397. Bände. Frauenfeld. «Schlachtfeld» bedeutet und an die 22 Schweizerisches Idiotikon 1881ff.: - Schweizerisches Idiotikon, 1881ff.: Schlacht am Gubel von 1531 Bd. 5: 869f. Schweizerdeutsches Wörterbuch. erinnert; vgl. Zuger Ortsnamen 23 Schweizerisches Idiotikon 1881ff.: Frauenfeld/Basel. 2007: Bd. 5: 169. Bd. 8: 1734. - Solothurnisches Namenbuch (hg. von 4 Art. Schützenwesen, in: Historisches 24 Schweizerisches Idiotikon 1881ff.: Kully Rolf Max et al.): Solothurn/ Lexikon der Schweiz, Version vom Bd. 8: 1736. Basel. 9.3.2015. hls-dhs-dss.ch/de/ 25 Schweizerisches Idiotikon 1881ff.: - Sonderegger Stefan, 1961: Das alt- articles/008701/2015-03-09/ Bd. 8: 1435. appenzellische Wehrwesen im Lichte 5 «Schüzer-Ordnung für eine Ehrsame 26 Thurgauer Namenbuch 2007: der Orts- und Flurnamen, in: Schies Gesellschaft der Stadt May- Bd. 3.2: 1746. Appenzellische Jahrbücher 89 (1961), enfeld 1636, abgeschrieben 1779», 27 Schaffhauser Namenbuch, nur über S. 3–40. in: Jahresbericht der Historisch- ortsnamen.ch - Thurgauer Namenbuch (hg. vom Antiquarischen Gesellschaft von 28 Schaffhauser Namenbuch 2018: Departement für Erziehung und Graubünden 1920: 138–142. Bd. 2: 975 Kultur des Kantons Thurgau), 2007: 6 Vereinigte Schützengesellschaft 29 Schweizerisches Idiotikon 1881ff.: 3 Bände. Frauenfeld/Stuttgart/Wien. St. Luzisteig. www.vsgl.ch/portraet Bd. 8: 1747, 1734. - Wäber J. Harald, 1977: Die Namen 7 Schaffhauser Namenbuch 2018: der stadtbernischen Gaststätten und Bd. 2: 934. ihr Wandel im Lauf der Zeiten. In: 8 Rätisches Namenbuch 1939–1986: [Letzter Stand für alle in diesem Berner Zeitschrift für Geschichte Bd. 2: 835. Beitrag erwähnten Links: 2.3.2021].

Seite 74 L' ONOMASTIQUE TRACCE DELLA SHOOTING-INSPIRED

ET LE TIR TRADIZIONE DEL TIRO NAMES

NELL'ONOMASTICA

L' histoire du tir ne se retrouve pas La tradizione del tiro non è testi­ The practice of shooting is docu­ seulement dans les récits, mais moniata solo da fonti scritte, ma mented in narrative sources, but aussi dans les noms propres, plus anche da nomi propri. Nei topo­ quite a few proper names, espe­ particulièrement les toponymes nimi, soprattutto nei nomi di fra­ cially names of localities, also ref­ et les lieux­dits, dans lesquels on zioni, si sono conservate numero­ erence this time­honoured tra­ retrouve de nombreuses traces se tracce linguistiche di antiche dition. They provide many lin­ linguistiques d'anciennes instal­ infrastrutture che hanno un rife­ guistic clues to past connections lations qui font référence au tir rimento con il tiro istituzionaliz­ between the given locality and institutionnalisé en tant que zato come disciplina sportiva o sporting or competitive shooting sport ou compétition. competizione. pursuits.

Les noms évoquent non seule­ Tuttavia, non solo il tiro per sé Certain place names reflect the ment le tir, mais aussi la partie stesso, ma anche l'elemento socia­ social and festive aspects of sociale qui y est associée, comme le che vi è connesso, come le atti­ shooting, while a number of sur­ les festivités après la compétition. vità festive dopo il tiro, possono names can be traced back to the C'est également le cas de certains talvolta essere derivate dai nomi institutionalisation of marks­ noms de famille, qui sont appa­ di luoghi, ma non solo; ne sono manship which began in the late rus plus ou moins simultané­ infatti una testimonianza anche Middle Ages. ment avec le tir institutionnalisé alcuni cognomi, nati più o meno à la fin du Moyen­Âge. contemporaneamente al tiro isti­ Of course, the rich detail of nar­ tuzionalizzato nel tardo Medio­ rative historical sources is more Même si les récits historiques evo. helpful when reconstructing the proposent certainement une ana­ culture of shooting during the lyse plus approfondie du tir à Sebbene le fonti storiche scritte pre­modern era. Nonetheless, l'époque prémoderne, les noms siano certamente più ricche di proper names and their strong propres, avec leurs fortes réfé­ dettagli, i nomi propri fornisco­ local references (as well as their rences locales (et aussi leur grand no, per il loro forte riferimento sheer volume) help to advance nombre) contribuent de manière locale (ma anche per la loro quan­ our understanding of this age­ non négligeable à une meilleure tità), alcuni preziosi tasselli per old practice. compréhension de cette culture. ricostruire meglio la storia della tradizione del tiro soprattutto nell'epoca premoderna.

Seite 75 HANS SCHÜPBACH «JETZT SCHÜTZE TRIFF, UND FEHLE NICHT DAS ZIEL!»

AUSGEWÄHLTE BEISPIELE ZUM SCHÜTZENWESEN IN DER LITERATUR

Kaum ein anderes Zitat be- Freiheit, Treue, Verteidigung und schreibt die Motivation vieler eine starke Hand gegen feindli­ Schützen besser als die im Ti- che Eindringlinge gehören bis tel erwähnte Aufforderung des heute zum Arsenal vieler Fest­ Landvogts Gessler in der be- redner und werden gerne mit kannten Apfelschuss-Szene in dem Schützenwesen gleichge­ Schillers Wilhelm Tell. Und es setzt. Auch als Figur wurde Tell gibt wohl bis heute kaum eine mit seiner Armbrust zum natio­ Figur, die von der Schützen- nalen Symbol: Unumstösslich ist bewegung mehr vereinnahmt dies spätestens seit dem Bau von Hans Schüpbach. wurde als «Tell, der Schütz und Richard Kisslings Tell­Denkmal Lic. phil. hist., Erretter!»1 Die Schweiz, die Eid- in Altdorf (1895, Abb. 1) und Fer­ MAS Denkmal- genossenschaft – das Volk der dinand Hodlers Bild des Wilhelm pflege und Um- Tellensöhne und -töchter! Doch Tells (1896/97, Abb. 2) – aber auch nutzung, stv. Chef das Schützenwesen wurde in im Zusammenhang mit Schüt­ KGS im Bundes- und mit der Literatur nicht nur zenfesten trat Tell immer wieder amt für Bevölke- glorifiziert, sondern durchaus auf den Plan: So stand etwa 1836 rungsschutz, auch kritisch beleuchtet. Dies

Redaktion zeigen die politisch bewegten 1 KGS Forum. Zeiten zwischen 1840 und 1850 sowie ein literarischer Blick auf die Eidgenössischen Freischies- sen von Chur (1842), Basel (1844) und Aarau (1849).

Wer kennt nicht die bis heute tau­ sendfach benutzten Zitate aus Schillers Freiheitsdrama: «Doch wir, der alten Schweizer echter Stamm, Wir haben stets die Frei­ heit uns bewahrt», «Ein rechter Schütze hilft sich selbst», Mir fehlt der Arm, wenn mir die Waf­ fe fehlt», «Das ist Tells Geschoss». Und schliesslich nach vollbrach­ ter Tat: «Du kennst den Schützen, 1 Auch das Tell-Denkmal von Richard suche keinen andern! Frei sind Kissling (1895) in Altdorf ist ein die Hütten, sicher ist die Un­ A-Objekt im KGS-Inventar. Es schuld Vor dir, du wirst dem Lan­ wurde u.a. mit finanzieller Unter- de nicht mehr schaden.»2 stützung des Schweizerischen Schützenvereins errichtet (vgl. Solche Worte schienen wie ge­ Text S. 11 in diesem Forum). schaffen, um an Reden von Foto: © CC-BY-SA_3.0 Unported. Schützenfesten verwendet zu Fotograf: Roland Zumbühl, werden – was denn auch oft ge­ Arlesheim. www.picswiss.ch schah. Begriffe wie Mut, Tatkraft,

Seite 76 2 Ferdinand Hodler: Wilhelm Tell, 1896–1897. Öl auf Leinwand, 256 x 196 cm. Foto: © Kunstmuseum Solothurn. Vermächtnis Frau Margrit Kottmann-Müller in Erinnerung an ihren Ehemann Dr. Walther Kottmann, 1958. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.

gig verköstigt, «mit Spyss und Trank ersettiget» und auch mit Geld, «Silbrin Bächer […] und sechs Ellen Damast» für die Wei­ terreise beschenkt. Auch bei sol­ chen Anlässen galt immer: Der Weg war (mit) das Ziel! Es entstand eine Art Schützentourismus, der sich auch darin zeigte, dass auf eine Einladung oft Dankesschrei­ ben, Geschenke und Gegeneinla­ dungen folgten. So bedankte sich der Rath zu Bern für «die hohe Ehre, welche ihren Schützen al­ lenthalben erwiesen wurde» mit

2 einer zwölfzentrigen «Ankenbal­ le» [Butter] bei den Strassburgern. ein Holzbild Wilhelm Tells mit und daher zu ihren kriegerischen seinem Knaben auf einem Altar Uebungen frohe Feste gesellten.»6 VON EGGIWIL am Schiessen in Lausanne3, und Zuerst ging es dabei stets um NACH ZUG AUF UMWEGEN noch das Plakat zum Eidgenössi­ Spiel und Zeitvertreib, erst in schen Schützenfest 19544 in der­ zweiter Linie um Übungen und Dass die Reise an ein Schützen­ selben Stadt zeigte einen mo­ um die Handhabung von Waffen fest ebenso spannend war wie dernen Tell mit Kapuze und – dies zeigt sich auch daran, dass das Schiessen an sich, zeigt eine Gewehr anstelle der Armbrust. diese Schiessen meist zusammen kleine Schrift des Eggiwiler Bau­ mit Wettlaufen, Springen, Stein­ ern Christen Haldemann, der stossen oder Schwingen als wah­ 1822 mit einem Kameraden ans FRÜHE re Volksfeste stattfanden.7 Freischiessen in Zug wanderte.9 LITERARISCHE NOTIZEN Das Schiessen selber wird gerade mal auf einer Seite erwähnt, der Schon im Mittelalter gab es Ge­ SCHÜTZENTOURISMUS ganze Rest des 20­seitigen Be­ sellenschiessen oder «Freischies­ UND GASTFREUNDSCHAFT richts schildert die viertägige sen, die nebst der Ausbildung in Hin­ und Rückreise, welche von der Schützenkunst auch gesellige Eher überraschend ist für heutige Eggiwil zur Kragen Glashütte, Vereinigung, Fröhlichkeit und Betrachtende, dass man solche nach Flühli, Sarnen, Alpnach und Pflege des vaterländischen Sin­ Feste nicht nur innerhalb der al­ Alpnachstad führte. Diese erste nes zum Zweck hatten. Das ers­ ten Eidgenossenschaft aufsuchte, Etappe zeigt nicht nur, welche te eidgenössische Freischiessen sondern öfters auch ins Ausland Gewaltsmärsche damals an ei­ fand 1452 in Sursee und das zwei­ reiste, ja von den dortigen Veran­ nem Tag absolviert wurden, son­ te 1453 in Bern statt.»5 Die alten staltern gar eingeladen wurde. dern auch Haldemanns Eindrü­ Eidgenossen waren «nicht nur Dies zeigt zum Beispiel Eine cke unterwegs. Am zweiten Tag gute Schützen und tapfere Krie­ Schützenfahrt der alten Berner nach fuhren sie per Schiff von Alp­ ger, sondern auch heitere, ge­ Strassburg 1565.8 Die Delegatio­ nachstad nach Küsnacht, nahmen müthliche Zecher, die Ernst und nen wurden unterwegs und am den Fussweg durch die Hohle Scherz zu verbinden wussten Zielort empfangen und grosszü­ Gasse an der Tellskapelle vorbei

Seite 77 3 Auf der Rückreise vom Zuger 4 Die Fahnenburg in der Bildmitte am Freischiessen besuchte Haldemann Eidgenössischen Freischiessen in mit seinem Freund in Luzern unter Basel, 1844. In: Seippel Paul (Hg.), anderem auch das Löwendenkmal 1899–1900: Die Schweiz im und widmete ihm eine ganze Seite neunzehnten Jahrhundert, S. 361, seines Berichts. Sein Fazit: Es ist ein Abb. 137. Schmid und Francke, Bern. herrliches Monument, «welches kein Foto: © ETH-Bibliothek Zürich. Alte Schweizer ohne Rührung betrachten und Seltene Drucke, Public Domain kann.» (Frutiger 1958: 35). Mark (http://www.e-pics.ethz.ch/ Foto: © Hans Schüpbach. index/ETHBIB.AD/ETHBIB. AD-v1.0_Rar27909_3_0137. tif_28488.html).

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nach Immensee, von wo sie wie­ der europäischen Freiheits­ und GOTTHELFS FESTSCHRIFT der per Schiff nach Zug übersetz­ Nationalbewegungen aus. Auch VON 1842/1844 ten. Am dritten Tag wurde ge­ in der Schweiz entwickelten sich schossen, danach Zug besichtigt, liberale Strömungen. In dieser Die politischen Spannungen zwi­ aber schon bald ging es wieder Zeit kam den Vereinen und Ge­ schen den Liberal­Radikalen und zurück, diesmal mit dem Schiff sellschaften sowie ihren nationa­ den Konservativen in den frühen nach Buonas, von dort zu Fuss len Festen zur Bildung eines na­ 1840er­Jahren traten gerade auch über Gislikon, Luzern, Littau, tionalen Gemeinschaftsgefühls an den Schützenfesten zutage und Malters und über die Bramegg eine grosse Bedeutung zu (ge­ wurden oft in den Reden auf der ins Entlebuch. Am vierten Tag gründet wurden 1824 der Schwei­ Tribüne thematisiert. Zwar ging kehrten sie von Entlebuch über zerische Schützenverein, 1832 der es einem grossen Teil der Schüt­ Schüpfheim, Trubschachen und Eidgenössische Turnverein, 1842 zenbewegung in erster Linie um Langnau i. E. wieder heim. der Eidgenössische Sängerver­ den sportlichen Wettkampf und ein). In den 1840er­Jahren nah­ um die Kameradschaft, zuneh­ Die gesamte Darstellung ist ein men die Konflikte zwischen Libe­ mend wurden die Feste aber auch sehr spannender Reisebericht mit ralen und Konservativen zu – die genutzt, um politische Meinun­ Beschreibung zahlreicher Natur­ Kernfrage war, ob die Kantone gen zu verbreiten. und Kulturgüter, die oft auch be­ autonom bleiben sollten oder ob sucht werden. Es zeigt sich hier die Schaffung eines National­ Philipp Emanuel von Fellenberg deutlich, dass grosse Anlässe wie staats anzustreben sei. Die Aus­ hatte 1842 Jeremias Gotthelf, der Schiessen oder Schwingen zwar einandersetzungen zwischen unter dem Eindruck des Frei­ willkommene Fixpunkte im Jah­ den liberalen Radikalen und den schiessens in Solothurn (1840) resablauf waren, die zum einen konservativ­religiösen Kräften in dem Schiesswesen gegenüber an­ ein Ausbrechen aus dem harten der Zeit der Regeneration ent­ fangs positiv gesinnt war, im Auf­ Alltag ermöglichten, zum andern behrten nicht der Provokation: trag des Schweizerischen Schüt­ aber durchaus auch als Bildungs- 1841 verfügte etwa der Aargau zenvereins um einen Text für die reisen betrachtet wurden. die Aufhebung der Klöster, 1844 Festschrift zum Eidgenössischen übertrug das mehrheitlich katho­ Fest in Chur gebeten: Daraus war lische Luzern das Bildungswesen Eines Schweizers Wort an den 1840-1850: POLITISCH den Jesuiten. Ein Jahr zuvor war Schweizerischen Schützenverein11 EXPLOSIVE ZEITEN es im Wallis zu gewaltsamen entstanden, ein wichtiger politi­ Auseinandersetzungen gekom­ scher Text Gotthelfs. 1844 erschien Bevor wir auf die literarischen men, in denen die Liberalen un­ anlässlich des Eidgenössischen Bezüge zu den Eidgenössischen terlagen. 1844/45 folgten zwei Fests in Basel eine zweite Auflage. Schiessen in jener Zeit eingehen, Freischarenzüge, die viele Tote Im Vorwort anerkennt Gotthelf soll kurz die damalige politische forderten. Die katholisch­kon­ «die hohe Bedeutung des Schüt­ Lage dargestellt werden.10 servativen Kantone schlossen zenvereins», im Text betont er, sich zum Sonderbund zusam­ «das Schützenfest ist ein Sinnbild Nach den Wirren der Helvetik men, der jedoch im November nationaler Einheit nicht nur, und der Mediation, den Regelun­ 1847 aufgelöst wurde. In der Fol­ sondern auch der brüderlichen gen des Wiener Kongresses und ge wurde am 12. September 1848 Gleichheit»;12 Vorbehalte hatte er dem Bundesvertrag von 1815, der die neue Bundesverfassung an­ jedoch mittlerweile «gegenüber den Kantonen ihre Selbstverwal­ genommen. Damit standen eine der herrischen, ausschliesslichen tung weitgehend zurückgab, lös­ nationale Regierung (Bundesrat) Art, wie sich der eidgenössische te die Julirevolition von 1830 in und ein nationales Parlament Schützenverein als 'der nationale' Frankreich einen Aufschwung über den Kantonen. Verein schlechthin einschätzte

Seite 78 4 und gebärdete.»13 Zudem lehnte er Mutterfahne jeweils in einem ihrer gegenwärtigen Gestaltung den zunehmenden Radikalismus Festzug an die eidgenössischen etwas Grauenerregendes. Ein entschieden ab; in seinen Roma­ Schiessen getragen und dort mit kühnes Wort aus frevlem Munde, nen verglich er ihn gar mit einer den anderen Bannern feierlich und im Taumel des Festes wäre Sekte.14 In der Festschrift, einer auf der Fahnenburg platziert (vgl. die Schweiz in Anarchie ge­ eigentlichen Predigt mit viel Pa­ Abb. 4). Die Reise der eidgenössi­ stürzt.»18 Ähnlich äusserte sich thos, rief Gotthelf die Schweizer schen Schützenfahne von Chur auch der Basler Historiker Jacob Bevölkerung zu Einheit und Frie­ nach Basel soll 1844 einem wah­ Burckhardt: «Diese Festsucht ist den auf, zu einheitlichem Willen ren Triumphzug geglichen ha­ mir in unserer Zeit ganz ekelhaft und zur Freiheitsliebe der alten ben.16 Umso mehr schockierte [...] Gerade jetzt, nach dem Ge­ Eidgenossenschaft, die es zu ver­ ein Vorkommnis am Basler Fest. metzel im Wallis, ist es lächerlich, teidigen gelte – gerade angesichts Nachdem kurz zuvor im Wallis ein solches Fest auszutrompe­ der politischen Spannungen. die Liberalen in einem Kampf ten.»19 Und vier Tage nach Ab­ Auch er berief sich auf Tell und verloren hatten, wurde diese schluss des Festes schrieb er als auf die alten Werte. Eine Kernaus­ Schlacht auch in Reden in Basel Redaktor der Basler Zeitung: «[...] sage, die oft zitiert wird, lautete: thematisiert. Wider Erwarten war es unvermeidlich, dass die «Man lasse sich nicht verleiten war eine kleine Delegation Walli­ Radikalen im Ganzen das Wort durch ödes irres Geschwätz: Im ser ans Fest gekommen, aller­ führten, [...] Da wollte es das Un­ Hause muss beginnen, was leuch­ dings nicht von den unterlegenen glück, dass der Hr. Reg. Rath ten soll im Vaterlande.»15 Damit Radikalen, sondern von den sieg­ Curti [...] Oel in das schon glim­ meinte Gotthelf das Bewahren der reichen Konservativen. Dies be­ mende Feuer goss. Seine glän­ konservativen Werte, den Zusam­ wog die radikalen Schützen zur zende Rede, welche ein rechtes menhalt von Staat, Kirche und Forderung, die Walliser Fahne Musterstück radikaler Perfidie Familie, das Bündeln aller Vereine müsse weg. Sie soll gar von einem ist, weckte den Brüllradikalismus im Land. Dies stand im Gegensatz Teilnehmer durchschossen wor­ auf, welcher nun keine Rücksicht zu den radikalen Meinungen ge­ den sein, andere versuchten an­ darauf nahm, ob Basel eine gen Kirche und gegen alte Struk­ geblich die Fahnenburg zu stür­ Pflicht habe, die Fahne von Wallis turen, die am Eidgenössischen in men. Letztlich einigte man sich zu schützen oder nicht.»20 Burck­ Basel vermehrt geäussert wurden. auf einen Abzug der Walliser, die hardt und Gotthelf sahen in der aus der Stadt geleitet wurden. neuen Bewegung wohl auch eine Ausgelöst hatte die Tumulte vor Gefährdung alter Privilegien der EKLAT AM BASLER EID- allem eine Ansprache von Regie­ Oberschicht, insbesondere aber GENÖSSISCHEN VON 1844 rungsrat Curti.17 Das Vertreiben einen Werteverlust. Die negative der Walliser Delegation und das Einschätzung des Radikalen zeig­ Nachdem die eidgenössische Beschädigen ihrer Fahne wurde te sich bei Gotthelf noch 1848: Schützenfahne zum Symbol für von gemässigten Schützen und «Dem Bundesstaat stand er ableh­ Einheit und Nationalbewusstsein Beobachtenden als Eklat empfun­ nend gegenüber, weil er ihn als geworden war, entstand ein wah­ den. Schon 1842 hatte Gotthelf in Folge der Freischarenzüge und im rer Fahnenkult. Wie heute die einem Brief an Hagenbach ge­ Widerspruch zum republikani­ olympische Flamme wurde die schrieben: «Diese Feste haben bei schen Bundesgedanke sah.»21

Seite 79 «WAS SIND DENN vom Neuherrentum als Schütze, Zürich, Schlusspunkt bildet das DAS AUCH FÜR LEUTE, der populär werden und eine rei­ Eidgenössische Freischiessen DIE EIDGENOSSEN...»22 che Frau kriegen möchte, die 1849 in Aarau, an dem – ein Jahr Hauptrolle spielt.»25 Gedacht war nach der neuen Bundesverfas­ Sehr ironisch äusserte sich Gott­ zunächst ein Einschub zum Bas­ sung – die Liberalen ihren Sieg helf im unvollendeten und erst ler Schützenfest, der dann kur­ feierten. Keller empfand Schüt­ 1922 in den beiden ersten Zusatz­ zerhand nach Chur (1842) verlegt zenvereine und deren Feste als bänden der Gesamtausgabe im wurde. Im Oktober 1844 sandte er wichtigen Faktor für die direkte Rentsch Verlag veröffentlichten das Manuskript an seinen Vetter Demokratie im noch jungen Bun­ Romanfragment Der Herr Esau. und Kritiker Carl Bitzius, der desstaat. Die Überwindung von Am Ende des ersten Buches fin­ ihm von einer Publikation abriet, Gegensätzen, das gemeinschafts­ den wir mehrere Kapitel zum zumal sich Gotthelf damit klar stiftende Element von Schützen­ Thema Schützenleben. Eidgenossen gegenüber den fortschrittlichen festen, der Sieg der modernen in Chur. Da ist nichts mehr von Kräften exponiert hätte, mit de­ über die alte Zeit spiegeln sich im Haldemanns bildenden Reiseein­ nen er ohnehin schon im Streit Hauptmotiv: ein junges Paar liebt drücken zu spüren: «Sie fuhren lag. Auch eine zweite Fassung im sich und kommt letztlich trotz an geschichtlichen Orten vorbei, Februar 1845 fand kein Gehör Gegenwehr ihrer Väter zusam­ sie sahen sich nicht um; [...] kühne beim Kritiker, sodass Gotthelf men. Daneben spielen mit Fah­ Berge, minnigliche Seen traten das Werk unvollendet in die nenkult und Festrede zwei wich­ vor ihre Augen [...] sie nahmen Schublade steckte. Carl Bitzius tige Elemente von Schützenfesten nicht Notiz davon.»23 Keine Spur befürchtete, «man werde dir das eine bedeutende Rolle. Das Fähn­ von der Freiheit in der Verant­ Ganze als eine Satire auf die neue lein, mit dem die sieben Freunde wortung, nichts mehr von Ge­ Ordnung der Dinge deuten», er ans Schützenfest marschieren, meinschaftssinn – jeder schaut fand das Werk «bloss eine Spass­ trägt die Aufschrift «Freund­ nur noch für sich. «Die alten Fah­ macherei ohne höheren erreich­ schaft in der Freiheit» und der nenträger waren Helden [...] Das baren Zweck, eine Posse», «meist junge Karl, der anstelle der sieben ist nun anders geworden, seitdem bloss kaltspöttische Karikatur­ Grauköpfe die Festrede hält, man nur unter Fahnen ziehen zu zeichnungen», und warnte ihn schliesst mit den Worten: «Es lebe können glaubt zu Suiten und aus politischen Gründen ein­ die Freundschaft im Vaterland! Saufgelagen, dass wer eine Fahne dringlich vor einer Veröffentli­ Es lebe die Freundschaft in der auf der Strasse sieht, frägt, wo chung. Der Roman «ist und bleibt Freiheit!» Keller sah – im Gegen­ eben eine Lumpete los sei, [...] wo nun mal eine beissende Satire auf satz zu Gotthelf – in der liberalen man die Fahnen ansieht als Deck­ Regierungspersonal, Regierungs­ Bewegung, im neuen Bundes­ mäntel für Roheit, Bosheit, besti­ weise und unsere neuen Zustände staat und auch in den Schützen­ alische Brutalität [...] nichts füh­ überhaupt, die dir ganz unzwei­ festen durchaus das Verbinden­ len als die Verpflichtung, am felhaft die grössten Verdriesslich­ de, das Positive, was im Fähnlein meisten zu saufen, am lautesten keiten zuziehen würde.»26 klar durchdringt. Stellvertretend zu brüllen, am wüstesten sich zu dafür sagt die weibliche Haupt­ gebärden.»24 Gotthelf hatte sei­ person Hermine zu ihrem Karl in nem Freund Hagenbach, der ihn GOTTFRIED KELLERS Anlehnung an die Bundesverfas­ ans Schützenfest in Basel einlud, FÄHNLEIN sung: «Es wird sich [...] schon ein Ende 1843 geschrieben, er geden­ Recht und eine Verfassung zwi­ ke, die Einladung anzunehmen, Die bekannteste Schützenge­ schen uns ausbilden, und sie u.a.: «...weil ich eine Art Schüt­ schichte ist Gottfried Kellers No­ wird gut sein.»28 Das Fest ist der zennovelle [...] schreiben möchte, velle Das Fähnlein der sieben Auf- fröhliche Rahmen, in dem sich in welcher so ein jung Herrchen rechten27. Die Erzählung spielt in ein glückliches Paar findet. Hier

Seite 80 5 5 Titelbild von Kellers Novelle, gemalt von Ernst Würtenber- ger, in der Reihe der «Guten Schriften», vermulich um 1950. Die erste Auflage von 1891 war offenbar zugleich das erste Heft (Nr. 1) des «Vereins für Verbreitung guter Schriften». Die acht Dargestellten sind hier von links nach rechts: Jeremias Gotthelf, Conrad Ferdinand Meyer, der junge Maler Feuerbach (Fahnenträger), Julius Kunkler (Architekt), der Tiermaler Rudolf Koller, Architekt Gottfried Semper, Gottfried Keller und Arnold Böcklin, gemäss dem Beginn von Karls Rede: «Wir sind da unser acht Mannli mit einem Fahnli gekommen, sieben Grauköp- fe mit einem jungen Fähndrich.» Foto und Angaben zur Bildlegende: © freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Walter Morgenthaler, Zürich. (https://www.gottfriedkeller.ch/schule/faehnlein.php)

[Letzter Stand für alle im Text erwähnten Links: 2.3.2021].

12 Gotthelf 1842: 14 (o. S.). 13 Dürr Emil, 1930: Das eidgenössische Schützenfest von 1844 in Basel in der Beurteilung Jeremias Gotthelfs, Jacob Burckhardts und Gottfried Kellers, S. 336. In: Neue Schweizer Rundschau, Bd. 5 (1937–1938), Heft 6, S. 329–349 / Heft 7, S. 411–426. z.B. via https://www.e-periodica.ch/ (http://doi.org/10.5169/seals-759000 http://doi.org/10.5169/seals-759004). 14 Zit. in Schüpbach Hans; Künzi Hans, 1996: Auf Gotthelfs Spuren zeigt sich der Geist der National­ 2 Diverse Zitate aus Schillers Drama, durchs Emmental, S. 93. Ott, Thun. feste, den der Bündner Histori­ z.B. https://www.friedrich-schiller- 15 Gotthelf 1842: 16 (o. S.). ker Planta 1842 als «Musik unse­ archiv.de/dramen/wilhelm-tell/ 16 Vgl. Michel 1983: 101–106. res schweizerischen Gemein­ 3 Michel Theodor, 1983: Schützen- 17 Dürr 1930: 346–349. gefühls»29 bezeichnete. Ein all­ bräuche in der Schweiz, S.101/102. 18 Zit. in Schüpbach; Künzi 1996: 184. zu pathetisches Nationalgefühl Verlag Huber, Frauenfeld/Stuttgart. 19 Dürr 1930: 411. weckte aber auch bei Keller Un­ 4 Z.B. https://poster-gallery.com/de/ 20 Zit. in Dürr 1930: 413. behagen und liess ihn später an shop/cat/Schiessport/2 21 HLS-Beitrag zu Gotthelf, am Schluss den nationalen Festen zweifeln – 5,6 Eine Schützenfahrt der alten Berner des 2. Kapitels (https://hls-dhs-dss. dies zeigt sich etwa in Das verlor- nach Strassburg 1565, S. 633, in: ch/de/articles/011835/2020-04-08). ne Lachen (1874)30 und in Martin Archiv des Historischen Vereins des 22 Schütz Gerhard, 1997 (Hg.): Salander (1886), wo das liberale, Kanton Bern, Band 5 (1863). Jeremias Gotthelf. Herr Esau oder gemeinschaftliche Nationalge­ 7 Michel 1983: 10/11. Geld und Zeitgeist, S. 147. Fischer fühl schon demokratischen Um­ 8 Eine Schützenfahrt der alten Berner Verlag, Münsingen-Bern. formungen, egoistischem Indivi­ nach Strassburg..., 1863: 632–640. 23 Schütz 1997: 133. dualismus, der Industrialisierung, 9 Frutiger Max, 1958: Wie der 24 Schütz 1997: 121. Spekulation und Reformtheolo­ Christen Haldemann von Horben bei 25 Zit. in Schütz 1997: 303. gie gewichen war, was sich zu­ Eggiwil 1822 an das Freischiessen in 26 Zit. in Schütz 1997: 304–307. nehmend auch in gesellschaftli­ Zug reiste. In: Berner Zeitschrift für 27 Keller Gottfried, 1874: Das Fähnlein chen Krisen und wirtschaftlichen Geschichte und Heimatkunde, Band der sieben Aufrechten. In: Kellers Konkursen widerspiegelte. Hier 20 (1958), S. 20–40. Bern. Werke in fünf Bänden, 1988: Zweiter werden die Anlässe – im ersten 10 Dieser Abschnitt stützt sich auf die Band, S. 317–385. Aufbau-Verlag, Fall ein nationales Sängerfest, im Website von EDA Präsenz Schweiz Berlin und Weimar. zweiten ein Hochzeitsfest, das als ab: https://www.eda.admin.ch/ 28 Keller 1874: 385. Volksfest inszeniert wird, – zum aboutswitzerland/de/home/geschich- 29 Zit. in Michel Janett, 1948–1949: Spiegel einer vom Autor negativ te/epochen/auf-dem-weg-zum-bun- Das Eidgenössische Schützenfest in empfundenen Gegenwart. desstaat--1815-1848-.html Chur von 23. Juni bis 11. Juli 1949, 11 Gotthelf Jeremias, 1842: Eines S. 244. In: Quaderni grigionitaliani, Schweizers Wort an den Schweize- Bd. 18 (1948–1949). http://www.e- ANMERKUNGEN rischen Schützenverein. Universi- periodica.ch (http://doi.org/10.5169/ tätsbibliothek Bern. seals-17235). 1 Worte des Volks in der Schlussszene, www.e-rara.ch/ (http://dx.doi. 30 Keller 1874: Das verlorne Lachen. Wilhelm Tell, 5. Aufzug, 3. Szene. org/10.3931/e-rara-29887). In: Zweiter Band, S. 221–315.

Seite 81 LE TIR DANS LA TRADIZIONE EXAMPLES

LA LITTÉRATURE DEL TIRO OF SHOOTING

NELLA LETTERATURA IN LITERATURE

Nombreuses sont les références à Nessuna figura è stata più evoca­ There is perhaps no literary fig­ Guillaume Tell dans le monde du ta di Guglielmo Tell dai promo­ ure who has been more appropri­ tir. Les citations du drame de tori del tiro. Molte citazioni dal ated by the shooting movement Schiller ont non seulement trouvé dramma di Schiller sono entrate than William Tell. Not only have leur place dans le vocabulaire non solo nel vocabolario comune, many quotations from Schiller's général, mais ont aussi souvent ma anche nei discorsi pronuncia­ drama found their way into the été reprises dans les discours ac­ ti alle feste di tiro. general vocabulary but they also compagnant les fêtes de tir. featured heavily in shooting fes­ Tuttavia, la letteratura non ha tival speeches. Si la littérature a fait l'éloge du tir, solo esaltato la tradizione del tiro, elle a aussi permis son analyse ma l'ha anche criticata. Lo testi­ Shooting has been both glorified critique. C'est ce que montrent les moniano le cronache delle turbo­ and critically explored in and périodes de troubles politiques lenze politiche tra il 1840 e il 1850 with literature. These include entre 1840 et 1850, ainsi qu'un e uno sguardo letterario sui Tiri works documenting the political­ regard littéraire sur les tirs fédé­ liberi federali di Coira (1842), Ba­ ly turbulent period of 1840–1850, raux de Coire (1842), Bâle (1844) et silea (1844) e Aarau (1849). as well as literary depictions of Aarau (1849). the federal shooting festivals in L'articolo riporta alcuni esempi Chur (1842), Basel (1844) and L'article s'appuie sur quelques di antiche descrizioni letterarie Aarau (1849). exemples choisis pour illustrer di viaggi alle feste di tiro e fa luce des descriptions littéraires d'ex­ sul periodo della metà del The article draws on a few exam­ cursions aux fêtes de tir et met en XIX secolo basandosi sulle de­ ples of early literary accounts of lumière la période du milieu du scrizioni del tiro in opere emi­ journeys taken to shooting festi­ 19e siècle sur la base d'un descrip­ nenti dei due celebri scrittori vals, and shines a light on the tif du domaine du tir dans svizzeri Jeremias Gotthelf (Albert pursuit and practice of shooting l'œuvre de deux écrivains suisses, Bitzius) e Gottfried Keller (Eines in mid­19th century based on de­ Jeremias Gotthelf (Albert Bitzius) Schweizers Wort an den Schweizeri- scriptions in seminal works by et Gottfried Keller (Eines Schwei- schen Schützenverein, Der Herr the Swiss writers Jeremias Got­ zers Wort an den Schweizerischen Esau, Das Fähnlein der sieben Auf- thelf (pen name of Albert Bitzius) Schützenverein, Der Herr Esau, Das rechten). and Gottfried Keller (Eines Fähnlein der sieben Aufrechten). Schweizers Wort an den Schwei- Tutto ciò rispecchia l'importanza zerischen Schützenverein, Der Herr On y ressent l'importance du tir del tiro per il senso d'appartenen­ Esau, Das Fähnlein der sieben Auf- dans l'esprit communautaire et le za comunitario e nazionale nel rechten). sentiment national de la période periodo precedente la costituzio­ précédant la Constitution fédé­ ne federale del 1848, ma anche These make clear the important rale de 1848, mais aussi la lutte per la lotta politica tra radicali e role that shooting played in forg­ politique entre les radicaux et les conservatori nel periodo della Ri­ ing a sense of community and conservateurs au cours de la Ré­ generazione. national sentiment in Switzer­ génération. land during the years that preceded the establishment of the 1848 Federal Constitution. These sources also reflect the political struggle between radicals and conservatives during the Regen­ eration period.

Seite 82 STEFAN GRUS SCHÜTZENWESEN IN DEUTSCHLAND ALS IMMATERIELLES KULTURERBE

Das Schützenwesen in Deutsch- senschaftlichen Zweckgemein­ land umfasst neben dem olym- schaften, die sich Satzungen pischen und nicht-olympischen gaben, eine begrenzte eigene Ge­ Sportschiessen sowie dem Bo- richtsbarkeit ausübten und auf­ gensport eine grössere Anzahl grund der Bedeutung ihrer Auf­ von Bräuchen und Traditionen, gaben Privilegien genossen. die im ganzen Bundesgebiet in Unter anderem wurde ihnen ge­ zahlreichen unterschiedlichen stattet, Wettschiessen unterein­ Erscheinungsformen verbreitet ander und – in Abständen – auch sind. Es handelt sich um ein gegen Schützengesellschaften Stefan Grus M.A. bürgerliches Brauchtum, das anderer Städte zu veranstalten ist Historiker beim ganzjährig im Rahmen einer oder sie zu besuchen. Deutschen Schüt- Vereinszugehörigkeit von Men- zenbund e.V. Er schen jeden Alters und Ge- Die von den Landes­ bzw. Stadt­ leitet das Archiv schlechts – unabhängig von re- herren zunächst erlaubten, spä­ und die Bibliothek ligiösem Bekenntnis, sexueller ter stark geförderten Wettkämpfe in der Bundes- Orientierung, nationaler Her- sollten die Mitglieder der Schüt­ geschäftsstelle kunft oder auch körperlicher zengesellschaften nicht nur moti­ in Wiesbaden Behinderung – ausgeübt wird. vieren und zu Waffenübungen und das Deutsche anhalten. Die daraus entstande­ Schützenmuseum Die Schützengesellschaften und nen, der gesamten Stadtbevölke­ in Coburg. die Schützenbruderschaften ent­ rung offenen Schützenfeste wur­ standen in Deutschland mit den zum regulären Bestandteil dem wachsenden Verteidigungs­ des kommunalen Festkalenders. bedürfnis der mittelalterlichen In der Konkurrenz der Städte un­ Städte im frühen 14. Jahrhundert. tereinander bediente man sich der Schützengesellschaften und deren Beziehungen, um reprä­ ZUNEHMENDE BEDEUTUNG sentative überregionale Feste zu DER SCHÜTZEN- veranstalten, die zum Wirt­ GESELLSCHAFTEN schaftsfaktor wurden und für das städtische Image enorme Be­ Diese Gemeinschaften bildeten deutung gewannen. Der älteste sich als freiwillige oder obrigkeit­ handschriftliche Ladbrief, die lich verordnete Zusammen­ Einladung zum überregionalen schlüsse von Bürgern, die unter Vergleichsschiessen, ist aus dem der Führung einiger stadtbesol­ Jahr 1398 in Kronberg/Taunus deter Berufsschützen die Bewa­ erhalten. Die ältesten überliefer­ chung der Tore und die Besat­ ten Schützenordnungen stam­ zung der Mauern übernahmen men aus der Mitte des 15. Jahr­ und somit Teil der städtischen hunderts. Die heutigen Abläufe Wehrverfassung waren. Die re­ der Königschiessen bei den älte­ gelmässigen Übungseinheiten ren Schützengesellschaften ge­ und Zusammenkünfte in meist hen oft unmittelbar auf diese vor der Stadt gelegenen Schüt­ ursprünglichen Vorschriften zu­ zenhäusern führten zu freigenos­ rück.

Seite 83 1 Vogelschiessen auf der Vogelwiese bei einem Schützenfest im Rhein- land. Foto: © Archiv des Deutschen Schützenbundes e.V.

Mit dem Dreissigjährigen Krieg am König­ oder Vogelschiessen, meinschaft Historischer Schüt­ und seinen grossen Söldnerhee­ teilweise wird gesondert eine Kö­ zen organisierten Schützenbru­ ren verloren die Schützengesell­ nigin ausgeschossen, in vielen derschaften sind überwiegend schaften ihre militärische Be­ Vereinen Jugend­ und Kinderkö­ im Rheinland beheimatet und deutung. Sie blieben jedoch als nige, «Bürgerkönige» für Nicht­ konfessionell (katholisch) ausge­ private Vereinigungen zur Pflege mitglieder und andere mehr. In richtet. Auch hier soll Vielfalt und des Schiessspiels als Zeitvertreib keinem Verein des Deutschen Offenheit gelebt werden. Erwartet (auf den Vogel oder die Scheibe) Schützenbundes darf jemand wird allerdings eine persönliche erhalten und als Träger der Schüt­ grundsätzlich aus politischen, Orientierung auf die christlichen zenfesttradition, die ihren Volks­ weltanschaulichen oder konfessi­ Werte, die das Fundament der festcharakter bis heute nicht onellen Gründen ausgeschlossen Bruderschaften bilden. verloren hat. Die von den Zeitge­ werden. Dass es auch einige (we­ nossen und der modernen histo­ nige) Gesellschaften gibt, die etwa rischen Forschung proklamierte nur Junggesellen, nur Frauen, nur SCHÜTZENBRÄUCHE Zugehörigkeit der Schützenge­ die Bewohner eines bestimmten sellschaften des 19. Jahrhunderts Stadtviertels aufnehmen, wider­ Im Mittelpunkt des Schützen­ zur freiheitlich liberalen Ein­ spricht diesem Grundsatz nicht. brauchtums stehen die Schiess­ heitsbewegung in Deutschland Die hohe Diversität der einzelnen übungen bzw. Wettbewerbe, soll hier nur am Rand erwähnt Ausdrucksformen von Schützen­ allen voran das Vogel­ und Kö­ werden. Die überlieferten Bräu­ bräuchen und Traditionen ist re­ nigschiessen, das im Rahmen che wurden kontinuierlich in gional und historisch gewachsen des Schützenfestes durchgeführt grundsätzlich unveränderter und wird vom Dachverband in wird. Traditionelle Module, in Form weitergetragen bzw. von keiner Weise eingeschränkt oder die das Königschiessen eingebet­ den in mehreren Gründungswel­ reglementiert. tet ist, sind u.a. ein ökumenischer len (1848/1849, 1861, 1910ff, 1951) Gottesdienst, das Abholen des neu entstandenen Schützenverei­ Die im Bund der Historischen (alten) Schützenkönigs, der seit nigungen aufgenommen. Deutschen Schützenbruderschaf­ der Frühen Neuzeit belegte Fest­ ten bzw. der Europäischen Ge­ zug durch die Stadt mit allen be­

OFFENHEIT DER AUSDRUCKSFORMEN UND AKTEURE

Die heute praktizierten Schützen­ bräuche unterscheiden sich in den Abläufen und Utensilien kaum von jenen in ihren Ursprüngen. Veränderungen sind im Grossen und Ganzen auf die Anpassung an die allgemeine soziale Ent­ wicklung der modernen Gesell­ schaft zurückzuführen: Frauen können selbstverständlich den Schützengesellschaften beitreten

– reine Männervereine gibt es nur 1 noch wenige. Sie beteiligen sich

Seite 84 2 Der Vogel der Brunswiker Schützen- gilde von 1638. Kiel, 2003. Holz, Textil, ca. 130 x 130 cm.

3 Vogelbaum mit Holzvogel der Armbrust-Schützengilde «Winzerer Fähndl» im Treppenhaus des Deutschen Schützenmuseums, Höhe 13 m.

4 Gelegentlich wird der Holzvogel beim Festzug mitgetragen. Alle Fotos: © Archiv des Deutschen Schützenbundes e.V.

teiligten Vereinen sowie das ab­ schliessende Königsmahl. Die Schützen/Schützinnen eines Ver­ eins oder einer Bruderschaft tre­

2 ten in einheitlicher, oft alt über­ lieferter Schützentracht auf, tragen Vereinsabzeichen und ver­ fügen über eine Fahne, um die sich wiederum diverse Bräuche gruppieren. Weitere Schützen­ bräuche haben sich im Lauf der Zeit in den einzelnen Schützen­ gesellschaften selbständig ent­ wickelt. Sie spiegeln regionale Eigenheiten und Mentalitäten wider und sind von einem uner­ schöpflichen Facettenreichtum.

Die ursprüngliche Art des Vogel­ schiessens erfolgt durch den Schuss auf einen aufwendig ge­ stalteten, an der Spitze einer 20 bis 30 Meter hohen Stange be­ festigten Holzvogel (Abb. 1–3) mit Hilfe einer Armbrust und abgeflachten Bolzen. Der Vogel

3 wird Stück für Stück herunterge­ schossen. Die klassische Wer­ tung bestimmt denjenigen Schüt­ zen zum Sieger, der das letzte Stück herunterholt. Die Rede­ wendung «Er/Sie hat den Vogel abgeschossen» – als Metapher für eine herausragende Leistung – geht auf dieses Ritual zurück. In vielen Vereinen wird das König­ schiessen heute aus praktischen Überlegungen und Sicherheits­ gründen horizontal auf eine Ziel­ scheibe ausgetragen, auch mit Kleinkaliber­ und Luftdruckwaf­ fen. In jedem Fall aber erhält der Schützenkönig/die Schützenkö­ nigin die Königskette, die ein

4 Jahr bis zum nächsten Königs­ schiessen in seinem Besitz bleibt

Seite 85 5

und zu der ein weiteres Glied in 5 Zwei Majestäten der Gräflichen Form einer Münze oder Medaille Schützengesellschaft Sommerhausen hinzuzufügen ist. Die teilweise 1400 mit ihren Königsketten im

sehr umfangreichen Schützen­ Festzug. 6 ketten (Abb. 5, 6) älterer Vereine sind ebenso wie die zum «Kö­ 6 Der Schützenkönig der Brunswiker nigstrunk» gereichten Becher Schützengilde im Festzug. und Pokale (Abb. 7) oft Meister­ werke der ansässigen Gold­ und Silberschmiede, von hohem ma­ 7 Deckelpokal für das Jubiläumsschies- 8 Schützenfahnen beim Bundesfahnen- teriellem und kunsthistorischem sen des Deutschen Schützenbundes wettbewerb 2007 auf Schloss Wert. Besonders im Rheinland 1886 in Gotha. Silber, z.T. vergoldet, Callenberg bei Coburg. wird dabei die Tradition des Fah­ Höhe 37 cm. Alle Fotos: © Archiv Foto: © Archiv des Deutschen nenschwenkens ausgeübt (Abb. 8). des Deutschen Schützenbundes e.V. Schützenbundes e.V.

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Seite 86 DEUTSCHES SCHÜTZENMUSEUM

Das Deutsche Schützenmuseum präsentiert auf lebendige und unterhaltsame Weise die faszinieren­ de Vielfalt des Schützenwesens von den Anfängen in prähistorischer Zeit über die wehrhaften Schützengesellschaften in den Städten des Mittelalters bis hin zum spannenden Sportschiessen und Bogensport bei den Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen unserer Tage. Das Lichtschiessen und der Bogensimulator auf Schloss Callenberg gehören zu den beliebtesten Mitmachstationen in ganz Deutschland.

Kontakt: Deutsches Schützenmuseum, Schloss Callenberg, 96450 Coburg +49 611 46807 439, [email protected], https:// www.dsb.de/tradition/schuetzenmuseum/

Öffnungszeiten: Sommer (1. April – 31. Oktober): Di. – So. 11:00 – 17:00 Uhr Winter (1. November – 31. März): Di. – So. 13:00 – 16:00 Uhr

Es steht noch nicht fest, wann und in welchem Umfang das Deutsche Schützenmuseum nach der Corona­bedingten Schliessung wieder geöffnet sein wird.

Bitte aktuelle Infos beachten: https:// www.schloss­callenberg.com/besucher­info/

9 Das Deutsche Schützenmuseum ist in Schloss Callenberg untergebracht. Foto: © Archiv des Deutschen Schützenbundes e.V.

Das Königschiessen ist Anlass zur künstlerischen Gestaltung hölzerner Zielscheiben, die der Schützenkönig in Auftrag zu ge­ ben hat und welche die Räum­ lichkeiten der Schützenhäuser verzieren. Feste Bestandteile des Schützenbrauchtums, Identität und Gemeinschaft stiftende Ele­ 9 mente sind Schützentracht und Vereinsfahne. KULTURERBETRÄGER sehen entsprechende Ämter in Weitere Schützenbräuche sind UND -TRÄGERINNEN ihren Führungsgremien vor. In u.a.: vielen Vereinen gibt es spezielle Die Träger/Trägerinnen des im­ Beauftragte für die Traditions­ • An­ und Abschiessen in Früh­ materiellen Kulturerbes «Schüt­ und Brauchtumsarbeit. Die Ver­ jahr und Herbst; zenwesen in Deutschland» sind eine pflegen ihre Archive eigen­ die ca. 1,4 Millionen Mitglieder ständig. Bei der Vorbereitung von • Grenzbeziehen/Grenzgang; des 1861 in Gotha gegründe­ Jubiläen, beim Erstellen von ten Deutschen Schützenbundes Festschriften, Chroniken und • Ostereierschiessen; (DSB) und die ca. 600'000 Mitglie­ Vereinsgeschichten erhalten sie der des Bundes der Historischen Unterstützung von den Dachver­ • Böllerschiessen als Bestand­ Deutschen Schützenbruderschaf­ bänden. Der Deutsche Schützen­ teil des in Süddeutschland ten (BHDS), der 1928 entstand. Sie bund unterhält in seiner Bundes­ und in den Mittelgebirgen ge­ sind zum grössten Teil auch in geschäftsstelle in Wiesbaden pflegten Lärmbrauchtums. der Europäischen Gemeinschaft unter hauptamtlicher Leitung ein Historischer Schützen (EGS) or­ Archiv mit umfangreicher Biblio­ ganisiert. Beide Dachverbände thek; auf Schloss Callenberg bei haben die Brauchtumspflege in Coburg betreibt er seit 2004 das ihren Satzungen verankert und Deutsche Schützenmuseum.

Seite 87 10 Schiessscheibe «Schützen, Sänger, Turner» zur Erinnerung an das 1. Deutsche Bundesschiessen in Frankfurt am Main 1862. Schützen- gesellschaft Kronach, Öl auf Holz, 48 x 48 cm, Schützengesellschaft Kronach. Foto: © Archiv des Deutschen Schützenbundes e.V.

wendigen, mehrstufigen Bewer­ bungsverfahren verbunden, das der Deutsche Schützenbund und die Europäische Gemeinschaft Historischer Schützen in einem gemeinsamen Antrag durchlie­

10 fen. Am 4. Dezember 2015 erfolg­ te die Aufnahme der Kulturform unter der Bezeichnung «Schüt­ SACHZEUGEN DES IMMA- Fahnen, Vereinswappen und zenwesen in Deutschland». In TERIELLEN KULTURERBES ­abzeichen, Schützenscheiben; ihrer Begründung würdigten das zuständige Expertenkomitee und Zum kulturellen Erbe des Schüt­ • Zahlreiche untergegangene die Kultusminister das Schützen­ zenwesens in Deutschland gehö­ bzw. noch heute gebräuchli­ wesen «als Ausdruck lokal akti­ ren auch Gegenstände historisch che Redensarten, wie etwa ver Kulturpraxis mit lebendiger überlieferten oder modernen, ak­ «er/sie hat den Vogel abge­ Traditionspflege, die stark in ört­ tuellen Kunstschaffens: schossen» oder «ins Blaue» liche Sozial­ und Kulturmilieus zielen/fahren; eingebunden ist. Es gibt vielfälti­ • Schützenketten, Schützensilber; ge Massnahmen zur Weitergabe, • Musik, Schützenmärsche. unterschiedliche Formen der Ju­ • Ehrengaben in Form von Plas­ gendarbeit und eine aktive Pflege tiken, Bechern, Pokalen und regionaler und europäischer Ver­ Medaillen; AUFNAHME IN DAS BUN- bindungen. Auch die Verpflich­ DESWEITE VERZEICHNIS tung gegenüber sozialem Enga­ • Schützenscheiben (Abb. 10), gement und ziviler Kultur im darunter über den Kreis der Das «Bundesweite Verzeichnis Umgang mit Waffentechnik und Schützenbrauchtumsträger des Immateriellen Kulturerbes» Waffengebrauch sowie der in­ hinaus sehr populär z.B. die ist kein Verzeichnis der UNESCO. tegrative Charakter werden her­ «Schützenlisl» von Friedrich Seine Erstellung u.a. durch die vorgehoben.» August v. Kaulbach und der Deutsche UNESCO­Kommission «Scheibentoni» von Hermann und die Kultusministerkonfe­ v. Kaulbach); renz ist Teil der innerstaatlichen AUSBLICK Umsetzung des UNESCO­Über­ • Schützenmeister­ und Schüt­ einkommens zur Erhaltung des Der Deutsche Schützenbund und zenkönigporträts; immateriellen Kulturerbes aus die Europäische Gemeinschaft dem Jahr 2003, dem Deutschland Historischer Schützen beabsichti­ • Künstlerisch gestaltete Schüt­ 2013 beigetreten ist. Das Ver­ gen, das Schützenwesen mit Hilfe zenfest­ und Bundesschies­ zeichnis, in dem sich (Stand Feb­ eines multinationalen Eintrags sen­Literatur (Festbücher); ruar 2021) derzeit 106 Einträge auch in die «Repräsentative Liste befinden, zeigt exemplarisch, des Immateriellen Kulturerbes der • Schützendenkmäler/Schüt­ welche lebendigen kulturellen Menschheit» bei der UNESCO auf­ zenbrunnen; Traditionen und Ausdrucksfor­ nehmen zu lassen. Die beiden men in Deutschland praktiziert deutschen Dachverbände würden • Darstellung von Schützenhei­ und weitergegeben werden. Die zu diesem Zweck gerne auch mit ligen (vor allem Sebastianus Aufnahme in das «Bundesweite den entsprechenden Schweizer Or­ und Hubertus) in Kirchen, auf Verzeichnis» ist mit einem auf­ ganisationen zusammenarbeiten.

Seite 88 LE TIR, IL TIRO IN GERMANIA MARKSMANSHIP

PATRIMOINE COME PATRIMONIO AND GERMANY'S

CULTUREL ALLEMAND CULTURALE INTANGIBLE

IMMATERIALE CULTURAL HERITAGE

Outre le tir sportif et le tir à l'arc, Oltre a praticare il tiro sportivo o In Germany shooting, marks­ le tir en Allemagne englobe un quello con l'arco, le società di tiro manship and archery are more grand nombre de coutumes et de di tutta la Germania coltivano e than sporting or recreational pur­ traditions qui sont entretenues et tramandano varie usanze e tradi­ suits. They are practices that are pratiquées par les sociétés de tir zioni sotto diverse forme. associated with a host of customs du pays entier sous différentes and traditions which are cultivat­ formes. Gran parte delle tradizioni, dei ed and practiced in myriad dif­ rituali e delle abitudini dei tirato­ ferent ways by shooting clubs Une grande partie des coutumes, ri sono state preservate pratica­ throughout the country. rituels et habitudes des tireurs mente immutate dai tempi del datent du Moyen­Âge et n'ont Medioevo. Al centro della tradi­ Many of these customs, rituals guère changé. Au cœur de la tra­ zione del tiro c'è il Vogel- und and practices have barely dition se trouve le tir à l'oiseau et Königschiessen, una festa di tiro changed since the Middle Ages. le tir du roy, qui ont lieu dans le molto diffusa che viene celebrata Every year, German regions hold cadre des fêtes de tir célébrées ogni anno. Questa festa prevede their own shooting festival. The partout chaque année. Le défilé et un corteo e il banchetto in onore centrepiece of these events is the le banquet font partie de la fête et del re del tiro, ossia del vincitore Vogel- und Königschiessen, a pop­ des traditions, tout comme les (Königsmahl). L'inventario della injay tournament where the win­ uniformes, les drapeaux des so­ tradizione del tiro comprende an­ ning marksman is crowned the ciétés, la parure du roi, les cibles che costumi dei tiratori, bandiere king. Other traditions and cus­ de tir peintes, les coupes et les delle associazioni, collari dei vin­ toms which are integral to these trophées. citori (Königskette), bersagli dipin­ festivals are the parade and win­ ti a mano, boccali e coppe trofeo. ner's banquet (Königsmahl), as Les sociétés de tir en Allemagne well as honour goblets, cups and comptent environ deux millions In Germania le società di tiro trophies. de membres. Leurs coutumes ont contano circa due milioni di été inscrites en 2015 à l'Inventaire membri. Nel 2015 le loro tradizio­ Around two million people in fédéral du patrimoine culturel ni sono stati inserite nell'inventa­ Germany belong to a shooting immatériel. rio nazionale del patrimonio cul­ club. In 2015 Germany officially turale immateriale. recognised shooting­related cus­ toms and traditions as part of the country's intangible cultural her­ itage.

Seite 89 SERVICE MITTEILUNGEN, PERSONELLES

ZUM TODE VON Inventarisierung der Walliser NEUE CHEFIN KULTUR- JEAN-MARC BINER (VS) Kulturschätze, die Schaffung ei­ GÜTERSCHUTZ (KGS) nes ersten Handbuchs für die Er war ein Kulturgüterschützer KGS­Ausbildung, die Einfüh­ der ersten Stunde rung von Rechtsgrundlagen, das Erarbeiten von Sicherstellungs­ Am 29. Januar 2021 verstarb im dokumentationen sowie der Ein­ Alter von 84 Jahren Jean­Marc satz für den Bau von Schutzräu­ Biner, wohnhaft gewesen in Bra­ men (in seiner Amtszeit wurden mois (VS). im Wallis 36 Kulturgüterschutz­ räume realisiert). Zudem war er Mit wachem Geist und thema­ massgeblich am Ausbildungsfilm tisch sehr breit aufgestellt setzte «Der Kulturgüterschutz in der er sich zeitlebens für den Schutz Gemeinde» beteiligt, der die Am 1. Juni 2021 wird die 37­jäh­ und die Vermittlung der Walliser KGS­Aufgaben am Beispiel von rige Juristin Carine Simoes als Natur­ und Kulturdenkmäler Kulturgut in der Region Grosser neue Chefin KGS im Bundesamt ein. Als ausgebildeter Fotograf St. Bernhards vorstellte. für Bevölkerungsschutz (BABS) hatte er nicht nur das Auge für die Nachfolge von Rino Büchel deren Schönheit, sondern konnte Persönlich durfte ich ihn besser antreten. seine Mitmenschen ausgezeich­ kennenlernen, als er mir im Rah­ net über seine Bilder «abholen». men eines Ausbildungskurses im Carine Simoes schloss ihr Studi­ Dies zeigte sich gerade auch im Val d'Hérens die von Förderer er­ um an der Universität Genf mit Rahmen seiner Tätigkeiten im baute Kirche in Hérémence sowie einem Master of Law ab. Seit 2012 Kulturgüterschutz. Vom kleinen die Erdpyramiden in Euseigne befasst sie sich mit den Themen Stadel bis zur grossen Kathedra­ vorstellte. Besonders im Gedächt­ Kulturgütertransfer und Raub­ le, von Brücken über Kapellen bis nis geblieben sind mir aber auch kunst im Bundesamt für Kultur hin zu moderneren Bauten, vom eine gesunde Portion Schalk und (BAK), seit 2017 ist sie dort als Gemälde eines berühmten Ma­ sein feiner Humor. So beendete er Chefin der Fachstelle internatio­ lers bis hin zum Ex­voto einer etwa gewisse Diskussionen je­ naler Kulturgütertransfer tätig. unbekannten Walliserin – alles weils mit dem vielsagenden Kür­ wusste er mit Respekt und Liebe zel «wRw» [wie Rino will]. Seit je gab und gibt es Bezugs­ zum Detail entsprechend einzu­ punkte zwischen KGS und Kul­ ordnen und zu würdigen. Den zahlreichen KGS­Verant­ turgütertransfer (KGT): Beide wortlichen im Wallis, die seine Bereiche basieren auf UNESCO­ Sein gesamtheitlicher Ansatz Schule durchlaufen haben, wird Konventionen (Haager Abkom­ und seine Vermittlungsfähigkei­ Jean­Marc Biner aufgrund seiner men 1954, Konvention 1970), ten machten ihn auch zu einem zahlreichen Publikationen, vor beide haben ein eigenes Bun­ der ersten und wertvollsten Aus­ allem aber als Mensch in guter desgesetz (KGS­Gesetz, KGT­ bildnern im Schweizer Kulturgü­ Erinnerung bleiben – er hat sie Gesetz) und beide haben u.a. die terschutz. Neben der Leitung von entscheidend geprägt und ver­ Aufgabe, ein Inventar zu führen Kursen, in denen er zahlreiche stand es wie kein Anderer ihnen (KGS­Inventar 2009/2021, Kul­ KGS­Spezialistinnen und ­Spe­ die Augen für die Bedeutung der turgüterverzeichnis). zialisten für den Umgang mit Walliser Naturschönheiten und dem Kulturgut zu sensibilisieren Kulturdenkmäler zu öffnen. Wir wünschen Carine Simoes wusste, gehören zu seinen Ver­ einen guten Start und viel Erfolg diensten auch eine umfassende Rino Büchel bei ihren neuen Aufgaben.

Seite 90 OFFIZIELLE MEDIENMITTEILUNG DES BUNDESRATES VOM 26.11.2020 MICHAELA SCHÄRER – NEUE DIREKTORIN DES BUNDESAMTES FÜR BEVÖLKERUNGSSCHUTZ

Der Bundesrat hat an seiner Sit- Vizedirektorin die Hauptabtei­ zung vom 25. November 2020 lung Recht und Abgaben und Frau Dr. iur. Michaela Schärer später die Hauptabteilung Ver­ zur neuen Direktorin des Bun- fahren und Betrieb. Per Juli 2017 desamtes für Bevölkerungs- wurde Michaela Schärer zur schutz (BABS) per 1. Januar 2021 Stellvertretenden Direktorin der ernannt. Sie übernimmt die Eidgenössischen Zollverwaltung Funktion von Divisionär Jean- ernannt. Nach einer internen Re­ Paul Theler, welcher vom Bun- organisation übernahm sie die desrat als Direktor BABS ad in- Verantwortung für den Bereich terim bis längstens Ende 2020 Zoll mit 2000 Mitarbeitenden und eingesetzt worden war. seit Januar 2020 ist sie Chefin des Direktionsbereichs Operationen Die 50­jährige Michaela Schärer mit dem Auftrag, die vier Zoll­ hat an der Universität Lausanne kreise und die 7 Grenzwacht­ Namentlich ihre Aus­ und Wei­ Recht studiert und 1991 mit dem regionen mit bis zu 3500 Mitar­ terbildungen, ihr bisheriger Leis­ Lizenziat abgeschlossen sowie beitenden in einer Organisation tungsausweis, die langjährige 1995 an der Universität Genf das zusammenzuführen. Erfahrung in der Verwaltung so­ Nachdiplom DES in Internationa­ wie ihre Führungs­, Organisa­ lem Recht absolviert. Anschlies­ Für die zu besetzende Funktion tions­ und Sozialkompetenz ha­ send hat sie 2001 an der Universi­ hat die Chefin VBS eine Fin­ ben den Ausschlag gegeben, dass tät Genf den Doktortitel (Dr. iur.) dungskommission eingesetzt. sie zu ihrer neuen Funktion er­ erworben. Deren Mitglieder waren der Ge­ nannt wurde. neralsekretär VBS, Toni Eder, Nach einigen Jahren in wissen­ der Stellvertretende Generalse­ Divisionär Jean­Paul Theler, der schaftlichen Assistenzfunktio­ kretär VBS, Marc Siegenthaler, das BABS seit April 2020 ad inte­ nen an der ETH Lausanne ist Mi­ die Regierungsrätin des Kanton rim geleitet hatte, wird per 1. Ja­ chaela Schärer im April 1995 ins Waadt, Béatrice Métraux, und nuar 2021 die Funktion als Chef damalige Eidgenössische Militär­ der Staatsrat des Kantons Tessin Armeestab übernehmen. Der departement EMD eingetreten. und Präsident der Regierungs­ Bundesrat dankt ihm für seinen Hier arbeitete sie in verschie­ konferenz Militär, Zivilschutz, Interims­Einsatz beim BABS. denen Funktionen als Wissen­ Feuerwehr (RKMZF), Norman schaftliche Angestellte im Gobbi. Der Bewerbungsprozess Rechtsdienst des Generalstabs, hat gezeigt, dass Michaela Schä­ als Wissenschaftliche Angestellte rer das Anforderungsprofil am im Generalsekretariat VBS im Be­ besten erfüllt. reich Sicherheits­ und Verteidi­ gungspolitik und als Referentin für Sicherheitspolitik und Bevöl­ kerungsschutz im Stab des Chefs VBS. Per Oktober 2006 ist sie als Stabschefin und Chefin Sektion Stabsdienste des Grenzwacht­ korps in die Eidgenössische Zoll­ verwaltung übergetreten. Ab No­ vember 2011 verantwortete sie als

Seite 91 MICHAELA SCHÄRER EST NOMMÉE DIRECTRICE

DE L’ OFFICE FÉDÉRAL DE LA PROTECTION DE LA POPULATION

défense au Secrétariat général du nementale des affaires militaires, DDPS et de conseillère spéciali­ de la protection civile et des sa­ sée en matière de politique de peurs­pompiers (CG MPS). sécurité et de protection de la population à l’État­major du chef Par son parcours et son profil, du DDPS. En octobre 2006, elle a Michaela Schärer s’est distinguée endossé la fonction de cheffe durant ce processus de recrute­ d’état­major et de cheffe de la ment. Sa formation et ses forma­ section Services d’état­major du tions complémentaires, les pres­ Corps des gardes­frontière à tations accomplies à ce jour, sa Le Conseil fédéral a nommé l’Administration fédérale des longue expérience de l’adminis­ Michaela Schärer directrice de douanes (AFD). À partir de no­ tration fédérale ainsi que ses l’Office fédéral de la protection vembre 2011, elle y a assumé, en compétences en matière de direc­ de la population (OFPP) lors de tant que vice­directrice, la res­ tion, d’organisation et ses com­ sa séance du 25 novembre 2020. ponsabilité de la division princi­ pétences sociales sont autant de Madame Schärer entrera en pale Droit et redevances, puis critères qui ont motivé sa nomi­ fonction le 1er janvier 2021. Elle celle de cheffe de la division prin­ nation à sa nouvelle fonction. succède au divisionnaire Jean- cipale Procédures et exploitation. Paul Theler, qui avait été nom- Michaela Schärer a enfin été Le divisionnaire Jean­Paul The­ mé à ce poste par intérim pour nommée directrice suppléante de ler, qui assumait la direction de une durée limitée à fin 2020 au l’AFD, fonction qu’elle a occupée l’OFPP par intérim depuis avril plus tard. à partir de juillet 2017. Suite à une dernier, reprendra quant à lui la réorganisation interne, elle a re­ fonction de chef de l’État­major Michaela Schärer, 50 ans, a étudié pris la responsabilité du domaine de l’armée à partir du 1er janvier à l’Université de Lausanne, où Douanes, qui comprend quelque 2021. Le Conseil fédéral le remer­ elle a obtenu sa licence en droit en 2000 collaboratrices et collabora­ cie pour son engagement à 1991, et à l’Université de Genève, teurs. Depuis le début de l’année, l’OFPP. pour un diplôme post­grade en elle est à la tête du domaine de droit international achevé en direction des Opérations, avec (Communiqué officiel du Conseil 1995. Elle est titulaire d’un titre pour mission de réunir en une fédéral du 26 novembre 2020). de doctorat en droit de l’Univer­ seule organisation quatre arron­ sité de Genève (2001). dissements des douanes et sept régions gardes­frontière, comp­ Après avoir travaillé pendant tant environ 3500 collaborateurs. quelques années en tant qu’assis­ tante scientifique à l’EPFL, Mi­ Afin de repourvoir la fonction à chaela Schärer est entrée dans l’OFPP, la cheffe du DDPS a mis l’administration fédérale en avril en place une commission de sé­ 1995, au sein de ce qui était alors lection. Celle­ci était composée le Département militaire fédéral du secrétaire général du DDPS (DMF). Elle y a occupé les fonc­ Toni Eder, de son suppléant Marc tions de collaboratrice scienti­ Siegenthaler, de la conseillère fique au service juridique de d’État vaudoise Béatrice Métraux l’État­major général, puis d’ad­ ainsi que de Norman Gobbi, jointe scientifique dans le do­ conseiller d’État tessinois et pré­ maine Politique de sécurité et de sident de la Conférence gouver­

Seite 92 MICHAELA SCHÄRER NOMINATA DIRETTRICE

DELL’UFFICIO FEDERALE DELLA PROTEZIONE DELLA POPOLAZIONE

Nella sua seduta del 25 novemb- sunto la direzione della divisione tori decisivi per la sua nomina re 2020 il Consiglio federale ha principale Diritto e tributi e in alla nuova funzione. nominato la dott. iur. Michaela seguito della divisione principale Schärer nuova direttrice del- Procedure ed esercizio. Nel luglio Il divisionario Jean­Paul Theler, l’Ufficio federale della protezio- 2017 Michaela Schärer è stata no­ che dal mese di aprile ha diretto ne della popolazione (UFPP) dal minata sostituta del direttore l’UFPP ad interim, assumerà la 1° gennaio 2021. Succederà al dell’A mministrazione federale funzione di capo dello Stato mag­ divisionario Jean-Paul Theler, delle dogane. Dopo una riorga­ giore dell’esercito dal 1° gennaio che il Consiglio federale aveva nizzazione interna ha assunto le 2021. Il Consiglio federale lo rin­ nominato direttore ad interim funzioni di capo dell’ambito DO­ grazia per il suo lavoro presso dell’UFPP fino al più tardi alla GANA che comprende 2000 col­ l’UFPP. fine 2020. laboratori e dal gennaio 2020 di capo dell’ambito direzionale (Comunicato ufficiale del Consi­ La cinquantenne Michaela Schä­ Operazioni con l’incarico di rag­ glio federale del 26.11.2020). rer ha studiato diritto presso le gruppare in un’unica organizza­ Università di Losanna e di Gine­ zione i quattro circondari doga­ vra, conseguendo la licenza nel nali e le sette regioni guardie di 1991 e il post­diploma DES in di­ confine per un totale di 3500 col­ ritto internazionale nel 1995. Nel laboratori. 2001 ha conseguito il dottorato in giurisprudenza (dott. iur.) al­ Per la selezione delle candidature l’Università di Ginevra. il capo del DDPS ha istituito un’apposita commissione che Dopo alcuni anni in funzioni comprendeva il segretario gene­ di assistente scientifica presso rale del DDPS Toni Eder, il segre­ l’EPFL, nell’aprile 1995 Michaela tario generale supplente del Schärer è entrata a far parte DDPS Marc Siegenthaler, la Con­ dell’allora Dipartimento militare sigliera di Stato del Cantone di federale (DMF), dove ha ricoperto Vaud Béatrice Métraux e il Consi­ varie funzioni quale collaboratri­ gliere di Stato del Cantone Ticino ce scientifica presso il servizio e presidente della Conferenza giuridico dello Stato maggiore governativa per gli affari militari, generale, aggiunta scientifica la protezione civile e i pompieri presso la Segreteria generale del (CG MPP) Norman Gobbi. Il pro­ DDPS nell’ambito Politica di sicu­ cesso di candidatura ha dimo­ rezza e di difesa e relatrice per la strato che Michaela Schärer sod­ politica di sicurezza e la protezio­ disfa al meglio il profilo dei ne della popolazione nello Stato requisiti. maggiore del capo del DDPS. Nell’ottobre 2006 ha assunto la In particolare, le sue formazioni e funzione di capo della sezione i suoi perfezionamenti, le com­ Servizi di stato maggiore del Cor­ provate prestazioni, la sua plu­ po delle guardie di confine pres­ riennale esperienza in ambito so l’Amministrazione federale amministrativo, nonché la sua delle dogane. Dal novembre 2011, competenza dirigenziale, orga­ in qualità di vicedirettrice, ha as­ nizzativa e sociale sono stati fat­

Seite 93 CLAUDIA ENGLER RINO BÜCHEL – EIN WEGBEREITER DES SCHWEIZER KULTURGÜTERSCHUTZES

WÜRDIGUNG ZUR PENSIONIERUNG VON RINO BÜCHEL PER ENDE MAI 2021

lichen und strukturellen Grund­ Dass dies alles gelang, ist dem 1 lagenfüreinenKulturgüterschutz hohem persönlichen Einsatz von auf allen föderalistischen Ebenen Rino Büchel zu verdanken: Mit geschaffen. Doch die Herausfor­ guten Argumenten, mit bewun­ derung lag darin, den Kulturgü­ dernswerter Hartnäckigkeit, mit terschutz nun in Fachkreisen und klugem, angemessenem Vorge­ bei den Kulturinstitutionen als hen, mit profunder Fachkenntnis kompetenten und zuverlässigen und mit Weitsicht hinsichtlich Ansprechpartner zu etablieren, zukünftiger Entwicklungen Ausbildungs­ und weitere Ar­ konnte er auch Kritiker von der beitsgrundlagen wie Inventare Notwendigkeit der Projekte über­ zu schaffen und die gesetzlichen zeugen. Ganz besonders aber be­ Grundlagen den veränderten Be­ eindruckte er im persönlichen drohungslagen und Schutzbe­ Umgang: mit seiner überlegenen dürfnissen, etwa für digitale Kul­ Ruhe, mit seiner grossen Herz­ turgüter, anzupassen. lichkeit und Zugänglichkeit und nicht zuletzt mit seinem feinen Als Meilensteine erwähnt seien Humor. Nie ging man nach einer 1 Rino Büchel als Referent zum hier nur die Totalrevision des Sitzung ohne Gewinn aus dem Schweizer Modell eines Safe Haven KGS­Gesetzes (ab 2015 in Kraft), Zimmer, jede Anfrage wurde im­ an einer Tagung in Abu Dhabi. die dritte Überarbeitung des Kul­ mer geduldig und unterstützend Foto: © Nicolas Mathieu, EDA. turgüterschutz­Inventars (2009), beantwortet. die KGS­Notfallplanung, KGS­ Merkblätter, das KGS Forum als Rino Büchel geht nun in den 1962 ratifizierte die Schweiz das Fachzeitschrift sowie die finanzi­ mehr als verdienten Ruhestand. Haager Abkommen zum Schutz elle Förderung von Kulturgüter­ Allerdings wird ihn der Kultur­ von Kulturgut bei bewaffneten Schutzräumen (ab 2021 in Kraft). güterschutz sicher auch in Zu­ Konflikten (1954) und begann kunft nicht loslassen. Wo immer mit dem Aufbau des offiziellen International vertrat Rino Büchel ihn inskünftig seine Wanderun­ Kulturgüterschutzes. Wesent- den Schweizer Kulturgüter­ gen durch die Schweiz durchfüh­ lich in den letzten Jahrzehnten schutz als Delegierter in gewich­ ren, unweigerlich wird er auf Ob­ mitgetragen und vor allem mit- tigen Gremien wie dem Interna­ jekte stossen, zu deren Schutz er geprägt hat diesen Aufbau, als tionalen Ausschuss der UNESCO beigetragen hat. Chef KGS im BABS, Rino Bü- zum Schutz von Kulturgut bei chel. Ihm ist zu verdanken, dass bewaffneten Konflikten und trug Rino Büchel, ein ganz grosses sich der Schweizer Kulturgüter- entscheidend zum Erfolg der In­ Dankeschön für alles, was Du für schutz heute als zeitgemässe, ternationalen KGS­Tagungen in den Kulturgüterschutz geleistet national und international bes- Bern 2002 und 2012 bei. Es gelang hast und auch für die jahrelange tens vernetzte, interdisziplinäre ihm zudem, den Schweizer Kul­ so konstruktive und anregende Organisation bewährt hat und turgüterschutz als vorbildliches Zusammenarbeit! geschätzt wird. Modell weltweit bekannt zu ma­ chen und das nötige Vertrauen zu Dr. Claudia Engler, Als der Historiker Büchel 1998 schaffen, um die Schweiz als ei­ Direktorin Burgerbibliothek Bern, sein Amt als Chef antrat, waren nen möglichen Safe Haven für im Präsidentin der Eidgenössischen zwar nach drei Jahrzehnten sorg­ Ausland bedrohte Kulturgüter zu Kommission für Kulturgüterschutz fältiger Aufbauarbeit die gesetz­ positionieren. (EKKGS) 2008–2015.

Seite 94 IMPRESSUM / ADRESSEN

IMPRESSUM VORANZEIGE KGS FORUM 2021 © Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS, Fachbereich Kulturgüterschutz KGS, Bern2021 ISSN 1662-3495 37/2021 Herausgeber: BABS, Fachbereich Kulturgüterschutz KGS. Revision KGS-Inventar Révision de l'Inventaire PBC Konzept: Rino Büchel, HansSchüpbach, Laura Albisetti, Olivier Revisione dell'Inventario PBC Melchior, Alexandra Kull. Revision of the PCP-Inventory Redaktion, Layout: HansSchüpbach. Lektorat: Alexandra Kull, Laura Albisetti.

Übersetzungen: Alain Meyrat, Anne-France Meystre (f), Caroline Sulmoni, Peter Waldburger (i), Elaine Sheerin (e).

Auflage: 2000; 21. Jahrgang.

Web: https:// www.kgs.admin.ch/

GIS-Anwendung KGS-Inventar: https://map.geo.admin.ch/?topic=kgs

Hinweis Das KGS Forum dient alsPlattform, umverschiedene Themenaus dem Bereich Kulturgüterschutz möglichst vielfältig und aus unterschiedlichenBlickwinkeln vorzustellen. Die Beiträge geben die Mei- nung der Autorinnen/Autorenwieder und sind somit nicht zwingend deckungsgleichmit dem Stand- punkt des Bundesamtes oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

KGS ADRESSEN / ADRESSES PBC / INDIRIZZI PBC / ADDRESSES PCP

Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS Fachbereich Kulturgüterschutz KGS Guisanplatz 1B, 3003 Bern

Web: https:// www.kulturgueterschutz.ch oder https:// www.kgs.admin.ch https:// www.bevoelkerungsschutz.ch (Navigation:Themen/Kulturgüterschutz)

Büchel Rino Chef KGS, Internationales Tel.: +41 (0)58 462 51 84 [email protected] AlbisettiLaura Grundlagen +41 (0)58 465 15 37 [email protected] Melchior Olivier Projekte, Grundlagen +41 (0)58 463 3463 [email protected] Schüpbach Hans Publikationen, Inventar +41 (0)58 462 51 56 [email protected] KullAlexandra Inventar(insbesondere Archäologie) +41 (0)58 483 59 99 [email protected]

Maradan Rose-Eveline Ausbildung KGS (im GB Ausbildung, BABS, Schwarzenburg) [email protected] +41 (0)58 462 52 56

Kantonale KGS-Verantwortliche / Mitglieder Schweizerisches Komitee für Kulturgüterschutz: https:// www.kgs.admin.ch/ -> Organisation (unten an der Seite die Links mitAdresslisten)

Seite95 A

A: Eidg. Freischiessen in Lausanne, 1836. Festplatz, links und B: Das Bild zeigt das Schützenhaus auf dem Landenberg in rechts Festhütten, im Mittelgrund die Fahnenburg. Herstellung: Sarnen – ein A-Objekt im KGS-Inventar. Foto: © wikimedia Lithograph signiert Kocher, Genf. Datiert 1836. 41,5 x 47,5 cm. commons, CC BY-SA 3.0, Roland Zumbühl, Arlesheim. Blatt: Federlithographie auf Papier. www.picswiss.ch Abb.: © Schweizerisches Nationalmuseum, LM-42905.

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