Sempach 1386 – Darstellungen Einer Schlacht Im Wandel Der Zeit Vom Unerklärlichen Sieg Zum Festen Bestandteil Eidgenössischer Militärtradition.1

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Sempach 1386 – Darstellungen Einer Schlacht Im Wandel Der Zeit Vom Unerklärlichen Sieg Zum Festen Bestandteil Eidgenössischer Militärtradition.1 Sempach 1386 – Darstellungen einer Schlacht im Wandel der Zeit Vom unerklärlichen Sieg zum festen Bestandteil eidgenössischer Militärtradition.1 Von ANDREAS REMY Und als die Feinde zu beiden Seiten einander sahen, da sammelten sie sich auf dem Acker und zogen mit besonnenem Mut auf weitem Feld zu einander. [...] Alsbald gab Gott den Eidgenossen das Glück, dass sie siegten und das Feld mit großen Ehren behaupteten.2 Mit diesen recht kargen Worten beschreibt der Berner Chronist Conrad Ju- stinger im Jahr 1420 die wohl bedeutendste Schlacht der Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert – die Schlacht von Sempach zwischen einem eidgenössischen und einem habsburgischen Heer am 9. Juli 1386. Beide Seiten kämpften dabei um die Ausweitung ihrer Einflusssphären im westlichen Alpenraum. Konkret ging es den Habsburgern um die »Ausbur- gerpraktik« der Stadt Luzern, welche die Ortschaften Sempach und Entlebuch zu Beginn des Jahres 1386 in luzernisches Burgrecht aufgenommen hatte, ob- wohl sich beide im Besitz der Habsburger befanden.3 Verhandlungen über eine Rückgabe der nach Ansicht der Habsburger unrechtmäßig beanspruchten Siedlungen scheiterten4, so dass es zu einem offenen Krieg zwischen Eidgenos- senschaft und Habsburg kam. Herzog Leopold III. von Österreich sammelte daraufhin ein Heer und zog in Richtung Sempach. Die Eidgenossen reagierten mit einem eigenen Aufgebot, das von Zürich her kommend am 9. Juli 1386 in der Nähe von Sempach auf das österreichische Heer traf. Es kam zu einer offenen Feldschlacht, die die Eid- genossen für sich entscheiden konnten. 1 Ich danke Prof. Malte Prietzel für seine Ratschläge und Unterstützung sowohl für den damali- gen Vortrag als auch für den vorliegenden Artikel. 2 Conrad Justinger, Die Berner Chronik des Conrad Justinger, hg. von Gottlieb Studer, Bern 1871, S. 163. 3 Zur Politik Luzerns im Vorfeld der Schlacht von Sempach: Guy P. Marchal, Sempach 1386. Von den Anfängen des Territorialstaates Luzern (Beiträge zur Frühgeschichte des Kantons Luzern), Basel 1986. Neben Luzern hatte zuvor bereits die Stadt Zug ihr Territorium auf Kosten der Habsburger erweitert, siehe: Guy P. Marchal, Die Ursprünge der Unabhängigkeit (401-1394), in: Beatrix Mesmer (Hg.), Geschichte der Schweiz und der Schweizer, Basel/Frankfurt a.M. 1986, S. 109-214. 4 Neben Sempach und Entlebuch hatte Luzern die habsburgischen Pfandherrschaften Wolhusen und Rothenburg erobert, siehe: Marchal, Anfänge des Territorialstaates, S. 101f. 80 Andreas Remy Die Schlacht von Sempach 1386 erregte in Europa sehr große Aufmerksam- keit. Nachrichten von der Niederlage des habsburgischen Heeres gelangten bis an die Nordsee und waren dem Chronisten Dethmar von Lübeck einen Eintrag in seine Chronik wert.5 Dies lag wohl weniger daran, dass die Schlacht von großer Bedeutung für Gebiete außerhalb der Eidgenossenschaft war, sondern vielmehr daran, dass in der Schlacht viele hochrangige Adlige des süddeutschen Raumes und sogar der österreichische Herzog Leopold III. selbst zu Tode kamen.6 Langfristig hatte der Sieg bei Sempach die Folge, dass die Eidgenos- sen ihren Einfluss im westlichen Alpenraum behaupteten und die Habsburger endgültig zurück drängten. In Anbetracht der großen Bedeutung des Sieges für die Eidgenossen ist die Beschreibung Justingers eher kurz und wenig aussagekräftig. Es ist durchaus verwunderlich, dass eine Schlacht, die Wellen in ganz Europa schlug, von den Siegern so unspektakulär und bündig beschrieben wird, zumal die Schlacht im weiteren Verlauf der Geschichte auch von den Eidgenossen selbst sehr viel mehr gewürdigt wurde und bis heute im kollektiven Gedächtnis der Schweiz weiterlebt, als ein entscheidender Sieg über die Habsburger und somit ein wichtiger Schritt zur Bewahrung der Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft. Ein weiterer Grund dafür, dass die Schlacht von Sempach auch heute noch einen Platz im kollektiven Gedächtnis der Schweizer einnimmt7, dürfte mit der Heldenfigur des Arnold von Winkelried zu tun haben, der die Schlacht angeb- lich entscheidend beeinflusste und sein Leben für die Gemeinschaft gab. Es soll nun weder um die Frage nach der Existenz des Arnold von Winkelried noch um eine genaue Rekonstruktion der Ereignisse gehen – welche die Quel- len auch gar nicht zulassen –, sondern vielmehr um die Rezeption der Schlacht durch die Eidgenossen selbst. Wie wird die Schlacht von den Eidgenossen wahrgenommen und dargestellt? Welche Topoi werden von Chronisten zur Darstellung der Schlacht benutzt? Besonders interessant ist diese Fragestellung im Falle Sempachs deshalb, weil die Schlacht erst im Laufe einiger Jahrzehnte in den Blickpunkt der eidgenössischen Chronistik gelangte und das Bild der Schlacht zahlreichen Veränderungen unterlag. Als Schlusspunkt für die Untersuchung der spätmittelalterlichen Rezeption drängt sich das »Chronicon Helveticum« von Aegidius Tschudi auf, das in den 1550ern – also gut 150 Jahre nach der Schlacht – entstand und die wohl ein- flussreichste eidgenössische Chronik des Spätmittelalters und der Frühen Neu- zeit ist. Tschudis Chronik vereint Berichte aus den meisten eidgenössischen 5 Eine Sammlung aller Quellen zur Schlacht, wissenschaftlich allerdings überholt: Theodor von Liebenau, Die Schlacht bei Sempach: Gedenkbuch zur fünften Säcularfeier, Luzern 1886; zu Dethmar ebd., S. 105f. 6 Ein weiterer – wenn auch wohl weniger wichtiger – Aspekt, der zur weiträumigen Aufmerk- samkeit beigetragen hat, ist zudem die unterschiedliche Parteinahme der Akteure im Schisma. Dadurch wurde der Schlacht gewissermaßen eine kirchenpolitische Komponente angehängt. Siehe: Walter Schaufelberger, Spätmittelalter, in: Handbuch der Schweizer Geschichte, 2 Bde., 2. Aufl., Zürich 1980, hier Bd. 1, S. 239-388. 7 So bezog sich der Schweizer Rechtspopulist Christoph Blocher bei einer Wahlkampfveranstal- tung in Sempach im Jahr 2007 auf die Schlacht und den eidgenössischen Helden Winkelried, siehe: Mathieu von Rohr, Ende der Kompromisse, in: Der Spiegel 42 (2007), S. 130-133..
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