Die Rosenburg
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Die Rosenburg 2. Symposium Die Verantwortung von Juristen im Aufarbeitungsprozess Vorträge gehalten am 5. Februar 2013 im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Nürnberg-Fürth 2 Die Rosenburg Vorwort Das 2. Rosenburg-Symposium im historischen Sitzungssaal des Landgerichts Nürnberg-Fürth hat in eindrucksvoller Weise fortgesetzt, was im letzten Jahr im Plenarsitzungssaal des Kammergerichts in Berlin begonnen wurde. Der Unabhängigen Wissen- schaftlichen Kommission beim Bundesministerium der Justiz zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ist es erneut gelungen, eine Reihe herausragender Per- sönlichkeiten zu gewinnen, die als Zeitzeugen oder aus wissenschaftlicher Sicht die Rolle der Justiz im Dritten Reich beleuchtet haben. Ohne die einzelnen Beiträge zu gewichten, hat insbesondere der Vortrag von Gabriel Bach, dem stellvertretenden Ankläger im Eichmann-Prozess und ehemaligen Richter am Israelischen Supreme Court, die verbre- cherische Natur des damaligen Systems besonders eindrücklich vor Augen geführt. Er hat in überzeugender Weise dargelegt, dass Eichmann ein eigenständig handelnder und vollverantwortlicher Chef-Organisator der Shoa war. Menschlich bemerkenswert ist, dass Gabriel Bach trotz seiner eigenen schicksalhaften Betroffenheit ohne Groll und Verbitterung in das Land zurückgekehrt ist, das ihn und seine Familie einst verfolgt, ausgegrenzt und vertrieben hat. Die Rosenburg 3 Das Symposium hat erneut deutlich gemacht, dass der NS-Un- rechtsstaat nur möglich war, weil sich auch Vertreter der Justiz, die eigentlich Recht und Gesetz verpflichtet waren, als willfährige Handlanger des Regimes in dessen Dienste gestellt haben. Herrn Professor Görtemaker und Herrn Professor Safferling danke ich sehr herzlich und wünsche ihnen für ihre wichtige Arbeit auch weiterhin viel Erfolg. Berlin, im Mai 2013 Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, MdB Bundesministerin der Justiz 4 Die Rosenburg Vorwort Am 11. Januar 2012 hat Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die „Unabhängige Wis- senschaftliche Kommission beim Bundesministerium der Justiz zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit“ eingerichtet. Die „Rosenburg“ als erster Amtssitz des Bundesministeriums der Justiz in Bonn von 1950 bis 1973 symbolisiert in etwa den Zeitraum, der von der Kommission erforscht wird. Im Zentrum der wissen- schaftlichen Untersuchung stehen die personellen, aber auch die sachlichen Kontinuitäten beim Über- gang vom „Dritten Reich“ zur bundesrepublikanischen Demokratie auf der Grundlage des Bonner Grundge- setzes. In einem ersten Symposium am 26. April 2012 im Berliner Kammergericht hat die Kommission eine Bestandsaufnahme der bisherigen Forschungen zur NS-Vergangenheit von Justiz und Justizministerium vorgenommen. Die Ergebnisse dieser Konferenz liegen inzwischen in veröffentlichter Form vor.1 Im zweiten Symposium, dessen Redebeiträge hier zusammengefasst sind, wurden die Juristen und die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in den Mittelpunkt gerückt. Die Veranstaltung fand im historischen Schwurgerichtssaal des Landgerichts Nürnberg-Fürth statt, in dem vom 20. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946 der Pro- zess gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher vor dem Internatio- nalen Militärgerichtshof durchgeführt wurde. Auch der so genannte „Juristenprozess“ – einer der Nachfolgeprozesse des Verfahrens gegen 1 Manfred Görtemaker/Christoph Safferling (Hrsg.): „Die Rosenburg. Das Bundesmi- nisterium der Justiz und die NS-Vergangenheit – eine Bestandsaufnahme“. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2013. Die Rosenburg 5 die Hauptkriegsverbrecher −, in dem sich vom 17. Februar 1947 bis 4. Dezember 1947 vornehmlich Beamte des Reichsjustizministeriums vor einem amerikanischen Militärgericht verantworten mussten, fand in diesem Saal statt. Dabei wurde zum ersten Mal die Mitwirkung der Juristen in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung am natio- nalsozialistischen Justizterror zum Gegenstand eines Strafverfahrens gemacht. „Der Dolch des Mörders war unter der Robe der Juristen verborgen“ − dieser Ausspruch aus dem Nürnberger Juristenurteil verdeutlicht die Verantwortung der Juristen an dem erschreckenden Resultat der NS-Juristen: tausendfacher Mord. Die Frage der Aufarbei- tung des Unrechts durch Juristen wird an drei Beispielen durch Berich- te von Zeitzeugen thematisiert: dem Eichmannprozess in Jerusalem (Gabriel Bach), dem Auschwitzprozess in Frankfurt (Heinz Düx) und den Urteilen im Fall Thorbeck und Huppenkothen durch den Bun- desgerichtshof (Günter Hirsch). Ergänzt werden diese Berichte durch grundlegende Beiträge aus Politik (Sabine Leutheusser-Schnarrenber- ger) und Wissenschaft (Eva Schumann). Die Beiträge können auch auf der Internetseite der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission beim Bundesministerium der Justiz zur Aufarbeitung der NS-Vergan- genheit (www.uwk-bmj.de) im Videostream aufgerufen werden. Gedankt sei an dieser Stelle dem Memorium Nürnberger Prozesse der Stadt Nürnberg, mit dem diese Veranstaltung in Kooperation durchge- führt wurde. Potsdam und Marburg, im Mai 2013 Manfred Görtemaker und Christoph Safferling 6 Die Rosenburg Inhalt Vorwort Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz ......................................................................... 4 Vorwort Manfred Görtemaker und Christoph Safferling ...................................... 6 Die Verantwortung der Juristen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ........................................................ 9 Die Arbeit der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission Christoph Safferling .................................................................................... 15 Der Prozess gegen Adolf Eichmann Gabriel Bach ................................................................................................... 24 Der Frankfurter Auschwitzprozess Heinz Düx ....................................................................................................... 42 Die bundesdeutsche Justiz und die Aufarbeitung von NS-Justizunrecht Günter Hirsch ................................................................................................ 57 Fortwirken von NS-Juristen in der Bundesrepublik Eva Schumann ............................................................................................... 71 Impressum .......................................................................................................... 125 Die Rosenburg 7 Die Verantwortung der Juristen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, MdB Bundesministerin der Justiz Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich darf Sie herzlich zum zweiten Symposium der Unab- hängigen Wissenschaftlichen Kommission beim Bundesmi- nisterium der Justiz zur Aufar- beitung der NS-Vergangenheit begrüßen. Meine Vorredner haben bereits auf die besondere Historie dieses Schwurgerichtssaals hingewie- sen, Professor Safferling wird gleich noch ein wenig näher darauf eingehen. Mit der Wahl dieses Ortes wird eine weitere Brücke zum ersten Symposium geschlagen, das vor knapp einem Jahr in Berlin im Plenarsaal des Kammergerichts stattfand. Dort wirkte nämlich nicht nur der Jurist Roland Freisler als Vorsitzender des Volksge- richtshofs im Rahmen von NS-Schauprozessen in empörender Weise und verurteilte Menschen unter Missachtung jeglicher rechtsstaat- licher Anforderungen zum Tode. Nach Kriegsende konstituierte sich in genau jenem Saal auch das später hier, im Schwurgerichtssaal, fortgeführte Nürnberger Tribunal gegen die Hauptkriegsverbrecher. Beim ersten Symposium habe ich deutlich gemacht, dass die Arbei- ten und Erkenntnisse der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kom- mission, die Symposien, die Tagungen und die weiteren Forschun- gen nicht als geschlossene Veranstaltung oder als ausschließlich wissenschaftliche Expertenrunde wahrgenommen werden dürfen. 8 Die Rosenburg Es geht darum, mit den Untersuchungsergebnissen und neuen Erkenntnissen einen kritischen Diskurs in der Öffentlichkeit anzustoßen und immer wieder die Erinnerung dem Vergessen achtundsechzig Jahre nach Kriegsende entgegenzusetzen. Ihre rege Teilnahme am heutigen Tag, die Anwesenheit vieler jüngerer Zuhörer hier im Saal, die zahlreichen Studentinnen und Studenten, das Medieninteresse, insbesondere aber die Mitwirkung vieler nam- hafter Persönlichkeiten, Experten und – sehr geehrter Herr Bach, sehr geehrter Herr Dr. Düx – auch Zeitzeugen zeigt, dass das gelingt. Ihnen allen darf ich schon jetzt für Ihre Beiträge zum Gelingen der Veranstaltung danken. Der Titel des heutigen Symposiums, „Verantwortung der Juristen“, kann durchaus in unterschiedlicher, in doppelter Hinsicht verstanden werden. Dass gerade auch Juristen unmittelbare Verantwortung für die ungeheuerlichen Verbrechen der national- sozialistischen Diktatur, für Vertreibung, Verfolgung und Mord getragen haben, ist eine historische Tatsache. Und sie trugen diese Verantwortung an herausragender Position. Es waren Juristen, die Gesetze formulierten, welche die Grundsätze von Rechtsstaat- lichkeit durch eine Ideologie des Rassismus ersetzten. Es waren Richter und Staatsanwälte, die willkürlich und unter Verletzung der Menschenwürde Ermittlungen und Verfahren durchführten und Unrechtsurteile sprachen. Und auch das Reichsjustizministerium war tief in den NS-Staat verstrickt. Die notwendige Klarheit hierüber hat bereits im Jahre 1947 der ebenfalls in diesem Saal von alliierter Seite durchge- führte Juristenprozess geschaffen. Nicht weniger als neun der sechzehn Angeklagten hatten im Reichsjustizministerium eine leitende Funktion inne. Sie alle haben einen persönlichen Beitrag dazu geleistet,