Gruppe Olten" Kam : Zur Kulturpolitischen Wende Von Oltens Selbstverständnis Nach 68
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Wie es zur Gründung der "Gruppe Olten" kam : zur kulturpolitischen Wende von Oltens Selbstverständnis nach 68 Autor(en): Bloch, Peter André Objekttyp: Article Zeitschrift: Oltner Neujahrsblätter Band (Jahr): 70 (2012) PDF erstellt am: 01.10.2021 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-659092 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. Die systematische Speicherung von Teilen des elektronischen Angebots auf anderen Servern bedarf ebenfalls des schriftlichen Einverständnisses der Rechteinhaber. Haftungsausschluss Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr für Vollständigkeit oder Richtigkeit. Es wird keine Haftung übernommen für Schäden durch die Verwendung von Informationen aus diesem Online-Angebot oder durch das Fehlen von Informationen. Dies gilt auch für Inhalte Dritter, die über dieses Angebot zugänglich sind. Ein Dienst der ETH-Bibliothek ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz, www.library.ethz.ch http://www.e-periodica.ch Wie es zur Gründung der «Gruppe Ölten» kam Zur kulturpolitischen Wende von Oltens Selbstverständnis nach 68 Peter André Bloch Zur Zeit des Kalten Krieges wurde vom EidgenössischenJu- stiz- und Polizeidepartement 1969 das so genannte «Zivi/- an alle Haushalte verteilt; es rief alle Staatsbürger zur Wachsamkeit gegenüber Staatsfeindlich- keit auf, mahnte zur Vorsicht gegenüber links-intellek- tuellen Versuchen, die schweizerische Eigenständigkeit und den allgemeinen Wehrwillen zu schwächen. In der fran- zösischen Übersetzung des ursprünglich deutschen Textes hatte der Walliser Schriftsteller Maurice Zermatten, Prä- sident des Schweizerischen Schriftstellervereins, die anti- kommunistischen und intellektuellenfeindlichen Tenden- zen verschärft, was am 27. Oktober 1969 in der «Gkzeöe Dkzwkâê» zu einem Protestschreiben von Franck Jotterand und 78 Schriftstellern und Professoren aus der Westschweiz führte. Nachdem der Vorstand des SSV ihrem Präsidenten einstimmig das Vertrauen ausgesprochen hatte, kam es zum Eklat: An der ordentlichen Generalversammlung schlössen sich 22 Deutschschweizer Autoren dem Protest ihrer West- schweizer Kollegen an und forderten den Rücktritt des Prä- sidenten. Nach dessen Weigerung verliessen sie gemeinsam die von ihnen als «politisch problematisch» bezeichnete Dachorganisation. Unter den Autoren befanden sich Peter Bichsei, Jeanlouis Cornuz, Walter Matthias Diggelmann, Friedrich Dürrenmatt, Ernst Eggimann, Jürg Federspiel, Dieter Fringeli, Max Frisch, Vahé Godel, Walter Gross, Ludwig Hohl, Peter Lehner, Kurt Marti, Adolf Muschg, Werner Schmidli, Jörg Steiner, Yves Velan, Walter Vogt, Otto F. Walter, Walter Weideli und Heinrich Wiesner. Zu diesem Zeitpunkt war ich literarischer Leiter des von Massimo Hauswirth geführten Kellertheaters am Zielemp, Mani Matter mit den Berner Troubadours Ruedi Krebs und im Untergeschoss des Restaurants Stadtbad. Legendäre Jacob Stickelberger Kabarett-Aufführungen, Kleintheater-Anlässe, Chanson- Abende und Kunstausstellungen wurden von Massimo or- fuhr, zu der Lesung aus seinem neuen Roman «Drtt SoiW- ganisiert; ich war als Berater für die literarischen Lesun- Er erzählte mir von den Vorfällen im SSV und den gen zuständig. Als Assistent am Deutschen Seminar der schon lange schwelenden Differenzen zwischen den einzel- Universität Basel hatte ich viele Kontakte mit Schweizer nen Lagern. Ich fand es schade, dass nun jeder Schriftsteller Autoren, von denen ich einige an die alle drei Wochen statt- auf sich allein gestellt sei, und schlug Werner Schmidli findenden literarischen Sonntagmatineen ins Kellerthea- vor, seine Freunde nach Ölten ins Kellertheater einzula- ter einlud. Fast alle der Dissidenten des SSV waren bei uns den, um eine Standortsbestimmung vorzunehmen. Da Ma- Gast gewesen und hatten nach ihrer Lesung mit dem im- ni Matter mit seinen Berner Troubadours des Öftern bei mer zahlreicher werdenden Publikum die im Räume ste- uns aufgetreten war, wurde auch er als Jurist zu dieser ers- henden literaturpolitischen Fragen diskutiert. Mit meh- ten Kontaktnahme eingeladen, zusammen mit Manfred reren Autoren hatte ich zudem — zusammen mit einigen Schwarz und Heinz F. Schaffroth. Und es kamen praktisch Studenten — am Dokumentationsband «Der alle, mit Ausnahme von Friedrich Dürrenmatt, der mir Äzzz/rewz WAz/ftzfr z»r gearbeitet, der 1971 im am Telefon erklärte, er sei ein Einzelkämpfer, verstehe sich Berner Francke Verlag erschien, in welchem vor allem der selber als autonomer Schriftsteller und nicht als «Unter- Übergang von der (meist mundartlichen) Umgangsspra- Schriftsteller», in Anspielung aufdie zahlreichen Stellung- che zur schriftlichen Hochsprache thematisiert wurde. So nahmen der Schweizer Autoren zu den alle bewegenden kam es, dass ich an einem Sonntagmorgen zusammen mit Tagesfragen, besonders aber auch inbezug auf die Aufar- Werner Schmidli in dessen Döschwo von Basel nach Ölten beitung der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. 34 Bei der Namenssuche des zu gründenden Vereins schlug Peter Bichsei - in Erinnerung an das Oltner Streik-Comité - die Bezeichnung «Gruppe Ölten» vor, was allgemeine Zustimmung fand. Man einigte sich auf die Gründung eines literarischen Clubs, in dem man gewerkschaftliche Fragen besprechen könne und einander auch über die in Arbeit befindlichen Werke orientiere, zur intensiveren ge- genseitigen Kenntnisnahme und freundschaftlichen Un- terstützung. Nach mehreren Treffen in Ölten, Zürich und Bern fand im zweisprachigen Biel/Bienne am 25. April 1971 die eigentliche Gründungsversammlung statt. Anne Cunéo wurde zur Präsidentin im fünfköpfigen Vorstand gewählt. Den Entwurf der Vereinsstatuten übernahm der Berner Liedermacher Mani Matter; sie wurden am 13. Ju- ni an der Generalversammlung in Neuchâtel genehmigt, mit der Wahl von Hans Mühlethaler zum Sekretär. Um die Idee eines freundschaftlichen Literaturclubs zu rea- lisieren, organisierten wir - d.h. Massimo Hauswirth, Ed- win Hubacher, Martin Disler, Agnes Barmettier und ich — im Kellertheater vom 13. bis 15. November die «OÄ»er Lzferatorfezgc 2970», als erste grössere öffentliche Veran- staltung. In offener Diskussion unter den Schriftstellern und zusammen mit einem zahlreich anwesenden Publi- kum wurden einige wichtige Probleme der Gegenwarts- literatur angeschnitten, so am ersten Abend die Frage nach dem «Image» - dem Bild und der Stellung — des Schrift- stellers in der Öffentlichkeit. Am zweiten Tag wurde nach den Bedingungen und Erscheinungsformen der «Unter- grund-Literatur» gefragt und in einem von Sergius Golo- win eingerichteten «Anti-Kulturlabor» die Vermischung verschiedenster Ausdrucksmedien vorgestellt. In einer ab- schliessenden Podiumsdiskussion kam man am dritten Tag endlich auf die heikle Frage nach der Verbindlichkeit und den Beurteilungsmöglichkeiten zeitgenössischer Wer- ke zu sprechen, unter dem Thema «Engagement und dich- terische Qualität». Die Aufzeichnungen der Gespräche und der damit zusammenhängenden Beantwortung von Frage- bögen konnte ich - in Zusammenarbeit mit einer studen- tischen Arbeitsgruppe sowie dem Oltner Stadtbibliothekar Edwin Hubacher — 1972 im Francke Verlag veröffentli- chen, unter dem Titel zer 2?o//g 2« afer Gerg/ZfcTw/t», unter bewusster Beteiligung von Schriftstellerinnen und Schrift- stellern aller vier Landessprachen, denen es um die Rolle der Literatur in der Gesellschaft ging, um Ästhetik und Engagement, Qualität und Verantwortung: Konrad Bän- ninger, Silvio Riccardo Baviera, Beat Brechbühl, Jakob Bührer, Josef Maria Camenzind, Theo Candinas, Carlo Castelli, Pierre Chappuis, Jeanlouis Cornuz, Anne Cunéo, Jean Cuttat, Walter Matthias Diggelmann, Friedrich Dürrenmatt, Ernst Eggimann, Marc Eigeldinger, Feiice Filippini, Dieter Fringeli, Max Frisch, Christoph Geiser, Vahé Godel, Alfred A. Häsler, Ludwig Hohl, Franz Höh- An den Oltner Literaturtagen 1970 1er, Edwin Hubacher, Wilfrid Jaensch, Adolfo Jenni, Ro- Oben: Martin Disler in seinem Atelier im Zielemp ger-Louis Junod, Ueli Kaufmann, Peter Lehner, Bernard Mitte: Peter André Bloch mit Dres Balmer (und dem Schatten von Liègme, Christoph Mangold, Kurt Marti, Herbert Meier, Adolf Muschg) im Kellertheater Clemens Mettler, Hans Albrecht Moser, Hans Mühletha- Unten: Ueli Kaufmann, Christoph Fink und Silvio Riccardo Baviera 35 1er, Adolf Muschg, Paul Nizon, Giorgio Orelli, Giovanni Betreuung der Drogenabhängigen in der Solothurnischen Orelli, Erica Pedretti, Madeleine Santschi, Heinz F. Schaf- Pflegeabteilung Rosegg mit sich genommen hatte. Unter froth, Werner Schmidli, Manfred Schwarz, Gerold Späth, Kaution kamen die beiden nach einigen Tagen wieder frei, Jörg Steiner, Walter Vogt, Otto F. Walter, Silja Walter, denn die Denunziation hatte sich nach der Analyse des Walter Weideli, Heinrich Wiesner, Gerda Zeltner-Neu- Henna-Pulvers als falsch herausgestellt. - Als Organisa- komm. Ich habe alle Namen aufgezählt, um zu dokumen- tor der Literaturtage kriegte auch ich Polizeibesuch; denn tieren, wie vielschichtig diese Zusammenkünfte waren. es waren die